die Möglichkeit und das Machen

Was für eine Woche das war, begriff ich erst am Wochenende.
Da habe ich mit einer Freundin telefoniert und gemerkt, dass ich einen Knaller nach dem anderen in meinen Bericht der aktuellen Lage einbrachte.
Später fiel mir aber auch auf, dass ich jeden dieser Knaller komplett erinnere und kongruent empfinde.
So ist das also. Dieses stabil, gesichert und weniger dissoziativ sein.
Wie immer. Nur mehr.

Diese Woche fiel mir dann noch etwas auf.
Ich habe in der Auseinandersetzung mit meinen Psychiatrieerfahrungen einen Prozess angestoßen, der hätte sein können wie immer. Intellektuell. Analysierend. Ganz so, wie ich es immer brauchte, um mich damit sicher zu fühlen. Wenn man Ursache und Wirkung versteht, kann man sich schützen. Und ich, Hannah, die mal die Rosenblätter waren, die mal die Anderen waren, die Menschen und Leben in Klapse und Therapie gut können, brauchte auch nur das. „Wie war es dazu gekommen?“ – „Alles klar, dann ergibt das ja alles Sinn, dann mache ich mal dies und das …“
Jetzt kann ich die fühlen, die vor mir waren. Und manchmal mischen wir uns auch. Manchmal auch schon so sehr, dass es mich nicht einmal komisch befremdet.
Jetzt ist die Auseinandersetzung damit wie immer. Und mehr.

Jetzt merke ich, wie mein Anspruch des Bewusstmachenwollens von Helfer*innen- und speziell Psychiatriegewalt auch daraus entstanden ist, sie mir selbst bewusst zu machen. Und zu halten. Nicht nur für alle, die es (im Gegensatz zu mir) nicht verdient haben, so etwas zu erleben, sondern auch für alle, die es erlebt haben. Wie ich ich? ich.

Und ich merke, wie weit mich meine Intellektualisierung gebracht hat. Obwohl sie zu meinem Vermeidungsverhalten gehört und damit aus therapeutischer Sicht zu den Dingen, die meine komplexe posttraumatische Belastungsstörung aufrechterhält. Böse böse also. Irgendwie.
Andererseits musste ich intellektuell begreifen, was meine Diagnose ist. Es hat nicht gereicht zu glauben, ich hätte mich „abgespalten, um mit traumatischen Erfahrungen klarzukommen“. Ich musste wissen, was toxischer Stress ist und wie er sich auswirkt. Ich musste wissen, wie Gehirne üblicherweise funktionieren. Wie Lernen funktioniert. Was Angst ist. Was andere Emotionen sind. Ganz konkret. Was Macht ist. Was Gewalt ist. Warum alle Menschen dagegen sind und gleichzeitig viel dafür tun.
Ohne diese Auseinandersetzung, diese Forschungs- und Versteharbeit hätte ich nie erfahren, dass Intellektualisierung und die vorerst kognitive Erfassung von Umständen nicht ausschließlich traumabedingtes Vermeidungsverhalten sind. Wofür ich mich schämen sollte, weil sich manche Leute davon überfahren, bedroht, eingeschüchtert, abgewertet fühlen. Und weil es meine psychotherapeutische Behandlung unnötig in die Länge zieht. Nur für mein eigentlich irrelevantes und mit diesem Verhalten dreist und aus narzisstischer Motivation erschlichenes Wohlgefühl.

Ohne diese distanzierte Analyse und die Schemata, die ich dafür gebraucht habe, hätte ich nie welche für mein Verhalten und meine Gefühle entwickeln können. Ich wäre Quatscherzählungen übers Viele- und Menschsein, über Gewalt und Hilfe schutzlos ausgeliefert. Wäre enorm abhängig von meiner Psychotherapeutin oder anderen Be.Handler_innen. Würde so vieles von meinem Verhalten immer noch als etwas von meiner viel weniger veränderbaren Person behandeln.

Meine Birne macht wirklich vieles komplizierter, als es manchen Menschen erscheint. Und vielleicht auch umständlicher. Aber sie schützt mich auch. Und stärkt mich dabei, noch andere Schutz- und Kraftquellen zu entwickeln.
Und eine zu sein. Für mich.

Diese Auseinandersetzung ist anders. Wie immer und mehr.
Wie ich sie mache und wie die anderen in mir sie machen.
Sie haben Angst und ich nicht.
Sie haben detaillierte Erinnerungen und ich nicht.
Ich kann die Umstände als Struktur und Dynamik überblicken und analysieren, und sie nicht.
Sie waren komplett auf sich allein gestellt. Jetzt haben wir uns.
Und einen Partner. Und Freund_innen. Und Begleiter_innen.

Ich habe lange geglaubt, um an so einen Punkt zu kommen, müsse etwas mit mir passieren, das ich in keiner Weise beeinflussen kann. Irgendwie würden mir unvorstellbare, bisher unerreichbare Fähigkeiten wachsen. Wenn ich mich als würdig erwiesen habe. Wenn ich durch genug unangenehme Therapietermine durch bin. Wenn ich die richtigen Medis habe. Wenn ich gut genug bin.
Dann würden sie auftauchen wie Krokusse im Frühjahr und dann ginge es von ganz allein weiter in Richtung Heilung und Normalität.

Aber auch Krokusse kommen nicht beliebig aus der Erde geschossen. Da hat jemand mal eine Knolle in die Erde gedrückt. Da war Wetter und Klima. Da ist keine Maus drangegangen. Kein Rasenmäher drübergefahren. Da war Zeit und Ort und Raum und Möglichkeit. Und genug Leben drin, um sich selbst zu wollen und die nötige Arbeitskraft freizusetzen.
Das, was man vom Krokus sieht, ist das, was ihm das Überleben als Spezies sichert. Das, was ihm Kommunikation und Interaktion mit allem, was dafür nötig ist, sichert. Die Wurzeln sieht man nicht. Ihre ständige Arbeit lässt sich trotz vieler Kenntnisse über Pflanzen kaum insgesamt erfassen. Man wird nie erfahren, wie viel Wasser, wie viel von welchen Mineralien im Verlauf eines Tages, einer Woche, eines Jahres dieser eine Krokus wann genau wie wozu sammeln und wie genau umwandeln und einsetzen musste.
Wir werden vielleicht nie erfahren, ob sich die Knolle für ihr Leben entscheiden oder einfach nur dem Leben als Impuls hingeben musste. Aber wir können uns sicher sein, dass da sehr vieles sehr günstig zusammenkommen musste, das nicht allein von ihr beeinflussbar war. Wir können Glück dazu sagen. Und Lauf der Dinge.

Und müssen immer an beides denken.
An das Glück und die Arbeit.
An die Möglichkeit und das Machen.

„besser helfen“

Schnell zur Bewertung einer Situation zu kommen, ist überlebenswichtig. Niemand überlebt akute Bedrohungslagen durch Tiefenanalyse. Doch abstrakte Themen wie Helfen, Fürsorge, Miteinander sein können nur außerhalb von akuter Bedrohungslage konstruktiv bewegt werden.
Das ist Trauma 101: Wenn was brennt, trinken wir keinen Tee, sondern schütten ihn auf die Flammen. – Wenn der Brand gelöscht ist, trinken wir erstmal was, um uns zu erholen.
Wenn eins von beidem nicht oder nicht vollständig möglich ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Traumatisierung, weil der natürliche Mechanismus der Stressreaktion bzw. -verarbeitung gestört wurde.

In der Interaktion zwischen Helfenden und (in der Kindheit) komplex traumatisierten Menschen entstehen manchmal reaktive Dynamiken.
Da ist die eine Seite mit komplex traumatisierten Menschen, die nach Triggern, die so unbewusst und subtil sind, dass sie überhaupt nicht eingeordnet werden können, in einem Bindungsschrei feststecken. Sie rufen nach Hilfe, setzen Himmel und Hölle in Bewegung, um nicht allein zu sein. Sie fordern und wollen, wünschen und bitten. Sind bereit, einfach alles zu tun, um ihr Leben zu retten – denn so fühlt es sich an. Als ob ihr Leben in akuter Gefahr ist.

Und da ist die andere Seite mit Helfenden, die über die Dauer dieses „Geschreis“ verzweifeln, weil sie einfach weder die Ursache finden noch beheben können; weil nichts von dem, was sie machen, keine Ressource, die sie aufbringen, zu helfen scheint und die Belastung kein absehbares Ende hat. Und: Weil sich zu erholen nach 8-Stunden-Schicht mit unvorhersehbar nötiger Überstundenzahl und eigenen Alltagsthemen praktisch unmöglich ist. Diese Leute kommen Tag für Tag/Termin für Termin mit einer leeren Teetasse in ein brennendes Haus.
So stellt es sich jedenfalls dar.

Solche Konstellationen führen zu den Dynamiken von Helfergewalt, über die ich hier bereits oft geschrieben und in Workshops und Vorträgen gesprochen habe.
Für beide Seiten geht es um alles oder nichts – beide Seiten werden so aktiviert, dass sie schnelle Bewertungen vornehmen, um handlungsfähig zu bleiben oder wenigstens die Illusion/das Gefühl davon aufbauen zu können.

Helfende, die sich in so einem Moment fragen „Wie kann ich besser helfen?“ haben oft noch nicht realisiert, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit leider noch gar nicht helfen.
Weil sie noch gar nicht helfen können.
Die Grundlage für Hilfe in so einer Situation ist die Fähigkeit zu erkennen, dass weder das Haus brennt noch die_r Klient_in in akuter Lebensgefahr ist. Und jede Möglichkeit nutzen und anwenden zu können, um Erholungsphasen traumabewusst anzubahnen, zu begleiten und abzusichern und zu integrieren. Sowohl für sich selbst als auch die_n Klient_in.

Klient_innen im „Bindungsschrei-Loop“ bewerten ihre Situation traumalogisch.
„Niemand ist für mich da/Ich bin allein“, „Ich kann nichts machen“, „Nichts hilft“, „Es wird nie enden“ ⇾ „Und deshalb werde ich sterben.“ Der Trigger ist in ihrem Bewertungsprozess gewissermaßen eingebaut. Der erste Auslöser hatte vielleicht noch etwas mit der Beziehung zu den Helfer_innen zu tun oder mit einem äußeren Umstand. Doch nach einer Weile wird der Einordnungsversuch zum Trigger-Perpetuum-Mobile, weil jeder Gedankengang mit der Bewertung der Lage als akut bedrohlich endet und entsprechend traumareaktives Wahr.nehmen, Denken und Handeln aktiviert.

Kommt man als helfende Person nun dazu und sagt: „Hey, du siehst das alles ganz falsch …“ fügt man eventuell das nächste triggernde Element hinzu: Das Absprechen der eigenen Wahrnehmung/ Verunsicherung durch Umdeutung von Außen
Und die nächste Runde geht los bei der_m Klient_in – und damit auch für die helfende Person, wenn die komplex traumatisierte Person etwa noch selbst- und/oder fremdschädigende Bewältigungsstrategien hat.
Helfer_innen, die ihren Auftrag gegenüber komplex traumatisierten Menschen vordergründig darin sehen, sie von der Wunderbarkeit des Lebens, ihrer Person oder anderen Dingen zu überzeugen, können so jahrelang anhaltende Loops mit ihren Klient*innen erzeugen, ohne jemals geholfen zu haben. Obwohl sie immer da waren. Immer alles gegeben haben. Immer alles möglich gemacht haben.

Traumalogik ist brutal.
Aus meiner Innensicht als komplex traumatisierte Person beschreibe ich sie als genauso tief und umfassend beruhigend wie ängstigend. Es gibt kaum eine andere Keule, die mich so weit aus mir raus wie in mich hinein schlagen kann. Bin ich darin aktiviert, ist es bis heute mit gezielter Anstrengung verbunden, sie zu reflektieren, zu prüfen, zu hinterfragen, abzugleichen.
Nun ist es mit Traumalogik aber nicht so wie mit Alltagslogiken, die sich aus vielen kleinen Aspekten und Wahrscheinlichkeiten entlang sozialer Bedingungen, Tageszeiten, Zustandsoptionen einzelner Elemente zusammensetzen und mehr oder weniger orchestral funktionieren.
Traumalogik ist 1 oder 0 und egal welche Seite man wählt, wird die gesamte Selbst- und Umweltwahrnehmung verzerrt zu dem, was man als in der Kindheit komplex traumatisierter Mensch am sichersten und einfachsten einordnen kann: eine potenziell lebensbedrohliche Umgebung
Eine Umgebung, in der man sich auf nichts und niemanden verlassen kann. Eine Umgebung, in der nichts ist, wie es scheint. Eine Umgebung, in der man um jeden Preis (wenigstens das Gefühl von) Handlungsfähigkeit aufrechterhalten muss.

Und das alles, ohne dass man sich dessen selbst bewusst sein kann. Denn das bereits in der Kindheit komplex traumatisierte Gehirn hat dafür Strukturen angelegt, als es noch keine oder nur wenig ausentwickelte Einordnungsfähig- und -fertigkeiten gab.
„Am Anfang war das Wort“ trifft für diese Personengruppe also nicht zu. Sprechen ist Miteinander. Bewertung (1 oder 0) ist überleben. Überleben ist Leben. Leben gewinnt immer.

Etwas von so umfassender Relevanz wie Traumalogik ist extrem energieaufwändig.
Diese Energie wird an anderen Stellen eingespart.  Der Selbstfürsorge-Skill kann komplett abgeschnitten sein. Funktionen, über die man im Alltag nicht nachdenken muss, werden plötzlich unmöglich. Der Miteinander-Modus kann massiv zusammenschrumpfen. Zum Beispiel auf den Bindungsschrei.
An dem Punkt ist es unerlässlich als helfende Person zu begreifen, dass die_r Klient_in gewissermaßen durchgehend und mit aller Kraft sendet – ohne die Antworten vollständig und richtig empfangen und einordnen zu können. Das hat nichts mit der Beziehungsqualität zu tun, nichts mit dem Vertrauen und nichts mit der emotionalen Bewertung der Person.

Es kann etwas damit zu tun haben, dass die_r Klient_in:

  • eventuell noch nicht weiß, wie das ist, wenn jemand (angemessen) auf den Bindungsschrei antwortet und wiederum mit Angst reagiert bzw. getriggert wird von der Antwort
  • eventuell noch nicht geübt darin ist, sozial angemessen auf Reaktionen von außen hin zu handeln
  • eventuell eine ganz spezifische Antwort erwartet (und davon abweichende Antworten nicht übersetzen kann)
  • am Ende der Kraft ist und der Kollaps kurz bevorsteht (oder bereits passiert ist)
  • der Auslöser in realen, chronisch stressenden Lebensumständen liegt (keine sichere Unterkunft, Finanzlage, soziale Sicherheit, dauerhaft überfordernde Ansprüche)

Die Herausforderung in so einer Situation besteht also nicht nur darin, „richtig zu reagieren“, sondern auch noch darin, dass jedes Reagieren gleichzeitig richtig und gut – und belastend und triggernd (und dadurch schnell als „falsch und schlecht“ eingeordnet) sein kann. Oder dass der Auslöser etwas mit Umständen zu tun hat, die nicht „weggetröstet“ oder „wegentspannt“ werden können, sondern ganz konkrete Zusammenarbeit erfordert. Es also gar nicht um Miteinander, sondern um Füreinander geht.
„Besser helfen“ ist zu diesem Zeitpunkt ein unerreichbares Ziel.

*

Ich verstehe, dass Menschen, die auch ich in diesem Text als „Helfende“ benenne, in ihrem Handeln immer Hilfe verkörpert sehen – beziehungsweise den Auftrag haben, ihr Handeln immer nur im Zusammenhang mit Hilfe zu sehen. Niemand geht in eine Hilfeeinrichtung, um Blumenerde zu kaufen oder die Haare gemacht zu bekommen. Andererseits kann Blumenerde zu kaufen und das Haar gemacht zu haben eine große Hilfe sein. Was also Hilfe ist, ist nicht in jedem Fall davon definiert, was der Beruf oder das Berufsbild oder die Stellenausschreibung als solche vorsieht.
Deshalb gibt es ja so etwas wie den „klient_innenzentrierten Ansatz“.

Menschen mit DIS, also i. d. R. frühkindlich komplex traumatisierte Menschen, benötigen diesen Ansatz in jedem Kontext von Hilfe, Begleitung, Betreuung, Unterstützung, Assistenz insofern als dass ihre Fähig- und Fertigkeiten der Ausgangspunkt sein müssen.
Viele Menschen mit DIS haben ein enorm uneinheitliches und sich zuweilen auch (scheinbar) widersprechendes Fähig- und Fertigkeitenprofil. Die gleiche Person, die nach einer Meinungsverschiedenheit über Kaffee einen emotionalen Zusammenbruch erlebt, bei dem sie das Verhältnis aufkündigt, alle Absprachen fahren lässt und sich dann verletzt, weil sie sich fühlt, als hätte sie niemanden auf der Welt und ihr Leben so nicht aushalten kann – die gleiche Person kann keine 10 Minuten später zur Schule/Arbeit gehen und Leistung bringen. Kann andere Menschen versorgen. Kann der Mittelpunkt einer Party sein. Und beides ist gleichzeitig wahr.
Allerdings aufgrund unterschiedlicher Funktionsmodi.

Ein Konflikt mit anderen Menschen aktiviert das Bindungssystem. Schule oder Arbeit kann das Kampf- oder Fluchtsystem aktivieren. Dass die Person also auch direkt nach dem absoluten Crash zur Arbeit geht oder etwas tut, von dem sie unter anderen Umständen sagen würde, dass sie es nicht kann, bedeutet nicht, dass die Person „nicht weiß, was in ihr steckt“ oder lügt oder „es sich in der Krankenrolle bequem macht“. Sondern, dass sie es im mittleren Erregungslevel nicht kann – aber wenn sie bzw. ihr Körper sich in Lebensgefahr wähnt schon.
„Klient_innenzentriert“ zu begleiten würde in so einem Moment also bedeuten, dass man (gemeinsam) registriert, wahr.nimmt, sammelt (und in der Traumatherapie bespricht) wann ein_e Klient_in etwas „geschafft hat“ und in welchem Modus. So lassen sich wertvolle Informationen darüber generieren, was wie viel Kraft kostet. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Menschen, die sich in Lebensgefahr wähnen, weit über sich hinaus wachsen. Es kann aber eine wichtige Erkenntnis für ein Helfer_in-Klient_in-Team sein, wie viele Aktivitäten, die für die Mehrheit der Menschen zum normalen, mittelschweren Alltag gehören, von der_m Klient_in nur dann überhaupt möglich werden, wenn sie_r sich bedroht fühlt bzw. in einer Schutzreaktion steckt. Also im Überlebensmodus ist.

Meiner Erfahrung nach kommt man als Team kaum anders auch an den Punkt zu akzeptieren, dass Todesangst und Überlebenskampf auch in der Begleitung ohne Täter_innenkontakt und Gewalt oder chronisch traumatisierende Lebensumstände relevante Alltagsbestandteile sind.
Die_r Klient_in braucht diese Akzeptanz, um die eigene innere Mechanik begreifen zu können, um von einer Traumatherapie, wie sie in Deutschland überwiegend durchgeführt und kassenfinanziert wird, profitieren zu können.
Die_r Helfer_in braucht diese Akzeptanz, um sich selbst aus der Dynamik von Bindungstraumareaktion herausnehmen zu können und die gleichzeitige Wahrheit von (scheinbar) widersprüchlichen Verhaltensweisen annehmen zu können.

Die Zusammenarbeit muss also zu einem gewissen Maß immer darin bestehen, ein gemeinsames Wissen darüber zu haben, worauf – also auf welche Fähig- und Fertigkeiten – sich sowohl Klient_in als auch Helfer_in beziehen, wenn Handlungsvorschläge, Lösungsideen oder Anforderungen besprochen werden.

Wenn „Bindungsschrei-Loops“ etwas sind, das immer wieder passiert, es ist etwa eine Möglichkeit, die_n Klient_in in eine Umgebung zu bringen, in der immer „Schrei-Beantwortung“ gewährleistet ist. Zukunftsfähiger und Selbstbestimmung wahrend ist es jedoch, die_n Klient_in dazu zu befähigen, sich selbst zu regulieren und damit in die Lage zu versetzen, die Antworten, die auf „den ersten Pieps vor dem ausgewachsenen Schrei“ kommen, zu verstehen.
Das wiederum erfordert einen durch und durch stabilen Lebensraum. Immer vorhersehbare, nachvollziehbare Prozesse. Kenntnis und Sicherheit über alle Handlungsmöglichkeiten bei Abweichung. Klare Zuständigkeiten über Aufgaben, die mit der Sicherung und Gestaltung des Kontaktes und der Lebensumstände zu tun haben. Verbindlichkeit und Verantwortungsübernahme zu jedem Zeitpunkt.
Und das, während die Strukturen sind, wie sie sind: ein permanenter Trigger an Bindungstraumata, weil sie voller Bedingungen stecken, die nie sicher und für immer auch erfüllt werden können. Die Hilfe, die man also mal gewährt bekommt, bekommt man nie für immer.
Sie dennoch anzunehmen, sich einzulassen und auf ihre Wirkung zu vertrauen, ist ein unfassbar großer Ver/Zutrauensvorschuss. Den muss ein Mensch aufbringen, der unter Umständen nie zuvor im Leben die Erfahrung gemacht hat, dass so etwas überhaupt im Ansatz eine gute Idee sein könnte.
Auch dieser Umstand kann als empfindlicher Triggerpunkt während jedes einzelnen Kontaktes berührt werden. Egal, wie lange die Betreuung/Begleitung/Hilfe schon läuft. Egal, wie gut das Verhältnis ist. Egal, was für tolle, liebe, nette Menschen, die Helfenden sind. Und auch egal, wie gut die Hilfe prinzipiell ist. Hat sie Bedingungen, ist sie nicht zweifellos sicher.

„Besser helfen“ ist also auch unter den strukturellen Gegebenheiten nur mit einer Abwärtsbewertung erreichbar: Besser als nichts – was wiederum zu vielen weiteren ungünstigen Folgeannahmen und Haltungen führen kann.
Dabei ist das wichtigste doch das Helfen – die antragende, kompensierende Zuwendung zu anderen Menschen – das, worum es geht. Die Möglichkeit, die Realität, dass da eben nicht nichts und niemand ist.

Am Anfang jedes Lebens steht der Kontakt.
Dann kommt der Austausch.
Dann die Entwicklung.

Jeden einzelnen dieser Schritte muss man als Mensch im übertragenen Sinn kennen und können lernen. Bei Menschen, die sicher gebunden aufgewachsen sind, hat diese Phase früher und anders eingesetzt als bei Menschen, die ohne diese Sicherheit groß wurden – aber die Möglichkeit zum Kontakt besteht immer und bringt immer Potenzial mit sich, diesen Lernprozess durchzumachen.
Und das ist, was Hilfe generell wichtig und wertvoll macht.
Der Kontakt.

Grenzen, Limits, Möglichkeiten

Was ich vergessen hatte, war, dass unser Zug in unserer Herkunftsstadt halten würde.
Und dass sich mit dem Öffnen der Waggontüren die Zeit zurückdrehen würde. Dass alles sein würde wie vorher, als wäre das wie Normalität nun einmal funktioniert. You never know anything. Alles ist immer möglich.

Zum Glück.
Es war möglich, stützenden Kontakt zu anderen Menschen herzustellen. Veränderungen zu suchen und zu finden. Angst zu fühlen. Traurigkeit zu fühlen. Fremdheit zu fühlen. Vermissen zu fühlen. Verrat wahrzunehmen. Und weiterhin einen festen Stand in mir selbst zu haben. Zu sein und zu bleiben und zu werden, wie ich sein will. Belastbar. Konfrontierbar. Berührbar. Kontaktierbar.

20 Jahre später ergibt diese komische Therapie-Übung mit den Seilen, die man vor sich auf den Boden legen sollte, Sinn. Endlich kapiere ich: Das ist gemeint – Die Möglichkeit, dass da nicht nur die Dinge möglich sind, die ich so gut kenne, dass ich sie in aller Gründlichkeit fürchten und vermeiden kann, sondern auch Dinge, die ich noch gar nicht oder nur vage kenne. Und dass es etwas gibt, das ziemlich genau und deutlich aufzeigt, wo das eine anfängt und das andere aufhört: Grenzen.
Und nicht: Limits.

Ich weiß, dass viele Menschen diese Worte synonym verwenden, doch please hold the line – Ich habe einen Punkt. Einen wichtigen.
Denn für viele komplex traumatisierte Menschen gibt es so etwas wie Grenzen des Möglichen nicht – es gibt viel mehr points of no return. Eskalationsstufen, die mit Bewusstlosigkeit enden. Mit Dissoziation, mit Betäubung, mit Meltdown, Shutdown, Überdosis, Suizidversuch, reale Todesnähe.
Die Grenze, die Menschen in chronisch toxischem Stress permanent (zu) managen (glauben) ist die zwischen Leben und Tod. Und das ist ein Limit. Da geht es um ein Kontingent, das irgendwann einfach aufgebraucht ist. Nicht um Möglichkeiten.

Dieser Umstand ist es, der Helfenden, Begleitenden und manchmal auch Behandelnden schwer einsichtig ist. Vor allem, wenn die Gewalt, die Traumatisierung, das traumatisierende Umfeld nicht mehr besteht. Und wenn da doch Anteile sind, die den blauen Himmel und die bunten Schmetterlinge so toll finden können. Und eh viel tolle Alltagsstabilität da ist und tralla la.

Gerade Alltagsstabilität ist für viele Viele so lange ein Thema von Limits, weil sie nicht mit Grenzen aufgewachsen sind. Man kann nur sehen, was man kennt und auch Vorstellungen nur von dem entwickeln, was man schon einmal erfahren hat.
Deshalb war diese Übung damals vor 20 Jahren für mich auch ziemlicher Käse. Wie um alles in der Welt hätte ich diesen doppelten Geistes-Rittberger hinkriegen sollen? Erstmal die Abstraktion vom Seil auf dem Boden vor meinen Füßen hin zu dem, was berührt wird, wenn mir was im Leben passiert und von mir eingeordnet werden muss. Was ich damals ja kaum mitgekriegt habe. Und als ich es mitgekriegt habe, nicht einordnen konnte, weil meine Affektverarbeitung gestört ist und ich außer den Grundemotionen keins meiner Gefühle ohne aktives Nachdenken einordnen kann.

Und – nichts, kein einziger Aspekt in meinem damaligen Leben hatte nichts mit Limits zu tun. Ich hatte menschlichen Kontakt nach Stundenlimit – Therapie, Betreuung, Lehrplanzeiten. Meine Unterkunft, meine allgemeine Versorgung, meine körperliche Integrität – alles hing davon ab, wie weit ich meine Limits ausstreichen konnte. Es musste immer genug sein, um allen, die (ihre Arbeitskraft und -zeit) in mich investiert haben, mit Erfolgen bei der Stange zu halten, weil es so schwer, so herausfordernd war, mit mir klarzukommen. Und gleichzeitig genug, um jenen, die mir diese Räume zu nutzen gewährt haben, den grenzenlosen Zugriff auf meinen Körper und meinen Geist zu überlassen.

Also. Ja.
Wie hätte ich das früher verstehen können. Gar nicht.
Vielleicht war selbst dieser Moment im Zug ein Glückstreffer?
Oder ein erster Treffer? Wie Babys erster Schritt nach viel Hochziehen und Umfallen, komisch Weitermurksen und Wackeln und plötzlich, endlich, haben sich die neuronalen Netzwerke passend gekabelt und es klappt immer wieder?
Oder hab ichs schon ganz lange und es ist mir jetzt endlich auch selbst mal aufgefallen?

Alles ist immer möglich.

Konflikt und Traumalogik – Sicherheitsbedürfnisse und ein Umbau bei laufendem Betrieb

Nach dem dritten oder vierten emotionalen Flashback voller Verzweiflung und Angst habe ich den Auslöser verstanden. Und möchte meinen Kopf eigentlich gleich wieder vergraben, denn Wissen ist nichts ohne Macht.

Aber von vorn.
Ich bin in einem Konflikt mit jemandem. Und das ist eine Sache von verschiedenen Zeitebenen, Annahmen und Überlegungen. Ich hatte schon länger einen Punkt, war schon länger nicht zufrieden oder allgemein gesagt „glücklich“ mit dem Kontakt. Und habe nichts gesagt. Klassiker der Problemkreation, ja, wer kennt das nicht.
Darunter gibt es noch die Ebene, auf der die Gründe dafür liegen.
Der Person ging es sehr lange, sehr umfassend schlecht wegen Dingen, die nichts mit mir zu tun hatten. Ich wollte für sie da sein und war es auch. Ich habe zugehört, mitanalysiert, mitgefühlt, getröstet, Lösungen gesucht und zu vermitteln versucht.
Während es mir in den Wochen vor und auch nach Sookies Tod so schlecht ging, wie lange nicht. Während ich in eine neue Arbeit ging und die alte mitnahm, die zwischenzeitlich extrem belastend war. Parallel zu der emotionalen Achterbahn, die mit einem unerfüllten Kinderwunsch einhergeht.

Für mich liegen auf dieser Ebene einige Momente, in denen ich mich nicht gesehen gefühlt und das immer wieder mit der Erklärung weggedrückt habe, dass man diese Art von Support und Begleitung, die ich mir wünschte, auch leisten können muss. Und dass diese Person es einfach nicht kann. Jetzt gerade. Schon länger. Und vermutlich auch noch eine ganze Weile nicht. Dass das keine Aussage über mich ist. Dass das keine Aussage über unsere Beziehung ist. Dass das alles nur bedeutet, dass diese Person jetzt einfach um sich selbst kreisen muss und es bei mir liegt zu entscheiden, ob ich weiter mitkreise oder nicht.
Man kann ja auch Pausen voneinander einlegen und sich wiederfinden. Vielleicht irgendwann. Wenn es sich ergibt.

So lose und unverbindlich funktioniere ich nur leider nicht.
Kontakte mit anderen Menschen sind so anstrengend und fordernd für mich, dass ich eine Funktion, ein Ziel und klare Rahmenbedingungen brauche. Ich treffe niemanden anlasslos, ich bin nicht mit Menschen zusammen, die eventuell vielleicht dann spontan überlegen wollen, was wir wofür und wie miteinander machen.
Das hat etwas mit meinem traumabedingten Sicherheitsbedürfnis zu tun – aber auch damit, dass ich ein angenehmer Kontakt sein will. Ein fähiger, belastbarer Kontakt, der sich an das Zusammenkommen auch noch erinnern kann und nicht zu Hause angekommen komplett crashed, weil keine Energie mehr verfügbar ist.

Man kann diese Eigenschaft so framen, dass ich nur Kontakte will, die meinem gierigen Ego etwas bringen und die ich kontrollieren kann – man kann sie aber auch als gelebte Selbstfürsorge, Therapieerfolg in action und soziale Traumafolgereaktion begreifen. Und zwar gleichzeitig.
Wenn ich mit anderen Menschen in Kontakt gehe, ist meine Komfortzone etwa 50 Kilometer hinter mir. Bei Menschen, die ich schon länger kenne (also round about 10,12, 13 Jahre), etwa 10. Es ist nichts und wird vielleicht auch nie etwas sein, das ich ohne Druck von meinem überlebenswichtigen Kontaktbedürfnis mache.
Und doch gibt es auch darin eine Ebene von Wohlfühlen, Genuss, Spaß, Inspiration und Wachstumspotenzialen. Nur weil es sauschwer für mich ist, heißt es nicht, dass es keinen Spaß macht oder immer schwer ist. Aber die Anstrengung, meinen sicheren Bereich zu verlassen, ist immer da und inzwischen, endlich, nach tausend Therapiejahren, auch etwas, das ich meinem „Gewinn“ daraus entgegenstelle.

*

Früher habe ich mir diesen „Gewinn“ immer eingeredet und heute bin ich zunehmend streng mit mir, was das angeht. Ein bisschen Einrederei ist gut – das kann motivieren. Aber wenn es so viel ist, dass es Selbstbeschiss wird, dann ist es selbstverletzendes beziehungsweise in meinem Fall auch ein soziales Trauma reinszenierendes Verhalten aufgrund von traumalogischer Überlegung (von Kinderinnens und Jugendlichen). Vor allem dann, wenn ich als erwachsener Anteil lieber das glauben will, als die Realität zu sehen und mich damit zu befassen.

In meinem aktuellen Konflikt ist mir diese Einrederei aufgefallen. Und irgendwann auch, dass ich schon länger verpasst habe, darauf zu achten, was ich mir für den Kontakt mit der Person eingeredet habe. Was ich mir und uns alles versprochen habe, was wir auch von dem Kontakt hätten, ohne nach innen zu erklären oder zu trösten oder nach außen zu handeln, als sich nichts davon eingestellt hat.
In diesem Nimbus nach Sookies Tod war jeder Kontakt ein Gewinn, einfach, weil wir dann zeitweise nicht allein waren. Es war dieser verletzliche Zeitraum, in dem man uns auch hätte ernsthaft verletzen und ausnutzen können und wir es nicht als verletzend oder ausnutzend empfunden hätten. Weil wir ja nicht allein waren in der Zeit.

*

Aus Gründen, die mir jetzt fern und fremd erscheinen, dachte ich, es würde reichen, der Person, mit der ich den Konflikt habe, das zu sagen. Das hat es aber nicht.
Auch das ist etwas, worüber ich mich heute total ärgere. Weil ich genau solche Unachtsamkeiten ja eigentlich kenne, täglich kompensiere und sogar eine Phrase dazu kenne: „Die_r Auti sagts ein Mal und hat damit alles geklärt. Die_r Neurotypische sagt: Woher hätte ich wissen sollen, wie wichtig dir das ist – du hast ja nur ein Mal was gesagt.“

*

Ich wurde also schon länger enttäuscht, habe mich nicht gesehen gefühlt und als ich etwas dagegen tun wollte, wurde auch das übergangen.
Aber der Person ging es so schlecht, dass ich wochenlang auf Anzeichen von Suizidalität geachtet habe. Es war nicht die Zeit für das, was ich zu dem Zeitpunkt schon längst als mein albernes, erbärmliches, komplett bescheuertes Mimimi empfand. Denn wer in der Zeit vor allem für mich da war, um unsere Einsamkeit, meine Trauer und unsere allgemeinen Verlorenheitsgefühle logisch zu machen, waren (und sind) Täter_innenintrojekte.
Ich reagierte nicht mehr auf Nachrichten der Person, die für mich einigermaßen abrupt nichts mehr über ihre inneren Vorgänge schrieb, sondern über ihre veränderte Lebensumgebung. Für mich waren die Nachrichten ein weiteres Krisenanzeichen und Merkmal eines verschlechterten Allgemeinzustandes. Wer sich nicht mehr fühlt, kann halt auch nichts mehr dazu schreiben. Wer sich nicht mehr fühlt, kann andere nicht mehr fühlen. Ich wusste, dass der gewaltvolle Innenterror, mit dem ich zu kämpfen habe, im Kontakt mit der Person in diesem Zustand immer neues Futter finden würde. Egal, wie minimal die Unachtsamkeit, die Nichtbeachtung sein würde – sie würde reichen, um Prozesse in mir zu starten, die mich tiefgreifend und grundlegend verletzen, in Flashbacks stoßen und im Gefühl maximaler Ohnmacht zurücklassen.
Völlig egal, ob die Person noch in der Krise ist oder nicht – also egal, ob sie sich und mich gerade fühlen kann oder nicht.

Das ist einer dieser sozialen Aspekte von Traumafolgestörungen, wo mein Autismus praktisch nicht mehr von meiner Traumafolgestörung zu unterscheiden ist. Ich kann die Lage einfach nicht lesen, nicht richtig bzw. eindeutig und real-objektiv einordnen, abschätzen, abgrenzen, bewerten. Damit habe ich absolut keine Chance auf Klarheit, festen Boden, Ordnung … die grundlegende Sicherheit, die einfach jeder Mensch für jeden Kontakt braucht.
Egal, ob autismus- oder traumabedingt ist die Lage für mich belastend und gerade im jüngsten Verlauf auch retraumatisierend, wenn ich nicht ganz bewusst reflektierend, meine Ressourcen nutzend damit umgehe. Also nicht – wie es sich sicher anfühlt – dazu schweige, mir keinen Trost und Versicherung von außen hole und nur meine eigene Position sichernd darüber nachdenke.

Mir hilft es gerade, diesen Komplex wie ein Mehrebenenmodell zu betrachten, in dem verschiedene Strömungen und Sachstände zusammenkommen, weil es ihn weniger persönlich macht und mir Sicherheit durch Klarheit gibt.
Im Moment stehen immer wieder Scham über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche an diesen Kontakt im Vordergrund. Immer wieder merke ich, dass wir uns in einem perfiden Gedankenspiel darum befinden, was wir hätten besser oder anders machen können – das wir nie beenden können, weil der Zeitpunkt vergangen und die Person gerade nicht mit uns im Kontakt ist. Aber zur Sicherheit – zum Wohlbefinden in dieser Kacksituation – geht das immer wieder los. Das ist bekannt. Das verspricht das Finden eines zukünftigen Handelns, in dem uns das nicht nochmal passiert. Ohne dieses Versprechen je einlösen zu können, denn das Leben ist nicht so kontrollierbar. Aber man weiß ja nie!

*

Das so hingeschrieben klingt so klar und überlegt. Das ist es auch. Das ist die Ebene, die ich gut kann. Ich kann super gut intellektualisieren und analysieren. Auch solche Situationen.
Womit ich aber gerade an den Rand meiner Kraft komme, ist der emotionale Teil. Der Teil, der mich gewissermaßen gemacht hat. Das Kompensieren emotionaler Nichtverfügbarkeit von anderen Menschen. Das Funktionieren, obwohl weite Teile meines psychischen Systems massiv Bedürfnismeldungen auf mich pressen, die ich nicht mit meinem Intellekt, meiner geistigen Haltung, meiner Selbstmotivation befriedigen kann. Ich kann ihnen (mir) in der Angelegenheit (noch) nicht (immer und effizient) helfen.
Und das ist ein massiver Trigger.

Und das ist jenes Wissen, das mir überhaupt nichts bringt, wenn ich nicht die Macht/die Kontrolle/die Kraft/die Kenntnis/die Fähig- und Fertigkeiten habe, daran etwas zu ändern.

Und so ist auch diese Situation wieder ein Umbau bei laufendem Betrieb.
Ich versuche mein Gefühl von Klarheit über die Situation zu einem Sicherheitsgefühl zu konvertieren, das auch die Inneren fühlen können. Ich muss darauf achten, meinen Anteil an diesem Konflikt nicht größer werden zu lassen, als er ist – damit die Inneren merken, dass so etwas nicht dafür taugt, mich als Person zu bewerten. Und ich muss üben, wie es ist und was es mit mir macht, wenn ich ihre Bedürfnisse fühle. Wie viel Kontrolle verliere ich, wann und warum, wenn ich ihre Ängste spüre? Kommt es zu Wechseln? Wenn ja: Kann ich sie beeinflussen? In welcher Art? Kommt es zu Flashbacks? Welches Handeln unterbricht sie? Wie viel davon ist wirklich so wort- und kopflos, wie ich es befürchte? Welche Umstände sind gerade gut für diese Auseinandersetzung und welche nicht? Was gibt mir Sicherheit während dieses Prozesses von ständigem Probieren, Wahrnehmen, Kontrolle verlieren, Angst haben, mich ohnmächtig erleben und trotzdem zurück in die Kontrolle arbeiten?

Und auch: Wie dringend muss es diese Person sein? Wie wichtig ist es, wofür ganz objektiv und ganz subjektiv und ganz ideell, dass dieser Kontakt bestehen bleibt?
Die Person will uns keinerlei Sicherheiten über Klärungsräume oder -potenziale geben – woraus können wir alternativ Kraft und Sicherheitsgefühle ziehen, um eventuell vielleicht doch gegebene Chancen in der Zukunft effektiv zu nutzen? Und ist ein Kontakt, der uns keine Sicherheiten geben will, ein sicherer Kontakt? Wie wichtig ist uns Sicherheit in diesem Zusammenhang? Woraus haben wir vor dem Konflikt Sicherheiten für uns gezogen? Steht das jetzt alles infrage oder fühlt es sich nur sicherer an, es in Frage zu stellen?
Welche Dinge wie alleingelassen werden, nicht gemocht/bestraft werden wegen Selbstausdruck, Dinge zeitlich nicht überschauen können sollen, sind Folgen eines Angriffs (aus Selbstverteidigung oder Kontroll/Sicherheitsbedürfnis) und welche sind Annahmen, die wir machen, weil wir sie für unsere Traumalogik brauchen (um uns sicher zu fühlen)? Welche anderen Logiken können wir jetzt anwenden?

*

Das ist ziemlich viel für eine_n allein.
Und ich habe noch viele andere Dinge zu bearbeiten.
Die leichter sind. Die nicht so wehtun. Für die ich schneller und sicherer auch belohnt werde.

Grmpf.
Ich will meine Dissoziation zurück.
Mimimi 😅

Autismus von Trauma unterscheiden

Die Thematik kommt an. Die Frage wird häufiger gestellt.
Neue Literatur wird veröffentlicht. Zuletzt ist das Buch „Autismus, Trauma und Bewältigung, Grundlagen für die psychotherapeutische Praxis“ von Brit Wilczeck dazu erschienen. Ich kann es uneingeschränkt empfehlen, da es ein umfassendes 101 zu Autismus, zu Trauma und Fragen der Therapie bietet.
Für mein eigenes Buch „Worum es geht, Autismus, Trauma und Gewalt“, hätte ich das Buch gern gelesen, denn meiner Ansicht nach sind es neben persönlich falscher Motivation von Behandler_innen auch unhinterfragte Multimythen und falsche Vorstellungen von Autismus, die eine Unterscheidung bei vorliegender dissoziativer Identitätsstruktur (DIS) schwer machen.

Menschen mit DIS wird häufig eine ähnliche Individualität wie autistischen Menschen nachgesagt. Viele Betroffene fordern deshalb sogar ein, nicht mit anderen Vielen verglichen zu werden.
Für mich ergibt sich daraus ein Momentum, in dem Sachstände zu Wahrnehmungen verklärt werden. So kann keine eindeutige Position mehr eingenommen werden und jeglicher Abgleich wird unmöglich. So auch in der Frage: Was ist die DIS und was der Autismus?

Die Herausforderung der Unterscheidung von DIS und Autismus liegt meiner Meinung nach darin, diesen Abgleich, die Diagnostik, mit angemessenem Mittel und einer grundlegenden Reflexion persönlicher Annahmen vorzunehmen.

Es gibt viele Aspekte im Leben mit DIS, die ich meinem Leben mit komplexer posttraumatischer Belastungsstörung (kPTBS) zuordne. Denn nur im Zusammenhang damit wird meine dissoziative Symptomatik überhaupt sichtbar, nachvollziehbar und letztlich auch therapierbar.
Die DIS ist eine Anpassungsleistung, eine Kompensationsstrategie. Sie ist eine messbare Reaktion – keine Grundlage, auf deren Basis allerlei Empfinden und Verhalten passiert. Die gesamte „Krankheitsmechanik“ hat mit Stressverarbeitung und -kompensation zu tun. Es hat sich für mich nie als hilfreich herausgestellt, das Konzept von Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen anzulegen, um die DIS zu verstehen oder zu behandeln.

In Bezug auf meinen Autismus hingegen ist das Konzept einer Kompensationsstrategie unzureichend. Autismus ist keine Anpassungsleistung, sondern eine neurobiologische Grundlage. Die meisten Symptome sind im Kontakt und im Vergleich mit nicht autistischen Menschen sicht- und messbar. Das, was meinen Autismus zur Störung bzw. Belastung macht ist, dass ich ihn immer aktiv kompensieren, verstecken und unter Umständen erklären muss, um in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen.

Jemand, die_r aufgrund von falschen Vorstellungen glaubt, alle Menschen mit DIS und alle Menschen mit Autismus seien unvergleichbar verschieden, kann die Unterscheidung nicht korrekt vornehmen. Die Datengrundlage ist einfach nicht verlässlich. Jedes Ergebnis kann alles und nichts bedeuten. Jeder Hinweis kann alles und nichts bedeuten. Eine sichere Einschätzung und ein sicheres Ergebnis sind so nicht zu erwarten und in der Folge nichts wert. Die Individualisierungsfalle ist zugeschnappt. Keine Therapiemethode ist zweifelsfrei anwendbar, Medikation ohnehin nicht. Klinikbehandlungen werden undenkbar und die Frage, ob bestehender Leidensdruck überhaupt je gelindert oder behoben werden kann, bleibt immer bestehen.

In Bezug auf die Behandlung von Menschen mit DIS habe ich diese Falle schon oft zugehen sehen. Immer entstanden daraus re-traumatisierende (weil gewaltvolle) Beziehungserfahrungen mit Behandler_innen. Denn diese Unsicherheit betrifft nicht nur die Klient_innen, die sich oftmals bereits wegen ihrer Gewalterfahrungen und der davon bedingten Einsamkeit als one of a kind fühlen und in diesem Gefühl bestärkt werden, wenn sie erfahren, dass ihre Diagnose „umstritten“ oder selten oder besonders speziell sei, und/oder sie deshalb keine Behandlung oder sonstige Hilfestellung erhalten. Auch Behandler_innen haben nicht immer einen Umgang mit Unsicherheit, der ihren Patient_innen nicht schadet. Ich habe schon Therapeut_innen getroffen, die sich für allein verantwortlich gefühlt haben, Patient_innen zu behandeln, die „durch alle Raster rutschen (weil sie so individuell anders krank sind als alle anderen)“ oder weil „das Krankheitsbild ja so umstritten ist, dass man damit eigentlich nirgendwo ankommen kann (in Supervision, Fortbildung, Kliniken etc.).“
Besonders tragisch ist es, wenn es sich initial sogar um eine Fehldiagnose handelt.

Aufgrund von Annahmen wie: „Autismus ist extrem selten.“, „Autismus betrifft Jungen häufiger als Mädchen.“, „Autismus ist offensichtlich.“, „Autist_innen sind in sich gefangen/unfähig zur Kommunikation.“, wurde ich erst mit 30 als autistisch erkannt. Das Glück zur Diagnostik an jemanden geraten zu sein, der seine Verantwortung in Bezug auf sein nötiges Fachwissen so ernst genommen hat, ist unermesslich. Es war eine der wenigen Diagnostiken in meinem Leben, bei der ich das Gefühl hatte, jemand würde sich die Mühe machen, meine Persönlichkeitsstruktur, mein Verhalten und meine Schwierigkeiten mit den meisten anderen Menschen abzugleichen. – Und nicht nur mit denen, bei denen der Vergleich (aufgrund verschiedener Vorannahmen) angemessen erscheint.
Zudem war hilfreich, es mit jemandem zu tun gehabt zu haben, für den die DIS keine soziale Aussage hatte. Der also nicht dachte: „Ui – exotisch“ oder „Wow – Satanisten“ oder „[insert völlig schräges Medienprodukt, in dem Vielesein der Gag oder Grusel ist]“

In meinem Leben und in meiner therapeutischen Behandlung war die Unterscheidung von Traumafolgen und Autismus ausschließlich für die saubere Diagnostik wichtig.
Ich habe ein Er_Leben, das von diversen schwerwiegenden und komplexen inneren Konflikten flankiert und ohne gewisse Formen der Unterstützung bei der Einordnung, Verarbeitung und Integration nicht zu ertragen ist.
Geholfen haben mir immer die Therapeut_innen, welche die sozialen Implikationen der DIS meiner konkreten Lebensrealität nachrangig und ihre Vorurteile über Autismus wirklich gründlich als solche aufgearbeitet haben bzw. immer wieder mit Fachwissen konfrontieren. Und zwar nicht für mich oder meinetwegen, sondern weil das zur Grundlage der Behandlung gehört. Weil sie es gut und richtig machen wollen – und nicht weil sie richtig Recht haben wollen.

die Fragen und die Antworten

„When I thought I know the answers, they changed the questions.“ Das stand auf einer Karte, die mir eine Therapeutin geschenkt hat. Da war ich fast 18 und hatte außer der Nische im Doppelzimmer der Ballerburg keinerlei Bezugspunkte. Ich reagierte beliebig, verstand nicht, wieso sie diese Karte angemessen fand, wusste nicht, was sie mir damit sagen will. War mir allerdings sehr sicher darüber, dass sie mich weder aufheiterte noch bei etwas half. In dem Zusammenhang war die Karte vielleicht eine Manifestation dessen, was dieser therapeutische Kontakt letztlich war: Unnütz, zynisch, pseudo-nah.

Neulich dachte ich wieder an die Karte.
Es gab eine außerordentlich großzügige Spende für „Viele Leben“, meine Podcastinterviewreihe, in der ich mit Vielen spreche, die ein besonderes Thema haben. Weil ich für meine Arbeit daran bezahlt werden möchte, produziere ich immer erst dann eine Ausgabe, wenn sie finanziert ist. Die Interviews mache ich, wenn ich kann. Ich bin sehr frei in dieser Arbeit und froh, dass weder Zeitdruck noch die Ansprüche Dritter definierende Größen sind.
Doch ich denke auch über Sympathie nach und darüber, ob es nicht besser für das Projekt wäre, würde ich einfach nur im Hintergrund rummachen und jemand anderes stellt es nach außen dar. Oder wenn ich statt eines Podcasts ein Buch daraus mache. Oder wenn ich es ganz lasse.

Ich dachte an diese dusslige Karte, weil mir auffiel, dass ich selbst die Fragen ändere, sobald ich Antworten habe. Und schlimmer noch: Wenn es die richtigen Antworten sind.

In meiner inneren Traumalogik kann es nicht sein, dass ich etwas richtig mache. Oder wenigstens prinzipiell richtig. Sobald ich etwas mache und nichts Schlimmes passiert, stimmt was nicht. Und wenn mir nicht selbst auffällt, was nicht stimmt, dann fange ich an danach zu suchen. Und immer immer immer finde ich mich selber. Ich stimme nicht. Ich bin der Fehler in dem Ganzen. Nicht [beliebiges Attribut einfügen] genug. Nie. Punktum.

Dinge machen, ist gruselig.
Ich weiß das und mache sie in der Regel trotzdem. Manche Menschen finden das gut, den meisten ist es egal. Es ist für mich selbst ein riesen Ding, denn es gibt dieses „trotzdem“. Ich mache die Dinge nicht einfach, sondern mache sie trotzdem. So sind es immer zwei Dinge, die ich da mache.
Wenn man etwas trotzdem macht, dann muss man die ganze Zeit gleichzeitig gegen die eigene Vermeidung, den eigenen Selbsterhaltungstrieb ankämpfen. Man muss ihn niederdrücken, weil man sonst keine Dinge machen kann. Wenn mir das leicht fällt, bedeutet es in meinem Fall immer, dass ich umfassend dissoziiere, während ich es mache. Ich mache die Dinge wie und als jemand, die_r dieses „trotzdem“ nicht mitmacht. Ich mache meine Anstrengungen als Einsmensch für mich selbst unsichtbar, unspürbar, pseudo-weg. Wann immer etwas unsichtbar wird, verliert es Relevanz. Bietet keinen Anlass mehr beachtet und geprüft zu werden. Ich vernachlässige also etwas, das eigentlich von großer Relevanz für mein Überleben ist und das ist dann doch einigermaßen ungünstig. Also, wenn man leben möchte.

„Viele Leben“ habe ich angefangen, weil ich die Realitätsbezüge in der Außendarstellung von Menschen, die sich als Viele erleben, vermisse. Meine Frage ist: „Welche Leben(sthemen) haben Menschen mit (p)DIS?“
und nicht „Wie sollten die Lebensthemen von Menschen mit (p)DIS rübergebracht werden?“. Ich hatte mir sogar eine Antwort dazu überlegt, warum ich mich auf die Inhalte konzentriere und weniger auf die massengerechte Darreichung. – Ich bin einfach kein super sympathisches Massenmäuschen. Ich bin ein Sachstandsmonolith – und das ist okay so.
Ich hatte also nicht nur Antworten auf meine eigenen Fragen, sondern auch noch Antworten, die anerkennend und wertschätzend mir selbst gegenüber waren.

Da arbeite ich mich jetzt wieder hin.
Und im September gibts die 4. Ausgabe „Viele Leben“.

Skill Regression

Das klingt wie ein langsamer Prozess. Jeden Tag ein bisschen weniger Skill. Tatsächlich aber ist es jeden Tag ein weiterer Skill, eine weitere Fähig- oder Fertigkeit, die ich nicht mehr zuverlässig abrufen kann. Die mich einfach verlässt und vielleicht, vielleicht aber auch nicht, wiederkommt.

Dazu gehören sichtbare Dinge – ich fahre im Moment so Auto, als hätte ich erst eine Fahrstunde gehabt – die sich aus dem Verschwinden unsichtbarer Dinge ergeben – ich komme mit der Reizverarbeitung nicht hinterher. Kann meine sozialen und meine Verhaltens-Skripte weder schnell genug aussuchen, noch prüfen, noch sicher mit der aktuellen Kommunikation und Situation in Einklang bringen.
Ich bin im Moment überwiegend wieder auf dem Stand der selbstleeren Reflexantworten aus der allgemeinen Satzbausteinkiste, sobald ein bislang nicht näher definierter Punkt überschritten ist. Und wann der überschritten ist, entscheidet der Punkt von sich aus.
Wieder prozessiere ich die Situationen und Gespräche des Tages mit stundenlanger, manchmal tagelanger Verspätung.

Ich kann keine Probleme lösen, weil ich die geistige Zusammenstellung der dazugehörenden Komponenten und Möglichkeiten nicht hinbekomme. Stellt mir jemand eine Wie-Frage, leert sich mein Denken, statt dass sich das für mich eher übliche Gedankengebäude aufbaut, in dem ich mich sonst bewege. Je nach Dringlichkeit der Frage breitet sich die Leere bis ins Sprechenkönnen aus und ich komme nicht einmal mehr an meine Phrasenkiste heran. Da ist einfach nichts mehr.

Skill Regression kenne ich bisher nur aus massiven depressiven Episoden.
So empfinde ich mich aber gerade nicht. Ich fühle mich nicht erschöpft und auch nicht depressiv.
Eher verwirrt und ängstlich. Isoliert auch. Mir ist oft langweilig, aber meine offenen Arbeiten sind zu schwer.

Mein Auto ist schon seit Wochen in der Werkstatt. Schwimmen oder ausgedehnte Spaziergänge sind entsprechend abhängig davon, wie ich das Angebot meines Partners mich immer zu fahren, in Einklang bringen kann mit seinem Wunsch nach Ausschlafen und nicht lange auf ich warten müssen. Das ist eine Wie-Frage. Ich schaffe es nicht, sie zu lösen. Mein Partner gibt mir keine Vorgaben, um meine Freiheit nicht einzugrenzen. Also passiert gar nichts. Die Häute in unserem Haushalt sind zu dünn für Streit darüber, wie belastend Strukturlosigkeit für mich ist. Und jedem Streit folgt eine Wie-Frage.

Ich würde gern den Begleitermenschen kontaktieren. Aber mit dem bin ich im Konflikt, weil wir immer nur Kontakt haben, wenn es mir schlecht geht und es sich zunehmend, wie ein Mitleidskontakt anfühlt. Auch wenn er vielleicht keins empfindet. Für mich entsteht dennoch die immer empfangende Rolle und die möchte ich nicht haben.
Jetzt wäre es gut, wenn ich einfach nur empfangen müsste. Aber es würde auch diese Rolle stärken.
Wie-Frage von the horizon, also passiert gar nichts.

Ich versuche mich selber damit zu trösten, dass es noch nicht so schlimm ist, dass ich nicht ständig nach außen so zerfalle, wie ich es innerlich bin. Als die neue Fahrlehrerin zum Beispiel dachte, es wäre eine gute Idee mich mit einem anderen Auto als sonst üben zu lassen. Als die neue Fahrlehrerin in dem neuen Auto passiv-aggressiv auf ihre Enttäuschung über mein schlechtes Fahren reagierte. Als ich in der Fahrstunde eine Panikattacke bekam, weil ich tatsächlich schon vor mir sah, dass sie mir wehtun würde. Als mein Partner nach dieser Fahrstunde sagte, ich sollte es abhaken. Als ich nach Hause kam und Sookie tatsächlich immer noch tot war.

Es ist ein Trost, von dem ich weiß, dass er mich nicht wirklich tröstet, sondern nur versichert.
Aber hey – wenigstens das?

Weiterleben in andersneu

Nachdem ich den Partner vom Krankenhaus abgeholt hatte, begannen wir, den Tisch mit Medikamenten zu füllen. Haufenweise Schachteln, medizinisches Gerät und dessen Zubehör.
Dann kamen die Lebensdokumente dazu. Krankenkassenzettelage, Versicherungsbriefe. Irgendwann war etwas Steuerliches zu tun, der Tisch hats getragen.

In den vergangenen 4 Monaten konnte ich das Zimmer nicht betreten, ohne damit konfrontiert zu werden, was ihm passiert ist. Wie schlecht es ihm ging. Wie lebensgefährlich es war. Wie schlimm es war und wie viel schlimmer es noch hätte kommen können.

Für den Partner war es bequem so. Vor allem am Anfang, als er noch nicht lange stehen oder gehen konnte.
Ich bemühte mich um Desensibilisierung. Drücke die Gedanken weg, setzte mich auf meine Gefühle. „Es ist ein Ausnahmezustand, das geht auch wieder weg. Alles hat ein Ende“, habe ich mir gesagt und dieses Ding mit den Augen gemacht, bei man sehend nichts sieht.

Ich habe manchmal Anflüge von merkwürdigem Stolz auf meine Fähigkeit mich an Shit anzupassen und mein eigenes Darunter-leiden zu vergessen. In Bezug auf diese Situation ist er doppelt gestärkt.
Ich bin die_r Partner_in – es war gut, wie ich das hingekriegt habe. Ich habe mich bewährt. Ich war für ihn da. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich aktiv für einen anderen Menschen da – und habe es – mit meinen psychokranken Traumaskills !!! – hingekriegt – BÄM!
Denn das ist der Stoff aus dem „sich an Langzeitshit anpassen“ gemacht ist: „Nicht dran denken.“, „Auf die Gefühle setzen.“, „Durchziehen.“, „Nothing else matters because everything else matters.“

Im Nachhinein fragt man sich immer, wie man das überhaupt so ausgehalten hat. Aber guckt man genau hin, sieht man, dass da vor allem die Dissoziation aufrechterhalten werden musste und das alle Energie gebunden hat. Weniger ein akut bewusstes Leiden oder eine konkret definierte Not.
Deshalb finde ich diesen ganzen Überlebens-Wertschätzungstrallafitti so unsinnig. „Du hast überlebt – das war die Leistung“ – für mich ist das Quatsch. Die Leistung ist die Leistung. Dissoziation aufrechtzuerhalten, ist die Leistung. Das nicht damit aufhören. Das konsequent und immer und immer und jeden Tag den Balken so hoch halten, damit sich niemand dran aufhängt – DAS ist die Leistung.

Und natürlich das Klarkommen im Anschluss. Die Neutralisierung. Die Wiederanpassung. Der Wieder(neu)aufbau.
Denn jetzt ist der Tisch leer.
Die Steuer gemacht, der coronabedingte Diabetes ausgeheilt. Die Menge an Medis in einem kleinen Heidelbeerkörbchen untergebracht. Wir konnten wieder Flügelschlag spielen. Ein Besuch war da. Wir haben an dem Tisch gegessen und einige Stunden gequatscht.
Die Ausnahme ist zu Ende, der permanente Trigger ist abgebaut.

Ich merke jetzt sehr deutlich, wie irritiert meine Wahrnehmung davon ist, dass dort nichts mehr ist, das ich aktiv nicht beachte und bedenke. Wie vorsichtig und bedächtig ich dieses Danach befühle und auf Echtheit prüfe.

Auch das so ein Ding. Es gibt kein Puff und dann Hurra alles wieder fein. Keine große Ausatmung mit seligem Dusel.
Eher ein scheues Hinfühlen, immer bereit, sich sofort wieder in sich zu verstecken. Vorsichtiges Auftreten und gucken, obs hält. Ein neuer Abschnitt der Anpassung. Ein neues, anderes Level an Alltagsdissoziation.
Ein Weiterleben in andersneu.

Fragmente einer Ausnahmesituation

In den Quetschfalten der letzten Wochen hat es mich manchmal überrollt.
Ja, mein Partner ist nicht gestorben – aber es hätte passieren können und
Meine liebe kleine alte NakNak* mit ihrem Krumpelfuß und dem leisen Stöhnen beim Aufstehen und Hinlegen – auch noch nicht tot, aber
Traumafachtag in München, warum ist das alles so kompliziert, achso achso aha, hmm, naja, aber da kann man ja was machen – einfach nur
Mein Buch ist veröffentlicht, jetzt
Buchmesse, hoppla ich bin Teil von etwas und
Oh, wir sind eine Gruppe mit Gruppenthings, da kann
Münster, Spiegel, False Memory, Wahrheit, Wissen, Wichtigtuer, was für ein Karussell oh man, oh man. Alles auf die Leseliste, das ist
Buchmesse, oh, ah, hui mit Aufzeichnung – obwohl ich so
Gruppenthings gonna always Gruppenthing aua uff oje oje oje

All die Dinge der letzten Monate, die außerhalb von mir passiert sind.
Über nichts konnte ich wirklich zu Ende nachdenken oder eine emotionale Verbindung entwickeln. Ich kenne das schon – es gibt einfach Phasen im Leben, da hat man viel im Zwischenspeicher und rumpelt in der eigenen Außenschale umher. Dass das ein Ausnahmezustand ist, habe ich erst am Sonntag begriffen. Nachdem es einen Konflikt gab, den ein jugendliches, aggressives Innen begann und durchzog bis ich die Kontrolle wieder übernehmen konnte. Solche Wechsel sind mir zuletzt vor 12–13 Jahren passiert. Als mein Leben eine endlose Kette von Ausnahmen, eine ganze Existenz im Zwischenspeicher war.
Diese Zeiten sind vorbei. Solche Wirrungen nicht mehr irrelevant. Ich erlebe meine Ausnahmesituation eingebettet in die Alltage und Er_Leben.srealitäten anderer Menschen. Deshalb geht es auch um Anpassungsleistungen. Also darum zu maskieren, zu funktionieren, während mir meine Grundlagen für die Kraft dazu fehlen und über Extrameilen beschafft werden müssen.

Bei allem Frohsein darum, dass ich jetzt nicht mehr allein im Bullergeddo wohne, eine Arbeit habe und viele Menschen kenne, mit denen mich viel verbindet, wäre ich jetzt gerne wieder an genau dem Punkt. Denn von da aus konnte ich mich immer fallen lassen. Wusste immer: „Ob ich mich jetzt aufreiße oder später oder ganz oder gar nicht, es ist im Grunde egal.“ Niemand hat nach mir gefragt, niemand auf mich gewartet, niemand etwas von mir gewollt.
Menschen sind in mein Leben gekommen, weil ich gegeben habe. Obwohl niemand darum gebeten oder darauf gewartet hat.
Das war insgesamt einfacher für mich.
Auch weil es selten vorkam, dass explizit mehr von mir verlangt wurde, als ich sowieso gegeben habe.

Ich wollte immer mehr von mir. Und habe das auch Stück für Stück geschafft.
Jetzt bin ich daran gewöhnt, viel geben zu können.
Und mein Umfeld in Teilen auch.
Sich jetzt an ein niedrigeres Niveau zu adaptieren, fällt mir schwer.

Es sind gerade tatsächlich nur 3 Stunden Konzentration, die ich aufbringen kann. Es ist gerade tatsächlich so, dass ich nicht die ganze Zeit um die möglichen Gefühle und Gedanken anderer Menschen kreise. Sondern darum, meine eigenen überhaupt mal zu empfinden und erkennen zu können. Wenn mir etwas nicht angetragen wird, denke ich nicht darüber nach. Wenn mich niemand anspricht, spreche ich nicht. Ich denke nicht in Wörtern für den Fall, dass ich jemandem davon erzählen will oder muss oder möchte, sondern in dem mir eigenen Irgendwie so.

Früher hätte ich das gemacht und mich dafür bestraft. Denn ich wollte ja mehr – weil ich sollte. Einfach nur arbeitsunfähig sein, einfach nur chronisch erkrankt sein, dafür muss es echte Anlässe geben – die habe ich mir nie an.erkannt, weil sie mein Umfeld nicht an.erkannt hat.
Heute erkennt mein Umfeld das an – und ist zuweilen verunsichert, mich so zu erleben. Freund*innenschaften werden in Frage gestellt, gemeinsame Pläne ob ihrer Umsetzbarkeit generell bezweifelt, meine gesteckten Ziele hinterfragt. Es wird bedauert, wenn ich unter einen Instagrampost schreibe, dass ich viel geschafft und wenig ganz und gar miterlebt habe in der letzten Zeit. Während ich denke: „Leute! Was denkt ihr denn, wie ich gerade durchs Leben gehe? – Mir ist vor wenigen Wochen der Partner – mein von mir geliebter, mein in mein Leben reingebackener Mitmensch – fast gestorben. Ich habe genau in der Zeit eine Retraumatisierung erlebt, die ich jetzt noch mit viel Kraftaufwand aufarbeite. Meine in den letzten 15 Jahren immer da gewesene Assistenzhündin knabbert ihr letztes Stück Lebenszeit. Seit 3 Jahren leben wir in einer Pandemie, die unsere Teilhabe- und Teilgabemöglichkeiten begrenzt – worüber unser Umfeld nur noch aus Höflichkeit nachdenkt. Was denkt ihr denn, wie viel Raum noch in mir drin ist? Wie viel von mir gerade irgendwo anders drin sein kann?“

Ich denke, dass ich viel gebe, wenn ich mich aus dem Rückzug reiße und Pläne oder Vorhaben nicht aufgebe. Wenn ich weiter ehrenamtlich arbeite. Wenn ich mich nicht krankschreiben lasse.
Gleichzeitig merke ich, dass ich mich auch dazu zwinge. Die Angst zu fallen und nie wieder aufstehen zu können – dieses Traumafragment, aus dem ich meine ganze Überlebenskraft, meinen ständigen Antrieb, ziehe – die wirkt unfassbar stark im Moment.
Manchmal rede ich auch mir ein, besonders jetzt aktiv zu bleiben, würde helfen. War ja schließlich das, was sie in der Psychiatrie mit mir gemacht haben: Wenig schlafen, viel Programm. Sinnvolles tun. Sich selber hinter irgendein aktives Handeln stellen.

Tatsächlich will ich aber nur schlafen oder liegen und mein Gesicht in den Bauchflausch von NakNak* halten, während ich Bubi die Öhrchen streichle. So wäre es gerade gut.
Aber wenn es so ist, ist es schon nach 2 Minuten nicht mehr auszuhalten.
Und die Dissoziation fängt mich auf.
Meistens passend.
Und nun auch mal total schwierig für andere.

Aber wäre das nicht passiert, hätte ich es nicht verstanden.
Ist das der Preis?

Rückzug

Vor 4 Wochen ist mir etwas passiert.

So wie dieser Satz ist, fühlt es sich an. Banal und undefiniert konkret.
Ich glaube nicht, dass ich je öffentlich darüber schreibe oder spreche. Aber es ist passiert, es wirkt und auch das schreibe ich hier auf.
Auch, weil es zeigt, dass viel über Trauma und seine Folgen zu wissen im Fall einer erneuten Traumatisierung bzw. einer Re-Traumatisierung wenig zu Entlastung beiträgt einerseits und andererseits eine Reflexion ermöglicht, die eine Kontextualisierung erleichtert. Also dann doch – irgendwie – entlastet.

Zum Beispiel war mir schon in der Situation klar, dass ich traumareaktiv reagiere.
Dass ich auf Ressourcen zugreife, die mich geistig („frontalhirnig“) an meine gegenwärtige soziale Umgebung binden, weil sie eine gewisse Identität (im Sinne einer Übereinstimmung) haben. Ich habe mich absolut darauf konzentriert, dass ich erwachsen bin, weil ich weiß, dass die Menschen in meiner Umgebung daran keinen Zweifel haben. Ich wusste ganz genau, dass ich, wenn ich mich daran halte und dementsprechend erwartungsgemäß re.agiere, mit mehr Empathie, Hilfsbereitschaft und Fürsorge rechnen kann, als wenn ich re.agiere, wie ich kongruent mit meinem Selbstgefühl bin.

Mir war aber auch klar: Wenn ich „erwachsen re.agiere“ können andere Menschen nicht mehr erkennen, dass ich in Bezug auf die Erfassung der Situation, die Einordnung und die Anbahnung eines Handlungsablaufs hilflos bin.
Sie sprechen mich nicht an, als hätte ich eine wie auch immer gelagerte Verletzung. Sie bieten mir keine Unterstützung an, sondern fragen mich, warum ich welche von ihnen brauche. Wenn es vorbei ist, bietet mir niemand Fürsorge für mich an. Wund_Pflege.

Nun war mein Partner zu dem Zeitpunkt noch auf der Intensivstation und erlebte einen ganz eigenen verletzenden, todes.ängstigenden Horror. Keine_r meiner Freund_innen oder Gemögten konnte zu mir kommen. Nicht allen konnte ich überhaupt davon schreiben. Meine Therapeutin war im Urlaub – und krank. Sie telefonierte kurz mit mir, das ging fürchterlich schief und schon beim Auflegen war ich innerlich absolut blank.

Die nächste Traumareaktion.
Ich habe mich nicht mehr nach außen orientiert. Keine Kongruenz mehr gesucht, kein Trauen und auch keine Kraft mehr für die Angleichung gehabt.
Ich wurde von traumatischen Erinnerungen geflutet und das war die Kongruenz, die ich in mir selbst haben konnte. Gewissermaßen hat in der Situation also die Tatsache, dass ich nicht zum ersten Mal so unversorgt verletzt geblieben bin, mehr zu innerem Zusammenhalt (Assoziation) beigetragen als alle Skills, alles empowernde Wissen, auf das ich zugreifen hätte können.
Weird.

Dieses traumabedingte „nur in sich selbst zu Hause sein“ ist die Schnittstelle, die viele Menschen mit Autismus in Verbindung bringen, weil man über autistische Menschen bis heute noch denkt, sie wären in ihrem Körper oder einer inneren Welt gefangen.
Ich habe da eine Grenze.

Nach traumatisierenden Erfahrungen ist der Rückzug eine bio.logisch absolut perfekte Strategie. Das gesamte System „Körper“ war mehr oder weniger lange überfordert und wurde verletzt. Die Energiereserven sind aufgebraucht. Alle. Sich auszuruhen, ist zwingend notwendig. Es ist wichtig, dass man im Anschluss mehr von allem bekommt als sonst. Mehr Zuwendung, mehr Nahrung, mehr Schutz, mehr Unterstützung. Kein Körper kann aus „nichts“ „etwas“ machen. Er braucht das Außen, er braucht den Input, um Output zu generieren. Gefühle und Gedanken sind Output. Sie sind Körperprodukte. Lebenszeichen.

In einer Gesellschaft, in der das unversorgte Verletztsein die Norm ist, wird Rückzug oft nicht mehr intuitiv als Marker für Fürsorgebedarf verstanden. Also als ein Hinweis darauf, dass eine Person andere Personen zum Überleben braucht. Viel häufiger wird er als Abgrenzung verstanden. Als Akt der Individualisierung, der Betonung des Selbst oder auch der Konzentration auf sich selbst.
Deshalb erscheint es logisch in so einer Phase zu sagen: „Komm erstmal klar – du musst nicht zur Arbeit kommen, du musst nicht zum gemeinsamen Hobby kommen, du musst nicht zum üblichen Treffen kommen – sei unbesorgt, krieg dich erstmal auf die Reihe, wenn was ist, melde dich.“ Was man sagen will ist: „Wir verstehen, dass du im Ausnahmezustand bist – wir warten hier auf dich, bis wieder alles in Ordnung ist.“ Was man aber miteinander macht ist, die Wiederherstellungsarbeit zu verwalten. Die soll der verletzte Körper aus sich selbst heraus schaffen. In vollem Bewusstsein dafür, dass andere Körper erreichbar sind, wenn sie denn erreicht werden können. Mit den richtigen Worten, zur richtigen Zeit, der richtigen Ressourcenlage. Man kann also die Fürsorge bekommen, die man braucht – aber nicht sicher und schon gar nicht bedingungslos.

Vor allem nicht als autistische Person.
Meine autistische Isolation begann schon 2 Minuten nach der Realisation, dass ich gerade von etwas verletzt wurde. Nämlich in dem Moment, in dem mir klar wurde, dass ich jetzt etwas tun musste, das ich noch nie getan hatte. Ich war noch nie in der Situation. Ich habe noch nie gefühlt, gedacht, gemacht, was in dem Moment alles da war. In dieser Konstellation. Der Partner im Krankenhaus, ich alleine mit den Hunden, auf dem Land, zig Kilometer von allen entfernt, zu denen mir der Kontakt nicht so schwerfällt. Ich hatte kein Skript dafür. Und das einzige Skript, das mir einfiel, wurde quasi sofort niedergeschlagen. Und als ich es dann doch anbahnen konnte, nicht erfolgreich im Sinne von wie erwartet, erwünscht und erhofft, abarbeiten. Was zu einer ganzen Reihe von Unklarheiten führt, die meine Rolle in der Situation, meine Pflichten, meine Verantwortungen betreffen und dem nicht-autistischen Außen jetzt mühsam vermittelt werden müssen. Ohne in Gänze geklärt werden zu können.
Es bleibt gewissermaßen ein offener Topf, eine unfertige Sache, wie das unfertig abgearbeitete Skript. Für mich ist auch das ein Stück „offene Wunde“. Denn ich weiß, dass ich mit bestimmten offenen Stellen immer übrig bleibe. Dass ich damit allein klarkommen muss, obwohl ich nicht kann. Und in Bezug auf manche Aspekte auch nicht will.

Die oft fast romantisierte autistische Isolation ist die spezielle Hölle des Minderheitenstresses. Der sich in traumatischen Situationen vervielfacht. Zum Erleben der traumatischen Situation selbst kommt die stets potenziell traumatisierende Interaktion und Kommunikation mit nicht-autistischen Menschen, die ohnehin schon tendenziell nicht erkennen können, was für Bedarfe bestehen. Auch deshalb habe ich in der Situation „erwachsen“ gehandelt. Und nicht „ich (in einer überfordernden Situation, die Unterstützung von Außen nötig macht)“. Ich brauchte die größtmögliche Annäherung an die Erwartungen und Lesbarkeiten der nicht-autistischen Umwelt. Und wie schon im Supermarkt, bei der Arbeit, beim Hobby, im Ehrenamt habe ich also umgeschaltet. Ich habe mich rausgeschnitten. Dissoziiert und in mir selbst isoliert. Nur krasser. Dringlicher. Todes_Ängstlicher. Kontakt_Unterstützungs_Hilfe_Bedürftiger.

Ich habe mich zurückgezogen in den letzten Wochen. Obwohl ich im Kontakt mit anderen Menschen war. Gearbeitet habe. Spaß hatte. Kurzkettenproduktiv war. Mich auf eine Reihe gekriegt habe. Nämlich die, in der diese Erfahrung keine Rolle spielt. Nichts weiter bedeutet. Und auch nichts weiter bedeuten muss, denn so leben wir ja schließlich alle irgendwie – weshalb es für mich gerade auch Kongruenz herstellt. Obwohl es mir überhaupt nicht guttut. Und auch nicht richtig ist. Es ist nur normal.