“fett”, “dumm”, “ungenügend”, “falsch” sind keine Gefühle

Das Video hat mich daran erinnert.
“fett” ist kein Gefühl. “dumm” ist kein Gefühl. “ungenügend” ist kein Gefühl. “falsch” ist kein Gefühl.

Das sind Zuschreibungen. Wertungen.
Und auch wenn ich sie ständig und immer, in allen möglichen Variationen im Kopf habe, sie höre, sie als Tritte, Stöße, Ziehen, Reißen, Kratzen, Brennen, Wucht und Energie in und an mir fühle, sind sie nicht von mir gemacht. Selbst wenn sie als Stimme aus mir herauskommen, meine Haut tragen und mein Leben an sich nehmen. Sie sind nicht ich.
Sie sind in mir geworden.
Weils nötig war. Weil Menschengehirne – weil Leben auf Spiegelung und Kopie beruht.

Mir ist aufgefallen, wie oft davon gesprochen wird von etwas oder jemandem getriggert zu sein. Trigger zu meiden oder einen Umgang zu finden. Immer wieder geht es um Trigger und darum bestimmte Handlungen zu unterdrücken. Zu vermeiden. Umzulenken.
Es geht nicht darum zu sagen: “Ich fühle wie damals, als eine Person, der ich mich unterlegen fühlte/von der ich abhängig war, mir sagte, ich sei fett, dumm, ungenügend, falsch, weil sie mich demütigen, abwerten, unterdrücken, brechen, verletzen, zerstören wollte.”. Es geht nicht darum zu sagen: “Ich erinnere mich an eine Gewalterfahrung.” oder “Diese Situation, unser gemeinsamer (sozialer) Kontext erinnert mich an eine Gewalterfahrung.”.
Es geht um Trigger_reize und darum das Framing dieses Begriffes zur Abstraktion von Gewalt und ihren Folgen zu miss-ge-brauchen.

Was ein Trigger ist, ist schnell erklärt und jede – wirklich jede Person versteht das Reiz-Reaktionskonzept “Trigger”.
Aber wird es auch begriffen? Wird mit der Erklärung des Begriffs – der Bewortung eines Vorganges, begriffen, dass es um die Folge eines An- und Eingriffs in das gesamte Denken und Werten bezüglich jeder Regung innerhalb eines Individuums geht?
Nein.

Oft passiert es sogar, dass eine Spaltung aufgeht, was ein “echter Trigger” sei und was “ein irgendwie anderes Dings”.
So gibt es die Idee, dass ein echter Trigger direkt zum Flashback oder zum dissoziativem Symptom führt und alles andere einfach schon immer so sei und vielleicht bei jedem sogar gleich. Denn schließlich fühlt sich ja heutzutage jede x-te Person “fett”, “dumm”, “ungenügend”, “falsch”.
Obwohl genauso jede Person wissen kann, dass das keine Gefühle sind.

Aber wie oft setzt man sich schon hin und denkt darüber nach, wie man sich eigentlich fühlt?
Wann kann man sich Gefühle eigentlich erlauben?
Wann kann man seine Gefühle ertragen oder aushalten?

Sicher nicht, wenn man glauben muss, man sei fett, dumm, ungenügend und falsch.
Ganz sicher nicht, wenn man andere Zuschreibungen nicht gleichsam wahrnehmen darf. Und ganz sicher nicht, wenn man sie sich nicht einmal zu erlauben überlegen können darf.
Weil man auf den “richtigen Trigger” warten muss, bis das zu etwas werden darf, das man als nicht von sich kommend markieren kann.
Weil es eine neue Machtinstanz* mit eigener Sprache erlaubt.
Nicht etwa man selbst.

 

*hier: die Psychotherapie/Psychologie als Wissensmacht ergo Gewalt

Perspektive 4

“Wieso spreche ich hier?”. Sie hatte sich vorgenommen, sich jedes Mal diese Frage zu stellen, wenn sie irgendwann mal – in “einer Zillion Jahren” – eventuell vielleicht – die Gelegenheit dazu bekäme.

Es ist sinnlos sinnlos sinnlos
BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM

“Weil es Menschen verletzend ist.”

Unreehehehehehehehehehehecht
BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM

“Weil sonst niemand drüber redet.”

Und dass das so ist, sagt dir nichts du
BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM

“Weil es etwas verändern helfen könnte”

Das hier zu ändern, ist
BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM

“Weil ich Glück hatte. Weil die Menschen mich nicht kennen und keine Ahnung von mir haben und lieber im Nachhinein bereuen, als Angst vor ’nem Griff ins Klo zu haben”

Du bist so eine
BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM

ES IST SINNLOS
ALLES WAS DU TUST IST SINNLOS

ES HAT KEINEN WERT
ES GEHÖRT NICHT ZU DIR

ES HAT NICHTS MIT DIR ZU TUN
DU GEHÖRST NICHT DAZU

BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM BÄM

“Ich will nicht, dass die Sprache, das Leiden, die Gewalt so bleibt, wie sie ist. Für die, die es betrifft. Wir müssen nicht sie sein und hier hergehören, um Dinge verändern wollen zu dürfen.”

Und was es bringt siehst du … exaaaaakt….
jetzt

Nachrichtenportal
Fernsehen
Zeitung
Interviews
Expertentalk
Verbündetensprech

das riesige Loch
wo mal Solidarität mit ihr war
bevor sie mit allen anderen solidarisch wurde

Dort, wo sie sich sicher fühlt, gibt es kein Licht. Keine Notwendigkeit für Augen.
Um zu tun, was sie zu tun für wichtig hält, muss sie nichts und niemandem ins Gesicht schauen.
Sie spricht mit der Menschheit, dem Kontext.

die Tür

„Hey ihr, wie schön, dass ihr wieder da seid!“, sie lächelt und unterdrückt den Impuls uns zu umarmen.
„Was soll ich machen?“. Die Kinderstimme ist sachlich, das Gesicht starr.
„Du musst gar nichts machen.“, sie lächelt, tritt schräg einen Schritt zurück von der Wohnungstür und gibt so den Fluchtweg frei. Ihr Blick geht seitlich am Kopf vorbei. „
Weißt du, wer ich bin?“.

Das Kind antwortet nicht, starrt weiter stumpf auf das Gesicht unserer Gemögten, die uns den Sonntag mit etwas Gemeinschaft erleichtern möchte. „Ich bin die A. Ich besuche euch heute, damit ihr euch ein bisschen besser fühlen könnt. Und weil ich gerne hören möchte, was ihr so alles erlebt habt auf eurer Reise. Keiner von euch muss etwas machen. Ihr dürft alles sagen, was ihr möchtet und alles machen, was ihr möchtet.“286840_web_R_K_B_by_Daniela Berghold_pixelio.de

In den Ohren des Kindes schreit es jaulend auf. Verwirrung flimmert hinter seinen Augen. Es beginnt leicht zu zittern. „Jetzt weißt du gar nicht so richtig was los ist, ne? Das ist okay. Ich setz mich hier einfach auf die Treppe und wenn ihr möchtet, dass ich lieber morgen wiederkomme, ist das auch gut.“. Sie legt ihre Tasche auf den Boden und setzt sich. Guckt aus dem Dachfenster und umfasst ihre Knie.

„Siehst du mein Herz? Heute ist es anders. Ganz anders. Die A. ist eine Gemögte von den Frontgängern. Da musst du wirklich nichts machen.“, ich raune es leise an ihr Ohr und lasse das schreiende kleine Herz hinter ihr auf meinen Rücken kriechen, versuche das Kind sachte zu umfassen, damit die Anderen von A.´s Ankunft erfahren können. Es zuckt zusammen und stirbt mir unter meiner Berührung weg.

Jemand geht zum Kühlschrank, hält sich ein Paket Eis an den Hals und konserviert so das ausgehauchte Kinderinnen erneut.

A. schaut von ihrem Treppenplatz aus, in die Küche und fragt, ob es geht. Ob sie eintreten darf oder lieber morgen nochmal kommen soll. Die Augen füllen sich mit Tränen, im Innen schießt die heiße Gischt des dunkelbunten BÄÄÄMimperiums hin und her. Es ist unmöglich eine Entscheidung zu treffen. Schon die Verabredung war ein Fehler, die Anwesenheit der Gemögten eine Katastrophe, der Wunsch nach Gemeinschaft ein Kapitalverbrechen.

Sie nickt stumm, steht auf, nimmt ihre Tasche und winkt uns zu.
„Ich rufe morgen früh an.“. Das Klacken der Haustür, unterbricht den Hall ihrer Schritte hinunter.

Mit dem Schließen der Wohnungstür, öffnet sich eine innere Tür, die wir lieber zugemauert hätten.

Wenn HeldInnen reisen

…dann treffen sie auf andere HeldInnen.
Ob nun im Gewand einer jungen Frau, die gleichzeitig 3 Smartphones benutzt; der Mutter, die es schafft ihre 4 kleinen Kinder mit Malbüchern und den beiseitig sitzenden Reisenden zu unterhalten oder, der alte Held, der bereits im Zug die Blumen für seine Gastgeberin in der Hand hält.

Meine Heldinnenhaftigkeit bestand darin, überhaupt in dieses ratternde laute Gefährt zu steigen, noch während ich obendrein NakNak* dabei hatte, eine Fahrt von über 600km vor mir lag und ich den Menschen, dem ich dort begegnen wollte, noch nie real getroffen hatte. Vollbepackt mitten in den Butterfahrtenwaggon der grau-beigen Gesellschaft für „Also nee- die jungen Leute von heute“. Wunderbar.

Ich hätte gern mein Cape flattern hören, als mir der empörte Gegenwind in Gesicht und Hirn blies. Doch alles was kam, war das Rascheln meines Berechtigungszettels für den Sitzbereich, der für Menschen mit Behinderung reserviert ist. Hat auch gereicht.
NakNak*s Box aufzubauen ging leicht, denn wie jeder vernünftige Held, hatte ich das Auf- und Abbauen, die ganze Nacht in meiner Bäthöhle geübt. Jeder Held ist nur so gut, wie seine Fähigkeiten. Grundkurs Heldenschule.

Sie haben alle geguckt. Haben alle mich und den Hund angeguckt.
Mein Hirn endschied sich für die Dissoziation. Wir spielten eine Runde: „dieser Film wird ihnen präsentiert von der „Das Leben einer Anderen“- Gruppe.“.

Umsteigen in Köln? Kein Problem. In diesem Film ist nichts ein Problem. Alles läuft automatisch und in einem wirren Mix aus Zeitlupe und Highspeed: Box abbauen, Rucksack auf den Rücken, Handtasche links, Boxtragetasche rechts umhängen, Trolleyreisetasche links, Hundeleine rechts festhalten. Aussteigen, Bahngleis suchen, warten, einsteigen, Platz suchen, Box aufbauen, Gepäck verstauen.
Diesmal ein Doppelsitz mit Sichtschutz. Film Ende.

Aaaaah. Okay- ist alles von mir mitgekommen? Wart mal- ich? Ach- Hallo Körper! Bist ja auch da- schön, dich mal wieder zu fühlen! So, jetzt eine SMS und dann in NakNak*s Ohrenfell verkriechen. Jetzt kommt der Teil Deutschlands, den wir noch nie zuvor gesehen haben.

„Dürre, Wüste, Afrika… ach fuck BLASE!“, die tollste Landschaft kann nicht anstinken gegen die Macht von 3 Liter Kaffee, der nötig war, um die Therapiestunde vom Vormittag erlebbar zu machen. Nächste HeldInnentat also: Bahnklo mit Hund. „Schade, dass wir zwar die Ausmaße des 00 Elefanten haben, aber nicht seine reinigenden Superkräfte“, dachte ich mir so, als ich mich über das WC zirkelte- mit einem Zeigefinger an der Wand abstützend, mit der anderen Hand NakNak* fühlen müssend. Aufs Händewaschen verzichtend, weil die Desinfektionstücher aus der Erste Hilfetasche des Hundes irgendwie nötiger erschienen.

Aber dann… frisch entleert und entkeimt, haben wir die für uns höchsten Berge ever gesehen. Man guckte aus dem Fenster links und schwusch! Nordwand Zugspitze- mindestens! Rechts dann alles etwas entfernter und schöner. Weinberge noch und nöcher, schöne Fachwerkhäuser wie sie M. so gerne später mal zimmern wollte, schöne aufwendig gebaute Kirchen, Burgen oder Schlösser? vielleicht auch einfach nur große Gutshäuser, die wie Kulissengeber von „Der Name der Rose“ auf den Bergen klebten. Das alles im tollen 18 Uhr Abendlicht der langsam untergehenden Sonne. Einfach toll!

NakNak* lag inzwischen auf unserem Bauch und hielt ihre Nase in die Lüftungsschlitze am Fenster. Die Zugbegleiterheldin dazu: „Ach lassens doch liegen. Für den Kleinen ist das doch alles auch ganz viel“. Barbiegesicht. Jetzt bloß nicht losheulen vor Dankbarkeit- Heldinnen weinen erst in ihrer Bäthöhle!

Mannheim. Höllenschlund von einem Bahnhof. Die 10 Minuten Umsteigezeit, verbrachten wir in diesem vollen dunklen dröhnend lauten Tunnel, auf der Suche nach dem richtigen Gleis. Wer ist die Heldin? NakNak*!
Souverän, wie ich sie noch nie erlebt habe, ging sie neben uns her, achtete auf jedes „Warte“, „Sitz“, „Links“, „Rechts“ und „Voran“, das vom Roboter des nun panisch hin und her fliegenden Rosenblättersalates kam.

Gleis gefunden, ICE steht, knallvoll- selbstverständlich.
Dankbar für die Erfindung von Inkontinenzvorlagen, und das Glück den richtigen Zug erwischt zu haben, legten wir im Ein- und Ausstiegsbereich der Bahn ab. Hundebox? Wohin?! Gepäck? Wohin?! Bin ich eigentlich überhaupt selbst da?
Noch zwei Stunden und draußen gräute uns das Unwetter aus dem Breisgau, von dem unsere GastgeberInnen erzählten schon entgegen. „Ja- weißte Bescheid wie du sterben wirst, wenn sich Eschede jetzt wiederholt, ne? Wirst n hübsch beregnetes Zieharmonikakörperchen- is doch gut, dann wird das mit der Beerdigung nicht so teuer, weil Sarg ja unnötig“. Toll. Danke Kopf, du Blödmann.

Zugbegleiterheldin 1 hat einen Anruf. „Ah Isch musch da jetz roangehn, weil desch is meine Tochder. Die isch heude das oarste Mal bei ihrer Tagesmudda und geht jetze ins Bett.“ Ach Herzi- du feiner Mensch! Sie stimmte mir zu, dass die Hundebox jetzt nirgendwohin kann und NakNak* durfte auf dem Schoß sitzen. Ihr ruhiger Heldinnenatem übertrug sich sowieso gerade so gut auf mein ZNS und verhinderte ein unkontrolliertes Wechselfeuer der Innens. Barbiegesicht, Weinen wird erneut verschoben.

Eine Stunde später wurde ein Platz frei.
Trotzdem kein Platz für die Hundebox und das Gepäck.
Ich sitze im teuersten Zugangebot der deutschen Bahn und fühle mich doch, wie in einem Viehtransport. Entsprechend wurde ich auch von Zugbegleiterheldin 2 behandelt. „Das ist egal, dass sie hier keinen Platz haben, wenn der Hund kein eigenes Ticket hat, dann hat er in einer Box zu sein und zwar die ganze Zeit!“ Sie guckte von oben auf mich runter und hat mit Sicherheit nicht die ganzen Kinder gesehen, die darauf warteten, dass die ersten Schläge auf sie einprasseln. Barbiegesicht. Federrascheln des Schwans im Innen, verkrümeln in den weichen Haaren an NakNak*s Ohren. Aushalten. Dissoziieren. Ich bin gar nicht da.

Und dann, nach einer halben Stunde, klopfte etwas ans Frontalhirn.
„Wir sind gleich da! Wir habens fast geschafft. Gleich sehen wir die HeldInnen und dann fahren wir zu ihnen nach Hause und dann ist das hier vorbei.“ Vorfreude! Endlich! Ich hatte schon gedacht, dass wir gar nicht mehr dazu kommen. Zu groß waren die Ängste und das Heldentraining der letzten Tage und Wochen, der Reisevorbereitung und Planung.

Positive Flashbacks. Obwohl wir uns nun gegenüberstanden, war es wie die sichere Umgebung zu Hause, während wir eines unserer 4 Stundentelefongespräche führen. Getragen von einem Gefühl von Erwachsenenfreiheit und Heldenhaftigkeit einander etwas Großes ermöglicht zu haben.

Wir trafen auf eine Heldin des Berufsalltags, der Selbstversorgung unter erschwerten Bedingungen und des Gastgeberin- seins. Letzte Vorbereitungen für die Phoenix AG Sitzung, eine PC-Aufräumaktion, Umgebungserkundung mit NakNak*.
Wir haben gesehen wie Wolken geboren werden.
wie Wolken geboren werden

Wir haben einen Tauschaufschub mit dem dunkelbunten Imperium vereinbart. Essen, schlafen, keine Schmerzen. Am Sonntag, haben sie einen Freifahrtschein.
Wir haben geschlafen. Pizza gegessen und keine Strafe aushalten müssen. Was für ein seltsames Gefühl. Wie ein Stau in einem durchgehend reißenden Strom, der uns seit über 9 Monaten hin- und herschmeißt.

5 Uhr morgens aufstehen und nach Frankfurt fahren. Eine weitere Phoenixheldin mitnehmen. „Ihr Heldinnen“, kam per SMS.
Göttingen hatte Sonne und Wärme, die der Rosenblätterhäckselsalat zwischen sich nahm, wie Seelenkleber.
Die AG selbst, verschwand mir irgendwo im Frontallappen. Auch gut. Ich kann das ja alles nachfragen. Helden dürfen das, wenn sie unter Helden sind, die Heldenhaftes tun. Schließlich ist so ein Seminarraum ja auch sowas, wie eine Bäthöhle, wo gerade die Heldentat erarbeitet wird.

Dann eine Stunde Abendsonnenbad vorm Hauptbahnhof mit der schlafenden NakNak* an der Seite. Zum ersten Mal saß ich an einem Bahnhof und fühlte mich nicht verlassen und allein. Ich spürte den Wegegänger und seine apokalyptische Wahrnehmung der Umgebung, doch nicht wie sonst im wirren Tanz aus blinder Panik und stumpfem Sein, sondern eher tastend über die Stellen des Körpers, die von der Sonne berührt wurden.
„Du bist auch ein Held, nicht wahr?“. Keine Antwort, aber auch kein unartikuliertes Buchstabengewirr.

„Entschuldigung? Darf ich euren Platz okkupieren? Ich muss den Hund in eine Box setzen und in den Reihen ist kein Platz dafür.“. Mein Heldencape musste nicht flattern. Eine ruhige Stunde bis Hannover. NakNak* legte sich zum ersten Mal richtig ab in der Box und schlief.
Eine halbe Stunde in Hannover und dann die Restfahrt bis nach Hause inmitten von an- bis vollgetrunkenen Menschen. Aus dem Innen das anbrandende Grollen des dunkelbunten Imperiums. Zeit für eine Runde Dissoziation. Ich bin gar nicht da.

In der dunklen Bäthöhle den Hund füttern und dann der Zerfall.
Hier wohnen die Helden. Sie legen Cape und Maske ab und sind nur der Mensch, der seine Hölle in sich trägt und über sich ergießt, egal, was er gerade vorher getan hat. Ihre letzten 2 Stunden Vakuum nutzen sie, um einen Artikel zu schreiben, der ihrer Heldenhaftigkeit zumindest in Worten eine Würdigung ermöglichen soll.
Was dann kommt, ist eine Heldenhaftigkeit, die sie nicht verstehen, nicht annehmen und eigentlich nur deshalb aushalten können, weil sie nicht daran sterben.

Jede/r Held/in hat ein Geheimnis.
Welches sie haben, werden wir hoffentlich bald erfahren.

„der Weg“ ist der Weg- nicht das Ziel

Nach einem Tag wie gestern, in dem viel ums Wachsen ging,553608_web_R_K_by_Andreas Hermsdorf_pixelio.de
kommt auch die Gedankenwuselei um die Zukunft auf und damit die Unsicherheiten, unbequeme Realitäten und Fakten.
Wir selbst und die Steine, die wir sowohl uns selbst, als auch von außen in den Weg gelegt bekamen.

Wie geht es weiter mit den Rosenblatts?
Sie sind noch keine 30, haben eine mittlere Reife, geistiges und körperliches Potenzial. Sie sind motiviert grundsätzlich etwas zu schaffen und leicht zu begeistern.
Aber was denn nun zum Geier? Und vor Allem: Wie?

Letztes Jahr haben wir 152 Bewerbungen rausgeschickt, um im Handwerk einen Platz zu bekommen. Doch trotz lautstarkem Gejaule der Branche, konnte es sich selbige dann doch noch leisten 17 jährige männliche Menschen zu bevorzugen.
In den letzten 5 Jahren haben wir so viele Absagen und Zettel über Teilnahmen an diversen Trainings, Praktika und Probearbeitszeiten kassiert, dass wir einen Aktenordner füllen konnten und haben es dann aufgegeben.

Dann die Idee doch das Abitur zu machen. Abendschule. Wieder. Obwohl wir doch eigentlich genau wissen, dass das so derartig kräfteraubend und auch systemverändernd ist. Es ist für jeden Menschen- egal, ob multipel oder nicht, klar, dass kein Mensch, der in der Woche ca. x Stunden schläft, permanent körperliche Verletzungen heilt und einfach grottig schlecht in Sachen Ernährung gestellt ist, in der Lage ist, so funktional zu sein, dass er es ohne Versehrung irgendeiner Ebene schafft, sich an 5 Tagen in der Woche auf Lerninhalte zu konzentrieren. Die Rosenblatts aber- die melden sich für die Schule an. Könnte ja klappen- hat ja immer geklappt.

Die Zeit nach der letzten Abendschule- ach- war doch toll so dünn! War doch trotzdem geschafft und hey- wir haben uns gut regeneriert danach, so mit dem ganzen Krams drumrum, den Pflegetieren und den Jobs und so…

Eigentlich haben wir gerade ein Level erreicht in dem es uns „okay“ geht.
Am Tag werden zwei Artikel geschrieben. Sich weitergebildet, damit man keinen Quatsch schreibt und damit auch ja keiner merkt, was für eine minderwertige Abfallexistenz diese Worte aneinandergereiht hat.
Das Buch wächst langsam vor sich hin und wird vielleicht eventuell etwas, von dem viele Menschen etwas haben. Oh ja das Buch wird etwas, das vielleicht endlich mal etwas ist, dass die Rosenblatts zu jemandem macht, der auch etwas zurückgibt. Endlich!

Aber noch ist es so, dass jeder Artikel, jeder Satz ,jede Aktivität die verrichtet wird, sowas von ein inneres Verbrechen ist, dass das Leben außerhalb dessen, eigentlich nur eine Bezeichnung zulässt: Qual an deren Ende gearbeitet werden muss.

Es ist subtil- man merkt es nicht, wenn man mit uns zu tun hat und die Spaltungen, die wir in uns und im Außen haben, generieren nur allzu leicht ein Leben damit. Dinge die uns belasten könnten, belasten niemals die leidende Ebene, sondern ausschließlich die Kompensierende. Jene Ebene, die eigentlich die Leidende unterstützen könnte. Doch das ist schmerzhaft und konfrontiert mit einer Ohnmacht.

Wer wählt die Ohnmacht, wenn er Macht und Aktivität wählen kann?
Wir haben die ganzen Bewerbungen immer rausgeschickt, weil wir davon ausgingen, dass wir auch mit Abstrichen zwar, in jedem Fall in der Lage gewesen wären, das alles auszubalancieren.
Jetzt ist da der Freiheitsschock. Da ist eine Bombe hochgegangen und es ist nicht mehr die Frage, wie man Schutt und Asche aus der Vergangenheit verschiebt, um neue Häuser aufzubauen, sondern die Frage, wie man verhindert, dass einem die Verletzten wegsterben, die Brände gelöscht und die umherfliegenden Schrabnellen der Vergangenheitstrümmer, das neu aufgebaute Strohüttchen und Lazarettzelt noch kaputt fetzen- noch WÄHREND man sich auf den Weg macht, neue Häuser zu bauen, Bäume zu pflanzen und Bedingungen zu erschaffen, die ein gesellschaftlich höher anerkanntes Verdingen ermöglichen.

Es ist ein Schwanken zwischen alt und neu- bekannt, doch einfach nur furchtbar und unbekannt, doch so sehr gewollt. Dann sind da Rosenblätter die sachte rauschen: „Hey- es ist Zeit! Keiner außer das Arbeitsamt drängelt, dass wir etwas machen sollen. Dafür haben wir die Zettel auf denen draufsteht, dass wir chronisch krank sind- das impliziert, dass man zwar Absprachen machen kann, aber nie und immer genauso wie chronisch gesunde Menschen auch dem so zu entsprechen in der Lage ist. Wir können doch jetzt die Kraft in die Therapie stecken- nicht arbeiten oder lernen. Keine Vermeidungstänze machen mit zig Jobs und Parallelleben aneinander vorbei… Einfach erst mal wieder ein Plateau erschaffen, das man nicht „Stück für Stück- Suizid“ nennen sollte. Schlafen, Essen, keine körperliche Selbstversehrung mehr. Das ist doch die Basis. Wir würden doch anderen Menschen die genauso überleben, wie wir es tun- und auch noch gezwungen sind das „Leben“ zu nennen, weil wir gerade in diesem Zustand existieren und zurecht kommen- auch nicht auferlegen, zur Schule zu gehen, gefälligst niemandem auf der Tasche zu liegen, sich jetzt aber endlich doch mal aufzuraffen etwas Anderes zu tun, als das, was ihnen Kraft und Hoffnung, ein Ausleben ihrer Begabungen ermöglicht…“

Doch dann sind da die Rosenblätter, die genervt sind. Die sich aufbäumen und sich gefangen fühlen. Stets und ständig abhängig gemacht sehen: „Wir sind doch jetzt nicht mehr so bedürftig! Wir haben schon das das das das und das geschafft! Jetzt muss doch endlich mal ein Schritt vorwärts kommen, der uns auch nach außen autonom macht! Wie soll das denn werden in der Zukunft? Hartz4 und Kinderwunsch- ein absolutes no-go! Kinderwunsch und DIS- oh man- man kann ja schon richtig hören was „die Leute“ dazu denken! DIS und die Welt besser machen- das kann doch nur schief gehen! Wir machen das jetzt einfach alles gleichzeitig- jetzt kurz 3 Jahre zusammenreißen, Abi, Studium, bezahlte Arbeit, Familie mit Kind. Wenn nicht jetzt, wann dann? Wir kriegen das schon hin irgendwie. Es geht immer irgendwie…“

Und dann sind da die beobachtenden Rosenblätter, die daneben stehen und sehen, dass sich das gesamte Rosenblättergemisch mittels Zukunftsgedanken einfach nur wieder ein Werkzeug für den Suizid schnitzt.
Also schreiben sie ein Artikel darüber, merken, wie Kraft des Tages wieder in Worte geflossen ist und nicht in das Abschicken der Hartz4-Zettel für die vollständige Anmeldung in der Schule, nicht in die Selbstfürsorge und auch nicht in die Veränderung dessen, was man verändert haben will.

Vielleicht schafft man es heute endlich mal darüber zu weinen. Vielleicht mal so etwas wie eine Trauer darüber, dass man nun frei ist, zuzulassen. Nicht zu wissen, wo man jetzt steht und auch nicht zu wissen, wo man steht, wenn „Zukunft ist“. Vielleicht ist es dran zuzugeben, dass man das Ende seiner Gefangenschaft, trotz aller Schmerzen und Leiden, auch als unglaublich großen Verlust empfindet und nur deshalb in zu hohe Ansprüche geht, weil man so etwas noch nie von anderen AussteigerInnen wahrgenommen hat.
Bei denen steht immer soviel bockige Energie- da steht immer was von Kampf und Mut. Vom Annehmen, der inneren Dunkelbunten und „ihnen beibringen, dass es jetzt alles toller ist“. Da steht immer so viel Zukunft.

Aber irgendwie selten die Gegenwart, die sich in festumklammerten Selbst-s-Foltermethoden aus bekannter Verpflichtung heraus und Sturmdrang in Richtung Leben und Freiheit in Gänze vermischt. Diese Episode, in der man wie mit Vollgas und angezogener Handbremse auf das Ergebnis des Todes zuschießt- Stückchen für Stückchen, total subtil, händchenhaltend mit all seinen Gemögten und Begleitern und Verbündeten.

Einfach so- noch während man ein anderes Ziel für sich konstruiert und von den Wellen der Kraft auf denen man manchmal so reitet, auch zu ertrinken Gefahr läuft.

Vielleicht hat es auch mit einem Akzeptanzprozess (einem Wachsen) zu tun, dass man aktuell zu einem Opfertäter an sich wird. Und der Akzeptanz, dass man dies erst wirklich genau weiß, wenn man in dem Bereich ausgewachsen ist. Dann, wenn Zukunft ist.

Täter- und noch mehr Kontakte Teil 4

„Innenperson nimmt Täterkontakte auf“
„DIS Täterkontakt Innenperson“
„Ich verstehe nicht, wieso manche Innenpersonen von ihr, immer wieder Kontakt aufnehmen.“
„Mich beschäftigen immer wieder die täterloyalen Anteile, die Kontakte halten…“

Dies sind Suchanfragen auf das Blog und Sätze, die ich so mal aufgeschnappt habe und aus denen ich schließe, dass es eine Art Interesse an dem Aspekt gibt.
Nur leider wird mir oft nicht so klar, was genau daran interessiert.

Ist es ein Interesse an de Innenpersonen selbst?
Ist es die Frage, wie es sein kann, dass „alle“ im System „ihres Multiplen“ keinen Kontakt mehr wollen- und aber dieser Einzelne ihn immer wieder sucht?
Oder ist es die Frage, ob man trotzdem den Kontaktabbruch schaffen kann und wenn ja, wie?

Ich sehe das so: Wenn sich jemand für die Innens selbst interessiert, soll er sie fragen oder signalisieren, dass man für das offen ist, was sie so zu sagen haben. Und dann, um Himmels Willen, bitte keinen Dummtüch reden, weil man überrascht/ verwirrt/ verängstigt von dem ist, was dann da so kommt.

Was ich von unseren BÄÄÄMs so mitbekomme, lässt mich denken, dass viele von ihnen noch nicht bei uns angekommen sind. Manche „sind nicht multipel“; manche wissen, „sie müssen nur warten, bis wir zur Vernunft gekommen sind“ (und uns klar wird, dass nur die Erfüllung unserer (pseudoreligiösen) Bestimmung uns „…was auch immer…“ macht); manche sitzen auch einfach nur da und erzählen haarscharf beobachtet, „was die Helfer jetzt gerade schon wieder… und sollste mal sehen… voll die […abwertendes…]… Guck mal, wie dumm du/wir/die Anderen… XY (Täter) sagt… XY meint… XY befiehlt… Du hast… Du bist… Ich muss…“ und manche von ihnen hops(t)en auf rosaroten Wolken herum und haben keine Ahnung von der Gewalt, die andere Innens erleben oder empfinden diese Gewalt gar nicht als solche, sondern als sinnbringend, wichtig, zwingend (und legitim) oder sogar richtig gut.

Dass wir nie eine Lehrbuchtraumatherapie gemacht haben ist, denke ich, irgendwie schon klar geworden, nicht wahr? Wir haben bis jetzt nicht konkret mit den BÄÄMs gearbeitet, sondern nur zurechtgespalten, dass wir von einem Umfeld angenommen werden, welches das, wofür sie einstehen oder was sie gut und wichtig finden, verurteilt bzw. mindestens ablehnt. Geht auch (Ergebnis dessen, kann in diversen Artikeln geguckt werden. Würd ich als Dauerzustand nicht empfehlen- vgl. hierzu unser aktuell schleichendes Sterben, dass wir mit toll wichtigen Artikeln und Produktivität in alle Richtungen erträglich zu gestalten versuchen*.).

Was wir aber schon durch haben, ist die Ebene der MittelBÄÄÄMs, die damals den realen Gewaltkontakt und den Kontakt zur Familie* gesucht haben und um die wird es im Folgenden gehen. Wenn wir unsere aktuelle Hölle dann überlebt haben, kommt der Rest. Wenn nicht, muss halt jemand anders ran.

Also.
MittelBÄÄÄMs nennen wir Innens, die nie Gewalt erlebt haben; die Gewalt an sich als normal einstufen und Innens, die über die Gewalt(menge/art) Annahme (Liebe zu ihnen) definieren und deshalb die Täter als nicht „böse/ schlecht/ negativ“ einstufen.
Wieso sollte Mensch auch einfach nicht mehr zu jemandem gehen und zu jemandem halten und ihn verteidigen, wenn er einem nie etwas getan hat, sondern im Gegenteil immer Schönes hat erleben lassen? Und wieso sollte Mensch sich um das Elend anderer (Fremder) kümmern, wenn es einem selbst doch gut geht?

Hier war es wieder der mit uns verbundene Mensch, der sich immer wieder aus dem Stand heraus aufgeregt und seine Empfindungen und Gedanken zu Verletzungen durch Täter an unserem Körper deutlich und offen zum Ausdruck gebracht hat, welcher eine Sortierung für uns alle ermöglichte.
Es ist nicht so, dass wir nie zuvor Kommentare oder Worte zu Verletzungen am Körper gehört hätten. Besser gesagt: Es ist ja nicht so, dass die Ohren unserer biologischen Behausung vorher nie etwas zu den gewaltbedingten Verletzungen gehört hätten. Aber es ist ein Unterschied, ob ein sachlich- anklagend- genervt- gestresster Notaufnahmearzt einen anguckt, wegguckt, und dem Zettel des Kurzberichtes sagt: „kühlen, schonen, in 10 Tagen zur Kontrolle“ oder, ob jemand einem das Shirt hochschiebt und fragt, obs weh tut und ob man weiß, wo es herkommt, was gewesen ist und laut seine Gedankengänge sagt (und obendrein fragt, ob mans versorgen (helfen) darf oder nicht und obs okay fürs Innen ist, wenn mans tut usw.).475215_web_R_by_Günter Havlena_pixelio.de(1)

Auch wenn es bei uns genug Innens gab, die über diese Fragen (und auch Gedankengänge) die Wände auf 4 Beinen hochgegangen sind, gab es auch immer Innens (darunter eben auch die MittelBÄÄÄMs) die zugehört und gemerkt haben: „Oh- Ach guck mal an. So ne Reaktion kanns also auch geben. Hm. Okay…? Guck ich mir mal genauer an…. vielleicht eventuell… also mal so … einfach nur so… wie ich halt will… Ich muss ja aber nicht… merkt der Mensch ja nicht… vielleicht haut der ja auch wieder ab und es ist eh alles nur gelogen… aber, naja- ich kann ja gucken… so von hier aus… ob der Mensch Recht hat oder nicht, ob das was mit mir zu tun hat oder nicht…“

In Kombination mit vielen anderen Situationen/ Umständen in denen der Mensch dann Recht hatte und etwas aufgezeigt hat, was tatsächlich mit uns allen zu tun hat, gab es dann langsam eine Entwicklung dahin, dessen Ansicht anzunehmen. Mindestens einfach erst mal so hinzunehmen und für sich zu überprüfen.

Das war dann zum Beispiel der Hinweis an ein Innenkind, das keine Schmerzen empfindet und entsprechend halsbrecherisch auf der Couchlehne herumturnte oder „mal eben so“ eine Luftrolle vom Bett runter machen wollte, vorsichtig zu sein, weil es selbst zwar keinen Schmerz fühlt- die anderen Innens aber schon (vom Schaden am Körper, der uns alle beherbergt einmal ganz abgesehen). Oder auch der Hinweis an eine junge Frau die uns Innens „aushungern“ wollte, dass die Innens ein Teil von etwas sind, das zu ihr gehört und nichts direkt mit dem Körper zu tun hat (sondern mit etwas, das eben durch den Hunger zwar beeinflussbar- aber nicht wegmachbar ist). Der immer wieder kommende Hinweis auf die Weiblichkeit des Körpers, der Hinweis auf die Biographie, der Hinweis auf die Konfektionsgröße… (Eines Tages stand Frau Rosenblatt dann tatsächlich mal im Schuhladen und ließ sich Schuhe zeigen, die von etwa 5 jährigen Kindern getragen werden und hielt sich diese neben die eigenen Schuhe. Sie machte ein inneres Foto davon und holte sich das immer mal wieder ins Bewusstsein zurück.)

Die MittelBÄÄÄMs konnten von ihrer Sicht erzählen, mal hier was fallen lassen, mal da was erwähnen. Ein direktes Gespräch hat keiner von ihnen gesucht, bis zu dem Moment in dem sich der verbündete Mensch dann mal darüber aufgeregt hat, immer nur so Fetzen zu hören und nicht zu wissen, vom wem von uns die denn nun kommen. Gut- man muss sich nicht gleich darüber aufregen, aber irgendwie war es schon gut auch zu merken: „Ah okay das ist jetzt hier nicht nur so therapeutenlike- blablabla- Plattitüde: „Es interessiert mich, was sie zu sagen haben- aber eigentlich will ich nur hören, was ich hören will, ihnen gegenüber aber nicht sage. weil ich weiß, dass…“ (Sorry- liebe Helfer- aber manche von Ihnen machen das echt so und sind grotte wenns darum geht, genau das zu verstecken), sondern der Mensch da will es echt hören und wissen und verstehen- Wooooaaa!“.

Unterm Strich geht es also um den Bereich der Selbstwirksamkeit und einander kennenlernen, wahrnehmen, etwas über „die Anderen“ zu erfahren.
Wenn jemand merken kann: „Was ich tue hat Auswirkungen (auf mich und andere) und es gibt eine Reaktion (die positiv oder eben negativ ist)“ ist der Kreis von Ursache und Wirkung geschlossen.
Wenn ein Innen das nicht klar hat (und das geht nun mal nicht, wenn man vom Leben als Einsmensch vielleicht 10% direkt als zu sich selbst zugehörig empfindend (erinnerbar/nachfühlbar etc.) gelebt hat), dann gibt es für sie auch keinen Grund sich damit auseinanderzusetzen, was in ihrem Leben gut oder schlecht ist. Besser noch- wenn man nicht einmal mitbekommt, DASS man eben nur 10% seines Leben überhaupt wirklich und wahrhaftig erlebt- wie soll so jemand überhaupt auf die Idee kommen, dass es noch 90% Rest gibt?

Um diese Selbstwahrnehmung zu fördern, hilft uns auch bis heute gestalterisches oder handwerkliches Schaffen. Dazu gehören eben das Gewerke hier, das Tagebuch, der Blog, die Foren… alles wo wir Spuren lassen. Oder eben auch ganz schlichte Aktivitäten mit anderen Menschen (Wobei- einen Abstrich mache ich da: Solche Gesprächsgruppen, zum Beispiel in der Klinik, helfen nur bedingt- irgendwie ist das immer so etwas, dass so diese Anpassungsschiene an schiefe Sozialkonventionen verstärkt. Heißt: Es tauchen da Innens auf, die das Setting und die Themen aushalten können und der Rest von uns hat keine Chance irgendwas Neues zu lernen oder einfach so wahrzunehmen. Es ist ja immer das Gleiche- wie beim Straßenbahnfahren: Hingehen sitzen, Oberflächenblabla machen und wieder weggehen. Ich weiß nicht- entweder machen wir da immer irgendwas falsch oder das ist einfach irgendwie nur genau für sowas da.).

Naja und dann die Umsetzung.
Wir haben damals irgendwann mit diesen Innens, die immer nur gute Dinge mit den Menschen früher erlebt haben, einen Pakt geschlossen, dass wir einander einfach so stehen lassen und uns für einander aufmachen, wenn keiner mehr bei uns Angst hat. Also so nach dem Motto: Wenn hier richtig Ruhe und Sicherheit für alle ist (und so, dass das für alle auch als Ruhe und Sicherheit gefühlt ist), dann versuche ich deine guten Erlebnisse zu begucken und du versuchst meine schlimmen Erlebnisse zu begucken. Versprochen für alle! Aber erst mal- guck hier ist jemand der noch richtig schlimme Angst hat und guck mal der da, dem gehts auch noch sehr schlecht… Lass uns die mal irgendwie erst versorgen…“. Dadurch, dass wir damals richtig viel in Kontakt mit einer Außenperson waren, konnten sich beide Seiten sicher sein, dass auch noch jemand anderes bemerkt, wenn jemand von uns in Not ist, wenn wir gerade (noch) dafür blind sind, so dass dieses gegenseitige Versprechen auch auf einer Basis stand. Und wir hatten ja nun langsam auch gelernt, wie man sich um einander kümmern kann. Wie man mit Angst einigermaßen zurecht kommt, was „sich etwas Gutes tun“ heißen kann, ohne, dass hier gleich die VERBOTEN-Schilder hochknallen und so weiter.
Nebenbei wurde ja auch durch gerade diesen Kontakt (und auch den Kontakt mit den Helfern und Therapeuten) gezeigt, dass Zuneigung, Fürsorge und Interesse nicht bei allen Menschen in der Anzahl der Schläge oder im Ausmaß des Schmerzes gemessen wird. Das war für die Innens, die vorher so dachten sehr wichtig (und neu und gruselig und erst mal konnten sie das gar nicht glauben und mussten das austesten und ach ach ach).

Dies war eine Entwicklung, die so nebenher mitten im Beieinander- Miteinander sein (und in der Tagesklinik) passiert ist.
Man hätte sich in der Zeit noch eine Million mal vor uns stellen können und diese neuen Wahrheiten kopfisch in uns einbringen wollen.
(Ein Buch und du hast diese Wahrheiten kopfisch in dir- aber um den Kopf gehts bei sowas nicht- auch eine Schleife von der wir aber bis heute nicht so wirklich kuriert sind *räusper*).
Die Versuche sich von den gewaltvollen Täterkontakten zu lösen sind so lange gescheitert bis es genug Innens für einen tragfähigen Pakt gab. Wir hätten niemals das Angebot des verbündeten Menschen annehmen können, um bei ihm unterzukommen und hätten die Zeit danach ebenfalls never ever- egal wie isoliert und technisch abgesichert und haste nicht gesehen- man uns untergebracht hätte, auch nur einen Tag so überstanden, wenn wir innen nicht soweit gewesen wären, dieses Ziel (Angstfreiheit und Sicherheit und Ruhe für alle, damit man einander irgendwann zeigen (und anerkennen) kann, was man (üb)erlebt hat) miteinander tatsächlich erreichen zu wollen.

Das braucht Zeit.
Geduld, Kraft, Hoffnung, Mut, innere Überzeugung auf allen Seiten, dass das schaffbar ist; immer wieder Resilienz ohne Ende, wenn es zum x-ten Mal zum Kontakt kam und man zum x-ten mal denkt, es nicht zu schaffen und sich zu fragen, wozu man das Ganze eigentlich macht und natürlich braucht es das auf allen Seiten. Nicht nur wir mussten das aufbringen, sondern auch der Mensch an unserer Seite.
Ziele zu haben, die alle betreffen und die auch viele als genau solche empfinden, hat sich für uns, als ziemlich schwierig herausgestellt. So blieb erst mal nur der benannte Pakt und anderes wurde als „optionale Ausschmückung“ nebendran geheftet.

Ich weiß bis heute nicht, was für (gute oder auch schlimme) Erfahrungen manche Innens gemacht haben, die sie bewegt haben mich bei dem Kraftakt „Gewaltkontakte beenden“ zu unterstützen, weil sie sie mir irgendwann zeigen dürfen. Aber ich weiß, dass ich jetzt immerhin eine reale Chance darauf habe, was ich vorher nicht hatte. Dafür hat es sich bis jetzt gelohnt und war für uns auch „den Schmerz wert“.

Fortsetzung folgt

*Ja uns gehts echt schlecht zur Zeit. So schlecht, dass wir das „schleichendes Sterben“ nennen.

fertig geschlafen

“Wow, seht ihr scheiße aus!”
Sie hebt die Augenbrauen und mustert mich mit einem Blick in dem sich Erstaunen und Mitleid paaren.
“Wow- dass ich wenigstens noch die Klinke jener Tür in der Hand hab, mit der du ins Haus gefallen bist!”, höre ich meinen Kopf denken.
– “Komm rein, ich bin gleich fertig, dann können wir los.”, höre ich meinen Mund sprechen.

“Bist du sicher, dass ihr überhaupt in der Lage seid, jetzt ne Wanderung zu machen? Wann habt ihr zuletzt geschlafen?”, sie geht durch in die Küche und begrüßt die freudige NakNak*. Ich versuche zu rekonstruieren und scheitere. Jetzt meine Listen und Zettel der letzten Tage durchzugehen, würde die Frage beantwortbar machen, aber es sind einfach zu viele und manche sind alles- außer lesbar oder verständlich.
Es ist sowieso offensichtlich, dass es schon wieder eine ganze Weile gegeben haben muss, in der sich niemand weiter um den Körper gekümmert hat, als bis zur Dusche.

Rigoros schiebt sie die Papier- und Bücherberge auseinander, die unseren Küchentisch bedecken. “Wahnsinn, was ihr für ein Chaos verbreitet, wenn die Frontfrau nicht da ist- Hammer! Soll ich dir mal grad helfen?”.
– “Äh… öhm… ich dachte… Hund…?”
”Schatz- hier siehts aus wie bei Messiehempels unterm Sofa und guck dich mal bitte an- du kippst mir sowieso nur wieder aus den Latschen.”, sie fängt an die Bücher zusammenzuklappen und zu stapeln. NakNak* und ich sitzen auf der Eckbank und gucken dumm. Ziemlich überrumpelt und plötzlich irgendwie selbstentkernt.
Innen motzt es: “Ein Mal! Ein einziges Mal, bin ich ohnmächtig geworden und jetzt schmiert sie mir das aufs Brot, als würde das dauernd passieren!”.

Ich schaue der Gemögten zu und verpasse irgendwann den Anschluss. Sie erzählt etwas von ihrem Studium. Psychologie. Menschenseele ausrechnen.
Irgendwo winkte mir das letzte Wort zu, ohne auf eine Reaktion von mir zu warten.
Es ist ein Schweben in weißer weicher Watte. Da ist nichts, außer dem sachten Wogen des Atems, der wie ein Dauerton jede Faser durchdringt.
Alles ist weg. Die Angst, die Sorge, die Gedankenschleifen. Sogar das dröhnende Dauer
BÄÄÄM.

“Hey, Du weinst ja.”
-“Nich verraten bitte.”, ertapptes Zusammenzucken.
Panik bricht sich seine Bahn.

Und plötzlich beginnt ein Dialog, der mich zwischen Watte und Bewusstsein festlötet.
Ich will das alles gar nicht hören. Diese giftige Kinderangst, dieser Schmerz, diese Realität, diese Zeitverschiebung, dieses Gefühl in einem Körper zu stecken, der 3 Nummern zu groß ist.

“Du bist ganz schön müde, ne?” Sie guckt in meine Augen. Total direkt und es ist, als würde alles von mir abplatzen. Abgeschält offen und bar jeden Schutzes bin ich da, obwohl ich gar nicht da bin. Es ist ein Gefühl von Nacktheit, das nichts mit meiner Kleidung zu tun hat.
Wie an einem Scharnier befestigt, wird der Kopf zum Nicken gebracht. Der Atem versucht verzweifelt den ganzen Heulrotz in der Nase zu lassen. Was für ein Kampf, um ein bisschen Rest Würde.

Ich weiß nicht, wieso wir auf dem Boden sitzen. Wieso ich es nicht einmal mehr schaffe, mir selbst das Gesicht abzuwischen, aufzustehen und mir trockene Unterwäsche anzuziehen. Es geht einfach nicht. Diese Watte lässt das Falsche durch.
Ich spüre ihr Mitgefühl, ihre Fürsorge, meinen Zerfall, meine einfach nur abgrundtiefe Erschöpfung.

“Komm, ich helf dir, ja?”
Was ist meine Passivität- mein “mich nicht gegen ihr Handeln wehren” jetzt? Ist es das Eingeständnis, wie dringend wir auf Hilfe von außen angewiesen sind? Das Zugeben, dass wir nur noch ein Haar breit vor dem totalen Zusammenbruch stehen? Oder das früher so oft vorgeworfene “sich fallen lassen und Verantwortung abgeben”?
Sie hilft mir beim Umziehen, als wäre ich einer der alten Leute, die L. noch bis vor Kurzem an- und ausgezogen hat. Sie hält mir ein Glas an den Mund, wie W. es noch bis vor Kurzem bei den kleinen Kindern gemacht hat. Und ich?
Ich lasse sie einfach machen. Mache einfach mit. Überlasse mich ihr.

Sie bringt uns ins Bett, sitzt daneben und ist einfach da. Es dauert nicht lange, vielleicht 2 Minuten und wir schlafen ein. Endlich.

Sie nimmt NakNak* mit auf eine Hunderunde, macht den Abwasch, schmeißt eine Ladung Wäsche in die Maschine, kocht Suppe für drei Tage, fegt die Wohnung durch, leert den Briefkasten, bringt den Müll raus.

Sie bleibt die ganze Zeit unserer ersten Schlafetappe von 6 Stunden und entscheidet sich erst dann gleich bei uns zu übernachten. 313705_web_R_by_slicer_pixelio.de
So schaffen wir es zum ersten Mal, seit August letzten Jahres, zu schlafen, bis wir wirklich ausgeruht sind. Natürlich nicht, ohne ein Echo des Hasses und der Strafen aus dem Innern. Natürlich nicht, ohne, dass sie sagt, es sei doch selbstverständlich zu helfen und keinen besonderen Dank nötig machend. Natürlich nicht, ohne, dass ich mich in Grund und Boden schäme und fühle, wie sich ihr angeboten werden will.

Aber, aufzuwachen, weil man fertiggeschlafen hat. Das Gefühl, dass jemand über den Schlaf wacht…
Das ist ein Gefühl, für das sich dieser Tausch irgendwie doch gelohnt hat.

Marienkäfer flieg

“Schhhhh beruhig dich… atmen… Schhhhh Schhhhh Schhhhh… hm? Wir sind jetzt zu Hause… es ist okay. Schhhhh… Ich bin da…”

Sie klammert sich an meine Schwungfedern, streift die Jacke ab und lässt alles im Flur fallen. Das rasende BÄÄÄM aus dem Hintergrund schwillt noch mehr an.
”Schhhhh es ist okay… mach ruhig… ich bin da…”

Sie schaut mich an. Blaugrau angelaufen.
Sie erstickt an Wort und Gefühl. Der Mund ist zugenäht.
”Es ist gut. Du kannst es schreiben. Schhhhh… atmen… ich bin da… ich passe auf, dass dich niemand stört… es ist wirklich gut…”

Sie greift tiefer in meine Federn und drückt ihren stachelbewehrten Rücken an meine Brust, tippt wie wild auf die Tastatur des Laptops ein. Atmet mit jedem Wort freier und nimmt ihre üblich rosige Farbe an. 486459_web_R_by_Péronne vd Ham_pixelio.de

Hier in meinen Dunstkreis dringt kaum etwas von den BÄÄÄMs ein. Sie ist sicher. Sie kann einfach schreiben schreiben schreiben. Ausdrücken was sie nicht sagen darf. Der Moment des Erschreckens über die Wortmalerin, die ihr in die Glieder fährt, um die Worte zu sortieren, ist nur kurz. Die Erleichterung hingegen nachhaltig.

“Komm her mein Herz, du darfst hier bleiben. Es ist gut…”. Ich summe ein Lied und bringe sie in Ruhe zwischen meine Daunen.
Es fühlt sich seltsam an. Sie ist so groß. Aber es geht.

Ich sehe die Frontfrau durch die Wohnung stolpern. Ordnung schaffen, den Hund füttern, alles gerade biegen. Alles ist perfekt und dann bemerkt sie das Marienkäferkostüm, die schwarzen Rinnsale, die von ihren Wangen laufen.

Ich versuche sie zu streifen. Ich denke, vielleicht kann sie mich fühlen und zufassen. Vielleicht… sie ist ja auch ein Herz, vielleicht könnte sie auch… Doch sie ist noch nicht genug. Ein Hauch und sie schießt auseinander.

Da sind sie wieder.
Die Schritte.
Das Kleine hat nicht die Kraft zum Weglaufen, es kriecht unter den Küchentisch und wird doch wieder darunter hervor gerissen.

Ich summe. Für mich. Halte aus, aushalten zu müssen, Zeugin zu sein. Warte. Bange. Verschließe meine Ohren. Wieder. Plustere mein Gefieder auf.

Es krabbelt unter die Essbank.
Wieder wird NakNak* zur Wächterin. Aufmerksam und betont desinteressiert.

Ich lande in dem Leben, dass ich beobachte. Ich merke das Kleine auf meinem Rücken. Spüre wie es sich von der kleinen Starken streicheln und mit meinen Federn bedecken lässt. Ich kann es fühlen.

Ich hieve den Körper aus dem engen Eck.
Streiche die Farbe aus dem Gesicht, streiche über die Verletzung, streiche über die Kleidung zur Nacht. Würde gern das Kleine streicheln.


Marienkäfer flieg
in dir da herrscht Krieg
Rettung liegt in deiner Hand
deine Hand wird abgebrannt
Marienkäfer flieg


Es gibt einen Frontgänger, der seine Besuche in der Universität “die tägliche Kelle Weisheit fressen” nennt.
Ich habe auch Hunger.

Ich hätte gern eine große Portion Hoffnung.

Akut oder nicht? oder: Hilfe schmerzt

Wir stehen vor der Frage ob wir einen Mediziner aufsuchen oder nicht. Und wenn ja- wie wir die Frage beantworten, ob es akut ist oder nicht. Ob (schnelle) Behandlung nötig ist oder nicht.

Und stehen damit sofort schon wieder vor dem Problem, die Themenfelder darum herum nicht sortiert zu bekommen, um die Frage richtig zu beantworten. Wieder klaffen innen und außen komplett auseinander und erscheinen kaum vereinbar.

Das Schmerzempfinden ist die meiste Zeit des Tages “abgeschaltet”. Die Alltagsinnens empfinden entweder schlicht keinen, schweben die meist Zeit eher neben dem Körper oder sind einfach nur Kopf/ Muskel/ Bewegung/ Reizempfänger- nicht der Rest des Körpers bzw. mit ihm verbunden.

Das war früher sinnig und in Anbetracht der Selbstverletzung bis jetzt, ist es das auch noch heute.

Das Problem ist, dass man so auch schnell blind für ein Leiden wird. Nicht weil man unaufmerksam ist oder weil man keine Heilung will- sondern weil ein grundlegendes Definitionsmerkmal fehlt: eine Belastung oder Einschränkung (durch Schmerzen in diesem Fall) derer man sich bewusst ist.

Wir haben es bis heute nicht geschafft, auch nur eine Erkrankung dann wahrzunehmen, wenn sie nicht schon dramatisch ist. Von der Blasenentzündung bis zum Ohrinfekt, Zahnprobleme die “plötzlich” zu Kieferproblemen wurden und “so komisch abstehende Zehen”, die sich als gebrochen herausstellten. Alles schon gehabt. Nie provoziert oder selbst zugefügt. Einfach nur mitgenommen, so wie jeder Mensch mal einen Infekt oder eine Verletzung mitnimmt und dann, einfach nicht bemerkt. Und erst dann eine Belastung erfahren, als es bedrohlich wurde.

Ja, man wundert sich zwischendurch mal, warum das Innen instabil ist. Natürlich fragt man sich, wieso dieses oder jenes Innen plötzlich öfter im Alltag auftaucht oder einfach näher unter der Oberfläche fliegt. Und ja, kurz denkt man auch darüber nach, dass eine körperliche Erkrankung der Grund sein könnte. Doch der automatische Selbstcheck sagt ja “Nö- hier ist alles tutti”, also schreitet man auch nicht zur Überprüfung- zumal selbige auch schon wieder nur dann funktioniert, wenn es einen Wechsel gibt zu denen, die das überhaupt so aushalten mit dem Körper konfrontiert zu sein. Und das schaffen wir nicht ohne Bedrohung.  (Sidestep: Sinn der DIS- Wechsel aufgrund von Notwendigkeit- nicht von Bequemlichkeit oder aus Gründen der Praktikabilität)

Für uns ist es also schon ein Akt bis es ein breites Bewusstsein um Erkrankungen oder Verletzungen gibt. Das gilt auch für die Folgen von Selbstverletzungen, bei denen inzwischen noch andere Dinge mit hineinspielen.

Viele Aspekte des selbstverletzenden Verhaltens hier, sind längst nicht mehr wie früher dem Unterbrechen von Depersonalisation oder dem Zeigen von Verletzlichkeit und dem “Verletzt worden sein” dienlich. Diese Funktion erfüllen nun Sprache und Skills, die wir so gut es geht einsetzen und nutzen. 63965_web_R_by_stefane_pixelio.de

Inzwischen geht es ausschließlich um Wiederholungen und das als zwingend wahrgenommene Weiterführen von Handlungen, um Verhaltensmuster und/ oder Funktionen innerhalb früherer Sozialbezüge zu sichern und aufrecht zu erhalten. Und sei es als Absicherungs/Stabilisierungselement für Innens [BÄÄÄMs] die sich abhängig davon sehen.
Diese Verletzungen dürfen- gemäß der Werte jener Sozialbezüge oder auch im Rahmen des Zwangs- gar nicht als belastend empfunden werden, sondern als Warnung, als Auszeichnung, als Bestätigung einer Demütigung oder als Zeichen der Macht welche den (inneren) Tätern nachwievor obliegt.

Wenn man zum Arzt geht hingegen, dann tut man das nicht, weil man unter einer Auszeichnung  oder einer “zu Recht” empfangenen Strafe leidet, sondern, weil man unter einer Belastung/ Einschränkung leidet.
Das heißt, man muss seine Versehrung umdeuten.
Man muss verleugnen, was war und sagen, dass man eine Belastung erfährt- obwohl  man es vielleicht gar nicht tut. Oder unter der Konfrontation mit der Leidensdefinition des Arztes zu zerfallen befürchtet.

Für uns heißt das gleich wieder mehrere Punkte
– Lügnerin (eigentlich schon wieder Rechtfertigung für alles)
– Abtrünnige (ja- stimmt- was soll man dem entgegensetzen?!)
– Weichpitti (schon klar- nur die harten , die sich nicht anstellen…jattata jattata…)
– Diebin (nimmst Hilfe, die du nicht haben darfst)

Großartig.
Und wieso sehen wir uns gezwungen überhaupt zum Arzt zu gehen?

Da ist zum einen die Ärztin in der Ambulanz, die auf mich eingeredet hat, als könnte ich meine Organe eigentlich schon jetzt zur pathologischen Begutachtung da lassen und zum Anderen die Vereinbarung mit der Therapeutin, ärztliche Hilfen in Anspruch zu nehmen, sobald diese nötig erscheinen.

Über das Stadium in dem wir uns aus solchen Absprachen herausschlängeln, in dem wir die Frage aufwerfen: “Sobald diese nach wessen Definition notwendig erscheinen?”, sind wir eigentlich schon mal hinweggewesen.

Aber jetzt ist es wieder da.
Vielleicht nicht mal nur so als Vermeidungstanzelement, weil wir Angst vor der Bewertung der Ärztin haben und dem Moment der Scham entgehen wollen, sondern tatsächlich als tiefe Frage.

Die aktuelle Selbstverletzung zentriert sich auf einen Punkt, an dem Vergangenheit und Zukunft Hand in Hand gehen. Da geht es um unglaublich viel Macht und viel Druck diese zu behalten und zu nutzen.
Genauso aber, wie es auch noch immer ein bisschen in der Therapie darum geht.

Es ist eine Synchronizität, die so nicht gezielt passiert ist, sondern sich jetzt eben so darstellt und es ist die gleiche wundergut-fantastischlimme Grätsche der Hilfen.
Es ist gut, dass wir sie annehmen könnten. Dass, das in “der Welt der Anderen” einfach annehmbar wäre und auch die Schamgefühle und so weiter erlaubt und akzeptiert wären bzw. man eine Erlaubnis und eine Akzeptanz selbiger einfordern dürfte. Ja, das ist toll.

Doch wo sind wir?
Unsere Welt von früher- die in uns nachwievor weiterlebt und genauso grausam, wie doch aber logisch nachvollziehbar ist, passt so überhaupt nicht dazu.
Und wo- außer in mir selbst- werde ich jemanden finden, der mich davor bewahrt an meiner Versehrung zu sterben, ohne einen Frevel zu begehen?

Das ist als würde ich einen Arzt suchen, der meinen Körper behandelt und mir anschließend ein Bein absägt.

Oder eben eine Therapeutin, die hinnimmt, dass ich an einer Sepsis sterbe, noch während sie mir hilft, die ursächlichen Verletzungen zu verhindern.

Es ist ein Patt.
Und eigentlich gibt es wieder keine Gewinner.

Es ist klar, dass der Arztbesuch in jedem Fall furchtbar für uns wird. Egal, wie gut wir uns vorbereiten oder lieb begleitet werden und auch egal, welche Diagnose oder Behandlung am Ende vor uns steht.

Und es ist klar, dass allein der Umstand diese Hilfe an Anspruch genommen zu haben- obwohl es noch nicht einmal von uns aus und wirklich freiwillig passierte, erneut eine Selbstverletzung zur Folge haben wird.

Genau wie in Bezug zur Psychotherapie.

Manchmal denke ich, wir laufen durch ein Spiegelkabinett. Es sind immer die gleichen Dinge. Immer ist eigentlich schon alles glas-klar. Doch dann schaut man genauer hin, nimmt die Unterschiede wahr und jedes Wissen wird abhängig von einer Übereinstimmung der Definitionen.

Oder Chance eines Konsens der so utopisch erscheint, dass er zum heiligen Gral wird.
Zum Therapieziel.

Vielleicht
zum einzigen Grund des Überlebens derzeit.

ein paar Fragen an mich, als “multiple Persönlichkeit”

Es ist mir eine Freude etwas hier wiedergeben zu dürfen.
Dies ist ein (leicht bearbeiteter) Mitschnitt von einem Austausch mit einer Leserin dieses Blogs. Ich werde sie im Folgenden “Martha” nennen.

Es begann damit, dass wir den Sendungsausschnitt von Frau TV, in dem die multiple Frau Liza von sich erzählt, gemeinsam anschauten.
Für alle, die ihn noch nicht kennen: hier kann man ihn sich ansehen.

C. Rosenblatt: Ich finde den Begriff „Persönlichkeiten“ immer so irreführend … das werd ich irgendwie auch mal noch aufnehmen im Blog
Martha: Oh, ich würde gern wissen warum ?
C. Rosenblatt: Weil die Innens keine Persönlichkeiten an sich sind. Also bei keinem Multiplen. Also klar- jetzt halt die Frage „Was ist Persönlichkeit?“ Es ist ja so, dass jeder Mensch irgendwie Abneigungen, Vorlieben, Begabungen und seine „Macken“ hat-  sein Sein halt einfach
Martha: Ja.14519_web_R_by_danii_pixelio.de
C. Rosenblatt: Okay. Nehmen wir mal eine Discokugel. Wenn man sie sich genau anguckt besteht sie aus vielen Spiegeln. Das coole Glitzern kommt von den Lichtstrahlen, die jeweils einzeln reflektiert werden. Bei nicht multiplen Menschen könnte man sagen- da gibts keine kleinen einzelnen Spiegel, sondern so ineinander fließende Dellen, Beulen und Huckel- manchmal auch Risse. Wenn eine Lampe draufleuchtet, wird nicht die ganze Kugel jeweils zurückreflektieren, aber auch nicht nur ein minikleiner Teil davon
Martha: Ja.
C. Rosenblatt: Bei Multiplen ist es so, dass eine Lampe auf so eine aus vielen Spiegelteilen (die jeweils voneinander getrennt sind) leuchtet und nur diese reflektiert. Das heißt, es ist ein Anteil der Gesamtpersönlichkeit der dort wie autark aussieht- es aber nicht ist.
Martha: Wow. Gut erklärt. Schreib das. Das ist wirklich nachvollziehbar- ich mein das ernst
C. Rosenblatt: Okay wow
Martha: Ich bin ja nun eine dellige beulige Huckelkugel und ich versteh’s
C. Rosenblatt (ein in sich freudig hopsendes Innen spürend): ^^
Martha: Und es macht auch Sinn…weil bei mir an manchen Stellen def. große Risse sind. Da wo der böse Mann war. Ja. Nein du zuerst
C. Rosenblatt: Hm- ich wollte nur einwerfen: Ja und da, wo so ein Splitter ist, da so am Riss- da würdest du ja auch nicht von dir sagen, dass das eine andere Persönlichkeit ist. Da fehlen einfach so ganz viele Aspekte, an denen man gemeinhin „Persönlichkeit“ festmacht.

Das ist zum Beispiel auch ein Punkt, der die Therapie und die Kommunikation so schwer macht. Es ist schwer für Menschen ohne DIS die Flachheit seines Gegenübers zu erfassen. Also wenn ich etwas sage, dann meine ich auch nur genau das- ohne große Emotion oder Intension. Manche Menschen sagen mir aber trotzdem, nachdem ich ihnen etwas erklärt habe, dies sei eine tolle Begabung oder ich wäre ja so lieb, ihnen das zu sagen. Ich bin aber weder lieb, noch begabt. Ich gebe einfach eine Information weiter.
Dass mir eine Dimension fehlt im Erleben, ist mit so ein Knackpunkt an der DIS. Und deshalb mag ich auch den Blog so. Es ist ein flaches Medium- ich wirke „dicker- globaler“ als ich bin und komme so leichter in Kontakt.
Ich bin jetzt fertig 🙂

Martha: Ok, da würde ich gern einhaken hehehe
C. Rosenblatt: Okay
Martha:  Also: wenn zum Beispiel Leute dir sagen, du wärst so lieb ja…dann gibt /gab es ja eine Interaktion und das ist einmal die Dimension der Person, die dich als lieb interpretiert und deine.
Erstmal hat natürlich eine andere Person das Recht auf ihre jeweiligen Gefühle und Eindrücke…es kann also schlicht bedeuten…du warst lieb zu mir, das hat sich wohlig angefühlt, stimmig…dieses Gefühl gehört dann der Person…unabhängig davon, ob du diese Intention dabei hattest oder eben nicht, wie du sagst.
Dann bist da du. Du hast dieses Gefühl eben nicht in dem Moment, sondern warst schlicht ganz und gar Informationsträger und Weiterleiter…hab ich das soweit richtig verstanden ?
C. Rosenblatt: Ich habe diese Gefühle nie. Sie sind schlicht nicht in mir drin. Also das ist so… hm… wie eine kartographierte Discokugel- ich bin ein kleiner Spiegel der ganz weit weg und durch viele Barrieren von dem Bereich der Gefühle getrennt ist. Aber zum Beispiel ein anderes Innen „sitzt“ vielleicht direkt in mitten dieses Gefühlsbereichs und kann ausschließlich diese Gefühle reflektieren- aber nicht das wo ich draufsitze (Ratio) Dieses Innen kann (eigentlich fast ausschließlich) lieben und mögen- aber nicht sehen, ob das schlau ist
Martha: Ja. So habe ich das auch verstanden. Als Abgetrennt-Sein.

Stehst du dann mit dem jeweiligen Innen (um beim Beispiel zu bleiben hier mit jenem, das gerade liebt und mögt) im Kontakt oder kannst zumindest versuchen, Kontakt herzustellen und ist das von Fall zu Fall verschieden ?
C. Rosenblatt: In der Regel haben wir keinen Kontakt. Aber zum Beispiel werden die Aussenpersonen manchmal zu sowas wie einer dieser „Ums Eck“-Spiegel. Zum Beispiel in der Therapie die Therapeutin oder Gemögte im Alltag, die viel mit uns zu tun haben.Zum Beispiel hm.. ich erkläre gerade etwas und das Gegenüber sagt oder fragt oder macht etwas, das ein bisschen Licht über die ganzen Sperren bringt und das andere Innen auch anleuchtet. Dann nimmt die Aussenperson manchmal etwas wahr und meldet es mir zurück (z.B. Du weinst ja- bist du traurig?)
Ich kann dann versuchen nachzuvollziehen, was wohin geleuchtet hat und so dann sehen: Aha es kommt von Innen XY. Und manchmal ist es auch so, dass ich etwas merke- aber das Gegenüber nicht. Dann sage ich: Oh, ich merke, da kommt gerade ein Herzklopfen und ein Zittergefühl in den Muskeln (oder: Ich merke da ein Innen, “hinter mir”) und das Gegenüber kann mir helfen, indem es mir hilft einzuordnen was das ist (z.B. Angst) und mit mir reinleuchten, wo es her kommt
Martha: Verstehe.

Weißt du eigentlich wie viele Innens und bämms (sind das eigentlich auch Innens, spezielle Innens?) du hast ? Falls nicht, ist es wichtig rauszufinden wieviele es gibt?
C. Rosenblatt: Also die BÄÄÄMs sind Täterintrojekte und täterloyale Innens. Eigentlich sind sie Innens wie wir alle. Aber dadurch, dass sie so bedrohlich empfunden werden und (also die Introjekte) ganz genau den Tätern nachgebildet sind, bilden sie eine eigene Gruppe für sich. Wir sind heute nur  noch XYZ Innens (als “ganze Innens”), und hm, zu wissen wieviele es gibt, ist eigentlich (ganz streng genommen) irrelevant. Wichtig ist nur zu wissen, wer bzw. was alles da ist. Das ist zumindest unsere Erfahrung. Es gibt ja noch ganz viele Zwischenstufen auf dem Weg zu Heilung. Da werden aus einzelnen klar umrissenen Innens irgendwann einfach so „Huckel und Dellen“ und so. Wenn man dann immer so eine Zahl im Hinterkopf hat, stelle ich mir das kontraindiziert vor.  Es schürt eine Angst zu sterben oder zu verschwinden
Martha:  Ja, das ist nachvollziehbar.

Liza hat ja gesagt, sie händele all das wie eine innere WG. Hast du auch so ein Bild  oder passt das nicht für dich?
C. Rosenblatt: Das passt nicht für uns. Wir haben mal für die Therapeutin ein Bild gestaltet in dem wir den „Ecken“ innen so symbolisch gezeichnet haben. (Also die BÄÄÄMs wohnen zum Beispiel in einem furchteinflößendem Gebäude mit Wassergraben und hohen Mauern das dauernd brennt, der Schwan wohnt in einer besonders sicheren, warmen Umgebung, manche Prä-Teenie-Innenkinder in so einer Höhle… ) Wir sagen einfach immer „das Innen“ und benutzen Metaphern für die „Umgebung“/“die Gefühle“ um die jeweiligen Innens herum. Früher haben wir auch mal diese „Hausgemeinschafts-Metapher“ verwendet, doch sie passt nicht, weil manches einfach zu sehr auf der Metaebene ist. Da geht das Bild zu schnell dran kaputt.

Martha: Du sagst, ihr habt keinen Kontakt zueinander…wie kommuniziert ihr ? Geht das dann immer nur mit einer spiegelnden Außenperson ?
C. Rosenblatt: Nicht nur. Es ist am Effizientesten (da mehrere Ebenen „bedient“ werden), aber wir schreiben eigentlich ständig etwas auf, was gerade aufwallt oder irgendwie wichtig erscheint. (Zettelwirtschaft Aaaah!) Und so ist dann das Papier ein bisschen Außenspiegel. Und manche Innens haben auch so Kontakt- manchmal sind die nicht so stark von einander getrennt oder- so wie der Schwan ein Innen ist, das „auf der Spitze sitzt“ und über viele Trennungen hinweg schauen kann und so Kontakt machen kann.
Martha:  Ja, Zettel hatte ich irgendwie auch im Kopf…alles aufschreiben…macht Sinn.
C. Rosenblatt: Das ist ein bisschen immer so wie bei Rasenlatscherei- je öfter man über die Grenzen hinweg geht, desto weniger Grün wächst dazwischen und desto mehr Austausch geht dann. Das ist dann eben so etwas Gedanken-impulsiges.

Diese Sache mit dem “alles aufschreiben” Das wird meiner Meinung nach, auch oft vernachlässigt in Büchern. Also das wird zum Beispiel in „Aufschrei“ von Truddi Chase erwähnt- zu Anfang- aber dann nie wieder. Wir hatten früher extrem viele Listen und wehe eine war weg- Hölle!
Inzwischen gibt es nur noch ein-zwei- wenn es uns schlecht geht , vielleicht drei, die so nebeneinander her laufen und aber alle nicht mehr stark voneinander abweichen. Aber wir brauchen sie nachwievor wie die Fische zum Leben. Sonst gibt es Chaos.

Martha: Gibt es das längerfristige Ziel die Innens langsam zu Huckeln und Dellen zu machen, oder ist es so, wie es jetzt ist schon gut lebbar? Wenn meine Freundin zum Beispiel sagt, dass sie durch ein Außen (SPIEGEL) drauf gebracht wurde, dass ein BÄMM besonders dominant auftritt gerade…welche Möglichkeiten hat sie jetzt?
C.  Rosenblatt: Also wir haben dieses Ziel definitiv. Unser „System“ war mal fast doppelt so groß wie jetzt- du kannst dir nicht vorstellen wie verstümmelt man existiert. Bzw. wie krass einem die Verstümmelung bewusst wird, je näher man aneinanderrückt. Wir empfinden es als sehr bereichernd- wenn auch beängstigend diese Trennungen weg zu haben. Aber nicht alle Multiple haben das als Ziel.
Manche wollen und brauchen- gerade wenn sie noch Gewalt ausgesetzt sind, oder eine Familie versorgen müssen oder einen Beruf haben der extrem belastend ist (Arzt, Pädagoge,Lehrer…) auch unbedingt noch diese Trennung. Bei denen gibt es den Wunsch nach einem Funktionsmodus und einem Ende der akuten PTBS (die meistens irgendwie am Anfang der Diagnose steht) und wollen dann einfach „funktionieren“ ohne zu leiden. Das ist zumindest etwas, das ich so mitbekommen habe. Ob das ein Zustand ist, der lange hält weiß ich natürlich nicht.

Die Frage mit den Möglichkeiten nach dem dominanten Auftreten des BÄÄÄMs habe ich jetzt nicht so ganz erfasst, glaube ich. Kannst du die Frage bitte anders formulieren?
Martha: Das bezog sich jetzt explizit auf die Situation meiner Freundin…dass da ein Anteil aufgetaucht ist, der an ein Familienmitglied erinnert (also ein BÄÄÄM)…dieser ist nur in ihr Bewusstsein gelangt, weil eine außenstehende Person sie darauf angesprochen hat. Sie hatte vor allem eins: Erinnerungslücken…ihr hat das große Angst gemacht als sie darauf aufmerksam gemacht wurde…welche Möglichkeiten hat sie jetzt aus deiner Sicht damit einen konstruktiven Umgang zu finden ?215236_web_R_K_B_by_S. Hofschlaeger_pixelio.de
C. Rosenblatt: Also jemand schrieb ja neulich schon, ein bisschen „ran zutasten“. Also zu schauen, was genau dieses Innen- oder auch BÄÄÄM das kann ja nur deine Freundin wissen, wo sie dieses Innen einsortieren würde (- nach der Reaktion darauf, denke ich aber, dass es sich um ein Täterintrojekt und damit also ein „BÄÄÄM“ handelt), anleuchten zu lassen oder selbst anzuleuchten.
Nun weiß ich aber nicht wie weit sie schon ist. So wie das klingt, wusste sie noch nichts von diesem Innen und muss sich jetzt erstmal ganz viel darüber erschrecken und schlimm fühlen. Und dann akzeptieren dass es da ist, dann rausfinden, warum es gerade in dieser Situation auftauchte… und bei all dem werden sie und ihre Innens die Mauer dazwischen etwas niedergetreten und können dann einen Umgang mit diesem Innen absprechen. Und wenn das alles respektvoll und im richtigen Maß abläuft, wird das auch klappen.
Jedes Innen, das auftaucht kommt, weil es gebraucht wird. Weil seine Präsenz bzw. die an es gebundenen Handlungsmuster wichtig und sinnig zum Erhalt des Schutzes ist.
Martha: Ja. Das kenne ich ja auch. Das ist grundsätzlich etwas, was alle Menschen entwickeln die von Traumata betroffen sind. Muster. Automatismen. Persönlichkeitsanteile, die die Regie übernehmen. Gewünscht ist eine Kompensation, die das Erleben aushaltbar macht. Die in diesen Moment(en) Sinn mach(t)e und später, wenn die akute Not vorüber ist hinderlich/einschränkend/u.Ä. ist auf irgendeine Art, wenn auch erstmal oft unbewusst weil verdrängt. Ich fand zudem auch einen wichtigen Aspekt in dem Beitrag über Liza, dass all das nur eine gesunde Reaktion darstellt die das Überleben sichert..auf das eigentlich Kranke, das der/die Täter verübt/en…

Hast du manchmal Angst, dass du auch übergriffig sein könntest, irgendwann irgendwo bei irgendwem ? Ich habe diese Angst manchmal…
C. Rosenblatt: Ja.
Obwohl ich inzwischen ziemlich genau spüre, dass es nicht dazu kommen wird, weil es in uns als Gesamtperson (so wie ich sie gerade erahne oder besser gesagt so durch die Rückmeldungen von Außen zusammenstückle) weder eine Neigung zu Sadismus noch zu einer allgemeinen Befriedigung durch Macht über andere Menschen (oder auch Tiere) gibt. Selbst die Täterintrojekte und jene die angeblich bereitwillig anderen Menschen geschadet haben, taten dies, weil sie es mussten- nicht von sich aus.
Das ist zum Beispiel etwas in dem Aspekt der Dimensionalität wichtig ist. Es kann sein, dass ein BÄÄÄM zum Beispiel in einer Situation in dem es von Außen erneut gezwungen wird (oder sich gezwungen fühlt und es keine andere Möglichkeit für das Gesamtsystem gibt, anders zu handeln) etwas zu tun, ganz genauso handelt wie früher und übergriffig wird. Aber sobald auch nur ein einziger Aspekt  deutlich anders ist als früher (und dieses BÄÄÄM in der Lage ist sich zu orientieren in der Zeit), wird es nicht zu dieser Handlung kommen. Das Muster bezieht sich in der Regel auf genau eine bestimmte Art Emotion(s-Befindlichkeitenmischung), Aussensituation und/oder Anspruch von Außen und wird dann quasi abgespult. Fehlt etwas davon oder ist einfach anders eingefärbt, kommt es zwar zu einem „Triggergefühl“ der ordentlich Schlimmes mit sich bringt, aber switcht dann eher zu einem Innen das mit einer Situationsumgebung wie der sich bietenden assoziiert ist.
Also als Beispiel, mussten wir mal im Biounterricht ein Tier sezieren. An sich ist das etwas, dass jemand schon mal machen musste. Dieses Innen stand auch extrem nah „vorn“ kam aber nicht heraus, weil die Grundsituation (Schule, anderes Sozialgefüge, anderes Grundgefühl, Zwang- aber doch Handlungsalternative…) eine andere war. Das Ergebnis war ein „Ahnungsdonner“ für die Person die gerade in der Schule stand und es gab einen Switch zu einem anderen Innen, das weiter entfernt von sowohl dem „Schul- Innen“ als auch dem „Sezier-kundigen- Innen“ war und weder Gespür für die beiden Innens noch Erinnerung an irgendwas von dem hatte, was gewesen ist,
So in etwa verlaufen inzwischen fast alle Situationen die uns in eine real bedrohliche Situation führen könnten. Es ist noch nie passiert, dass ein BÄÄÄM jemanden tatsächlich aus Spaß oder aus eigenem Antrieb verletzte, wie die Täter früher.
Was nicht heißt, dass es keine aggressiven Innens gibt, die sich auch körperlich wehren bzw. verteidigen- aber da stehen andere Sachen hinter.

Hier endet der Teil des Austauschs, den wir gern mit unseren LeserInnen und BesucherInnen teilen. Vielleicht war die eine oder andere Frage ja auch für meine anderen nicht selbst von DIS betroffenen LeserInnen interessant.

Wie immer wird hier kein Anspruch auf Ausschließlichkeit und das Zutreffen der dargestellten Abläufe und Gegebenheiten bei allen Menschen mit DIS erhoben.
Ich weise außerdem darauf hin, dass es sich hier um einen Mitschnitt unter Betroffenen handelt- nicht um einen Austausch unter professionell mit dem Thema arbeitenden Menschen.
Weiterhin geht es hier nicht um die subjektive Wahrnehmung meines Innenlebens sondern um eine annähernde Darstellung der Struktur des Selbigen.