Buchrezension: “zusammen gehalten, Dissoziation, Identität, Struktur”

Dieser Text enthält unbeauftragte Werbung.
Das Exemplar haben wir kostenlos von P. Rabe erhalten.

 

Spürbare Fragmente
Als “buntes Puzzlewerk” beschreibt sich die Autor_in Paula Rabe, die ihr Buch “zusammen gehalten, Dissoziation, Identität, Struktur” im Selbstverlag veröffentlicht hat.
Rabe ist Viele, die dissoziative Identitätstruktur nach organisierter Gewalt Kernthema der 93 Seiten starken Broschur. In Gedichten, Kurzgeschichten und aufbereiteten Momentaufnahmen wird das dissoziierte Sein anschaulich und er.fassbar beschrieben.

Stück für Stück
Jeder Text in dem Buch, ob Poesie oder Kurztext, ist Teil und Solitär zugleich. Zusammenhänge zwischen den Texten bieten einzig die Kapitelnamen, die wiederum einzelne Aspekte eines Er_lebens benennen.
”zusammen gehalten” erzählt keine Geschichte, es zeigt auf Geschichten, Er_Leben, Sein und Prozess in jemandem, die_r Viele unter Vielen nach organisierter Gewalt ist.

Intuition statt Kognition
Die Lektüre führt in das bisher für DIS-Literatur eher wenig genutzte Feld der Intuition als Mittel zur Annäherung. Nur wer mitschwingt, kann folgen. Wer das Erfasste kognitiv einordnen möchte, bleibt zuweilen ohne Orientierung.  Was bleibt ist das Weiterlesen. Die Motivation dazu muss intrinsisch sein, denn das multidimensional strukturierte Buch bietet keinen Anreiz linear von Anfang bis Ende zu folgen.
Wer es jedoch tut, wird mit Poetry-Slam tauglichen Gedichten und Einblicken in die innere Kommunikation des_der Autor_in.nen belohnt.

Für alle, die ein Gefühl dafür bekommen wollen
Paula Rabe gelingt mit “zusammen gehalten” eine Sammlung emotional anrührender Stücke, die Verbündeten und Helfer_innen eine Idee von dem vermittelt, was es bedeutet Viele zu sein und sich in Richtung Heilung von komplexer Traumatisierung zu bewegen.
Dies und der Aspekt der Signalwirkung, die jede von selbst konkret betroffenen Menschen verfasste Literatur hat, kann sicherlich auch anderen Vielen hilfreich und wohltuend sein.

Buchbesprechung: „Der Feind im Innern- Psychotherapie mit Täterintrojekten“ von Michaela Huber

„Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt?“, fragt die deutsche 9783873875838
Diplompsychologin, Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin für Traumatherapie Michaela Huber in ihrem Ende April 2013 im Junfermann Verlag erschienen Buch „Der Feind im Innern- Psychotherapie mit Täterintrojekten“.

Zwischen diesen Buchdeckeln finden Opfer, TäterInnen und HelferInnen einen Platz, was in dieser Form einmalig ist. Die Autorin schafft es, mit zahlreichen Interviews, einer ausführlichen Falldarstellung sowie ihren Erfahrungen professioneller, aber auch persönlicher Natur, den Einfluss früherer (Bindungs -)Traumatisierungen als gewichtiges Element im Kreislauf der zwischenmenschlichen Gewalt im Großen wie im Kleinen klar darzustellen.

So wird zum Beispiel im Kapitel „Krieg im Alltag – und was wir tun sollten“ anhand der Wirtschaftsbörse dargestellt, welches Maß an gewaltätigem Potenzial den darin arbeitenden Menschen abverlangt wird, um überhaupt erfolgreich zu sein. Eine Skizzierung der Weitergabe von Traumatisierungen und der Wirkung kompensierender Verhaltensmuster sowie der Veränderung selbiger finden sich im Kapitel „Kleine Studie in Bösartigkeit – und ihrer Verwandlung“ und auch „Cherchez la Femme – Frauen transportieren die Gewalt weiter“.

Um die Darstellung von Ursache, Wirkung und Folgen von Gewalt geht es in weiteren Kapiteln mit jeweils unterschiedlichem Schwerpunkt. So finden sich Erkenntnisse der Neurobiologie und Psychologie, ohne jedoch „eingleisig“ zu erscheinen. Immer wieder wird auf andere Zusatzfaktoren hingewiesen. Zum Beispiel die unzureichende Finanzierung und den grundsätzlichen Mangel von ausreichend (intensiven) therapeutischen Angeboten im Interview mit Karl Heinz Brisch (Traumaforscher und Kindertherapeut sowie leitender Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital München), welches den treffenden Titel „Es gibt keine kindlichen Psychopathen – aber bindungsgeschädigte Kinder!“ trägt, sowie immer wieder in vielen anderen Kapiteln.

Der wiederkehrenden Forderung „alle Täter raus – alle wegsperren – die sind alle krank“ begegnen sowohl Michaela Huber als auch die von ihr interviewten Kollegen Marianne Wick (deliktorientiert arbeitende forensische Psychotherapeutin in der Schweiz) und Frank Urbaniok (Chefarzt der größten forensischen Institution Schweiz sowie Professor in den Universitäten von Zürich, Bern und Konstanz) mit Einblicken in ihre Beobachtungen und Erfolge ihrer Arbeit mit Straftätern, als auch mit der Beleuchtung der Steuerungsfähigkeit von Menschen und des Schuldprinzips in Bezug auf die Prävention von Gewalt(wiederholung).

Über psychotherapeutische Methoden und Heilungs- bzw. Veränderungswege gewähren das Fallbeispiel der „Frau K.“, zu welchem auch Renate Stachetzki (leitende Psychologin und Kunsttherapeutin im Plankrankenhaus des PTZ Kitzbergklinik in Bad Mergentheim) interviewt wurde, als auch der Austausch mit der sog. „Innenperson“ Sandra in einer Klientin mit dissoziativer Identität und dem selbst zum Straftäter gewordenen „Herrn L.“ sehr gute und durch ihre Vielschichtigkeit wertvolle Einblicke.

Zahlreiche Studien sowie Literaturverweise im Anhang ermöglichen zudem jederzeit ein „Abbiegen“ in einen weiteren Teilbereich des Themenkomplexes um die Frage, wie man Ohnmacht und Gewalt beenden kann.
Die alltagsnahe Sprache sowie die klare Textstrukturierung ermöglichen eine leichte Annäherung an das Thema und werden seiner Komplexität und Tiefe dennoch gerecht.
So wird ein breiter Zugang zum Themenkomplex auch für Menschen ohne viele Vorkenntnisse ermöglicht.

Es ist ein Werk, das sowohl Fachwissen verschiedener Professionen als auch Mut zur Begegnung und Veränderung vermittelt.
Das Buch enthält auch einen Appell an die Politik sowie den, an die Courage des lesenden Menschen. Es ist Literatur, die allgemein mutig macht, weil sie sowohl Menschen, die an der Veränderung eigener Gewaltmuster und dem Kontakt mit den eigenen „inneren Oppositionellen“ oder auch Täterintrojekten arbeiten (wollen), als auch PsychotherapeutInnen und den Verbündeten in anderer Funktion, eine Positionierung durch Verständnis ermöglicht, ohne auf die verbreitete „Gut -Böse“-Dualität allein zurückgreifen zu müssen.
Eine Positionierung zu finden, bedeutet „Boden unter den Füßen“ zu haben. Einen Boden, der einen selbst trägt. Einen Boden, auf den man auch aufstampfen kann. Eine Grundlage, auf der man aktiv für eine Veränderung eintreten kann.

Das alles macht den Titel „Der Feind im Innern – Psychotherapie mit Täterintrojekten“ zu einem wertvollen Stück Fachliteratur, aber auch Wegweiser im großen Rhizom der Frage: „Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt?“

Ich persönlich bin froh und dankbar es gelesen haben zu dürfen.
Einfach schon, weil ich im Anschluss an die Lektüre ein Gefühl von Boden unter den Füßen und klarer Stärkung meiner Veränderungsimpulse feststellen durfte. Etwas, das mir für meine eigene Psychotherapie weiterhelfen wird.

 

 

Kurzsteckbrief zum Buch:
Michaela Huber
„Der Feind im Innern- Psychotherapie mit Täterintrojekten“
Erschienen am: 23.04.2013
Seitenanzahl: 368 Seiten
Umschlag: Kartoniert
Format: 17.0 x 24.0 cm
ISBN: 978-3-87387-583-8
Preis: 36,90€
Bestellmöglichkeit: Junfermann Verlag