F.

F. war 5, als sie sich das erste Mal die Nase am Aquarium des mit uns verbündeten Menschen, die Nase platt drückte.
Auf die Frage wer sie denn sei, schwieg sie beharrlich, hatte sie doch eine Mission. „Achtung, jetzt kommt was- Augen und Ohren auf, mach dich ganz weit, damit alle hinter dir in Sicherheit sind.“

„Wenn ich groß bin, werd ich Ichtikologin. Das sind Leute, die sich mit Fischen auskennen. Hast du das gewusst?“. Elegant sind ihre Aufforderungen zum Vermeidungstanz bis heute.

Sie kauften ein zweites Aquarium zusammen. Einen „Fischekäfig“.
F. durfte mit aussuchen. Sie wurde gefragt, welche Fische sie schön fand und sie wurden dann auch gekauft.

In der Schreibtischschublade bei uns zu Hause, wuchs der Stapel von Bildern, auf denen zu sehen war, was sie alles auf einmal durfte. Katzen streicheln, Fische aussuchen, Blumen pflücken, Süßigkeiten essen, albern sein, etwas über „Prokojoten und Eukanidoten“ (Prokaryoten und Eukaryoten) erfahren, Spongebob gucken, eine Verbündete haben, Sachen fragen und erklärt bekommen…

Und dann, nach vielen solcher Momente, wurde sie zur Helferin für unsere Verbündeten.
„Sag mal F. kennst du das Innen, das…? Weißt du was es will? Was kann man da machen?“.
F. wusste es nicht immer, aber oft schon. 184426_web_R_K_B_by_Verena N._pixelio.de

Sie richteten unsere Guppyfarm ein. Wenn der Mensch mal keine Zeit für sie hatte, saß sie davor und fing an, den Fischen von ihm zu erzählen, während im Innen die Ohren aufgingen und lauschten.

F. ist gewachsen.
Jeder Moment mit diesem Menschen, der sie so ernstnahm und achtete, brachte sie mit weniger klar umrissenen Innens zusammen. Sie erwarb Kompetenzen wie Geduld, die Möglichkeit sich klarer auszudrücken und die Fähigkeit Gefühle, die ihr vorher fern lagen, wahrzunehmen.

Nach ein paar Jahren, stand sie dann da und sagte, dass sie jetzt „zweistellig ist“. Sie fühle sich älter und würde keine Babywörter mehr sagen. „Das ist kein Fischkäfig!“- sie atmete ein und sagte, als würde sie mit einem Menschen sprechen, der es nicht wüsste: „Das ist ein A-qua-ri-um! Ich bin nicht mehr klein. Du kannst jetzt ruhig mit Erwachsenenwörtern reden.“.
Es wurde gewürdigt. Das Wort blieb trotzdem. „Weils so niedlich ist.“

Wir haben von F. und über F. viel über uns selbst erfahren.
Ihre Aufgabe ist wichtig- auch wenn ihre Anwesenheit einen Hintergrund hat, den wir bis heute nicht kennen und ihr Auftauchen oft nicht an äußeren Umständen festmachen können. Sie hat einen Blick auf die Welt und ihre Menschen, der uns Alltagsinnens komplett fern und doch etwas ist, dass uns schon manches Mal geholfen hat, wenn er uns reflektiert wurde.

Sie ist ein Innenkind. Kindlich- doch das schon sehr lange. Sie versteht nicht immer alles gleich, aber sie kennt keine Scham wenn es darum geht, Dinge herauszufinden oder die Vermittlung dessen einzufordern. Sie mag Tiere und weiß, wie man mit ihnen umgehen muss. Ihr Blick dafür ist messerscharf und gleichsam intuitiv.

Sie wartet nicht darauf, dass sie jemand schützt. Sie wartet darauf, dass das Gegenüber merkt, dass es das bereits durch sein Sein tut.

Und doch.
Wenn sie im Körper war, habe ich blaugraulila Fingerspitzen und kalte Füße. Fühle in mir einen schrecklichen Gefühlsnachhall und Blitze in der rechten Sichtperiphere, während ich auf dem linken Auge lange nur sehr unscharf sehe.
Ihre innere Weite kommt mir manchmal vor, wie die liebenswerte Verpackung einer Bombe. Dann bin manchmal froh, dass sie für manche Menschen auf immer „die Kleine mit dem Fischekäfig“ sein wird und nicht die Stallhüterin der inneren Apokalypsenreiter, der sie auch ist.

Wir lernen an ihr, dass Innenkinder mehr sind, als der Einsmensch „C. Rosenblatt“ als Kind; oder als eine Ansammlung von Bewältigungsstrategien für die Gewalt in unserem Leben, die irgendwann abgepalten wurden, ohne sich weiter zu entwickeln. Sie ist ein Teil von uns, der sich doch bis heute nie ganz gezeigt hat, obwohl er, wenn er da ist, unübersehbar ist.

Das breite Lächeln und der leicht federnde Vermeidungstanz, ist dann doch immer wieder das, was überwiegt.
Bis sie sich vielleicht doch irgendwann mal eine Pause erlauben kann.

Waldgeflüster oder: Wofür ich “meine Herzen” bewundere

Ein Flug durch den Wald. Etwas erleben. Kontakt mit der Welt und dem Leben versuchen.

– ”Hach….”, sie seufzt tief
– ”Hm? Was ist mein Herz? Brauchst du noch etwas?”
– ”Ich?! Nee! Aber ich freu mich über die Sonne!”
– “Hä? Ist doch kaum noch zu sehen?”
– “Also… sag mal bist du blind?”
– “Öhm…”
– “Gib ma her…”

Ihre Finger grabschen nach dem Fotoapparat. Sie hängt sich in Schweinebammelmanier von mir herab und knipst los

CIMG1532

CIMG1526

CIMG1524

CIMG1507

– “Da isse doch!”, sie grinst mich breit an. “Weißt wie das ist? Die ganzen vielen Bäume atmen die Sonne im Frühling und Sommer ein. Und im Herbst, wenns kalt ist, dann können sie nicht mehr anhalten und atmen die gaaaaaaaaanze ganze Sonne wieder aus. Nur für uns Menschleute! Das ist doch lieb von denen ne?”

Ich kann nichts erwidern.
Ich bin tränenblind über soviel innere Weisheit.