Datensammeln (für einen bestimmten Zweck) ist Stalking

Habt ihr eigentlich verstanden, wie die geplante Vorratsdatenspeicherung eigentlich so funktioniert? Also was das soll und wieso und überhaupt?

Ich hab mich lange gescheut einen Artikel zu schreiben, der offensichtliche Parallelen zu Gewalt in Form des Stalkings, also dem Nachstellen einer Person, gegen ihren Willen und vornehmlich ohne, dass sie es weiß, offensichtlich macht.
Irgendwie dachte ich immer: Naja, die die das mit mir aktuell (und offenbar schon über ein Jahr lang) machen, haben halt Angst. Da gibt es die Not, vielleicht den Zwang mich zu kontrollieren, weil sie Angst davor haben, ich könnte sie (wieder) verletzen.

Außerdem weiß ich: sowohl mein Twitteraccount, als auch mein Blog – so ziemlich jede meiner Aktivitäten im Netz ist offen für alle, die es interessiert. Jede:r kann dort lesen, mit mir interagieren, sich Gedanken darüber machen, wer ich denn so bin.

Öffentlichkeit ist nicht gleichzusetzen mit einer Masse, der ich egal bin, oder die mir wohlgesonnen ist. Öffentlichkeit bedeutet erst mal nur: nicht privat, nicht versteckt, nicht still.
Es bedeutet nicht, dass es okay ist, mir auf eine Art nachzustellen, die bedeutet jedes meiner Worte, jedes Stück Content, in dem ich mich ausdrücke, zu sammeln, um sie im Fall eines “Fehlers” gegen mich zu verwenden.

Während wir in Sachen VDS oft darüber sprechen, wie beschissen es ist, dass unser Rechtsstaat seine Bürger_innen unter Generalverdacht von Straftaten jeder Art stellt, um Überwachung zu rechtfertigen und letztlich durchzusetzen, sind wir bei Stalker_innen, die das Gleiche tun und sich dabei mehr und mehr in diverse Gedanken und Vorstellungen verrennen, die unvorhersehbare Folgen haben können, erstaunlich ruhig.

Zu erklären ist dies wieder einmal mit der Gewaltkultur in der wir leben.
Entsprechend dieser Gewaltkultur stehen viele Deutsche da und sabbeln irgendwas von “Wenn man nix zu verbergen hat, ist es kein Problem” (ha ha) oder “Ja, was schreiben die Leute denn auch alles ins Internet” bzw. “Was machen die Leute denn auch außerhalb von rechtschaffender Arbeit und Freizeitspaß im eigenen Hinterhof noch irgendwas?”
Nun, lasst mich antworten: diese Menschen leben, interagieren, kommunizieren, versuchen sich weiterzuentwickeln, weniger einsam zu sein, manche arbeiten auch übers und manche ausschließlich fürs Internet.

Bei Stalking passiert das Gleiche und wird über bestehende Stereotype von zum Beispiel (cisheterosexueller) (romantischer) Liebe die gesamte Situation verklärt und fehlinterpretiert. „Stalker sind krank vor Liebe“ oder „Stalker sind durchgeknallte Fans“, heißt das dann.
Bei Personen des öffentlichen Lebens, bzw. Personen, die für die Öffentlichkeit zugänglich und sichtbar arbeiten, übersieht man daher oft Personen, die auf eine Art stalken, die nicht mit täglichen Anrufen, Auflauern in der Öffentlichkeit oder allgemeiner: Kontaktaufnahmen allgemein einhergeht.
Was am Ende dennoch gleichsam zu victim blaming (also dem Verantwortlichmachen der Person, die zum Opfer einer Gewaltausübung wurde) führt.. Das sind dann Sabbelphrasen wie: (okay Achtung jetzt kommt ein Knaller) „Wieso schreibst du denn auch ein öffentliches Blog?!“ oder „Wieso machst du denn auch dein Leben so öffentlich?!“ oder „Wieso twitterst du denn öffentlich?!“.

Ah well…
Also ja: ich werde gestalkt – immer noch und von zwar von jemandem, den ich nicht kenne. Also außerhalb des Internet. Ich kenne weder den Klarnamen, noch den Wohnort, noch sonst irgendwas, was dieser Person zu einer Struktur und Konsistenz über ihren Nicknamen in einem Forum, in dem wir gemeinsam aktiv waren, hinaus, führen könnte.
Umgekehrt ist das anders.
Für uns ist es kein Problem gewesen, sich gegenüber jemandem mehr zu öffnen, mit dem man fast täglich schreibt, weil Kommunikation und Miteinander so funktioniert. Auch übers Internet. Es gibt keinen einzigen Grund, weshalb man die Kommunikation in “Netz” und “Echt” einteilen sollte.

Und dann kam der Bruch und damit die Notwendigkeit mich zu kontrollieren.
Unter dieser Notwendigkeit wurde alles, was ich tue, schreibe, öffentlich mache zu etwas, das man sammeln und auf Verdächtigkeiten hin durchsuchen muss.

Der Generalverdacht ist im Fall von (anonymem) Nachstellen (im Netz) in der Regel der, dem Nachstellenden irgendwas zu tun.
Irgendwas wegnehmen, irgendwas kaputt machen, irgendwas unangenehm machen, irgendwas böses tun.
Keine der Informationen, die diese Person je von mir erhalten hat, reichen ihr, mich als jemanden anzuerkennen, den man beruhigt aus seinem Alltag streichen kann. Kein Wort von mir selbst – willentlich, gezielt und ausschließlich an diese Person gerichtet, hat Bestand – weil ich mindestens eine Lügnerin bin, die dieser Person irgendetwas tut. Etwas Schlimmes. Natürlich. Kennt man ja von mir.

Häufig geht es dann beim Akt des “Recherchierens” (the fuck: des stalkens!) darum, die Öffentlichkeit™ vor der bestalkten Person und “ihren Umtrieben” zu warnen, oder im Fall von Konflikten: Beweise über Beweise über “das wahre Gesicht” auffahren zu können. Bei manchen Personen geht es auch darum auf ein Moment hinarbeiten zu können, in dem sie sagen können: “HAB ICH EUCH DOCH GLEICH GESAGT.”, was dann eben auch mit Narzissmus zu tun hat bzw. mit so einem Wunsch nach Anerkennung für all die investierte “Arbeit” und “die Schläue”, sich von niemandem reinlegen zu lassen.

Kennt ihr die Entstehungsgeschichte des Begriffs “die Achse des Bösen”? Oder, um ein eurozentrisches Beispiel zu nehmen: des Ministerium für Staatssicherheit in der DDR?
Es ist das gleiche Strickmuster im Format 1: X  und immer geht es um Macht durch Kontrolle und nicht um Sicherheit durch Solidarität, Miteinander und Vertrauen. Es geht darum etwas zu sichern und zu verteidigen.

Ich denke, der Vergleich sei zu groß. Irgendwie übertrieben, weil … ta daaa: Frau Rosenblatt hat auch ihre Vorurteile, was traumatisierte Personen angeht.
Mein Verstehen der Lage von Menschen, die ihr Leben lang getreten wurden, führt mitunter dazu, dass ich grenzverletzendes Verhalten anders werte, als bei Personen, die ich nicht als Personen lese, die Gewalt erfuhren. Ich entschuldigte auch das Stalking der Person, von der ich sicher weiß, dass sie meine Texte und Tweets liest um sich in meiner Boshaftigkeit, Falschheit, Lügerei zu bestätigen, genau damit, dass sie halt kognitive Verzerrungen erlebt, weil alles in ihr auf Verteidigungsmodus ist. Weil sie, wie ich vermute, (Todes?) Angst hat.

Das Problem damit ist natürlich, dass ich mich über sie stelle – also ganz klar, es ist nicht cool jemandem abzusprechen noch ganz klar im Kopf zu sein, nur, weil si:er Dinge tut, die ganz und gar nicht danach aussehen.
Und es ist natürlich ein Problem, weil ich in das Verhalten der Person etwas hineindeute, das sie mir selbst nicht mitgeteilt hat.

Die Frage ist halt, ob diese problematische Situation gelöst werden kann, indem ich mit dieser Person spreche, wenn doch aber alles, was ich sage in ihrem Kopf als Lüge, List und Gefahr für sich selbst anzukommen scheint bzw. sie sich so verhält, als wäre dem so.
(Hint: nein diese Situation ist nicht lösbar – sie ist nur verschiebbar – siehe: Entwicklungsgeschichte des Begriff “die Achse des Bösen” und “Stasi” )

Was also jetzt?
Ich habe vorhin recherchiert, dass es in jedem fünften Fall von Stalking zu körperlicher Gewalt kommt und jede 400ste Frau* von ihrem Ex-Partner* getötet wird. Außerdem habe ich kurz nachgesehen wie viele Menschen von der Stasi und im “Krieg gegen Terror” ermordet wurden.

Dann habe ich mich erinnert, was ich damals alles in meinen Accounts und auch hier im Blog verändert hatte, nachdem die stalkende Person mir mit irgendeiner abstrusen Mischung meiner Daten und ihren Unterstellungen Angst gemacht hatte und klar war, dass keine wie auch immer geartete Reaktion von mir das klären und richtig(er) stellen kann.

Damals hatten wir noch nicht viel Reichweite hier und schrieben noch einfach so drauf los. Wir beschrieben Krisen, beschrieben, was wir in der Therapie besprechen, schrieben darüber, was wir erinnerten.
Der Blick von einer Person, die mich beim Lügen erwischen wollte, sorgte dafür, dass ich anfing zu lügen. Ich verfälsche Orte, straffe Dialoge, verändere Verläufe. Das Blog von Vielen ist weniger authentisch geworden, ich führe Blogs, die niemand lesen kann. Schweige über Dinge, über die ich früher geschrieben hätte.

“Was schreibst du auch dein Leben ins Internet – bist selber schuld, wenn Leute das lesen und sich Bullshit draus stricken” – wie oft mussten wir uns schon mit dieser Form des victim blaming auseinandersetzen?
Ich habs nicht gezählt, weil ich irgendwann anfing zu zählen, wie oft “Die Opfer müssen sich zeigen!” oder “Die Opfer müssen sichtbarer werden” in Veranstaltungen zu Gewaltprävention und Strafverfolgung von Gewalttaten gefordert wird.
Für uns ist klar, dass wir aus vielen Gründen, die wohlbemerkt nicht alle etwas damit zu tun haben, dass wir uns vor Täter_innen schützen müssen! , nicht einfach ins Fernsehen setzen oder eine Biografie schreiben. Für uns ist das Bloggen, das Twittern, das Einnehmen von virtuellem Raum die barrierenärmste Option um selbst mit dem Thema und der Auseinandersetzung damit sichtbar zu werden.

Wir sind nicht eng verbunden mit “der Betroffenenszene” bzw. der “Multiszene”. Aus Gründen, die auch mit dieser stalkenden Person und eben zunehmender Netzreichweite zu tun haben. Wo können wir uns denn wohl noch offen austauschen? Für wen sind wir denn nicht mehr das Bild, dass sie sich über das Blog oder Twitter oder auch Facebook von uns gemacht haben? Es gibt für uns keine Optionen des breiten Austauschs mehr und außerhalb existenzieller Krisen oder großer Umschwünge leben wir auch einfach irgendwie damit, wie wir früher damit gelebt haben, dass andere Menschen bestimmen, was von uns wie zu lesen ist und welche Auswirkungen das auf unsere Möglichkeiten hat.

Und dann haben wir einen Fehler begangen. Beziehungsweise: unser Kopf, in dem es nun einmal eine DIS gibt und Hals über Kopf stecken wir als Einsmensch in der Scheiße und müssen versuchen das irgendwie zu regeln.
Was gerne vergessen wird in dem Bild von uns übers Blog ist, dass wir nachwievor mit der kompletten Symptomatik einer DIS leben. Das heißt: mehrere Leben nebeneinander, mehrere innere Haltungen nebeneinander. Wir verlieren Zeit, verletzen uns massiv selbst, haben schwerwiegende psychosomatische Ausfälle und schlafen im Moment so ungefähr 3-4 Stunden am Tag. Wir leben mit Flashbacks und der Not, die man eben hat, wenn man nicht weiß, ob “echt” ist, was man erinnert.

Wir leiden. Hier schreibt ein Mensch, der wirklich und echt auch, neben ganz vielem anderen: leidet.
Egal, ob unsere Texte anderes vermuten lassen oder nicht, ist es da und es wirkt sich aus.

Irgendwann gab es eine erneute Anmeldung in dem Forum mit der stalkenden Person drin und wir haben es nicht sofort bemerkt. Es wurde ein anderer Name gewählt, einige Beiträge geschrieben und scheinbar gab es keine Schwierigkeiten. Aufgefallen ist uns das erst, als wir unsere Passwortänderungsrunden durch die Mailpostfächer machten. Wir haben versucht uns zu kümmern, haben Bescheid gegeben und uns mit der Not der Innens, die sich da angemeldet haben zu befassen versucht.

Ratet, wie das bei jemandem ankommt, der unsere verlogene Falschheit ja schon immer auf dem Schirm hatte.

Tja. Ja.
Ich habe aus diesem Fehler (oder wie ich es lieben nennen würde: dem Versuch meines Innens, sich irgendwie Unterstützung durch Austausch mit gleichermaßen Betroffenen zu holen in einer Zeit, in der es ihm sehr schlecht geht) gelernt:
– ich muss meinem Innen erneut reingeben: “Selbsthilfegruppen und – foren sind nichts für uns. Austausch mit anderen Betroffenen ist nicht für uns.”, mit allen Konsequenzen, die das hat (Isolation, Überforderung, das Gefühl mit seinen Erfahrungen und Gedanken dazu allein bleiben zu müssen, zum Beispiel)
– Menschen fühlen sich gezwungen gut zu finden, was wir hier versuchen auch für Personen zu tun, die zu Opfern von Gewalt wurden und verlangen von uns mit einer DIS zu leben, wie sie das für wahrhaft halten und was wahrhaft ist, bestimmen sie (nicht wir, obwohl es um uns geht, weil wir schlecht/falsch/böse/verlogen sind – für sie)
– die Person stalkt uns noch immer (mit allen Folgen, die so lange gepflegter Generalverdacht eben hat) [und ja the fuck nicht jede_r Stalker_in ruft täglich 20x irgendwo an – manche hocken auch einfach in einem Eierkopfaccount bei Twitter und sammeln Daten zum Zwecke der sozialen Zerstörung einer Person]

Das ist, was man persönlichen Fehlern ja auch mal zu Gute halten kann: es gibt immer etwas zu lernen, was über die Verhinderung in der Zukunft hinaus geht. Wir kriegen das nicht zu 100% sicher hin Dinge nicht zu tun, die wir uns ganz fest nicht zu tun vorgenommen haben.
Ich stehe jeden Morgen auf und widme mich dem Leben – ich denke das beweist diesen Fakt ganz gut.

Heute morgen irgendwann kam mir der Gedanke, das mein Leben ziemlich schlimm ist und merkte, wie in mir drin etwas aufatmete.
“Ja, so soll das auch sein. Du hast nichts anderes verdient.”.

Wie schlimm mein Leben tatsächlich ist, wurde mir erst damit wirklich bewusst.

 

 

P.S. Nein, gegen Stalker_innen, die öffentliche Daten lesen und sich Hirnmüll daraus basteln, kann man sich nicht wehren.
Aber es gibt
eine interessante Webseite, die sowohl allgemeine Informationen, als auch Optionen für Stalkende, wie Gestalkte aufzeigt. Das, was wir hier erfahren ist eine Form des „Cyberstalking“, die leider von ausübenden Personen mit üblicher Recherche bzw Mediennutzung verschleiert werden kann. Da bestehende Strukturen auf physikalische Handlungen ausgerichtet sind, ist klar: Ich bin der destruktiven Intension des Geistes dieser Person mehr oder weniger ausgeliefert.
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So hoffen wir einfach, dass uns die stalkende Person weder körperlich angreift, noch tötet, weil sie meine Furchtbarkeit nicht erträgt und sie der Welt nicht länger zumuten will.

viel~e sein

~ Fortsetzung ~

Das Eine ist: da gibt es ein Wort – eine Diagnose. Das Andere ist: da gibt es etwas, das mit diesem Wort, dieser Diagnose benannt wird.

Wenn die Diagnose gestellt wurde, gibt es früher oder später dieses Moment, in dem man andere Menschen in unterschiedlichen Kontexten dieses Wort sagt. Und dieses Moment entscheidet darüber, wie sich der Kontakt entwickelt und auch, wie man selbst in der Zukunft damit umgeht, dieses Wort für sich zu haben, bzw. dass es Menschen gibt, dessen Selbst- und Umweltwahrnehmung mit einer Diagnose bezeichenbar ist.

Wir sind inzwischen ziemlich fatalistisch was das angeht. Da für uns nicht nur alle Züge in Richtung Zukunft abgefahren sind, sondern auch noch der Bahnhof dazu abgerissen wurde, ist es uns egal (weil es uns egal sein kann) wer weiß, dass wir viele sind.
Die Essenz unserer Erfahrungen, die Diagnose anderen Mensch mitzuteilen ist: Es ist scheiß egal, ob es jemand weiß oder nicht – denn das Wissen darum ist nicht entscheidend.

Wir haben unsere Diagnose Menschen mitgeteilt, damit sie uns helfen – sie haben uns nicht geholfen.
Wir haben unser Sein vor Menschen erklärt, von denen wir dachten, es gäbe den Wunsch mit uns in Beziehung zu sein – sie haben den Kontakt kaputt gemacht und Teile von uns gleich mit.
Wir haben die DIS als Behinderung angegeben, haben beim Jobcenter, bei Mediziner_innen und Betreuungspersonen die DIS erwähnt, erklärt, vermittelt – wie viel das gebracht hat, kann man ja sehen: 10 Jahre Hartz 4, ein GdB von 70 wegen “depressiven Störungen”, eine Allgemeinmedizinerin, die uns nach einer schwerwiegenden Diagnose alleine aus der Praxis torkeln lässt und Betreuungspersonen, die uns weder beim Ausstieg geholfen haben, noch in irgendeiner Form ihr Verhalten und seine Wirkung auf uns, reflektieren.

Am Ende geht es nicht darum, dass die wichtigen Menschen in einem Leben wissen, dass man viele ist, sondern darum, dass sie es begreifen und zwar nicht als eine Laune des Laufs der Dinge oder eine Entscheidung eines verwirrten Geistes, sondern als massive Entwicklungsstörungsproblematik und zwar auf die Entwicklungsstörung “massives, wiederholtes, komplexes Trauma in der frühen Kindheit”.

Wir haben letztes Jahr und dann auch noch dieses Jahr enge Kontakte zu Menschen beendet bzw. beenden müssen, weil nicht begriffen bzw. einem Begreifen folgend gehandelt wurde, was für eine massive, innerglobale Not das Verhalten dieser Menschen uns gegenüber ausgelöst hat.
Man erwartete von uns zum Beispiel Reaktionen, die existenzielle Bedrohungsgefühle, so wie kindliches Erleben von konkretem Überschwemmtwerden eigener Emotionen, Gedanken und Ängste, ausklammern, innerhalb von Konflikten, die genau das aber losgetreten haben.

Viele sein bedeutet einfach nicht nur: X hat einen Konflikt und Y weiß davon nichts.
Es bedeutet: X und Y plus eine unbekannte Anzahl anderer Innens versuchen verzweifelt A und B plus eine unbekannte Anzahl von Innens von dem Bewusstsein um einen Konflikt im Außen fern zu halten, damit der Alltag weiter läuft, während H I J K L M N plus noch wieder unbekannt viele andere schon längst in Wiedererleben stecken und das gesamte Inmitten lahmlegen – während die Umlaute einen Termin nach dem anderen abracken, und jederzeit irgendwo komplett neu anfangen können (und es in aller Regel auch tun).
Viele sein bedeutet: In einem Menschen passieren viele Prozesse gleichzeitig und autark nebeneinander her – und doch haben einzelne Ereignisse im Außen die Macht, sie alle mit einem Schlag zu beeinflussen, sobald es bestimmte Faktoren gibt, die mit existenzieller Bedrohung einhergehen bzw. so interpretiert werden.

Die Menschen zu denen wir den Kontakt beendet haben, haben vergessen oder vielleicht auch nie wirklich begriffen, wie wichtig es ist uns immer und immer und immer – auch nach vielen gemeinsamen Jahren und Erfahrungen – zu vermitteln, dass es sich bei einem Konflikt oder allgemeiner: Schwierigkeiten nicht um existenzielle Bedrohungen handelt.
Ja, so blöd das klingt: Wir müssen sehr oft hören, dass wir an Dingen, die für andere eine Kleinigkeit sind, nicht sterben oder in unserer psycho-physischen Integrität verletzt werden.

Für uns ist es ein Akt gewesen, das zu fühlen und wissen und zu lernen. Und das Ende dieses Prozesses ist für uns, zu lernen, dass wir uns das auch selbst nach innen bringen können und uns das von dort innen auch geglaubt wird. Soweit sind wir noch nicht.

Womit wir beim nächsten Aspekt wären. Uns Rosenblättern wird oft sehr viel mehr Belastbarkeit und Stabilität zugetraut, als tatsächlich da ist und manche Menschen sind zutiefst enttäuscht von uns, wenn wir das nicht bedienen können.
Was wiederum bei uns alles mögliche anmacht und letztlich dazu führt, dass wir uns nach außen noch mehr anstrengen, noch härter machen. Ich denke, das passiert vielen Menschen und ist nichts, was speziell mit unserem viele sein zu tun hat.
Das Problem ist: Wenn man viele ist und sich nach außen hart wie Stein macht, dann hat man, wenn die Tür hinter einem zu geht und kein Außen in dem Sinne mehr da ist, keine Kraft mehr für die unversorgte Hölle, die in einem drin brennt.

Wir haben gemerkt, dass alte Bekannte wie die Suizidalität, der Drang sich zu verletzen (kaputt bis tot zu machen), die Essstörung und hinten dran natürlich: die Täter_innenintrojekte mit ihrem Hass, auftauchen und es zusätzlich erschweren offen zu legen und zu erklären, worum es beim viele sein geht.

Viele sein bedeutet nämlich in dieser Welt auch: viel sein.
Es ist belastend, nervig, anstrengend, wenn eine Person immer und bei allem darum bittet, (bitten und betteln muss), dass manche Dinge einfach nicht gehen, weil sie Dinge auslösen, die dann wieder irgendwas abverlangen und und und

Ich habe seit der Diagnosestellung durchgehend das Gefühl eine Belastung zu sein. Ein Fehler, ein Mensch, dem man sich aus moralischen und nicht aus positivem “Einfach so” – Grund widmet und die Stimmen, die mir schon früher gesagt haben, dass ich anstrengend und nervig bin, bestätigen das natürlich.
Die Störung, der wir als Einsmensch ausgesetzt wurden, zieht sich bis heute durch unser Leben und hat sich mit uns selbst vermengt.

Heute stören wir, weil die Störung unserer Entwicklung nicht folgenlos endete.

Viele Personen, die von uns erfahren, dass wir viele sind und dass das so ist, weil wir 21 Jahre lang auf allen Ebenen miss-be-handelt wurden, übertragen die Verbindung “viele sein” = “misshandelt worden sein” auf uns “Rosenblätter sein” = “Gewaltthematik”.
Und was machen Menschen, die die Wahl haben, ob sie sich widmen oder nicht, mit Gewaltthematiken? Richtig: sie verpissen sich, machen den Kopf zu, fangen an die gesellschaftlich anerkannten Vermeidungstänze aufzuführen – und lassen uns stehen.
Im günstigsten Fall hängt nichts an dem Kontakt – da können wir dann selbst auch gehen und trösten uns mit dem Gedanken: “Naja, wenigstens hat sie Person jetzt mal davon gehört.”.

Schlimm wird es bei Personen, die nah sind. Oder nah geworden sind. Oder wo es um Abhängigkeiten geht.
Die letzte KJP in der wir waren, hatte die DIS-Diagnose zum Beispiel negiert und uns als Hysterikerin (jupp – die gibts noch als Diagnose) behandelt, was im Großen und Ganzen bedeutet auf nichts (und niemanden) von uns zu reagieren. Was für uns einen Raum aufmachte, in dem wir 24 Stunden am Tag spürten, dass wir alleine waren. In einem fremden Bundesland, mit dem Wohnort Kinder-und Jugendpsychiatrie, in der ein Pfleger seine Position ausnutzte.

Anderes Beispiel ist die Jugendhilfe, die wir teilstationär danach in Anspruch nahmen. Wir sagten, dass wir viele sind und, dass wir Gewalt erfahren.
Die Diagnose wurde von einer Klinik für Psychosomatik dann bestätigt und [Trommelwirbel] NICHTS passierte. [TUSCH]
Wir wurden in unserer Wohnung überfallen – das Schloss wurde 3 Wochen später ausgetauscht.
Ostersamstag 2007 riefen wir den Hintergrunddienst der Betreuung an, weil wir nach einem Spaziergang, verletzt in unserer Wohnung gelandet waren, obwohl wir eigentlich untergetaucht bei unserer damaligen Gemögten lebten. Wir baten um Begleitung ins Krankenhaus. Spurensicherung, Anzeigeerstattung – hatten wir (schweinemutig wie nie zu vor!) im Kopf – der Betreuer im Dienst, hatte aber die Stadt verlassen. Wollte so gerne ein ruhiges Wochenende. Er bat um Verständnis – wir nickten, legten auf, zersplitterten.

Viele bunte Schimpfwörter haben wir heute dazu im Kopf.

Vor allem, wenn wir heute in Veranstaltungen wie der Fachtagung “Wir sind viele” letztes Jahr in Mainz sitzen und hören, warum so viele Betreuer_innen so viel derbe Kackscheiße mit ihren Betreuten machen: Sie haben einfach keine Ahnung oder keine andere Wahl und nicht zuletzt sind manche auch einfach ignorante Arschlöcher, die, weil sie Gewalt selbst nicht erlebt haben, keinen Grund sehen davon auszugehen, dass es sie gibt und eben auch nicht folgenlos bleibt.

Was mir unter anderen Menschen, die viele sind, daneben begegnet ist eine mich traurig machende Bereitschaft zu glauben, dass Betreuungspersonen oft deshalb keine Ahnung vom Umgang mit komplex traumatisierten Menschen haben, weil sie nur Faker_innen vorher betreut haben.
Eine ähnliche Abwertung passiert meiner Ansicht nach, wenn Menschen sagen: “Ja in Klinik XY kriegen ja alle, die wollen eine DIS-Diagnose und deshalb machen die da nur Bullshit, weil da sind ja nur Fakes, die davon profitieren.”.
Leute: Scheiße entsteht, wenn Scheiße passiert und was in unserer Gesellschaft und in unserem Gesundheits- und Sozialleistungssystem passiert, ist so widerwärtig stinkende Scheiße, über die man sich genauso aufregen kann – nur komisch: das passiert ja gar nicht.

Haben wir da etwa einen blinden Fleck, weil es sich leichter in Richtung einer konstruierten Autorität motzen und abwerten lässt, als sich zu solidarisieren?

~ Fortsetzung folgt ~

post- Trauma

kaputt Ich hatte diesen einen klaren Moment, in dem ich nicht nur wusste: “Trigger – Flashback – gesamte Bandbreite von Überregung – Depression – mentale Isolation – Dissoziation – > hol dir Hilfe, sorg dafür, dass es einen doppelten Boden unter dir gibt”,
sondern auch wusste: “
Was hier jetzt gelaufen ist, ist eine Re- Traumatisierung für mich. Ich darf mich verletzt und kaputt, irgendwie zerstört und wund fühlen. Ich muss niemandem einen Grund zur Freude oder Bestätigung meiner Authentizität liefern. Ich muss niemandem sagen, was er oder sie gerne hören möchte, damit es ihm oder ihr mit meiner Not besser geht.
Ich muss niemanden bestätigen und meine Ablehnung von Äußerem rechtfertigen.”

Traurig ist es für mich, diese Gedanken und Impulse erst eine Woche später zu haben, nachdem ich zum zahnärztlichen Notdienst gehen musste, weil mir eine große Füllung aus einem eh schon mühsam geretteten Zahn gebrochen war.
Wieder eine Notsituation. Wieder ein Moment, in dem ich von innen Angst vor einer Art Sterben spürte, Hilfe suchte und dann so übergriffig mit mir umgegangen wurde.
Ich für mich, kam mir wie eine verdammte Heldin vor, wie ich da- kaum in der Lage Wörter zu produzieren, das Zittern zu unterdrücken, Tränen aus scheinbar 5 zusätzlichen Tränendrüsen rauslaufend zu haben und hyperventilierend – seinen Arm wegdrückte, aufstand und vom Stuhl kletterte.

Ich sah ein Mich da stehen vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, verletzt und bedürftig und mein Ich so heldinnenhaft, weil ich es schaffte, genau in dem Moment, in dem das wichtig war, dieses Kind an mich zu nehmen- obwohl dieser (unfassbar furchtbare) Arzt und seine Helferin, die uns – natürlich ungefragt- ständig den Arm streichelte, genau diesem kleinen Mir und diesem großen Ich weiter zusetzten mit ihren sexistischen, unempathischen- einfach unangemessen groben Phrasen.

Und- es kam jemand, der mit uns ist.
Ich spürte, wie das Kleine in mir aufatmete und sich ein Gefühl ausbreitete, in dem es um Sicherheit durch ZeugInnenschaft, Gemeinschaft, durch Chance zur Überprüfung der eigenen Wahrnehmung geht.
Mein Atemrhythmus regulierte sich, meine Haut, die Hände und Füße wurden wieder durchblutet, die Angst wich Unverständnis und Wut, die näher an die eigene Lebendigkeit führte.
Ich musste nicht alleine in der Nacht noch mit der Bahn nach Hause, in meine Wohnung, die sich noch immer nicht wirklich wieder okay anfühlt. Ich musste nicht alleine sein. Ich musste nicht sachlich bleiben, weil “Na na na- der wollte dir doch nur helfen- was hast du denn erwartet- Ärzte sind Ärzte”. Ich musste nichts können- ich durfte mich schlecht fühlen und ich durfte mich auch heldinnenhaft fühlen. Das war so eine gute Insel, die mich nicht nur daran erinnerte, dass mein Anspruch von HelferInnen gut und grenzwahrend behandelt zu werden absolut in Ordnung ist, sondern auch noch durch mein bloßes in Not sein- nicht durch die Art, wie ich als Person bin- gerechtfertigt ist, und auch darin bestätigte, dass mein ablehnendes Verhalten in Ordnung war, obwohl ich ihn um Hilfe gebeten hatte.

Wenn einem etwas passiert, was im Kopf und im Gefühl alles auf einmal durcheinander wirbelt, dann hilft es manchen Menschen sich auf eine Ebene zu stürzen. Am liebsten die Sachebene, weil diese nicht mit persönlichen Befindlichkeiten vermischt sein darf. Das ist gesellschaftlich anerkannte Spaltung und “gesellschaftlich anerkannt” ist immer gut- gerade dann, wenn man das Gefühl hat, dass einem gerade etwas (wieder) passiert ist, das so sonst gar niemandem jemals auf dem ganzen Planeten passiert ist.
Auch dabei geht es um Gemeinschaftsgefühle und ein Agieren, das absichern soll.

Was bei größeren Belastungen eine gute Möglichkeit zur Verarbeitung des Erlebten und Aufrechterhaltung der Fähigkeit einen eigenen Alltag zu leben führt bzw. dabei hilft, kann bei einer Belastung, die das absolute “Zuviel” in sich hat (also ein Trauma ist) genau das sein, das zu innerer Spaltung führt, weil es ein weiteres “Viel” bedeutet.
Ich bin in der Therapiestunde nach der sogenannten Suiziddrohung tatsächlich vor der Therapeutin geplatzt und hab sie angeschrien und, anstatt mich zu erinnern, dass auch meine viel zu kurze Lunte zum Impulsdurchbruch in dem Moment, ein Symptom für nachwievor bestehende Überregung war, habe ich mich (und mein Leben und alles) fertig gemacht, weil ich nicht entsprechen konnte.
Ich konnte – und kann noch immer nicht zur Tagesordnung übergehen. Kann nicht in meinen Alltag zurück, weil mein Alltag und meine Alltagsumgebung kaputt ist.
Ich kann kaum schlafen, esse um mich zu fühlen- nicht um satt und genährt zu sein. Wenn ich mich zwinge mein Grübeln zu beenden, geht die Grübelenergie in meine Muskeln und Nerven, die unkontrollierbar unter meiner Haut zucken. Seit über einer Woche schwanke ich zwischen “Ich schreie gleich meinen Schmerz, meine Angst, meinen ganzen inneren Kosmos heraus” und “Bin ich überhaupt da?”

Ich will die Emotionen anderer Menschen nicht- sie sind mir mal scheiß egal gerade, weil meine eigenen mich beißen und aufessen wollen und ich mich kümmern muss, ihnen andere Quellen als meine Ich-Struktur anzubieten.

Wenn ich darüber rede/ schreibe, dann geht es mir nicht um Schuld, dann geht es mir nicht um Verantwortung, dann ist mir jedes “hätte”, “würde”, “wenn” fern. Dann geht es darum dieses VIELZUVIEL in seinen feinsten Fäden zu entwirren und nebeneinander darzulegen, zu betrachten, zu analysieren und erst dann zu einem verarbeitbaren Knäul zu machen. – Und eben nicht von mir zu erwarten dieses eine Erlebnis mal eben zu erklären- G’tt wie viel Zeit ich jetzt damit verbracht habe, diese Situation immer wieder erklären zu müssen – mich immer wieder damit konfrontieren zu müssen, immer wieder nochmal neu nachzufühlen – und dann die Sachebene zu bearbeiten.

Ich weiß, dass die da ist. Ich weiß, dass ich mich kümmern muss.
Ich weiß aber auch, dass die Tatsache, dass ich das gerade tue, genau das ist, was uns im Innen total auseinanderreißt und nicht auch noch haltbar ist.

Der Notfallzahnarzt hat es mir sehr leicht gemacht, nicht entsprechen zu wollen. Manche Menschen in meinem sozialen Umfeld machen es mir nicht so leicht.
Bei manchen steht viel Zukunft auf dem Spiel und viel mühsam abgerungenes Zutrauen – zum Beispiel bei der Therapeutin.
Bei manchen steht viel Zuspruch und stärkende Unterstützung in Gefahr- zum Beispiel bei der Frauenberatungsstelle.
Bei manchen steht viel Leichtigkeit und nährende Alltagsinsel in Frage- bei unseren Gemögten zum Beispiel.

Es geht darum, mir zugestehen zu können, dass ich gerade nicht die “C. Rosenblatt” bin, die sonst aus ihren Texten, ihrem Wirken, ihrem Auftreten herausrezeptioniert wird.

Für äußere Beobachter war das alles “unangenehm”, “ätzend”, “totale Scheiße”, “nicht schön”.
Aber uns drin war das eine Situation, die uns traumatische Situationen in unserem Leben hat fast 1 : 1 noch mal- schon wieder- erleben lassen und zwar nicht nur eine- die ganz ganz fern zurück liegt und verarbeitet, gerächt und begraben ist- für die wir irgendwelche Maßstäbe in irgendeiner Form haben- sondern mehrere, die nachwievor in uns drin ablaufen – immer und immer und immer wieder.
Das ist nicht nur “ätzend”.
Tut mir leid – ich wünschte, ich könnte mich mit diesen Menschen hinsetzen und mit dem Abwurf eines plumpen “is ja blöd gelaufen” alles das einfach abhaken.

Kann ich aber nicht.
Und ehrlich gesagt will ich das auch nicht, weil es mir vorkommt, als würde ich das tun, um mir Gemeinschaft von Menschen zu sichern, die mich nur annehmen, wie ich das kleine Mich beim Zahnarzt, wenn ich mit ihnen auf der Sachebene treffe: Sortiert, sachlich, mäßig emotional, _ein_fach, unempfindlich, stark, stabil, freundlich, empathisch und nicht zuletzt: dankbar

Uns ist etwas wirklich richtig Schreckliches passiert und ich nehme mein Umfeld verschoben wahr.
Mir drängen sich permanent unausgesprochene Ansprüche auf und immer wieder flackert dieses tausend Male bestätigte, x- fach eingebrannte Kindwissen auf: “Wenn du dem nicht entsprichst, wird es weh tun bis du nicht mehr bist.”. Alle- wirklich alle jemals verwendeten Antennen fahren auf Hochtouren und lösen den Vollalarm aus, sobald irgendeine Form von Nicht-Kontrolle wahrgenommen wird.

Das geht nicht weg mit: “Macht es euch mal gemütlich”, “Habt es schön”. Auch das ist ein Imperativ auf den mein Innenleben mit diesem uralten Reflex des: “Ja, ich bemühe mich so sehr wie ich kann! Ehrlich- ganz wirklich- ich mache was ich kann- ich tue was du willst” reagiert.

Ich weiß nicht, was mir jetzt hilft.
Ich hab keine Ahnung, was wir jetzt brauchen.

Was ich will ist: _sein_ dürfen; mich in der Welt fühlen dürfen, von deren Rand ich mich heruntergefallen wahrnehme
Auch ohne Aktivismus auf allen Ebenen. Auch mit Heldinnencape und Heulrotztropfen auf der Brust. Auch mit Brüllen vor Ohnmachtsgefühlen. Auch ohne akut geäußerte Dankbarkeit. Mit Verletzlichkeit, die man mir nie zugetraut hätte. Mit allen Gedanken und aller ungefilterten Intellektualität, die mich vielleicht schwer verständlich macht. Mit aller Nicht-Gegenseitigkeit, die mein Fordern mit sich bringt. Mit allem, was andere Menschen nie tun würden/ könnten/ wollten/ dürften/ müssten/ sollten.

Ich bin mit all dem gerade da. Wird mir begegnet, als sei dem nicht so, taucht jemand anders auf und das ist das Problem, das ich als Viele – Mensch habe.
Innere Spaltungsprozesse bzw. Innens, passieren nicht wegen Gewalt, sondern wegen vieler Überdosen “ZUVIEL”.
Wenn wir bzw. meine Psyche als Einsmensch eines in unserem Leben gelernt haben, dann ist es Anpassung durch Spaltung. Es wird immer wieder passieren, dass wir spalten (weg gehen) wenn wir nicht mit allem _sein_ können und das Außen wird genau das nicht spüren, wenn es sich nur um sich dreht.

Und sich darüber beschwert, was mir denn einfällt, sie mit meiner Not zu belästigen oder, wie dieser Zahnarzt, auf meine Panik mit einem genölten: “Was soll das denn jetzt- nu stell dich mal nicht so an- leg dich hin und lass XY machen” reagiert.

Ja verdammt- ich kann die Gründe für sowas sehen und verstehen. Ich weiß, der Arzt hatte einen scheiß langen Tag und in seiner Welt haben “kleine Mädchen” voll viel Interesse daran, einem tollen großen alten Arzt zu gefallen – was für ein Unkomfort, dann so zu agieren, wie ich.
Ich weiß, was das für ein Gefühl ist von: “Woa fuck- was mach ich denn jetzt?!”- wenn jemand kommt und einem sagt: “Ich kann nicht mehr- mir geht es schlecht und alles ist zu viel- ich weiß nicht, was ich machen soll”. Ich weiß genau, dass man sich dann erst mal hilflos und ohnmächtig fühlt, als erstes Gedanken an Verantwortung und Schuld hat und mehr oder weniger bewusst hat, dass man auf sich selbst achten muss.
Ich weiß aber auch, dass es verdammt noch mal so so so so viel öfter dran ist, jemandem einfach nur die Hand hinzuhalten und mal so einen Moment so gar nichts zu machen oder zu verlangen oder zu wollen oder zu verändern oder wegzumachen oder oder oder
und diesem Menschen einfach mal kurz – und sind es 2-3 Minuten das Gefühl zu geben da_sein_ zu dürfen.

Auf mehr warte ich gar nicht. Mehr suche ich nicht. Mehr will ich nicht.

 

Wir bekommen gerade von allen Seiten so viel “mehr” angeboten.
Und

können

nichts

damit

anfangen.

Außer mit diesem fremden Lächeln immer besser und immer reflexhafter rauszulügen: “Danke”

 

Vielleicht können wir das in zwei drei vier fünf Wochen, wenn wir keine Angst mehr vor dem Zusammenbruch unserer bürokratisch regulierten Lebenslegitimation haben müssen. Wenn wir diesen Strafanzeige-OEG –Mist irgendwie in einer Art abgesicherten Handlungsablauf haben. Wenn ich vielleicht endlich einmal richtig ausgeschlafen habe.
Wenn es nicht mehr so weh tut, Gemögte verloren zu haben. Sicherheiten verloren zu haben.
Wenn die Erinnerung wieder etwas weiter im Hintergrund ist.

Vielleicht dann.
Dann sind wir wieder voll der Bereitwilligkeit uns auch für die Gefühle und Lebenswelten anderer Menschen zu öffnen und uns zurückzustellen.
Aber jetzt nicht.

warum ich nicht mehr von „Trollen“ und „Hatern“ spreche

Gestern Abend rumpelte es einigermaßen in meiner Twittertimeline.
Für mich war es ein Rumpeln mit Pling am Ende und einem neuen Vorsatz.

Ich werde nicht mehr von „Trollen“ oder „Hatern“ sprechen, wenn ich Menschen meine, die sich mehr oder weniger aggressiv, gewalttätig, „kritisch“ (was nicht meint, sich inhaltlich kritisch zu äußern, oder sachlich fundiert zu kritisieren, sondern den Autor/ die Autorin als Person anzugreifen) oder in beleidigender Form in Blogs, Foren und Kommentarspalten schreiben.
Ich werde von „Menschen, die mittels Internet Gewalt ausüben“ sprechen und schreiben.

In dem Konflikt am Abend ging es um den Vortrag den Jasna Strick bei der Openmind13 in Kassel hielt.
Der Titel lautet „Ihr gehört nur mal ordentlich durchgevögelt- Hate Speech und Victim Blaming nach dem #aufschrei.
Sie macht die Gewalt sichtbar, der sie und viele andere Menschen, die sich Anfang des Jahres durch ihr Engagement für den Hashtag und ihrem Bekanntheitsgrad ausgesetzt waren und bis heute sind. Der Vortrag enthält keine Klarnamen von Akteuren und fasst lediglich gebündelt zusammen, was ihr und anderen Menschen seit einem halben Jahr begegnet.

So weit so gut, wichtig und legitim. Seit einigen Jahren gibt es die Website Hatr.org , die das Gleiche tut und seit einigen wenigen Jahren hat das Thema „virtuelle Gewalt“ auch endlich Platz im Bereich der Präventionsarbeit von Vereinen, nachdem einige Fälle von Gewalt mittels Internet zu Suizid geführt hatten.

Warum hatte es jetzt gerumpelt?
Eine der Personen, die dort zitiert und deren Tweets gezeigt werden, forderte aus dem Video herausgenommen zu werden und ein paar Menschen sprangen auf den Zug der „Rettet die Persönlichkeitsrechte“ an der Seite stehen hat. Plötzlich war das Video im Kanal der Veranstalter auf privat gestellt. Wie es scheint ohne Absprache.
Sich an schiefen Täterschutz erinnert zu fühlen, ist, meiner Meinung nach, legitim. Alle gezeigten Tweets sind öffentlich und für immer lesbar. Immer steht der Nickname des Menschen darüber und ist klar, worum es geht: um Gewalt.
Andere Menschen stellten daraufhin das Video zum Download bereit oder nahmen es in ihren eigenen YouTube-Account. So.

Nach der ganzen Aufregung schaute ich mir erst mal ein anderes interessantes Video der #om13 an. Nämlich den von Anatol Stefanowitsch mit dem Titel „Macht, Meme und Metaphern„, in dem er gegen Ende zur Art kommt, wie wir über das Internet sprechen. Er zeigt auf, dass sich die Sprache darüber in einer Ortsmetaphorik bewegt, die die allgemeine Vorstellung von dem Internet als Ort- als abgeschlossenen Bereich verfestigt.

Die Sprache stimmt nicht mit der Wirklichkeit überein und öffnet Tür und Tor für verschiedene Fehlannahmen und Haltungen, die gerade in Bezug auf Gewalt fatal sind.
Das Internet ist ein Mittel zur Kommunikation bzw. Informationsaustausch, wie das Telefon auch, nur, dass wir bleibende Inhalte generieren und immer wieder aufrufen können, um zu ergänzen oder zu verändern.
Gleichzeitig ist es aber auch eine Kommunikation, die getrennt von der direkten Begegnung passiert, was ihr einen gewissen Besondersheitsbonus zu kommen lässt.

Und da sind wir an einem Punkt, der mir in dem Vortrag über die „Trolle“ und „Hater“ fehlte bzw. den ich mir deutlicher hervorgehoben gewünscht hätte.
Keiner dieser Kommentare und Tweets passiert nur im Internet. All das, was dort steht, ist für einige Menschen, die übliche Art Gewalt auszuüben. Online, wie offline.
Die einzige Besonderheit, bei dieser Art Gewalt, ist die Nachvollziehbarkeit von Anfang bis Ende.

Auch in der direkten Begegnung passiert so etwas. Und auch dort bleibt in vielen Fällen nur das, was in Bezug auf die Internetkommunikation „Blocken“ genannt wird. Gemeint sind: Hausverbote und gerichtliche Verfügungen, die definieren, wie sich die Menschen noch begegnen dürfen.
Wenn sich der Mensch, gegen den diese Verbote und Regelungen ausgesprochen wurden, nicht daran hält, passiert meistens was? Ein paar Tage Ordnungshaft oder ein Bußgeld.
Wenn der Mensch in der Internetkommunikation Blockierungen umgeht (etwa in dem er sich bis zu 30 neue Accounts erstellt oder einfach auf seiner eigenen Homepage weiter Beleidigungen und Hetze ausübt) passiert was? GAR NICHTS

On- wie offline gibt es eine Ohnmacht, derer die sich schützen wollen. Und oft genug erlebte auch ich selbst, etwa, als ich die Kommentare der Menschen, die mir eine Lust am Vergewaltigtwerden unterstellten oder von der freien Wahl der Kinder die gefilmt werden, wenn man sie (sexuell) misshandelt, zu überzeugen versuchten, samt ihrer Email- und IP-Adressen bei der Polizei meldete, die Ortsmetaphorik, die dazu beitrug, die Gewalt an mir zu verharmlosen oder mir unterzuschieben, ich solle „einfach weggehen aus diesem Internet“. Gesehen? Victim Blaming: „Selber schuld- was gehst du auch dahin?!“.
Das Internet gilt als freier Ort- nicht als Mittel zum Zweck.

Natürlich führte dies in meinem Fall nicht dazu, dass meine Anzeigen nicht aufgenommen wurden- doch unterm Strich passierte das Gleiche, das passiert wäre, wenn ich zur Wache gekommen wäre und Name und Wohnort einer Person angegeben hätte, die in mein Wohnzimmer gepoltert kam und mir das Gleiche gesagt hätte.

Viele Opfer von Partnerschaftsgewalt oder Stalking hören übrigens auch den „hilfreichen Tipp“, ihre Angreifer „einfach nicht mehr in die Wohnung zu lassen“ oder „einfach zu ignorieren“.
Oft sogar dann noch, wenn eine Gewaltschutzanordnung oder gerichtliche Verfügung existiert. Häufig genug versackt die Informationsweitergabe irgendwo zwischen Kenntnisnahme der Polizei und den Handlungsoptionen selbiger im Fall eines Verstoßes.
Am Ende steht ein Opfer wieder grün und blau geprügelt, verbal gedemütigt oder bedroht in seiner Wohnung, während die Polizei den Angreifer entweder nach Hause schickt oder mit zur Wache nimmt und zum Einsatzende noch so etwas sagt wie: „Beim nächsten Mal…“. Das passiert natürlich nicht immer. Auch bei der Polizei gibt es Fortbildungen, von denen manchmal auch etwas hängen bleibt.

Doch es ist nicht genug. Letztlich gibt es immer erst dann eine als „richtig“ wahrgenommene Handlungsoption, wenn körperliche Verletzungen und/ oder Sachbeschädigung angezeigt werden kann.

Die Sicherheit, die sich ein Opfer von Gewalt schon vor Schäden und Verletzungen dieser Art wünscht und braucht, gibt es bis heute nicht ohne eine kräftige Portion „selber schuld“ und „Ignorier das doch einfach“.
Weder in Bezug auf das Internet, noch in Bezug auf die direkte (im Sinne der physischen) Begegnung.

Noch immer wird davon ausgegangen, dass Gewaltanwendung die Folge von Umständen im außen und in direktem Bezug zum Opfer stehend ist. Nicht etwa die Folge von inneren Umständen (Zuständen) und in Bezug auf den Menschen, der die Gewalt ausübt(e), stehend.

Es wird nach Schuld gesucht- nicht nach Verantwortung für Schmerz und/ oder (Sach-) Schäden.
Schuld ist im allgemeinen Verständnis etwas, das mit Buße in irgendeiner Form abgegolten werden kann. Schuld kann wieder los werden.
Verantwortung nicht. Dieser muss man sich stellen. Sein Verhalten reflektieren und verändern, um eine Veränderung der Umstände zu erreichen. Werden TäterInnen zur Verantwortung gezogen, so geht diese heute noch mit einem Schuldbegleichungsakt einher. Nur in wenigen Fällen, werden sie dazu aufgefordert sich selbst oder ihr Verhalten nachhaltig zu verändern, etwa mit einer Psychotherapie.

Es gibt sogar einen Punkt dabei, für den mich evtl. der eine oder andere Verein kritisieren möchte, weil er genau davon profitiert, um seine Arbeit machen zu können.
Es ist Usus, dass manche StraftäterInnen im Falle einer Verurteilung ein Bußgeld an gemeinnützige Vereine oder Opferhilfen zahlen müssen, statt in Haft genommen zu werden oder eine Therapie beginnen zu müssen. Sie dürfen sich von ihrer Schuld freikaufen.
Sie müssen sich nicht ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.
Sie dürfen weiterhin nicht damit konfrontiert werden, was Gewalt- vielleicht genau die Gewalt, die sie selbst ausgeübt haben- bei den Opfern anrichtet.

In dieser Hinsicht hat das Internet wiederum einen Besonderheitsstatus.
Hier haben wir es mit kraftvollen Gruppendynamiken zu tun. Gewalt erzeugt Gegengewalt.
So bekommt heute so ziemlich jeder Mensch, der im Internet gewalttätig agiert, ebenfalls eine Gewaltkeule ab, sobald das Opfer diese öffentlich macht und es entsteht nichts weiter als Schmerz und Schaden auf allen Seiten. Am Ende geht es soweit, dass der Dialog zwischen den Menschen, die ursprünglich im Konflikt waren, kaum noch möglich ist.

Miteinander Frieden zu schließen und die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, gelingt nicht mehr, ohne etwas zu verlieren. Sei es die Glaubwürdigkeit vor der Peergroup oder Gefühle von Macht. Über das Internet passiert das, was wir in der direkten Begegnung „Lynchmob“ nennen würden, für mein Gefühl weitaus häufiger, als im direkten Bezug.

Jemanden zu kennen, der ein Rückgrat hat und sich seiner Verantwortung nicht entzieht wird absurder- wenn auch logischerweise, wenn man sich unser Miteinander und auch das deutsche Recht ansieht, weniger hoch anerkannt, als jemand der sich mit Fäusten, Fäkalsprache und Ellenbogen „durchsetzt“- ergo: Gewalt anwendet.

Meine Entscheidung nicht mehr von „Trollen“ oder „Hatern“ zu sprechen, setzt genau an dem Punkt an.
Der Begriff des „Trolls“ entmenschlicht und würdigt den Menschen, der da an seinem Computer sitzt und mich verletzt, herab. So fällt es mir unter Umständen leichter zum Mittel der Gegengewalt zu greifen. Mit dieser Sprachführung würde ich tun, was Kriegstreiber, Rassisten, Antisemiten und andere GewalttäterInnen tun, um ihre Gewalt zu rechtfertigen und mir selbst das Erreichen meines Ziels, nämlich (Zu)Frieden(heit) mit meinem eigentlichen Tun erschweren, wenn nicht gar unerreichbar machen.

Als ich hier einer Kritik meiner Person ausgesetzt war, habe ich jemanden geblockt.
Das werde ich auch weiterhin tun- doch nicht durchgängig und für immer. Ich hatte in der Zeit für mich reflektiert, dass ich mich nur deshalb besser und sicherer hier fühle, weil ich jemanden ausgeschlossen habe. Weil ich meine Macht als Administratorin nutzte- weil ich jemanden unterdrücken konnte- weil ich Gewalt angewendet habe.
Das ist nicht die Art, wie ich mit Menschen in Kontakt treten möchte und die ich mir für das Miteinander online wie offline wünsche.

Das heißt nicht, dass ich mich als Adressat für Gewalt zur Verfügung stelle und in Kauf nehme verletzt zu werden. Wenn ich mich schützen möchte, tue ich das. Doch ich werde die Verantwortung dafür übernehmen und Möglichkeiten einräumen zu einem Kompromiss zu finden. Und sei es der, dass man einander ignoriert und in Frieden lässt.

Mein erster Schritt dazu ist, die Gewalt auch offen und klar Gewalt zu nennen und das Internet nicht als Ort oder Raum darzustellen, sondern als eine Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten, die an die Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland gebunden sind.
Es geht mir dabei um den Bereich der Sichtbarkeit.
Das Internet bietet sich als öffentliches Archiv der Sichtbarkeiten an. Alles was digital aufruf- und generierbar ist, gibt es auch analog! Es ist in dieser Sammlung von Texten und Bildern, die wir uns auf den Bildschirm holen, allerdings deutlich sichtbarer und für immer da, was analog geäußerte Worte und Begebenheiten hingegen nicht immer sind.

Gemäß dieser Sichtweise brauchen wir ergo auch keine speziellen „Internetgesetze“, sondern lediglich ein breites Bewusstsein für diese erweiterte Kommunikation bzw. Begegnung von Menschen und eine verbesserte Strafgesetzgebung bzw. Durchsetzung selbiger.
Wir schreiben das Jahr 2013- ich kann mir nicht vorstellen, dass Gesetze, wie das Gewaltschutzgesetz zum Beispiel, nicht auch auf eine technische Ebene übertragen werden und dazu beitragen kann, so, dass nicht die Opfer selbst zu Gewalt ausübenden Menschen werden müssen, in dem sie Menschen in ihren Blogs blockieren, um sich zu schützen (so lange, wie sie das für nötig halten).

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Also nein. Mit „Ignorier sie halt- sind halt Trolle- die sind halt so“, gebe ich mich nicht zufrieden.
Ich will Gewalt weder ignorieren, noch selbst mit Gegengewalt begegnen.
Da es sich anbietet, fange ich mit meiner Sprachführung an. Also bei mir, meinen Wünschen und meiner Verantwortung.

 

Die Einladung zum Klassentreffen Teil 2

Es geht nicht darum, dass ich mich unterlegen oder minderwertig fühle.
Es geht um die Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Seins. Der Vereinfachung von allem.

Mit mir zu tun zu haben, bedeutete von je her eine Schwere und Belastung.
Ich bin niemand mit dem man einfache, flache Gespräche führen kann. Es gibt kaum Berührungspunkte in gesellschaftlich anerkannten Vermeidungstänzen, wie Politikverdrossenheit, Popkultur und was es sonst noch gibt.

Es macht mich nicht nur traurig meine KlassenkameradInnen nicht treffen zu können, weil es eine Gefahr für mich darstellt diese Stadt zu besuchen, oder weil ich den Kraftakt der Innens- und Erinnerungskontrolle fürchte.

Es geht mir darum keine flachen Gespräche führen zu können.
Immer bleibt mir nur der Moloch aus Schwere von Gewalt und seinen Folgen, die meinen Schmerz berühren und mich angreifbar machen.

Sie werden das auch haben. Sie werden auch eine Schwere in ihrem Leben haben oder Schwere spüren und nachfühlen können. Aber sie können etwas davor halten und ich nicht.

Ich möchte es erleben. Nur ein einziges Mal möchte ich das auch haben.
Hingehen, sagen: Guck hier- ich habe das und das und das bewegt- obwohl es nicht einfach war.

Ich habe mich rausgequält, bin kaputt und noch immer nicht gerächt. Mein Leben war eine Hölle und ist es manchmal noch heute, aber BAMM BAMM BAMM das ist hier kommt von mir und bleibt und ist wertig und wird anerkannt und ich kann stolz darauf sein, ohne es vor irgendjemandem zu erklären oder darum bitten müssen es unerklärt zu lassen.

Ein einziges Mal will ich es erleben, dass etwas von mir kommt, ohne dass Schwere darin ist.
Nur einmal.
Ein ganz einziges Mal.
Und sei es einfach als Schutzschild, wie es „die Anderen“ haben.

Diese verdammte scheiß Gewalt in meinem früherem Leben hat sich eingebrannt und lebt in mir, gärt in mir herum, ist ein Teil von mir selbst. Ich werde sie nicht los und habe nichts, was ich daneben stellen kann um etwas Anderes zu zeigen. Ich habe nur mich und sonst nichts.

Immer muss ich damit leben, gemieden zu werden, weil es zu schwer ist. Zu viel ist. Überfordernd ist.
Und ich bin verdammt nochmal immer immer immer immer immer immer immer in der Lage, genau das zu wissen, zu fühlen und zu akzeptieren. Hinzunehmen, dass Menschen dafür bezahlt werden, sich gemeinsam mit mir dieser Schwere zu widmen.
Ich bin nicht so einsam, weil ich wegen der Gewalt nichts kann. Sondern weil sie noch immer da ist und bis heute die Menschen in meiner Umgebung belastet, wenn sie mit mir zu tun haben.

Ich weiß, dass ich beschenkt bin. Ich weiß, dass ich Potenzial habe, ich weiß, dass ich viel schaffen kann. Aber das ändert nichts daran, dass ich bei einem Klassentreffen heute nur sagen könnte:
„Weißt du was ich geschafft habe? Ich habe es geschafft, das 27ste Lebensjahr zu erreichen.“.

Ich könnte nichts sagen, das keinen dicken fetten schweren Kloß im Hals meiner Gesprächspartner auslöst.

Das ist die Tragik.
Ich würde einfach nur gerne genauso bunte, leere Seifenblasen, wie sie, in die Luft blasen.

Nur ein Mal.

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Das Schweigen und die Sichtbarkeit

„Das Wichtigste ist, das Schweigen zu brechen“.

Es ist der Titel eines Vortrages von Michaela Huber über organisierte Ausbeutung, rituelle Gewalt und dissoziative Störungen, den sie im März bei der Tagung gehalten hat. Der Titel schwirrt mir immer noch im Kopf herum, weil er so…

Es ist einer dieser Sätze, die man als Opfer, Zeuge oder auch Täter so und in vielen anderen Verpackungen immer wieder hört, wenn es um Gewalt geht. Einer von den Sätzen, bei denen es in meinem Kopf gleichzeitig „WAHR!“ und „FALSCH“ brüllt, noch während sich eine sachliche Sprecherin zur Lage der inneren Nationen räuspert und über biologische, soziale und politische Sachverhalte referiert. Die das Schweigen darlegt, anprangert und auch rechtfertigt.

Es gibt viele Arten des Schweigens.
Das Schweigen der Zeugen zum Beispiel.
Vor Kurzem wurde die Bloggerin „
Ragekamila“ von 5 anderen Menschen angegriffen. Es gingen viele Menschen an ihr vorbei, doch ihr begegnete Schweigen und Ignoranz. Sogar die Polizei verschwieg ihre Solidarität mit ihr als Opfer und vermittelte ihr stattdessen, selbst schuld an dem Angriff zu sein, weil sie einen kurzen Rock trug.
Unterm Strich: Rape Culture
und Schweigen.
Ich weiß nicht, was Menschen, die Zeugen von so einem Angriff werden, dazu bewegt zu schweigen. Hatten sie Angst, selbst auch angegriffen zu werden? Dachten sie: „Ach, sie wehrt sich ja schon- sie wird das auch allein packen“? Schätzten sie die Situation anders ein? Wir und vor allem aber „Ragekamila“ werden es nie wissen, denn ihr Schweigen hat sie unsichtbar gemacht.

Dann das Schweigen der Täter.
Wenn mein Vater mich verprügelt hat, dann sagte er ziemlich genau den gleichen Satz immer wieder vor dem ersten und nach dem letzten Hieb. Wie ein Startschuss in ein Nirwana aus Schmerzen und Schweigen. Ich denke, er wird während der Tat dissoziiert haben und selbst nicht in der Lage gewesen sein, mehr zu äußern. Wenn es tatsächlich so war, erklärt sich mir auch sein Schweigen im Anschluss. Vielleicht ist es für ihn nie passiert- was sagt man über etwas, das nie passiert ist?

Oder das Schweigen mit Worten.
Wenn meine Mutter mich misshandelt hat, sprach sie die ganze Zeit- ohne etwas zu sagen. Auch sie schwieg über ihre Gefühle und Gedanken. Ihre eigene Position in dieser Situation. Was auch immer sie angetrieben hat- es war eine Spirale, die sie selbst in ihrem Sein unsichtbar gemacht hat.

Und dann das Schweigen des Opfer.
Ich war das Opfer der Misshandlung durch meine Eltern. Beide waren während der Tat unsichtbar. Der eine geistig- der andere seelisch. Sichtbar waren, und sind bis heute, allein die Folgen ihrer Handlungen.
Selbst ich bin nicht immer da gewesen. Wurde der Schmerz, die Demütigung zu groß, habe ich mich verschwinden lassen, war gar nicht da- hab das alles wie Nebelschwaden an mir vorbei, durch mich hindurch ziehen lassen, hab mich unsichtbar gemacht.

So ein Satz: „Brich das Schweigen.“, bedeutet für mich: „Mach dich sichtbar- mach die Gewalt sichtbar“ … „Mach sichtbar, was niemand gesehen hat“ … „Mach DU es sichtbar- du warst doch dabei“.
Ich war es aber nie ganz.

Wir leben in einem System in dem nur verurteilt wird, was sichtbar ist.222295_web_R_K_by_Sonja Gräber_pixelio.de
Es
braucht handfeste Beweise, um Täter ihrer Strafe zuzuführen. Es braucht Sichtbarkeit, um wahrgenommen zu werden. Die Polizei braucht die Opfer, um die Täter sichtbar zu machen. Die Presse braucht das ganze Paket einer Situation, um darüber zu berichten und zum Sprachrohr zu werden. Doch ist nur sichtbar, wofür es Worte gibt.

Am Anfang war das Wort. Oh ja! Worte sind toll.
Sie sind, wenn es um Gewalt geht, wie das erste Kotzen bei einem Magen-Darminfekt; wie ein ausgedrückter Pickel der bereits tagelang schmerzte; wie Weinen, dass man schon seit Stunden in seinem Hals drücken spürte.
Sie geben Form, machen sichtbar und ermöglichen sowohl eine Verarbeitung des Geschehens als auch innerhalb unseres Miteinanders eine Bewertung.

Gewalt aber, spricht Teile des menschlichen Gehirns an, die weit weg von dem Teil ist, in dem sich unsere Sprache befindet. Das ist sinnvoll, denn bei Gewalt geht es potenziell immer um eine Gefährdung des eigenen Lebens. Sprache ist jünger als der in uns entwickelte Teil, der unser Überleben sichert.
Ich schrieb es bereits in anderen Artikeln: Das Leben allein besteht in der Fähigkeit zur Entwicklung der Fähigkeit, das Leben weiterzugeben. Es ist ein evolutionärer Kettenbrief, der allein für seine Weitergabe arbeitet.
Unser Sprachzentrum ist so etwas, wie das Ziel am Ende einer verschlammten, mit Geröll bespickten Landstraße- während der Teil, der unser Überleben sichert, eine fünfspurige Hightechsuperautobahn ist. Es gibt keine Sprache- aber hey- was gibt es auch zu sagen, wenn Leib und Leben in Gefahr sind?!
Unserem Gehirn ist es scheiß egal, ob das, was da gerade passiert später noch sichtbar ist. Wer will ihm darum böse sein?

Es können nur jene sein, die das Privileg der Nichtbeteiligung und Unabhängigkeit genießen oder jene, die genau deshalb (chronisch oder latent) im Überlebensmodus stecken und darunter leiden.

Das Wissen um die Vorteile von sozialem Miteinander ist eng mit der Sicherung des eigenen Überlebens in uns Menschen (und auch vielen Tieren) verknüpft. Die Abhängigkeit von unseren Versorgern ist uns Menschen direkt ab dem Zeitpunkt der Geburt mehr oder weniger klar bewusst. Wir werden absolut hilflos geboren und sind erst ab dem Moment der biologischen Fähigkeit zur Weitergabe des Lebens, halbwegs in der Lage eigenständig zu leben. Doch nun ist es so, dass wir in hier, in Deutschland, in einer Umgebung leben, in der das soziale Gefüge dem direkt widerspricht. Hier in unserer Kultur, würde niemand einem Teenager unter 18 Jahren einen eigenen Haushalt ganz ohne Unterstützung und Absicherung überlassen. Unsere Justiz staffelt noch bis ins 27ste Lebensjahr hinein das Maß von Strafen für diverse Taten. Das ist schön- untergräbt aber auch die Autarkie der Menschen. Im Guten, wie im Schlechten.

Es geht um Abhängigkeiten. Auch beim Schweigen.
Wir wurden in unserem früheren Abhängigkeitsverhältnis Schweigegeboten unterworfen.
Schweigegebote sind nicht so schlimm, wie man vielleicht glauben mag. Schlimmer sind die Redeverbote. Das Gleiche? Oh nein.
Gebote sind wie Spielregeln: Willst (Musst) du mitmachen, hältst du dich daran.
Verbote sind Grenzen: Übertrittst du sie, bist du ..? Na was? – Raus! Allein! Ausgeliefert! Schutzlos!
Ergo: potenziell tot.

Wer keinen Schutz außerhalb von (destruktiven) Abhängigkeitsverhältnissen hat, der kann nicht reden. Kann keine Worte finden. Kann nichts sichtbar machen. Kommt nicht in den Genuss der Privilegien, die das Leben mit seiner Fähigkeit dieses weiterzugeben braucht.

Und hier ist es- das Ding, dass das Schweigen nährt: Die Wahl zwischen Leben und Tod.
Welchen Weg wird unser Gehirn wohl nehmen, wenn wir Gewalt erfahren?
Und was passiert, wenn man Zeit seines Lebens immer wieder gezwungen ist, auf der Hightechsuperautobahn zu fahren? Man lernt, dass es sich lohnt und, dass es einfacher ist. Blicke nach links oder rechts sind Ressourcenverschwendung- wen interessiert die Landschaft, die man vom Fenster aus betrachten kann, wenn die rasante Fahrt immer wieder nötig ist, um die eigene Basis sicherzustellen?
Wie beschwerlich erscheint einem dann eine holprige Landstraße, wie fraglich ist das Ziel der Sprache und Sichtbarkeit für andere Menschen- ganz gleich wie dringlich sie es machen.

Es gibt keine Worte ohne Schutz.
Dieser Artikel hier, sowie auch der Artikel der Paulines, in dem sie über Zweifel, Fallstricke und Glaubhaftigkeit sprechen  ist ein Steinchen im Plädoyer für mehr Opferschutz.
Wer so privilegiert ist, Worte und damit Sichtbarkeit einzufordern, muss sein Privileg von Sicherheit durch Nichtbeteiligung und Unabhängigkeit teilen!
Alles andere verschiebt die Verantwortlichkeiten rund um Gewalt in den Schoß derer, die nichts- aber auch gar nichts dafür tun können, um dem zu entsprechen.

Wir brauchen Opfersolidarität- und Schutz! Wir brauchen die Annahme der Not und der Mechanismen, die Gewalt in unserer Mitte auslöst! Wir brauchen die Akzeptanz des Schweigens, das tiefe verinnerlichte Verständnis um die Folgen, als etwas, das mit uns allen tun hat! Wir brauchen die Folgen der Gewalt gleichrangig bewertet, wie die Gewalt an sich!

Sonst gibt es keine Worte, die das Schweigen brechen.
Sonst bleibt unsichtbar, was töten kann.

von Etiketten, Fakern, Macht und Hilfe

Ein Thema, das gut neben meinen Gedankenkreis rund um Alltagsgewalt und Leidvergleiche passt, ist das von den Paulines und auch von den Mosaiksteinen aufgenommene Thema der sogenannten DIS- Faker.

Grundsätzlich sind mir persönlich die Diagnosen meiner Mitmenschen gleichgültig. Es sind Etiketten eines Machtapparates, die einzig ihm selbst dienen. Niemand hat etwas davon, außer jenen, die die Macht darüber haben, zu definieren wer was wann und warum erhalten oder verwehrt bekommen soll.
Dies ist eine Haltung zum menschlichen Sein, das nicht mit meinem Verständnis von Menschenrechten und meiner Moral übereinstimmt und entsprechend nicht aufgenommen und weiter getragen wird, wo auch immer es mir möglich ist.

Was mir hingegen nicht gleichgültig ist, ist wie mit mir interagiert wird.
Die eine Seite ist jene, die mir entsprechend dieser Etikette Hilfen zukommen lässt oder sie mir verwehrt. Darüber, dass uns für genau diesen Rahmen die Diagnose wichtig ist, beschrieben wir bereits in dem Artikel: „
Also, mir ist es nicht egal„.

Doch dann gibt es noch die Seite der sozialen Interaktion und der Wirkung von Menschen die eine DIS vortäuschen. Da gibt es die kopierte DIS und da gibt es die Menschen die meinen, eine Leidhierarchie in Gruppen von Menschen Problemen zementieren zu müssen, bzw. immer wieder ihren (Wunsch-) Platz darin zu unterstreichen.

Ich habe das Geschrei von vielen leidenden Menschen gehört (Gibt ja nichts anderes zu hören in Kliniken und auch manch einem Forum oder ähnlichem Selbsthilfesetting) und habe einfach gelernt zu hören, wonach jemand genau schreit, um Menschen zu orten, die nur so tun, als seien sie multipel bzw. die Menschen, welche ein bestimmtes Krankheits Verhaltensmuster kopieren.
Jene schreien nämlich nicht halb so laut danach als Mensch, als auch verletzter Mensch bestätigt und angenommen zu werden, wie als „multipler/ bipolarer/ depressiver…. Mensch“ bestätigt und angenommen zu werden.

Sie agieren in dem Verhaltensmuster, das ihnen am ehesten das zu garantieren scheint, was sie sich erhoffen. Der Schaden, den diese Menschen damit anrichten ist, für jeden der tatsächlich an der gerade kopierten Verhaltensweise bzw. dem kopierten Muster krankt, groß und hat Auswirkungen auf weitere Kreise als nur den direkten Rahmen in Klinik, Forum oder (Selbst- Hilfe-) Gruppe.

Ich werde mich im Folgendem vornehmlich auf die sogenannten DIS- Faker beziehen (letztlich ist es aber tatsächlich übertragbar).

Wir leben in einer Gesellschaft in der Opfer von Straftaten- vor allem wenn es um weibliche Opfer von Sexualstraftaten geht- angezweifelt werden; mindestens dem Verdacht der eigenen Schuld ausgesetzt werden und für die es absolut normaler Alltag ist, mit genau dieser Tatsache immer und immer wieder, wie durch ein Stigma herabgesetzt zu werden. Es ist ein Klima das mit dem Begriff der „rape culture“ zu erfassen versucht wird.

Ein Opfer geworden zu sein lohnt sich nicht!

Auf keiner mir bekannten Achse, gibt es einen Gewinn für Opfer von Gewalt. Sie sind die Verlierer und zwar immer und überall, dort, wo ihnen genau dies nicht mit allen Folgen und daraus resultierenden Leiden anerkannt wird.
Oh- kam dort schon das Wort „anerkannt“ vor?
Lassen sie uns doch mal nachdenken: In welchem Setting erfahren viele Opfer von Gewalt zum ersten Mal Anerkennung in ihrem Status, als jemand dem etwas Schlimmes geschehen ist? Als jemand der unter den Folgen dieser Ereignisse krankt und entsprechend leidet?
Tadaaa- es sind in den meisten Fällen Kliniken, (Selbsthilfe-) Foren oder Gruppen für Menschen mit genau diesem Hintergrund.
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Wie beschrieben , sind diese Orte vollgestopft mit Geschrei und dank immer weniger Pflegepersonal, auf die Ökonomie der Einrichtung ausgerichtete Hilfskonzepte und allgemein BESCHISSENER Versorgungslage, ganz allgemein für alle Menschen, die warum auch immer und egal in welchem Alter und egal, wo in diesem Land, Hilfe brauchen, wird nur versorgt, wer am lautesten schreit- ergo wer am stärksten leidet bzw. dessen Leiden innerhalb des Machtapparates, der darüber entscheidet ob und wann wer wie und welche Hilfen bekommt, als das Stärkste (im Sinne von Schwerwiegendste) gilt.

Es ist eine Fokusfrage.
Faker gucken nicht danach, wer tatsächlich am meisten leidet- sie schauen danach, wer warum und wie genau zu Anerkennung, Bestätigung und eben der Art Versorgung, die sie auch für sich unbedingt wollen und brauchen, kommt. Das steht für mich außer Frage- auch Faker haben einen Druck sich so zu verhalten, wie sie sich verhalten, weil eine Bedürftigkeit da ist- einmal ganz davon abgesehen, erfordert es auch eine gewisse Fähigkeit Menschen vernünftig und treffsicher genau so zu beobachten, damit man sie kopieren kann
[Sidestep-etwas, das alle Menschen können- doch noch besser lernen, wenn ihr Überleben davon abhängt- sie also zum Beispiel, Gewalt in ihrer Familie oder durch Menschen erfahren von denen sie abhängig sind… Naaa? Verbindet sich da schon was?]

Das finde ich zum Beispiel sehr interessant (also so irgendwie in einer Anwandlung von wissenschaftlichem Interesse *ähem): es gibt „schlechte Faker“ (im Sinne von schlecht kopiert) : das sind jene die bei ihrem Anwalt sitzen und sich ein Plüschtier an die Brust drücken, während sie mit Piepsestimmchen Fachsprache verwenden und absolut offensichtlich nichts als Mit-Leid erregen wollen. Und es gibt „gute Faker“ (im Sinne von gut kopiert): das sind jene, die ihre Geschichten erst dann aufgeflogen sehen, wenn sie die Hilfe bekommen, die sie brauchen- allerdings nicht so, wie sie sich das vorgestellt haben. Etwa dann, wenn bei einem Gerichtstermin die Prozessbegleiterin, sich mit dem Rest des Hilfsteams zusammensetzt und alle Informationen von der Klientin auf den Tisch kommen und es jeweils so absurd in alle Richtungen wird, dass die ganze Sache platzt.

Faker haben nicht den Fokus auf das Bild, das sie selbst vermitteln- denn sie haben immer das Bild vor Augen, dass ihnen zeigte: „Guck der Mensch macht XY und erhält dafür AB und dabei fühlte ich CD (das was ich will und brauche)“.
Würde ein DIS- Faker einen Menschen mit DIS außerhalb des Rahmens, in dem er aufgrund von Verhaltensmuster XY, AB erhielt, treffen, käme dieser nicht auf die Idee, das Verhalten XY eines sei, das ihm garantiert, was er will und braucht, denn in der Welt, die außerhalb der Schutzräume „Klinik“, „(Selbsthilfe-) Gruppe und Forum ist, wird dem Verhalten der Menschen mit DIS eine andere Bewertung entgegen gebracht und entsprechend anders darauf reagiert.

Diese Unterscheidung nehmen viele Menschen die eine Krankheit Störung Verhaltensweise kopieren wahr, sobald sie die Klinik/ Gruppe verlassen und versuchen dann (wenn sie einen fähigen Therapeuten finden) an ihren wahren Problemen zu arbeiten. (Ja dieser Satz enthält die Grundannahme, das es in den wenigsten Kliniken und Gruppen bereits Menschen gibt, die bereits dort vernünftig mit solchen Menschen arbeiten- tut mir leid- aber ich habe einfach schon zu viele Faker getroffen und entsprechend ihrer Schaudiagnose behandelt worden sehen, um noch der Illusion anzuhängen, alle KlinikerInnen und GruppenleiterInnen würden selbstverständlich bewusst auf diesem Themenfeld sein)

Doch nicht alle Faker finden einen guten Therapeuten (wenn sie denn überhaupt einen finden… Na? Raschelts im Hinterkopf?) und werden richtig gute Brüller. Sie schreien so lange, bis sie das perfekte Generika finden und machen dort weiter.
Manche geben sich mit einem Psychotherapeuten (der unter Umständen nicht soviel von regelmäßiger Fort- und Weiterbildung, oder auch von schlicht sorgfältiger Diagnostik hält) zufrieden (den sie für jeden weiteren Menschen mit dieser Diagnose verderben), manche brauchen auch noch eine/n BeraterIn, eine Betreuung, eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin, sowie jede Menge sozialer Kontakte, die sie zentral in der Rolle des Menschen mit Diagnose DIS annehmen.

Faker tragen zu einem Bild in der Gesellschaft bei, das schlicht falsch und verschrägt ist.
Huuu, jetzt höre ich schon den Gedanken: „Ach doch nicht so dramatisch Frau Rosenblatt! Die Gesellschaft- also bitte!“. Tut mir leid- aber was glauben sie bitte, wer „die Gesellschaft“ ist?

Die Gesellschaft ist der Mensch, der ihnen in der Straßenbahn gegenüber sitzt; der ihnen sagt, was ihr Einkauf kostet; der ihnen ihre Kartoffeln pflanzt; der sie beim Amt anmault oder auch darüber entscheidet wie sie wann, warum und wo Hilfe bekommen!

Faker sind also unterm Strich Menschen die sich selbst verletzen und andere dabei gleich mit. Im Grunde tun sie etwas, dass man unter anderen Umständen „erweiterten Suizid“ nennt. Sie zerstören sich- manipulieren kleine Teile des Machtapparates und dieser wiederum sorgt dafür, dass die Faktoren, die auch mit dafür gesorgt haben, dass das Kopieren als solches erst nötig wurde, noch weiter verstärkt werden.

Das ist die Bestätigung vieler Menschen die Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigen, immer erst mal von einer Falschbeschuldigung ausgehen (obwohl die Rate der Falschbeschuldigung extrem gering ist- der Schaden im Falle einer solchen aber enorm hoch), das sind Rechtsanwälte die drei-viel-fünf Mal überlegen, ob sie jemandem mit DIS beistehen (und dann doch das Mandat ablehnen), das sind Kliniken, die zusammengestückelt werden, damit die Aufenthaltsdauer so kurz wie irgend möglich wird (und damit häufiger aufgesucht werden müssen) und so weiter und so weiter…

Und wer gewinnt?
Die Täter. Die Gewalt. Und damit am Ende unter Umständen: der Tod.

Drastisch? Dramatisch? (Maaaan schreibt bei Rosenblatts heute die Drama- Queen, oder was ist hier los?- Jaja- ich hab heute meine Lesergedankenohren offen)

Das Risiko für einen Suizid ist bei Menschen mit einem Traumahintergrund bis zu 4 mal höher als bei Menschen ohne solche Erfahrungen. Wollen wir mal überlegen, wie hoch dieses Risiko wäre, würden sie (und natürlich auch alle anderen Menschen mit egal welchem Hintergrund!) einfach so, kostenlos, immer und überall, rückhaltlos Annahme, Bestätigung in ihrem Leiden und somit: Hilfen erhalten?
Was würde dabei helfen, diese Rate zu senken?

Es wäre definitiv eine Hilfe, wenn es keine Notwendigkeit mehr gäbe, sich Leidvergleichen eines Machtapparates ausgesetzt zu sehen, in dem nur Hilfe bekommt, wer vermeintlich am stärksten belastet ist.
Gäbe es dies nicht, gäbe es keine Notwendigkeit dieses Gefälle in sich selbst so zu internalisieren, dass man beginnt die Störungen Krankheiten Verhaltensweisen anderer Menschen zu kopieren.

Ich für mich halte mich von Fakern fern.
Sie zerstören sich vor meinen Augen und das ist schlicht nichts was meine Augen jetzt noch gebrauchen können. Ich habe mich für meine Heilung entschieden und versuche entsprechend auf Dinge zu schauen, die mich heil machen, bzw. der eigenen Heilung inbegriffen sind, um mir Vorbild zu sein. Ich schaue Person XY zu und sehe: „Aha- der macht AB, wenn es ihm schlecht geht und dann geht ihm besser… Hm- kopiere ich mir mal und gucke, ob ich kriege, was ich will und brauche… Ich weiß ja schon, was ich wirklich will und brauche, weil ich habe, was ich genau brauchte, um dies zu erfahren: Anerkennung und Bestätigung meines Seins als Mensch mit allem was mich ausmacht und geformt  hat, vor meinen Gemögten, HelferInnen und meiner Therapeutin. Ich Glückpilz!“

TÄTER? – KONTAKTE! Teil 2

Die Intension vieler Helfer gegenüber Menschen in destruktiven Beziehungen oder allgemeiner formuliert „Täterkontakten“, ist ein Ende der Gewalt und Schutz vor ihr, damit eine Therapie und in deren Folge eine Heilung und/ oder ein Leben ohne Gewalt möglich wird.

Unbestritten ist, dass keine Therapie hilft, wenn die Ursache diverser Probleme und Symptome nachwievor geschieht. Logisch- du kannst nicht bei laufendem Wasserhahn die Badewanne leertrinken.
Doch wenn dir niemand hilft den Wasserhahn zudrehen zu können, bist du gezwungen genau dies immer weiter zu tun, weil die Wanne sonst überläuft. Der Stöpsel sitzt fest und wenn du in der Lage, wärst diesen zu ziehen, würdest du vermutlich eher selbst den Wasserhahn zudrehen.

Eine schiefe Metapher? Mitnichten, denn diese Art von ängstlicher Spannung kennt so ziemlich jeder Mensch: Man will keine Sauerei durch einen Wasserschaden- oh und die Nachbarn- oh was da alles kaputt gehen kann und was das kostet und oh oh oh…

Wenn jemand noch Täterkontakte hat, ist es das Gleiche- nur geht es um dabei um das eigene Überleben. Da geht es um Angst zu sterben, während man eigentlich schon längst seit Jahren in Teilen des Seins getötet wird. Man will keinen „Ärger“ (noch mehr Schmerzen, als sonst) durch eine Verweigerung- oh und die Gruppenmitglieder/ die Familie/ die Entität der man sich verpflichtet fühlt- oh was da alles plötzlich nicht mehr ist (ALLES wäre plötzlich anders!!!) und was DAS für Folgen hätte (der eigene Tod? der Tod der Helfer, Freunde, Haustiere? … oder…???)

Zeit und Möglichkeit sich bewusst Gedanken über das nebelige „Oder…???“ zu machen, haben Menschen in Gewaltbeziehungen sehr selten. Nachzudenken hilft nicht beim Überleben und oft genug werden solche Menschen gezielt in diesem Zustand gehalten.

Es ist ein Zustand ständiger Angst ums eigene Leben.
Sowas können die Täter richtig gut. Angst und Verunsicherung schüren und offen halten. Immer wieder und wieder und auf allen Ebenen. Der prügelnde Freund hat es genauso drauf, seine Freundin jeden Schritt außerhalb der Wohnung 5 mal überdenken zu lassen, wie der Sektenpriester es drauf hat, die Menschen unter ihm, in jeder Wolke am Himmel Zeichen seiner Macht sehen zu lassen.
Zu welchem Zeitpunkt sollen die Betroffenen denn auch sicher überprüfen können, dass diese Gefahr zwar präsent- aber nicht in jedem ihrer Lebensumstände auch tatsächlich real zwangsläufig in Gewalt enden muss?

Gewalt erlebende Menschen leben also täterzentriert, um sich am Leben zu halten.
Aus diesem Kreisen um „die Sonne „Täter“ “ herauszukommen erfordert, glaube ich (und habe ich bereits mehrfach so erlebt), eine Art Aufgeben- vielleicht ein Gefühl von „so ich sterbe eh gleich- dann kann ich auch grad einfach irgendwo anders hingehen“. Manche haben aber auch einfach irgendwann einen Punkt für sich in dem ihnen radikal klar wird, dass sie keine Gewalt mehr (für sich oder auch ihre Kinder) wollen. „Hallo?! Was zum Henker treibe ich hier eigentlich…?“.

Bei uns war es das Erstere, was uns bewegte wegzulaufen und räumliche Entfernung zu schaffen. Es war gerade ein Hochfeiertag gewesen, wir waren körperlich schlimm versehrt und hatten gerade ein paar Tage vorher verkraften müssen, dass uns eine Helferin von außerhalb all dessen, abgewiesen hatte.
Es war klar, dass wir keinen Platz auf der Welt und niemanden an unserer Seite hatten. Und sowieso und überhaupt- ach das Leben! 7 Suizidversuche vorher sprechen, so denke ich, ganz für sich allein, über die Beziehung, die wir zum Leben kultiviert hatten.
Der bewusste Moment war einfach nur der: „Hier sterben oder da wo du den Himmel dabei sehen kannst?“

Dass wir uns für den Himmel entschieden, war der Vorarbeit der Psychologen zu verdanken, die wir vorher getroffen hatten. Achtsamkeitsübungen, Reflektion darüber, wie es sich anfühlt die Natur zu spüren. Damals ging es zwar in erster Linie darum, uns beizubringen uns nicht mehr aufzuschneiden- aber- nuja- war doch ne gute Aus- Versehen- Nebenwirkung, nicht wahr?

Manche ambulant (selbstständig) arbeitenden Psychotherapeuten und auch Kliniken weigern sich KlientInnen aufzunehmen, die noch Täterkontakte haben.
Meiner Meinung nach, ist dies, neben „unterlassene Hilfeleistung“ und damit „Verletzung von Menschenrechten“ (mal abgesehen vom humanistischem Totalfail), oft einfach nur ein Mitkreiseln im Täterzentrum.

Ich habe bei der letzten ambulanten Therapeutensuche dreimal vor solchen Menschen gesessen (bei der ersten 5 mal).
Der eine sagte, dass es ihm zu viel ist und über seine Kräfte geht. Check- Selbstfürsorge ist okay- wenn auch für mich irgendwie schief in dem Moment, denn was wäre gewesen, wenn ich noch Gewaltkontakte (nicht bürokratische Zwangskontakte) gehabt und es nicht gewusst hätte- wie das bei Menschen mit DIS einfach sehr oft der Fall ist?
Der nächste Mensch hatte Angst, meine Verbindung zum organisierten Verbrechen würde ihn gefährden. Autsch! Zum einen sind die Täter nicht blöd (wieso sollten sie Menschen angreifen, die sie anzeigen könnten und damit mich in dem Fall, dass ich eine Anzeige erstatte, bestätigen?!) und zum Anderen bin ich kein virulentes Existenzchen, das Unheil verbreitet, sondern: das Unheil kommt immer wieder auf mich zu!
Und der dritte als Psychotherapeut arbeitende Mensch war ein Bonbon, das man mal ganz langsam lutschen sollte: „Ich behandle niemanden mit diesem Hintergrund. Am Ende sind Sie durch ihre Vergangenheit auch noch lesbisch geworden und SOWAS konnte ich leider noch nicht erfolgreich behandeln.“ (Nein, das ist nicht ausgedacht, war nicht bei irgendeinem Dorftherapeuten und auch nicht vor 50 Jahren!)

Oberflächlich betrachtet haben diese Menschen alle für sich reflektiert, was sie leisten können und was nicht. Doch einmal weiter nachgedacht, haben sie den Tätern (bzw. dem was die Täter uns angetan haben in der Vergangenheit) allesamt mehr reale Macht eingeräumt und zugesprochen, als sie haben! Sie haben Angst gehabt. Sind vor der Badewanne rumgehopst und haben uns zugeguckt, wie wir vom Rand abgetrunken haben.

So ein Helferverhalten haben wir oft (zusätzlich!) neben der realen Gewalt im Täterkontakt (üb)erlebt und ertragen. Bitte- was hätten wir auch anderes tun sollen?
Viele Helfer werden von unserem Gesundheits- und Sozialsystem regelrecht dauergedemütigt und begrenzt in dem was sie leisten können. Und am Ende sogar in ihrer Hilfskraft selbst massiv geschwächt. Das sind die Psychotherapeuten, die sich von schlecht fortgebildeten Krankenkassengutachtern anhören müssen, ihre Arbeit sei schlecht und unwirksam; von Kollegen vielleicht am Besten noch sowas wie: „Du überengagierst dich- bist nicht professionell“, wenn sie einfach so arbeiten, wie sie das gerne möchten- frei von Statute oder eingefahrenem „Wir (Profis) hier- Die (Patienten) da“.
Sie leben davon Menschen zu helfen- sind in einer für die meisten ihrer Klienten unglaublich machtvollen Position- werden aber von anderer Seite gerne mal gedemütigt oder schmerzhaft angezweifelt, wenn nicht sogar offen selbst Opfer von zwischenmenschlicher Gewalt in Form von Diffamierung oder gar Mobbing.
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Und Gewalt pflanzt sich eben fort. Beim Therapeuten (oder auch Sozialarbeiter oder Berater) kommt sie, wenn es ein Klient mit Gewaltkontakten ist, dann sogar vielleicht von zwei Seiten gleichzeitig angerauscht. Da ist die Gewalt die der Klient aus sich selbst heraus (weiter oder er-) trägt und da die Gewalt die spätestens mit der Weiterbeantragung der Hilfen durch die eigene Person, losgeht.
Damit umzugehen und sich zu schützen sollte aber nicht zum zusätzlichen Problem der Klienten werden! Die sind in Not und die haben einen Anspruch auf Hilfen- ergo wenden sie sich an Institutionen oder eben Menschen die in helfender Position sind bzw. die ihnen als
hilfreiche Hilfe beschrieben werden.

Diese bürokratischen Strukturen, zum Beispiel, nicht Gewalt zu nennen- nicht als täterfreundlich aufzuzeigen, sondern schlicht und ergreifend hilfesuchende Menschen abzuweisen und „woanders“ hinzuschicken ist genau das, was im Täteruniversum das perpetuum mobile der Gewalt ernährt, einfach nur dadurch schon, dass wieder etwas verschwiegen und damit auch ein Stück weit legitimiert – ver-alltag-.isiert wird. Dinge die „halt so sind, wie sie sind“ und „eben total normal halt eben so passieren“ und die man „halt dann eben so von sich wegschieben muss (kann!)“, die sind alltäglich, normal und nicht weiter schlimm. Wenn juckts? Sind ja nur…

Oh! Wollte uns da grad ein Satz aus dem Mund, der Menschen herabwürdigt?
Waren wir gerade so reflektiert und haben das bemerkt? Wenn wir das an uns selber merken… hm… also wollen wir das wirklich? Ist das mit unserer Berufung zum Helfer von Menschen vereinbar?
Da erlebt jemand Gewalt. Also braucht er Hilfe. Wenn er sie sucht, dann muss er sie bekommen.
Ich bin Helfer. Ich kann helfen.
Okay… dann suche ich mir jetzt mal jemand der mir hilft, dass ich nicht um meinen verzweifelt vom Badewannenrand abtrinkenden Klienten hopse, sondern ihm zeige, dass er Hände hat, um den Wasserhahn selbstständig zu zudrehen. So wie ich Hände habe, um die Hände von Menschen zu erfassen, die genau meine Ansicht zu der Sache haben.

Täterschaft über einen langen Zeitraum funktioniert über Angst. Wann hat man als Mensch noch gerne mal Angst? – Wenn man isoliert und allein ist.
Wieder ein Element des Täter-Gewalt-Universums. Die Klienten sind allein (siehe Teil 1) und viele Helfer sind es ebenfalls. Wer allein auf weiter Flur steht ist ohne Macht. So funktionieren wir Menschen- uns gehts nunmal gut, wenn wir das Gefühl haben, Dinge verändern zu können.
Die Täter verändern Dinge mit Gewalt, welche am Ende ihrer Spirale nur den (unnötigen) Tod haben kann.
Man kann Dinge allerdings auch durch Verbundenheit verändern, an deren Spiralenende immer das Leben mit all seinen vielen Facetten steht.

Helfer müssen sich entscheiden, ob sie auf einem Nebenarm der Täterspirale oder mitten auf der Spur der Helfer-Verbündetenspirale sitzen wollen. Sie müssen sich selbst fragen: Bin ich versucht zum Mit-TÄTER zu werden (weil ich Angst habe, allein bin, unsicher bin, noch nicht genug gelernt habe etc. etc. etc.) ?

Der Kontakt mit einem Verbündeten (sei es das man ihn „PsychotherapeutIn“, „BeraterIn“, „SozialarbeiterIn“ nennt) wird es sein, der die Gewalt im Leben des Betroffenen in einem- vielleicht nicht direkt und sofort sichtbarem, aber doch vorhandenem Bereich- zu beenden helfen wird und so ermöglicht ein Stück mehr Gewalt aus dem Leben aller Menschen zu nehmen.

Fortsetzung folgt

täter?- KONTAKT! Teil 1

Immer wieder kommen Menschen mit Suchanfragen bezüglich des Themas „Täterkontakte“ auf diesen Blog.
Ja- phu- was für ein Thema- natürlich unglaublich wichtig und eigentlich dauerpräsent.
Natürlich möchte ich dem angemessen begegnen, breche hier dann aber gleich zu Beginn einfach mal ab.

Nein- wir reden jetzt mal nicht über TÄTER(kontakte), sondern über KONTAKTE.

Über die Täter wissen wir schon richtig viel und täglich wird es mehr.
Doch die Einsamkeit der Opfer bleibt unbenannt und das ist etwas, das unter Umständen tödlich ist. Im Gegensatz zur Gewalt, die sie vorher überlebten und oft noch eine ganze Weile überleben, wenn es um organisierte oder auch Partnerschaftsgewalt geht.

Es war eine der bittersten Erkenntnisse die wir im Verlauf unseres „Ausstiegs“ (den ich im weiteren Text lieber „Abkehr“ nennen möchte- da wir niemals einen „Einstieg“ hatten, sondern hineingeboren wurden) hatten:
Gewalt ist überlebbar– auch wenn es sie sich nie so angefühlt haben kann. Immer gefühlt endlos dauerte und immer weiteren Schaden in uns verursachte.
„Wir sind fähig grausame Qualen zu erfahren und am nächsten Tag wieder zur Schule zu gehen, unsere Betreuer und nahe stehenden Menschen im Glauben zu wiegen, es gäbe keine Täterkontakte.“

Zwischen dieser Erkenntnis und der Kraft sich tatsächlich direkt zu verweigern, lagen bei uns etwa 3 Jahre.
Wir hatten in der Zeit ein Kontingent von über 20 Fachleistungsstunden pro Woche im Rahmen der ambulanten Jugendhilfe, eine ambulante Psychotherapeutin, eine Psychiaterin, einen Hausarzt und eine Klinik mit Schwerpunkt auf der Behandlung von Traumafolgestörungen in der Stadt, die wir zur Intervalltherapie aufsuchten.
Doch keinen einzigen Menschen, dem es rein um uns ging. Und obendrauf, waren wir nach unserer Odyssee der Unzuverlässigkeiten nicht einmal mehr in der Lage uns auf Menschen in helfender Position in irgendeiner Form einzulassen, die mehr verlangte als das was vertraglich/ gesetzlich vorgeschrieben war.

Wenn uns unsere Betreuerin begegnete, haben wir über den Alltag gesprochen, der übrigens nie ein Problem war. Man musste uns nicht beibringen wie wichtig Hygiene und Ordnung, Zuverlässigkeit oder Ehrlichkeit ist.
In der Psychotherapie ging es um „Stabilisieren, was stabilisierbar ist“. (Dies ist zumindest das Fazit heute)
Der Hausarzt klatschte noch bei einem BMI von 17 Applaus und hat bis heute keinen Zugang zu den auch körperlichen Folgen von (Psycho)Traumata- doch um einen anderen zu suchen gibt es noch zu viele Hürden.
Die Psychiaterin verschrieb weiter und weiter Antidepressiva, Benzodiazepine und Neuroleptika.
Nur in der Tagesklinik hatten wir die Chance eine Basis aufzubauen, die es uns in kleinen Schritten ermöglicht hatte eine unserer ersten Verbündeten in unser Leben zu lassen und überhaupt das kleine Fünkchen Resilienz, dass uns knapp 6 Jahre vorher hatte räumlich flüchten lassen, zu hüten und wachsen zu lassen.

Doch wir waren so erst mal unglaublich einsam. Gingen an die Abendschule und versuchten den Normen einer Welt zu entsprechen, die uns verboten war (und nachwievor ist) und kauten uns durch eine Zeit, die absolut bis in die Grundfesten gespalten war; trafen Menschen und enttrafen sie wieder. Was wussten sie denn schon?
Mit Anfang 20 hat kaum jemand so eine Geschichte hinter sich und weiß obendrein noch, dass das was er da gerade erlebt, wahrnimmt und durchmacht so weit außerhalb der Norm liegt, dass selbst jene, die sich mit Extremen befassen, einander darüber in die Haare bekommen.
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Und dann kam da dieser Mensch.
Laut in jeder Hinsicht, mutig, resilient, mitten im Leben und einer zauberhaften Attitüde auf uns zu. Begann Gespräche, diskutierte und debattierte mit uns. Über Monate hinweg kam da stetig jemand auf uns zu, war an uns interessiert, ohne uns „haben zu wollen“. Nicht wir haben den Kontakt eingefordert, sondern dieser Mensch und trotzdem war alles anders, als mit den ganzen Menschen die wir vorher trafen.

Da ging es nicht um Geld, Verantwortung, Zwang oder Ziele.
Da ging es um das Leben und Gemeinsamkeit.
Plötzlich sprach jemand für uns- nicht: statt uns. Sorgte sich um und für uns. Einfach so, weil er sich dafür entschieden hatte.

Über diese Tatsache sind wir dann erst einmal gepflegt zerfleddert. An so eine Beziehung waren wir nicht angepasst- hatten noch nicht eingeübt, wie man ohne Selbstabgabe, ohne den Preis des Schmerzes oder die Notwendigkeit des Verschweigens so einen Schatz bewahrt und mit ihm umgeht.
Bei gemeinsamen Aktivitäten tauchten nach und nach Innens auf, in der Erwartung genommen zu werden- nicht damit rechnend schlichte An-nahme zu erfahren.

Das war wiederum eine Situation, die für diesen Menschen schwierig war. Doch- oh wow! Nein- er ging nicht weg! Er holte sich Unterstützung- doch nicht etwa in einem schlauen Buch allein oder von der Profiseite, sondern von einem Menschen, der ebenfalls multipel ist und machte uns mit ihm bekannt. So trat also der nächste Mensch in unser Leben, der ähnlich verbündet mit uns wurde. (Und übrigens auch „unser erster anderer Multi“- hatte auch was, zu sehen, dass es irgendwie doch ganz normal nach außen aussieht, Viele zu sein…)

Unsere Verbündeten und wir. Ein Bündnis. Eine Ver- Bindung.
Die erste nicht von Machtausübung dominierte Beziehung in unseren 20 jährigen Leben.

Während des Folgejahres wurden wir Stück für Stück unzuverlässig für die Täter. Nicht mehr jeder Zettel in unserem Briefkasten, nicht mehr jedes Angesprochen werden auf dem Weg zur Schule, nicht mehr jedes Klingeln des Telefons wurde beantwortet. Wo wir uns aufhielten und was wir machten, konnten wir nicht verstecken. Wir hatten keine Chance uns bürokratisch zu befreien, obwohl wir es durchgängig mit jedem Antrag der ambulanten Hilfen versuchten und so ziemlich jeden juristischen Hebel durchexerzierten. Der Gesetzgeber schützt die Kernfamilie. Auch die Kernfamilie die ihre Mitglieder zerstört.
Solange keine Strafanzeige gestellt wird und eine Gefährdung eindeutig nachgewiesen werden kann (und das konnte sie eben nicht) gibt es keinen Schutz vom Staat.

Zwei Mal wurde in unsere Wohnung eingebrochen. Einmal stand mitten in der Nacht ein fremder Mensch in unserer Wohnung. Was dort geschehen ist, wissen wir bis heute nicht genau.
3 Wochen später (!) half uns die Betreuung das Schloss auszutauschen.
Dort wir kehrten nicht wieder dorthin zurück.

Die Schutzmöglichkeiten, die sich nun boten, waren ein Witz. Die Notfallausweichwohnung der Betreuung war eine vom Vorbewohner verwüstete Antibiotikazuchtstation in der gerade mal noch unsere Haustiere zum Übergang bleiben konnten. Als Alternative gab es einen Platz in einer Wohngruppe oder die Psychiatrie.
So an die Wand gedrückt, haben wir es dann gewagt und das Angebot angenommen, bei dem mit uns verbündeten Menschen unterzukommen.

Es folgte noch ein Täterkontakt, der in einer kurzen Prügelei und einem deutlichen NEIN endete.
Da wo wir nun lebten, waren wir sicher, das wussten wir.
Nicht weil es doppelt- und dreifach verriegelbare Türen, Panzerglas und keinen Kontakt zu Außenwelt gab oder weil es soviel Bewusstsein über die Täterstrukturen gab oder ein konkretes Wissen darum, was uns wo wie und durch wen angetan werden könnte, sondern, weil es jetzt definitiv jemand bemerken würde, wenn wir plötzlich nicht mehr da sind.
Wir wussten, dass dieser mutige Mensch keine Hemmungen hätte, beim leisesten Verdacht die Polizei anzurufen und zur Not zu erstreiten, dass diese sich zu uns in die Wohnung bewegt. Dass dieser Mensch gegenüber den so verletzten Innenkindern ein so großes Schutz- und „Behüt“-Bedürfnis hat, dass er sich in jedem Fall an unsere Seite stellen würde, um uns daran zu hindern von uns aus Kontakt aufzunehmen oder uns oder ihm etwas anzutun.

Und dann kamen die Dränge.
Erst der Drang zu gehen, Besuche zu machen. Dann der Drang zu sterben. Dann die große Depression, die mit unsäglichen Schmerzen einher ging. Dann die Flashbacks. Dann die Panik. Dann die inneren Zeitverschiebungen. Dann der letzte Überfall. Dann der Drang sich zu entschuldigen. Dann die ersten Krampfanfälle (die sich übrigens als seltene Nebenwirkung eines Medikamentes herausstellten, das wir in der Zeit anfingen zu nehmen). Und dann der kalte Entzug der Benzodiazepine, weil uns sonst die Sanitäter nicht mehr helfen konnten, wenn der Krampfanfall nicht anders als mit Medikamenten unterbrochen werden konnte.
Dann die inneren Tenöre. Dann der Hass nach Außen. Dann wieder die Depression. Dann wieder die Angst. Dann die Trauer. Dann die Wut. Dann wieder die Angst. Geschlafen haben wir in der Zeit so gut wie gar nicht (wenn dann eben durch Medikamente).

Und dann… nach etwa 3- 4 Monaten: Sonnenbrand.
Vogelzwitschern. Kinder im Hof. Kein Schuldgefühl beim Griff nach einem Lebensmittel. Erster Galgenhumor über einzelne Situationen der letzten Monate. Die Katze auf dem Bauch deren Schnurren den eiskalten Klumpen im Bauch antaute. Mehr Aktivität als das Liegen auf der weißen Couchwolke. Eine neue Wohnung in Aussicht und Pläne diese einzurichten.
Ohne an uns zu zweifeln, suchte der Mensch erst Pia und dann Mia mit uns aus. Zwei wunderbare kleine Katzenseelchen, die uns erfreuten, Sorgen umlenkten, strukturierten, eingrenzten und doch über uns hinaus wachsen ließen.
Ein Neustart.


Wir haben nie wieder Gewalt durch Täter ertragen müssen.
Obwohl es nachwievor „Täterkontakte“ gab. Die bürokratische Zwinge konnten wir nicht aufbrechen und durch viele Datenschutzlücken und auch Nachlässigkeiten unserer Betreuer (bzw. jetzt der Menschen in den Ämtern, von denen wir abhängig sind), waren (und sind wir nachwievor) gefährdet.

Doch wir sind sicher, denn wir haben KONTAKT hergestellt.
Nicht nur zu (inzwischen vielen) Verbündeten, Gemögten und HelferInnen, sondern auch zu unserem Resilienzfünkchen und der Welt die so schön- wenngleich so verboten ist.

Fortsetzung folgt


P.S. Es gibt bereits einen Artikel der sich mit dem Thema befasst. Doch die Häufigkeit der Suchanfragen, rechtfertigt für mich ein häufigeres Aufgreifen, auch weil ältere Beiträge gezielt gesucht werden müssen.

Ewigkeit

“Hallo?”
-“…” Anlauf… Druck- Atem im Gaumen ballen, Zunge formen
”C.? Seid ihr das?”
– “…” Anlauf… Luft zusammenpressen-  Luft woher? Zu was soll es werden?
Mehr als ein ersticktes Schniefen kommt nicht raus.
”Ich schick dir eine SMS, halte das Handy ans Telefon dass ich höre, dass sie da ist, ja? Wir haben das abgesprochen, damit ich weiß dass ihr das seid, okay?”

Das Mädchen steht im Arbeitszimmer als das Mobiltelefon auf dem Tisch vibriert.
”Ah ich höre es, okay.” Es raschelt am anderen Ende. “Wer ist denn da? Kennen wir uns schon?”
– “…” sie atmet ein, spannt alles an und würgt doch nur leere ungeformte Luft hervor.
”Hast du Angst? Was ist passiert?”, mehr zu sich als zu dem Kind sagt sie: “Ihr seid sicher.”

[Nein kann ja gar nicht sein, ich hab grad… da war grad ich hab doch gesehen… da ist doch… kann doch wieso sicher… ist doch nicht sicher wenn… da ist doch!!! Weißt du da… da da daaaa da…!!!]

“Traust du dich in die Küche? Im Frostfach ist eine Tüte mit Suppengemüse- leg dir die mal auf den Bauch.”

[Ich… und wenn da… und was wenn… ich nein ich beschütz mich doch da ist… und wenn ich jetzt sterbe was wenn… ich hab doch… da ist doch…  ich kann nicht]

“Ich ruf sofort die Polizei und H. an, wenn ich höre, dass was passiert! Fest versprochen! Dann kommen sie alle zu euch und helfen euch. Das geht ganz schnell. Die sind dann in ein paar Minuten da. Versuch mal in die Küche zugehen. Das Kalte hilft dir vielleicht. Du bist ja ganz außer dir.”

Ich kralle mich in ihre Worte, die Sicherheit der Gemeinsamkeit- höre sie durch Nebelwatte und kann fast lachen. Denn ich bin außer ihr. Ich stehe daneben, schwebe um diese Szenerie.

Ich nehme einen der Fäden auf, der von dem Mädchen herunter hängt und ziehe es in die Küche, lasse es in das Frostfach fassen. Halte ihren Arm damit sie das Telefon nicht fallen lässt.
”N.? Ich könnte mir vorstellen, dass du irgendwo mit bei euch herumschwebst und mich hörst. Kannst du versuchen etwas zu sagen?”, sie wartet und ich fühle mich ertappt. Plötzlich bin ich unsicher- nicht wegen der Situation, sondern wegen der Sicherheit mit der sich eine Außenstehende in unserem Sein bewegt.
”Nicht vergessen- nicht die Hand im Eisfach liegen lassen. Nehmt lieber das Gemüse in die Hand und legt euch die Tüte auf den Bauch.” Ich höre wie sie sich in ihrem Bett zurechtwickelt und werde erst jetzt gewahr, dass es halb 5 am Morgen ist. Die Arme…

“Gehts? Kannst du langsam was sagen?”
Die Nebelwatte löst sich unter dem Eis auf, die Dämme brechen.
Das Mädchen weint und weint und weint.
Ihr hemmungsloses Schluchzen wird zu einem Damm um sie herum. In solchen Fluten würde ich ertrinken. Alles was ich machen kann ist warten und es sich leerlaufen lassen. Ich versuche das Innen zu lichten. Eine Hilfe für sie zu finden.
”Ja… wein dich aus… ist okay. Ich warte.“

Anlauf… Luft… eine Form im Kopf wird zur Form im Mund… wird zum Wort… Absprung
Sie spricht.
Sie wird getröstet, beruhigt, im Heute orientiert.
Sie löst sich auf und wird zu einem der kleinen Herzen, dass in der Brusttasche von jemandem behütet wird.

“Hm, bist du noch da?”
-“Ja, ich bin da.”
”Na? Lust auf Suppe heute Abend?”
-“Hm?”
”Das Gemüse müsste jetzt langsam aufgetaut sein.” sie kichert.
-“Entschuldige.” Ich versuche den Körper irgendwie zu sortieren und die Tüte wieder ins Frostfach zu legen. “Ich weiß nicht, wieso wir so zerfallen im Moment. Mehr als Wahlwiederholung ging nicht.”, ich wische das Gesicht frei und atme durch.
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”Es ist okay- wirklich! Ich hab da schon was im Kopf, wieso das alles grad so krass ist. Aber ich bin keine Expertinesse- ihr müsst das mit eurer Seelenfrau unbedingt irgendwie auf die Kette kriegen. Wann ist wieder Termin?”
– “Donnerstag”
”Oh man…das ist ne Ewigkeit in Kinderrechnung”

Ja…
oh man
Das ist es auch ohne Kind zu sein.