die Hochzeit

„Das sind die Dinge, über die man später spricht“, sagte unsere Nachbarin aufmerksam auf die von Schnee gerahmte Straße schauend. Neben ihr mein Partner, der eine Stunde später auch mein Ehemann sein würde. In Hemd und Kragen, Ausnahmekleidung und mit einem Blumenstrauß in der Hand saßen wir zusammen in ihrem kleinen Auto, denn unseres sprang nicht an. Ausgerechnet!
In unserem Haushalt bin ich die_r Außenminister_in und wenn es einen Zeitpunkt gab, an dem sich mein Wirken als erfolgreich herausstellte, dann den unserer Hochzeit. Denn es war auch diese Nachbarin, die mir die Haare machte und der Sohn jener Nachbarin, der die Batterie in unserem Auto auflud, während wir weg waren.
Wir sind hier draußen nicht allein. Wir sind nicht nur auf uns gestellt.
Wie toll ist das?

Unsere Hochzeit war schön.
Wir haben fünf Gäst_innen an Corona und Coronaverdacht verloren, aber dennoch eine Gruppe von echten Freund_innen und ihren Partner_innen auf dem klassischen Hochzeitsfoto, von dem ich nie dachte, dass es mal mit mir mittendrin gemacht werden würde.
Die Standesbeamtin hat eine angenehme Rede gehalten und nichts unnötig kitschig ausgedehnt oder schmerzlich verkürzt. Ja, es hat gezeckt, als „Frau XY“ angesprochen zu werden und ja, es wird mich vermutlich immer zecken nur innerhalb meiner sozialen Ehe als die „Eheperson“ oder „Ehepartner_in“ gedacht und angesprochen zu werden, die_r ich bin. Aber die Rede enthielt keinen starken Mann, der die zarte Frau auf immer versorgen muss. Oder eine Frau, die sich den Mann erziehen muss. Es ging um gegenseitige Fürsorge, füreinander da sein, um gegenseitigen Halt, die gemeinsame Aufgabe, die Beziehung zu pflegen und die vielfältige Liebe füreinander.

Diese Liebe spürte ich im Restaurant, wo wir sehr gut aßen und saßen und redeten und lachten, in kleinen Wellen und einer großen Woge. Denn natürlich wollten wir unsere Freund_innen auch miteinander bekannt machen und mit allen teilen, was wir an ihnen jeweils schätzen und wofür wir dankbar sind.
Auch, weil wir unsere Freund_innen seit unserem Zusammenzug nie alle zusammen einladen konnten. Seit der Pandemie haben wir keine Gartenparty gegeben, keine Geburtstage gefeiert, keine anderen Anlässe wie Weihnachtsfeiern oder Sommerfeste besucht. Die Hochzeit war der erste Anlass, zu dem wir maskenlos an einem öffentlichen Ort mit ihnen zusammenkamen.
So standen mein Partner und ich vor der Gruppe und bedankten uns vor allem für die Unterstützung und Zuwendung, die wir erhielten, als er Anfang dieses Jahres so schwer und so lange krank war. Wie er da stand und weinte, erinnerte mich daran, wie es war, als sein Vater gestorben war. Wie lange wir uns schon kennen. Wie intensiv so viele Momente unserer Partner_innenschaft waren. Wie alleinstehend wir als Paar in diesen Momenten waren und wie gemeinsam wir jetzt sein können. Nicht nur durch die Ehe verbunden, sondern auch durch diese Feier in der Runde.

Der Tag fand seinen perfekten Abschluss mit einer Runde „Flügelschlag“ mit meinen Freund_innen und dem Partner der einen. Das war mir wichtig, denn alle hatten NakNak* lange nicht mehr gesehen und werden sie vielleicht auch nicht mehr sehen vor ihrem Tod. – Und wir konnten es noch nie in voller Besetzung spielen. Ein Skandal, der nun gelöst wurde 😅

 

so ziemlich Ich

„Männer gibts in allen Formen“ kleinlautete ich durch die Geräuschkulisse des Ladens. Beschämt bis auf die Knochen, bemüht mich nicht beirren zu lassen, blieb ich weiter im Kontakt mit dem Berater der Herrenabteilung von Peek und Cloppenburg.
Ich ließ mir Sakkos zeigen, Westen, Anzugoberteile und versuchte mich weder von meiner fettigen Hülle noch den Blicken der anderen Kunden in der Anprobe aufhalten zu lassen. „Ich möchte nichts Falsches. Ich möchte, was alle hier machen. Ich bin hier, weil ich hier etwas kaufen kann, was sie an alle verkaufen. Ich bin nicht falsch.“ In jeder Blicklücke, jeder Peinlichkeitspause sagte ich mir das und trampelte meinen aufkochenden Selbsthass nieder wie Altpapier in der Tonne.
Später saß ich dann in einem doppelten Selbsthassgewitter. Warum bist du so fett so hässlich so falsch so schräg bescheuert // Warum akzeptierst du dich nicht endlich liebst dich nicht kümmerst dich nicht ordentlich um dich Mach doch endlich

Ich fing an zu weinen, weil ich über meine Optionen nachdenkend bemerkte, dass ich, selbst wenn ich mich für diesen Anlass als Mädchen verkleiden würde, genauso wenig Kleidung finden würde, die ich sowohl sensorisch aushalten, als auch an mir schön finden würde. Frauen gibt es auch in allen Formen. Das weiß die große Modeindustrie nur leider nicht. Und ich – ich weiß, dass meine Form (noch?) keine hat, die ähnlich festgeschrieben ist wie die für Männer und Frauen.

Nicht Fisch nicht Fleisch sein bin ich. Nicht passen bin ich. Ohne Zutun, ohne Wollen.
Es tut mir so leid.

Ich verwende viel Kraft darauf, mich nicht im negativen Selbstbild zu verlieren und dabei auch ganz klar im Bewusstsein zu behalten, dass mein Gefühl bei der Anpassung zu versagen, aus einer Fehlannahme meines (früheren) Umfeldes kommt. Das Umfeld, das es für eine Kleinigkeit hält, sich als Person mit einem Körper wie meinem, in Kleidung für Personen mit meinem Körper gut zu finden. Oder wenigstens okay. Sie machen eine Zuordnung, die ich nicht mache. Das ist schon alles. Ich kenne diesen Fehler. Ich weiß, dass sie aufgrund dieses Fehlers falsche Erwartungen an mich haben.
Ich weiß, dass ich nichts dafür kann. Dass es nichts mit mir zu tun hat.
Ich muss ein Stein sein, der nicht nachgibt. Der sich von dem sandstrahlenden Anspruch nicht beeinflussen lässt.

Zwei Wochen und langes Suchen später fahren mein Partner und ich in eine Stadt mit vielen Geschäften. Ich bin emotional gepanzert und damit beschäftigt nicht daran zu denken, wie viele Fressattacken ich diese Woche hatte. Aus Stress, aus Kummer, aus Überforderung, aus dem Druck mich nicht aufzuschneiden, zu schreien, zu weinen, sondern klar, sachlich und konzentriert zu arbeiten, zu interagieren und kommunizieren. Ich will das hier schön finden. Wir finden so selten zeitgleich Kraft, Zeit und Lust für solche Ausflüge, ich will es schön finden und mir nicht von meinem Seelenscheiß oder der dya cis sexistischen Dickenfeindlichkeit kaputtmachen lassen.

Ich probiere verschiedene Anzüge an, doch rutsche in die Lücke zwischen Über- und Normalgröße. Ich betrachte mich im Spiegel und merke, dass ich gar nicht wirklich dünn sein will. Ich will nur nicht ich sein, wenn mich jemand ansieht. Bemerkt. Einordnet. Beansprucht. Ich will nicht die Person sein, die ständig enttäuscht oder irritiert. Ich will unsichtbar sein, weil ich anders nicht verhindern kann, dass mir Menschen wehtun.
Für ein paar Sekunden bin ich mit einer Intensität suizidal, dass mir schlecht wird. Mit der gleichen Wucht wird in mir eine Tür zugeschlagen. Ich stehe in der Kabine, die auch eine im All umhertreibende Kapsel sein könnte.
Die Bräutigamsbrigade nebenan reißt mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich spüre der Umarmung meines Binders nach und vergrabe mich im guten Grundgefühl, des Tragens, als wäre ich eine Krabbe am Strand.

Mein Partner ist auch nicht fündig geworden. Ein Mantel gefällt ihm. Er nimmt ihn dann aber doch nicht. Wir steuern den nächsten Laden an. Ein weicher heller Strickponcho fällt mir auf und dann doch wieder aus meinen Optionen. Ich möchte mich nicht verhängen, mich nicht verstecken. Dieses eine Mal will ich dem Umstand des Gesehenwerdens nicht aus dem Weg gehen. Doch langsam verliere ich meine Ideen und auch die Kraft für den Mut vor mir selbst, überhaupt diesen Wunsch zu haben.

Wir starten noch einen letzten Versuch. „Wie kaufen Sie denn sonst so Ihre Kleidung?“, fragt Frau Fischer und mustert mich interessiert. „Alle 4 -5 Jahre fahre ich zu C&A, kaufe 10 Basic Shirts und hoffe das Beste.“ Ich lache angespannt und bin erleichtert als ich merke, wie mein Partner das Gespräch sozial abpuffert. Frau Fischer schätzt meine Größe ab, fragt nach meinen Wunschfarben und bespricht meinen Typ mit ihrer Kollegin. Es ist meine erste Shoppingerfahrung wie aus dem Fernsehen. Aber der Laden hat keine Musikbeschallung. Keinen Raumduft. Frau Fischer hält Abstand zu uns. Bietet uns Kaffee an, denkt und plant und überlegt mit einer Aufrichtigkeit, die mir ein Pflaster auf die Verkaufskratzer der letzten Zeit ist. Es ist mein Partner, der erwähnt, dass ich mit einem Sakko geliebäugelt habe. Frau Fischer kommt mit einem Oberteil, das dem sehr nah kommt aus dem Sortiment.
Am Ende habe ich eine Form. Etwas maskulin, etwas sportiv, etwas elegant, ohne Schnickschnack.
„So gar nicht Mädchen“, wie Frau Fischer sagt, „So ziemlich Ich“, wie ich denke, als wir nach draußen gehen.

der Text zum Po(d)etry Slam 2023

Naknak*, meine Hündin, wird sterben.

Plonk! Stimmung am Boden – I know
Aber let’s face it – es ist, wie es ist. Von Hundeseite aus wird bald gestorben.

Für mich ist das was Neues, aber bei Weitem nichts so Ehrfurcht erregendes wie für viele andere Menschen.
Zum Beispiel meinen Partner. Seit uns die Maus auf ihren Logout vorbereitet, betreibt er elegante Flughafenaerobik beim Spaziergang und ehrerbietendes Planking auf 10 Zentimetern Bettkante beim Schlafen.

Denn einem so alten Hund wird der Platz nicht einfach zugewiesen. Es wird entweder umfassend gewutscht und gewedelt oder zartfühlig hingenommen, dass sich die 13 Kilo Flausch zu 4 Quadratmetern unbewegbarer Fläche entfalten. Egal, ob im Bett, auf dem Sofa oder … im Weg.
Die Muppe goutiert eine solche Behandlung.

Mein Partner und ich säuseln uns inzwischen jeden Tag zu, wie süß mein kleines Ettimupf doch ist. Fast als hätten wir beide ein bisschen Angst, das Wichtigste zu vergessen. Wie süß sie ist.
Sie war 13 Jahre meine Assistenzhündin. Hat mich aus meinem Schneckenhaus in die Welt gezogen und mir auch die Türen zum Podstock eröffnet. Doch das ist ein Scheiß dagegen, wie süß sie ist. Sie und das kleine Stück Zunge, das ihr beim Schlafen rausguckt.
Und manchmal – ganz manchmal auch beim Wachsein.

Es stirbt sich ganz schön langsam für Mopsi, finde ich manchmal. Vor allem, wenn wir eine neue Stufe ihrer Schmerzbehandlung nehmen müssen. Andererseits ist auch total klar: Der Hund stirbt so langsam, damit man Zeit hat sich dran zu gewöhnen.
Das ist wie bei einer Schwangerschaft, nur mit weniger Grund zur Freude am Ende und mehr organisatorischem Tüdelüt. Denn find mal jemanden, der dir den toten Hund verbrennt, wie du das willst. Zärtlich. Ohne Pfötchen-Schick – Ihr wisst schon, diese Pfote, die nicht aussehen darf wie die Jack Wolfskin-Pfote und deshalb überhaupt nicht wie eine Pfote aussieht, sondern wie ein nierenförmiger Wobbel mit Anhängsel.

Auf der Suche nach einem Haustierkrematorium ist mir zum ersten Mal richtig bewusst geworden, wie viel unnötigen Kram es zur Reverse-Geburt zu kaufen gibt. Klar, Schmuck – alles mit Wobbelpfote drauf, aber auch Gefäße in jeder Form und Farbe.
Die Art Gefäße, die man sich in der Welpenzeit abgewöhnt hat, aus Gründen.
Gründen, die dann wohl erledigt sind, wenn man sich zwischen Glanzlackoval oder Pappkartonminimal-Urne entscheiden will. Obwohl einem das Herz einen See um die Füße blutet, denn so einen Hund zu verlieren … da bleibt einfach nichts trocken. Auch das irgendwie ähnlich wie damals in der Welpenzeit.

Und noch etwas gehört zum Haustiersterbe-Geschehen: die Regenbogenbrücke.
Ich halte das Wort „Regenbogenbrücke“ für eine Tautologie, da im Grunde jede Brücke ein Bogen ist. Aber gut.
Ich habe jedoch einige Fragen. Zum Beispiel: Wie muss ich mir das vorstellen? Ist die Regenbogenbrücke auch der Highway to hell? Gibt’s da ab und zu Stau? Unfälle? Was wissen tote Haustiere über das Bilden einer Rettungsgasse? Kommen die Gelben Engel auch für Tiere, die zur Hölle fahren?
Generell interessiert mich auch, wozu die Tierseelen überhaupt eine Brücke brauchen, wenn sie auch genug Zeit hätten, die Kluft zu durchklettern oder drum rumzulaufen … in einem weiten Bogen.

Als verantwortungsbewusste_r Hundehalter_in habe ich aber natürlich auch noch ganz andere Fragen zur letzten Reise der Motte. Etwa: Muss sie ihr Körbchen selber mitbringen? Handtücher, Waschlappen, frische Schlüppis? Was ist mit ihren Papieren? Gibt es da drüben Begrüßungsgeld oder muss ich drauf vertrauen, dass ihre Bettelmasche – perfektioniert in über 15 Jahren am Küchentisch – ausreicht, um durchzukommen?

Die Sorge um sie endet wohl nicht mit der letzten Ehre, das dämmert mir jedenfalls langsam.
Andererseits! – So wie ich sie kenne, bleibt es nicht dabei, dass sie sich die Radieschen, Karotten und Kartoffeln von unten nur anguckt.
Auch deshalb hoffe ich sehr, dass sie statt über die Regenbogenbrücke einfach den Weg allen Fleisches geht – gerade durch in die ewigen Jagdgründe.
Meine Mopsmaus ist zwar ein Hütehund – kann also sein, dass sie da Probleme kriegt – aber man ist ja nie zu alt, um etwas Neues zu lernen.

Was sie schon jetzt kann, ist ins Gras zu beißen – um dann eine beeindruckende Spur von Rasenrest und Dreck durch die Gegend zu tragen.
Ich sag ja – sie bereitet uns gut auf ihre eternal Abmeldung aus unserem gemeinsamen Space vor.

Meine kleine weiche NakNak*.
Meine Muppe, meine Maus,
die Motte, das Spinni
meine Schrabnella, das Ettimupf
meine Mopsmaus, mein süßes Fräulein Humpenschlump.

Fundstücke #86

Am Ende hielt ich ein kleines Polaroid von der ganzen Gruppe in der Hand. Ganz so wie Leute, die zu anderen Leuten gehören und sich für ein Foto zusammenstellen, weil man das eben so macht. Klick – ein gemeinsames Erlebnis dokumentiert, Zugehörigkeit markiert.

Vielleicht hätte ich unter anderen Umständen geweint. Oder nachgefragt, ob ich das Bild wirklich behalten darf. Ob es wirklich für mich ist.
So waren die Umstände aber das Ende eines Drehtages in Köln, nach einem ersten zweiten Realtreffen mit Felice, nach einer verknörgelten Anreise mit dem Zug, nach einer Therapiestunde, die mich fast umgeworfen hatte, nach zwei Tagen für die Initiative Phoenix mit Mitgliederversammlung in Mainz, nach dem Sprechen und Arbeiten auf der Performativen Buchmesse in Hamburg, nach schwierigen Arbeitstagen und vergessenen Terminen zu Hause, nach zwei Tagen Arbeiten und Lesen auf der Leipziger Buchmesse. Vor weiteren intensiven Stunden mit der Deutschen Bahn. Vor meiner Lesung gestern. Vor der Arbeit, die ich diese Woche nicht geschafft habe. Vor allem, was ich in einer neben mir herlaufenden Spur bearbeite und überlege, um es in der Therapie zu besprechen.

Am Abend lag ich im Bett und schichtete alle Decken über mich. Drückte mich an die Wand und versuchte mich in die Ruhe zu atmen. Die Eindrücke des Tages der letzten Wochen hagelten bedrohlich auf mich ein. Taten weh, erschreckten mich, ließen mich ohne Begreifen zurück. „Ich muss unbedingt schwimmen nächste Woche“, dachte ich. „Vielleicht sogar jeden Tag.“

Lesung aus „Worum es geht – Autismus, Trauma und Gewalt“ in Bielefeld

Wir laden herzlich zur Lesung aus unserem zweiten Buch „Worum es geht – Autismus, Trauma und Gewalt“ ein.

Die Lesung findet am 18. Mai, um 15 Uhr im Filmhaus Bielefeld statt.
Die Anmeldung und alle Informationen zur Örtlichkeit findest du auf der Veranstaltungswebseite.

Zur Veranstaltungswebseite hier klicken

Wir freuen uns auf euch!

Veranstaltungstipp
Neurodiversität intersektional: Beziehungen und Bündnisse

Neurodivergente Frauen, Lesben, nonbinäre, trans und inter Personen tauschen sich aus.

Wann: Freitag, 9. Dezember 2022, von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr
Wo: Online
kostenlose Tickets bekommt ihr hier: https://www.eventbrite.de/e/neurodiversitat-intersektional-beziehungen-und-bundnisse-tickets-475104368957

Inhalt:

Neurodiversität ist zunehmend bekannt und wird immer öfter erwähnt, wenn über Vielfalt gesprochen wird. Doch was haben wir als neurodivergente Personen davon, zumal wenn wir nicht als weiße autistische Cis-Männer im IT-Bereich arbeiten? Diese Gesprächsrunde bringt neurodivergente Frauen, Lesben, nonbinäre, trans und inter Personen zusammen, um uns auszutauschen über Fragen wie: Welche Räume haben wir, um uns über unsere Erfahrungen auszutauschen? Wie bringen wir unsere spezifische Perspektive in unsere Arbeit oder unseren Aktivismus ein? Welche Beziehungen und Bündnisse sind uns persönlich und politisch wichtig und was brauchen wir, um uns darin sicher zu fühlen? Wie erweitern wir Diskurse, um Neurodiversität um intersektionale Aspekte?

Barriere- und Zugangs-Infos

Zunächst wird es ein moderiertes Gespräch unter den eingeladenen Teilnehmenden geben. Nach einer kurzen Pause können alle interessierten Personen aus dem Publikum in das Gespräch mit ihren Fragen und Beiträgen einbezogen werden.
Das Gespräch wird in deutscher und englischer Lautsprache stattfinden. Eine Übersetzung zwischen deutsch und englisch und in DGS ist geplant. Aktuelles wird auf dieser Seite erscheinen.
Die Veranstaltung ist öffentlich für alle sich als neurodivergent identifizierende Frauen, Lesben, nonbinäre, trans, inter und agender Personen (FLINTA).

Eingeladene Gesprächsteilnehmende:

  • Hannah C. Rosenblatt (Hannah sind ein_e nicht-binäre_r autistische Autor_in, die_r sich als Viele erlebt.)
  • orchi lohani (queer*e autistische*r organizer*in und künstler*in mit chronischen Schmerzen. Trainer*in bei Zsimt Berlin, mit Fokus auf antikoloniale Ansätze zu antirassismus und anti-ableismus.)
  • Tanja Serapinas (Sozialarbeiterin, Beratung und Coaching für neurodivergente Personen)
  • Annette Schindler (Autodidaktin, Beziehungs- und Sexualtherapeutin mit ADHS /Vermutung auf Autismus und alleinerziehende Mutter)
  • Romy Graichen (neurodivergente Therapeutin, Supervisorin und Trainerin)

Moderation:

Constanze Schwärzer-Dutta (Paarberaterin für neurodiverse Paare, Buchautorin „Liebe mit Köpfchen. Tipps einer Autist*in für neurodiverse Beziehungen.“)

Neurodiversity intersectional: relationships and coalitions

Content:

Neurodiversity suddenly seems to be the hip diversity category. But how do we benefit as neurodivergent people, especially if we’re not white autistic cis men with IT jobs? This conversation brings together neurodivergent women, lesbian, nonbinary, trans and inter people to share questions such as: What spaces do we have to share our experiences? How do we bring our specific perspective to our work or activism? What relationships and coalitions are important to us, and what do we need to feel secure in them? How do we bring intersectional aspects into discourses on neurodiversity?

Access info:

First there will be a moderated discussion among the invited participants. After a short break, all interested people from the audience can join the discussion with their questions and contributions.
The conversation will take place in German and English spoken language. A translation between German and English and in DGS (German Sign Language) is planned. Updates will appear on this page.
The event is open to all people who identify as neurodivergent women, lesbian, nonbinary, trans, inter and agender (women and TINA people).

Invited participants:

  • Hannah C. Rosenblatt (non-binary autistic author who experience themselves as many)
  • orchi lohani (queer autistic organizer an artist in chronic pain. They are also a trainer at Zsimt Berlin where they focus on anticolonial approaches to anti-racism and anti-ableism)
  • Tanya Serapinas (social worker, counselor and coach for neurodivergent persons)
  • Annette Schindler (autodidact, relationship and sex therapist with ADHD/maybe autism and single mother)
  • Romy Graichen (neurodivergent therapist, supervisor and trainer)

Facilitation:

Constanze Schwärzer-Dutta (Neurodiverse Couples Counselor, author of the book “Liebe mit Köpfchen”)

die Vorschau

Cover des Buches "Worum es geht, Autismus, Trauma und Gewalt" von H. C. Rosenblatt, mit dem Logo der edition assemblage in pink und der Mitte des "Fußteils". Der Hintergrund ist sehr dunkelrot (fast schwarz), im Vordergrund in der Mitte ist eine unendliche Figur, in Regenbogenfarben, die ineinander laufen und mit Punkt und Kreismustern gefüllt sind. Die Schriftfarbe ist in warmen Orange gehalten.

Und dann erhalte ich das letzte Ultraschallbild meines Buchbabys.
In der Druckfahne der Vorschau sehe ich das Cover und da ist der Ankündigungstext. Es hat schon eine ISBN und eine WG-Nummer, niedlich.

Ich betrachte es in einem Moment so neutral wie Tonpapier und suche nach Gefühlen in mir.
Da ist Zufriedenheit und Erschöpfung. Wissen, dass noch viel Arbeit vor mir liegt. Nicht nur am Buch, sondern auch darum herum. Zuschüsse, Lesungen, eine Feier zur Veröffentlichung – das Vor/Nach/Mitwort muss übersetzt werden, ich muss das noch durchrechnen – der Satz, habe ich eigentlich Zeit dafür im Januar?

Ich würde es gern als etwas spüren, das auch ist, wenn ich nicht bin, aber so funktioniert das alles nicht.
Mit Literatur ist man lange schwanger. Und wenn man sie sich in einer monate-, vielleicht sogar jahrelangen Kopfgeburt herausgearbeitet hat, dann ist sie immer noch kein Buch, sondern nur ein Manuskript, das absolut auf die Fähigkeiten von Lektor_innen, Buchsetzer_innen und Gestalter_innen angewiesen ist, um eine Chance auf Buchwerdung zu erhalten. In dieser Phase beginnt die Wertschöpfung. Die Arbeit nach der Arbeit, das Werden nach dem Sein.

In gewisser Weise beginnt für mich als Autor_in damit auch die Zeit der Reflexion. Erneut. Denn während des ersten Aufschreibens wusste ich ja nur, wie es werden sollte. Aber nicht, ob es das auch werden würde.
„Worum es geht“ behandelt Autismus, Trauma und Gewalt. Die Triage, die mein Leben so umfassend definiert, dass ich kein ganz und gar objektiv gehaltenes Sachbuch schreiben kann. Und selbst wenn – objektive Sachbücher sind oft nichts weiter als Golems recycelter Sachbücher. Einfach noch mal sagen, was andere schon gesagt haben – nur besser, richtiger, neuer, leichter verständlich vielleicht, nein, das ist wirklich nicht meins.
Meins, und zwar ganz allein meins, ist die Erfahrung mit dem Inhalt. Die Auseinandersetzung, das Lernen, der Weg zum Verstehen. Die objektive Wissenschaft hat dabei geholfen, deshalb kommt sie auch drin vor. Und weil der ganze Studienbumms mich nicht braucht, um zu funktionieren. Das ist eine große Entlastung. Und ein schönes Schutzschild vor allen, denen auch mein zweites Buchbaby zu viel Lebensschnodder aus der Nase tropft.
Es wird wieder ein typisch autistisches Buch. Eine Mischform, die an ihren Rändern zerdrückt werden muss, um in Genre und Verwertungslogiken zu passen. Aber Kunst muss ich es diesmal nicht nennen.
Auch das eine Erleichterung.
Eine große.