Sichtbarkeit ist nicht das Problem – #unsichtbar

Am Ende dachte ich darüber nach, warum es eigentlich ist, dass jede „Betroffenen-Sparte“ auf die immer gleichen Verstrickungen hereinfällt.
Dabei hätte es doch genau mich ansprechen sollen. Eigentlich müsste ich doch in diesen #unsichtbar gehen und mich pausenlos bestätigt fühlen. Echokammer yeah!
Aber nein.
Erst musste ich meine internalisierten Ableismen runterwürgen. Dann die täterloyalen Innens. Und dann war da eigentlich nur noch Wut und Frustration über einer ohnmächtigen, hilflosen Hoffnungslosigkeit. So tief, dass ich sie nicht weiter erforschen wollte.

Ich habe schon vor längerer Zeit immer wieder geschrieben, dass die Unterscheidung in „unsichtbare“ und „sichtbare“ Behinderungen genauso problematisch ist, wie die Unterscheidung in „behindert“ und „nichtbehindert“.
Nun, wo viele behinderte und chronisch kranke Menschen sich und ihre Probleme aber als „unsichtbar behindert“ einordnen, ist es natürlich auch von mir schlicht zu akzeptieren, dass sich so viele Menschen nun einmal so empfinden und einordnen und dies als die Sprache, den Rahmen für ihre Schwierigkeiten wählen.

Aber… und hier kannst du dir mich vorstellen, mich windend und dabei immer wieder mit dem Kopf an Wände und Tische schlagend, weil ich da so viel sehe, was daran problematisch ist und kaum weiß, wohin damit … es hat so viele schwierige Implikationen, dass es nichts am Problem ändert und das macht mich einfach fertig.

Unter #unsichtbar haben zu Beginn ausschließlich? autistische Menschen getwittert. Inzwischen versammeln sich darunter aber auch Menschen mit anderen Diagnosen, denen allen gemeinsam ist, dass man ihre Behinderungen im Allgemeinen nicht aufgrund der Nutzung von Hilfsmitteln oder über die Körperform und -funktion annimmt bzw. herleitet, dass eine Behinderung vorliegen könnte.
Für mich war schon nach kurzer Zeit des Lesens klar, dass sich nichts Neues daraus ergeben würde. Man würde wieder Gewaltgeschichten in die Gesellschaft pusten und niemand würde es bemerken, weil niemand schreibt, dass es um Herrschaft geht. Wieder tritt man an eine falsch definierte und deshalb als homogen gedachte Gruppe („die Nichtbehinderten“/“die da draußen“/“die Ahnungslosen“) heran und sagt ihr sinngemäß: „Hier hömma – ich bin unsichtbar für dich – Immer bin ich unsichtbar – wär mir ein Arm ab, würdest du mich besser behandeln.“, was, wie Menschen, die andere Behinderungen kompensieren wohl bestätigen dürften, nicht der Fall ist. Neben dem Umstand, dass es ein unsolidarischer Kackmove ist, der seinerseits gewaltvoll gegen behinderte Menschen wirkt.

Was ich verstehen und auch emotional nachvollziehen kann ist, dass „unsichtbar“ hier als Metapher verwendet wird, um auszudrücken, dass man sich in den eigenen Kämpfen und Problemen nicht wahrgenommen fühlt. Nicht erkannt, nicht anerkannt. Dass man denkt: „Wer ich bin, was mich ausmacht, was ich brauche, das ist nicht offensichtlich – nicht völlig klar – für andere Menschen.“
Es gibt aber auch Posts, die ganz konkret das Wort „unsichtbar“ meinen, weil sie sich als behinderter Mensch und die eigene Kompensation von Behinderungen für weniger auffällig halten, als etwa die von Leuten, die einen Stock benutzen oder eine Prothese.

Beides muss meiner Ansicht nach benannt und verdeutlicht werden, wenn man (politisch) etwas dagegen tun möchte. Beides wäre jedoch besser nicht mit dem Begriff „unsichtbar“ getan, sondern mit den Begriffen „unerkannt“ und/oder „nicht anerkannt“.
Denn, wie ich gestern bereits in einem Twitterthread (Link zum Thread) schrieb: „Es ist ein Vermeidungsmärchen. [Dass man nicht jede Behinderung sieht und/oder „sieht“] Nichts weiter. Mit der Rahmung von Behinderungen als unsichtbar wird es eine Superkraft sie überhaupt wahrzunehmen – übermenschlich. Und deshalb im Alltag genau das „zu viel verlangt“ gegen das ihr eure Aufklärungsarbeit, euren Aktivismus macht.
Immer wenn jemand vertritt, es gäbe unsichtbare Behinderungen wird ein Mal mehr die behinderte Person auch die Behinderung selbst und nicht die Umstände in und von denen sie behindert wird. Das ist ein Problem.
Ja, es ist wichtig aufzuzeigen, dass viele Menschen besonders im sozialen Bereich, wegen ihrer individuellen Wahrnehmung behindert sind und werden – aber um das auszudrücken, darf man durchaus sagen, dass es um Missachtung, fehlerhafte Einordnung, Ignoranz und Gewalt geht.
Denn um nichts anderes geht in jeder Story um „XY übergeht meine Bedarfe, weil sie_r meine Behinderung/Grenzen/meinen Willen nicht beachtet/wahrt.“
Was also unter
#unsichtbar (Link zum Hashtag bei Twitter) vor allem unsichtbar bleibt ist, dass es um Gewalt gegen behinderte Menschen geht.
Auch ein Vermeidungsmove übrigens – weil man als behinderte Person zweimal nicht immer das Opfer sein will & noch mal Mitleid oder Abwehr abkriegen will, aber es ist, wie es ist und es ist wichtig sich dessen bewusst zu werden/sein/bleiben, um etwas zu verändern.“

Ja, es ist relevant, wie Menschen aussehen und ja, manche Erkrankungen und genetischen Varianzen lassen Menschen „besonders/anders/auffällig“ aussehen, weshalb im Kontakt mit ihnen sowohl schneller angenommen als auch anerkannt wird, dass sie Behinderungen oder Krankheiten kompensieren müssen. Aber auch diese Menschen werden deshalb nicht „richtig(er) gesehen“ oder erhalten deshalb leichter oder öfter auch das, was sie wollen und brauchen. Das einzige, was sie nicht machen müssen, ist in anderen Menschen die Idee aufkommen zu lassen, sie könnten ein behinderter Mensch sein. Mit allen Konsequenzen, die das hat. Vor allem für Menschen, die „anders aussehen“, aber gar nicht behindert sind.

Und ja, es ist auch relevant, dass Anpassung zu sehr viel Unauffälligkeit führt. Aber auch das beste Masking autistischer Menschen schafft eben nur das: Unauffälligkeit. Nicht: Verschwinden oder Unsichtbarkeit.

Für mich ist das Unsichtbarkeitsthema dieser autistischen Bubble das Einhornthema queerer Menschen.
„Some people are unicorns get over it“, war so ein Slogan, den wir eine ganze Weile auf einem Patch auf dem Rucksack trugen, weil uns von cis hetero Personen oft vermittelt wurde, dass wir uns unsere Geschlechtsidentität nur ausgedacht hätten und sie deshalb nicht anerkannt werden muss. Wie Einhörner nur ausgedacht sind und nur als solche anerkannt werden müssen.
Heute merke ich, wie ich sehr ich selbst zu diesem gewaltvollen Narrativ beitrage, wenn ich mich als Einhorn darstelle, das es aber real gibt. Erstens mache ich mich weniger menschlich und zweitens fordere ich so die Anerkennung meiner Person als etwas, dass es „eigentlich (in Wahrheit) ja aber nicht gibt“ ein. Also als Ausnahme von der Regel – nicht als Teil der Regel, der ganz selbstverständlich, wie alle anderen Menschen in allen Aspekten anerkannt wird.
Heute benutze ich das Einhorn nur noch unter anderen queeren Menschen als eine Art Insider-Gag. Als Gruppenmarker sozusagen. Denn nur in dieser Gruppe ist das auch sicher für mich und nicht gewaltvoll. Queere Menschen akzeptieren in der Regel meine Geschlechtsidentität. Sie kennen meine Kämpfe, sie kennen meinen Schmerz. Sie sind an meiner Seite etwas dafür zu tun, dass wir an.erkannt werden.

Die gleichen Dynamiken laufen in der Bubble der Menschen, die sich als „unsichtbar behindert“ einordnen.
Wir werden ständig mit Erwartungen daran wie behinderte Menschen aussehen konfrontiert, die von Menschen formuliert werden, die ihre Behinderungen mühelos kompensieren können und nicht auch von Strukturen behindert werden. Immer wieder sehen wir die Rollinutzer_innen, die Prothesenbesitzer_innen, die Leute, deren Körper „besonders/anders/auffällig“ aussehen in der Aktion Mensch-Werbung, auf Plakaten für Behindertenverbände, in Broschüren und Bilderbüchern. Und vergessen dabei, dass das immer immer immer lookistische, also ableistische Repräsentation behinderter Menschen für in der Regel lookistisch ableistisch einordnende Menschen ist. Dass das also nie die Realität abbilden kann zum einen und zum anderen vor allem dafür da ist einen Personenkreis anzusprechen, der in den eigenen Annahmen von behinderten Menschen und Behinderung an sich bestätigt werden muss, um sich ihnen überhaupt zu widmen. So traurig es ist, ist das Grundproblem bei dieser Werbung nun also nicht primär, dass nicht alle „Arten von Behinderung“ re_präsentiert werden, sondern dass es Werbung ist, die die ableistischen Annahmen der breiten Gesellschaft bestätigt, um an Gelder zu kommen, um mit Projektförderungen jeder Art etwas gegen diese Annahmen zu tun. Also für ein Unterfangen, das sich selbst erhält und deshalb kritisiert werden muss.

Nun aber zurück zum „unsichtbar-Thema“.
Wenn „wir Menschen, deren Behinderungen nicht an Hilfsmitteln oder Körperform und -funktion erkennbar ist“ untereinander von einer Unsichtbarkeit sprechen, ist das etwas anderes als unter einem Twitterhashtag mit dem Anspruch, dass „~alle~“ kapieren, dass es uns gibt und dass uns schlimme Ungerechtigkeiten und Gewalt passieren.
Und zwar, weil wir voneinander wissen und wir einander anerkennen. Wir kennen unsere Er_Leben und unsere Kämpfe.
Außerhalb dieser Gruppe ist das anders. Da werden wir nicht an.erkannt. Und zwar erstens, weil wir die Erwartungen daran „wie Behinderung aussieht“ und „wie behinderte Menschen sind“ weder erfüllen noch bestätigen und zweitens, weil die Bedarfe genauso wie die individuellen Er_Lebensrealitäten behinderter Menschen generell nicht anerkannt werden.
Das macht aber weder uns, noch „unsere Behinderung“ unsichtbar. Niemand wird unsichtbar, nur weil sie_r nicht angeguckt und an.erkannt wird. Aber alle, die ignorieren wollen, profitieren unfassbar stark davon, wenn diese Idee vertreten wird.

Deshalb sage ich, dass man davon wegkommen muss zu sagen: „Ich bin mit meinem Autismus (z. B.) unsichtbar behindert.“, weil es die Perspektive der in der Regel gewaltvollen und ignoranten Seite bestätigt und man anfangen muss zu adressieren, wer wem wann warum verweigert gesehen und „gesehen“ zu werden. Denn in beiden Themen – dem Einhorn-Thema, wie dem Unsichtbar-Thema, macht es einen großen Unterschied, ob man sagt: „Ich bin ein Einhorn, get over it“/“Ich bin unsichtbar, guck mich an“
oder ob man sagt: „Du entmenschlichst mich, um mich nicht anerkennen zu müssen“/“Du ignorierst meine behinderungsbedingten Bedarfe, um mich nicht (auch) als behindert anerkennen zu müssen.“

Ich verstehe, dass das alles komplex und schwierig ist. Dass man es für leichter hält, weil es so eine allgemeine Floskel, so eine allgemein oft benutzte Redewendung ist. Aber überlegt doch mal, warum das so ist. Warum können wir uns so easy in die Gegend stellen und sagen, wir wären unsichtbar – aber bleiben ohne jeden Erfolg mit egal welcher Forderung, wenn wir sagen, dass wir mehr oder weniger absichtlich ausgegrenzt werden? Sicher nicht, weil Sichtbarkeit das Problem ist.

Dörthe

Sie wollen Denk- und Sprechverbote*, sie wollen Frauen unterdrücken *, sie wollen alles anders*
– pfui bäh sie sind Queerfeminst*innen!

Oh ja das ist ein heißer Scheiß. Auf Queers rumhacken. Non-Binaries wahlweise für die eigene Message einspannen, um sie bei einer anderen wieder gnadenlos auszuschließen und ihnen im Nachhinein noch Vorwürfe zu machen, dass sie das nicht sehr geil finden.

Ich habe keine Lust, keine Kraft und keine Zeit für einen weiteren Text, der alles Falsche und Schlimme an dem, was der weiße Cis-Popfeminismus macht. Und das ist vielleicht einfach das Problem.
Vielleicht.
Wahrscheinlicher aber auch nicht, denn es ist nachwievor egal, wie man als Non-Binary, Queer, Trans, * zu dem steht, was da alles verbreitet und gemacht wird. Am Ende bleibt all das in dem Milieu, wo man sowieso schon nicht mehr drüber redet. Denn am Ende bedeuten all die vielen nicht inklusiven Feminismen für uns vor allem eins: Ein Mahnmal an all die Kraft und Energie, die einfach nicht da ist, um irgendetwas dagegen oder daneben zu tun.

Wir haben gerade Ferien, deshalb entsteht dieser Text. Und: Wir haben heute etwas gemacht, das wir schon viel früher hätten machen müssen. Aus Gründen.
Ein paar davon will ich aufschreiben.
Ein bisschen was will ich mir selbst sortieren.
Eine Diskussion will ich hier nicht anfangen. Denn manches ist einfach nicht diskutierbar.

Frühjahr 2013
Aufschrei zieht sich durch Twitter und feministisiert uns.
Vorher waren wir sozialistische Menschenrechtsanarchos und waren mit der Frage beschäftigt, inwiefern uns die Menschenhandeldebatte berührt, schließlich waren wir in gewisser Weise gehandelt worden. Feminismus war Alice Schwarzer und die fanden wir nicht gut. Damals nicht und heute noch viel weniger.

Wir lernen jemanden kennen, nennen wir sie Dörthe. Weil Dörthe so schön weißdeutsch klingt, wie es die Mainstreamfeministin ist, die ich mir heute “Beißreflexe” lesend in einem Berliner Café vorstelle.
Dörthe geht zum Frauenkampftag und zum Reclaim the Night-Dings in der nächsten größeren Stadt. Dörthe findet Pinkstinks “voll stark und mutig”, hat ein Emma-Abo seit Anfang der 2000er und spendet an Mädchenarbeitsprojekte in Afrika. Dörthe liest Antje Schrupp.

2013 hatten wir eine rosa Brille auf und waren noch pink hinter den Ohren.
Very peinsam, so im Rückblick. Aber gut, so ist das eben.

Dörthe gehört seitdem irgendwie in unseren Kosmos.
Sie liest unsere Texte, aber nur, wenn sie kurz sind. Für die langen, da hat sie eine Zeit und ach, man muss ja auch nicht immer alles ausdifferenzieren. Am Ende muss man ja auch mal was machen. “Endlich mal was machen!”, das bedeutet für Dörthe die Choreographie von One Billion Rising in der Innenstadt vorzuhopsen und Sticker mit einem Uterus drauf in die Fußgängerzone zu klatschen.

Irgendwann finde ich @cuffedcatling bei Twitter. Dann @baum_glueck. Dann @dressedasahuman. Dann @weirdbielefeld. Dann @redhidinghood. Dann @flausensuppe. Und dann geht alles irgendwie ganz schnell. Weil da etwas klar wird. Weil wir uns zum ersten Mal in unserem Leben in Beschreibungen anderer Menschen wiederfinden. Wohlgemerkt – Menschen, die nicht, wie wir viele sind oder von 21 Gewaltjahren völlig zerschossen. Wie kann das denn sein?

Queer.

Das war das Wort. Die Queertheory und all das, was daran hängt.
Der ganze Männlein-Weiblein – Männer sind vom Mars-Quatsch, wurde uns als der für uns ungute Kontext klar, in dem wir uns nie finden und verorten konnten, weil der einfach nicht passt. Egal, wie sehr wir uns therapiert haben und auch egal, wie sehr wir anerkennen, dass uns Gewalt ver_formt hat.

Und von da aus gab es kein Zurück mehr, denn einmal durch ein Muster wie dieses durch, kann man andere – ganz ähnlich gestrickte und etablierte Muster der Gewalt und Ausgrenzung – weder weiterhin übersehen, noch sich gegen eine gewisse Weiterentwicklung im eigenen Werten und Handeln entscheiden (und zeitgleich noch denken, man täte etwas völlig Unproblematisches, wenn man das nicht tut).

Dörthe ist beim Aufschrei stehen geblieben, hat ein paar Jahre übersprungen und ist bei Metoo wieder gelandet. Und bei was tun. Uteri auf Plakaten rumwedeln und Vulvasymboliken auf Stickern in die Innenstadt klatschen, diesmal im Kontext von Schwangerschaftsabbrüchen und dem Recht auf Informationen dazu.

Dörthe benutzt Feminismus als Performance von Nonkonformität. Für sie ist Feministin zu sein, “im Grunde das Gleiche wie behindert sein” (kein Scheiß – das ist ein O-Ton). Es macht sie besonders in ihrer Innenstadt-Mutti-Clique, die nur allzu gern verdrängt, wie strunzenkonservativ ihr gesamtes Welt- und Menschenbild und damit auch: ihr Feminismus ist.

Als wir verstanden: “Hey, der Schmerz, der auf jedes “Frau XY” kommt, hat nicht nur etwas damit zu tun, dass die Leute dich ansprechen, wie die Person, die dir Jahres Lebens die Hölle auf Erden bereitet hat, sondern auch damit, dass du weißt, dass der auch dann noch da wäre, wenn sie dich mit “Frau Rosenblatt” ansprechen. Es ist okay. Der Schmerz ist real. Das anders haben zu wollen ist okay. Weder Mann noch Frau, noch überhaupt in einem Zusammenhang von Frau und Mann zu stehen, ist real und okay und ist nicht nur bei dir so.”, da hat unsere Selbstverstümmelungsrate um 70% nachgelassen.

Das war es, was wir gebraucht hatten, um zu verstehen, dass dieser Körper sowas von gar niemals irgendetwas darüber aussagt, wer oder was wir sind.

Und es war genau das, was uns in, zu dem Zeitpunkt, etwa 14 Therapiejahren keine_r der über 20 Psychotherapeut_innen mal angetragen oder gefragt hat.

Dörthe hat das nicht mitgekriegt.
Zugegeben: so wahnsinnig viel haben wir auch nicht darüber geschrieben. Aber: muss man das denn, oder sind bestimmte Dinge nicht manchmal auch genug Signal für Veränderung?
Ist es nicht manchmal schon genug Signal, wenn man mit Sternchen oder (wie wir es einfach optisch und aussprachehilfreicher empfinden) mit dem Unterstrich gendert, obwohl man das vorher nicht gemacht hat? Oder wenn man plötzlich alle die Menschen anspricht, die man mitmeint?

Oder aus anderer Perspektive: Wenn man im Gespräch von jemandem erfährt, das gewisse Menschen zu den Leute gehören, deren Ansichten man als transfeindlich, verächtlich und anmaßend einordnet? Oder wenn man von jemandem gesagt bekommt, dass man auch dieses Jahr nicht mit auf die Frauenkampftagsdemo kommt, weil es – erneut – Cis-Feminist_innen waren, die das Gefühl der Unerwünschtheit so heftig ausgelöst haben, wie sie es sonst nur schaffen, wenn sie eins als Frau bezeichnen (verorten), obwohl man ihnen schon x-Mal gesagt hat, dass Non-Binary-Sein genau das nicht ist

Ich hab Dörthe heute gesagt, dass sie eine ignorante Mistkuh ist, die sich mit ihrem Uwe und ihrer ganzen cishetoronormativen Kackscheiße aus meinem Leben verpissen soll. Ja. So einen langen Satz hab ich ihr gesagt und ich hab mich nicht ein Mal dabei versprochen. Obwohl ich vor lauter Verletzung und Wut über die eigene Verletzung und Trauer über ihre Ignoranz und all die Ohnmachtsgefühle gezittert hab. So sehr, dass mein knackigster Tweet, der mehr random noch dazugehört, gleich mal zwei Fehler drin hat.

Dörthe musste mir nämlich einen Text zeigen, dessen Titel mir schon früher am Tag den übelsten Cringe der letzten Wochen verpasst hatte.
Dörthe musste mir erzählen, dass das alles total viel Sinn für sie ergibt und wie sie das ja an sich selber merkt, worüber sie sich so definiert.
“Nein Dörthe, das hast du nie gemerkt. Zumindest hoffe ich das für dich. Ich hoffe, du merkst das irgendwann mal.”, würd ich ihr jetzt gerne noch sagen.

Wir waren grundsätzlich immer dankbar um Kontakte zu Menschen, für die Feminismus kein Schimpfwort oder eine Ideologie ist. Denn das ist für uns die Basis. Die Anerkennung des Umstandes, dass “der Feminismus als solcher” eine soziale Bewegung, ein gesellschaftlicher Diskurs, eine kritische Analyse des Status Quo ist. Egal, ob er in Form von Stellvertretungspersonenkult oder in bestimmten Wert- und Weltkonzepten daher kommt.

Wir haben viel Zeit in die Auseinandersetzung mit Cissen gesteckt, für die unsere Kämpfe immer wieder mehr Empowerment und Inspirationporn, als echte Solidarität mit uns und unseren Anliegen zur Folge hatte. Dazu sei gesagt: wir haben das nicht lange gemacht – vielleicht ein paar Monate und nicht, wie viele andere Aktivist_innen: seit Jahren und Jahrzehnten. Das Frust- und Schmerzlevel geht in solchen Dingen enorm an die Substanz. Schließlich spricht man mit diesen Feminist_innen nicht über Dinge wie Abtreibung, Pille danach oder von Täter_innen sexualisierte Gewalt, sondern über das, was uns ausmacht und dadurch auch unsere innerfeministischen Anliegen formt. Das geht einfach tief. Und ja: an manchen Stellen einfach 20 mal so tief wie Aufkleber klatschen und Vulva zeigen.

Jemand wie Dörthe versteht das Problem nicht, das es ist, wenn es ein Uterus oder eine im Ausweis zugeordnete Geschlechtlichkeit oder eine soziale Rolle ist, was für sie legitimiert, zur Frauenkampftagsdemo zu gehen oder nicht.
Jemand wie Dörthe ordnet uns auch dann noch als Frau ein, obwohl ich ihr sage, dass sie mir damit Gewalt antut und das bitte nicht mehr machen soll.

Dörthe findet es unnötig sich anzuhören, wie das für uns ist, auf ein Gerichtsurteil zu warten und nur hoffen zu können, dass diese spaltbreit offene Tür auch uns als Person, die es echt und wirklich als solche gibt und benannt werden kann/soll/muss/darf, legitimiert.
Sie und ihre Clique begutachten lieber die Gänsehaut der anderen, wenn sie sich über Hebammenmangel und Pflegenotstand, Erzieher_innenburn-out und Frauenmorde unterhalten. Denn es geht nie um sie als Individuum. Sie genießen den Schutz, den es – allen Diskriminierungen, die damit einhergehen zum Trotz! – für Menschen gibt, die ihr ganzes Leben als das angesprochen werden, als das sie sich heute wie früher in Gruppen wehren und kämpfen: als Frauen.

Wir als Person, die sich im Kurzen als queer, im Langen als “queer in Auserkundung dessen, was Nichtbinärität für sie bedeutet”, beschreibt, passieren nicht in diesen Diskussionen. Nirgens. Niemals.
So sehr, dass wir uns nur dort wehren und abgrenzen können, wo man uns mit Gewalt verortet: in der Weiblichkeit/Männlichkeit, die immer wieder allein über den Körper konstruiert wird.
Oder, wie im Text von Antje Schrupp, als “Eichhörnchen oder Frostschnee”. Oder in einem der unzähligen anderen Texte anderer Leute, die queere nichtbinäre trans inter * Identitäten so sehr nicht ernstnehmen und anerkennen können, dass sie sie mit anderen absurden Begriffen entmenschlichen, entwürdigen und demütigen. Manchmal just for the clicks, manchmal, weil das in der eigenen Blase unproblematisch, weil nie kritisch diskutiert, ist.

Alles das macht mich sprachlos für Forderungen oder Gegenentwürfe.
Dörthe. Die Feminist_innen, die sowas passieren lassen. Egal, ob cis oder nicht. Da passiert Gewalt innerhalb einer Bewegung, die sich doch eigentlich genau gegen Gewalt aufgrund des Geschlechts zusammengefunden hat.

Vor allem: Sie passiert immernoch.
Nicht nur jetzt, heute, wo es schon einige Literatur und einzelne sehr engagierte Stimmen gibt, die aufklären, erklären, aufzeigen, versuchen, Alternativen vorzuschlagen und und und – sie passiert schon sehr lange und sie war nie in Ordnung oder weniger schlimm, als die, die anderen Personengruppen passiert.

Ich hätte einen Text wie diesen hier schon vor Monaten schreiben können. Vielleicht auch Jahren.
Der letzte Text von Antje und der Schaden, den er produziert, ist der Auslöser für den Kontaktabbruch mit Dörthe – nicht der Grund.

Der liegt ganz woanders.
Aber darüber schreibe ich später mal.

Oder nein –  besser ihr geht zu einem der Vorträge von @redhidinghood und @ruehrtofu.

 

*was ich verstehe, wenn ich Cis-Feminist_innen über “diese (Netz)Queerfeminist_innen” reden höre

slide of „Überlebenskampf“

Wir haben gestern an der Nähmaschine zu nähen gelernt und ich habe etwas verstanden.

Die ersten Ideen dazu kamen schon in den Überlegungen zu der Radtour, die wir für den Mai planen. Während ich keinen Anlass sehe zu lernen, wie man Regenwasser sammelt und aus jungen Bäumen eine Bettstatt baut, weil es Zeltplätze und überall* sauberes Leitungswasser gibt, sind Teile meines Innenlebens von 0 auf eine Zillion in Vollbereitschaft jetztgleichsofortzackzack ohne alles über Wochen und Monate draußen zu leben.
Für diese Innens gehts ums Überleben, obwohl es für uns andere als Reiz- und Menschendiät gedacht ist. Also genau ganz viel weniger Notwendigkeit in einem bestimmten Überlebensmodus zu sein.

Wir sind also irgendwie alle immer und immernoch im Überlebensmodus.
Die einen sehr auffällig aus Zeit und Raum gefallen, die nächsten sehr auffällig in Ängste und Sorgen gerutscht, die nächsten einfach wissbegierig, aber auch wissend, dass die Erkenntnis (nur/häufig) in Abhängigkeit von anderen Menschen kommen kann, was wiederum eine Bedrohung für die eigene Existenz bedeutet.

In der letzten Woche habe ich mich oft vor dem Innen gefürchtet, weil ich eine hohe Bereitschaft in suizidale Ideen zu kippen spürte, obwohl es keine fremden oder neuen Belastungen gab. Und nicht gesehen habe, dass ich mich in einem Überlebensmodus bewegt habe – ding ding ding Helferversagen und Hilfekrämpfe.
Ich hatte wieder einmal, weil von außen keine Bestätigung über die Berechtigung (und darüber eine Beruhigung) meines Empfindens kam, aufgehört darauf zu pochen entlastet und versichert zu werden und die Ärmel hochgekrempelt, um es selbst zu machen. Wie ich alles selbst mache. Weil ich es ja kann. Obwohl mein Inneres schreit und brüllt und krampft, dass es nicht kann.

Und jetzt hab ich auch noch gelernt zu nähen. Weil: dann kann ich mir ja so eine schwere Decke selber nähen und brauche weder den Begleitermenschen und seine schwere Turnmatte, noch den Antrag auf Leistungen aus dem FSM, die so eine Decke ermöglichen sollen.

Man liest so oft von den Vielen, die immer so verzweifelt ums Überleben kämpfen und übersieht dann die Kämpfe, nach Ausstieg, nach konkreten Verletzungs- Gewalterfahrungen, die eigentlich noch so viel näher liegen.
Selbst die Innens mit ihrem eingeübten Survivaltraining zum Überleben ohne Strom und fließend Wasser, sind keine versprengt desorientierten  Kinderinnens, die im übertragenden Sinne ihres Handelns nach Mami greinen, weil sie Angst davor haben zu verhungern.
Das sind die, die man im Fall der Fälle hoch achtet und sich ihnen überlässt, weil sie wissen, was warum und wie zu tun ist.  Das sind die, deren Kampf darin besteht, diese “von 0 auf eine Zillion –Jetztgleichsofortzackzackvollbereitschaft” nicht zu verlieren, weil sie für den Überlebenskampf “sich auf eine andere Person verlassen, die eventuell vielleicht (wenn die Gestirne recht am Himmel stehen und das Spagettimonster gekräuselte Locken hat) weiß, was zu tun ist” keinerlei Handlungsoption kennen.

Dann ist es plötzlich kein Kampf ums Überleben mehr, wenn man sich stellvertretend für Sozialarbeiter_innen, Helfer_innen, Mediziner_innen und Jurist_innen in ein intersektional-eklektisches Selbststudium wirft, aber Hartz 4 bezieht und nicht mal ein Abitur hat.
Das ist dann “ganz tolle Compliance”, “total gute (kostenlose) Hilfe”, “super engagiertes Ehrenamt” oder noch mit am schlimmsten: “Inspirationporn” für die, die sich selbst für schwach halten, weil sie “sowas selbst nie aushalten/ertragen/überleben könnten” bzw. glauben, sie könnten das nicht, gerade weil sie es nie selbst aushalten/ertragen/überleben mussten oder anerkennen wollen/können/dürfen, dass sie es sehr wohl schon mussten und auch konnten.

So wird aus dem Überlebenskampf eines Innens eine zugeschriebene Eigenschaft: “stark” und es gibt Dialoge wie:
“Es erstaunt mich wie so eine schwer kranke Frau noch nie hier auf unserer psychiatrischen Krisenstation war.”
– “Sie ist halt eine starke Frau”

Ja, an diesem Wortwechsel habe ich einen Dorn und inzwischen nicht einmal mehr, weil ich dachte, dass unserer Therapeutin einfach nichts anderes eingefallen ist, sondern dass ich argwöhne, ob sie noch mitzieht, wenn die Ärmel-hoch-K., die jeden und alle mit Worten und Intellekt an die Wand ballern kann, aufhört und ebenfalls ihre Löffel einspart, weil: suddenly Therapiefortschritte.
Was ist denn wohl, wenn man über uns als Einsmensch nicht mehr sagen kann: “Sie ist eine starke Frau – gucken sie mal, was sie alles kann und macht – es lohnt sich total mit ihr zu arbeiten, weil: es ist super befriedigend (und inspirierend)”.

Was ist, wenn wir schwach sind, weil wir schwach sind?
Wenn von all dem womit man eine DIS aufpusten und mysteriös spannend special machen kann, um sich in jahrelange Traumaverarbeitung against Richtlinie und gesamtgesellschaftliche Wertschätzung dessen zu motivieren, ein verletztes und dysfunktionales Ex-Opfer übrig bleibt, das nicht einmal in der Lage ist Hilfen anzunehmen, weil es das einfach gar nicht kann.

Ich glaube, es wird unterschätzt wie viele Fähigkeiten so eine (Psychotrauma-)Psychotherapie erfordert. Wie sehr Therapie und Hilfe nicht barrierefrei sind.
Unsere Therapeutin hätte sagen müssen: “Frau Rosenblatt kämpft ums Überleben.”

Aber vielleicht hatte sie das für einen Moment vergessen.

Und – wie ich ebenfalls in der letzten Woche lernte – merkt man uns (mir) nicht einmal dann das Kämpfen an, wenn ich es sage.
Wenn ich es auf meine Art rausschreie, brülle, krampfe.
Nicht mal dann.

“Wir sind Viele” ~ Teil 3 ~

Es war halb 6, als das Handy über den Boden unseres Zimmers rappelte, um uns zu wecken.
Sie öffnete die Augen und sah sich um. Atmete ein und studierte unsere Liste für den Tag.
“Ich will das. Ich kann das. Ich mach das.”, dachte sie, während wir einen Punkt nach dem anderen durch sie hindurch abhakten.

“So Herzi- weinen und diverse andere Aktivitäten, bei denen vermehrter Tränenfluss üblich ist, sind ab jetzt mit dem Risiko verbunden ein Waschbärengesicht zu bekommen.”, tönte es von innen, als ihr eine Frontgängerin klebrige Schwärze auf die Wimpern legte. Sie betrachtete das Innen durch diese so vertraute innere Wand aus Glas im Spiegel. “Und wo bin ich?”, strich wie ein Hauch durch sie. Wie immer, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Blitzlicht:
Wer bin ich und welche Rolle wartet auf mich? Wie muss ich sein, um anwesend… existent sein zu dürfen? Wer darf ich, muss ich, soll ich für das Gegenüber sein?
Für uns sind das zentrale Fragen. Bis heute hängt an der Antwort auf jede einzelne ab, wer von uns da ist und wie wir sortiert sind.
Natürlich haben wir uns vor der Tagung überlegt, wo es Schutz braucht; von wo die Signale zu erwarten sind, wenn Grenzen berührt werden und natürlich gibt es grobe Muster, auf die aufbauend wir planen und uns in Reihe schalten können, doch das Außen kann man schwer bis gar nicht beeinflussen. Noch immer gibt die Umgebung bzw. unsere Fähigkeit den von ihr ausgelösten Stress zu verarbeiten, maßgeblich vor, wer von uns “da” ist und die Möglichkeiten im Außen, diesen Stress adäquat zu regulieren, wer wieder “geht”.
Als wir begannen für die Tagung zu sparen, kämpften wir bereits mit diesen Fragen.
“Du bist eine Betroffene- komm was willst du da? Da werden PsychologInnen, PsychiaterInnen, PsychotherapeutInnen und sonstige Menschen sitzen, die einen Beruf, ein Sein vorweisen können und wir? Wir sind wir und waren nie mehr. Was willst du in die Anmeldung schreiben, hm? “Guten Tag, mein Name ist Hannah Rosenblatt- Berufsmulti seit 2007 in eigener Praxis für Lebenserforschung, diagnoseerfahren seit 2002, oder was?”.

Dann veröffentlichten wir den Artikel “Warum sich die Sprachführung über sexualisierte Gewalt verändern muss”. Inzwischen wurde dieser Artikel 181 Mal auf Facebook geteilt, bei der Mädchenmannschaft erneut veröffentlicht und mit einem Namen in Verbindung gebracht: Hannah C. Rosenblatt
”Okay, das ist schräg- aber hey- ich bin ein random Internetjemand- komm, das muss reichen- anmelden und zack jetzt hier- Bäng!”, brubbelte es vor sich hin, als wir die Anmeldungsmaske zur Tagung ausfüllten.

Was uns dann in die Hand gegeben wurde, als wir uns am Freitagmorgen anmeldeten, war dann aber doch unerwartet mächtig:
Namensschild

Sie schwebte wie ein Irrlicht in sich selbst herum, als wir zur Begrüßungsrede in die Aula eintraten. Obwohl es nicht ihre Brust war, an der das Namensschild baumelte.

 

~Fortsetzung folgt~

 

 

Vorschau: Wir werden in den folgenden Artikeln Vorträge und Workshops kommentieren bzw. die Dinge formulieren, die wir gerne formuliert hätten.

von Leidvergleichen und Alltagsgewalt

473731_web_R_by_Günter Havlena_pixelio.deDer Punkt an dem ein therapeutisches Gespräch bei mir am meisten reinhaut ist der, wenn mir das Gegenüber so Dinge sagt wie: „Das war ganz schön schlimm für Sie, nicht wahr?“ oder: „Oh weh, das war sicher schmerzhaft…“

Puff! Wird mir mein Leiden unter einer Situation bewusst und/ oder bestätigt von jemandem, der nicht selbst dabei gewesen ist, sondern nur von mir davon erfahren hat. Und wie durch ein Wunder, fühle ich mich dann auf einer Ebene besser, als vorher.
So einfach geht das.

Wenn ich in Kliniken war, habe ich manches Mal gedacht, dass meine Mitmenschen, die dort ebenfalls zur Therapie waren, allesamt aus vollem Halse schreien würden, wären sie noch Babys oder Kleinkinder bzw. wäre dieser Ausdruck seiner Not für Erwachsene gesellschaftlich anerkannt, um genau diese Annahme und Bestätigung zu erfahren.
.
Als erwachsene Gewaltüberlebende schreien sie auf viele andere Arten ihre Not heraus. Zum Beispiel in dem sie nicht mehr essen, sich Verletzungen zufügen, ihren Körper zum Sprachrohr machen (somatisieren) und so weiter.

Egal, was ihnen passiert ist, egal was für einen innerseelischen Konflikt sie da gerade mit sich ausfechten- sie leiden und es geht ihnen schlecht. Das anzuerkennen ist für mich selbstverständlich. Zum Einen, weil es nicht um mich dabei geht und zum Anderen, weil ich das Geschrei nur schwer ertragen kann und weiß, wie viel einfacher alles ist, wenn man dem Anderen schlicht seine Gefühle und Gedanken anerkennt und lässt, ohne sie auf sich zu beziehen (und damit: seine Gefühle mit meinen zu vermischen) und zu bewerten anhand meiner Schlimmskala.
Das ist meine Art des Selbstschutzes und auch der Versuch Gewalt in einer ihrer Maskeraden nicht weiter zu tragen.

Wenn ich in einer Klinik bin, rede ich nicht über meine Probleme und Diagnosen mit anderen Mitpatienten, sondern ausschließlich mit meinen BehandlerInnen. Ich bin diese Vergleicherei und Bewerterei einfach leid und habe für mich eine relativ gnadenlose Schiene entwickelt: Ich komme, mache und gehe wieder weg. Keine Patientenkontakte außerhalb der Angebote und nicht mehr Zeit als nötig in diesem Setting.

Kliniken sind Brutstätten für Leidvergleiche, weil es nur allzu oft, um die extrem begrenzte Ressource der Aufmerksamkeit und Bestätigung geht. Ich lasse mich von niemandem dazu missbrauchen sich besser oder schlechter zu fühlen, weil er an meinen Gefühlen oder meiner Geschichte seine Position zu sich und seinen Gefühlen und seiner Geschichte finden will.
Es gibt Menschen, die genau für die Arbeit der Hilfe zur Selbstpositionierung und Sortierung bezahlt werden: die Psychotherapeuten!

Damit sich Muster wie das einer Somatisierungsstörung oder einer Essstörung oder was auch immer entwickelt, braucht es jede Menge Nichtbeachtung, Relativierung, den Verlust der Berechtigung zur eigenen Wahrnehmung, Konflikte jeder Art- unterm Strich: Alltagsgewalt. Die fiesen kleinen Internalisierungen und Weitertragereien von Erniedrigung und Demütigung, die wir hier und da einfach mal so aufgenommen und in anderen Kanälen wieder heraus gelassen (in jemand anderen wieder hineingegeben) haben genauso, wie die großen Schicksalsschläge, die einfach so mal über einen kommen.

Es ist mir egal, warum und wieso jemand Symptom XY entwickelt hat, weil ich für mich klar habe, dass niemand unter seinem Anpassungsmuster bzw. seiner Überlebensstrategie krankt, weil er Geschichte AB erlebte oder Charaktertypus CD ist; sondern,weil genau dieses Muster bzw. diese Strategie plötzlich (oder auch schleichend) dysfunktional geworden ist. Entweder, weil sie nicht mehr gebraucht wird oder, weil sie allein nicht mehr ausreicht, um eine Balance für Alltagsfunktionalität zu halten.

Ich habe das schon einmal hier im Blog erwähnt: Ich leide nicht und habe nie darunter gelitten „Viele zu sein“- ich habe darunter gelitten, es plötzlich zu spüren bzw. plötzlich zu erfahren, warum mein Gehirn so vieles nicht assoziieren kann um ein kohärentes Selbst(bild) für mich zu ermöglichen.

Ich finde Leidvergleiche missbräuchlich, weil ich mich als Maßstab missbraucht fühle. Und im Zuge dessen sogar richtig misshandelt.
Das Wort Missbrauch enthält „brauch“ und deutet so eine Notwendigkeit- ein „etwas zu Brauchen“ an. Dies ist im Hinblick auf diese Art Missbrauch als Maßstab für andere Menschen meines Erachtens sehr passend, weil meiner Meinung nach, hinter diesem Verhalten eine Notwendigkeit- ein nötiges „etwas brauchen“ steht. Einfach so macht das niemand! Es wird für mein Gefühl danach geschrien eine Erlaubnis für seine Not zu haben. Eine Berechtigung generiert, sich um sich selbst zu kümmern.

Diese Erlaubnis kommt aber nicht dadurch zu Stande, dass ich mich als Maßstab hergebe, sondern dadurch dass das fiese Gewaltmuster im Kopf des anderen Menschen endlich Ruhe gibt, weil es mich gegenüber dem Empfinden des Anderen erniedrigen konnte!

Ich habe einen Seitenarm der Diskussion hier im Blog, gerade auch in meinem Privatforum, in dem ich mich mit anderen Menschen mit DIS austausche.
Dort merkte ich gestern einen Stich in mir, als jemand von seiner wachsenden Kenntnis über seine Biographie schrieb. Ich nannte es erst „Neid“- jetzt einen Tag und viele Gedanken später nenne ich es: „Oh- Achtung- du fängst an dich selbst zu erniedrigen und den anderen in eine Position über dir zu drücken. Du verletzt dich schon wieder selbst, indem du wiederholst, was dir viele schlechte Ärzte und Therapeuten angetan haben, nämlich dir zu sagen, dass du nie Fortschritte machst, weil du zu schwer gestört bist.“
Dahinter steht auch eine Not, nämlich der fiese Schmerz und die Angst die ich fühlte, als mir immer wieder gesagt wurde, ich sei ein hoffnungsloser Fall, der es nie aus der Massenverwahrungsanstalt mit Heileretikett- kurz: Psychiatrie- schaffen würde. Diese Demütigung trage ich bis heute in mir herum und finde sie in solchen Momenten bestätigt. Doch dies hat nichts im Kontakt mit dem anderen Betroffenen zu suchen. Durch meine Rückmeldung, fühlte das Gegenüber sich beschämt und entschuldigte sich bei mir, was ich so in der Form gar nicht erreichen wollte. Wir waren in den Napf der Alltagsgewalt gestapft, ohne es sofort merken.

In dem Forum weiß ich, dass die anderen Betroffenen offen für meine Reflektion sind. Wir können das in Ruhe diskutieren und uns beim nächsten Mal direkt warnen und einander auf diese Muster aufmerksam machen. So etwas funktioniert, wenn man einander schon länger kennt und weiß, dass jeder zur Reflektion und Entwicklung gewillt ist.

In Kliniken und offenen Selbsthilfeforen geht so etwas eher schwer.
Man kennt einander nicht, ist eventuell gerade komplett blind vor eigener Not und verletzt und erniedrigt permanent sich und andere Menschen, ohne es zu wollen oder reflektieren zu können.
Entsprechend nutze ich Selbsthilfeforen als Ort zum Sein, die ich mir wie kleine Inseln arrangiere:für dies Thema dieses, für die User A B C D E dieses und für in Ruhe auseinanderklabüstern und üben zu reflektieren und so weiter jenes…
Und Kliniken eben auch so. Ich gehe da hin, nutze die Angebote in denen ich gut sein und reflektieren und sortieren kann und lasse den Rest aus bzw. quäle mich durch die Gruppen, an denen man teilnehmen muss. Der Rest wird von mir ignoriert, um mich zu schützen und meine Therapieerfolge des Tages nicht kaputt zu machen.

Das ist eine bewusste Entscheidung von mir. Eine innere Haltung, die mich längst nicht überall beliebt macht und die mir vor allem nicht immer weiter hilft. Aber genau in diesen beiden Settings, habe ich es permanent mit Menschen zu tun, die ungewollt an mir Gewalt ausüben, um sich selbst zu verletzen (also an sich sich selbst Gewalt auszuüben) und das ist einfach nicht das, was ich will und mir gut tut.
Es gibt andere Settings und andere Menschen da draußen, die sich zum Einen anbieten mir zu helfen einen eigenen Maßstab für mich zu finden (meine Psychotherapeutin) und zum Anderen offen und reflektierend mit mir agieren und mir vorzuleben, wie sie mit ihren Konflikten umgehen, ohne ein Muster zu entwickeln unter dem man früher oder später krankt (meine Gemögten).

Es ist auch einfach eine Entscheidung wegzugehen, wenn ich merke, dass ich in einem Kontakt immer wieder versucht bin, mich zu vergleichen, um meine Gefühle und Impulse als „okay“ einstufen zu können.

Ich will mein eigener Maßstab für meine Gefühle, Gedanken und Impulse sein und halte es für absolut gerechtfertigt, wenn das jeder andere Mensch auch für sich will.

„Einstieg in die Freiheit“, statt „Ausstieg“

Es ist für uns gerade eine Zeit in der sich unser Fokus weitet und uns vielschichtig aufspreizt- vielleicht auch neu zerreißt? Wieder wird klar, warum wir uns hier nicht offiziell eingemeinden lassen können. Warum wir uns zu Recht noch nicht als „wirklich ausgestiegen“ betrachten können.

Wir leben schon viele Jahre nicht in mehr in physischer Abhängigkeit derer die uns pseudoreligiöse Werte vorlebten und sind auch nicht mehr in der Situation Gewalt und Ausbeutung aushalten zu müssen. Aber wir schleppen ein Erbe mit uns herum.
Sind innerlich noch längst nicht ganz ausgestiegen.

Vielleicht ist „Ausstieg“ auch nicht das, was wir wollen und schaffen möchten. Denn der Begriff des „Ausstiegs“ impliziert einen Standpunkt und einen Zeitpunkt des Einstiegs. Wir aber sind nie eingestiegen- wir wurden hineingeboren und aufgezogen mit diesen Werten und hatten zu keinem Zeitpunkt wirklich einen einzelnen Standpunkt. Es war schon immer so, dass es Innens gab, die sich gegen Unrecht und Gewalt eingesetzt haben- während andere Innens genau Unrecht und Gewalt er- und ge-lebt haben.

Es ist für uns wichtig geworden zu spüren, wie berechtigt der Wunsch ist keine Schmerzen und Demütigung aushalten zu müssen- doch es ist ein anderes Wertesystem. Eines, das nur deshalb als gut und richtig und wichtig geschätzt wird, weil es der Masse der Menschen als gut und richtig und wichtig vorgelebt wird.
Unabhängig davon, wie wir dieses Wertesystem bewerten liegt es an uns, uns dem hinzugeben oder eben auch nicht. Es hat etwas damit zu tun sich dafür zu öffnen und es in sich hineinzunehmen. Es hat etwas mit Anpassung zu tun- aber nicht mit tatsächlicher Freiheit.

Eine unserer ersten Diagnosen war „Anpassungsstörung“.
Kein Wunder- erlebten wir doch gerade einen Weltenchrash der an Parallelen kaum noch zu überbieten war.

Gab es vorher die „helle“ und die „dunkle“ Welt (beides gruselig, weil nie in Gänze erfass- einschätz- und erinnerbar), gab es dann plötzlich „drinnen“ und „draußen“ sowohl räumlich als auch direkt bei uns. Plötzlich waren wir minderwertiger Patient drinnen (der für sich behalten soll, was in ihm ist- aber trotzdem immer wieder gezwungen (ja wirklich- gezwungen!) wird, etwas von sich und seinen Gedanken, Normen und Werten zu erzählen) und draußen waren die, die wertvoll und frei waren (die Ärzte, Therapeuten, Pfleger, Besucher… die man alle nicht zwingen konnte, etwas von sich preiszugeben).

Diese Zeit war für uns ein schlimmer Fallstrick- ja- eigentlich sogar ein ganzes Fallstricknetz, so dass es uns nie wundert, weshalb viele der Betroffenen, die wir so kennengelernt haben im Lauf der Zeit keinen Ausstieg in dem Sinne schaffen, als dass sie in Freiheiten kommen, wenn sie immer wieder in psychiatrische Stationen müssen, die geschlossen sind. (Und dort oft von Helfern behandelt werden, die um ihren Kopf ein herrlich stabiles Holzhaus gebaut haben, auf das dort niemals etwas heraus oder herein kommt.)

Wenn man aus einem abgeschlossenen Sozialkonstrukt heraustritt und alle Handlungen und Tätigkeiten die in ihr als wertvoll und zwingend normal (im Sinne einer Norm) angesehen werden, steht man erst mal völlig allein da- es sei denn man hat sich andere Dinge bewahrt- und sei es die Fähigkeit seine Werte in einem Teil seines Selbst neu bilden zu können.

Ich habe oft den Eindruck, dass der Faktor der Anpassung an „die Gesellschaft“ (hier nicht näher definiert) der Anreiz für den Ausstieg sein soll oder auch die Anpassung den Ausdruck der eigenen Normen und Werte gegenüber anderen Menschen zu finden.
Als sei Freiheit etwas, das man nur erlangen kann, wenn man sich gut an „die Gesellschaft“ und „die Welt, wie sie außerhalb der Pseudoreligion nun mal ist“ angepasst hat und sie für sich nutzt.

Doch gerade jetzt denke ich, dass es nicht darum geht. Und auch nicht gehen sollte.
Der Wunsch nach Anpassung ist da- natürlich. Wir Menschen sind Individualisten mit Gruppenabhängigkeit- unsere Evolution war so nett uns dies als teilweise genetisch verankertes Markerchen mitzugeben. Doch das ist das, was uns frei macht: die Fähigkeit ganz wir selbst- ganz individuell zu sein.

Wir haben uns früher nie eingesperrt gefühlt- weder in der „hellen“ noch der „dunklen“ Welt. Es war einfach unsere Welt. Der große Katastrophenknall der Erkenntnis kam erst, als wir an einem der pseudoreligiösen Feiertage in unserer ersten eigenen Wohnung saßen und merkten, dass die Art der Wertschätzung des früheren Sozialkonstruktes uns auf eine Art verletzte, die dazu führte, dass uns jemand von außerhalb dessen vermittelte, was genau aus ihrer Sicht dort mit uns passierte.
Wir mochten diesen Menschen und fühlten uns ihm verpflichtet- das Gleiche galt aber auch für jene hinter bzw. in diesem uns verletzenden Sozialkonstrukt. Wir haben uns hin- und herziehen lassen, bis wir den Knall endlich rauslassen konnten und wir uns für eine radikale Zu-Nichts-Niemand-Nirgendwo-in-Gänze-Verpflichtung entschieden.

Für konsequente Nirgendwoanpassung sobald wir uns selbst dabei verloren.
Schwupp war der Druck raus, bekamen wir eine Ahnung von freiem Durchatmen und den Möglichkeiten der Denkrichtungen, zu der unser Gehirn als Ganzes in der Lage ist.
Und doch ist bei aller äußeren Freiheit noch das Gefängnis im Innen da.

Da gibt es nachwievor Innens die diesen Selbstbefreiungsrundumschlag nicht miterlebt haben. Die nachwievor in Teilen der früheren „hellen“, der „dunklen“ und auch der „drinnen“ Welt kleben. Sie sind das, was damals alle an uns ziehenden Seiten jeweils noch immer in der Hand halten.

Diese Innens haben keinen Standpunkt- sie können nicht „aussteigen“, weil sie nicht stehen.
Sie haben keine Basis und Trittbretter herbei zu schaffen, liegt an uns. Doch wo sollen wir sie hernehmen, wenn wir doch immer wieder feststellen, dass eine Anpassung- nicht eine Freiheitspraxis von uns erwartet wird?Eine Freiheitspraxis die auch unabhängig von unseren HelferInnen und all dem, das doch nur dafür da ist, uns zu helfen, passieren darf, ohne als unpassend oder sogar minderwertig zu gelten.

Es ist für uns sehr traurige Freiheitspraxis eben nicht eingemeindet zu sein und die Feiertage allein zu 212289_web_R_K_B_by_Ruth Rudolph_pixelio.deverbringen. Sehr anstrengende Freiheitspraxis dem Sog des Suiziddrang-zwangs zu widerstehen und so in Kauf zu nehmen in ein einem bestimmten Konstrukt eben dann als schlecht und und minderwertig zu gelten. Es ist traurige Freiheitspraxis zu wissen, dass die Menschen die uns umgeben (außer denen die das jetzt lesen und uns kennen) keine Wertschätzung dem gegenüber zeigen. Es ist beängstigend zu spüren, dass wir auch keine klinischen Hilfen mehr in Anspruch nehmen können, weil die Strukturen unnachgiebig und starr (und damit für uns kaum bis gar nicht nutzbar) sind- wir also nicht einmal mehr so frei in der Annahme von Hilfe sein können, wie wir uns da doch ursprünglich erkämpft haben.

Es ist außerordentlich schmerzhaft so frei zu sein, dass man fast haltlos ist.
Freiheit bedeutet auch Dinge nicht anzuerkennen und rebellisch und störrisch zu wirken. Anzuecken und zu hinterfragen. Unangepasst an „die Gesellschaft“ und doch Teil von ihr zu sein. Strukturen zu erfassen, ganz für sich abzuschätzen und zu versuchen sich an sich anzupassen- nicht sich selbst ihr anzupassen.

Ich komme mir vor als wandere ich durch die Wüste und sammle trockenes Holz. Trittbretter für jene Innens die keinen eigenen Standpunkt haben. Immer weiter und weiter- einfach weil wir als Einsmensch kein Sklave mehr sein wollen. Schritt für Schritt auf einer Reise, die aber nicht in einem heiligen Land enden wird.
Sondern in der persönlichen Freiheit.

 

Vielleicht sollte man es für alle so nennen: „Einstieg und Anpassung an Freiheit“.
Irgendwie macht mir meine Wortsynästhesie dieses Wortpaar passender für das was erreicht werden will, als die Wortgruppe „Ausstieg und Loslösung aus destruktiven Zusammenhängen“.

An Erstem sind kleine Rippel zum Festhalten dran.

 

P.S. Auch hier gibt es wieder ein offenes Ende- wir wirbeln immer noch herum und taumeln gerade eher ein bisschen hin und her und ergießen uns hier eher als wirklich fest und klar zu schreiben, worauf wir hinaus wollen. Gehört dazu denken wir- also kriegts einen Platz.

Wertvolles für Innenkinder

“Sag mal, wieso bist du eigentlich immer so fies zu den Kleinen bei dir?”.
Da sitzt sie auf unserer Küchenbank, friemelt einzelne NakNak*haare von ihrem Wollrock, spielt mit dem Teebeutelzettel und stellt seelenruhig so eine Frage.

“Was meinst du mit “fies”? Du weißt, es sind keine echten Kinder. Nur kindliche Impulse, die…”
”Jaaaa”, sie rollt die Augen, stöhnt auf, legt sich halb über die Tischplatte, “Jattata Jattata Jattata… ich weiß, du musst dir das sagen und so, aber sie sind doch da. Ich mein, du kriegst das ja nicht mit, wenn eins mal da ist, aber das ist wirklich sowas von echt! Wie ein echtes Kind.” Sie schaut ernst. “Wie ein Kind, das nichts hat, außer einer kleinen Stoffente mit Quietscher drin und einer Höhle aus Umzugskartons, die du dauernd abbaust.”
-“Im Keller ist noch jede Menge Zeug!”
”Und du meinst es ist nicht fies “Zeug” zu Sachen zu sagen, die sie gern haben?”
-“Es IST Zeug”
”Du bist fies zu ihnen. Du hast selbst gesagt, dass ihr als Körperkind viel entbehren musstet…”
– “ANSCHEINEND! Ich weiß nicht, ob das so ist!”
”Ja egal- was ist so schlimm daran jetzt ein paar Sachen zu haben- hier!- die für die Kinder bei dir sind? Ich hab diese Doku gesehen von einer anderen Multiplen, die hatte sogar richtig so ein Spielzimmer. Hach- so was fänd ich sogar für mich schön! Und ich hab keine Kinder in mir.”
-“Doch hast du- für dich fühlt es sich nur nicht so fremd an.”
”Du lenkst ab. Zu nah?”
-“Ich denke, vielleicht schreiben wir mal im Blog darüber.”

Wir gehen raus und spielen mit NakNak*.

Außenmenschen und Innenkinder.
Innenerwachsene und Innenkinder.

Ich bin nicht der Schwan. Ich bin eine Alltagsperson. Eine von denen die “Erwachsenensachen” macht. Eine Frontgängerin.
Und ich mag die Innenkinder nicht.

Was interessant für mich ist, ist, das Mami-ding, welches um die Innenkinder ständig kreist. Ich sage: “Ich mag die Innenkinder nicht” und kann schon fast hören, wie der Tonfall, in dem sonst immer “Rabenmutter” gesagt wird, um die Reaktion auf diese Aussage gewickelt wird.
Ist doch seltsam, oder: Wenn andere Leute von sich sagen: “Ich mags nicht, wenn ich zum Piepsestimmchen werde, weil mich einer anmault”, dann kommt dieser Tonfall nicht. Wenn es um Kinder geht allerdings… meine Güte noch eins!
Dieser gesellschaftliche Zwangsreflex immer und immer alle Kinder toll finden zu müssen (auch die Rotzblagen, die einem vors Knie treten und beschimpfen) nervt mich schon im Alltag ganz erheblich. Denn- Kinder gut zu behandeln, schließt dieser Reflex nicht ein.
Ich sitze immer da und denke, dass man Kinder nicht mögen muss. Man muss darauf achten sie nicht zu verletzen, zu entwürdigen, zu demütigen und sie zu schützen und zu versorgen, ja. Aber niemand muss sie deshalb automatisch- reflexhaft- auch mögen.

Ich mag unsere Innenkinder nicht, weil sie gruselig sind.555548_web_R_K_by_Manuel Gäck_pixelio.de

Es gab mal so einen Horrorfilm von einem Kinderheim, in dem die Kinder alle einen mysteriösen Tod gestorben sind und dann dort auftauchten, als die einzige, dann erwachsene, Überlebende dort auftauchte, weil sie das Haus gekauft hatte.
In meinem inneren Universum bin ich die Überlebende.
Und- oh ja- wenn ich vielleicht eeeeetwas unbeherrschter wäre, würde ich wohl auch permanent herum schreien und mir vor Angst in die Hosen machen oder so, wenn sie so auftauchen und in meinem Leben herumfuhrwerken.

Sie sind heartbreaking. Sie sind kümmerlich. Sie sind bedürftig.
Sie haben riesengroße Kulleraugen, die was wollen!
Und was sie wollen ist etwas, das nichts mit Malbüchern oder so, zu tun hat.
Sondern mit Gemocht werden, geschützt werden, in ihrer Würde geachtet werden. Vielleicht hats auch was mit ”Puste auf mein Weh, damits weg geht” zu tun, das weiß ich nicht genau. Aber es hat nichts mit einer Masse an Zeug oder mit niedlichem Kinderspielzeug zu tun.

Mal ein Spiel spielen, mal etwas malen, mal eine Puppe anziehen… nach außen sieht es aus wie Spaß- im Innen ist es ein Funktionieren. Da sitzt ein Kind, das genau das AUSHALTEN kann- nicht das Kind, dem man den Spaß und die Unbeschwertheit wünscht. Man denkt, vielleicht kommt etwas davon innen an und sie merken, dass heute heute ist und sie das nun gefahrlos tun können, doch das passiert nicht (zumindest nicht bei uns jetzt heute- ich weiß  nicht, ob so was grundsätzlich geht. Hier wird gepuzzelt und gemalt, um sich zu erden oder etwas auszudrücken).

Bei aller Vergleicherei kann ich nicht verstehen, wieso gerade das nicht so übertragen wird. Schon mal erlebt, dass ein Aussenkind voll rundum überhäppy ist, wenns nen Lolli in den Hals gedrückt kriegt, statt das angeklatschte Knie bepustet zu bekommen? Spätestens in der Teeniezeit wird man sehen, dass Trost mit Süßkram ne scheiß Strategie war.
Wieso sollte ich das bei “meinen Kindern” wiederholen?

Wir versuchen uns beizubringen, dass heute alles anders ist als früher. Wir versuchen es zu schaffen, dass unser Gehirn etwas Neues lernt, als das Umschalten auf Anpassung an eine Situation, die von Lerninhalt gleich ist- aber nicht vom Zusammenhang heute.

Das klingt immer so super gemein und defizitär, aber Kinderinnens tauchen nicht auf, weil sie irgendwas so super toll finden außen, sondern weil unser Gehirn den Bereich benutzt in dem die Kinderinnens verortet sind. Und das tut das Gehirn wiederum, weil es in unserem Aktenordnerwustgehirn steht und einen-heute unpassenden- Aktenorder in der Hand hält und entsprechende Assoziationen und Fähig- und Fertigkeitsausübungsmöglichkeiten bereitstellt.

Ja, manche Kinderinnens sind richtige Spaßvögel, keck, frech und rotzig. Schlau, fast weise. Aber sie sind keine Kinder, die einfach gut drauf sind und “einfach so” da sind. Sondern frühere Alltagspersonen, die (zumindest bei uns) so sind, weil sie mit ihrem Verhalten früher Menschen schon dazu gebracht haben, sich den Körper nicht zu nehmen oder einfach nur nett zu ihnen/uns zu sein.

Wenn ich erfahre, dass Kinder- oder auch Teenagerinnens “da” waren und mit unseren Helfern gesprochen haben, dann weiß ich, dass Holland nicht nur in Not, sondern eigentlich schon Katastrophengebiet ist.

Tschuldigung, wenn ich Boten der innerseelischen Apokalypse nicht mit Plüschteddys und Spieluhren empfange, sondern zusehe, dass Hilfe rankommt. Entweder um wirkliche Krisen abzuwenden oder, dass eine deutliche Unterscheidung von früher und heute möglich wird.

Ja, es ist fies, wenn die Frontfrau Puzzles in den Keller bringt, weil sie weiß, dass sie von dort nicht einfach wieder auftauchen im Moment. Doch auch sie hat einen Grund dafür.
Ja es ist fies, wenn ich die Umzugskartonhöhle wegräume- aber wie wohnen nun mal nicht in einem Loft mit unbegrenztem Platz und irgendwo muss der Wäscheständer nun mal stehen.
Ja es ist fies, wenn es nicht jeden Tag Schokopudding mit Senf gibt, aber es ist noch fieser, wenn Anxiety hier rumwütet, weil der Körper zu dick ist.

Ja, von mir aus findet es fies, dass ich meine Innenkinder nicht mag.
Aber, ich beschütze sie. Ich würdige sie. Ich demütige sie nicht. Und ich versuche alles, dass wir heute so versorgt sind, wie sie es früher vielleicht nicht waren.
Ganz ehrlich- ich finde, das ist viel wertvoller, als ne Bude voll mit Rüschen und Bärchenmobiles.

Opferrolle- mal wieder… diesmal mit Täterrolle und Mustern als Beilage

“Wenn du nicht aufhörst in der Vergangenheit herumzustochern, dann kannst du auch nie aus der Opferrolle raus… Weißt du, so bedient man Muster.”

Es knallte.
Innen natürlich.
Von innen kam allerdings auch eine Entgegnung, die ich hier unbedingt festtackern wollte:
“Es ist meine Vergangenheit, da kann ich soviel drin rumstochern, wie ich will.”

Ja, mein Innenleben ist manchmal schon so viele Schritte weiter als ich.
Ich lasse mir solche Sätze sagen, mich dann umfassend darüber aufklären, dass ich völlig falsch mit meinen Problemen umgehe und verbringe ein paar Tage oder Wochen damit, noch mehr als sonst meine Vergangenheit und ihre Ausläufer von mir fernzuhalten.
Also unterm Strich: Mich mir selbst mit meiner Lebensrealität vom Leib zu halten.
Um keine Muster zu bedienen.
Nicht in der Opferrolle zu verharren.

Dabei kräuseln sich sogar mir inzwischen die Innenseite der Gedärme, wenn ich den Begriff der Opferrolle so verschrägt benutzt sehe.

Nochmal für alle:

Der Begriff der Opferrolle beschreibt die Position eines Menschen in einer Situation. Nichts weiter.
X wird von Y gehauen, so ist X in diesem Moment in der Opferrolle. Punkt.

Geht X irgendwohin und sagt: “Ich kann dies nicht, ich kann das nicht, weil ich ein Opfer bin. Und ich werde das auch nie können, weil ich ja auch immer Opfer sein werde. Also: (hilf mir)- hab mich lieb- lass mir alles durchgehen- ich darf das, weil ich ja so ein dolles Opfer bin…”, kann man sagen, dass X auf einem OpferSTATUS pocht.
X verlangt eine (Sonder)Behandlung aufgrund seines Status als Opfer. Das kann gerechtfertigt sein oder auch nicht. Hat aber an sich nichts mit der Position (der Rolle) in der Gewaltsituation zu tun, sondern mit dem sozialen Miteinander und/ oder dem Leiden unter den Folgen dieser Situation.

Ich habe mich jetzt schon an ganz vielen Stellen darüber geärgert, dass kaum jemand diese Differenzierung vornimmt. Vorallem ärgert mich das bei den Menschen, die mit mir zu tun haben und mich sogar mehr oder weniger deutlich immer wieder von selbst darauf stoßen, was mir alles durch meine Gewalterfahrungen fehlt, (noch) verwehrt ist und auch tatsächlich eine Art Sonderbehandlung erforderlich macht.

Zum Beispiel mein inexistenzes Körpergefühl.
Zum Beispiel meine regelmäßigen Amnesien.
Zum Beispiel die Tatsache, dass ich meine Seinszustände als fremde Menschen wahrnehme. Zum Beispiel, dass ich eben schlicht nicht hinkomme mit 120 Stunden Psychotherapie.

Das sind alles Dinge auf die ich sehr gerne verzichten würde, denn sie bringen mich immer wieder in eine passive Position- in die Bettlerposition- in die “ausgeliefert sein”-Position. Egal, ob ich es will oder nicht. Egal, ob ich einen Opferstatus gegenüber den Menschen habe oder nicht.

Keiner, dem gerade ein Zahn unter örtlicher Betäubung bearbeitet wurde,kann einen Weitspuckwettbewerb gewinnen.
Keiner, der einen alkoholbedingten Filmriss hat, kann sich erinnern, was gewesen ist.
Keiner, der so aufgeregt ist, dass er “nicht mehr er selbst ist”, kann runterkommen, wenn ihm nichts und niemand dabei hilft.
Jeder der Hilfe braucht, braucht sie so lange bis er eben keine mehr braucht.

Ich aber “sollte besser mal nicht so darauf beharren. Weil wegen Opferrolle und so. Und ist ja eh alles schon vorbei. Das Leben muss ja weiter gehen. Das Leben ist ja nicht nur die Vergangenheit.”
Sobald ich versuche Kontrolle durch Aufklärung und Einbeziehung meiner Umgebung zu erreichen, mache ich mich angreifbar. Sobald ich jemandem sage, dass ich ein Opfer von Gewalt wurde und bis heute unter den Folgen leide und deshalb manche Dinge schlicht (noch) nicht kann, begebe ich mich auf eine Schneide.

Es kann sein, dass ich genau richtig behandelt und unterstützt werde- es kann aber genau so sein, dass ich zu hören bekomme: “Nu is aber Schluss- also ne- man kann es sich auch gemütlich machen in der Opferrolle”, weil mein Gegenüber- warum auch immer- gerade keine Kraft, Lust, Zeit, dafür hat, mich zu sehen und mir meine Probleme schlicht zuzugestehen.
Oder, weil es für denjenigen schlicht nicht aushaltbar ist, zu sehen, wie ich mich immer und immer wieder an den selben Dingen aufhänge und (noch) keine Veränderung schaffe.

Ich frage mich,  wo ist da das Problem genau das zu kommunizieren, statt mir unterzuschieben, ich könnte, wenn ich nur genug wollte? Mir also zu suggerieren, dass ich in jedem Fall, die Probleme die mich lähmen, auch ohne Hilfe angehen könnte.

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Und schon sind wir bei Mustern.
Ich habe den Eindruck in eine Rolle gedrückt zu werden, wenn mir jemand sagt, dass ich “es ja nun auch endlich gut sein lassen kann”. Nämlich in die Rolle des ewigen Störenfrieds oder der des sich widerrechtlich etwas Aneignenden oder des Menschen, der egozentrisch ist und einen Status ausnutzt, um beachtet oder geliebt zu werden.
Ganz ehrlich- jeder Status eignet sich dazu- nur nicht der des Opfers.
Als Opfer ist man immer klein, immer ausgeliefert und machtlos.

Und nur einem Opfer kann man solche Dinge überhaupt unterstellen. Das ist etwas, das gesellschaftlich breit akzeptiert und immer wieder untermauert wird. Unhinterfragt patriarchial gestützt.

Entsprechend kam ich später zu dem Schluss, dass ich in dem Moment, als mir dieser (ansonsten sehr liebe) Mensch diesen Satz sagte, in eine Täterrolle, begründet von meinem Opferstatus, gedrückt wurde.

Von seinem Muster nämlich:
“Zu schwer- zu schlimm- zu schmerzhaft” *flupp Vermeidungsblase zu*
“Schnell vermitteln: “Sie soll aufhören mir weh zu tun”- ich kann das nicht aushalten. Sie ist so eine Böse, wenn sie das macht- wenn sie mir das antut”.

Das stimmt auch. Ich sollte Rücksicht nehmen, so wie ich das von anderen Menschen verlange.
Und da ist ein Punkt, den ich mir annehme und den Satz aus dem Innen abändere:

“Es ist meine Vergangenheit, da kann ich soviel drin rum stochern wie ich will. – Aber ja: ich kann aufhören, das in deiner Gegenwart zu tun (bzw. versuchen dich von meinen Folgeproblemen fernzuhalten), wenn du mir sagst- oder ich den Eindruck habe, dass es dich verletzt oder nicht gut fühlen lässt.”

Die Folge ist dann aber auch, dass ich nicht mehr ganz da bin und etwas unsichtbar zu machen helfe.

Es ist ein Kritikpunkt von vielen Menschen, dass viele Menschen, die einmal zum Opfer von Gewalt wurden, diesen Umstand in ihr Selbstkonzept einbinden.
Applaus und Unterstützung bekommt, wer dies verleugnet und so tut, als wäre dieser Punkt  nichts weiter. Wenn man stark voran schreitet und dem Vergangenen ins Gesicht lacht. Oder dies zumindest will.

Doch ich merke inzwischen immer mehr, dass das etwas ist, dass kein Opfer für sich selbst tut.
Man gilt als schwach und als Täter [nämlich als diejenige, die böse böse böse (Schadenersatz- Verhaltensmodulations- Hilfs) Ansprüche stellt und damit die Menschen mit schmerzhaften Tatsachen konfrontiert, ohne dass sie sich wehren können (angeblich- denn ne- eigentlich wehren sie sich ja ganz gut!)] gleichzeitig, wenn man sein “Zum- Opfer- geworden- sein” öffentlich macht.

Es wird nicht angenohmmen, wie sehr man sich durch diese Öffentlichkeit ausliefert. Sich eigentlich schon wieder in eine Position begibt, die sehr viel leichter in eine Opferrolle kippen kann, als in eine tatsächliche Täterrolle.
Es wird nur angenohmmen, dass man, eventuell vielleicht, anderen unbetroffenen Menschen damit “schadet”, weil man sie (auch) konfrontiert.

Und das ist doch eigentlich pervers, oder? Seit wann und in welchen Kontexten genau ist es schädlich damit konfrontiert zu werden, dass Menschen mit Gewalterfahrungen, ihr Leben lang unter den Folgen leiden könnten? Teile ihres Selbstes immer Opfer sein könnten. Immer leiden könnten.

Eigentlich doch immer nur in den Kontexten, in denen die Vermeidungsblase derer verletzt werden könnte, die keine Verantwortung für die Umstände übernehmen wollen und auch nichts verändern wollen.
Sei es direkt oder indirekt.
Und sei es nur in dem Bezug, den betroffenen Menschen einfach nur zuzugestehen, dass es so ist, wie es ist, weil es eben so ist- und nicht weil man einen sozialen oder wirtschaftlich bereichernden Vorteil daraus zu ziehen versucht.

Wenn mir mein Opfersein soviele Vorteile verschaffen würde, wie ständig unterstellt, dann hätte ich keinen Grund selbiges als Grundlage für meine Kämpfe um Hilfen und Ausgleich zu verwenden. Ich bekäme sie einfach, könnte heilen (oder zumindest den entstandenen Schaden ausgleichen) und in das Leben “der Anderen” hineinwachsen…

Waldgespräch

Es ist ein seltsames Gespann.

Ein Hund, der wie ein Reh durch die flirrenden Schneeflocken springt, rennt, hopst, mit Zweigen kämpft und zwei Gestalten, die nebeneinander her laufen. Die eine hat den Blick auf den Boden- die andere hält ihre Begleitung in der Sichtperipherie.

“Es ist komisch.”
– “Ich weiß”
”Wieso sehen sie das, aber nicht alle anderen auch?”
– “Ich weiß nicht mein Herz”
Sie steckt sich die Fingerkuppe in den Mund, fängt an die Nagelhaut herunterzureißen.
– “Nimm lieber etwas Schnee in die Hand oder in den Mund. Vielleicht will NakNak* auch was spielen.”
”Ach Affenscheiße”
Sie tritt in die vereiste Fahrrinne eines Waldarbeiterwagens. Wischt sich Tränen von den Wangen.
”Ich weiß immer noch nicht, wie man das nennt, wenn man sich vor welche stellen will und denen sagen will: Guck was du mir angetan hast!”
– “Ist dir das so wichtig? Willst du das wirklich mal machen?”
”Ja! Die sollen sehen, dass sie mich und- ja ach fuck ey- uns alle richtig verletzt haben”
– “Du weißt, dass wir das niemals machen werden, oder? Und selbst wenn doch- sie werden sich nicht bei uns dafür entschuldigen, dass sie ihre Arbeit gemacht haben.”

Sie hebt die Schultern, wirft NakNak* einen Blick zu. Runzelt die Stirn, pustet ein paar Flocken vom Schal. “Vielleicht will ich gar nicht, dass sie sich entschuldigen. Sie sollen nur nicht mehr so tun, als wärs nur mein Problem. So nach dem Motto: Alle anderen haben damit nich so Probleme- du bist die Einzige die hier schon wieder rumspinnt. Die sollen sich schämen.”
– “Haben sie dir das gesagt? Dass du rumspinnst?”

Sie wendet sich ab, sucht den Weg zu unserem Waldplatz für Zeiten wie diese.Höhle Sie schweigen, lassen ihre Tränen die Wangen abkühlen.

“Ich hab nicht gesponnen, richtig? Wenn etwas schlimm ist, dann ist es schlimm, nicht wahr? Egal, wie es andere nennen oder wie sie das empfinden, ne?”
– “Ja, es war schlimm für dich, also war es schlimm.”

Sie sitzen dort und reichen einander die Hand.

Im Schutz einer kleinen Höhle zu ihren Füßen drängen sich andere Herzen aneinander. Die beiden haben sie noch gar nicht bemerkt, obwohl es doch deren Schmerz ist, über den sie weinen.

Schmerz

“Wenn man ein eigenes Blog oder eine eigene Website hat, ist der Wunsch nach Anerkennung des Geschaffenen permanent vorhanden; zumindest latent”, ereichte mich heute ein Kommentar.

Oh man- will ich Anerkennung? Gesetzt den Fall, es gäbe welche- wäre sie erlaubt? Nein- natürlich nicht! Aber ich brauche es ja auch nicht zu befürchten. Kommt ja keine.
Und wenn doch, dann wird sie mir gleich wieder weggenohmmen von den “BÄÄÄM”s (oder von der allgemeinen Dissoziation- eigentlich braucht man diese Anerkennung ja nur einem Innen zu sagen, zu dem ich (noch) keinen Kontakt habe. So oder so bin ich also (vorerst) sicher davor, Anerkennung oder Lob aushalten zu müssen.
Phu! Na, dem Himmel sei Dank!

Trotzdem schleicht sich nach dem Kommentar die Frage ein, was ich hier (im Leben, in dieser Welt) eigentlich treibe. Gut- das frage ich mich jeden Tag und selten bekomme ich wirklich eine Antwort darauf. Meistens habe ich sowieso nicht genug Kapazität dann darüber ins Grübeln oder vielleicht ins Bedauern zu kommen, dass ich keine Ahnung habe.
Heute aber ist ein Feiertag, es regnet, ist grau und trüb, ich habe Schmerzen und fühle mich ganz grundsätzlich schlecht. Perfekte Bedingungen also mal so richtig nachzudenken.

Ergebnis bis jetzt: Ich lebe einen Alptraum und will das perfekte Leben.

Liebe Nichtbetroffenen: So stelle ich mir eure Welt vor:

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Die Gefahr im Rücken- aber wenn man nicht hinguckt, dann ist alles gut (und hey seien wir mal ehrlich- soooo groß und schlimm ist die Gefahr wohl auch nicht, oder?). Niemand ist allein. Die Sonne scheint, Blumen blühen und in der Nähe ist das sichere Zuhause.

So sieht meine Welt aus:

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Es gibt kein Entkommen. Kein Schutz. Nichts und niemanden ausser sich selbst und das große gefährliche böse Ding, das jeden Moment über einen herfällt.
Meine Tage vergehen damit vorsichtig- unmerklich- langsam- klammheimlich zu versuchen an diesem riesengroßen Ding vorbei zu kommen. Ich habe ja schliesslich ein Ziel! Ich will auch so leben wie ihr. So schön eben wie ich mir das ausmale.

Aber dieses Ding ist das, was sich Leben schreiht. Mein (Er-)Leben.
Realität nach einer Kindheit wie man sie, würde man sie verfilmen, nicht mal im Splattergenre verkauft bekommt (oder gerade da- was weiß ich).

Wie anmaßend ist es eigentlich von mir zu denken, mein Schreiben könnte auch nur im Entferntesten dazu in der Lage sein diese Kluft zu überbrücken? Eine Schnur für ein Büchsentelefon zu spannen, den Morsecode zu übermitteln… hach es gibt so viele Metaphern.

Was denke ich mir eigentlich? Was zum Geier treibe ich hier?
Komm wir nehmen einfach wieder die alte Schleife: ”Dich hört eh keiner, dir hilft eh keiner, dir steht eh keiner bei- is nicht schlimm- guck mal tut ja gar nicht weh. Du bist ja eh… [BÄÄÄM]”, möchte mir an dieser Stelle mein Innenleben helfen.
Ja, diese alten Schleifen sind so éinfach. Manchmal sogar tröstlich, weil es alles das in einen Kontext bringt, was ich von mir aus sonst nicht in einen Zusammenhang bekomme.
Ich dachte immer, man hätte nur nicht laut genug NEIN gesagt. Hätte sich einfach nicht genug gewehrt. Ich dachte immer meine Sprache wäre unverständlich. Dass mich niemand versteht, weil ich unverständlich kommuniziere und deshalb auch unverstehbar bin.
Dann höre ich immer wieder und wieder, dass meine Sprache gut ist. Dass es vielen Menschen leichter fällt zu verstehen, wenn sie von mir etwas erklärt bekommen. Dass meine Worte etwas in den Menschen bewegen, auch wenn sie selbst nicht in meiner Art alptraumhaftem Leben leben müssen oder mussten.
Und dann? Dann bin ich so mutig- und frech- so einen riesengroßen superfrevelhaften (und sehr teuren) Schritt auf dieses so unglaublich beängstigende Ding zugegangen und muss feststellen, dass es doch sehr viel schwerer ist, als gedacht. Dass ich doch unverständlich bin.

Und, dass die Folgen meiner extremen Qualen eben doch sehr einsam machen. Und kommunizieren kann wie ich will- dass mich doch niemand hört. Hören will? Hören kann? Verstehen kann? Verstehen will?
Dass, also nicht nur mein früheres Leiden mich von anderen Menschen isoliert hat, sondern auch noch das, was mir dadurch entstanden ist:
ein Leben, das nachwievor aus zwei Dritteln Todesangst und Todeserwartung (mit allen dissoziativen Bewältigungsmechanismen selbiger) und einem Drittel Hoffnung auf dieses schöne, hoffentlich leichtere und vermutlich hemmunglos überidealisierte Leben „der Anderen“ besteht.

Das tut weh.

Und es gibt keine Worte, die euch- die ihr da draussen seid und keine Ahnung habt- diesen Schmerz näher bringen oder gar erklären können.

Ich schreibe dies Blog hier, weil ich denke- fest davon überzeugt bin (und es verdammt nochmal sein MUSS), dass Menschen, die Elend sehen und verstehen, selbiges verhindern möchten. Einfach aus Menschlichkeit und einer Art Mitgefühl heraus.

Es geht hier um mich, weil ich nicht für andere sprechen kann und will. Es geht nicht um mich oder mein Leben, weil ich es für so besonders spannend halte oder für besonders exemplarisch. Oder weil ich mich so toll finde. Oder weil ich von der grauen Masse da draussen gelobt werden will. Das wäre für meine inneren Narzissten sicher schön und vielleicht gibt es Winkel in mir, die sich über Anerkennung freuen würden- aber treibende Kraft war hier und ist hier immer der Wunsch nach Hilfe und Kontakt gewesen.

Ich zitiere einmal aus einem Brief,den ich vor ein paar Wochen schrieb.

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„Wir wollen, dass sich andere Multiple, Ärzte,Therapeuten, Angehörige, Freunde und vielleicht auch Menschen mit ein bisschen Einflussmöglicheit da [hier im Blog] wieder finden. Impulse in sich finden.
Mutig werden ihre Gedanken und Zweifel zu kommunizieren.
Ich will dass die Menschen da draussen zu Querulanten werden. Dass logisch gedacht wird. Ich will das Hilfe keine Wareneinheit mehr ist.
Ich will dass es irgendwann so ist, dass ich in einer Therapie ohne Zeitdruck sitzen kann und alles ausbreiten kann, was ich immer mehr spüre (und immer weniger aushalten kann).

Ja, das ist egoistisch und deshalb tarne ich es in in einer Querulantenbildungsmission. Weil es andere dann einfordern für Menschen wie mich und damit implizieren, dass es okay und gerechtfertigt ist, wenn Menschen wie ich viel Raum, viel Zeit, viel Nähe und viel Menschlichkeit wollen und bekommen müssen.Weil ich dann aussen habe was ich innen so dringend brauche: Eine Erlaubnis für mein Sein.
Weil ich die Haltung „Wie immer: Ich höre zu“ so dringend brauche.“

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Und nun entlasse ich den Leser dieses Artikels.
Wie immer mit der Hoffnung ein bisschen gesehen und gehört worden zu sein.
Wenn schon nicht direkt für mich oder um meinetwillen, so doch für alle anderen, denen es auch so geht und sich (noch) gar nicht ausdrücken können.