“Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.”.
Das war ein Satz, den ich Anfang der 2000er auf einer Demo aufgeschnappt hatte. Artikel 3 der allgemeinen Menschenrechtserklärung.
Damals war ich 14 oder 15 Jahre alt und begann mit “politischen Leuten” abzuhängen. Sozialistischen Leuten. Klar. Alle anderen waren Nazis oder nahe dran Nazis zu sein. Wenn man 14 oder 15 Jahre alt ist und in Ostdeutschland lebt, liegt es nahe die politische Landschaft so zu sehen.
Meine Leute hatten Namen wie “Schraube” oder “Henne”, trugen das letzte Hemd und standen am Wochenende lange in der von Touristen durchflossenen Innenstadt um Unterschriften gegen Globalisierung und Kapitalismus zu sammeln. Meine Leute waren transparent und konsistent. Sie haben mir nie irgendeine Falle gestellt, mich gedemütigt oder mir Fragen unbeantwortet gelassen.
Dass die allgemeinen Menschenrechte auch etwas mit meiner Lebensrealität zu tun haben, wurde mir durch unseren Kontakt jedoch nicht zugänglich.
Wir arbeiten bis heute daran uns als Mensch anzunehmen und einzuordnen.
Das ist der Schritt, den man getan haben muss, um die Menschenrechte mit sich in Verbindung zu bringen und der Schritt, der in unserem Fall ein großer ist.
Was für manche Menschen vielleicht schwer zu verstehen ist.
Wir haben kein Bild von uns als Tier oder Alien oder haben die Idee, dass wir ein göttliches Wesen sind. Wir sind nur nicht so selbstverständlich wie die Mehrheit in dem Bewusstsein ein Mensch unter Menschen zu sein.
Wir sind nicht einmal selbstverständlich damit von Menschen umgeben zu sein. Oder Teil einer Gemeinschaft zu sein, die mehr als eine Funktion hat bzw. vertritt.
Das ist eine Traumafolgestörung und unser Strickmuster.
Es ist schwierig diesen Text zu beginnen, denn es gibt viele mögliche Anfänge.
Ich beginne deshalb mit dem Satzteil, der uns am Besten ausdrückt, was wir da erleben: “aus der Welt gefallen sein”
Diesen Satzteil habe ich aus einem Bericht einer traumatisierten Person über sich und ihr Gefühl der Abtrennung nach einer schweren Gewalterfahrung und fand seitdem immer wieder ähnliche Formulierungen.
Viele Menschen, die nicht wie wir von Anfang an mit Gewalt auf.gezogen wurden, erlebten Gewalterfahrungen als etwas Außeralltägliches. Als etwas, das aus ihrem Leben heraussticht oder hineingreift. Eine Kluft auftut oder eine Mauer aufschichtet. Für viele passiert da eine ganz klare Grenze zwischen Vorher und Nachher. Zwischen Gut und Böse. Opfer und Täter_in. Zwischen Trauma und Normal.
Die Welt, von der sie sich getrennt erleben, ist die der Selbstverständlichkeit von Leben, Freiheit und Sicherheit der eigenen Person.
Denn das ist, was Gewalterfahrungen nehmen. Das Gefühl selbstverständlich heil zu sein, teilzuhaben, mit.einander zu sein.
Für manche Menschen sind es erst Gewalterfahrungen, die Gefühle von Demut für das eigene am Leben sein anstoßen.
Und wir?
Wir sind an dem Punkt, an dem wir sehen, dass es das für uns nie gab. Das Selbstverständnis von Ganzheit, heil sein, sich ganz und gar mit Äußerem verbunden zu fühlen.
Als Jugendliche_r hat uns angetrieben wissen zu wollen, wie Leben ist, denn es hat uns fasziniert, dass zu leben ein relativer Zustand ist.
Das ist, was Depressionen und dissoziative Zustände geben können. Die Erkenntnis, dass man auch im Leben tot sein kann. Dumpf. Leer. Taub. Nichts.
Für uns ist es bis heute nicht normal, morgens in einem Bett aufzuwachen und zu wissen, dass wir uns grundversorgen können, ohne dabei beobachtet und kontrolliert zu sein. Es ist für uns nicht normal zu wissen, dass wir leben und Dinge tun können, wenn wir das wollen (und können).
Wir haben kein “vor dem Trauma” im Leben und auf eine gewisse Art trennt uns das von viel mehr als nur einem Normal, das keine Gewalt an uns enthält.
Es gibt so etwas wie ein allgemein gültiges Universalwissen in Gesellschaften. Soziale Konsense. Mehr der weniger klare Antworten auf Elementarfragen und –probleme. Dinge, auf die sich die meisten der Menschen einigen können – selbst dann, wenn sie sie nicht aussprechen.
Die meisten Menschen wissen einfach, dass sie leben. Dass sie Schutz brauchen. Dass sie Versorgung brauchen. Dass sie Nähe und Wärme brauchen. Für die meisten Menschen sind die eigenen Bedürfnisse keine Definitionsfrage, wie sie das für uns sind.
Wir finden uns immer wieder in Fragen und Zweifeln. In Unsicherheiten über die Räume und Zeiten, in denen wir uns bewegen. Sind froh, wenn wir einen Konsens für uns allein, in und für irgendeinem Zeit_Raum er.schaffen können.
Manchmal ist es leicht sich aus diesen Zweifeln zu lösen. Zum Beispiel, wenn sich diese durch alte Gewaltwahrheiten entwickeln.
Manchmal funktioniert es aber auch nicht. Zum Beispiel, wenn uns die Welt infrage steht, weil ein Essen komisch guckt oder wir uns mal wieder inmitten eines schwarzen Lochs zwischenmenschlicher Kommunikation befinden.
Für die meisten Menschen, die wir kennen ist Menschlichkeit etwas, das sich aus einem inneren Kern durch Handeln nach Außen zeigt. Als Barmherzigkeit, Wohltätigkeit – allgemeiner: eine Versorgung und Zuwendung, die lebenserhaltend oder –nährend wirkt. Manchmal geht es aber auch um Faulheit, Opportunismus und Rücksichtslosigkeit.
Für uns ist Menschlichkeit ein Status, den wir erst durch dieses Handeln erreichen können. Wir erleben keinen urmenschlichen Kern in uns.
Menschlichkeit ist für uns also mehr Ziel als Basis.
Und das ist eine der Klüfte im Ist und Passieren, die wir spüren.
Seit der Auseinandersetzung mit Autismus und dem differenzialdiagnostischen Abfuck, der mit daran hängt, fragen wir uns, welchen Ursprung das Gefühl des ewigen Andersseins denn “eigentlich wirklich” hat und erleben eine immer wieder aufwallende Verzweiflung darüber, dass wir keine Antwort in uns selbst dazu finden können.
Denn mit Autismus wird man geboren und mit genau diesem Zeitpunkt hat vermutlich auch schon das begonnen, woraus sich die Traumata entwickelten, die wir heute aufzulösen und zu verarbeiten versuchen.
Wir haben keine Sicherheit und Konsistenz über uns selbst. Wie sollen wir sie in Verbindung mit Äußerem haben?
Woraus soll sich so das Wissen oder die Überzeugung entwickeln, verbunden und mitgemeint zu sein, wenn es zum Beispiel um so etwas wie die Menschenrechte geht?
Weiter geführt zu dem Komplex um Wiedergutmachung, Genugtuung, Recht und Gesetz.
Wir haben uns vor Jahren darüber informiert, ob ein Antrag auf Leistungen nach dem OEG (Opferentschädigungsgesetz) für uns Sinn hat.
Wie so vieles, was wir nach dem Verlassen der Herkunftsfamilie beantragt haben, war auch das nicht wirklich etwas, das wir mit uns in Verbindung gebracht haben. Es ist etwas, das uns als mit uns in Verbindung stehend aufgezeigt wurde, nachdem man wusste, dass wir Gewalt erfahren haben.
Es war das gleiche Muster, wie das, was uns ursprünglich in Therapie brachte. Die Idee, dass es nötig sei, um heil zu werden. Ein normales Leben führen zu können. Alles wieder gut zu machen. Weil wir Gewalt erfahren haben.
Immer wieder geraten wir an Menschen, die nicht uns sehen, sondern ihre Ideen von uns als jemand, di_er Gewalt erfahren hat (oder viele ist oder oder oder…).
Zum Beispiel die Idee, dass Wiedergutmachung für uns möglich ist.
Wir wissen aber nicht, was genau das meinen soll. Was genau ist denn schlecht und könnte wieder gut gemacht werden?
Könnten wir eine gute Herkunftsfamilie bekommen? Könnten wir die guten Bildungschancen wieder bekommen? Könnten wir die Schäden aus psychiatrischen Behandlungen wieder gut gemacht bekommen? Könnten wir die Schäden aus 10 Jahren Hartz 4 wieder gut gemacht bekommen? Könnten wir die Löcher im Lebenslauf durch frisch sanierte Lebensabschnitte ersetzt bekommen?
Oder geht es um uns? Sind wir das Schlechte, das passiert ist? Diesem sogenannten Menschen, als der wir von allen gesehen werden, die heute in unserem Leben sind. Sind wir der Schaden? Das Kranke, das Wiedergutzumachende?
Diffizile Frage, nicht wahr?
Man müsste uns Innens, die wir fühlen und denken, autark handeln und re_agieren, die wir Weltbilder und innere Überzeugungen haben, zur Krankheit degradieren und damit vertreten, dass der Rechtskörper, um den es bei einer juristischen Auseinandersetzung geht, nichts weiter ist als ein Fleischsack mit Krankheit drin.
Für manche Menschen ist es ein positiver Ansatz eine DIS als Ergebnis schwerer Gewalterfahrungen zu sehen. Diese Sicht folgt dem Drang nach Sinn und Kongruenz, den wir im vorletzten Artikel bereits beschrieben haben.
Im Rahmen von Opferentschädigung jedoch ist eine DIS (so sie denn anerkannt wird) ein entstandener Schaden.
Im Rahmen unseres Lebens und Seins jedoch ist es einfach nur so da.
Es ist weder die großartig tolle Selbstrettung zu der sie manche Therapeut_innen erheben, noch die zerschmetterte Seele von der all jene sprechen, die den Verletzungen dahinter mehr Gewicht geben wollen.
Wir finden uns normal. Sehen nichts schlechtes oder kaputtes in unserem Sein.
Wir sehen, dass wir heute dysfunktional sind. Heute, wo alles anders ist. Heute, wo “Danach” ist.
Für manche von uns ist genau das der Schaden. Dass heute “danach” ist. Dass es vorbei ist und so nie wieder passieren wird.
Für sie ist der Lauf der Dinge kaputt. Ihre Welt zerschmettert. Und es gibt nichts, was wir für sie in irgendeiner Form “wieder gut” machen können, denn ihre Verluste sind absolut und tiefgreifend.
Sie haben nicht nur sich selbst in Verbindung mit der Außenwelt verloren, sondern auch die Außenwelt. Die Familie*, die Familie°, die Freunde, den Sinn, die Vision und bestimmte Selbstverständlichkeiten.
Aber sowas kann man Menschen oft nicht begreiflich machen.
Wie wenig schlimm es sich auch anfühlen kann, ein Leben lang miss.be.handelt und ausgenutzt worden zu sein. Und zwar nicht, weil man sich einen Schmerz daran verbietet oder sich diesen Umstand schön redet, sondern, weil man es nicht anders kennt und als ganz üblichen Bestandteil der eigenen Existenz in sich trägt, wie andere Menschen die schönen Erfahrungen, mit denen sie aufgewachsen sind.
Wir haben den Antrag auf Leistungen nach dem OEG nie gestellt.
Genauso wie wir nie eine Anzeige erstattet haben und nicht vorhaben das je zu tun.
Das haben wir nicht getan, weil wir die Gewalt nicht in einen Kontext mit dem Strafgesetzbuch bringen können. Oder, weil wir kein Interesse daran haben, andere davor zu schützen oder zu bewahren, was uns passiert ist. Oder, weil wir glauben, dass, was uns passiert ist, eigentlich etwas Gutes und Richtiges war.
Es geht darum, dass wir sehen, dass das Eine einen Scheiß mit dem Anderen zu tun hat.
Wir würden eine Anzeige erstatten, wenn wir wüssten, dass es um Weiterentwicklung geht.
Wir würden eine Anzeige erstatten, gäbe es so etwas ein Vergebungsgesetzbuch.
Ein Gesetzbuch, das den Prozess der Vergebung regelt und jedes Interesse an Weiterentwicklung von Täter_innen, wie zu Opfern gewordenen Personen unterstützt, schützt und/oder überhaupt möglich macht.
Denn das ist, was uns fehlt.
Die Option selbst einzufordern, dass die Täter_innen sich mit ihrem Handeln bzw. dessen Folgen auseinandersetzen. Und zwar nicht auf einer Ebene der Strafen und Bußen – denn davon hat niemand mehr als Macht aus Gewalt, die ihrerseits überhaupt erst Täter_innen und Opfer er.schafft – sondern auf der Ebene, der Entwicklung zu einer Person, die selbst keine Gewalt mehr ausüben will und/oder muss, weil ihr das Bewusstsein darum, wen diese trifft und welche Folgen (für die man die Verantwortung übernehmen muss) das haben kann, nicht mehr abhanden kommt.
Zuwendungen an Personen, die zu Opfern wurden, sollten nicht nur aus Einmalzahlungen und Opferrenten bestehen. Gerade dann nicht, wenn die zu Opfer gewordenen Personen solcherlei Anträge nicht für einen gesetzlichen Opferstatus und Opferrente, sondern für gesicherte Bildungschancen, bedarfsgerechte Gesundheitsbehandlungen, gesellschaftliche Teilhabeleistungen, politisches Gewicht und Anerkennung als normaler (as in „legitimer“) Teil der Gesellschaft stellen.
Die meisten zu Opfern gewordenen Menschen, die ich kenne, haben kein oder nur sehr wenig Interesse an Rache oder Vergeltung. An Strafen oder Erniedrigung der Täter_innen. Die meisten kämpfen um ihr Weiter.Leben. Um Alltag, um Zukunft. Um sich selbst und darum, nicht immer wieder von der eigenen Geschichte eingeholt und behindert zu werden.
Wir denken uns heute manchmal, dass wir unsere Therapie von den Täter_innen zwangsbezahlt bekommen haben wollen. Unsere Assistenzbedarfe von Ihnen gedeckt haben wollen. Alles bezahlt haben wollen, was unser Hartz 4 – Regelsatz nicht abdeckt.
Wir wollen all die Optionen, die sie damals gehabt haben, umgegolten auf Optionen, aus denen wir heute wählen könnten.
Dabei geht es uns um Ausgleich. Nicht um “ausgleichende Gerechtigkeit”.
Die werden wir im Leben nicht herstellen können, denn die Gewalt kennt keine Gerechtigkeit.
Wir tragen schwer daran, die Dinge so hinnehmen zu müssen, wie sie sind. Hadern manchmal noch damit keinen Kontakt mehr zur Herkunftsfamilie zu haben und zu wissen, dass wir es sind, die sich seit 15 Jahren damit auseinandersetzen, was damals passiert ist und welche Wirkung es auf und in uns hatte – und nicht sie.
Ich könnte vor ohnmächtiger Wut aufschreien, wenn ich daran denke, was für eine lange Zeit der unnötigen Not wir durch- und überleben mussten, um dahin zu kommen, wo wir heute sind – während in unserer Familie* nachwievor die Erzählung ist, dass wir die undankbare, kranke, verrückte Tochter sind, die Behörden und Behandler_innen anlügt und von der auch sonst nichts mehr zu erwarten ist, als die Enttäuschung, die sie schon immer war.
Das ist einfach ungerecht und etwas, womit zu leben bedeutet, nichts anderes zu haben als “danach”.
Ein Danach, in dem wir zum Prozess gezwungen sind – und nicht sie.
Ein Danach, in dem wir völlig allein für uns selbst einstehen müssen, weil wir uns niemals darauf verlassen können, dass sich irgendjemand so sehr mit uns verbunden fühlt, wie es die eigene Familie idealerweise tut.
Unser Danach ist eins für das wir allein verantwortlich gemacht werden, weil wir das Davor abgelehnt haben.
Das wirkt sich auf uns bisher wie eine Strafe auf Lebenszeit aus.
Denn wir haben nichts als unser Leben selbst damit gewonnen, auszusteigen und wegzugehen.
Für uns ist das tatsächlich auch kein Gewinn, denn am Leben waren wir auch vorher. Es war ein Leben in manchmal lebensbedrohender Gewalt, ja – aber es war kein Leben mit Bittstellerbriefen, Bettelanträgen und Gekrieche um Hilfe und Unterstützung, um nicht in lebensbedrohliche Umstände zu geraten. Es war kein Leben, in dem jeder Cent zählt und auch kein Leben, in dem jede Entscheidung allein getroffen und getragen werden musste, nicht wissend, was passiert, wenn man nicht mehr kann.
Es war nicht besser. Es war nicht schlechter.
Es war anders und es war das Leben, das wir nun einmal hatten, weil wir es hatten. Einfach so.
Das Leben heute haben wir gewählt.
Und manchmal schwappt die Reue hoch. Bedauern. Trauer. Der Gedanke, dass das alles falsch ist. Eine Lüge, auf die wir reingefallen sind und die uns noch bittertief schmerzen wird.
Damit umzugehen ist nicht einfach. Und in einer Gesellschaft zu leben, die solche Gedanken und Ideen auch nicht von außen entkräftet, ist dabei nicht hilfreich. Im Gegenteil.
Häufig werden Menschen, die ihre Gewalterfahrungen mit.teilen verhöhnt und gedemütigt. Vielen wird nicht geglaubt, die meisten erfahren auf dieses Moment des Mit.Teilens erneut Gewalt, über die Relativierung und ausbleibende Anerkennung der persönlichen Auswirkungen der gemachten Erfahrungen.
Wie oft zu Opfer gewordenen Menschen der Vorwurf gemacht wird, sie würden ihre Erfahrungen nur für Aufmerksamkeit teilen, macht mich lachen und weinen zugleich. Denn was soll man bitte sonst tun, damit man später nicht gesagt bekommt, man hätte ja nie irgendwas gesagt? Oder sich dem Vorwurf entgegenstellen muss, “nur” ein schweigendes Opfer zu sein. Oder damit auseinandersetzen zu müssen, dass ja alle Menschen immer so unsicher sind, wie mit Menschen umzugehen sei, denen Schwieriges passiert ist, weil ja NIEMAND mal ENDLICH OFFEN ausspricht, wie es WIRKLICH IST.
Aber darum geht es am Ende doch wieder gar nicht.
Es geht darum, dass zu Opfern gewordene Menschen auch Zeugen und Zeugnis der Gewalt sind, der man sich so gern nicht widmen möchte, dass man sie so weit es geht ausblendet.
Sie werden aber auch zu einem Denk.mal für Unterlegenheit gemacht. Eine Erinnerung daran, dass niemand immer alles Schlechte, Schwere, Schlimme von sich fernhalten kann.
So können wir am Ende immer wieder nur sagen, dass es sich für nichts außer den eigenen Prozess lohnt, gemachte Gewalterfahrungen und Erfahrungen des Umgangs damit mit.zu.teilen. Denn: Menschen, die wahr.nehmen, was man da sagt, werden reagieren und diese Reaktionen sind nur selten, die die gut tun, helfen oder “sich lohnen”.
Wir haben selbst jetzt nach 9 Jahren der Selbstvertretung in Form des Blogs noch immer das Problem, dass die meisten Leser_innen nicht einmal begreifen, dass das hier kein Literatur-Lifestyle-fancy Kunstzeug-Roman ist, sondern ein politisches Statement, ein offenes Aussprechen, eine reale Er_Lebensrealität, die mit.geteilt wird. Manche verstehen auch nicht, dass es uns nicht darum geht, für Menschen mit DIS zu sprechen. Und immer wieder erreichen uns Fragen, die zu beantworten für uns viel zu weitreichende Verantwortungen nach sich ziehen.
Sich als jemand di_er Gewalterfahrungen gemacht hat nicht zu verstecken, sondern einfach nur da zu sein, ansprechbar zu sein und für sich und das eigene Er_Leben zu stehen, macht so viel aus und wird doch so oft nicht einmal als das wahr.genommen, was es ist. Und das ist doch krass, oder nicht?
Manchmal denken wir, dass wir uns hier verändern müssten. Denken, dass wir uns zu einer Art Entrepreneur_in für Trauma und Folgen machen müssten.
Einfach, damit es sich mehr lohnt. Auch finanziell.
Aber was wäre das dann? Das wäre der fünfigstmillardste Aufguss von Therapeut- und Mediziner_innenerkenntnis. Amateurisiertes Profitum für etwas, das nicht von oder aus uns selbst kommt, sondern aus ICD 10 und DSM 4. Geil. Much authentisch. Very insightful.
Nicht.
Das ist auch nicht, was die meisten Menschen suchen, wenn sie “Trauma” oder “Viele sein” googeln.
Die meisten suchen sich selbst oder jemanden, den_die sie kennen. Suchen Hoffnung auf Besserung, suchen Antworten auf Fragen, die sich selbst noch nicht richtig stellen können. Und so viele suchen nach Hilfe und finden doch eher unser Blog als irgendeine Stelle, die sie einfach anrufen können, um zu bekommen, was sie brauchen.
Wir können das Gesuchte mit dem, was wir hier tun, meistens in keinster Weise geben – aber mit unserer Präsenz zeigen wir an, dass sie nicht allein sind. Dass wir schon hier sind und von wo gekommen sind. Dass wir Dinge beobachten und sie gern anders hätten. Was wir worüber denken und, dass in uns mehr passiert als Elend, Not und Bedürftigkeit.
Für uns ist das viel und meistens auch genug.
Und gemessen an der Präsenz, die das Thema “Leben nach massiver Gewalt” oder “Leben nach der Missbrauchsschlagzeile” oder “Leben mit DIS” oder “Leben mit Traumafolgen nach Gewalt in der Familie” insgesamt hat, ist es ein Riesending.
Unser kleines Blog von Vielen voller Tippfehler, fehlender Satzenden und willkürlich auf die Texte gestreuselter Kommas.
Unser kleines Blog, das schon so lange da ist und bleibt und wartet und ist, wenn wir sind.
Es ist eine erhebende Erfahrung so wichtig für etwas zu sein. Wenn wir nicht wären, wäre dieser 1.241 Beiträge-Koloss nicht und das fühlt sich gut an.
Für solche Gefühle lohnt sich da zu sein.
Für das Gefühl für etwas wichtig zu sein, das dann vielleicht irgendwann für irgendjemand auch wichtig ist.
Manchmal bringt mich das Gefühl näher an Menschen.
Und dann verstehe ich, warum man allen Rechte dazu einräumt sich selbst und andere Menschen so zu erleben. So miteinander und nah.
Und warum man das sicher haben will.
Warum ich und wir uns von diesen Rechten nachwievor nicht so verbunden fühlen, wissen wir selbst noch nicht.
Vielleicht aber irgendwann.
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