Intrusion, Konstriktion und Skills

Im letzten Blogartikel stehen zwei große Fremdwörter drin, die nicht jedem Menschen direkt sagen, was sie bedeuten: Intrusion und Konstriktion.
Damit mein Blog seinem Türöffnerauftrag nachkommt, versuche ich sie nachfolgend zu erklären.
Hierzu ein kurzer Überblick in klinischer Symptombeschreibung zur Posttraumatischen Belastungsstörung (kurz PTBS)

Es wird eingeteilt in 3 große Kategorien:
1) Überregung
Der Betroffene befindet sich in einer Art innerer Alarmbereitschaft. Das vegetative Nervensystem ist auf „Überleben“ eingestellt und ermöglicht durch vermehrte Produktion von Botenstoffen und auch Hormonen, erhöhter Muskeldurchblutung etc. die Fähigkeit dazu. Die Folgen sind unter Anderem (auch, wenn das Trauma längst vorbei ist) eine enorm sensible Wahrnehmung seiner Umgebung (Hyperviglianz), Schreckhaftigkeit, Reizbarkeit, Herzrasen.
Im direkten Traumakontext kann Übererregung solche Episoden wie „der Mann, der vom Ort seines Autounfalls mit offenem Beinbruch die Straße überquert und in den Wald läuft“, bedeuten. Oder auch „die Frau, die mit übermenschlichen Kräften, den Stahlträger anhebt, um ihr Kind darunter hervor zu holen“.
In diesem Zustand kognitive Aufnahmefähigkeiten herabgesetzt. Es ist kein Lernen (auch kein Umlernen!) möglich.

2) Intrusion
Unter Intrusionen versteht man sich ungewollt aufdrängende Erinnerungen, die sich anfühlen, als würden sie  ganz real und genau gleich wieder geschehen. Es gibt die gleiche Haptik, optische Wahrnehmung der Umgebung, genau die gleichen Gefühle (etwa Todesangst, Ohnmacht, Wut etc.). Dies wird kurz mit „Flashback“ benannt. Eine Orientierung in der Gegenwart, sowie den aktuellen Lebensumständen ist in dem Zustand nicht vorhanden, was oftmals die Diagnose der „psychotischen Episoden“ begründet, wenn keine Traumavorgeschichte bekannt ist (oder geglaubt/ anerkannt wird *räusper)

3) Konstriktion
Ist ein anderes Wort für „Vermeidungstanz“ bzw. Vermeidungsverhalten oder Vermeidungsreaktion. Dazu zählt auch die Dissoziation in Form von Derealisation („das hier ist ein Film- nicht echt“) und Depersonalisation („out-of-body-experience“, Schmerzunempfindlichkeit). Aber auch manche eine Zwangsstörung oder Esstörung und sonstige Suchterkrankungen können in diesem Zustand begründet sein.

Ist das Trauma länger her (und unverarbeitet) können traumaassoziierte Trigger (Gegenstände, Geräusche, Gerüche, aber auch Gefühlszustände, die als Katalysator von Erinnerungsprozessen wirken) diese Zustände auslösen. 

In dem Blogartikel kann man das Gleiten in diesen Zustand ganz gut wahrnehmen: „Ich stehe am immer offenen Fenster und starre ins Nichts. Ich merke, dass ich rauche und doch ist es der Anblick meiner Tränen, die auf die Fensterbank fallen, der mich fesselt.“- Innere Leere erzeugt eine Art Unfähigkeit das Haus, auf das ich sonst immer schaue, wenn ich aus dem Fenster gucke, zu sehen. Wenn ich anfange zu dissoziieren- sehe ich dort kein Haus mehr, sondern tatsächlich ein Nichts.
Wenn ich mich noch nicht ganz „wegdissoziiere“, nehme ich noch Teile meines Verhaltens oder auch meiner Umgebung war. Wenn auch unglaublich schwammig und so als würde entweder nicht ich so agieren, oder so, als sei ich nicht wirklich in meinem Körper (etwa um das Fell meines Hundes zu fühlen).

Ich deutete auch an, dass ich dies jederzeit beenden könnte.
Das ist ein Therapiefortschritt. Ich kann mich inzwischen einigermaßen sicher aus diesen Zuständen herausarbeiten.
Ich versuche nun zu beschreiben wie ich das mache.
Zu Beginn merkte ich ein allgemeines Gefühl von Ohnmacht. Ich bin gerade in verschiedene Konflikte involviert, die ich noch nicht lösen kann. Es ist mehr oder weniger typisch für mich, wütend zu sein und auf Stasis im Miteinander mit Gefühlen von Ohnmacht konfrontiert zu sein. Dieses Gefühl triggert traumaassoziierte Erinnerungen an, die ich nicht auf ein mir klares Ereignis zurückführen kann. (Also ich merke: Yeay- da hängt was dran- weiß aber nicht, was genau.)

Ich versuche also mich in andere Zustände zu bringen. 460648_web_R_B_by_Oliver Haja_pixelio.deDafür eignet sich für mich unsere Skill-Liste (auch als „Notfallkoffer“ bekannt). Darauf stehen Dinge wie: mit dem Hund spielen, spazieren gehen, mit Gemögten telefonieren, Computerspiele spielen, Icepak auflegen, diverse Übungen bei denen Muskelgruppen gezielt an- und entspannt werden, das Schreiben im Blog, etwas kochen, etwas bauen, malen, Telefonbücher zerreißen, Altglas in den Container werfen, duschen gehen, Papiere sortieren, handarbeiten.
Es geht dabei nicht um die stumpfe Ausführung dieser Tätigkeiten- nicht um Ablenkung, sondern ums Wachwerden- wieder ganz da sein- wieder in einen normalen Erregungszustand kommen.

Ich habe diese Skills lange „falsch“ angewendet, weil ich es als hilfreich empfand eine Liste abzuarbeiten. Aber das war der -ich sag mal- „positive Fehler“. So komme ich zwar in einen funktionalen Zustand, doch bin noch lange nicht klar in der Gegenwart verankert. In diesem Zustand „bin ich meine Tätigkeit“- nicht: „Ich bin mit einem Alter, in meiner Wohnung, im Jahr 2013 hier und mache Tätigkeit XY.“

Letzteres ist aber das Ziel.
Also begleite ich diese Tätigkeiten mit einer Art rationalem Mantra:
So, ich werde jetzt den Laptop anmachen- Ach guck das Bild von NakNak*- mein Passwort gebe ich ein, indem diese, diese, diese … Taste drücke, mein Desktopbild ist ein Schwan mit kleinen plüschigen Küken auf dem Rücken- Ach ja, diese innere Kraftquelle habe ich- kann ich sie spüren?- Ja, da ist sie- sie gibt mir ein Gefühl nicht verlassen zu sein- Ich öffne das Programm mit einem Klick auf dieses Symbol. Ich schreibe und verwende dieses und jenes Wort dafür. Ich stehe auf und gehe an den Kühlschrank, öffne die Tür indem ich sie anfasse und leicht ziehe. Trinke jetzt einen Schluck kalten Saft- er schmeckt nach … ist kalt und säuerlich. „Wie wird Saft eigentlich hergestellt? Was bedeutet „Konzentrat“? Uh ja Konzentration- ein gutes Ding zum Herausfinden!“. Ich schließe die Safttüte indem ich sie festhalte und den Deckel draufschraube, stelle sie in die Seitentür des Kühlschranks und schließe ihn, indem ich sie leicht andrücke. Ich mache einen Schritt- versuche mal einen Schritt auf Zehenspitzen, schicke meinen Blogartikel jetzt ins Internet. Coole Sache, dieses Internet. Wie fühle ich mich gerade? Immer noch etwas diffus- Zeitcheck mit einem Klick auf die Weltuhr. Datum stimmt mit meinem Gefühl überein- immerhin. Also jetzt- wie kommt es zu Saftkonzentraten…

So habe ich die Nacht bis etwa halb 5 Uhr morgens verbracht, bis ich wieder „klar war“ und schlafen gehen konnte. Konstriktion und Orientierung in Zeit und Raum.

Ich konnte ein als real und direkt empfundenes Wiedererleben eines Traumas verhindern und mich in ein mittleres Erregungslevel bringen.
Etwa 5 Jahre habe ich gebraucht, um den Trigger als solchen wahrzunehmen und ungefähr 3 Jahre, bis ich dieses Verhalten in solchen Situationen etablieren konnte. Dabei half mir ein Protokoll, das ich erst zusammen mit meinen Gemögten geführt habe, weil ich zu stark dissoziiert habe, um Ursache und Wirkung zu abstrahieren und dann später allein führte. Es beinhaltet die Punkte: Welches Ereignis/ Gefühl oder welche Aktivität war vor dem Flashback? Was half diesen Zustand zu beenden?

Meine Erfolgsquote der Orientierung steigt, je sicherer mein soziales Netz und meine ökomonischen Ressourcen ist. Habe ich an allen Ecken und Enden Konflikte, Existenzängste und ein (selbst-) unsicheres Grundgefühl, sinkt sie.
Es hilft mir nicht zu wissen, dass es mir helfen würde Altglas in den Container zu schmeißen, wenn ich kein Geld für Produkte im Glas habe. Genauso wenig, wie es mir hilft zu wissen, dass es mir helfen würde mit Gemögten zu telefonieren, wenn ich keine habe.

Will heißen: Skills sind nicht alles, um mit den Symptomen einer PTBS zurecht zu kommen. Es braucht Kenntnis über die Trigger und die gesicherten Möglichkeiten sie anwenden zu können- und zwar immer- egal zu welchem Zeitpunkt.

Buchbesprechung: „Der Feind im Innern- Psychotherapie mit Täterintrojekten“ von Michaela Huber

„Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt?“, fragt die deutsche 9783873875838
Diplompsychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin für Traumatherapie Michaela Huber in ihrem Ende April 2013 im Junfermann Verlag erschienen Buch „Der Feind im Innern- Psychotherapie mit Täterintrojekten“.

Zwischen diesen Buchdeckeln finden Opfer, TäterInnen und HelferInnen einen Platz, was in dieser Form einmalig ist. Die Autorin schafft es, mit zahlreichen Interviews, einer ausführlichen Falldarstellung sowie ihren Erfahrungen professioneller, aber auch persönlicher Natur, den Einfluss früherer (Bindungs -)Traumatisierungen als gewichtiges Element im Kreislauf der zwischenmenschlichen Gewalt im Großen wie im Kleinen klar darzustellen.

So wird zum Beispiel im Kapitel „Krieg im Alltag – und was wir tun sollten“ anhand der Wirtschaftsbörse dargestellt, welches Maß an gewaltätigem Potenzial den darin arbeitenden Menschen abverlangt wird, um überhaupt erfolgreich zu sein. Eine Skizzierung der Weitergabe von Traumatisierungen und der Wirkung kompensierender Verhaltensmuster sowie der Veränderung selbiger finden sich im Kapitel „Kleine Studie in Bösartigkeit – und ihrer Verwandlung“ und auch „Cherchez la Femme – Frauen transportieren die Gewalt weiter“.

Um die Darstellung von Ursache, Wirkung und Folgen von Gewalt geht es in weiteren Kapiteln mit jeweils unterschiedlichem Schwerpunkt. So finden sich Erkenntnisse der Neurobiologie und Psychologie, ohne jedoch „eingleisig“ zu erscheinen. Immer wieder wird auf andere Zusatzfaktoren hingewiesen. Zum Beispiel die unzureichende Finanzierung und den grundsätzlichen Mangel von ausreichend (intensiven) therapeutischen Angeboten im Interview mit Karl Heinz Brisch (Traumaforscher und Kindertherapeut sowie leitender Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital München), welches den treffenden Titel „Es gibt keine kindlichen Psychopathen – aber bindungsgeschädigte Kinder!“ trägt, sowie immer wieder in vielen anderen Kapiteln.

Der wiederkehrenden Forderung „alle Täter raus – alle wegsperren – die sind alle krank“ begegnen sowohl Michaela Huber als auch die von ihr interviewten Kollegen Marianne Wick (deliktorientiert arbeitende forensische Psychotherapeutin in der Schweiz) und Frank Urbaniok (Chefarzt der größten forensischen Institution Schweiz sowie Professor in den Universitäten von Zürich, Bern und Konstanz) mit Einblicken in ihre Beobachtungen und Erfolge ihrer Arbeit mit Straftätern, als auch mit der Beleuchtung der Steuerungsfähigkeit von Menschen und des Schuldprinzips in Bezug auf die Prävention von Gewalt(wiederholung).

Über psychotherapeutische Methoden und Heilungs- bzw. Veränderungswege gewähren das Fallbeispiel der „Frau K.“, zu welchem auch Renate Stachetzki (leitende Psychologin und Kunsttherapeutin im Plankrankenhaus des PTZ Kitzbergklinik in Bad Mergentheim) interviewt wurde, als auch der Austausch mit der sog. „Innenperson“ Sandra in einer Klientin mit dissoziativer Identität und dem selbst zum Straftäter gewordenen „Herrn L.“ sehr gute und durch ihre Vielschichtigkeit wertvolle Einblicke.

Zahlreiche Studien sowie Literaturverweise im Anhang ermöglichen zudem jederzeit ein „Abbiegen“ in einen weiteren Teilbereich des Themenkomplexes um die Frage, wie man Ohnmacht und Gewalt beenden kann.
Die alltagsnahe Sprache sowie die klare Textstrukturierung ermöglichen eine leichte Annäherung an das Thema und werden seiner Komplexität und Tiefe dennoch gerecht.
So wird ein breiter Zugang zum Themenkomplex auch für Menschen ohne viele Vorkenntnisse ermöglicht.

Es ist ein Werk, das sowohl Fachwissen verschiedener Professionen als auch Mut zur Begegnung und Veränderung vermittelt.
Das Buch enthält auch einen Appell an die Politik sowie den, an die Courage des lesenden Menschen. Es ist Literatur, die allgemein mutig macht, weil sie sowohl Menschen, die an der Veränderung eigener Gewaltmuster und dem Kontakt mit den eigenen „inneren Oppositionellen“ oder auch Täterintrojekten arbeiten (wollen), als auch PsychotherapeutInnen und den Verbündeten in anderer Funktion, eine Positionierung durch Verständnis ermöglicht, ohne auf die verbreitete „Gut -Böse“-Dualität allein zurückgreifen zu müssen.
Eine Positionierung zu finden, bedeutet „Boden unter den Füßen“ zu haben. Einen Boden, der einen selbst trägt. Einen Boden, auf den man auch aufstampfen kann. Eine Grundlage, auf der man aktiv für eine Veränderung eintreten kann.

Das alles macht den Titel „Der Feind im Innern – Psychotherapie mit Täterintrojekten“ zu einem wertvollen Stück Fachliteratur, aber auch Wegweiser im großen Rhizom der Frage: „Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt?“

Ich persönlich bin froh und dankbar es gelesen haben zu dürfen.
Einfach schon, weil ich im Anschluss an die Lektüre ein Gefühl von Boden unter den Füßen und klarer Stärkung meiner Veränderungsimpulse feststellen durfte. Etwas, das mir für meine eigene Psychotherapie weiterhelfen wird.

 

 

Kurzsteckbrief zum Buch:
Michaela Huber
„Der Feind im Innern- Psychotherapie mit Täterintrojekten“
Erschienen am: 23.04.2013
Seitenanzahl: 368 Seiten
Umschlag: Kartoniert
Format: 17.0 x 24.0 cm
ISBN: 978-3-87387-583-8
Preis: 36,90€
Bestellmöglichkeit: Junfermann Verlag

F.

F. war 5, als sie sich das erste Mal die Nase am Aquarium des mit uns verbündeten Menschen, die Nase platt drückte.
Auf die Frage wer sie denn sei, schwieg sie beharrlich, hatte sie doch eine Mission. „Achtung, jetzt kommt was- Augen und Ohren auf, mach dich ganz weit, damit alle hinter dir in Sicherheit sind.“

„Wenn ich groß bin, werd ich Ichtikologin. Das sind Leute, die sich mit Fischen auskennen. Hast du das gewusst?“. Elegant sind ihre Aufforderungen zum Vermeidungstanz bis heute.

Sie kauften ein zweites Aquarium zusammen. Einen „Fischekäfig“.
F. durfte mit aussuchen. Sie wurde gefragt, welche Fische sie schön fand und sie wurden dann auch gekauft.

In der Schreibtischschublade bei uns zu Hause, wuchs der Stapel von Bildern, auf denen zu sehen war, was sie alles auf einmal durfte. Katzen streicheln, Fische aussuchen, Blumen pflücken, Süßigkeiten essen, albern sein, etwas über „Prokojoten und Eukanidoten“ (Prokaryoten und Eukaryoten) erfahren, Spongebob gucken, eine Verbündete haben, Sachen fragen und erklärt bekommen…

Und dann, nach vielen solcher Momente, wurde sie zur Helferin für unsere Verbündeten.
„Sag mal F. kennst du das Innen, das…? Weißt du was es will? Was kann man da machen?“.
F. wusste es nicht immer, aber oft schon. 184426_web_R_K_B_by_Verena N._pixelio.de

Sie richteten unsere Guppyfarm ein. Wenn der Mensch mal keine Zeit für sie hatte, saß sie davor und fing an, den Fischen von ihm zu erzählen, während im Innen die Ohren aufgingen und lauschten.

F. ist gewachsen.
Jeder Moment mit diesem Menschen, der sie so ernstnahm und achtete, brachte sie mit weniger klar umrissenen Innens zusammen. Sie erwarb Kompetenzen wie Geduld, die Möglichkeit sich klarer auszudrücken und die Fähigkeit Gefühle, die ihr vorher fern lagen, wahrzunehmen.

Nach ein paar Jahren, stand sie dann da und sagte, dass sie jetzt „zweistellig ist“. Sie fühle sich älter und würde keine Babywörter mehr sagen. „Das ist kein Fischkäfig!“- sie atmete ein und sagte, als würde sie mit einem Menschen sprechen, der es nicht wüsste: „Das ist ein A-qua-ri-um! Ich bin nicht mehr klein. Du kannst jetzt ruhig mit Erwachsenenwörtern reden.“.
Es wurde gewürdigt. Das Wort blieb trotzdem. „Weils so niedlich ist.“

Wir haben von F. und über F. viel über uns selbst erfahren.
Ihre Aufgabe ist wichtig- auch wenn ihre Anwesenheit einen Hintergrund hat, den wir bis heute nicht kennen und ihr Auftauchen oft nicht an äußeren Umständen festmachen können. Sie hat einen Blick auf die Welt und ihre Menschen, der uns Alltagsinnens komplett fern und doch etwas ist, dass uns schon manches Mal geholfen hat, wenn er uns reflektiert wurde.

Sie ist ein Innenkind. Kindlich- doch das schon sehr lange. Sie versteht nicht immer alles gleich, aber sie kennt keine Scham wenn es darum geht, Dinge herauszufinden oder die Vermittlung dessen einzufordern. Sie mag Tiere und weiß, wie man mit ihnen umgehen muss. Ihr Blick dafür ist messerscharf und gleichsam intuitiv.

Sie wartet nicht darauf, dass sie jemand schützt. Sie wartet darauf, dass das Gegenüber merkt, dass es das bereits durch sein Sein tut.

Und doch.
Wenn sie im Körper war, habe ich blaugraulila Fingerspitzen und kalte Füße. Fühle in mir einen schrecklichen Gefühlsnachhall und Blitze in der rechten Sichtperiphere, während ich auf dem linken Auge lange nur sehr unscharf sehe.
Ihre innere Weite kommt mir manchmal vor, wie die liebenswerte Verpackung einer Bombe. Dann bin manchmal froh, dass sie für manche Menschen auf immer „die Kleine mit dem Fischekäfig“ sein wird und nicht die Stallhüterin der inneren Apokalypsenreiter, der sie auch ist.

Wir lernen an ihr, dass Innenkinder mehr sind, als der Einsmensch „C. Rosenblatt“ als Kind; oder als eine Ansammlung von Bewältigungsstrategien für die Gewalt in unserem Leben, die irgendwann abgepalten wurden, ohne sich weiter zu entwickeln. Sie ist ein Teil von uns, der sich doch bis heute nie ganz gezeigt hat, obwohl er, wenn er da ist, unübersehbar ist.

Das breite Lächeln und der leicht federnde Vermeidungstanz, ist dann doch immer wieder das, was überwiegt.
Bis sie sich vielleicht doch irgendwann mal eine Pause erlauben kann.

er- tragen aus- halten

Ist schon mal jemandem aufgefallen, wie wir das Wort „Aushalten“ verwenden?
Es klingt oft so erzwungen aktiv.
„Du musst das jetzt aushalten“
mit einem
„Tut mir auch leid, aber…“

Aushalten. Wach zu sein und genau zu spüren, dass jede Faser im Körper einfach nur noch nach Ruhe und Regeneration bettelt, während die Stimme und der Geist völlig klar, Wort an Wort reihen.

Aushalten da zu sein und ES in sich arbeiten zu fühlen.

Da sind zwei Sätze aus der Therapiestunde. Der Eine öffnet eine Tür ins Geisterreich der Vergangenheit und der andere trifft einen Punkt, der doch so dringend wiederlegt gesehen gebraucht wurde.
Man sprach über ES und einen Teil ES, über nicht ES und doch ES und weiß, dass man es aushalten musste.

Konnte, sollte, gar keine andere Wahl hatte. Es einfach so hielt. Irgendwas hat da gehalten. Hat gemacht, dass das Aushalten irgendwie durch- mit- überlebt werden konnte. Und doch war es nicht aktiv. Es war einfach. Es war einfach so da, das Aushalten.

Etwas, vielleicht sein Sein, sein Leben, in sich zu halten und dieses, so wie es dort in diesem Umständen war, zu ertragen.
Wieso sprechen wir nicht von einem „Ertragen“? Es war doch ein Ertragen, man trug doch so schwer an etwas, wurde doch mit etwas beladen, dass man zu tragen hatte. Etwas zu tragen ist aktiv. Da ist Bewegung für alle sichtbar drin. Wenn man etwas hält, dann ist es eine Aktivität, die so in einem selbst drin ist- nur in sich und dem was angestrengt wird, um die Kraft zur Haltung aufzubringen.

Etwas zu tragen, impliziert ein von A nach B bringen für uns.
Und das ist doch passiert. Damals wie heute wurde ES durch die Zeit und unser Leben getragen. Es war immer da und jetzt wurde es betrachtet. Wieso nur, fühle ich mich jetzt so schwach, dass aus dem Tragen ein Halten wurde?

Ist es wirklich nur diese einfach unglaublich krasse Müdigkeit des Schlafentzugs? Das Fieber, das seit der Stunde im Körper tobt? Der Kreislauf, der von der Zigarettenkette, die durch meine Lunge gezogen wird, eingekreist wird? Das Bewusstsein um ES, die Bilder vor den Augen die immer wieder neu weggedrückt werden müssen?

Oder ist nicht vielleicht doch, das aufkeimende Wissen darum, dass man ES, obwohl es nun durch Worte geformt- zu einem ES mit Form wurde, weiterhin zu tragen hat und nicht sieht, wo man endlich einfach von sich fallen lassen kann?

Vielleicht, weil man denkt, dass irgendwo in diesem ES genau das drin ist, was überhaupt erst die Möglichkeit zum Aushalten gebar?

Täter- Angst!- Kontakte Teil 3

Und dann ist da die Angst.

Angst ist hochgiftig und mitunter tödlich. Das weiß jeder, der mal wild durch einen Hühnerstall getobt ist oder Aquarienfische zum Umsetzen einfangen musste. Wird es zu viel für den Organismus, ist eben Ende.

Menschen die immer wieder Traumatisierungen erleben, passen sich auf verschiedene Arten an die Angst an. Manche „haben dann eben keine mehr“, manche werden Profivermeidungstänzer und manche agieren dann „plötzlich mit übermenschlicher Kraft“.
So ein Angstdorn vorm Täter sitzt ganz gern im Fleisch und fängt an Wurzeln zu schlagen. Die Blüten der Angstpflanze hat viele Gesichter und früher oder später treten Einzelne davon immer offen ans Licht.

Angstblüten stinken ganz erbärmlich.427490_web_R_K_by_Lizzy Tewordt_pixelio.de
Unsere erste Angstblüte war selbstverletzendes Verhalten par excellence in Form einer Essstörung und selbst zugefügten Wunden. [Etwas, das ich immer wieder nicht verstehe ist, dass die ersten Erklärungen von außen für so ein Verhalten in Ebenen der Betroffenen und deren Alltagsleben gesucht werden, die natürlich nicht außen vor bleiben sollten, doch den Kern unberührt lassen. Meiner Meinung nach ist der Grund für so ziemlich jede Unter- Nebenart von „Wahnsinn“ oder „psychischer Krankheit“ schlicht Angst und die Versuche mit ihr irgendwie um zugehen. Das Stigma des „psychisch Kranken“ hilft dabei übrigens überhaupt nicht!]

Was das mit Täterkontakten zu tun hat?
Na- schnuppern Sie gerne an stinkenden Blumen, wenn Sie nicht gerade der Züchter selbiger sind?

Wer es richtig gut drauf hat, Ängste zu sähen, zu pflegen, zu nähren und in ihrer Entwicklung zu beeinflussen, der wird ihre Früchte genießen und nutzen können. Im Bereich der organisierten/ rituellen/ ritualisierten/ lange anhaltenden Gewalt finden sich außerordentlich versierte Angstpflanzenzüchter.
Sie schaffen es vor Allem und Jedem Angst zu verbreiten. Sei es durch schmerzhafte „Strafen“, durch gezielte Folterungen, Erpressung, Drohungen (die ab und an wahrgemacht werden) oder durch Nutzung der derzeit absolut opfer(frauen)feindlichen Gesellschaftsstrukturen.

Wie man Ängsten begegnet ist klar: Man schaut sie sich an, findet heraus, worum es bei der Angst geht, wägt ab, wie berechtigt oder unberechtigt sie ist und probiert herum, welches (andere- nicht/ weniger destruktive) Agieren, oder auch welches Agieren anderer Menschen, oder auch welche Umwelteinflüsse sie positiv im Sinne einer Linderung beeinflussen.

Wie soll ein Mensch der evtl. von Geburt an gelernt hat, dass seine Angst nur dann erträglich wird (oder gar nicht aufkommt), wenn er tut, was der Täter sagt? Wenn er vielleicht sogar noch irgendwann Angst vor Ängsten oder Angst vor Ängsten die wiederum Ängste aufkommen lassen entwickelt hat- ohne überhaupt sagen zu können, worum es dabei eigentlich geht, weil es dissoziative Barrieren gibt?
Schönes Beispiel unsere Frontfrau.
Sie hat bis heute kaum mehr als ein bedrohliches Dämmern, wenn es um Dinge unserer Biographie geht, die vor dem sechzehnten Lebensjahr geschahen. Aber Angst ohne Ende. Das ist dann mal ein Puzzle, das hier rum liegt und für ein anderes Innen eine Assoziation mit einem Erlebnis aus eben jenem Zeitabschnitt ermöglicht. Die Frontfrau kriegt diese Verbindung nicht hin- weiß aber, dass sie sich mindestens davon bedroht fühlt. Dann kommt da die Lernkette: „Immer, wenn in mir etwas dämmert verliere ich Zeit“- „Immer wenn ich Zeit verliere, tue ich Dinge, die gar nicht meiner Meinung/ Wunsch/ Naturell/ Fähigkeiten entsprechen“- „Diese Dinge kann ich nicht erklären und erst recht nicht so in der Form erinnern/ wiederholen geschweige denn (vor mir selbst) rechtfertigen“- „Ich bin in der Falle (werde nie entsprechen können)“- „Alles ist aus“
Dies macht in unserem Gesamthirn einen Wechsel- da dies die Art tödlicher Angst ist, vor der es sich zu schützen gilt.

Ein ähnliches Wechselmuster gibt es bei Multiplen mit Täterkontakten. Ob gezielt eingebrachte oder schlicht Personen- Umstandsgebundene Trigger: die Folge ist ein Schutzversuch- der Versuch seine (sehr berechtigte und sich ja immer wieder neu bestätigende) Angst zu verhindern (bzw. zu lindern).

Ich schrieb es im ersten Teil. Die Dränge…
Phoa wir hatten so eine Angst verdammt und immer wieder haben wir versucht das altbekannte Muster zur Linderung dieser Ängste zu fahren.
„Schnell hin- anrufen- Besuche machen- alles und alle beschwichtigen- hier nimm mich- da, du kannst mich haben und alles ist wieder „gut“.“
„Okay, jetzt war ich nicht da- jetzt sollte ich mich opfern- besser ich machs jetzt bevor…“
„Ich habs nicht gemacht- Jetzt wird XY passieren- ganz sicher- ich habs ja mit eigenen Augen….“
„Ich bin noch immer da ich minderwertiges Stück Dreck- ich bin….ich muss- ich sollte- es wird sicher…“
„Sie werden mich hassen… meine lieben… sie werden enttäuscht sein- ich will sie doch nie enttäuschen….“
Die Liste ist so lang und dies hier ist nur ein Abriss.

Die Angst ist pur gewesen. Da gab es schlicht keinen Platz für Rationalität.
Daumen hoch oder runter. Nur das diesmal, dort in diesem geschützten Rahmen, mit jemandem an unserer Seite nicht die Entität des Imperators* saß, sondern einzig meine ekelhaft stinkende Angstdiktator*pflanze.
Ich glaube heute, dass die Schmerzen, die wir während des ersten depressiven Schubs hatten, eine Art Vergiftungserscheinung waren.
(Depressionen lassen einen nicht nur so fühlen als sei man „irgendwie tot“- im Gehirn passiert dann auch real nicht viel mehr als das Sparprogramm)
Die Möglichkeit zu erfahren, dass keine der Ängste (und Überzeugungen) die in uns tobten von außen her bestätigt wurden, war es die uns sehr half. Nun hatten wir einmal erfahren, dass uns an der Seite dieses Menschen und in seiner Obhut nichts von dem geschah, was wir befürchteten und es gab einen kleinen Bruch in der Lernkette, der sich immer weiter vertiefte je länger wir durchhielten und den wir immer deutlicher (und mehr von uns) spürten.

Ich hätte mir in der Zeit sehr gewünscht, dass uns unsere Therapeutin oder auch unsere Psychiaterin näher gestanden hätten, als sie es taten. Das was wir da betrieben haben, war ein Blindflug und weder wir noch unser mit uns verbündeter Mensch, hatte wirklich eine Ahnung, wann diese Angsthölle durchgestanden sein würde, was genau eigentlich gerade passiert und so weiter. Doch unsere Angst vor Menschen in helfender Position und auch die dissoziativen Barrieren rund um die Frontfrau, verhinderten eine klare Kommunikation der Gesamtumstände. Es gab leider keine Vernetzung zwischen den Behandlern, den Betreuern und unseren Verbündeten. Ich bin darüber noch immer wütend und auch traurig, weil es mit diesem Wissen im Nacken schwer fällt andere Betroffene davon zu überzeugen, dass es sich lohnt sein Helfernetz so weit und eng wie nur irgend möglich zu spannen. Ich habe ja erlebt an was für Eitelkeiten und Unbeeinflussbarkeiten genau dies scheitern kann.

Wie gesagt- das war für uns nicht das Ende des „Täterkontaktes“, aber es war das Ende des „den gewaltvollen Täterkontakt- Suchens, weil man Angst hat (und einer Verpflichtung nachgeht, um Schlimmeres zu verhindern)“. In der Folge riefen wir auf jeden Anruf mit fremder Nummer (die übrigens nie zurückrufbar waren), auf jeden Zettel, jede seltsame Begegnung bei unseren Verbündeten an, statt dort, wo man es von uns erwartete. Die Angst war plötzlich nicht mehr pur und radikal. Da gab es langsam ein Zeitfenster von ein paar Minuten und die konnten wir nutzen um unser Netz abzutelefonieren- um dann beim Ersten, der abnahm abzuschmieren- logisch. Aber! Wir sind nicht bei einem Täter abgeschmiert, sondern bei Menschen, die diese Ängste beruhigen helfen konnten durch die Erinnerung daran, dass schon so und so lange nichts passiert ist, dass das und das Ding einfach gegen sämtliche Logik und Naturgesetze wäre… und so weiter.
(Und hier ein Seitenhieb den ich mir dann doch nicht verkneifen will: Helfer mit Telefonsprechzeiten und striktem Kontaktreglement, die gleichzeitig drängeln Täterkontakte zu beenden…. wunderbar! Einfach wunderbar. 24 Stunden Erreichbarkeit ist nicht erforderlich. Aber zu vermitteln, dass der Klient bitte exakt Donnerstags zwischen 14 und 14:30 Uhr seine Krise zu planen hat und sonst nicht stören soll- sorry, dass ist dumm und hilft nicht.)

4 Monate durchgängig und intensiv in jeder Beziehung zu lernen, dass jeder Unwille von uns zu respektieren ist (und zwar von jedem Menschen), zu lernen, dass nichts von den ganzen furchtbaren Befürchtungen eintrat, von denen viele von uns überzeugt waren (und manche trotzdem noch immer sind!) und ganz direkt und nah zu erfahren, dass wir einfach mal so sein gelassen werden, wie wir sind, hat geholfen.

Fortsetzung folgt

*der Imperator ist der Befehlshaber übers Militär gewesen- der Diktator ist Befehlshaber über den gesamten Staat…*

TÄTER? – KONTAKTE! Teil 2

Die Intension vieler Helfer gegenüber Menschen in destruktiven Beziehungen oder allgemeiner formuliert „Täterkontakten“, ist ein Ende der Gewalt und Schutz vor ihr, damit eine Therapie und in deren Folge eine Heilung und/ oder ein Leben ohne Gewalt möglich wird.

Unbestritten ist, dass keine Therapie hilft, wenn die Ursache diverser Probleme und Symptome nachwievor geschieht. Logisch- du kannst nicht bei laufendem Wasserhahn die Badewanne leertrinken.
Doch wenn dir niemand hilft den Wasserhahn zudrehen zu können, bist du gezwungen genau dies immer weiter zu tun, weil die Wanne sonst überläuft. Der Stöpsel sitzt fest und wenn du in der Lage, wärst diesen zu ziehen, würdest du vermutlich eher selbst den Wasserhahn zudrehen.

Eine schiefe Metapher? Mitnichten, denn diese Art von ängstlicher Spannung kennt so ziemlich jeder Mensch: Man will keine Sauerei durch einen Wasserschaden- oh und die Nachbarn- oh was da alles kaputt gehen kann und was das kostet und oh oh oh…

Wenn jemand noch Täterkontakte hat, ist es das Gleiche- nur geht es um dabei um das eigene Überleben. Da geht es um Angst zu sterben, während man eigentlich schon längst seit Jahren in Teilen des Seins getötet wird. Man will keinen „Ärger“ (noch mehr Schmerzen, als sonst) durch eine Verweigerung- oh und die Gruppenmitglieder/ die Familie/ die Entität der man sich verpflichtet fühlt- oh was da alles plötzlich nicht mehr ist (ALLES wäre plötzlich anders!!!) und was DAS für Folgen hätte (der eigene Tod? der Tod der Helfer, Freunde, Haustiere? … oder…???)

Zeit und Möglichkeit sich bewusst Gedanken über das nebelige „Oder…???“ zu machen, haben Menschen in Gewaltbeziehungen sehr selten. Nachzudenken hilft nicht beim Überleben und oft genug werden solche Menschen gezielt in diesem Zustand gehalten.

Es ist ein Zustand ständiger Angst ums eigene Leben.
Sowas können die Täter richtig gut. Angst und Verunsicherung schüren und offen halten. Immer wieder und wieder und auf allen Ebenen. Der prügelnde Freund hat es genauso drauf, seine Freundin jeden Schritt außerhalb der Wohnung 5 mal überdenken zu lassen, wie der Sektenpriester es drauf hat, die Menschen unter ihm, in jeder Wolke am Himmel Zeichen seiner Macht sehen zu lassen.
Zu welchem Zeitpunkt sollen die Betroffenen denn auch sicher überprüfen können, dass diese Gefahr zwar präsent- aber nicht in jedem ihrer Lebensumstände auch tatsächlich real zwangsläufig in Gewalt enden muss?

Gewalt erlebende Menschen leben also täterzentriert, um sich am Leben zu halten.
Aus diesem Kreisen um „die Sonne „Täter“ “ herauszukommen erfordert, glaube ich (und habe ich bereits mehrfach so erlebt), eine Art Aufgeben- vielleicht ein Gefühl von „so ich sterbe eh gleich- dann kann ich auch grad einfach irgendwo anders hingehen“. Manche haben aber auch einfach irgendwann einen Punkt für sich in dem ihnen radikal klar wird, dass sie keine Gewalt mehr (für sich oder auch ihre Kinder) wollen. „Hallo?! Was zum Henker treibe ich hier eigentlich…?“.

Bei uns war es das Erstere, was uns bewegte wegzulaufen und räumliche Entfernung zu schaffen. Es war gerade ein Hochfeiertag gewesen, wir waren körperlich schlimm versehrt und hatten gerade ein paar Tage vorher verkraften müssen, dass uns eine Helferin von außerhalb all dessen, abgewiesen hatte.
Es war klar, dass wir keinen Platz auf der Welt und niemanden an unserer Seite hatten. Und sowieso und überhaupt- ach das Leben! 7 Suizidversuche vorher sprechen, so denke ich, ganz für sich allein, über die Beziehung, die wir zum Leben kultiviert hatten.
Der bewusste Moment war einfach nur der: „Hier sterben oder da wo du den Himmel dabei sehen kannst?“

Dass wir uns für den Himmel entschieden, war der Vorarbeit der Psychologen zu verdanken, die wir vorher getroffen hatten. Achtsamkeitsübungen, Reflektion darüber, wie es sich anfühlt die Natur zu spüren. Damals ging es zwar in erster Linie darum, uns beizubringen uns nicht mehr aufzuschneiden- aber- nuja- war doch ne gute Aus- Versehen- Nebenwirkung, nicht wahr?

Manche ambulant (selbstständig) arbeitenden Psychotherapeuten und auch Kliniken weigern sich KlientInnen aufzunehmen, die noch Täterkontakte haben.
Meiner Meinung nach, ist dies, neben „unterlassene Hilfeleistung“ und damit „Verletzung von Menschenrechten“ (mal abgesehen vom humanistischem Totalfail), oft einfach nur ein Mitkreiseln im Täterzentrum.

Ich habe bei der letzten ambulanten Therapeutensuche dreimal vor solchen Menschen gesessen (bei der ersten 5 mal).
Der eine sagte, dass es ihm zu viel ist und über seine Kräfte geht. Check- Selbstfürsorge ist okay- wenn auch für mich irgendwie schief in dem Moment, denn was wäre gewesen, wenn ich noch Gewaltkontakte (nicht bürokratische Zwangskontakte) gehabt und es nicht gewusst hätte- wie das bei Menschen mit DIS einfach sehr oft der Fall ist?
Der nächste Mensch hatte Angst, meine Verbindung zum organisierten Verbrechen würde ihn gefährden. Autsch! Zum einen sind die Täter nicht blöd (wieso sollten sie Menschen angreifen, die sie anzeigen könnten und damit mich in dem Fall, dass ich eine Anzeige erstatte, bestätigen?!) und zum Anderen bin ich kein virulentes Existenzchen, das Unheil verbreitet, sondern: das Unheil kommt immer wieder auf mich zu!
Und der dritte als Psychotherapeut arbeitende Mensch war ein Bonbon, das man mal ganz langsam lutschen sollte: „Ich behandle niemanden mit diesem Hintergrund. Am Ende sind Sie durch ihre Vergangenheit auch noch lesbisch geworden und SOWAS konnte ich leider noch nicht erfolgreich behandeln.“ (Nein, das ist nicht ausgedacht, war nicht bei irgendeinem Dorftherapeuten und auch nicht vor 50 Jahren!)

Oberflächlich betrachtet haben diese Menschen alle für sich reflektiert, was sie leisten können und was nicht. Doch einmal weiter nachgedacht, haben sie den Tätern (bzw. dem was die Täter uns angetan haben in der Vergangenheit) allesamt mehr reale Macht eingeräumt und zugesprochen, als sie haben! Sie haben Angst gehabt. Sind vor der Badewanne rumgehopst und haben uns zugeguckt, wie wir vom Rand abgetrunken haben.

So ein Helferverhalten haben wir oft (zusätzlich!) neben der realen Gewalt im Täterkontakt (üb)erlebt und ertragen. Bitte- was hätten wir auch anderes tun sollen?
Viele Helfer werden von unserem Gesundheits- und Sozialsystem regelrecht dauergedemütigt und begrenzt in dem was sie leisten können. Und am Ende sogar in ihrer Hilfskraft selbst massiv geschwächt. Das sind die Psychotherapeuten, die sich von schlecht fortgebildeten Krankenkassengutachtern anhören müssen, ihre Arbeit sei schlecht und unwirksam; von Kollegen vielleicht am Besten noch sowas wie: „Du überengagierst dich- bist nicht professionell“, wenn sie einfach so arbeiten, wie sie das gerne möchten- frei von Statute oder eingefahrenem „Wir (Profis) hier- Die (Patienten) da“.
Sie leben davon Menschen zu helfen- sind in einer für die meisten ihrer Klienten unglaublich machtvollen Position- werden aber von anderer Seite gerne mal gedemütigt oder schmerzhaft angezweifelt, wenn nicht sogar offen selbst Opfer von zwischenmenschlicher Gewalt in Form von Diffamierung oder gar Mobbing.
243712_web_R_K_B_by_Helmut J. Salzer_pixelio.de

Und Gewalt pflanzt sich eben fort. Beim Therapeuten (oder auch Sozialarbeiter oder Berater) kommt sie, wenn es ein Klient mit Gewaltkontakten ist, dann sogar vielleicht von zwei Seiten gleichzeitig angerauscht. Da ist die Gewalt die der Klient aus sich selbst heraus (weiter oder er-) trägt und da die Gewalt die spätestens mit der Weiterbeantragung der Hilfen durch die eigene Person, losgeht.
Damit umzugehen und sich zu schützen sollte aber nicht zum zusätzlichen Problem der Klienten werden! Die sind in Not und die haben einen Anspruch auf Hilfen- ergo wenden sie sich an Institutionen oder eben Menschen die in helfender Position sind bzw. die ihnen als
hilfreiche Hilfe beschrieben werden.

Diese bürokratischen Strukturen, zum Beispiel, nicht Gewalt zu nennen- nicht als täterfreundlich aufzuzeigen, sondern schlicht und ergreifend hilfesuchende Menschen abzuweisen und „woanders“ hinzuschicken ist genau das, was im Täteruniversum das perpetuum mobile der Gewalt ernährt, einfach nur dadurch schon, dass wieder etwas verschwiegen und damit auch ein Stück weit legitimiert – ver-alltag-.isiert wird. Dinge die „halt so sind, wie sie sind“ und „eben total normal halt eben so passieren“ und die man „halt dann eben so von sich wegschieben muss (kann!)“, die sind alltäglich, normal und nicht weiter schlimm. Wenn juckts? Sind ja nur…

Oh! Wollte uns da grad ein Satz aus dem Mund, der Menschen herabwürdigt?
Waren wir gerade so reflektiert und haben das bemerkt? Wenn wir das an uns selber merken… hm… also wollen wir das wirklich? Ist das mit unserer Berufung zum Helfer von Menschen vereinbar?
Da erlebt jemand Gewalt. Also braucht er Hilfe. Wenn er sie sucht, dann muss er sie bekommen.
Ich bin Helfer. Ich kann helfen.
Okay… dann suche ich mir jetzt mal jemand der mir hilft, dass ich nicht um meinen verzweifelt vom Badewannenrand abtrinkenden Klienten hopse, sondern ihm zeige, dass er Hände hat, um den Wasserhahn selbstständig zu zudrehen. So wie ich Hände habe, um die Hände von Menschen zu erfassen, die genau meine Ansicht zu der Sache haben.

Täterschaft über einen langen Zeitraum funktioniert über Angst. Wann hat man als Mensch noch gerne mal Angst? – Wenn man isoliert und allein ist.
Wieder ein Element des Täter-Gewalt-Universums. Die Klienten sind allein (siehe Teil 1) und viele Helfer sind es ebenfalls. Wer allein auf weiter Flur steht ist ohne Macht. So funktionieren wir Menschen- uns gehts nunmal gut, wenn wir das Gefühl haben, Dinge verändern zu können.
Die Täter verändern Dinge mit Gewalt, welche am Ende ihrer Spirale nur den (unnötigen) Tod haben kann.
Man kann Dinge allerdings auch durch Verbundenheit verändern, an deren Spiralenende immer das Leben mit all seinen vielen Facetten steht.

Helfer müssen sich entscheiden, ob sie auf einem Nebenarm der Täterspirale oder mitten auf der Spur der Helfer-Verbündetenspirale sitzen wollen. Sie müssen sich selbst fragen: Bin ich versucht zum Mit-TÄTER zu werden (weil ich Angst habe, allein bin, unsicher bin, noch nicht genug gelernt habe etc. etc. etc.) ?

Der Kontakt mit einem Verbündeten (sei es das man ihn „PsychotherapeutIn“, „BeraterIn“, „SozialarbeiterIn“ nennt) wird es sein, der die Gewalt im Leben des Betroffenen in einem- vielleicht nicht direkt und sofort sichtbarem, aber doch vorhandenem Bereich- zu beenden helfen wird und so ermöglicht ein Stück mehr Gewalt aus dem Leben aller Menschen zu nehmen.

Fortsetzung folgt

täter?- KONTAKT! Teil 1

Immer wieder kommen Menschen mit Suchanfragen bezüglich des Themas „Täterkontakte“ auf diesen Blog.
Ja- phu- was für ein Thema- natürlich unglaublich wichtig und eigentlich dauerpräsent.
Natürlich möchte ich dem angemessen begegnen, breche hier dann aber gleich zu Beginn einfach mal ab.

Nein- wir reden jetzt mal nicht über TÄTER(kontakte), sondern über KONTAKTE.

Über die Täter wissen wir schon richtig viel und täglich wird es mehr.
Doch die Einsamkeit der Opfer bleibt unbenannt und das ist etwas, das unter Umständen tödlich ist. Im Gegensatz zur Gewalt, die sie vorher überlebten und oft noch eine ganze Weile überleben, wenn es um organisierte oder auch Partnerschaftsgewalt geht.

Es war eine der bittersten Erkenntnisse die wir im Verlauf unseres „Ausstiegs“ (den ich im weiteren Text lieber „Abkehr“ nennen möchte- da wir niemals einen „Einstieg“ hatten, sondern hineingeboren wurden) hatten:
Gewalt ist überlebbar– auch wenn es sie sich nie so angefühlt haben kann. Immer gefühlt endlos dauerte und immer weiteren Schaden in uns verursachte.
„Wir sind fähig grausame Qualen zu erfahren und am nächsten Tag wieder zur Schule zu gehen, unsere Betreuer und nahe stehenden Menschen im Glauben zu wiegen, es gäbe keine Täterkontakte.“

Zwischen dieser Erkenntnis und der Kraft sich tatsächlich direkt zu verweigern, lagen bei uns etwa 3 Jahre.
Wir hatten in der Zeit ein Kontingent von über 20 Fachleistungsstunden pro Woche im Rahmen der ambulanten Jugendhilfe, eine ambulante Psychotherapeutin, eine Psychiaterin, einen Hausarzt und eine Klinik mit Schwerpunkt auf der Behandlung von Traumafolgestörungen in der Stadt, die wir zur Intervalltherapie aufsuchten.
Doch keinen einzigen Menschen, dem es rein um uns ging. Und obendrauf, waren wir nach unserer Odyssee der Unzuverlässigkeiten nicht einmal mehr in der Lage uns auf Menschen in helfender Position in irgendeiner Form einzulassen, die mehr verlangte als das was vertraglich/ gesetzlich vorgeschrieben war.

Wenn uns unsere Betreuerin begegnete, haben wir über den Alltag gesprochen, der übrigens nie ein Problem war. Man musste uns nicht beibringen wie wichtig Hygiene und Ordnung, Zuverlässigkeit oder Ehrlichkeit ist.
In der Psychotherapie ging es um „Stabilisieren, was stabilisierbar ist“. (Dies ist zumindest das Fazit heute)
Der Hausarzt klatschte noch bei einem BMI von 17 Applaus und hat bis heute keinen Zugang zu den auch körperlichen Folgen von (Psycho)Traumata- doch um einen anderen zu suchen gibt es noch zu viele Hürden.
Die Psychiaterin verschrieb weiter und weiter Antidepressiva, Benzodiazepine und Neuroleptika.
Nur in der Tagesklinik hatten wir die Chance eine Basis aufzubauen, die es uns in kleinen Schritten ermöglicht hatte eine unserer ersten Verbündeten in unser Leben zu lassen und überhaupt das kleine Fünkchen Resilienz, dass uns knapp 6 Jahre vorher hatte räumlich flüchten lassen, zu hüten und wachsen zu lassen.

Doch wir waren so erst mal unglaublich einsam. Gingen an die Abendschule und versuchten den Normen einer Welt zu entsprechen, die uns verboten war (und nachwievor ist) und kauten uns durch eine Zeit, die absolut bis in die Grundfesten gespalten war; trafen Menschen und enttrafen sie wieder. Was wussten sie denn schon?
Mit Anfang 20 hat kaum jemand so eine Geschichte hinter sich und weiß obendrein noch, dass das was er da gerade erlebt, wahrnimmt und durchmacht so weit außerhalb der Norm liegt, dass selbst jene, die sich mit Extremen befassen, einander darüber in die Haare bekommen.
55442_web_R_by_momosu_pixelio.de

Und dann kam da dieser Mensch.
Laut in jeder Hinsicht, mutig, resilient, mitten im Leben und einer zauberhaften Attitüde auf uns zu. Begann Gespräche, diskutierte und debattierte mit uns. Über Monate hinweg kam da stetig jemand auf uns zu, war an uns interessiert, ohne uns „haben zu wollen“. Nicht wir haben den Kontakt eingefordert, sondern dieser Mensch und trotzdem war alles anders, als mit den ganzen Menschen die wir vorher trafen.

Da ging es nicht um Geld, Verantwortung, Zwang oder Ziele.
Da ging es um das Leben und Gemeinsamkeit.
Plötzlich sprach jemand für uns- nicht: statt uns. Sorgte sich um und für uns. Einfach so, weil er sich dafür entschieden hatte.

Über diese Tatsache sind wir dann erst einmal gepflegt zerfleddert. An so eine Beziehung waren wir nicht angepasst- hatten noch nicht eingeübt, wie man ohne Selbstabgabe, ohne den Preis des Schmerzes oder die Notwendigkeit des Verschweigens so einen Schatz bewahrt und mit ihm umgeht.
Bei gemeinsamen Aktivitäten tauchten nach und nach Innens auf, in der Erwartung genommen zu werden- nicht damit rechnend schlichte An-nahme zu erfahren.

Das war wiederum eine Situation, die für diesen Menschen schwierig war. Doch- oh wow! Nein- er ging nicht weg! Er holte sich Unterstützung- doch nicht etwa in einem schlauen Buch allein oder von der Profiseite, sondern von einem Menschen, der ebenfalls multipel ist und machte uns mit ihm bekannt. So trat also der nächste Mensch in unser Leben, der ähnlich verbündet mit uns wurde. (Und übrigens auch „unser erster anderer Multi“- hatte auch was, zu sehen, dass es irgendwie doch ganz normal nach außen aussieht, Viele zu sein…)

Unsere Verbündeten und wir. Ein Bündnis. Eine Ver- Bindung.
Die erste nicht von Machtausübung dominierte Beziehung in unseren 20 jährigen Leben.

Während des Folgejahres wurden wir Stück für Stück unzuverlässig für die Täter. Nicht mehr jeder Zettel in unserem Briefkasten, nicht mehr jedes Angesprochen werden auf dem Weg zur Schule, nicht mehr jedes Klingeln des Telefons wurde beantwortet. Wo wir uns aufhielten und was wir machten, konnten wir nicht verstecken. Wir hatten keine Chance uns bürokratisch zu befreien, obwohl wir es durchgängig mit jedem Antrag der ambulanten Hilfen versuchten und so ziemlich jeden juristischen Hebel durchexerzierten. Der Gesetzgeber schützt die Kernfamilie. Auch die Kernfamilie die ihre Mitglieder zerstört.
Solange keine Strafanzeige gestellt wird und eine Gefährdung eindeutig nachgewiesen werden kann (und das konnte sie eben nicht) gibt es keinen Schutz vom Staat.

Zwei Mal wurde in unsere Wohnung eingebrochen. Einmal stand mitten in der Nacht ein fremder Mensch in unserer Wohnung. Was dort geschehen ist, wissen wir bis heute nicht genau.
3 Wochen später (!) half uns die Betreuung das Schloss auszutauschen.
Dort wir kehrten nicht wieder dorthin zurück.

Die Schutzmöglichkeiten, die sich nun boten, waren ein Witz. Die Notfallausweichwohnung der Betreuung war eine vom Vorbewohner verwüstete Antibiotikazuchtstation in der gerade mal noch unsere Haustiere zum Übergang bleiben konnten. Als Alternative gab es einen Platz in einer Wohngruppe oder die Psychiatrie.
So an die Wand gedrückt, haben wir es dann gewagt und das Angebot angenommen, bei dem mit uns verbündeten Menschen unterzukommen.

Es folgte noch ein Täterkontakt, der in einer kurzen Prügelei und einem deutlichen NEIN endete.
Da wo wir nun lebten, waren wir sicher, das wussten wir.
Nicht weil es doppelt- und dreifach verriegelbare Türen, Panzerglas und keinen Kontakt zu Außenwelt gab oder weil es soviel Bewusstsein über die Täterstrukturen gab oder ein konkretes Wissen darum, was uns wo wie und durch wen angetan werden könnte, sondern, weil es jetzt definitiv jemand bemerken würde, wenn wir plötzlich nicht mehr da sind.
Wir wussten, dass dieser mutige Mensch keine Hemmungen hätte, beim leisesten Verdacht die Polizei anzurufen und zur Not zu erstreiten, dass diese sich zu uns in die Wohnung bewegt. Dass dieser Mensch gegenüber den so verletzten Innenkindern ein so großes Schutz- und „Behüt“-Bedürfnis hat, dass er sich in jedem Fall an unsere Seite stellen würde, um uns daran zu hindern von uns aus Kontakt aufzunehmen oder uns oder ihm etwas anzutun.

Und dann kamen die Dränge.
Erst der Drang zu gehen, Besuche zu machen. Dann der Drang zu sterben. Dann die große Depression, die mit unsäglichen Schmerzen einher ging. Dann die Flashbacks. Dann die Panik. Dann die inneren Zeitverschiebungen. Dann der letzte Überfall. Dann der Drang sich zu entschuldigen. Dann die ersten Krampfanfälle (die sich übrigens als seltene Nebenwirkung eines Medikamentes herausstellten, das wir in der Zeit anfingen zu nehmen). Und dann der kalte Entzug der Benzodiazepine, weil uns sonst die Sanitäter nicht mehr helfen konnten, wenn der Krampfanfall nicht anders als mit Medikamenten unterbrochen werden konnte.
Dann die inneren Tenöre. Dann der Hass nach Außen. Dann wieder die Depression. Dann wieder die Angst. Dann die Trauer. Dann die Wut. Dann wieder die Angst. Geschlafen haben wir in der Zeit so gut wie gar nicht (wenn dann eben durch Medikamente).

Und dann… nach etwa 3- 4 Monaten: Sonnenbrand.
Vogelzwitschern. Kinder im Hof. Kein Schuldgefühl beim Griff nach einem Lebensmittel. Erster Galgenhumor über einzelne Situationen der letzten Monate. Die Katze auf dem Bauch deren Schnurren den eiskalten Klumpen im Bauch antaute. Mehr Aktivität als das Liegen auf der weißen Couchwolke. Eine neue Wohnung in Aussicht und Pläne diese einzurichten.
Ohne an uns zu zweifeln, suchte der Mensch erst Pia und dann Mia mit uns aus. Zwei wunderbare kleine Katzenseelchen, die uns erfreuten, Sorgen umlenkten, strukturierten, eingrenzten und doch über uns hinaus wachsen ließen.
Ein Neustart.


Wir haben nie wieder Gewalt durch Täter ertragen müssen.
Obwohl es nachwievor „Täterkontakte“ gab. Die bürokratische Zwinge konnten wir nicht aufbrechen und durch viele Datenschutzlücken und auch Nachlässigkeiten unserer Betreuer (bzw. jetzt der Menschen in den Ämtern, von denen wir abhängig sind), waren (und sind wir nachwievor) gefährdet.

Doch wir sind sicher, denn wir haben KONTAKT hergestellt.
Nicht nur zu (inzwischen vielen) Verbündeten, Gemögten und HelferInnen, sondern auch zu unserem Resilienzfünkchen und der Welt die so schön- wenngleich so verboten ist.

Fortsetzung folgt


P.S. Es gibt bereits einen Artikel der sich mit dem Thema befasst. Doch die Häufigkeit der Suchanfragen, rechtfertigt für mich ein häufigeres Aufgreifen, auch weil ältere Beiträge gezielt gesucht werden müssen.

Vertrauen… auf eine gewisse Art

„Ach also geht es darum, dass sie sich fragen, ob sie mir vertrauen können?“
„Klingt als hättest du Angst den Anderen zu vertrauen…“
„Vertrau mir ruhig, das wird schon…“

Dieses Vertrauensding häuft sich gerade schon wieder in meiner Umgebung und irgendwie… seufz…
Wir vertrauen nicht richtig so, wie das scheinbar immer erwartet wird- wir trauen zu.
Vertrauen erscheint mir manchmal wie auf einen Sockel gestellt, wenn es um die Therapie geht. Als sei Vertrauen in den Therapeuten, seine Kompetenz, die Art der Bindung und der Ziele, deren Erreichen man anstrebt, ein Garant für das Gelingen der gesamten Therapie.
Was aber für mein Gefühl oft mitschwingt, in der Vertrauensfrage im Therapiekontext, ist der Anspruch zur Bereitschaft sich aufzugeben. Nicht im Sinne von „sich gänzlich einlassen“ oder „sich tragen und (aus)halten lassen“- das geht beides auch ohne Vertrauen. Dass man Dinge oder Menschen auch einfach aushalten kann, weil man dafür in irgendeiner Form entlohnt wird, kennt jeder aus irgendeinem Kontext. Oder auch, dass man ganz einsteigen kann in Projekte und Arbeitsprozesse, weil es einem einfach leicht fällt und man motiviert dazu ist. Auch dazu braucht es kein Vertrauen in dem Sinne.
Was ich so wahrnehme, ist der Anspruch rückhaltlos und einfach so zu glauben und sich selbst aus diesem Glauben heraus an jemanden abzugeben- sich jemandem anzuvertrauen.

Die Parallele zur Religion bzw. zum mittels Religion zum Ausdruck gebrachtem Glauben, finde ich enorm. Auch und gerade, weil es die gleichen Haken für mich gibt.
Es gibt diesen Ausspruch: „Du bist in G’ttes Hand“

[Ja Hallo?! Gruselig?! Bin ich Marionette oder was?! Nein nein nein nein nein …]
und dann gibt es diesen therapeutischen Implizit: „Sie sind in meiner Hand“
[*flapp* alle Schotten dicht]

Ja, wir sind davon überzeugt, dass es eine hohe Kraft irgendwo und irgendwie gibt, die man G’tt (oder sonst wie) nennen kann.
Ja, wir sind genauso davon überzeugt, dass der ganze Diplom-, Ausbildungszertifikatedingszettellage-, Kompetenzanerkennungskrempel mit Stempel und Siegel drauf, irgendwie bedeuten wird, dass Therapeuten schon ordentlich die Möglichkeit hatten, etwas therapeutisch Sinnvolles zu lernen (!) und, dass sie entsprechend zumindest Worte für das haben, was sie tun.

Aber seit wann ist es Usus, zu erwarten, dass Menschen allein aufgrund der für sich allein angenommenen Existenz einer Kraft oder allein aufgrund des Status einer Person zu einer Haltung zu kommen, die eine Bereitschaft zur Selbstaufgabe mitbringt?
Ach ja! Seit Menschen erkannt haben, wie mächtig sie sind und wie toll das ist, Macht auszuüben, statt ohnmächtig zu sein.

Um zu vertrauen, ist mehr nötig als das bloße Sein. Niemand vertraut auf G’tt, nur weil ihm jemand erzählt, dass es das gibt. Es braucht mehr oder weniger intensive Beweise der Macht- entsprechend also Gefühle der Ohnmacht (oder sachter ausgedrückt: der Unbeeinflussbarkeit von Umständen) bei den Menschen selbst.
Ich habe mal von einer Studie gelesen, die bewiesen haben will, dass alle Menschen in Momenten der höchsten Not begannen zu beten- auch wenn sie konfessionslos waren und niemals zuvor gebetet haben. Dies würde meine These untermauern, dass Vertrauen (und ergo auch das Glauben an unbeweisbare Entitäten) in jedem Fall also grundsätzlich etwas mit Macht und Ohnmacht zu tun hat (deshalb bin ich zum Beispiel auch dagegen Kinder nach der Geburt zu taufen oder beschneiden zu lassen- denn Kinder sind grundsätzlich immer ohnmächtig bis sie volljährig sind- ihr Glaube und damit evtl. auch ihr ganzes (religiöses) Handeln, gilt also erst mal nicht G’tt, sondern den Versorgern bzw. einer Anpassung an jene, von denen sie abhängig sind).

Meine Psychotherapie hingegen hat etwas mit Lernprozessen zu tun.
Ich gehe nicht dorthin, um mich abzugeben, sondern, um zu lernen mich meiner selbst zu ermächtigen.
Was ist es dann also für ein unlogisches Anliegen meinem Therapeuten auch noch als Mensch zu vertrauen?
Ich muss das gar nicht tun!
Ich muss ihm zutrauen, dass er gebildet ist und Techniken kennt, mit denen er mir vermitteln kann, wie ich bestimmte Dinge (neu-), (kennen-) lerne und ich muss ihm zutrauen, gewisse Skrupel zu pflegen, wenn es darum geht die Gesetzgebung des Landes in dem er praktiziert, zu brechen. Mehr nicht.
Oder?

Laut der engeren Definitionen von „Vertrauen“ gibt es verschiedene Arten des Vertrauens.
Da gibts das situationsbedingte Vertrauen, das begünstigt wird von den Möglichkeiten des Vertrauensgebers, den Vertrauensnehmer im Falle eines Bruches zu bestrafen. Tja- wie ist das auf die Therapiesituation übertragbar? Da gibt es von Natur aus eine Schräglage, die immer genau dann eintritt, wenn man Hilfe bei jemandem sucht. Aus der Position des Hilfesuchenden- desjenigen, der etwas will- der Bettlerposition heraus straft es sich schlecht, da man in jedem Fall nur sich selbst straft bzw. schadet.

Dann ist da das identifikationsbasierte Vertrauen. Da tanzen gegenseitige Sympathie und tragfähige emotionale Bindung im Paar mit einer Identifikation der Werte, Wünsche und Ziele des Gegenübers.
Ja, sympathisch finden wir unsere Therapeuten immer. Die stehen ja auch über uns. Es ist immer schlau den, der über uns steht, sympathisch zu finden und ganz und gar mit ihm zu verschmelzen.
Hinweis: Ja, das ist Unterwerfung. Und ja, das ist ein Lerninhalt, um genau dessen Deinstallation es in der Therapie (auch mit) gehen soll, dessen Vorhandensein und Bereitschaft zur Ausübung aber wiederum gesamtgesellschaftlich immer wieder verlangt wird. Ich würde sagen, hier haben wir einen wunderbaren Patt, der meiner Meinung nach noch ganz erheblich viel mehr Diskussion erfordert, als bisher geschehen.

Und dann ist da das Ding, das wir schon tun: das eigenschaftsbasierte Vertrauen. Wobei wir auch dies für etwas halten, das mehr unhinterfragter Gesamtgesellschaftsreflex ist, als wirklich wahres Vertrauen. Denn mehr als einen Status, aufgrund der Eigenschaften ihres Berufes als Heiler, Helfer oder Retter (und die ihnen entsprechend eingeräumten gesetzlichen Rechte) haben weder Ärzte noch Therapeuten uns Hilfesuchenden gegenüber.
Sie können sich nur vor uns stellen und versichern, dass sie Mittel und Wege kennen, uns zu helfen/ heilen/ retten und uns dies mit ihren Approbationen und Fortbildungszertifikaten im Vornherein und Testergebnissen und (Therapie)Erfolgen im Nachhinein zu beweisen. (Es gibt natürlich auch noch andere Arten dies zu beweisen, wie die Psychiatrie uns das immer so hübsch beweist, aber das will ich jetzt nicht weiter ausführen- Thema ist schon groß genug). Und sie können nicht mehr tun, als uns zu sagen, dass sie uns gern helfen wollen und dies ausschließlich durch die Mitteilung und die Handlung der Behandlung selbst, beweisen.

Eigentlich sind wir Patienten/ Klienten also in einer mächtigen Position. Wir können frei wählen, ob wir uns von jemandem behandeln lassen oder nicht.
Doch da es einen Leidendruck und einen Hilfebedarf gibt, ist die Macht absolut fragil. Sobald wir eine Schwäche eingestehen und uns in die Hände des Behandlers begeben ist alle Macht weg. Man befindet sich in einem Machtgefälle und ist ausgeliefert.
Für mein Gehirn heißt das in der Regel soviel wie: „Herzlichen Glückwunsch, sie dürfen jetzt Todesangst haben, denn sie haben keine Macht mehr, genauso wie damals als…. und damals als… und damals als… und ach weißte noch: Damals, als…“
Unter diesem Umständen komme ich mir schon ziemlich vertrauensvoll vor, wenn ich meinem Therapeuten zutraue, wenigstens zu wissen was er da tut und warum.

Schon manches Mal hatte ich den Eindruck, Menschen- egal ob sie meine Therapeuten, Betreuer oder sonstige Helfer waren, seien irgendwie persönlich betroffen, vielleicht gekränkt, wenn ich ihnen sagte, dass ich ihnen nicht vertraue. Als wäre mein Vertrauen eine Art Gütesiegel ihrer Person oder ihrer Arbeit mit mir. Dabei ist allein, die Tatsache, dass ich mich mit ihnen in Kontakt begebe und mich für eine Zusammenarbeit entschließe, schon ein Schritt den man mit „Vertrauen“ etikettieren könnte.
Ich stehe doch schon dort und erkenne all die Bildung, all die Kenntnis rückhaltlos und alternativlos an- unterwerfe mich doch bereits der Aufforderung in Behandlungs- oder Arbeitsziele als etwas Lohnenswertes zu vertrauen- obwohl ich keine vergleichende Referenz habe, weil ich noch nie anders (er)lebt habe als so auseinandermultipliziert verdissoziiert. Ich bin doch schon blind und muss mich führen lassen.

Wozu also noch Vertrauen in die Person oder in eine emotionale Beziehung?
Meine Lernerfahrung brüllt mir in den Schädel, dass es mich potenziell (und früher definitiv in Anteilen meiner Selbst) töten wird, mich oder meine (Eigen-)Macht in die Hände von anderen Menschen (oder Entitäten) zu legen. Wer also würde wirklich und zu welchem Zweck davon profitieren?
Es ist lediglich mein Gegenüber- mein Therapeut oder mein Arzt oder Helfer oder Betreuer.
Ich habe davon nur etwas, weil das Ego (oder Teile des Egos) desjenigen, der sowieso schon Macht über mich hat, gestreichelt ist und mir gegenüber entsprechend positiv eingestellt ist.
381147_web_R_K_by_tokamuwi_pixelio.de

Ich will mir aber Hilfen nicht mehr auf so eine Art erkaufen oder absichern müssen. (<—badabumms! Therapieerfolg mit Glitzer drum rum bitte schön!)
Wenn unsere letzte Therapeutin eins mit uns geschafft hat, dann das: sie hat es geschafft, dass wir uns gegenüber Therapeuten und Ärzten nicht mehr als Objekt betrachten, sondern als Subjekt- als „Mitmacherin“ nicht als „Machen lassen Müsserin“. Das ist etwas, dass uns nicht unbedingt bewahrt vor erniedrigenden Erfahrungen, aber es ermöglicht uns eine Art Selbstschutz, weil wir uns nicht mehr in dieser „Arzt-Patient-Schräglage“ sehen, als jemand der absolut und unter allen Umständen nichts mehr zu sagen, zu denken und zu empfinden hat, wie es die Umstände einen glauben lassen. Wenn wir meinen (wir warten nicht darauf, dass es sich so anfühlt, weil das nachwievor mit Verboten belastet ist), dass uns ein Arzt demütigt oder nicht gut mit uns umgeht, dann schaffen wir es inzwischen immerhin, uns einen anderen zu suchen, dem mehr an einer Zusammenarbeit (statt einer „an uns Arbeit“) gelegen ist.
Genauso wie wir uns getraut haben Kritik an dem Verlauf der Therapie aktuell zu äußern und aktiv etwas getan haben, um eine Chance auf eine Besserung zu erhalten.

Wir fangen an in unsere Macht zu vertrauen, nachdem wir lange brauchten sie überhaupt als solche wahrzunehmen.
Und -hey boa!- das ist so was Megagruseliges, an sich schon, wenn einem immer wieder und wieder genau das weggenommen und abgesprochen wurde!
Und während wir so etwas entdecken, erleben und- ja irgendwie zwischenzeitlich auch noch immer ungläubig und zögernd- bestaunen, gut finden und uns dafür selbst irgendwie ein Stück Anerkennung untereinander zukommen lassen (oder uns gerade dafür fertig machen- je nach dem), können wir persönliche Befindlichkeiten des Gegenübers nicht so befriedigen, wie wir das früher getan hätten, oder so, wie viele andere Menschen das so tun. Aber die Anerkennung und der Respekt vor der Profession ist in jedem Fall unangefochten und akzeptiert. Genauso wie wir die Macht innerhalb des Verhältnisses anerkennen und uns ihr unterwerfen, wenn es verlangt ist.

Manchmal würde ich mich schon gern dem Sein der Menschen anvertrauen, wie ich es ihren (professionellen) Eigenschaften gegenüber tue.
Aber nicht die Berufe oder die beruflichen Fähigkeiten der Menschen, haben mich verletzt, sondern die Menschen selbst.
Man kann nie wissen wie die Menschen sind, und wenn man einmal weiß, wie tief und absolut zerstörerisch sie sein können, ist Vertrauen etwas, dass es schlicht nicht mehr so einfach geben kann.

Einen richtigen Schluss finde ich für diesen Artikel nicht. Doch irgendwie kommt es mir auch nicht schlimm vor, denn ich glaube, dass ich einen ähnlichen Artikel in ein paar Jahren vielleicht erneut schreiben werde… vielleicht dann irgendwann doch davon, wie gut und hilfreich es ist, sich dem Sein eines Menschen anzuvertrauen und wie es dazu kam.
Wer weiß.

Zeit sich der eigenen Entwicklung anzuvertrauen…

aus der Zeit, in die Freiheit- Warten auf die Dämmerung

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, “der Panther”, 6.11.1902, Paris

Sie kriechen aus dem Innen, in das Jahr 2013.
Der Vorhang lichtet sich und lässt ein Bild hinein.

Meiner oder ihrer?
Mein Sein- dein Schein- ich habe das in einem Brief der BÄÄÄMs an mich gelesen.
Was ist wahr und was nicht- was ist früher und was ist heute?
Was ist echter? Welche Bedrohung ist gleich, obwohl es nicht die gleiche Zeit ist?

Stab an Stab an Stab
Tastend, jede Ebene erspürend. So mutig diese Stäbe zu berühren, müssen sie doch darauf achten, nicht erwischt zu werden, wollen sie ihre Finger behalten.

Sie fragt, ob sie eine offene Rechnung schließen muss. Hat den Berg der Sprachbarriere irgendwie erklommen. Manche Buchstaben fehlen, die Grammatik ist ein Albtraum. Es sind viele Fragezeichen, die durch den Äther rauschen. Irgendwohin. Nicht wissend an was für eine Autorität genau gerichtet. Doch es ist klar, sie lebt mit zwei Bezahlsystemen und fragt nur, welches bei wem nötig wird.

„Nein, mein Herz du bist nicht in der richtigen Zeit.
Aber deine Angst passt in die Angst, um die Situation. Eine Verwechslung ist nur logisch.
Auch wenn sie uns unglaublich tief erschreckt.“
Der Vorhang schließt sich.

Schritt für Schritt für Schritt
Stolpern über Zeitfalten, verwickeln im Zeitstoffband, einen Strick daraus drehen und um den Hals legen.
Einer nach dem Anderen. Auf der Suche nach dem Galgen.
Auf der Suche nach einem Rezept, das es zu einem Zeitkuchen werden lässt.
„Damit ich dich besser fressen kann.“

Zeitfresser. In dich hinein, aus dir heraus.
Zeit, die wie schwarze Tinte über den Boden leckt.
Pfoten tauchen hinein und tragen sie weiter.
Schritt für Schritt für Schritt
Vorbei an Stab für Stab für Stab.

Es war meine Hand, die ihm aufgefallen war.
Flüssige Zeit, tropfenweise aus dem Moos neben der Regenrinne herausgedrückt. Sachte balanciert, durch das eingeschlagene Loch, in meine finstere Hölle. Meinen Käfig.
Fallengelassen in meinen staubig, ausgedörrten Mund.

Schritt Schritt links
Schritt Schritt Schritt links
Schritt Schritt links
Schritt Schritt Schritt links
Quadratur des Kreises

Vorhang auf, Bild hinein.
Wieso war ich da?
Vorhang zu.
Guck nicht hin.
Vorhang auf, Bild hinein.
der Sprachberg baut sich auf, lässt Lawinen herunter segeln.
Vorhang zu.
Wir begraben sie unter ihren Wortbrocken, bis sie nichts mehr sagen.

Schritt Schritt Schritt
Stab Stab Stab

Du hast Zähne, Krallen, Kraft.
Du könntest uns schützen.
Eröffne dich und trete in die Sonne.
Er hat dich gerettet.
Die Tür ist offen
Schon fast 12 Jahre lang.

Der Vorhang wackelt,die Realität scheint immer wieder in kleinen kaltheißen Blitzen hinein.
Blendet und verstört.
Dieses Tier ist nachtaktiv.
Vielleicht ist es ein Warten auf die Dämmerung.
Der Moment, in dem beide Seiten ein vages Erkennen schaffen könnten.

was dann kommt

Vielleicht hat schon mal jemand Geschichten von sogenannten “Wolfskindern” oder auch gehört- mindestens aber von Mogli aus dem Dschungelbuch.

Eigentlich sollte dieser Artikel hier eine der beliebten Disneyinterpretationen werden. Aber ich bemerkte schon beim Lesen der Inhaltsangabe, dass dies eine Geschichte ist, bei der es mir nicht gelingen würde, die rosarote Happy-Lifestyle-Zuckerscheiße mit dem Disneyemblem drauf runterzukratzen.

Zu nah ist die Isolation. Zu genau kennt mein Innen die Art von absolut existenzieller Überlebenskraft, welche hinter der Annahme von Tierischkeit oder, in etwas anderer Form, Verhaltensweisen des Hospitalismus stehen.
Zu genau, kennen wir die Gefangenschaft bzw. Umgebung die “wilde Kinder” produziert.
Deshalb verweise ich hier lediglich auf die Geschichte des Dschungelbuches und versuche mich anzunähern und das Eine oder Andere auszuformulieren.

Den ersten Teil des Geschehens der Befreiung bzw.den ersten Eintrittsakt hat Frau Kampusch in ihrem Buch “3096 Tage” schon gut angerissen. Man befreit sich- kommt endlich endlich raus- kommt endlich im Dorf an und was kommt dann?
“Hände hoch! Wer sind sie? Was wollen sie?”

Als würde man mit seiner Befreiung diese Worte in die Haut- die Seele- die Großhirnrinde gestickt bekommen, verlassen einen diese drei Punkte nicht mehr. Auch Jahre später nicht.
Wer bin ich?
Was will ich?
Ich muss zeigen, dass ich keine Bedrohung bin. Meine Waffenlosigkeit beweisen.

Von nun an gilt alles was ich gelernt und mir angeeignet habe, um zu überleben als falsch, deplatziert, unpassend, zu viel, unsozial. Und wenn ich das Pech habe durch die Tür einer Psychiatrie gehen zu müssen, weil es für Menschen wie mich schlicht keine staatlich geförderte Alternative gibt, auch noch als krank!
Die inneren Ergebnisse jahrelanger Misshandlung, Isolation und gesellschaftskonträrer Sozialisierung fallen nicht immer sofort als solche auf, weil kaum jemand einen so weiten Fokus hat, der auch beinhaltet, dass jemand Dinge für Wunder hält, die er selbst als selbstverständlich empfindet.

Als wir das erste Mal Freiheit erlebten, wurden wir eingesperrt. In eine Psychiatrie.
Zum ersten Mal in unserem Leben, erlebten wir eine einzige Welt- eure Welt- die Welt “der Anderen”. Eine Einzel-Welt, weil hermetisch verschlossen. (Eigentlich so ein Gleichnis)

Und statt Erleichterung und Glückseligkeit, war da Angst. Todesangst und permanente Verwirrung.
Niemand hat das gesehen. Und niemand sieht sowas bis heute an uns.
Vieles, was für andere selbstverständlich ist, ist für uns nachwievor mindestens verwunderlich oder ganz eigentlich verboten und nicht zustehend.

Wir schreiben hier unsere wirklichen Gedanken zu Disneyfilmen auf! Das hier sind keine gewollten Perspektivschwünge. Wir haben diese Filme nie zuvor gesehen- sind nicht mit dieser Art Verwischung und dem Dauerentertainment- diesem eigentlich gesellschaftlich akzeptiertem Abtöten des Geistes- aufgewachsen und empfinden sie nicht als normal bzw. sortieren das Sehen eines Filmes nicht als reine Unterhaltung ein.
Die Fragen, die hier stehen, stellen wir uns wirklich.
Die Dinge über die wir uns wundern, wundern uns ganz wirklich!

Und die Einsamkeit die wir hier beschreiben und in Worte zu bringen versuchen ist auch wirklich da. Nicht immer, weil wir wirklich real und physisch allein sind- aber immer weil wir oft wie auf kleinen Eisschollen durch menschliche Interaktions- , fremde Werte-, Vorstellungs-  Moralsümpfe treiben. An einer anderen- vielleicht basaleren Stelle verhaftet, als unsere Mitmenschen.
Wir haben keine Ahnung davon, wie man was am Besten sagt oder tut oder wie man was wann und wo am Besten macht oder auch nicht macht, wenn es plötzlich  nicht mehr ums schiere Überleben geht. Die Welt in der wir das noch ganz genau wussten und für die wir gewappnet sind, liegt hinter uns. Sie hat uns verletzt, verkrüppelt und auf eine Weise wachsen lassen, die uns niemals passend erscheinen lassen wird.

Mogli wird vermutlich auch vor einem Spind stehen und denken: “Was für Sachen?! Bett?! Essen am Tisch?! Keine Nacktheit vor Fremden?! Privatsphäre??? HÄÄÄÄ?!”
Doch Mogli ist ein Kind. Er hat wie viele andere “wilde Kinder” je nach Ausmaß der Schädigungen und Defizite, die Chance ganz offen nachsozialisiert zu werden. Da wird es jemanden geben, der versucht ihm das alles beizubringen.

Und bei uns?
Die Menschen, die professionell andere Menschen nachsozialisieren fragen: “Was wollen Sie (erreichen)?” und die Menschen, die mir so im Alltag begegnen fragen: “Wer bist du?”, bevor sie überhaupt nur irgendwas mit mir zu tun haben wollen. Sie erwarten ein Selbstkonzept und ein Gespür für soziale Identität, dass sich bei uns aber gerade erst entwickelt bzw. wahrgenommen und sortiert wird.
Kindern, unschuldigen Kindern, wird diese Schutzlosigkeit, diese Art des Ausgeliefertseins eher anerkannt als Erwachsenen. Kindern wird zugestanden, dass sie Dinge noch lernen müssen, dass sie ihre Position und ihren Weg erst finden müssen.

Verständnis für Schutzreaktionen, Ängste und die Art Unwissenheit- mindestens aber Unsicherheit, können wohl aber  insgesamt nur wenige Kinder und auch Erwachsene mit diesem Hintergrund erwarten.
Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann sich vorstellen, wie sich die innere Welt füllt und entwickelt, wenn man einzig sich selbst hat. Man fängt an Stellvertreter zu benutzen um das, was aus sich selbst heraus kommt, zu etwas zu machen was in sich hinein kommt. Einfach nur, um dieses Bedürfnis nach Ansprache zu befriedigen. So geschieht es, dass das Schottersteinchen, das man vor sich hat, einen Namen bekommt, eine Meinung, ein Gesicht. Es zum Zeugen und Tröster, aber auch Herausforderer oder Verhöhner wird.

Wenn ein Mogli bei Wölfen groß wird, hat er diesen (sozialen) Input natürlich. Doch ist es einer der nicht seiner Natur, seinen Fähigkeiten und seinem Potenzial entspricht. Ein Mensch ist ein Mensch. Ein Wolf ist ein Wolf. Es kann eine Kommunikation geben, einen Austausch und eine Verbindung, die das Überleben als Gruppe sichert, doch auf keiner der beiden Seiten, werden jeweils alle verfügbaren Kanäle benutzt und trainiert. Es geschieht eine Anpassung, aber nie eine komplette Verwandlung, wie es die frühen Darstellungen von “wilden Kindern” gerne weismachen wollen.

Was passiert mit Menschen(kindern), die lange Zeit nur sich oder einen (auf der biologischen Ebene) unzureichenden Kontakt hatten?

Dinge zu lernen und zu beherrschen ist ein Schutz. Je breiter das Interaktionsspektrum und die Möglichkeit diese auszuprobieren und anzuwenden, desto mehr Schutzmöglichkeiten gibt es. Hatte man nicht die Gelegenheit so zu trainieren bleiben ein- zwei Strategien alles was es gibt.

Kampf, Flucht, Starre.
Zerstörerische Ausbrüche
Vermeidungstänze in Form von Verhaltensstörungen, Süchten und anderen “Stellvertretern”
Unterwerfung, Anpassung, Dissoziation

Um zu lernen wie man in der neuen Welt besteht, muss man Platz für seine Verwunderung haben. Auf Verständnis für seinen Schutz stoßen. Auf jemanden treffen, der geduldig und vielleicht aus vielen verschiedenen Perspektiven heraus erklärt, wie die Welt funktioniert und gleichzeitig genug Halt gibt, um nicht unter der wachsenden Erkenntnis zerdrückt zu werden. Vielleicht braucht man eine Art Nach(ge)wachshaus.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass das etwas ist, das nicht gesehen wird. Vielleicht weil sich nicht jeder in dem Maß wundert und erschreckt wie wir. Vielleicht, weil für die meisten Menschen Sonnenlicht und Bewegungsfreiheit immer völlig selbstverständlich waren. Wenn etwas selbstverständlich ist, dann wird es wohl nicht mehr so oft hinterfragt.

Vielleicht ist es auch einfach auf eine Art basal, die nur dann wahrgenommen wird, wenn man selbst über lange Zeit hinweg auf der zutiefst eigenen Basis seiner Existenz zu stehen gezwungen war.

Vielleicht ist es diese Nähe zu sich selbst, die später trennt und vielleicht niemals zu überbrücken ist. Auch wenn man längst kein “wildes Kind” mehr ist, ein Bett benutzt, Kleidung auf der Haut aushält und menschsozialer Konventionen entsprechen kann.

Vielleicht ist es das, was meine Augen hat weinen lassen, als der Film zu Ende war.
Das Wissen, dass Disney verzuckert hat, was der bitterste, tiefste Bruch im Innern eines Menschen sein kann. Das Wissen, dass die ganzen Menschen, die “wilde Kinder” dokumentiert und beforscht haben, sich genau darüber nicht klar zu sein schienen.
Die Befürchtung, dass die Menschen die uns heute umgeben genau das auch nicht im Bewusstsein haben.

Die Angst im Innern vielleicht für immer diese Art “wildes Kind” zu bleiben.