beobachtete Flucht

Es ist eine Schwärze, die sich nicht zwischen Samt und Unendlichkeit entscheiden kann.
Es ist eine Kälte, die nicht weiß, ob sie beißen oder stechen soll.
Es sind Schritte eines Kindes im Körper eines Erwachsenen.

Es ist Angst im Heute vor etwas Gestrigem.
Es ist immer die gleiche Frequenz, immer der gleiche Satz, immer der gleiche Ton.

Ein blitzschneller Zug des Schlüssels aus dem Schloss, ein Aufreißen und hinter sich zuschlagen.
Abschließen. Einschließen. Wegschließen.
Und dann jeden Treppenabsatz im Ganzen runterspringen.
So schnell wie es nur geht.

Ein Rasen.200888_web_R_K_B_by_tom-sawyer_pixelio.de
Ein Rennen.
Ein Laufen.
Ein Joggen.
Ein schnelles Gehen.
Ein Schritt nach dem Anderen.
Ein mechanisches Traben.
Ein Vorwärtsschleppen.

Bis zu dem Moment in dem Raum genug für das fragende Innen ist.
„Weißt du eigentlich, wo du bist?“
Dann erst kommt die Angst, die sie sterben lässt.

Sie ist 8 und sah ihren Besitzer.

Ich bin 27 und sehe das Ortschild einer Stadt ca. 24km von meiner Wohnung entfernt.

Ewigkeit

“Hallo?”
-“…” Anlauf… Druck- Atem im Gaumen ballen, Zunge formen
”C.? Seid ihr das?”
– “…” Anlauf… Luft zusammenpressen-  Luft woher? Zu was soll es werden?
Mehr als ein ersticktes Schniefen kommt nicht raus.
”Ich schick dir eine SMS, halte das Handy ans Telefon dass ich höre, dass sie da ist, ja? Wir haben das abgesprochen, damit ich weiß dass ihr das seid, okay?”

Das Mädchen steht im Arbeitszimmer als das Mobiltelefon auf dem Tisch vibriert.
”Ah ich höre es, okay.” Es raschelt am anderen Ende. “Wer ist denn da? Kennen wir uns schon?”
– “…” sie atmet ein, spannt alles an und würgt doch nur leere ungeformte Luft hervor.
”Hast du Angst? Was ist passiert?”, mehr zu sich als zu dem Kind sagt sie: “Ihr seid sicher.”

[Nein kann ja gar nicht sein, ich hab grad… da war grad ich hab doch gesehen… da ist doch… kann doch wieso sicher… ist doch nicht sicher wenn… da ist doch!!! Weißt du da… da da daaaa da…!!!]

“Traust du dich in die Küche? Im Frostfach ist eine Tüte mit Suppengemüse- leg dir die mal auf den Bauch.”

[Ich… und wenn da… und was wenn… ich nein ich beschütz mich doch da ist… und wenn ich jetzt sterbe was wenn… ich hab doch… da ist doch…  ich kann nicht]

“Ich ruf sofort die Polizei und H. an, wenn ich höre, dass was passiert! Fest versprochen! Dann kommen sie alle zu euch und helfen euch. Das geht ganz schnell. Die sind dann in ein paar Minuten da. Versuch mal in die Küche zugehen. Das Kalte hilft dir vielleicht. Du bist ja ganz außer dir.”

Ich kralle mich in ihre Worte, die Sicherheit der Gemeinsamkeit- höre sie durch Nebelwatte und kann fast lachen. Denn ich bin außer ihr. Ich stehe daneben, schwebe um diese Szenerie.

Ich nehme einen der Fäden auf, der von dem Mädchen herunter hängt und ziehe es in die Küche, lasse es in das Frostfach fassen. Halte ihren Arm damit sie das Telefon nicht fallen lässt.
”N.? Ich könnte mir vorstellen, dass du irgendwo mit bei euch herumschwebst und mich hörst. Kannst du versuchen etwas zu sagen?”, sie wartet und ich fühle mich ertappt. Plötzlich bin ich unsicher- nicht wegen der Situation, sondern wegen der Sicherheit mit der sich eine Außenstehende in unserem Sein bewegt.
”Nicht vergessen- nicht die Hand im Eisfach liegen lassen. Nehmt lieber das Gemüse in die Hand und legt euch die Tüte auf den Bauch.” Ich höre wie sie sich in ihrem Bett zurechtwickelt und werde erst jetzt gewahr, dass es halb 5 am Morgen ist. Die Arme…

“Gehts? Kannst du langsam was sagen?”
Die Nebelwatte löst sich unter dem Eis auf, die Dämme brechen.
Das Mädchen weint und weint und weint.
Ihr hemmungsloses Schluchzen wird zu einem Damm um sie herum. In solchen Fluten würde ich ertrinken. Alles was ich machen kann ist warten und es sich leerlaufen lassen. Ich versuche das Innen zu lichten. Eine Hilfe für sie zu finden.
”Ja… wein dich aus… ist okay. Ich warte.“

Anlauf… Luft… eine Form im Kopf wird zur Form im Mund… wird zum Wort… Absprung
Sie spricht.
Sie wird getröstet, beruhigt, im Heute orientiert.
Sie löst sich auf und wird zu einem der kleinen Herzen, dass in der Brusttasche von jemandem behütet wird.

“Hm, bist du noch da?”
-“Ja, ich bin da.”
”Na? Lust auf Suppe heute Abend?”
-“Hm?”
”Das Gemüse müsste jetzt langsam aufgetaut sein.” sie kichert.
-“Entschuldige.” Ich versuche den Körper irgendwie zu sortieren und die Tüte wieder ins Frostfach zu legen. “Ich weiß nicht, wieso wir so zerfallen im Moment. Mehr als Wahlwiederholung ging nicht.”, ich wische das Gesicht frei und atme durch.
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”Es ist okay- wirklich! Ich hab da schon was im Kopf, wieso das alles grad so krass ist. Aber ich bin keine Expertinesse- ihr müsst das mit eurer Seelenfrau unbedingt irgendwie auf die Kette kriegen. Wann ist wieder Termin?”
– “Donnerstag”
”Oh man…das ist ne Ewigkeit in Kinderrechnung”

Ja…
oh man
Das ist es auch ohne Kind zu sein.

Marienkäfer flieg

“Schhhhh beruhig dich… atmen… Schhhhh Schhhhh Schhhhh… hm? Wir sind jetzt zu Hause… es ist okay. Schhhhh… Ich bin da…”

Sie klammert sich an meine Schwungfedern, streift die Jacke ab und lässt alles im Flur fallen. Das rasende BÄÄÄM aus dem Hintergrund schwillt noch mehr an.
”Schhhhh es ist okay… mach ruhig… ich bin da…”

Sie schaut mich an. Blaugrau angelaufen.
Sie erstickt an Wort und Gefühl. Der Mund ist zugenäht.
”Es ist gut. Du kannst es schreiben. Schhhhh… atmen… ich bin da… ich passe auf, dass dich niemand stört… es ist wirklich gut…”

Sie greift tiefer in meine Federn und drückt ihren stachelbewehrten Rücken an meine Brust, tippt wie wild auf die Tastatur des Laptops ein. Atmet mit jedem Wort freier und nimmt ihre üblich rosige Farbe an. 486459_web_R_by_Péronne vd Ham_pixelio.de

Hier in meinen Dunstkreis dringt kaum etwas von den BÄÄÄMs ein. Sie ist sicher. Sie kann einfach schreiben schreiben schreiben. Ausdrücken was sie nicht sagen darf. Der Moment des Erschreckens über die Wortmalerin, die ihr in die Glieder fährt, um die Worte zu sortieren, ist nur kurz. Die Erleichterung hingegen nachhaltig.

“Komm her mein Herz, du darfst hier bleiben. Es ist gut…”. Ich summe ein Lied und bringe sie in Ruhe zwischen meine Daunen.
Es fühlt sich seltsam an. Sie ist so groß. Aber es geht.

Ich sehe die Frontfrau durch die Wohnung stolpern. Ordnung schaffen, den Hund füttern, alles gerade biegen. Alles ist perfekt und dann bemerkt sie das Marienkäferkostüm, die schwarzen Rinnsale, die von ihren Wangen laufen.

Ich versuche sie zu streifen. Ich denke, vielleicht kann sie mich fühlen und zufassen. Vielleicht… sie ist ja auch ein Herz, vielleicht könnte sie auch… Doch sie ist noch nicht genug. Ein Hauch und sie schießt auseinander.

Da sind sie wieder.
Die Schritte.
Das Kleine hat nicht die Kraft zum Weglaufen, es kriecht unter den Küchentisch und wird doch wieder darunter hervor gerissen.

Ich summe. Für mich. Halte aus, aushalten zu müssen, Zeugin zu sein. Warte. Bange. Verschließe meine Ohren. Wieder. Plustere mein Gefieder auf.

Es krabbelt unter die Essbank.
Wieder wird NakNak* zur Wächterin. Aufmerksam und betont desinteressiert.

Ich lande in dem Leben, dass ich beobachte. Ich merke das Kleine auf meinem Rücken. Spüre wie es sich von der kleinen Starken streicheln und mit meinen Federn bedecken lässt. Ich kann es fühlen.

Ich hieve den Körper aus dem engen Eck.
Streiche die Farbe aus dem Gesicht, streiche über die Verletzung, streiche über die Kleidung zur Nacht. Würde gern das Kleine streicheln.


Marienkäfer flieg
in dir da herrscht Krieg
Rettung liegt in deiner Hand
deine Hand wird abgebrannt
Marienkäfer flieg


Es gibt einen Frontgänger, der seine Besuche in der Universität “die tägliche Kelle Weisheit fressen” nennt.
Ich habe auch Hunger.

Ich hätte gern eine große Portion Hoffnung.

Wertvolles für Innenkinder

“Sag mal, wieso bist du eigentlich immer so fies zu den Kleinen bei dir?”.
Da sitzt sie auf unserer Küchenbank, friemelt einzelne NakNak*haare von ihrem Wollrock, spielt mit dem Teebeutelzettel und stellt seelenruhig so eine Frage.

“Was meinst du mit “fies”? Du weißt, es sind keine echten Kinder. Nur kindliche Impulse, die…”
”Jaaaa”, sie rollt die Augen, stöhnt auf, legt sich halb über die Tischplatte, “Jattata Jattata Jattata… ich weiß, du musst dir das sagen und so, aber sie sind doch da. Ich mein, du kriegst das ja nicht mit, wenn eins mal da ist, aber das ist wirklich sowas von echt! Wie ein echtes Kind.” Sie schaut ernst. “Wie ein Kind, das nichts hat, außer einer kleinen Stoffente mit Quietscher drin und einer Höhle aus Umzugskartons, die du dauernd abbaust.”
-“Im Keller ist noch jede Menge Zeug!”
”Und du meinst es ist nicht fies “Zeug” zu Sachen zu sagen, die sie gern haben?”
-“Es IST Zeug”
”Du bist fies zu ihnen. Du hast selbst gesagt, dass ihr als Körperkind viel entbehren musstet…”
– “ANSCHEINEND! Ich weiß nicht, ob das so ist!”
”Ja egal- was ist so schlimm daran jetzt ein paar Sachen zu haben- hier!- die für die Kinder bei dir sind? Ich hab diese Doku gesehen von einer anderen Multiplen, die hatte sogar richtig so ein Spielzimmer. Hach- so was fänd ich sogar für mich schön! Und ich hab keine Kinder in mir.”
-“Doch hast du- für dich fühlt es sich nur nicht so fremd an.”
”Du lenkst ab. Zu nah?”
-“Ich denke, vielleicht schreiben wir mal im Blog darüber.”

Wir gehen raus und spielen mit NakNak*.

Außenmenschen und Innenkinder.
Innenerwachsene und Innenkinder.

Ich bin nicht der Schwan. Ich bin eine Alltagsperson. Eine von denen die “Erwachsenensachen” macht. Eine Frontgängerin.
Und ich mag die Innenkinder nicht.

Was interessant für mich ist, ist, das Mami-ding, welches um die Innenkinder ständig kreist. Ich sage: “Ich mag die Innenkinder nicht” und kann schon fast hören, wie der Tonfall, in dem sonst immer “Rabenmutter” gesagt wird, um die Reaktion auf diese Aussage gewickelt wird.
Ist doch seltsam, oder: Wenn andere Leute von sich sagen: “Ich mags nicht, wenn ich zum Piepsestimmchen werde, weil mich einer anmault”, dann kommt dieser Tonfall nicht. Wenn es um Kinder geht allerdings… meine Güte noch eins!
Dieser gesellschaftliche Zwangsreflex immer und immer alle Kinder toll finden zu müssen (auch die Rotzblagen, die einem vors Knie treten und beschimpfen) nervt mich schon im Alltag ganz erheblich. Denn- Kinder gut zu behandeln, schließt dieser Reflex nicht ein.
Ich sitze immer da und denke, dass man Kinder nicht mögen muss. Man muss darauf achten sie nicht zu verletzen, zu entwürdigen, zu demütigen und sie zu schützen und zu versorgen, ja. Aber niemand muss sie deshalb automatisch- reflexhaft- auch mögen.

Ich mag unsere Innenkinder nicht, weil sie gruselig sind.555548_web_R_K_by_Manuel Gäck_pixelio.de

Es gab mal so einen Horrorfilm von einem Kinderheim, in dem die Kinder alle einen mysteriösen Tod gestorben sind und dann dort auftauchten, als die einzige, dann erwachsene, Überlebende dort auftauchte, weil sie das Haus gekauft hatte.
In meinem inneren Universum bin ich die Überlebende.
Und- oh ja- wenn ich vielleicht eeeeetwas unbeherrschter wäre, würde ich wohl auch permanent herum schreien und mir vor Angst in die Hosen machen oder so, wenn sie so auftauchen und in meinem Leben herumfuhrwerken.

Sie sind heartbreaking. Sie sind kümmerlich. Sie sind bedürftig.
Sie haben riesengroße Kulleraugen, die was wollen!
Und was sie wollen ist etwas, das nichts mit Malbüchern oder so, zu tun hat.
Sondern mit Gemocht werden, geschützt werden, in ihrer Würde geachtet werden. Vielleicht hats auch was mit ”Puste auf mein Weh, damits weg geht” zu tun, das weiß ich nicht genau. Aber es hat nichts mit einer Masse an Zeug oder mit niedlichem Kinderspielzeug zu tun.

Mal ein Spiel spielen, mal etwas malen, mal eine Puppe anziehen… nach außen sieht es aus wie Spaß- im Innen ist es ein Funktionieren. Da sitzt ein Kind, das genau das AUSHALTEN kann- nicht das Kind, dem man den Spaß und die Unbeschwertheit wünscht. Man denkt, vielleicht kommt etwas davon innen an und sie merken, dass heute heute ist und sie das nun gefahrlos tun können, doch das passiert nicht (zumindest nicht bei uns jetzt heute- ich weiß  nicht, ob so was grundsätzlich geht. Hier wird gepuzzelt und gemalt, um sich zu erden oder etwas auszudrücken).

Bei aller Vergleicherei kann ich nicht verstehen, wieso gerade das nicht so übertragen wird. Schon mal erlebt, dass ein Aussenkind voll rundum überhäppy ist, wenns nen Lolli in den Hals gedrückt kriegt, statt das angeklatschte Knie bepustet zu bekommen? Spätestens in der Teeniezeit wird man sehen, dass Trost mit Süßkram ne scheiß Strategie war.
Wieso sollte ich das bei “meinen Kindern” wiederholen?

Wir versuchen uns beizubringen, dass heute alles anders ist als früher. Wir versuchen es zu schaffen, dass unser Gehirn etwas Neues lernt, als das Umschalten auf Anpassung an eine Situation, die von Lerninhalt gleich ist- aber nicht vom Zusammenhang heute.

Das klingt immer so super gemein und defizitär, aber Kinderinnens tauchen nicht auf, weil sie irgendwas so super toll finden außen, sondern weil unser Gehirn den Bereich benutzt in dem die Kinderinnens verortet sind. Und das tut das Gehirn wiederum, weil es in unserem Aktenordnerwustgehirn steht und einen-heute unpassenden- Aktenorder in der Hand hält und entsprechende Assoziationen und Fähig- und Fertigkeitsausübungsmöglichkeiten bereitstellt.

Ja, manche Kinderinnens sind richtige Spaßvögel, keck, frech und rotzig. Schlau, fast weise. Aber sie sind keine Kinder, die einfach gut drauf sind und “einfach so” da sind. Sondern frühere Alltagspersonen, die (zumindest bei uns) so sind, weil sie mit ihrem Verhalten früher Menschen schon dazu gebracht haben, sich den Körper nicht zu nehmen oder einfach nur nett zu ihnen/uns zu sein.

Wenn ich erfahre, dass Kinder- oder auch Teenagerinnens “da” waren und mit unseren Helfern gesprochen haben, dann weiß ich, dass Holland nicht nur in Not, sondern eigentlich schon Katastrophengebiet ist.

Tschuldigung, wenn ich Boten der innerseelischen Apokalypse nicht mit Plüschteddys und Spieluhren empfange, sondern zusehe, dass Hilfe rankommt. Entweder um wirkliche Krisen abzuwenden oder, dass eine deutliche Unterscheidung von früher und heute möglich wird.

Ja, es ist fies, wenn die Frontfrau Puzzles in den Keller bringt, weil sie weiß, dass sie von dort nicht einfach wieder auftauchen im Moment. Doch auch sie hat einen Grund dafür.
Ja es ist fies, wenn ich die Umzugskartonhöhle wegräume- aber wie wohnen nun mal nicht in einem Loft mit unbegrenztem Platz und irgendwo muss der Wäscheständer nun mal stehen.
Ja es ist fies, wenn es nicht jeden Tag Schokopudding mit Senf gibt, aber es ist noch fieser, wenn Anxiety hier rumwütet, weil der Körper zu dick ist.

Ja, von mir aus findet es fies, dass ich meine Innenkinder nicht mag.
Aber, ich beschütze sie. Ich würdige sie. Ich demütige sie nicht. Und ich versuche alles, dass wir heute so versorgt sind, wie sie es früher vielleicht nicht waren.
Ganz ehrlich- ich finde, das ist viel wertvoller, als ne Bude voll mit Rüschen und Bärchenmobiles.

aus dem Leben von 8.38 Uhr bis 10.42 Uhr

Ziemlich genau abgepasst gleiten wir auf der Energiewelle des Schlafmangels.
Klingt komisch?
Ist aber so.
Inzwischen sind wir ca. 30 Stunden wach und jetzt ist die Kurve oben. Der Körper schaltete auf “sicheren Platz zur Ruhe suchen- JETZT”

Naja- wir trugen ihn jetzt erst mal zum Arbeitsamt.

Lief richtig gut- dafür, dass das erst der zweite Termin so ganz ohne Betreuungsrückenstärkung war. Wir haben uns vorbereitet und haben alles ansprechen und klären können. Coole Sache, wir werden also nicht verhungern müssen und gegen einen Besuch der Abendschule sprechen auch keine eventuellen Fallstricke in Richtung (dann) erneute ökonomische Abhängigkeit zu Menschen, von denen wir nicht mehr abhängig sein wollen.

Hach ja… so entschwebten wir dem großen Klotz inmitten der Schneeflockenwirbel.

Schnell noch ins Einwohnermeldeamt, beweisen, dass es uns gibt. Fragen, ob sie noch alle Latten am Zaun haben (oder sie lieber eine Hecke pflanzen möchten) und dann sollte es nur noch schnell…

Ja.
Mit schnell war dann erst mal nichts mehr. Wir wollten nur noch ein paar Bögen Papier kaufen. Dazu durchquert man am Einfachsten die Fußgängerzone.
Ich glaube, der Wegegänger mag dieses Wegstück, weil es Fahnen, spiegelnde Flächen, wackelnde Tischdecken, Markisen und symmetrisches Pflaster gibt. Er hat eine schräge Wahrnehmung und die Gefühle, die so spürbar sind, sind sehr “roh”- unbehauen sozusagen. Ohne Überlegung, ob sie gerechtfertigt sind oder nicht.
Es ist ein bisschen, wie einem Kind beim Spielen zuzugucken für mich, wenn ich so in seiner Peripherie bin. Unbeschwert, wenn es Bewegungen gibt, denen er folgen kann- Musik in den Ohren die ihn schützt. Es freut mich für ihn, wenn es schneit. Denn für ihn ist es, denke ich mal, einfach wunderbar.

So traf mich sein Schmerz, als wir Zeugen wurden, wie ein Radfahrer eine Taube anfuhr- und einfach weiter radelte.

Wir haben so etwas nun schon drei Mal hier in dieser Stadt erlebt. Und auch schon mehrere Male118925_web_R_by_lanxam_pixelio.de totgefahrene oder einfach so gestorbene Tauben in der Fußgängerzone auf dem Weg liegen gesehen.
Wir können dann nicht einfach vorbei gehen.
Egal wie “krank und eh bald tot” und “eh zu niemandem gehörend” und “eh nur Ratten der Lüfte” sie sind, es gibt bei uns das dringende Wissen, dass kein Wesen auf der Welt allein sterben und dann so ungeschützt da liegen sollte. Egal warum, wann, wie und wo.

Da geht es nicht um Mitgefühl, Nächstenliebe, Menschlichkeit oder Tierliebe, Es ist nur dieses dringende Wissen.

Wir blieben als Einzige stehen und hoben das Tier auf. Es war klar ein Todeskampf und es dauerte auch nicht lang, bis es vorbei war. Aber sie war nicht allein.

Und wir auch nicht.

Es kam ein Mensch auf uns zu und fragte, wie es stünde. Naja- war ja nicht mehr viel zu stehen. Wir sagten ihm, dass sie nun gegangen sei und es vorbei ist.
Er fragte, was wir nun mit dem Körper anstellen würden. Ganz ehrlich: das “wir” in dem Satz, hatte uns mehr schockiert, als der Unfalltod des Vogels in unserer Hand.

Die anderen Male, wenn wir ein totes Tier sahen, griffen wir zu einer der Plastiktüten für NakNak*s Haufen und legen den Körper dann in einen Mülleimer der Stadtreinigung. Diesmal gaben wir einen unserer Stoffbeutel her.

Die Papierbögen haben wir nicht mehr gekauft. Wie der Mensch heißt, wissen wir nicht und ob wir ihn je wieder sehen werden, auch nicht. Aber es war ein furchtbar schön-schrecklicher Moment.

Als wir dann in der Straßenbahn auf dem Weg nach Hause saßen, dachte ich darüber nach, wohinein ich diese Episode einbetten könnte, wenn ich blogge. Wie der Titel sein könnte und was für eine Botschaft in ihm stecken würde.

Dann fiel mir ein, dass wir im “Lauf der Dinge” schreiben.

Das war der Lauf der Dinge.
Heute. Hier in dieser Stadt. Im Leben eines Menschen von 8.38 Uhr bis 10.42 Uhr.

Für sich eingetreten, für sich gekämpft, einer Taube beim Sterben beigestanden, ein Wir mit einem Fremden erlebt. Alles mit einer Tasse Kaffee im Bauch und hoffend, dass das Energietief auf den Schlafmangel, noch etwas auf sich warten lässt.

Nacht

01:00 Uhr Eigentlich, das weiß ich, ist es dumm jetzt ins Bett zu gehen.381421_web_R_K_by_Viktor Petrow_pixelio.de
Es gab Nahrung, das Innen brodelt und raunt mir etwas an den Rand meiner Hörperipherie.

Und doch ist es, als wäre der Körper übermüdet von den Kämpfen. Wie ein gefallener Krieger, dankbar ob der Ohnmacht, rauscht er in einen Schlaf.

03:34 Uhr Sie schreckt auf, den Schweiß auf der Haut, wie im Hochsommer. Da ist die Angst, die abgrundtiefe Angst erwischt zu werden. Fast spüre ich es selbst, doch mehr sehe ich es, wie sich die feinen Härchen aus den Poren schieben und alle Nässe an ihnen herunterperlen lässt.

Mein Gesang erreicht es nicht. Dieses Kleine erfährt keinen Trost durch meine Stimme, meine Nähe, meine Versicherung, dass ihm nie wieder jemand Leid zufügen wird.
Zum ersten Mal bin ich diejenige auf der anderen Seite.

Ich schwebe innen und außen, umkreise und sehe es. Und doch kann ich es nicht auf meinen Rücken nehmen. Es ist, als sei es unter einem faradayschem Käfig gefangen.

Es müht sich ab, kriecht vom Bett herunter, um darunter Schutz zu suchen. Atmet. Hat die Augen weit auf. Überlebt. Gibt keinen Laut von sich.
Ich kann hören, dass es Schritte hört. Sie kommen von innen, gehören ihm.
Dem Grauen.

Ich werde Zeugin.
Zeugin, wie ich immer schon die immerwährende Zeugin bin.

Die Gewalt lässt mich erstarren, mein Gefühl der Zeit schwanken. Ist nun heutejetzt oder damalsgestern?

Ich sehe erneut wie es gebrochen zurückbleibt, erneut den Schutz der Enge sucht. Nun wimmernd, fiepend, hochfrequent jaulend und doch stumm. Sein Schmerz muss unsäglich sein.

Nach einer Weile hören wir das Klicken von NakNak*s Krallen auf dem Laminat. Sie nähert sich, geht ums Bett herum, schiebt ihre Nase darunter. Ich glaube sie spürt, dass jetzt kein Augenblick für Nähe ist, denn sie bleibt außerhalb dieser Höhle. Legt sich aber doch davor, betont desinteressiert, aber achtsam.

Es vergeht Zeit. Der Atem geht langsamer. Das Kleine hat es geschafft.
Sein Fell verändert sich, wird borstiger und dunkler. Dieses andere Kleine kriecht an NakNak* heran und vergräbt seine Nase im Fellwirbel an ihrem Bauch.

Sie beruhigen einander. Geben keinen Laut von sich, sprechen auf einer Ebene, die in sich geschlossen ist.
Ich kreise weiter, versuche sachte Kontakt aufzunehmen und bin doch selbst zu erschreckt.

Die Sonne geht auf und mit jeder Minute die mehr Licht bringt, verschwindet das Fell. Der übermächtige Schmerz flacht ab, verdünnt sich zum normalen Grundgefühl. NakNak* scheint zu spüren, dass sie nun albern sein kann. Ihr Fang wird rund, das Gesicht welpig. Es ist eine spielerische Mutation die nun losgeht.

Ich bin froh, sie wieder zu fühlen. Meine kleine mutige Starke. Sie schüttelt sich den Rest des Leidens vom Sein und macht Quatsch mit unserer Hündin.

Es ist 07:32 Uhr.
Und mir ist plötzlich klar, warum wir Schlaf gegen Nahrung tauschen müssen.

Der Schmerz ist schlicht schlimmer.

von dem Wunsch ein Chamäleon zu sein

“Ich mag so gern ein Chamäleon sein. Dann säh ich immer gleich unter Gleichen aus und 133375_web_R_by_Elsa_pixelio.denichts an mir ist falsch, ungenügend, zu viel…”
– ”Aber…”, ich beuge mich herab, lasse sie mich spüren, “mein Herz, du wärst trotzdem noch immer ein Chamäleon.”

Sie tritt einen Schritt von der inneren Klippe zurück, lehnt sich enger an meinen Flügel.
”Aber ich könnte ein bisschen mehr so sein, wie sie mich wollen.”
– “Vielleicht, ja. Und dann wollen sie dich. Weil du dann aussiehst, wie das was sie sich vielleicht wünschen. Aber schau, du und wir alle tun schon fast immer, was sich die Menschen wünschen, weißt du?”

Sie schaut mich an, fährt mit den Fingern über die Linien meines Federkleides.
“Hm.. ein bisschen denke ich das manchmal, ja.”
– “Wir sind gut darin herauszufinden, was andere Menschen wollen und wenn wir das wissen, dann ist immer da, wer es am Besten geben kann. Nicht wahr?”

Ich fühle wie sie sich an meine Seite hockt, den Kopf auf den Knien, den Rücken an mich gedrückt.

“Ja, eigentlich sind wir schon immer wie ein Chamäleon, richtig?”
– “Ja. Ich finde schon.”

Da kommt er vorbei. Seine wilden Locken in alle Richtungen stehend, der Trotz trieft aus allen seinen Poren. “Er ist ziemlich breitschultrig”, denke ich schon wieder, als ich sehe, wieviele kleine Herzen er auf ihnen trägt.
”Ich find- N. hat Recht. Ist voll krass, wie wir uns immer voll alles rausreißen, damit uns welche draussen was so wie ne Audienz erlauben oder so halt- dass die uns helfen oder einfach nur nett zu uns sind und uns keine reinhaun. Das is so als wärs voll unsere Schuld alles. Dabei könn wir ja jawohl nich immer für alles Schuld sein, ne?”.

Er schaut mich an, wartet auf mein bestätigendes Nicken. Als ich es tue, nickt er bekräftigend und fährt fort: “Eigentlich, ne- die ganze Zeit haben wir uns so als ganze Eine… halt so als Einsmensch, immer voll verstückelt und warn voll nie ganz so wie man halt so ist. So ne- guck ma H. zum Beispiel- die is nich immer nur voll krass so mutig oder so. Die heult auch ma und so. Und wir? Voll krass ey- du kannst nich mal heuln, weil dus halt gar nich kannst. Das wurd irgendwann ma abgeschafft, weil das aussen einer nich wollte. HALLO?! Wie abartig is das bitte?! Das is doch irgendwie so krank wie Chihuahuahs zu züchten die in ne Teetasse passen, weils noch süßer is für so Tussis, die sich nich ma Mühe machen zu denken, wies dem Vieh dann geht, wenns so mini is!”

Er spuckt den Abgrund runter und schaut uns an.
”Ihr habt gesagt, dass die Seelenfrau weiß wie das is mit Viele-Leuten.”
Wir nicken stumm.
”Na also- vielleicht sagt sie ja auch einfach nich was sie von uns will, weil sie welche alle von uns ma wissen will? Vielleicht is sie ja sowas wie so ne komische Einfach- mal- drauf- zu- Seele oder so. Wenn sie gecheckt hat was Viele- Sein is, dann weiß die doch ehwieso, dass welche immer so machen was sie will. Aber wir gehn doch dahin damit wir machen was wir alle so wollen. Also naja- so mit erstmal merken was wir eigentlich wollen und so und dann bereden und dann eben auch machen. Wär doch voll Affenscheiß wenn wir dann immer nur machen was sie will.”

“Ja vielleicht! Du sagst vielleicht! Und aber was ist, wenn es nicht so ist?”

Über uns knallen die Ahnungsdonner und unter uns zittert der Boden. Wir verstummen.
Unter diesen Schreien, die aus den kleinen Herzen auf meinem Rücken kommen, kann man, selbst wenn man selbst zum Schrei würde, einander nicht mehr hören.

Die beiden krabbeln unter meine Flügel, während ich versuche eine schlimme Gegenwart, als sichere Gegenwart darzustellen und zwischen meine Federn zu bringen.

Vor den Horden die das Vielleicht noch ausschmücken und uns Beweise für ihr Wissen vorhalten wollen, gibt es leider keinen Schutz.
Noch nicht.

Die Erde über die sie stampfen ist bereits ausgedörrt und rissig.
Es ist lediglich eine Frage der Zeit, wann es zu Spalten kommt.

Die Sache mit der Integration

Weißt du  noch vor ein paar Jahren?

Da brannte unsere Welt, doch gewusst haben wir es nicht. Es waren Zeiten wie Wirbel.
Abgehackt, stockend, blubbernd. Mal hier etwas, mal da etwas. Doch nichts davon wirklich fest.
Keine Muster, keine Struktur.
Keine Sicherheiten.

Nie gab es “von Anfang bis Ende” – es gab nur “von Neuem”.

Dann kam der Gedanke. Es war nicht meiner. Doch er war da. Ganz klar und fest.
“Er wird mich beim nächsten Mal umbringen. Ich muss weg. Sachen zum Wechseln, etwas zu Essen, Geld. Rucksack. Hinter der Tür abstellen.”

Ein paar Monate später habe ich dich gespürt. Es war ein Wirbelmoment, doch er war anders. Ich dachte, sie wurde mich schlagen wollen, wie er es tat. Aber sie lächelte nur und streichelte meinen Arm und sagte, sie würde mir nichts tun.
Ich spürte dein Zittern, deinen angehaltenen Atem und den Impuls die Faust zu heben.
Dachte, ich hätte einen Teufel in meinem Körper wohnen.

Dann das Leben in den Heimen und Stationen. Der raue Ton, der lieblose Umgang, die ganze Kälte, die Drogen und doch aus allen Ecken und Winkeln diese Bedürftigkeit aller. Ich spürte dich, immer wenn ich Angst bekam, jemand würde seine Hand auf mich niedersausen lassen. Einmal habe ich dich an mir vorbeirasen sehen. Ich dachte, vielleicht seihst du doch kein Teufel, sondern ein Schutzgeist.

Ich schrieb dir Briefe in mein Tagebuch und deine Antworten erschienen mir logisch. Obwohl ich wusste, das Geister keine Dinge anfassen können.

Dann gab es diese Zeit in der die Welt nicht brannte und jemand sagte, dass du ein kein Geist bist, sondern ein Teil von mir. Ein 18 jähriger Anarchistenjunge in meinem 16 jährigen Mädchenkörper. Uff!
Ich war verwirrt und gleichzeitig aber dachte ich auch, dass es egal ist. Du warst mein Beschützergeist und das änderte sich nicht mit dem Wissen.
Ich konnte dich immer deutlicher wahrnehmen, manchmal konnte ich sogar schon ganz nah bei dir stehen, wenn du “vorsichtshalber mal da warst”. Einmal war sogar gar keine Gefahr und ich konnte dein Sein ganz deutlich an mir spüren.

Wir beide haben tapfer gekämpft, als es wieder um unser aller Leben und Zukunft ging. Doch war es in jener Zeit unmöglich einander weiter so nah zu sein. Du musstest mich ständig verlassen, um uns zu schützen, konntest gar nicht mehr zu unserem Ich-Du-Sein zurückkehren.
Doch wir siegten und konnten einander wieder die Hand reichen.

Ich lies sie nicht mehr los. 453633_web_R_K_by_Dieter Schütz_pixelio.de
Meine Haut wurde zu deiner Haut.
Meine Gedanken vermischten sich mit deinen Gedanken.
Unsere Wünsche und Erinnerungen gesellten sich nebeneinander und griffen ineinander.
Unsere Stimme wurde vom Duett zum Solo.
Niemand konnte uns mehr unterscheiden.
Sogar deine Männlichkeit wurde zum normalen Seelenton.
Es war, als wäre es nie anders gewesen.
Als wären wir schon immer Ich gewesen.

Eine M. vereint mit einem A. , der sich an einem Morgen sah und wusste, dass er nun eigentlich Ma. ist. Ein Ma. der nachwievor ein Schutzgeist ist, doch neben seinen Fäusten, auch den Kopf seiner inneren M.- Seite benutzen kann, ohne eine Amnesie zu erleben oder in Gefahr zu sein.

Nichts ging verloren.
Es ist nur verwachsen, was verwachsen konnte.

Aus zwei kleinen Spiegeln, wurde eine glatte Fläche.
Niemals haben wir das in der Therapie besprechen müssen. Es ist einfach passiert, weil wir die Möglichkeit hatten, einander in aller Ruhe und Sicherheit zu erspüren und zu erfassen.
Unsere Gemeinsamkeit zu zeugen.

Es ist einfach so passiert.
Die Sache mit der Integration.

ein paar Fragen an mich, als “multiple Persönlichkeit”

Es ist mir eine Freude etwas hier wiedergeben zu dürfen.
Dies ist ein (leicht bearbeiteter) Mitschnitt von einem Austausch mit einer Leserin dieses Blogs. Ich werde sie im Folgenden “Martha” nennen.

Es begann damit, dass wir den Sendungsausschnitt von Frau TV, in dem die multiple Frau Liza von sich erzählt, gemeinsam anschauten.
Für alle, die ihn noch nicht kennen: hier kann man ihn sich ansehen.

C. Rosenblatt: Ich finde den Begriff „Persönlichkeiten“ immer so irreführend … das werd ich irgendwie auch mal noch aufnehmen im Blog
Martha: Oh, ich würde gern wissen warum ?
C. Rosenblatt: Weil die Innens keine Persönlichkeiten an sich sind. Also bei keinem Multiplen. Also klar- jetzt halt die Frage „Was ist Persönlichkeit?“ Es ist ja so, dass jeder Mensch irgendwie Abneigungen, Vorlieben, Begabungen und seine „Macken“ hat-  sein Sein halt einfach
Martha: Ja.14519_web_R_by_danii_pixelio.de
C. Rosenblatt: Okay. Nehmen wir mal eine Discokugel. Wenn man sie sich genau anguckt besteht sie aus vielen Spiegeln. Das coole Glitzern kommt von den Lichtstrahlen, die jeweils einzeln reflektiert werden. Bei nicht multiplen Menschen könnte man sagen- da gibts keine kleinen einzelnen Spiegel, sondern so ineinander fließende Dellen, Beulen und Huckel- manchmal auch Risse. Wenn eine Lampe draufleuchtet, wird nicht die ganze Kugel jeweils zurückreflektieren, aber auch nicht nur ein minikleiner Teil davon
Martha: Ja.
C. Rosenblatt: Bei Multiplen ist es so, dass eine Lampe auf so eine aus vielen Spiegelteilen (die jeweils voneinander getrennt sind) leuchtet und nur diese reflektiert. Das heißt, es ist ein Anteil der Gesamtpersönlichkeit der dort wie autark aussieht- es aber nicht ist.
Martha: Wow. Gut erklärt. Schreib das. Das ist wirklich nachvollziehbar- ich mein das ernst
C. Rosenblatt: Okay wow
Martha: Ich bin ja nun eine dellige beulige Huckelkugel und ich versteh’s
C. Rosenblatt (ein in sich freudig hopsendes Innen spürend): ^^
Martha: Und es macht auch Sinn…weil bei mir an manchen Stellen def. große Risse sind. Da wo der böse Mann war. Ja. Nein du zuerst
C. Rosenblatt: Hm- ich wollte nur einwerfen: Ja und da, wo so ein Splitter ist, da so am Riss- da würdest du ja auch nicht von dir sagen, dass das eine andere Persönlichkeit ist. Da fehlen einfach so ganz viele Aspekte, an denen man gemeinhin „Persönlichkeit“ festmacht.

Das ist zum Beispiel auch ein Punkt, der die Therapie und die Kommunikation so schwer macht. Es ist schwer für Menschen ohne DIS die Flachheit seines Gegenübers zu erfassen. Also wenn ich etwas sage, dann meine ich auch nur genau das- ohne große Emotion oder Intension. Manche Menschen sagen mir aber trotzdem, nachdem ich ihnen etwas erklärt habe, dies sei eine tolle Begabung oder ich wäre ja so lieb, ihnen das zu sagen. Ich bin aber weder lieb, noch begabt. Ich gebe einfach eine Information weiter.
Dass mir eine Dimension fehlt im Erleben, ist mit so ein Knackpunkt an der DIS. Und deshalb mag ich auch den Blog so. Es ist ein flaches Medium- ich wirke „dicker- globaler“ als ich bin und komme so leichter in Kontakt.
Ich bin jetzt fertig 🙂

Martha: Ok, da würde ich gern einhaken hehehe
C. Rosenblatt: Okay
Martha:  Also: wenn zum Beispiel Leute dir sagen, du wärst so lieb ja…dann gibt /gab es ja eine Interaktion und das ist einmal die Dimension der Person, die dich als lieb interpretiert und deine.
Erstmal hat natürlich eine andere Person das Recht auf ihre jeweiligen Gefühle und Eindrücke…es kann also schlicht bedeuten…du warst lieb zu mir, das hat sich wohlig angefühlt, stimmig…dieses Gefühl gehört dann der Person…unabhängig davon, ob du diese Intention dabei hattest oder eben nicht, wie du sagst.
Dann bist da du. Du hast dieses Gefühl eben nicht in dem Moment, sondern warst schlicht ganz und gar Informationsträger und Weiterleiter…hab ich das soweit richtig verstanden ?
C. Rosenblatt: Ich habe diese Gefühle nie. Sie sind schlicht nicht in mir drin. Also das ist so… hm… wie eine kartographierte Discokugel- ich bin ein kleiner Spiegel der ganz weit weg und durch viele Barrieren von dem Bereich der Gefühle getrennt ist. Aber zum Beispiel ein anderes Innen „sitzt“ vielleicht direkt in mitten dieses Gefühlsbereichs und kann ausschließlich diese Gefühle reflektieren- aber nicht das wo ich draufsitze (Ratio) Dieses Innen kann (eigentlich fast ausschließlich) lieben und mögen- aber nicht sehen, ob das schlau ist
Martha: Ja. So habe ich das auch verstanden. Als Abgetrennt-Sein.

Stehst du dann mit dem jeweiligen Innen (um beim Beispiel zu bleiben hier mit jenem, das gerade liebt und mögt) im Kontakt oder kannst zumindest versuchen, Kontakt herzustellen und ist das von Fall zu Fall verschieden ?
C. Rosenblatt: In der Regel haben wir keinen Kontakt. Aber zum Beispiel werden die Aussenpersonen manchmal zu sowas wie einer dieser „Ums Eck“-Spiegel. Zum Beispiel in der Therapie die Therapeutin oder Gemögte im Alltag, die viel mit uns zu tun haben.Zum Beispiel hm.. ich erkläre gerade etwas und das Gegenüber sagt oder fragt oder macht etwas, das ein bisschen Licht über die ganzen Sperren bringt und das andere Innen auch anleuchtet. Dann nimmt die Aussenperson manchmal etwas wahr und meldet es mir zurück (z.B. Du weinst ja- bist du traurig?)
Ich kann dann versuchen nachzuvollziehen, was wohin geleuchtet hat und so dann sehen: Aha es kommt von Innen XY. Und manchmal ist es auch so, dass ich etwas merke- aber das Gegenüber nicht. Dann sage ich: Oh, ich merke, da kommt gerade ein Herzklopfen und ein Zittergefühl in den Muskeln (oder: Ich merke da ein Innen, “hinter mir”) und das Gegenüber kann mir helfen, indem es mir hilft einzuordnen was das ist (z.B. Angst) und mit mir reinleuchten, wo es her kommt
Martha: Verstehe.

Weißt du eigentlich wie viele Innens und bämms (sind das eigentlich auch Innens, spezielle Innens?) du hast ? Falls nicht, ist es wichtig rauszufinden wieviele es gibt?
C. Rosenblatt: Also die BÄÄÄMs sind Täterintrojekte und täterloyale Innens. Eigentlich sind sie Innens wie wir alle. Aber dadurch, dass sie so bedrohlich empfunden werden und (also die Introjekte) ganz genau den Tätern nachgebildet sind, bilden sie eine eigene Gruppe für sich. Wir sind heute nur  noch XYZ Innens (als “ganze Innens”), und hm, zu wissen wieviele es gibt, ist eigentlich (ganz streng genommen) irrelevant. Wichtig ist nur zu wissen, wer bzw. was alles da ist. Das ist zumindest unsere Erfahrung. Es gibt ja noch ganz viele Zwischenstufen auf dem Weg zu Heilung. Da werden aus einzelnen klar umrissenen Innens irgendwann einfach so „Huckel und Dellen“ und so. Wenn man dann immer so eine Zahl im Hinterkopf hat, stelle ich mir das kontraindiziert vor.  Es schürt eine Angst zu sterben oder zu verschwinden
Martha:  Ja, das ist nachvollziehbar.

Liza hat ja gesagt, sie händele all das wie eine innere WG. Hast du auch so ein Bild  oder passt das nicht für dich?
C. Rosenblatt: Das passt nicht für uns. Wir haben mal für die Therapeutin ein Bild gestaltet in dem wir den „Ecken“ innen so symbolisch gezeichnet haben. (Also die BÄÄÄMs wohnen zum Beispiel in einem furchteinflößendem Gebäude mit Wassergraben und hohen Mauern das dauernd brennt, der Schwan wohnt in einer besonders sicheren, warmen Umgebung, manche Prä-Teenie-Innenkinder in so einer Höhle… ) Wir sagen einfach immer „das Innen“ und benutzen Metaphern für die „Umgebung“/“die Gefühle“ um die jeweiligen Innens herum. Früher haben wir auch mal diese „Hausgemeinschafts-Metapher“ verwendet, doch sie passt nicht, weil manches einfach zu sehr auf der Metaebene ist. Da geht das Bild zu schnell dran kaputt.

Martha: Du sagst, ihr habt keinen Kontakt zueinander…wie kommuniziert ihr ? Geht das dann immer nur mit einer spiegelnden Außenperson ?
C. Rosenblatt: Nicht nur. Es ist am Effizientesten (da mehrere Ebenen „bedient“ werden), aber wir schreiben eigentlich ständig etwas auf, was gerade aufwallt oder irgendwie wichtig erscheint. (Zettelwirtschaft Aaaah!) Und so ist dann das Papier ein bisschen Außenspiegel. Und manche Innens haben auch so Kontakt- manchmal sind die nicht so stark von einander getrennt oder- so wie der Schwan ein Innen ist, das „auf der Spitze sitzt“ und über viele Trennungen hinweg schauen kann und so Kontakt machen kann.
Martha:  Ja, Zettel hatte ich irgendwie auch im Kopf…alles aufschreiben…macht Sinn.
C. Rosenblatt: Das ist ein bisschen immer so wie bei Rasenlatscherei- je öfter man über die Grenzen hinweg geht, desto weniger Grün wächst dazwischen und desto mehr Austausch geht dann. Das ist dann eben so etwas Gedanken-impulsiges.

Diese Sache mit dem “alles aufschreiben” Das wird meiner Meinung nach, auch oft vernachlässigt in Büchern. Also das wird zum Beispiel in „Aufschrei“ von Truddi Chase erwähnt- zu Anfang- aber dann nie wieder. Wir hatten früher extrem viele Listen und wehe eine war weg- Hölle!
Inzwischen gibt es nur noch ein-zwei- wenn es uns schlecht geht , vielleicht drei, die so nebeneinander her laufen und aber alle nicht mehr stark voneinander abweichen. Aber wir brauchen sie nachwievor wie die Fische zum Leben. Sonst gibt es Chaos.

Martha: Gibt es das längerfristige Ziel die Innens langsam zu Huckeln und Dellen zu machen, oder ist es so, wie es jetzt ist schon gut lebbar? Wenn meine Freundin zum Beispiel sagt, dass sie durch ein Außen (SPIEGEL) drauf gebracht wurde, dass ein BÄMM besonders dominant auftritt gerade…welche Möglichkeiten hat sie jetzt?
C.  Rosenblatt: Also wir haben dieses Ziel definitiv. Unser „System“ war mal fast doppelt so groß wie jetzt- du kannst dir nicht vorstellen wie verstümmelt man existiert. Bzw. wie krass einem die Verstümmelung bewusst wird, je näher man aneinanderrückt. Wir empfinden es als sehr bereichernd- wenn auch beängstigend diese Trennungen weg zu haben. Aber nicht alle Multiple haben das als Ziel.
Manche wollen und brauchen- gerade wenn sie noch Gewalt ausgesetzt sind, oder eine Familie versorgen müssen oder einen Beruf haben der extrem belastend ist (Arzt, Pädagoge,Lehrer…) auch unbedingt noch diese Trennung. Bei denen gibt es den Wunsch nach einem Funktionsmodus und einem Ende der akuten PTBS (die meistens irgendwie am Anfang der Diagnose steht) und wollen dann einfach „funktionieren“ ohne zu leiden. Das ist zumindest etwas, das ich so mitbekommen habe. Ob das ein Zustand ist, der lange hält weiß ich natürlich nicht.

Die Frage mit den Möglichkeiten nach dem dominanten Auftreten des BÄÄÄMs habe ich jetzt nicht so ganz erfasst, glaube ich. Kannst du die Frage bitte anders formulieren?
Martha: Das bezog sich jetzt explizit auf die Situation meiner Freundin…dass da ein Anteil aufgetaucht ist, der an ein Familienmitglied erinnert (also ein BÄÄÄM)…dieser ist nur in ihr Bewusstsein gelangt, weil eine außenstehende Person sie darauf angesprochen hat. Sie hatte vor allem eins: Erinnerungslücken…ihr hat das große Angst gemacht als sie darauf aufmerksam gemacht wurde…welche Möglichkeiten hat sie jetzt aus deiner Sicht damit einen konstruktiven Umgang zu finden ?215236_web_R_K_B_by_S. Hofschlaeger_pixelio.de
C. Rosenblatt: Also jemand schrieb ja neulich schon, ein bisschen „ran zutasten“. Also zu schauen, was genau dieses Innen- oder auch BÄÄÄM das kann ja nur deine Freundin wissen, wo sie dieses Innen einsortieren würde (- nach der Reaktion darauf, denke ich aber, dass es sich um ein Täterintrojekt und damit also ein „BÄÄÄM“ handelt), anleuchten zu lassen oder selbst anzuleuchten.
Nun weiß ich aber nicht wie weit sie schon ist. So wie das klingt, wusste sie noch nichts von diesem Innen und muss sich jetzt erstmal ganz viel darüber erschrecken und schlimm fühlen. Und dann akzeptieren dass es da ist, dann rausfinden, warum es gerade in dieser Situation auftauchte… und bei all dem werden sie und ihre Innens die Mauer dazwischen etwas niedergetreten und können dann einen Umgang mit diesem Innen absprechen. Und wenn das alles respektvoll und im richtigen Maß abläuft, wird das auch klappen.
Jedes Innen, das auftaucht kommt, weil es gebraucht wird. Weil seine Präsenz bzw. die an es gebundenen Handlungsmuster wichtig und sinnig zum Erhalt des Schutzes ist.
Martha: Ja. Das kenne ich ja auch. Das ist grundsätzlich etwas, was alle Menschen entwickeln die von Traumata betroffen sind. Muster. Automatismen. Persönlichkeitsanteile, die die Regie übernehmen. Gewünscht ist eine Kompensation, die das Erleben aushaltbar macht. Die in diesen Moment(en) Sinn mach(t)e und später, wenn die akute Not vorüber ist hinderlich/einschränkend/u.Ä. ist auf irgendeine Art, wenn auch erstmal oft unbewusst weil verdrängt. Ich fand zudem auch einen wichtigen Aspekt in dem Beitrag über Liza, dass all das nur eine gesunde Reaktion darstellt die das Überleben sichert..auf das eigentlich Kranke, das der/die Täter verübt/en…

Hast du manchmal Angst, dass du auch übergriffig sein könntest, irgendwann irgendwo bei irgendwem ? Ich habe diese Angst manchmal…
C. Rosenblatt: Ja.
Obwohl ich inzwischen ziemlich genau spüre, dass es nicht dazu kommen wird, weil es in uns als Gesamtperson (so wie ich sie gerade erahne oder besser gesagt so durch die Rückmeldungen von Außen zusammenstückle) weder eine Neigung zu Sadismus noch zu einer allgemeinen Befriedigung durch Macht über andere Menschen (oder auch Tiere) gibt. Selbst die Täterintrojekte und jene die angeblich bereitwillig anderen Menschen geschadet haben, taten dies, weil sie es mussten- nicht von sich aus.
Das ist zum Beispiel etwas in dem Aspekt der Dimensionalität wichtig ist. Es kann sein, dass ein BÄÄÄM zum Beispiel in einer Situation in dem es von Außen erneut gezwungen wird (oder sich gezwungen fühlt und es keine andere Möglichkeit für das Gesamtsystem gibt, anders zu handeln) etwas zu tun, ganz genauso handelt wie früher und übergriffig wird. Aber sobald auch nur ein einziger Aspekt  deutlich anders ist als früher (und dieses BÄÄÄM in der Lage ist sich zu orientieren in der Zeit), wird es nicht zu dieser Handlung kommen. Das Muster bezieht sich in der Regel auf genau eine bestimmte Art Emotion(s-Befindlichkeitenmischung), Aussensituation und/oder Anspruch von Außen und wird dann quasi abgespult. Fehlt etwas davon oder ist einfach anders eingefärbt, kommt es zwar zu einem „Triggergefühl“ der ordentlich Schlimmes mit sich bringt, aber switcht dann eher zu einem Innen das mit einer Situationsumgebung wie der sich bietenden assoziiert ist.
Also als Beispiel, mussten wir mal im Biounterricht ein Tier sezieren. An sich ist das etwas, dass jemand schon mal machen musste. Dieses Innen stand auch extrem nah „vorn“ kam aber nicht heraus, weil die Grundsituation (Schule, anderes Sozialgefüge, anderes Grundgefühl, Zwang- aber doch Handlungsalternative…) eine andere war. Das Ergebnis war ein „Ahnungsdonner“ für die Person die gerade in der Schule stand und es gab einen Switch zu einem anderen Innen, das weiter entfernt von sowohl dem „Schul- Innen“ als auch dem „Sezier-kundigen- Innen“ war und weder Gespür für die beiden Innens noch Erinnerung an irgendwas von dem hatte, was gewesen ist,
So in etwa verlaufen inzwischen fast alle Situationen die uns in eine real bedrohliche Situation führen könnten. Es ist noch nie passiert, dass ein BÄÄÄM jemanden tatsächlich aus Spaß oder aus eigenem Antrieb verletzte, wie die Täter früher.
Was nicht heißt, dass es keine aggressiven Innens gibt, die sich auch körperlich wehren bzw. verteidigen- aber da stehen andere Sachen hinter.

Hier endet der Teil des Austauschs, den wir gern mit unseren LeserInnen und BesucherInnen teilen. Vielleicht war die eine oder andere Frage ja auch für meine anderen nicht selbst von DIS betroffenen LeserInnen interessant.

Wie immer wird hier kein Anspruch auf Ausschließlichkeit und das Zutreffen der dargestellten Abläufe und Gegebenheiten bei allen Menschen mit DIS erhoben.
Ich weise außerdem darauf hin, dass es sich hier um einen Mitschnitt unter Betroffenen handelt- nicht um einen Austausch unter professionell mit dem Thema arbeitenden Menschen.
Weiterhin geht es hier nicht um die subjektive Wahrnehmung meines Innenlebens sondern um eine annähernde Darstellung der Struktur des Selbigen.

Waldgespräch

Es ist ein seltsames Gespann.

Ein Hund, der wie ein Reh durch die flirrenden Schneeflocken springt, rennt, hopst, mit Zweigen kämpft und zwei Gestalten, die nebeneinander her laufen. Die eine hat den Blick auf den Boden- die andere hält ihre Begleitung in der Sichtperipherie.

“Es ist komisch.”
– “Ich weiß”
”Wieso sehen sie das, aber nicht alle anderen auch?”
– “Ich weiß nicht mein Herz”
Sie steckt sich die Fingerkuppe in den Mund, fängt an die Nagelhaut herunterzureißen.
– “Nimm lieber etwas Schnee in die Hand oder in den Mund. Vielleicht will NakNak* auch was spielen.”
”Ach Affenscheiße”
Sie tritt in die vereiste Fahrrinne eines Waldarbeiterwagens. Wischt sich Tränen von den Wangen.
”Ich weiß immer noch nicht, wie man das nennt, wenn man sich vor welche stellen will und denen sagen will: Guck was du mir angetan hast!”
– “Ist dir das so wichtig? Willst du das wirklich mal machen?”
”Ja! Die sollen sehen, dass sie mich und- ja ach fuck ey- uns alle richtig verletzt haben”
– “Du weißt, dass wir das niemals machen werden, oder? Und selbst wenn doch- sie werden sich nicht bei uns dafür entschuldigen, dass sie ihre Arbeit gemacht haben.”

Sie hebt die Schultern, wirft NakNak* einen Blick zu. Runzelt die Stirn, pustet ein paar Flocken vom Schal. “Vielleicht will ich gar nicht, dass sie sich entschuldigen. Sie sollen nur nicht mehr so tun, als wärs nur mein Problem. So nach dem Motto: Alle anderen haben damit nich so Probleme- du bist die Einzige die hier schon wieder rumspinnt. Die sollen sich schämen.”
– “Haben sie dir das gesagt? Dass du rumspinnst?”

Sie wendet sich ab, sucht den Weg zu unserem Waldplatz für Zeiten wie diese.Höhle Sie schweigen, lassen ihre Tränen die Wangen abkühlen.

“Ich hab nicht gesponnen, richtig? Wenn etwas schlimm ist, dann ist es schlimm, nicht wahr? Egal, wie es andere nennen oder wie sie das empfinden, ne?”
– “Ja, es war schlimm für dich, also war es schlimm.”

Sie sitzen dort und reichen einander die Hand.

Im Schutz einer kleinen Höhle zu ihren Füßen drängen sich andere Herzen aneinander. Die beiden haben sie noch gar nicht bemerkt, obwohl es doch deren Schmerz ist, über den sie weinen.