die Tür

„Hey ihr, wie schön, dass ihr wieder da seid!“, sie lächelt und unterdrückt den Impuls uns zu umarmen.
„Was soll ich machen?“. Die Kinderstimme ist sachlich, das Gesicht starr.
„Du musst gar nichts machen.“, sie lächelt, tritt schräg einen Schritt zurück von der Wohnungstür und gibt so den Fluchtweg frei. Ihr Blick geht seitlich am Kopf vorbei. „
Weißt du, wer ich bin?“.

Das Kind antwortet nicht, starrt weiter stumpf auf das Gesicht unserer Gemögten, die uns den Sonntag mit etwas Gemeinschaft erleichtern möchte. „Ich bin die A. Ich besuche euch heute, damit ihr euch ein bisschen besser fühlen könnt. Und weil ich gerne hören möchte, was ihr so alles erlebt habt auf eurer Reise. Keiner von euch muss etwas machen. Ihr dürft alles sagen, was ihr möchtet und alles machen, was ihr möchtet.“286840_web_R_K_B_by_Daniela Berghold_pixelio.de

In den Ohren des Kindes schreit es jaulend auf. Verwirrung flimmert hinter seinen Augen. Es beginnt leicht zu zittern. „Jetzt weißt du gar nicht so richtig was los ist, ne? Das ist okay. Ich setz mich hier einfach auf die Treppe und wenn ihr möchtet, dass ich lieber morgen wiederkomme, ist das auch gut.“. Sie legt ihre Tasche auf den Boden und setzt sich. Guckt aus dem Dachfenster und umfasst ihre Knie.

„Siehst du mein Herz? Heute ist es anders. Ganz anders. Die A. ist eine Gemögte von den Frontgängern. Da musst du wirklich nichts machen.“, ich raune es leise an ihr Ohr und lasse das schreiende kleine Herz hinter ihr auf meinen Rücken kriechen, versuche das Kind sachte zu umfassen, damit die Anderen von A.´s Ankunft erfahren können. Es zuckt zusammen und stirbt mir unter meiner Berührung weg.

Jemand geht zum Kühlschrank, hält sich ein Paket Eis an den Hals und konserviert so das ausgehauchte Kinderinnen erneut.

A. schaut von ihrem Treppenplatz aus, in die Küche und fragt, ob es geht. Ob sie eintreten darf oder lieber morgen nochmal kommen soll. Die Augen füllen sich mit Tränen, im Innen schießt die heiße Gischt des dunkelbunten BÄÄÄMimperiums hin und her. Es ist unmöglich eine Entscheidung zu treffen. Schon die Verabredung war ein Fehler, die Anwesenheit der Gemögten eine Katastrophe, der Wunsch nach Gemeinschaft ein Kapitalverbrechen.

Sie nickt stumm, steht auf, nimmt ihre Tasche und winkt uns zu.
„Ich rufe morgen früh an.“. Das Klacken der Haustür, unterbricht den Hall ihrer Schritte hinunter.

Mit dem Schließen der Wohnungstür, öffnet sich eine innere Tür, die wir lieber zugemauert hätten.

Täter_Abkehrschmerz_Kontakt Teil 5

Und dann ist da der Schmerz der kommt, spürbar ist und bleibt.
Freiheit sollte keinen Preis haben.
Für Menschen ohne Ressourcen hat sie das aber unter Umständen schon.

Ich muss, während ich dies schreibe, an den Kommissar a.D. Hr. Paulus denken, der bei der Tagung, so emotional für frühe Interventionen eintrat. Wir waren verdammt früh dran, für alles das was in unserem Leben passierte und doch scheint es für uns als Mensch in einer (kapitalistischen) Leistungsgesellschaft, als sei doch schon alles zu spät. Als sei das, was für uns gut und wichtig ist, nichts, was uns irgendwann in die Lage bringt tatsächlich jemals so frei zu sein, dass wir wirklich und tatsächlich sagen können: „Ja, hier habe ich das Sonderangebot der kostenlosen Freiheit in der Hand, von dem ich im allerersten Artikel zum Thema „Täterkontakte“ geschrieben habe.“442855_original_R_by_Günter Havlena_pixelio.de

Wir waren minderjährig, als wir, aus welchen Gründen auch immer, (psychisch) auffällig wurden. Minderjährig, als wir aus eigener Kraft wegliefen und uns in räumliche Entfernung brachten. Minderjährig, als wir uns jahrelang durch die Mühlen von Institutionen der ja fast industriellen Massenbearbeitung zwecks „Heilung“ (die eigentlich „Anpassung“ meint) hin und her schieben ließen. Minderjährig, als wir Entscheidungen treffen mussten, die ein Leben beeinflussten, von dem wir noch nicht einmal wussten, wie genau das aussehen könnte/ sollte/ müsste.

Wir haben so ziemliche jede Etappe, die uns aus den destruktiven Konstrukten herausbrachte, fast allein gekämpft. Nur diesen Aspekt der Gewalt, haben wir in einer Art beendet, die uns in Kontakt brachte.
Und nun, wo wir alles das hier aufschreiben, kommen wir in Kontakt mit dem Trennungsschmerz.
Dabei ist das alles schon viele Jahre her. Doch diesen Punkt- den Verlust und die Bedeutung all dessen, was vielen Innens Sein und Ziel gab (und noch immer gibt), haben wir bis heute nicht bearbeitet und verkraftet. Es schwelt wie ein blubbernder Pudding unter der Haut und kommt ab und an mal wieder hoch.
Weil wir eben mit genau dem unglaublich allein stehen.

Es ist der Haken an Pseudoreligiosität oder auch den sozialen Rollen in Gewaltbeziehungen.
Du bist etwas und stehst für etwas. In deinem kleinen Leben, das so voller Schmerz ist, bist du etwas für jemanden (oder etwas). Da gibt es Pflichten, Zwänge, Regeln, die genau deinen Wert abzirkeln, dich genau wissen lassen, wo du stehst. Es ist unverfälscht und steht im direkten Bezug zu dir.
Fällt es weg, bist du nichts mehr- weder vor anderen noch vor dir selbst.

Das ist der Punkt, der unglaublich anfällig für die nächste Sekte, die nächste gewalttätige Beziehung, die nächste Extremistengruppe macht. Ich las neulich einen Artikel in dem stand, dass Aussteiger nach dem Ausstieg aus satanistischen Kulten ihren Zugang zum Christentum finden und klebte unter der Decke, weil ich mich direkt fragte, wo dann da bitte die Freiheit blieb?
Selbstdefinition passiert über das was man tut und die Wertschätzung, die einem darüber entgegen kommt.

Jeder sagte uns nach dem Ende der Gewaltkontakte, dass wir das toll durchgestanden hätten und gut für uns gekämpft hätten. Aber niemand hat gefragt, was dann kam.
Und so kam einfach: Nichts.

So ist das, wenn man spaltet. Da ist dann einfach nichts. Lieber nicht dran denken, lieber nicht dran rühren. Man hat ja nun geschafft, was immer in den tollen Büchern steht und was „die Anderen“ sich so für einen wünschten. Die schlimmste Angst ist ja jetzt weg. Der regelmäßige Schmerz ist ja jetzt weg. Jetzt ist der Wasserhahn ja abgedreht.
Dass er in unserem Fall noch tröpfelte, haben wir unterschätzt; dass es BÄÄÄMs und noch immer hoffende MittelBÄÄÄMs in Winkeln bei uns sitzen gibt, nicht gewusst, weil es keinen Kontakt gab.

Und jetzt, wo er endgültig zugedreht ist, hören wir das Knacken und Knirschen der Wanne.
Man steht davor und weint immer mehr Tränen hinein, weil man- trotz aller Kämpfe und aller Kraft und auch aller Erfolge, noch immer nicht genug in Kontakt mit seinen Händen ist, um den Stöpsel zu ziehen und alles das, was sich da angesammelt hat, rauszulassen.

In der ganzen Zeit haben wir gedacht, dass wir, wenn wir erst mal frei sind, nicht mehr soviel Kraft vergeuden würden müssen, weil wir ja dann nicht mehr ständig Gewalt wegdissoziieren müssen. Dass wir mehr Energie zur Verfügung hätten, um uns richtig doll anzustrengen und auch endlich einen Beruf zu erlernen und nicht mehr in dieser menschenunwürdigen Hartz-Maschine zu stecken. Beim Beginn der ambulanten Psychotherapie nicht von Anfang an auch noch darüber nachdenken müssten, ob wir uns XY leisten könnten, oder ob wir nicht doch lieber noch ein Wochenbugdet beiseite legen um Stunden selbst zahlen zu können- wir wollten ja arbeiten und uns das leisten können.
Wir dachten ja, wenn man frei von Täterübergriffen sei, sei man tatsächlich frei und (man-) selbst- ständig.

So war es aber für uns nicht.
Alles was sich änderte war die Gewalt. Von der Gewalt, mit der wir aufgewachsen und an die wir angepasst waren, die uns Sinn und Sein gab, zu der Gewalt aus der man schlicht nicht aussteigen kann, ohne die komplette Aufgabe all dessen, was man sich doch so hart erkämpft hat.
Natürlich könnten wir in den Wald ziehen und von Gänseblümchen leben. Könnten auf den Staat pfeifen und uns durchschnorren. Doch dafür haben wir das alles nicht auf uns genommen.
Dafür haben wir das alles nicht überlebt- dafür haben wir nicht die Wertnormen aller uns umgebenden Welten von uns abgetrennt. Für ein Leben in Haltlosigkeit ertragen wir diesen Abtrennungsschmerz nicht.

Und doch ist genau dies unsere derzeitige Phase.
Zu erkennen, dass man nicht wirklich frei ist, sondern schlicht haltlos frei herumfliegend.
Im Moment unglaublich tief erschöpft von der Suche nach Halt durch Hilfen und Begrenzungen.

Ja, wir haben mehr Energie und es geht uns in vielen Bereich besser als zu der Zeit, in der manche Innens noch regelmäßig gequält wurden. Aber das, was wir als Ergebnis dieser Befreiung erhofft hatten, ist schlicht nicht eingetreten.

Es ist also auch eine Abkehr dessen, was uns lange durch diesen Prozess getragen hat: Das Denken, es gäbe eine Ordnung und einen Rahmen für uns, wenn wir auf etwas verzichten, was in dieser Welt außerhalb dessen aus dem wir kommen, verurteilt ist.

Vielleicht gibt es diese Ordnung irgendwann. Vielleicht sind wir einfach zu erschöpft von dem Stück für Stück Selbstmord den wir seid dem endgültigen Zudrehen des Täterkontaktes letztes Jahr begehen. Das weiß ich nicht. Ich bin zu jung, um zu wissen was jetzt kommt. Wie lange und was für ein Leben habe ich schon gelebt, um nun auf bereits gemachte Erfahrungen mit so schweren Sinnkrisen zurückgreifen zu können? Da ist keine Basis- nur Material, um etwas Neues aufzubauen und mir selbst einen Rahmen zu zimmern.

Doch dafür brauche ich noch mehr Kontakt mit meinen Händen. Eine vielleicht nur noch zu zwei Dritteln gefüllte Badewanne. Hilfe von außerhalb. Mut und Zutrauen, diese auch anzunehmen.
Aber im Moment habe dies einfach nicht.
Ich bin müde, habe Schmerzen und quäle mich durch die Tage, versuche die Menschen, die mir begegnen nicht anzuschreien, obwohl ich permanent das Bedürfnis dazu habe. Schreibe mich hier täglich leerer, weil ich denke, dass es mich irgendwie definiert als jemand, der etwas tut. Jemand der etwas erschafft und nicht nur Ressourcen frisst.

Die Hilfe, die wir bis jetzt hatten, gibt es so in der Form nicht mehr, dass wir sie nutzen können.
Die Beziehung zu den mit uns verbündeten Menschen hat sich verändert, in den letzten Jahren. Wir sind nachwievor verbündet- aber nicht mehr auf dieser Ebene. Die Kontakte, die wir haben, können alle nur ansatzweise versuchen zu verstehen und nachzufühlen, was in uns vorgeht. Das ist nicht schlimm oder ein Defizit, aber es ist eben nicht das, was wir im Moment ge-brauchen können. Wir brauchen sie! Wir brauchen sie alle! Nur ge-brauchen können wir sie eben nicht.

Wir können keine der sich derzeit bietenden Klinikkonzepte nutzen, weil wir über das hinaus sind, was da angeboten wird. Keine Sektenberatung kann uns helfen, weil die Alternative zu geistig-religiös-spiritueller Haltlosigkeit eben geistig-religiöse-spirituelle Konstrukte sind, die alle samt und sonders- egal wie liberal man sich in div. Gemeinden gibt, einsperren und bei uns alles explodieren lassen würden (unser Eiertanz, den wir hier ab und an zeigen, reicht ja eigentlich, um zu zeigen, wie schwer es schon in Eigenregie ist).

Trotz allem, was jetzt gerade brennt sind diese Gedanken und Schmerzen anders, als die, die es früher gab.
Ja- wir kämpfen wieder um unser Überleben- genau wie wir das noch zu Zeiten in denen andere Menschen noch über uns verfügten, tun mussten.
Doch heute zerstören wir uns selbst, (leben also eine Eigenmacht aus) und sind einer Art Gewalt unterworfen, der sehr viele andere Menschen auch unterworfen sind.

Wir sind also nun, durch alles was wir geschafft haben, immerhin in der Position selbst und eigenmächtig zu bestimmen, ob und wie wir leben oder sterben.

Es ist ein bitterer Sieg.
Aber es ist ein Sieg.

Ende

Täter- Angst!- Kontakte Teil 3

Und dann ist da die Angst.

Angst ist hochgiftig und mitunter tödlich. Das weiß jeder, der mal wild durch einen Hühnerstall getobt ist oder Aquarienfische zum Umsetzen einfangen musste. Wird es zu viel für den Organismus, ist eben Ende.

Menschen die immer wieder Traumatisierungen erleben, passen sich auf verschiedene Arten an die Angst an. Manche „haben dann eben keine mehr“, manche werden Profivermeidungstänzer und manche agieren dann „plötzlich mit übermenschlicher Kraft“.
So ein Angstdorn vorm Täter sitzt ganz gern im Fleisch und fängt an Wurzeln zu schlagen. Die Blüten der Angstpflanze hat viele Gesichter und früher oder später treten Einzelne davon immer offen ans Licht.

Angstblüten stinken ganz erbärmlich.427490_web_R_K_by_Lizzy Tewordt_pixelio.de
Unsere erste Angstblüte war selbstverletzendes Verhalten par excellence in Form einer Essstörung und selbst zugefügten Wunden. [Etwas, das ich immer wieder nicht verstehe ist, dass die ersten Erklärungen von außen für so ein Verhalten in Ebenen der Betroffenen und deren Alltagsleben gesucht werden, die natürlich nicht außen vor bleiben sollten, doch den Kern unberührt lassen. Meiner Meinung nach ist der Grund für so ziemlich jede Unter- Nebenart von „Wahnsinn“ oder „psychischer Krankheit“ schlicht Angst und die Versuche mit ihr irgendwie um zugehen. Das Stigma des „psychisch Kranken“ hilft dabei übrigens überhaupt nicht!]

Was das mit Täterkontakten zu tun hat?
Na- schnuppern Sie gerne an stinkenden Blumen, wenn Sie nicht gerade der Züchter selbiger sind?

Wer es richtig gut drauf hat, Ängste zu sähen, zu pflegen, zu nähren und in ihrer Entwicklung zu beeinflussen, der wird ihre Früchte genießen und nutzen können. Im Bereich der organisierten/ rituellen/ ritualisierten/ lange anhaltenden Gewalt finden sich außerordentlich versierte Angstpflanzenzüchter.
Sie schaffen es vor Allem und Jedem Angst zu verbreiten. Sei es durch schmerzhafte „Strafen“, durch gezielte Folterungen, Erpressung, Drohungen (die ab und an wahrgemacht werden) oder durch Nutzung der derzeit absolut opfer(frauen)feindlichen Gesellschaftsstrukturen.

Wie man Ängsten begegnet ist klar: Man schaut sie sich an, findet heraus, worum es bei der Angst geht, wägt ab, wie berechtigt oder unberechtigt sie ist und probiert herum, welches (andere- nicht/ weniger destruktive) Agieren, oder auch welches Agieren anderer Menschen, oder auch welche Umwelteinflüsse sie positiv im Sinne einer Linderung beeinflussen.

Wie soll ein Mensch der evtl. von Geburt an gelernt hat, dass seine Angst nur dann erträglich wird (oder gar nicht aufkommt), wenn er tut, was der Täter sagt? Wenn er vielleicht sogar noch irgendwann Angst vor Ängsten oder Angst vor Ängsten die wiederum Ängste aufkommen lassen entwickelt hat- ohne überhaupt sagen zu können, worum es dabei eigentlich geht, weil es dissoziative Barrieren gibt?
Schönes Beispiel unsere Frontfrau.
Sie hat bis heute kaum mehr als ein bedrohliches Dämmern, wenn es um Dinge unserer Biographie geht, die vor dem sechzehnten Lebensjahr geschahen. Aber Angst ohne Ende. Das ist dann mal ein Puzzle, das hier rum liegt und für ein anderes Innen eine Assoziation mit einem Erlebnis aus eben jenem Zeitabschnitt ermöglicht. Die Frontfrau kriegt diese Verbindung nicht hin- weiß aber, dass sie sich mindestens davon bedroht fühlt. Dann kommt da die Lernkette: „Immer, wenn in mir etwas dämmert verliere ich Zeit“- „Immer wenn ich Zeit verliere, tue ich Dinge, die gar nicht meiner Meinung/ Wunsch/ Naturell/ Fähigkeiten entsprechen“- „Diese Dinge kann ich nicht erklären und erst recht nicht so in der Form erinnern/ wiederholen geschweige denn (vor mir selbst) rechtfertigen“- „Ich bin in der Falle (werde nie entsprechen können)“- „Alles ist aus“
Dies macht in unserem Gesamthirn einen Wechsel- da dies die Art tödlicher Angst ist, vor der es sich zu schützen gilt.

Ein ähnliches Wechselmuster gibt es bei Multiplen mit Täterkontakten. Ob gezielt eingebrachte oder schlicht Personen- Umstandsgebundene Trigger: die Folge ist ein Schutzversuch- der Versuch seine (sehr berechtigte und sich ja immer wieder neu bestätigende) Angst zu verhindern (bzw. zu lindern).

Ich schrieb es im ersten Teil. Die Dränge…
Phoa wir hatten so eine Angst verdammt und immer wieder haben wir versucht das altbekannte Muster zur Linderung dieser Ängste zu fahren.
„Schnell hin- anrufen- Besuche machen- alles und alle beschwichtigen- hier nimm mich- da, du kannst mich haben und alles ist wieder „gut“.“
„Okay, jetzt war ich nicht da- jetzt sollte ich mich opfern- besser ich machs jetzt bevor…“
„Ich habs nicht gemacht- Jetzt wird XY passieren- ganz sicher- ich habs ja mit eigenen Augen….“
„Ich bin noch immer da ich minderwertiges Stück Dreck- ich bin….ich muss- ich sollte- es wird sicher…“
„Sie werden mich hassen… meine lieben… sie werden enttäuscht sein- ich will sie doch nie enttäuschen….“
Die Liste ist so lang und dies hier ist nur ein Abriss.

Die Angst ist pur gewesen. Da gab es schlicht keinen Platz für Rationalität.
Daumen hoch oder runter. Nur das diesmal, dort in diesem geschützten Rahmen, mit jemandem an unserer Seite nicht die Entität des Imperators* saß, sondern einzig meine ekelhaft stinkende Angstdiktator*pflanze.
Ich glaube heute, dass die Schmerzen, die wir während des ersten depressiven Schubs hatten, eine Art Vergiftungserscheinung waren.
(Depressionen lassen einen nicht nur so fühlen als sei man „irgendwie tot“- im Gehirn passiert dann auch real nicht viel mehr als das Sparprogramm)
Die Möglichkeit zu erfahren, dass keine der Ängste (und Überzeugungen) die in uns tobten von außen her bestätigt wurden, war es die uns sehr half. Nun hatten wir einmal erfahren, dass uns an der Seite dieses Menschen und in seiner Obhut nichts von dem geschah, was wir befürchteten und es gab einen kleinen Bruch in der Lernkette, der sich immer weiter vertiefte je länger wir durchhielten und den wir immer deutlicher (und mehr von uns) spürten.

Ich hätte mir in der Zeit sehr gewünscht, dass uns unsere Therapeutin oder auch unsere Psychiaterin näher gestanden hätten, als sie es taten. Das was wir da betrieben haben, war ein Blindflug und weder wir noch unser mit uns verbündeter Mensch, hatte wirklich eine Ahnung, wann diese Angsthölle durchgestanden sein würde, was genau eigentlich gerade passiert und so weiter. Doch unsere Angst vor Menschen in helfender Position und auch die dissoziativen Barrieren rund um die Frontfrau, verhinderten eine klare Kommunikation der Gesamtumstände. Es gab leider keine Vernetzung zwischen den Behandlern, den Betreuern und unseren Verbündeten. Ich bin darüber noch immer wütend und auch traurig, weil es mit diesem Wissen im Nacken schwer fällt andere Betroffene davon zu überzeugen, dass es sich lohnt sein Helfernetz so weit und eng wie nur irgend möglich zu spannen. Ich habe ja erlebt an was für Eitelkeiten und Unbeeinflussbarkeiten genau dies scheitern kann.

Wie gesagt- das war für uns nicht das Ende des „Täterkontaktes“, aber es war das Ende des „den gewaltvollen Täterkontakt- Suchens, weil man Angst hat (und einer Verpflichtung nachgeht, um Schlimmeres zu verhindern)“. In der Folge riefen wir auf jeden Anruf mit fremder Nummer (die übrigens nie zurückrufbar waren), auf jeden Zettel, jede seltsame Begegnung bei unseren Verbündeten an, statt dort, wo man es von uns erwartete. Die Angst war plötzlich nicht mehr pur und radikal. Da gab es langsam ein Zeitfenster von ein paar Minuten und die konnten wir nutzen um unser Netz abzutelefonieren- um dann beim Ersten, der abnahm abzuschmieren- logisch. Aber! Wir sind nicht bei einem Täter abgeschmiert, sondern bei Menschen, die diese Ängste beruhigen helfen konnten durch die Erinnerung daran, dass schon so und so lange nichts passiert ist, dass das und das Ding einfach gegen sämtliche Logik und Naturgesetze wäre… und so weiter.
(Und hier ein Seitenhieb den ich mir dann doch nicht verkneifen will: Helfer mit Telefonsprechzeiten und striktem Kontaktreglement, die gleichzeitig drängeln Täterkontakte zu beenden…. wunderbar! Einfach wunderbar. 24 Stunden Erreichbarkeit ist nicht erforderlich. Aber zu vermitteln, dass der Klient bitte exakt Donnerstags zwischen 14 und 14:30 Uhr seine Krise zu planen hat und sonst nicht stören soll- sorry, dass ist dumm und hilft nicht.)

4 Monate durchgängig und intensiv in jeder Beziehung zu lernen, dass jeder Unwille von uns zu respektieren ist (und zwar von jedem Menschen), zu lernen, dass nichts von den ganzen furchtbaren Befürchtungen eintrat, von denen viele von uns überzeugt waren (und manche trotzdem noch immer sind!) und ganz direkt und nah zu erfahren, dass wir einfach mal so sein gelassen werden, wie wir sind, hat geholfen.

Fortsetzung folgt

*der Imperator ist der Befehlshaber übers Militär gewesen- der Diktator ist Befehlshaber über den gesamten Staat…*

TÄTER? – KONTAKTE! Teil 2

Die Intension vieler Helfer gegenüber Menschen in destruktiven Beziehungen oder allgemeiner formuliert „Täterkontakten“, ist ein Ende der Gewalt und Schutz vor ihr, damit eine Therapie und in deren Folge eine Heilung und/ oder ein Leben ohne Gewalt möglich wird.

Unbestritten ist, dass keine Therapie hilft, wenn die Ursache diverser Probleme und Symptome nachwievor geschieht. Logisch- du kannst nicht bei laufendem Wasserhahn die Badewanne leertrinken.
Doch wenn dir niemand hilft den Wasserhahn zudrehen zu können, bist du gezwungen genau dies immer weiter zu tun, weil die Wanne sonst überläuft. Der Stöpsel sitzt fest und wenn du in der Lage, wärst diesen zu ziehen, würdest du vermutlich eher selbst den Wasserhahn zudrehen.

Eine schiefe Metapher? Mitnichten, denn diese Art von ängstlicher Spannung kennt so ziemlich jeder Mensch: Man will keine Sauerei durch einen Wasserschaden- oh und die Nachbarn- oh was da alles kaputt gehen kann und was das kostet und oh oh oh…

Wenn jemand noch Täterkontakte hat, ist es das Gleiche- nur geht es um dabei um das eigene Überleben. Da geht es um Angst zu sterben, während man eigentlich schon längst seit Jahren in Teilen des Seins getötet wird. Man will keinen „Ärger“ (noch mehr Schmerzen, als sonst) durch eine Verweigerung- oh und die Gruppenmitglieder/ die Familie/ die Entität der man sich verpflichtet fühlt- oh was da alles plötzlich nicht mehr ist (ALLES wäre plötzlich anders!!!) und was DAS für Folgen hätte (der eigene Tod? der Tod der Helfer, Freunde, Haustiere? … oder…???)

Zeit und Möglichkeit sich bewusst Gedanken über das nebelige „Oder…???“ zu machen, haben Menschen in Gewaltbeziehungen sehr selten. Nachzudenken hilft nicht beim Überleben und oft genug werden solche Menschen gezielt in diesem Zustand gehalten.

Es ist ein Zustand ständiger Angst ums eigene Leben.
Sowas können die Täter richtig gut. Angst und Verunsicherung schüren und offen halten. Immer wieder und wieder und auf allen Ebenen. Der prügelnde Freund hat es genauso drauf, seine Freundin jeden Schritt außerhalb der Wohnung 5 mal überdenken zu lassen, wie der Sektenpriester es drauf hat, die Menschen unter ihm, in jeder Wolke am Himmel Zeichen seiner Macht sehen zu lassen.
Zu welchem Zeitpunkt sollen die Betroffenen denn auch sicher überprüfen können, dass diese Gefahr zwar präsent- aber nicht in jedem ihrer Lebensumstände auch tatsächlich real zwangsläufig in Gewalt enden muss?

Gewalt erlebende Menschen leben also täterzentriert, um sich am Leben zu halten.
Aus diesem Kreisen um „die Sonne „Täter“ “ herauszukommen erfordert, glaube ich (und habe ich bereits mehrfach so erlebt), eine Art Aufgeben- vielleicht ein Gefühl von „so ich sterbe eh gleich- dann kann ich auch grad einfach irgendwo anders hingehen“. Manche haben aber auch einfach irgendwann einen Punkt für sich in dem ihnen radikal klar wird, dass sie keine Gewalt mehr (für sich oder auch ihre Kinder) wollen. „Hallo?! Was zum Henker treibe ich hier eigentlich…?“.

Bei uns war es das Erstere, was uns bewegte wegzulaufen und räumliche Entfernung zu schaffen. Es war gerade ein Hochfeiertag gewesen, wir waren körperlich schlimm versehrt und hatten gerade ein paar Tage vorher verkraften müssen, dass uns eine Helferin von außerhalb all dessen, abgewiesen hatte.
Es war klar, dass wir keinen Platz auf der Welt und niemanden an unserer Seite hatten. Und sowieso und überhaupt- ach das Leben! 7 Suizidversuche vorher sprechen, so denke ich, ganz für sich allein, über die Beziehung, die wir zum Leben kultiviert hatten.
Der bewusste Moment war einfach nur der: „Hier sterben oder da wo du den Himmel dabei sehen kannst?“

Dass wir uns für den Himmel entschieden, war der Vorarbeit der Psychologen zu verdanken, die wir vorher getroffen hatten. Achtsamkeitsübungen, Reflektion darüber, wie es sich anfühlt die Natur zu spüren. Damals ging es zwar in erster Linie darum, uns beizubringen uns nicht mehr aufzuschneiden- aber- nuja- war doch ne gute Aus- Versehen- Nebenwirkung, nicht wahr?

Manche ambulant (selbstständig) arbeitenden Psychotherapeuten und auch Kliniken weigern sich KlientInnen aufzunehmen, die noch Täterkontakte haben.
Meiner Meinung nach, ist dies, neben „unterlassene Hilfeleistung“ und damit „Verletzung von Menschenrechten“ (mal abgesehen vom humanistischem Totalfail), oft einfach nur ein Mitkreiseln im Täterzentrum.

Ich habe bei der letzten ambulanten Therapeutensuche dreimal vor solchen Menschen gesessen (bei der ersten 5 mal).
Der eine sagte, dass es ihm zu viel ist und über seine Kräfte geht. Check- Selbstfürsorge ist okay- wenn auch für mich irgendwie schief in dem Moment, denn was wäre gewesen, wenn ich noch Gewaltkontakte (nicht bürokratische Zwangskontakte) gehabt und es nicht gewusst hätte- wie das bei Menschen mit DIS einfach sehr oft der Fall ist?
Der nächste Mensch hatte Angst, meine Verbindung zum organisierten Verbrechen würde ihn gefährden. Autsch! Zum einen sind die Täter nicht blöd (wieso sollten sie Menschen angreifen, die sie anzeigen könnten und damit mich in dem Fall, dass ich eine Anzeige erstatte, bestätigen?!) und zum Anderen bin ich kein virulentes Existenzchen, das Unheil verbreitet, sondern: das Unheil kommt immer wieder auf mich zu!
Und der dritte als Psychotherapeut arbeitende Mensch war ein Bonbon, das man mal ganz langsam lutschen sollte: „Ich behandle niemanden mit diesem Hintergrund. Am Ende sind Sie durch ihre Vergangenheit auch noch lesbisch geworden und SOWAS konnte ich leider noch nicht erfolgreich behandeln.“ (Nein, das ist nicht ausgedacht, war nicht bei irgendeinem Dorftherapeuten und auch nicht vor 50 Jahren!)

Oberflächlich betrachtet haben diese Menschen alle für sich reflektiert, was sie leisten können und was nicht. Doch einmal weiter nachgedacht, haben sie den Tätern (bzw. dem was die Täter uns angetan haben in der Vergangenheit) allesamt mehr reale Macht eingeräumt und zugesprochen, als sie haben! Sie haben Angst gehabt. Sind vor der Badewanne rumgehopst und haben uns zugeguckt, wie wir vom Rand abgetrunken haben.

So ein Helferverhalten haben wir oft (zusätzlich!) neben der realen Gewalt im Täterkontakt (üb)erlebt und ertragen. Bitte- was hätten wir auch anderes tun sollen?
Viele Helfer werden von unserem Gesundheits- und Sozialsystem regelrecht dauergedemütigt und begrenzt in dem was sie leisten können. Und am Ende sogar in ihrer Hilfskraft selbst massiv geschwächt. Das sind die Psychotherapeuten, die sich von schlecht fortgebildeten Krankenkassengutachtern anhören müssen, ihre Arbeit sei schlecht und unwirksam; von Kollegen vielleicht am Besten noch sowas wie: „Du überengagierst dich- bist nicht professionell“, wenn sie einfach so arbeiten, wie sie das gerne möchten- frei von Statute oder eingefahrenem „Wir (Profis) hier- Die (Patienten) da“.
Sie leben davon Menschen zu helfen- sind in einer für die meisten ihrer Klienten unglaublich machtvollen Position- werden aber von anderer Seite gerne mal gedemütigt oder schmerzhaft angezweifelt, wenn nicht sogar offen selbst Opfer von zwischenmenschlicher Gewalt in Form von Diffamierung oder gar Mobbing.
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Und Gewalt pflanzt sich eben fort. Beim Therapeuten (oder auch Sozialarbeiter oder Berater) kommt sie, wenn es ein Klient mit Gewaltkontakten ist, dann sogar vielleicht von zwei Seiten gleichzeitig angerauscht. Da ist die Gewalt die der Klient aus sich selbst heraus (weiter oder er-) trägt und da die Gewalt die spätestens mit der Weiterbeantragung der Hilfen durch die eigene Person, losgeht.
Damit umzugehen und sich zu schützen sollte aber nicht zum zusätzlichen Problem der Klienten werden! Die sind in Not und die haben einen Anspruch auf Hilfen- ergo wenden sie sich an Institutionen oder eben Menschen die in helfender Position sind bzw. die ihnen als
hilfreiche Hilfe beschrieben werden.

Diese bürokratischen Strukturen, zum Beispiel, nicht Gewalt zu nennen- nicht als täterfreundlich aufzuzeigen, sondern schlicht und ergreifend hilfesuchende Menschen abzuweisen und „woanders“ hinzuschicken ist genau das, was im Täteruniversum das perpetuum mobile der Gewalt ernährt, einfach nur dadurch schon, dass wieder etwas verschwiegen und damit auch ein Stück weit legitimiert – ver-alltag-.isiert wird. Dinge die „halt so sind, wie sie sind“ und „eben total normal halt eben so passieren“ und die man „halt dann eben so von sich wegschieben muss (kann!)“, die sind alltäglich, normal und nicht weiter schlimm. Wenn juckts? Sind ja nur…

Oh! Wollte uns da grad ein Satz aus dem Mund, der Menschen herabwürdigt?
Waren wir gerade so reflektiert und haben das bemerkt? Wenn wir das an uns selber merken… hm… also wollen wir das wirklich? Ist das mit unserer Berufung zum Helfer von Menschen vereinbar?
Da erlebt jemand Gewalt. Also braucht er Hilfe. Wenn er sie sucht, dann muss er sie bekommen.
Ich bin Helfer. Ich kann helfen.
Okay… dann suche ich mir jetzt mal jemand der mir hilft, dass ich nicht um meinen verzweifelt vom Badewannenrand abtrinkenden Klienten hopse, sondern ihm zeige, dass er Hände hat, um den Wasserhahn selbstständig zu zudrehen. So wie ich Hände habe, um die Hände von Menschen zu erfassen, die genau meine Ansicht zu der Sache haben.

Täterschaft über einen langen Zeitraum funktioniert über Angst. Wann hat man als Mensch noch gerne mal Angst? – Wenn man isoliert und allein ist.
Wieder ein Element des Täter-Gewalt-Universums. Die Klienten sind allein (siehe Teil 1) und viele Helfer sind es ebenfalls. Wer allein auf weiter Flur steht ist ohne Macht. So funktionieren wir Menschen- uns gehts nunmal gut, wenn wir das Gefühl haben, Dinge verändern zu können.
Die Täter verändern Dinge mit Gewalt, welche am Ende ihrer Spirale nur den (unnötigen) Tod haben kann.
Man kann Dinge allerdings auch durch Verbundenheit verändern, an deren Spiralenende immer das Leben mit all seinen vielen Facetten steht.

Helfer müssen sich entscheiden, ob sie auf einem Nebenarm der Täterspirale oder mitten auf der Spur der Helfer-Verbündetenspirale sitzen wollen. Sie müssen sich selbst fragen: Bin ich versucht zum Mit-TÄTER zu werden (weil ich Angst habe, allein bin, unsicher bin, noch nicht genug gelernt habe etc. etc. etc.) ?

Der Kontakt mit einem Verbündeten (sei es das man ihn „PsychotherapeutIn“, „BeraterIn“, „SozialarbeiterIn“ nennt) wird es sein, der die Gewalt im Leben des Betroffenen in einem- vielleicht nicht direkt und sofort sichtbarem, aber doch vorhandenem Bereich- zu beenden helfen wird und so ermöglicht ein Stück mehr Gewalt aus dem Leben aller Menschen zu nehmen.

Fortsetzung folgt

täter?- KONTAKT! Teil 1

Immer wieder kommen Menschen mit Suchanfragen bezüglich des Themas „Täterkontakte“ auf diesen Blog.
Ja- phu- was für ein Thema- natürlich unglaublich wichtig und eigentlich dauerpräsent.
Natürlich möchte ich dem angemessen begegnen, breche hier dann aber gleich zu Beginn einfach mal ab.

Nein- wir reden jetzt mal nicht über TÄTER(kontakte), sondern über KONTAKTE.

Über die Täter wissen wir schon richtig viel und täglich wird es mehr.
Doch die Einsamkeit der Opfer bleibt unbenannt und das ist etwas, das unter Umständen tödlich ist. Im Gegensatz zur Gewalt, die sie vorher überlebten und oft noch eine ganze Weile überleben, wenn es um organisierte oder auch Partnerschaftsgewalt geht.

Es war eine der bittersten Erkenntnisse die wir im Verlauf unseres „Ausstiegs“ (den ich im weiteren Text lieber „Abkehr“ nennen möchte- da wir niemals einen „Einstieg“ hatten, sondern hineingeboren wurden) hatten:
Gewalt ist überlebbar– auch wenn es sie sich nie so angefühlt haben kann. Immer gefühlt endlos dauerte und immer weiteren Schaden in uns verursachte.
„Wir sind fähig grausame Qualen zu erfahren und am nächsten Tag wieder zur Schule zu gehen, unsere Betreuer und nahe stehenden Menschen im Glauben zu wiegen, es gäbe keine Täterkontakte.“

Zwischen dieser Erkenntnis und der Kraft sich tatsächlich direkt zu verweigern, lagen bei uns etwa 3 Jahre.
Wir hatten in der Zeit ein Kontingent von über 20 Fachleistungsstunden pro Woche im Rahmen der ambulanten Jugendhilfe, eine ambulante Psychotherapeutin, eine Psychiaterin, einen Hausarzt und eine Klinik mit Schwerpunkt auf der Behandlung von Traumafolgestörungen in der Stadt, die wir zur Intervalltherapie aufsuchten.
Doch keinen einzigen Menschen, dem es rein um uns ging. Und obendrauf, waren wir nach unserer Odyssee der Unzuverlässigkeiten nicht einmal mehr in der Lage uns auf Menschen in helfender Position in irgendeiner Form einzulassen, die mehr verlangte als das was vertraglich/ gesetzlich vorgeschrieben war.

Wenn uns unsere Betreuerin begegnete, haben wir über den Alltag gesprochen, der übrigens nie ein Problem war. Man musste uns nicht beibringen wie wichtig Hygiene und Ordnung, Zuverlässigkeit oder Ehrlichkeit ist.
In der Psychotherapie ging es um „Stabilisieren, was stabilisierbar ist“. (Dies ist zumindest das Fazit heute)
Der Hausarzt klatschte noch bei einem BMI von 17 Applaus und hat bis heute keinen Zugang zu den auch körperlichen Folgen von (Psycho)Traumata- doch um einen anderen zu suchen gibt es noch zu viele Hürden.
Die Psychiaterin verschrieb weiter und weiter Antidepressiva, Benzodiazepine und Neuroleptika.
Nur in der Tagesklinik hatten wir die Chance eine Basis aufzubauen, die es uns in kleinen Schritten ermöglicht hatte eine unserer ersten Verbündeten in unser Leben zu lassen und überhaupt das kleine Fünkchen Resilienz, dass uns knapp 6 Jahre vorher hatte räumlich flüchten lassen, zu hüten und wachsen zu lassen.

Doch wir waren so erst mal unglaublich einsam. Gingen an die Abendschule und versuchten den Normen einer Welt zu entsprechen, die uns verboten war (und nachwievor ist) und kauten uns durch eine Zeit, die absolut bis in die Grundfesten gespalten war; trafen Menschen und enttrafen sie wieder. Was wussten sie denn schon?
Mit Anfang 20 hat kaum jemand so eine Geschichte hinter sich und weiß obendrein noch, dass das was er da gerade erlebt, wahrnimmt und durchmacht so weit außerhalb der Norm liegt, dass selbst jene, die sich mit Extremen befassen, einander darüber in die Haare bekommen.
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Und dann kam da dieser Mensch.
Laut in jeder Hinsicht, mutig, resilient, mitten im Leben und einer zauberhaften Attitüde auf uns zu. Begann Gespräche, diskutierte und debattierte mit uns. Über Monate hinweg kam da stetig jemand auf uns zu, war an uns interessiert, ohne uns „haben zu wollen“. Nicht wir haben den Kontakt eingefordert, sondern dieser Mensch und trotzdem war alles anders, als mit den ganzen Menschen die wir vorher trafen.

Da ging es nicht um Geld, Verantwortung, Zwang oder Ziele.
Da ging es um das Leben und Gemeinsamkeit.
Plötzlich sprach jemand für uns- nicht: statt uns. Sorgte sich um und für uns. Einfach so, weil er sich dafür entschieden hatte.

Über diese Tatsache sind wir dann erst einmal gepflegt zerfleddert. An so eine Beziehung waren wir nicht angepasst- hatten noch nicht eingeübt, wie man ohne Selbstabgabe, ohne den Preis des Schmerzes oder die Notwendigkeit des Verschweigens so einen Schatz bewahrt und mit ihm umgeht.
Bei gemeinsamen Aktivitäten tauchten nach und nach Innens auf, in der Erwartung genommen zu werden- nicht damit rechnend schlichte An-nahme zu erfahren.

Das war wiederum eine Situation, die für diesen Menschen schwierig war. Doch- oh wow! Nein- er ging nicht weg! Er holte sich Unterstützung- doch nicht etwa in einem schlauen Buch allein oder von der Profiseite, sondern von einem Menschen, der ebenfalls multipel ist und machte uns mit ihm bekannt. So trat also der nächste Mensch in unser Leben, der ähnlich verbündet mit uns wurde. (Und übrigens auch „unser erster anderer Multi“- hatte auch was, zu sehen, dass es irgendwie doch ganz normal nach außen aussieht, Viele zu sein…)

Unsere Verbündeten und wir. Ein Bündnis. Eine Ver- Bindung.
Die erste nicht von Machtausübung dominierte Beziehung in unseren 20 jährigen Leben.

Während des Folgejahres wurden wir Stück für Stück unzuverlässig für die Täter. Nicht mehr jeder Zettel in unserem Briefkasten, nicht mehr jedes Angesprochen werden auf dem Weg zur Schule, nicht mehr jedes Klingeln des Telefons wurde beantwortet. Wo wir uns aufhielten und was wir machten, konnten wir nicht verstecken. Wir hatten keine Chance uns bürokratisch zu befreien, obwohl wir es durchgängig mit jedem Antrag der ambulanten Hilfen versuchten und so ziemlich jeden juristischen Hebel durchexerzierten. Der Gesetzgeber schützt die Kernfamilie. Auch die Kernfamilie die ihre Mitglieder zerstört.
Solange keine Strafanzeige gestellt wird und eine Gefährdung eindeutig nachgewiesen werden kann (und das konnte sie eben nicht) gibt es keinen Schutz vom Staat.

Zwei Mal wurde in unsere Wohnung eingebrochen. Einmal stand mitten in der Nacht ein fremder Mensch in unserer Wohnung. Was dort geschehen ist, wissen wir bis heute nicht genau.
3 Wochen später (!) half uns die Betreuung das Schloss auszutauschen.
Dort wir kehrten nicht wieder dorthin zurück.

Die Schutzmöglichkeiten, die sich nun boten, waren ein Witz. Die Notfallausweichwohnung der Betreuung war eine vom Vorbewohner verwüstete Antibiotikazuchtstation in der gerade mal noch unsere Haustiere zum Übergang bleiben konnten. Als Alternative gab es einen Platz in einer Wohngruppe oder die Psychiatrie.
So an die Wand gedrückt, haben wir es dann gewagt und das Angebot angenommen, bei dem mit uns verbündeten Menschen unterzukommen.

Es folgte noch ein Täterkontakt, der in einer kurzen Prügelei und einem deutlichen NEIN endete.
Da wo wir nun lebten, waren wir sicher, das wussten wir.
Nicht weil es doppelt- und dreifach verriegelbare Türen, Panzerglas und keinen Kontakt zu Außenwelt gab oder weil es soviel Bewusstsein über die Täterstrukturen gab oder ein konkretes Wissen darum, was uns wo wie und durch wen angetan werden könnte, sondern, weil es jetzt definitiv jemand bemerken würde, wenn wir plötzlich nicht mehr da sind.
Wir wussten, dass dieser mutige Mensch keine Hemmungen hätte, beim leisesten Verdacht die Polizei anzurufen und zur Not zu erstreiten, dass diese sich zu uns in die Wohnung bewegt. Dass dieser Mensch gegenüber den so verletzten Innenkindern ein so großes Schutz- und „Behüt“-Bedürfnis hat, dass er sich in jedem Fall an unsere Seite stellen würde, um uns daran zu hindern von uns aus Kontakt aufzunehmen oder uns oder ihm etwas anzutun.

Und dann kamen die Dränge.
Erst der Drang zu gehen, Besuche zu machen. Dann der Drang zu sterben. Dann die große Depression, die mit unsäglichen Schmerzen einher ging. Dann die Flashbacks. Dann die Panik. Dann die inneren Zeitverschiebungen. Dann der letzte Überfall. Dann der Drang sich zu entschuldigen. Dann die ersten Krampfanfälle (die sich übrigens als seltene Nebenwirkung eines Medikamentes herausstellten, das wir in der Zeit anfingen zu nehmen). Und dann der kalte Entzug der Benzodiazepine, weil uns sonst die Sanitäter nicht mehr helfen konnten, wenn der Krampfanfall nicht anders als mit Medikamenten unterbrochen werden konnte.
Dann die inneren Tenöre. Dann der Hass nach Außen. Dann wieder die Depression. Dann wieder die Angst. Dann die Trauer. Dann die Wut. Dann wieder die Angst. Geschlafen haben wir in der Zeit so gut wie gar nicht (wenn dann eben durch Medikamente).

Und dann… nach etwa 3- 4 Monaten: Sonnenbrand.
Vogelzwitschern. Kinder im Hof. Kein Schuldgefühl beim Griff nach einem Lebensmittel. Erster Galgenhumor über einzelne Situationen der letzten Monate. Die Katze auf dem Bauch deren Schnurren den eiskalten Klumpen im Bauch antaute. Mehr Aktivität als das Liegen auf der weißen Couchwolke. Eine neue Wohnung in Aussicht und Pläne diese einzurichten.
Ohne an uns zu zweifeln, suchte der Mensch erst Pia und dann Mia mit uns aus. Zwei wunderbare kleine Katzenseelchen, die uns erfreuten, Sorgen umlenkten, strukturierten, eingrenzten und doch über uns hinaus wachsen ließen.
Ein Neustart.


Wir haben nie wieder Gewalt durch Täter ertragen müssen.
Obwohl es nachwievor „Täterkontakte“ gab. Die bürokratische Zwinge konnten wir nicht aufbrechen und durch viele Datenschutzlücken und auch Nachlässigkeiten unserer Betreuer (bzw. jetzt der Menschen in den Ämtern, von denen wir abhängig sind), waren (und sind wir nachwievor) gefährdet.

Doch wir sind sicher, denn wir haben KONTAKT hergestellt.
Nicht nur zu (inzwischen vielen) Verbündeten, Gemögten und HelferInnen, sondern auch zu unserem Resilienzfünkchen und der Welt die so schön- wenngleich so verboten ist.

Fortsetzung folgt


P.S. Es gibt bereits einen Artikel der sich mit dem Thema befasst. Doch die Häufigkeit der Suchanfragen, rechtfertigt für mich ein häufigeres Aufgreifen, auch weil ältere Beiträge gezielt gesucht werden müssen.

Vertrauen… auf eine gewisse Art

„Ach also geht es darum, dass sie sich fragen, ob sie mir vertrauen können?“
„Klingt als hättest du Angst den Anderen zu vertrauen…“
„Vertrau mir ruhig, das wird schon…“

Dieses Vertrauensding häuft sich gerade schon wieder in meiner Umgebung und irgendwie… seufz…
Wir vertrauen nicht richtig so, wie das scheinbar immer erwartet wird- wir trauen zu.
Vertrauen erscheint mir manchmal wie auf einen Sockel gestellt, wenn es um die Therapie geht. Als sei Vertrauen in den Therapeuten, seine Kompetenz, die Art der Bindung und der Ziele, deren Erreichen man anstrebt, ein Garant für das Gelingen der gesamten Therapie.
Was aber für mein Gefühl oft mitschwingt, in der Vertrauensfrage im Therapiekontext, ist der Anspruch zur Bereitschaft sich aufzugeben. Nicht im Sinne von „sich gänzlich einlassen“ oder „sich tragen und (aus)halten lassen“- das geht beides auch ohne Vertrauen. Dass man Dinge oder Menschen auch einfach aushalten kann, weil man dafür in irgendeiner Form entlohnt wird, kennt jeder aus irgendeinem Kontext. Oder auch, dass man ganz einsteigen kann in Projekte und Arbeitsprozesse, weil es einem einfach leicht fällt und man motiviert dazu ist. Auch dazu braucht es kein Vertrauen in dem Sinne.
Was ich so wahrnehme, ist der Anspruch rückhaltlos und einfach so zu glauben und sich selbst aus diesem Glauben heraus an jemanden abzugeben- sich jemandem anzuvertrauen.

Die Parallele zur Religion bzw. zum mittels Religion zum Ausdruck gebrachtem Glauben, finde ich enorm. Auch und gerade, weil es die gleichen Haken für mich gibt.
Es gibt diesen Ausspruch: „Du bist in G’ttes Hand“

[Ja Hallo?! Gruselig?! Bin ich Marionette oder was?! Nein nein nein nein nein …]
und dann gibt es diesen therapeutischen Implizit: „Sie sind in meiner Hand“
[*flapp* alle Schotten dicht]

Ja, wir sind davon überzeugt, dass es eine hohe Kraft irgendwo und irgendwie gibt, die man G’tt (oder sonst wie) nennen kann.
Ja, wir sind genauso davon überzeugt, dass der ganze Diplom-, Ausbildungszertifikatedingszettellage-, Kompetenzanerkennungskrempel mit Stempel und Siegel drauf, irgendwie bedeuten wird, dass Therapeuten schon ordentlich die Möglichkeit hatten, etwas therapeutisch Sinnvolles zu lernen (!) und, dass sie entsprechend zumindest Worte für das haben, was sie tun.

Aber seit wann ist es Usus, zu erwarten, dass Menschen allein aufgrund der für sich allein angenommenen Existenz einer Kraft oder allein aufgrund des Status einer Person zu einer Haltung zu kommen, die eine Bereitschaft zur Selbstaufgabe mitbringt?
Ach ja! Seit Menschen erkannt haben, wie mächtig sie sind und wie toll das ist, Macht auszuüben, statt ohnmächtig zu sein.

Um zu vertrauen, ist mehr nötig als das bloße Sein. Niemand vertraut auf G’tt, nur weil ihm jemand erzählt, dass es das gibt. Es braucht mehr oder weniger intensive Beweise der Macht- entsprechend also Gefühle der Ohnmacht (oder sachter ausgedrückt: der Unbeeinflussbarkeit von Umständen) bei den Menschen selbst.
Ich habe mal von einer Studie gelesen, die bewiesen haben will, dass alle Menschen in Momenten der höchsten Not begannen zu beten- auch wenn sie konfessionslos waren und niemals zuvor gebetet haben. Dies würde meine These untermauern, dass Vertrauen (und ergo auch das Glauben an unbeweisbare Entitäten) in jedem Fall also grundsätzlich etwas mit Macht und Ohnmacht zu tun hat (deshalb bin ich zum Beispiel auch dagegen Kinder nach der Geburt zu taufen oder beschneiden zu lassen- denn Kinder sind grundsätzlich immer ohnmächtig bis sie volljährig sind- ihr Glaube und damit evtl. auch ihr ganzes (religiöses) Handeln, gilt also erst mal nicht G’tt, sondern den Versorgern bzw. einer Anpassung an jene, von denen sie abhängig sind).

Meine Psychotherapie hingegen hat etwas mit Lernprozessen zu tun.
Ich gehe nicht dorthin, um mich abzugeben, sondern, um zu lernen mich meiner selbst zu ermächtigen.
Was ist es dann also für ein unlogisches Anliegen meinem Therapeuten auch noch als Mensch zu vertrauen?
Ich muss das gar nicht tun!
Ich muss ihm zutrauen, dass er gebildet ist und Techniken kennt, mit denen er mir vermitteln kann, wie ich bestimmte Dinge (neu-), (kennen-) lerne und ich muss ihm zutrauen, gewisse Skrupel zu pflegen, wenn es darum geht die Gesetzgebung des Landes in dem er praktiziert, zu brechen. Mehr nicht.
Oder?

Laut der engeren Definitionen von „Vertrauen“ gibt es verschiedene Arten des Vertrauens.
Da gibts das situationsbedingte Vertrauen, das begünstigt wird von den Möglichkeiten des Vertrauensgebers, den Vertrauensnehmer im Falle eines Bruches zu bestrafen. Tja- wie ist das auf die Therapiesituation übertragbar? Da gibt es von Natur aus eine Schräglage, die immer genau dann eintritt, wenn man Hilfe bei jemandem sucht. Aus der Position des Hilfesuchenden- desjenigen, der etwas will- der Bettlerposition heraus straft es sich schlecht, da man in jedem Fall nur sich selbst straft bzw. schadet.

Dann ist da das identifikationsbasierte Vertrauen. Da tanzen gegenseitige Sympathie und tragfähige emotionale Bindung im Paar mit einer Identifikation der Werte, Wünsche und Ziele des Gegenübers.
Ja, sympathisch finden wir unsere Therapeuten immer. Die stehen ja auch über uns. Es ist immer schlau den, der über uns steht, sympathisch zu finden und ganz und gar mit ihm zu verschmelzen.
Hinweis: Ja, das ist Unterwerfung. Und ja, das ist ein Lerninhalt, um genau dessen Deinstallation es in der Therapie (auch mit) gehen soll, dessen Vorhandensein und Bereitschaft zur Ausübung aber wiederum gesamtgesellschaftlich immer wieder verlangt wird. Ich würde sagen, hier haben wir einen wunderbaren Patt, der meiner Meinung nach noch ganz erheblich viel mehr Diskussion erfordert, als bisher geschehen.

Und dann ist da das Ding, das wir schon tun: das eigenschaftsbasierte Vertrauen. Wobei wir auch dies für etwas halten, das mehr unhinterfragter Gesamtgesellschaftsreflex ist, als wirklich wahres Vertrauen. Denn mehr als einen Status, aufgrund der Eigenschaften ihres Berufes als Heiler, Helfer oder Retter (und die ihnen entsprechend eingeräumten gesetzlichen Rechte) haben weder Ärzte noch Therapeuten uns Hilfesuchenden gegenüber.
Sie können sich nur vor uns stellen und versichern, dass sie Mittel und Wege kennen, uns zu helfen/ heilen/ retten und uns dies mit ihren Approbationen und Fortbildungszertifikaten im Vornherein und Testergebnissen und (Therapie)Erfolgen im Nachhinein zu beweisen. (Es gibt natürlich auch noch andere Arten dies zu beweisen, wie die Psychiatrie uns das immer so hübsch beweist, aber das will ich jetzt nicht weiter ausführen- Thema ist schon groß genug). Und sie können nicht mehr tun, als uns zu sagen, dass sie uns gern helfen wollen und dies ausschließlich durch die Mitteilung und die Handlung der Behandlung selbst, beweisen.

Eigentlich sind wir Patienten/ Klienten also in einer mächtigen Position. Wir können frei wählen, ob wir uns von jemandem behandeln lassen oder nicht.
Doch da es einen Leidendruck und einen Hilfebedarf gibt, ist die Macht absolut fragil. Sobald wir eine Schwäche eingestehen und uns in die Hände des Behandlers begeben ist alle Macht weg. Man befindet sich in einem Machtgefälle und ist ausgeliefert.
Für mein Gehirn heißt das in der Regel soviel wie: „Herzlichen Glückwunsch, sie dürfen jetzt Todesangst haben, denn sie haben keine Macht mehr, genauso wie damals als…. und damals als… und damals als… und ach weißte noch: Damals, als…“
Unter diesem Umständen komme ich mir schon ziemlich vertrauensvoll vor, wenn ich meinem Therapeuten zutraue, wenigstens zu wissen was er da tut und warum.

Schon manches Mal hatte ich den Eindruck, Menschen- egal ob sie meine Therapeuten, Betreuer oder sonstige Helfer waren, seien irgendwie persönlich betroffen, vielleicht gekränkt, wenn ich ihnen sagte, dass ich ihnen nicht vertraue. Als wäre mein Vertrauen eine Art Gütesiegel ihrer Person oder ihrer Arbeit mit mir. Dabei ist allein, die Tatsache, dass ich mich mit ihnen in Kontakt begebe und mich für eine Zusammenarbeit entschließe, schon ein Schritt den man mit „Vertrauen“ etikettieren könnte.
Ich stehe doch schon dort und erkenne all die Bildung, all die Kenntnis rückhaltlos und alternativlos an- unterwerfe mich doch bereits der Aufforderung in Behandlungs- oder Arbeitsziele als etwas Lohnenswertes zu vertrauen- obwohl ich keine vergleichende Referenz habe, weil ich noch nie anders (er)lebt habe als so auseinandermultipliziert verdissoziiert. Ich bin doch schon blind und muss mich führen lassen.

Wozu also noch Vertrauen in die Person oder in eine emotionale Beziehung?
Meine Lernerfahrung brüllt mir in den Schädel, dass es mich potenziell (und früher definitiv in Anteilen meiner Selbst) töten wird, mich oder meine (Eigen-)Macht in die Hände von anderen Menschen (oder Entitäten) zu legen. Wer also würde wirklich und zu welchem Zweck davon profitieren?
Es ist lediglich mein Gegenüber- mein Therapeut oder mein Arzt oder Helfer oder Betreuer.
Ich habe davon nur etwas, weil das Ego (oder Teile des Egos) desjenigen, der sowieso schon Macht über mich hat, gestreichelt ist und mir gegenüber entsprechend positiv eingestellt ist.
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Ich will mir aber Hilfen nicht mehr auf so eine Art erkaufen oder absichern müssen. (<—badabumms! Therapieerfolg mit Glitzer drum rum bitte schön!)
Wenn unsere letzte Therapeutin eins mit uns geschafft hat, dann das: sie hat es geschafft, dass wir uns gegenüber Therapeuten und Ärzten nicht mehr als Objekt betrachten, sondern als Subjekt- als „Mitmacherin“ nicht als „Machen lassen Müsserin“. Das ist etwas, dass uns nicht unbedingt bewahrt vor erniedrigenden Erfahrungen, aber es ermöglicht uns eine Art Selbstschutz, weil wir uns nicht mehr in dieser „Arzt-Patient-Schräglage“ sehen, als jemand der absolut und unter allen Umständen nichts mehr zu sagen, zu denken und zu empfinden hat, wie es die Umstände einen glauben lassen. Wenn wir meinen (wir warten nicht darauf, dass es sich so anfühlt, weil das nachwievor mit Verboten belastet ist), dass uns ein Arzt demütigt oder nicht gut mit uns umgeht, dann schaffen wir es inzwischen immerhin, uns einen anderen zu suchen, dem mehr an einer Zusammenarbeit (statt einer „an uns Arbeit“) gelegen ist.
Genauso wie wir uns getraut haben Kritik an dem Verlauf der Therapie aktuell zu äußern und aktiv etwas getan haben, um eine Chance auf eine Besserung zu erhalten.

Wir fangen an in unsere Macht zu vertrauen, nachdem wir lange brauchten sie überhaupt als solche wahrzunehmen.
Und -hey boa!- das ist so was Megagruseliges, an sich schon, wenn einem immer wieder und wieder genau das weggenommen und abgesprochen wurde!
Und während wir so etwas entdecken, erleben und- ja irgendwie zwischenzeitlich auch noch immer ungläubig und zögernd- bestaunen, gut finden und uns dafür selbst irgendwie ein Stück Anerkennung untereinander zukommen lassen (oder uns gerade dafür fertig machen- je nach dem), können wir persönliche Befindlichkeiten des Gegenübers nicht so befriedigen, wie wir das früher getan hätten, oder so, wie viele andere Menschen das so tun. Aber die Anerkennung und der Respekt vor der Profession ist in jedem Fall unangefochten und akzeptiert. Genauso wie wir die Macht innerhalb des Verhältnisses anerkennen und uns ihr unterwerfen, wenn es verlangt ist.

Manchmal würde ich mich schon gern dem Sein der Menschen anvertrauen, wie ich es ihren (professionellen) Eigenschaften gegenüber tue.
Aber nicht die Berufe oder die beruflichen Fähigkeiten der Menschen, haben mich verletzt, sondern die Menschen selbst.
Man kann nie wissen wie die Menschen sind, und wenn man einmal weiß, wie tief und absolut zerstörerisch sie sein können, ist Vertrauen etwas, dass es schlicht nicht mehr so einfach geben kann.

Einen richtigen Schluss finde ich für diesen Artikel nicht. Doch irgendwie kommt es mir auch nicht schlimm vor, denn ich glaube, dass ich einen ähnlichen Artikel in ein paar Jahren vielleicht erneut schreiben werde… vielleicht dann irgendwann doch davon, wie gut und hilfreich es ist, sich dem Sein eines Menschen anzuvertrauen und wie es dazu kam.
Wer weiß.

Zeit sich der eigenen Entwicklung anzuvertrauen…

Ewigkeit

“Hallo?”
-“…” Anlauf… Druck- Atem im Gaumen ballen, Zunge formen
”C.? Seid ihr das?”
– “…” Anlauf… Luft zusammenpressen-  Luft woher? Zu was soll es werden?
Mehr als ein ersticktes Schniefen kommt nicht raus.
”Ich schick dir eine SMS, halte das Handy ans Telefon dass ich höre, dass sie da ist, ja? Wir haben das abgesprochen, damit ich weiß dass ihr das seid, okay?”

Das Mädchen steht im Arbeitszimmer als das Mobiltelefon auf dem Tisch vibriert.
”Ah ich höre es, okay.” Es raschelt am anderen Ende. “Wer ist denn da? Kennen wir uns schon?”
– “…” sie atmet ein, spannt alles an und würgt doch nur leere ungeformte Luft hervor.
”Hast du Angst? Was ist passiert?”, mehr zu sich als zu dem Kind sagt sie: “Ihr seid sicher.”

[Nein kann ja gar nicht sein, ich hab grad… da war grad ich hab doch gesehen… da ist doch… kann doch wieso sicher… ist doch nicht sicher wenn… da ist doch!!! Weißt du da… da da daaaa da…!!!]

“Traust du dich in die Küche? Im Frostfach ist eine Tüte mit Suppengemüse- leg dir die mal auf den Bauch.”

[Ich… und wenn da… und was wenn… ich nein ich beschütz mich doch da ist… und wenn ich jetzt sterbe was wenn… ich hab doch… da ist doch…  ich kann nicht]

“Ich ruf sofort die Polizei und H. an, wenn ich höre, dass was passiert! Fest versprochen! Dann kommen sie alle zu euch und helfen euch. Das geht ganz schnell. Die sind dann in ein paar Minuten da. Versuch mal in die Küche zugehen. Das Kalte hilft dir vielleicht. Du bist ja ganz außer dir.”

Ich kralle mich in ihre Worte, die Sicherheit der Gemeinsamkeit- höre sie durch Nebelwatte und kann fast lachen. Denn ich bin außer ihr. Ich stehe daneben, schwebe um diese Szenerie.

Ich nehme einen der Fäden auf, der von dem Mädchen herunter hängt und ziehe es in die Küche, lasse es in das Frostfach fassen. Halte ihren Arm damit sie das Telefon nicht fallen lässt.
”N.? Ich könnte mir vorstellen, dass du irgendwo mit bei euch herumschwebst und mich hörst. Kannst du versuchen etwas zu sagen?”, sie wartet und ich fühle mich ertappt. Plötzlich bin ich unsicher- nicht wegen der Situation, sondern wegen der Sicherheit mit der sich eine Außenstehende in unserem Sein bewegt.
”Nicht vergessen- nicht die Hand im Eisfach liegen lassen. Nehmt lieber das Gemüse in die Hand und legt euch die Tüte auf den Bauch.” Ich höre wie sie sich in ihrem Bett zurechtwickelt und werde erst jetzt gewahr, dass es halb 5 am Morgen ist. Die Arme…

“Gehts? Kannst du langsam was sagen?”
Die Nebelwatte löst sich unter dem Eis auf, die Dämme brechen.
Das Mädchen weint und weint und weint.
Ihr hemmungsloses Schluchzen wird zu einem Damm um sie herum. In solchen Fluten würde ich ertrinken. Alles was ich machen kann ist warten und es sich leerlaufen lassen. Ich versuche das Innen zu lichten. Eine Hilfe für sie zu finden.
”Ja… wein dich aus… ist okay. Ich warte.“

Anlauf… Luft… eine Form im Kopf wird zur Form im Mund… wird zum Wort… Absprung
Sie spricht.
Sie wird getröstet, beruhigt, im Heute orientiert.
Sie löst sich auf und wird zu einem der kleinen Herzen, dass in der Brusttasche von jemandem behütet wird.

“Hm, bist du noch da?”
-“Ja, ich bin da.”
”Na? Lust auf Suppe heute Abend?”
-“Hm?”
”Das Gemüse müsste jetzt langsam aufgetaut sein.” sie kichert.
-“Entschuldige.” Ich versuche den Körper irgendwie zu sortieren und die Tüte wieder ins Frostfach zu legen. “Ich weiß nicht, wieso wir so zerfallen im Moment. Mehr als Wahlwiederholung ging nicht.”, ich wische das Gesicht frei und atme durch.
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”Es ist okay- wirklich! Ich hab da schon was im Kopf, wieso das alles grad so krass ist. Aber ich bin keine Expertinesse- ihr müsst das mit eurer Seelenfrau unbedingt irgendwie auf die Kette kriegen. Wann ist wieder Termin?”
– “Donnerstag”
”Oh man…das ist ne Ewigkeit in Kinderrechnung”

Ja…
oh man
Das ist es auch ohne Kind zu sein.

mit oder ohne Betäubung?

Ich mag es, wenn mich meine Zahnärztin das fragt.

Die Welt fragt das nicht und an Tagen wie diesen heute überlege ich, ob es die Möglichkeit der Dauernarkose für Menschen Dachschaden gibt. Sofort antwortet ein Stimmchen: “haha Ja klar- die Psychiatrie oder all den anderen Mist, den wir schon durch haben!”.

Ach man, ja.
Abschießen geht nicht. Abschießen lassen geht auch nicht. Abschießen wünschen ist auch eigentlich schon wieder feige und was bleibt? Aushalten. Spalten und sich darüber noch vorhalten schwach und unfähig zu sein. Großartig.
Das ist wie geradeaus mit Volldampf losfahren und erst in der Kurve drüber nachdenken, wo der Schwerpunkt seiner Karre sitzt.

Ich erwähnte es hier nicht, weils mir peinlich war- jetzt ist es mir egal und ich mache einen Überblick… oder besser gesagt- einen Ein und Ausblick.

Unsere Therapeutin hat 4 Wochen Urlaub- ist grundsätzlich okay- wir brauchen wache Helfer.
(Und eigentlich fehlt mir ja nichts- hey ist doch die Chance Urlaub von dem Theater mit dem Dauerstück “DIS- wie sie das Leben schuf”, zu schaffen! Und egal was das Problem für das Rumtheatern ist, es wird mir nicht schaden, einfach mal die Klappe zu meinen Kopfvorgängen zu halten…)

Aber 4 Wochen sind lang. Die Erste geht immer noch. Die EKG-Linie ist leicht wellig- wie sie soll- eventuelle Abweichungen sind einfach zu beheben, in dem man die Elektroden verschiebt bzw die Pflaster austauscht. In der zweiten Woche zeigen sich schon eindeutig pathologische Kringel in den Wellen- aber der Rhythmus ist gleichbleibend, weshalb man zwar mit dem Kardiologen spricht, sich aber doch erstmal für Sport und gesunde Ernährung entscheidet, statt zu Medis zu greifen.

Nun sind wir in der zwei-einhalbsten Woche und ich glaub, ich hatte einen Miniinfarkt. Das ist seltsam- kam der doch sonst immer erst nach der 3ten Woche. Aber halt- nein- das denke ich ja immer! Und dann stellt sich heraus, dass es nur ein “infarktähnliches Ereignis” war. Gut, also zurücklehnen und darüber nachdenken, wie man das Ende durch Herztod abwenden kann.

Hm… tja… und nu?
Mit Betäubung oder ohne Frau Rosenblatt?
”Mit! Mit!” schreie ich natürlich als Erste- um dann, wenn die ersten Wirkungen eintreten, entsetzt über das zu sein, was mir (inzwischen) hochbewusst nach und nach flöten geht. Körpergefühl zum Beispiel. Die Fähigkeit zu fühlen, ob mein Körper Anzeichen von Panik zeigt und wann das absolute Limit für Aktivität erreicht ist, das Durstgefühl muss plötzlich wieder nach Zeitplan und Mengenliste eingeschätzt werden. Das innere Echolot hängt, statt wie sonst 3 Meter, nur noch 1 Meter tief.

Wir haben mit unserer Therapeutin eine Gewichts- Ess-verbindliche Vereinbarung über die Therapie bei ihr getroffen. Das ist auch etwas Gutes… ganz grundsätzlich. Aber nach dem letzten Urlaub war ein spontaner Kommentar: “Sie haben abgenommen.”
Paff Anxiety fläzte sich von links nach recht und grunzte gleich wieder nach mehr. Madame Essstörung allerdings auszuhungern war schwer (und ist es jeden Tag). Gleichzeitig die BÄÄÄMs im Nacken und Peng: der innerpsychisch beschissenste Knebel innerhalb der SVV-Blüte die unseren Alltag sowohl bestimmt als auch reguliert.

Für alle die hier zum ersten Mal lesen: Hier gilt: entweder essen oder schlafen- beides gleichzeitig gibts nicht, da die dritte im Bunde die schwere Selbstverletzung (im Sinn der akuten Schädigung von Körperoberfläche) wäre, was wiederum komplett unterlassen sein soll- Ergo eiern wir seit Monaten zwischen Hungern und Ausschlafen herum, was wiederum bedeutet: Um Anxiety nicht zu füttern (weil wir ja nicht weiter abnehmen wollen und um den Platz nicht zu gefährden) durch potenzielle Ansage von Außen, sollte gegessen werden, was zwangsläufig zu was führt? Richtig: systematischer (und “selbst herbei geführter”) Schlafentzug, der ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nur unaushaltbar ist (und damit eigentlich schon die Selbstverletzung gebiert).

Jetzt ist es nicht so, dass wir tagelang wach durch die Gegend springen- wer schon mal mehr als 24 Stunden durchgehalten hat weiß, dass das gar nicht mehr wirklich möglich ist. Aber es ist auch nicht so, dass ich mich ins Bett lege und einfach nicht schlafen will oder kann oder “es unmöglich mache”. Ich mache es mir gut, sage immer wieder, dass es darf, es geht, es darf, es geht … und das mache ich so lange, bis ich plötzlich wieder “wach” werde. Ich weiß nicht, wie man diesen Zustand nennt (und jetzt komm mir bitte keiner mit “Dissoziation”), aber das ist die Art wie wir gerade “schlafen”. Und zwar in jeweils 2-3 Stunden Intervallen. 2-3 Stunden wach und aktiv (so es noch geht) und dann liegen, ruhen- mit offenen Augen ausgeschaltet sein für eine gewisse Zeit.

Um dann direkt vollgeBÄÄÄMt zu werden, ob der Unfähigkeit, der Inkonsequenz und so weiter.

Ob die Betäubung durch eine Notfallmedikation helfen würde? Ja sicher. Durchgängig und erst wieder beendet, wenn jemand da ist der mich dann auffängt- klar- bin ich dabei! Ich mag Betäubung- oh jaaaa bitte nichts mehr  mitkriegen von dem Mist hier, oh yes- keine Chance mehr für meinen Kopf irgendwas gruseliges, peinliches, abartiges, verbotenes, unpassendes SCHLIMMES (das K. Rosenblatt-sche “schlimm” betreffend), zu tun, für das ich die Verantwortung tragen muss, obwohl mir alles drum rum unklar ist.. haaach wie verlockend der Eintritt in den Nebel, der mich von dem ganzen Schweren trennt…

Und was dann? Wie würde unser Blog hier wieder aussehen?
Was würde aus NakNak* werden? (Ein Bordermisch auf Bewegungsentzug- das ist so spaßig wie ein Gummitwist als Leine für nen Mastiff mit Schaum vorm Maul)
Würden wir dann essen?
Würden wir noch irgendwas tun, was unsere minikleine Bubble erweitert?
Würden wir dann besser leben als jetzt?
Würde das auch nur irgendjemand (der nicht gerade Geld mit der Herstellung dieser Mittel verdient), auf die Idee kommen so einen Zustand noch “Leben” zu nennen?

Toll, die typischen Fragen und Schleifen aus der zwei-einhalbsten Woche.
Es ist klar, dass ich das wieder nicht so gehändelt kriege, wie ich das eigentlich, nach all den Jahren können sollte.
Es geht nun weiter mit der Unterwanderung der Gedanken, die man sich zur Therapeutin macht (sie ist nicht echt, sie spielt, sie will dir nur weh tun, sie hat Spaß an Wissenschaft- du bist nur ihr Kaninchen, sie kann dir nicht helfen, sie findet dich eklig und lässt dich nur da sein, damit sie sich toll fühlt, warte nur ab- wenn sie wieder da ist und da sitzt dann… ) und endet dort, wo ich fest davon überzeugt bin, dass ich die Therapie jetzt sofort beenden muss, weil ich eh ein hoffnungsloser Fall bin, weils ich eh nie lernen  werde, weil weil weil weil EH

EH, Sowieso und überhaupt und ganz grundsätzlich- bin ich ja doch scheiße und es nicht wert überhaupt zu sein. So. (Ja traurig- SO abhängig bin ich davon mehr oder weniger regelmäßig vermittelt zu kriegen, dass ich nicht scheiße bin und es Hoffnung auf ein Heilwerden gibt)
Damit endet die dritte Woche. 124787_web_R_K_by_Karin Schmidt_pixelio.de

Und dann- eigentlich kurz vor Schluss- wo ich eigentlich Zeit damit verbringen könnte, einen Countdown zu haben und mir zu überlegen, wie ein sinniger Wiedereinstieg aussehen kann (es gibt Innens die sich sagen, dass unsere HelferInnen sterben, wenn sie weg (unerreichbar) sind) – bin ich nicht mehr da.

Gestorben an einem Miniinfarkt.
Abgetrennt von der allgemeinen Wahrnehmungs-Bewusstseinsversorgung, bis ein Stant, bestehend aus Versicherung der Rückkehr, Überprüfung des Verhältnisses, Kommunikation dieses Umstandes gelegt ist, der mich wieder mit mir selbst versorgt.

Oh Wunder was Oh Wunder wei
Eigentlich ja cool, dass ich meinen inneren Tod vorhersehen kann. Doch das ist ja allgemein immer die Krux: nur weil mans vorher weiß, heißt das nicht, dass man es auch verhindern kann.
Und in Bezug auf diese Kiste hier, habe ich schlicht keine Chance. Ich werde wieder einknicken, wieder die BÄÄÄMs gewinnen lassen und wieder unempfänglich für was auch immer dann von Außen kommt sein.

Ich hoffe wirklich, wir schaffen es irgendwie, unser eigenes dunkelbuntes Imperium heller zu machen. Diese inneren Tode sind wirklich schlimm, denn sie betreffen nicht nur mich als einzelnen von Vielen hier.

Und nur weil Reanimation in der Regel klappt, heißt es nicht, dass ich mich nicht doch auch sofort wieder danach verzehre, gefragt zu werden: “Mit oder ohne Betäubung?”, weil mir das Bewusstsein, mein Da- Sein und das Leben selbst direkt wieder unglaublich schmerzhaft vorkommt.

von Bubbles und Pseudoreligiösem

“Du schreibst immer von “pseudoreligiös”- wieso? Weiß doch jeder, dass Multiple was mit Satanskult und so Zeugs zu tun haben.. Scheiß Religionen.”, sprachs und ließ mich, aufgerippelt wie einen Strickpulli, unter der Decke kleben.

Ich weiß nicht, obs nur das Sprachding oder noch mehr ist..
Vielleicht bin ich doch so was wie der Tropfen Seifenwasser, der sich an die Bubble des sozialen Miteinanders hängt und wirklich immer und überall einfach nur dazwischen steht. Weder in der Bubble selbst- noch wirklich davon getrennt.

Oder bin ich Teil einer noch nicht aufgepusteten Bubble- oder schlimmer noch: einer Geplatzten…? (Kommentarfunktion ist an…*räusper)

Wenn ich von Pseudoreligiösem Handeln schreibe, dann meine ich genau das, was das Wort sagt. Nämlich davon, dass jemand angibt ein religiöses Konzept zu verfolgen, dies aber in täuschender Absicht (oder gar nicht) tut. Für mich ist dieser Begriff die bestmögliche Umschreibung dessen, womit wir als Kind konfrontiert waren, ohne auf Inhalte eingehen zum müssen. Deshalb verwende ich ihn. Ich könnte auch von schlichter Täuschung, Lüge, Manipulation mittels Zaubertricks, drogeninduzierter Verwirrung und der Ausnutzung von kindlich- magischem Denken sprechen- aber das deckt nur einen kleinen Teil dessen ab, was sich so langsam erinnern lässt und ist entsprechend schlicht falsch. [Außerdem lassen solche Worte in Bezug auf die Ereignisse die BÄÄÄMs aus ihrem Bau kriechen und wer will das schon haha]

Die oben getroffene Aussage berührt viele Punkte, die mir (uns) wirklich stinken.
– “weiß doch jeder”
Stimmt nicht! Mit solchen Ansagen wird der immense Bedarf an Aufklärung nicht nur verharmlost, sondern direkt mal gleich für unnötig erklärt.)

– “dass Multiple was mit Satanskult und so Zeugs zu tun haben”
[war die Pauschalisierungskeule, die mich unter die Decke knallte]

– “Scheiß Religionen”
[…wird ein eigener Artikel…und war das aufrippelnde Element]

Wo ich schon die “Bubbles” erwähnte… “weiß doch jeder”, gilt (eventuell vielleicht!) für die kleine FabianOefner4Bubble in der sich der Mensch, der diese Aussage machte, befindet, doch das heißt noch lange nicht, dass “jeder” überhaupt weiß, worum es bei
a) der DIS (dissoziative Identitätsstörung) oder auch MPS (multiple Persönlichkeitsstörung) überhaupt (und im Grundsatz des Grundsätzlichsten) und
b) “Satanskult und so Zeugs” bzw. “rituellen Missbrauch”, wirklich geht!

Wenn ich zurückblicke auf unsere 23 (!!!) Erstgespräche bei ambulanten Psychotherapeuten im Großraum unserer  Stadt letztes Jahr, sowie auf unsere Rundreise durch div. Kliniken und Therapeutenpraxen früher, weiß das nicht mal in den Profibubbles “jeder”!
Was auch (in einem Teil) gut ist, denn es ist nicht wahr, dass DIS gleich Satanismus bedeutet!

Eine DIS ist eine Traumafolgestörung, die sich aufgrund sehr früher, wiederholter, schwerwiegender Ereignisse, ohne einen sicheren sozialen Bezug in der Folge, entwickelt.
Diese Bedingungen erfüllen mehrere Szenarien und Lebensumstände- nicht nur satanisch-sexualmagische- extremreligiöse- destruktive Kulte und Sekten.

Dass es diese Kulte gibt und ihre Existenz nun endlich wahrgenommen (und zumindest nicht mehr rigoros und von vornherein) verleugnet wird, liegt an beispielloser Aufklärung, Forschung und der Tatsache, dass sich zum Beispiel “Nicki und die Bärenbande” als Betroffene so offen in die Medienlandschaft getraut haben. Das ist großartig und ohne Frage ein wichtiger Beitrag.
Doch, dass wir nun wieder bei einer Ausschließlichkeit (einer Bubblebildung) angekommen sind, bekritzt mich wirklich.
Ich finde es nachwievor fatal, dass der Film “Höllenleben” jederzeit und ohne weitere er- und aufklärende Worte bei YouTube angeschaut werden kann und viele Medien zum Thema DIS ihre Beispiele für organisierte Gewalt an hilflosen Menschen, fast ausschließlich in Bezug auf Kulte und Sekten bzw. auf mafiöse Strukturen im Ausland fußen lassen. Während gleichzeitig die Angebote zum besseren Verständnis und des Austauschs mehr oder weniger systematisch blockiert, schnell beiseite geschoben werden (Stichwort: Betroffene bei Fachtagungen und Helferkonferenzen bzw. Helfer in Tagungen von Opfervereinigungen und ganz allgemein das schlichte Desinteresse/ der offene Unwillen die (Definitions)Macht im Patienten-Behandler Kontext abzulegen und die offene Ablehnung der “Profis” sich auf die Lebensrealität ihrer Patienten/ Klienten einzulassen), und Fachbücher mit dem Fokus so derartig teuer sind, dass eine gewisse Informationsverteilungsbenachteiligung entsteht.

Satanismus als Deckmantel- als “Thema” von Folterdokumentation taucht nirgends auf. Als hätte die Täterschaft kein Bewusstsein für die Wirkung von dem, was ihre Opfer später (so sie denn dazu in der Lage sind) erzählen könnten. Menschen, die nur so tun als wären sie eine Sekte, in Wahrheit aber schlichte Dokumentatoren/ Produzenten/ Darsteller für ein breites ! zahlungskräftiges !  Publikum sind, werden gar nicht erst erwähnt. Zu profan und undramatisch ungruselig vermutlich die illegale Pornographie und zu privat der Kreis der “FKK- Liebhaber”, zu ausgelatscht und “hin-Gesetz-t” das Thema Zwangsprostiution und Menschenhandel in und um Deutschland.
(Bei der Gelegenheit erinnere ich gerne an die Worte meiner Rechtsanwältin: “Die ganzen Fälle von Kinder”pornographie”- was glauben Sie denn, was aus den Kindern geworden ist und wie solche Bilder entstehen?!”, um etwas anzustoßen)

Gewalt muss in den Medien immer noch schlimmer dargestellt werden, als sie eh schon ist. Auf Kosten der Opfer. Paradebeispiel für mich bis heute: der Fall rund um Frau Kampusch. Jahrelange Gefangenschaft reicht nicht… da muss mehr her.
Das Gleiche bei Menschen mit DIS. “Gewalt” an Menschen seit der frühen Kindheit reicht nicht als Oberbegriff- da muss noch was Gruseliges dazu… (Vorallem wenn die Betroffenen inzwischen erwachsen sind- handelt es sich um ein Kind “reicht auch” die “übliche” Kindesmisshandlung. Faktor Mitleid hoch zehn- obwohl mit Mitleid niemandem gedient ist.)

Das Ergebnis sind Betroffene (und deren Helfer- so sie denn so stark und mutig sind) in der Rechtfertigungs- und Erklärungsposition, die gleichsam bedrängt wie unbeachtet im Dunkel um jeden Fitzel Beachtung ihrer aufklärenden-erklärenden Worte kämpfen.

Ebenfalls ein Ergebnis ist verwaschene Begrifflichkeit.

In Bezug auf den Song von Herrn Naidoo tauchte zum Beispiel immer wieder der Begriff des “rituellen Missbrauchs” auf. In dem Song ging es aber um Gewalt in (satanistischen) Kulten.
Etwas rituell zu tun, kann auch den allmorgendlichen Sonnengruß eines Yoga praktizierenden Menschen oder, dass jemand eine bestimmte Handlung ganz allgemein immer wieder und wieder und wieder vollzieht, meinen.
Der Mensch der ein Kind mit immer der gleichen Musik im Hintergrund quält, setzt das Kind ebenso rituellem Missbrauch aus, wie der Mensch der ein Kind im Rahmen eines Rituals (auf immer die gleiche Art) quält.

Heute aber heißt es: “ritueller Missbrauch” und die erste Assoziation sind (ausschliesslich männliche) Menschen in Kultkluft und religiösem Wahn. Inszenierte Folterungen ganz ohne Kulthintergrund, rücken so wieder in den Hintergrund und verschmelzen in der Sparte des “Naja-igen”. Relativiert, wie die durchlittene Vergewaltigung im Begriff der “sexuellen Nötigung”, einfach schon weil sie keine eigene explizite Bezeichnung (mehr) hat.
Und was ist ganz logisch? – Was kein eigenes Wort hat (und damit seinen Platz für Beachtung bekommt), das gibts nicht…
Dieser Gefahr sind sich viele Menschen da draußen gar nicht bewusst, weshalb ich hier immer wieder darauf herumreite, wie wir uns im Bezug auf Gewalt an und gegen Menschen ausdrücken.
Sprechen wir undeutlich, kommunizieren wir das Falsche und die Falschen profitieren davon.

Unsere Worte aber haben Kraft.
Verwenden wir die Richtigen im richtigen Kontext, kann es Aufklärung, Schutz und Gerechtigkeit gehen.

Und niemand muss sich als Seifenwassertropfen inmitten der ganzen (Unbetroffenen-)Bubbles fühlen, weil er das (manchmal gefühlt) allein tut und immer wieder vom Urschleim an beginnt zu erklären und geradezurücken….

FabianOefner1

Sonnenscheintag 4 oder: Armut, Demut, Unmut

Wir haben den 16. des Monats und noch 22,43€ zur Verfügung.

Wir sind nicht drogensüchtig, haben kein Geld zum Fenster herausgeworfen und wurden auch nicht ausgeraubt. Wir haben einfach nur Rechnungen bezahlt und versucht auszusehen, wie ein normaler Mensch (was bedeutet: wir haben das Unsägliche getan und uns endlich Wäsche für 5 Tage in Größe 40 gekauft, statt immer noch weiter in Größe 48 herumzulaufen- zum unglaublichen frevelhaften Preis von 7,98€)

Tja, wat nu?

Entgegen der Meinung der Intelligenzbestien, die sich ihre Meinung zum Thema Hartz 4  mit Hilfe von RTL und Co zusammenschustern, ist es NICHT so, dass man als Mensch in so einer Situation wirklich und echt Hilfe bekommt die einfach und unkompliziert angenohmmen werden kann.

Zumindest nicht von uns. Ich habe jetzt einige Texte und Schilderungen zu dem Thema gelesen, aber noch niemand hat es aus der Sicht eines (früh)traumatisierten- allein stehenden- Menschen geschrieben. Also dann (man hilft ja wo man kann haha)

Was ist das Wichtigste? – Nahrung! (alles Andere hab ich ja schon bezahlt- deshalb ist ja nix mehr übrig)

Wo kann man Nahrung bekommen, wenn man sie nicht bezahlen kann? Bei der Armenspeisung. Weil es politisch korrekter ist, nennt man sie inzwischen “die Tafeln”, “der Lebensmittelkorb”, “der Tisch” und wer weiß wie  noch.

Okay. Alles klar- hier haben wir Problem und Lösung. Tadaaa!

So. Und jetzt komme ich mal mit meinen Problemen und allen laufenden Prozessen dazu.

Ich bin essgestört, leide unter dem Reizdarmsyndrom (ganz interessant: ca. 30% aller Reizdarmsyndrompatienten sind Missbrauchsopfer und die Mehrheit der Erkrankten sind Frauen… ), halte keine Menschenansammlungen aus, halte mich sowieso schon für den Dreck der noch unterm Abschaum aller anderen Menschen steht und bin durch die Unfähigkeit unseres Staates Kinder vernünftig vor Gewalt zu schützen und selbige als Erwachsene heilen zu lassen, arm und (zumindest derzeit) absolut ohne Perspektive, dass sich das schnell (je?!) ändert.

Grundsätzlich bin ich ein Freund davon verzehrbare Lebensmittel nicht einfach wegzuschmeißen und sie an jene kostenlos bzw. für reinen “Ranschaff/Zusammenraff und Verteil-Aufwandspreis” abzugeben, die sonst hungern müssten.

Aber ich komme mir vor wie ein Bittsteller. Und nicht wie jemand der keine direkte Schuld an seiner Not trägt und einfach davon profitiert, dass viel zu viel produziert wird.

Und es erinnert. Es ist ein Gleichnis “Du bist Dreck- Du bekommst nur Dreck- Du bekommst nur das was sonst keiner will und dafür hast du gefälligst dankbar zu sein- sonst musst du sterben (verhungern)”. Es ist das Gleiche. Es ist das Gleiche das Gleiche das Gleiche!

Und dabei soll und will ich doch richtig annehmen, dass ich mehr wert bin, als ich denke. Dieser Gedankengang begleitet mich also als Schleife. “Ich bin wertvoll ich bin wertvoll ich bin wertvoll- obwohl ich grad nicht wirklich so behandelt werde. Bitte Innenleben hör doch auf zu weinen. Es ist zwar das Gleiche- aber es gilt nicht als das Gleiche.” (Also- eigentlich verarsche ich mich, damit es nicht so weh tut.)

Kommen wir zur Verwaltung der Lebensmittelausgabe.

Hier läuft das so: Freitags um 10 Uhr werden Nummern verteilt (jaja wegen Datenschutz und so und weil ja jeder die gleiche Chance haben soll- nicht, dass der Erste das Beste bekommt und so weiter). Okay- kann man hinnehmen- wir sind in Deutschland- hier steht man auf Ordnung und verteilt dafür hübsch laminierte Karten mit einer Ziffer drauf.

Meine Ziffer beim letzten Mal war die 10. Und ich war total dankbar. Diese Dankbarkeit steigerte sich, als ich die Ziffer 132 bei einer Frau die dort ebenfalls wartete in der Hand aufblinken sah.

Um 13 Uhr beginnt die Ausgabe der Lebensmittel.

Solange sitzen viele der Menschen dort in der Kirche herum. (Gecheckt? In der Kirche. Für mich Horror. Schlicht und einfach. Allein die Panik (die noch nicht mal meine ist und die ich nur gedämpft durch zig innere Filter wahrnehme) dieses Gebäude zu betreten, ist etwas, dass mich normalerweise dazu brächte, gar nicht erst dort aufzutauchen. Allein dieser Umstand zieht unglaublich viel Kraft) Wir fahren dann immer nochmal wieder nach Hause (4km hin- 4km zurück bei jedem Wetter) um Kraft zu sparen und zu schöpfen- obwohl der Körper eigentlich nicht genug “Treibstoff” für zweimal 8km radeln und dann nachmittags noch die von NakNak* geforderten 7km laufen, bekommt.

Dann die Ausgabe. Inzwischen ist es richtig voll. Es wird gedrängelt und geredet, Einkauftrolleys und Bollerwagen nehmen noch zusätzlichen Platz weg. Alle Sprachen werden gesprochen- auch jene die mich triggert und direkt mal in einen Zustand jenseits von Gut und Böse befördert. Also stehe ich draussen herum, werde ein paar Mal fast umgerannt und krümme mich halb vor (alten) Schmerzen und spitze die Ohren um meine scheiß Nummer zu hören- die ich aber natürlich nicht höre- die Sprache die mich antriggert aber dafür um so besser.

Die Frau in der Ausgabe wird sich wohl gedacht haben: “Ach komm Scheiß auf Datenschutz- es muss vorwärts gehen” und schrieh meinen Namen über die Gespräche hinweg. Hmpf. Danke sehr.

Naja, also ich mich durchgekämpft. (Und ja: Ich hatte zwischen drin die Assoziation von mir im Camouflageanzug mitten in der Schlacht um Stalingrad bzw auch kurz von Aladin dem Meisterdieb der sich durch den Basar schlängelt)

Endlich angekommen bei der guten Frau. Ich habe zu dem Zeitpunkt schon den 4ten Tag in Folge nichts gegessen. Mir geht es richtig richtig dreckig und eigentlich ist zu diesem Zeitpunkt weder denken, noch mitdenken, noch planen, noch irgendwas anderes als das schiere Überleben wirklich möglich. Ich brauche, dass jetzt jemand einen Plan hat und weiß was er tut. Diesen Anspruch hat die Frau anscheinend leider nicht und zerrt mich von Station zu Station.

Vorbei an Bergen von Brot (das ich nicht mehr vertrage bei meinem Stresslevel in Kombination mit dem Reizdarm), an Kuuuuuchen (großes Heulen innen), an Nudeln (die ich auch nicht essen sollte- von denen ich aber doch ein Paket mitnehme, weil es sonst gar nichts Haltbareres zu geben scheint- was ich aber dann 4 Tage später bitter bereue, weil mich mein Bauch zu zerreissen droht) und dann zum Obst und Gemüse. Ich gehe hinaus mit

1 Paket Nudeln, 5 Möhren, 1 Blumenkohl, 3 Tomaten, 1 Gurke, 100gr Putenwurst, 1 Liter laktosefreier Milch (okay dafür war ich supermega oberdankbar- die ist so teuer), 1 Zitrone und 5 Kartoffeln.

Um um mehr zu bitten, bin ich zu diesem Zeitpunkt viel zu geschwächt (mal abgesehen davon ist hier für mich noch die Frage: Wann würde ICH jemals um Essen betteln? Wieder! Ich bzw. mein Innen kennt doch die Antwort längst: “Du bekommst nichts mehr!”. Mir tanzen Punkte vor den Augen, der Kopf dröhnt und Erinnerungen rütteln an ihren Käfigtüren. Mein Organismus belebt die alte Zeit wieder und niemand steht mir bei. Weder mein Geist, noch die Frau die mir doch an die Seite gestellt wurde, um mir zu helfen. Sieht sie denn nicht, wie wenig das ist?!

[Nein- das ist viel zu viel- du darfst das alles gar nicht haben! Ich krieg Ärger dafür! Legs weg- bitte gibts zurück!!!- Ja los legs zurück du fettes Schwein!- Du bist es nicht wert!- Ich bin es wert ich bin es wert ich bin es wert… ]

Ich sehe zu, dass ich verschwinde und komme irgendwie wieder nach Hause. Um mich dort angekommen ohrfeigen zu können. Wieder 7 Tage vor uns und praktisch nur für 2- vielleicht 3 Tage Essen zum satt werden. Und was machen wir? Wir denken, dass es uns nicht zusteht, doch noch die anderen Lebensmittelausgaben abzuklappern, um mehr abzugreifen. Wir strecken diese paar Sachen über 7 Tage hinweg. Und wundern uns dann, weshalb das System komplett in den reinen Überlebensmodus schaltet. Weshalb es uns so schlecht geht.

Jetzt gehts uns noch gut.  In 11 Tagen dürfen wir realistisch das Kindergeld erwarten. Heißt wir können pro Tag jetzt noch 2€ ausgeben um etwas zu essen zu kaufen. 1,60€ sind es, wenn wir Pech haben und das Geld erst am 29 sten bekommen. Von einer Ernährung die uns gut tut sind wir weit entfernt. Von Lebensumständen die uns heilen lassen könnten, fange ich gar nicht erst an zu reden.

Aber ich muss nicht zu dieser Armenspeisung gehen. Wenigstens in diesem Punkt darf und kann ich diesen Monat gut für mich sorgen.

[Wer weniger als umgerechnet 1,25$ pro Tag zum Leben hat, gilt als arm. 1,25$ sind 0,96484€. Man bin ich reich. Was stell ich mich eigentlich so an?]