Krefelderin meldet Kinderpornografie der Polizei – und wird deswegen entlassen„, so titelte vorgestern die westdeutsche Zeitung.
Es geht um eine 24 Jahre alte Mitarbeiterin eines Fotostudios, die Fotos eines Kunden bearbeiten wollte, um korrekte Abzüge herzustellen und dabei entdeckte, dass es sich um sogenannte „kinderpornografische“ Bilder handelte. Sie sprach ihren Vorgesetzten darauf an und drängte darauf zur Polizei zu gehen.
Ihr Chef hingegen meinte, da keine Handlungen an den Kindern zu sehen seien, könne man sich den Gang zur Polizei schenken. Sara Dahlem hingegen, ging zur Polizei, wo man die Bilder sehr ernst nahm und Ermittlungen einleitete, die den Verdacht erhärteten.
Ihr Vorgesetzter entließ sie in Folge dessen mit der Begründung „sie hätte sein Vertrauen missbraucht und Daten gestohlen“.
Ich habe mich gestern mit jemandem über Twitter ausgetauscht und dabei am Ende geschrieben:
„Schweigen ist das Verbrechen Nummer 1, wenn es um Straftaten geht“
Und ich weiß, dass ich damit Recht habe,
Es gibt kein Gesetz, das Menschen zu Aussagen zwingt.
Es ist lediglich ein Gebot, zur Aufdeckung und Klärung von Straftaten beizutragen, indem man Beweise und Aussagen an die Polizei richtet.
Ein Appell an Zivilcourage sozusagen, dem Frau Dahlem nachgekommen ist und dafür auch geehrt wurde.
Das Problem beginnt beim Thema „Kinderpornografie“, meiner Meinung nach, oft schon bei der Unklarheit darüber, was genau der Straftatbestand ist.
Der ehem. Chef der jungen Frau war der Meinung, um solche Fotos als pornographisch zu bezeichnen, müsse Misshandlung zu sehen sein, was faktisch falsch ist. Das ist, was der Begriff „Pornographie“ vermittelt.
Das, was man im Sexkino oder auf diversen Streamingplattformen im Internet findet (und jetzt rede ich von legaler Pornographie), stellt Sex unter erwachsenen, mündigen Personen dar, die dafür bezahlt werden zu tun, wobei sie gefilmt, fotographiert und sonst wie aufgenommen werden.
Es sind Schauspieler, die ihre Arbeit entlohnt bekommen und strenge Auflagen erfüllen müssen, um dieser nachzukommen. Sie können (mehr oder weniger) frei entscheiden, ob sie so dargestellt werden wollen oder nicht. Sie unterzeichnen einen bindenden Arbeitsvertrag.
Kinder sind nie mündig. Sie sind nicht geschäftsfähig. Sie können nicht frei wählen, wie sie dargestellt werden und wo. Nie! Selbst Kindermodels unterzeichnen keine Arbeitsverträge, sondern immer ihre Eltern bzw. ihr Vormund. Das ist schon mal der grundlegendste Punkt bei der Unterscheidung zwischen legaler Pornographie und illegaler Nacktheitsdokumentation.
Dann die Darstellung.
In dem Artikel steht, dass die Frau freudlose nackte Kinder sah- ich vermute mal, dass es sich um sogenannte „Posing-Aufnahmen“ gehandelt hat. Kinder, die in einer Haltung von SexdarstellerInnen standen, saßen oder lagen. So, wie es ihnen von jemandem gesagt wurde.
Es seien auch explizite Darstellungen von Genitalien dabei gewesen.
So zack- da ist schon der Straftatbestand.
Immer wenn darauf abgezielt wird, mit der Darstellung von Kindern bzw. ihrer Körper, eine sexuelle Stimulierung zu provozieren, ist völlig klar, worum es sich handelt! Mit dem Posing zum Beispiel ist absolut klar, was erreicht werden soll. Bei der expliziten Darstellung von Körperteilen, außerhalb medizinischer oder lebenswirklichkeitsnaher Kontexte, ist es das Gleiche.
Ein Foto von nackt im Pool badenden Kindern, im Garten, im Sommer, bei einer Feier, ist für die Justiz kein Fall von Kinder“pornografie“- was natürlich nicht heißen muss, dass ein Konsument mit sexuellem Interesse an Kinderkörpern, dieses Foto nicht auch erregend findet.
An dieser Situation regt mich der ehem. Vorgesetzte natürlich am Meisten auf. Nicht nur, weil er seine Angestellte für ihre Courage bestraft hat und dafür auch noch den egoistischsten Grund angab, der mir dazu in den Sinn kommt, sondern, weil er aufgrund seiner eigenen Desinformation, im Grunde genommen, fast noch eine Quasi- Mittäterschaft seiner Angestellten verursacht hätte.
Sie hätte mit der Herstellung der Abzüge illegales Material produziert! Wissentlich- denn ihr war ja schon klar, was auf den Bildern zu sehen ist.
Der zweite Punkt ist, der Menschliche. Einfach davon auszugehen, dass sein Wissen richtig ist und im Nachhinein nicht einmal den- Verzeihung- Arsch in der Hose zu haben und seiner Angestellten zu sagen: „Boa ja, du hattest Recht. Ich habe mich getäuscht. Ich habe es nicht besser gewusst- tut mir leid! Gut, dass du nicht auf mich gehört hast.“, das ist einfach niedrig. So etwas ist, in dem Fall, die Schublade noch unter der Untersten.
„Kinder“pornographie“ stellt, laut Bundeskriminalstatistik, 15% der gesamten Straftaten, die gemeldet wurden. Und sie stellt lediglich ein Produkt von (sexueller) Kindesmisshandlung dar, welche noch weniger oft tatsächlich auch bei der Polizei aktenkundig wird. Es ist eine Mauer, die sich zusammensetzt aus Heimlichkeit, Profitgier, Angst und Schweigen, die eine Aufklärung der Straftat verhindert.
Oft wird sie auch noch eingehüllt in einen Schleier von Grenzlegalität.
Beispiel: FKK- LiebhaberInnen und ihre Lobby.
Monika Gerstendörfer beschrieb ihrem Buch „Der Kampf um die verlorenen Wörter“, wie die Tauschbörse in diesem Bereich, mehr oder weniger offen Nacktheitsdokumentation von Kinderkörpern in Umlauf bringen kann. Der Titel sagt etwas über einen Familienurlaub an der See- zu sehen sind aber nackte Kinder, die stundenlang Holz hacken. Von hinten gefilmt, immer wieder. Kinder, die breitbeinig im Sand sitzen und ganz offensichtlich immer wieder Anweisungen erhalten.
Unterm Strich: Kinder“pornographie“. Hier sind meine Anführungszeichen sogar richtig gut gesetzt, denn pornographisch, im Sinne legaler Sexfilme, ist an Holz hackenden Kindern jawohl mal so gar nichts.
Dieser Film löst ausschließlich bei Menschen mit sexueller Präferenz auf Kinderkörper auch sexuelle Erregung aus. Er ist ergo gezielt für diese Konsumenten gemacht worden. Und diese würden einen Teufel tun, um zur Aufklärung der Umstände der Entstehung dieser Filme beizutragen. Sie profitieren davon- werden zu einem Täter, indem sie konsumieren, ohne den Besitz zuzugeben oder der Polizei zu melden, woher sie ihn haben.
Schweigen ist eine Täterschaft ohne Strafe. Erst bei Kenntnis der Polizei von Kenntnis eines Täters oder Zeugen, kann es ausgelegt werden in Verschleierung oder (Be- ) Hinderung der Polizei bzw. später vor Gericht, der Justiz.
Das Schweigen der Opfer, ist die zweite Stütze dieser Mauer.
Wie gesagt, ist Nacktheitsdokumentation von Kindern zur sexuellen Erregung anderer Menschen, lediglich ein Produkt des Tatbestandes der (sexuellen) Kindesmisshandlung. Schon das Erzwingen diverser Posen ist Kindesmisshandlung, egal, ob sie dann für Dokumentationszwecke gefilmt oder fotographiert werden, oder nicht.
„Gutes Material“ erfordert Übung und das komplette Ablegen von schamhaften Verhalten. Kein Kind „übt“ diese Posen und Handlungen freiwillig ein. Es steht immer Angst, Bemühen um Fürsorge und Entsprechung der Autorität zur Sicherung des eigenen Überlebens im Vordergrund. Sie müssen sich foltern lassen, um zu überleben.
Im Zuge dessen sollten wir auch, wie Monika Gerstendörfer es bereits zu Lebzeiten vorschlug, den Begriff der „Kinderfolterdokumentation“- oder so wie ich jetzt- die Umschreibung der „Nacktheitsdokumentation von Kindern zur sexuellen Erregung anderer Menschen“, verwenden.
Diese Begriffe sind klarer. Sie verleiten nicht dazu, in den Kindern bezahlte, mündige SexarbeiterInnen zu sehen, wie Dolly Buster und ihre KollegInnen. Außerdem verhindern sie die Vorstellung von „Sex mit Kindern vor laufender Kamera“.
Die Kinder in diesen Filmen, leiden auf basalster Ebene, werden ausgebeutet, spulen eingefolterte Handlungsmuster ab und haben keine Chance anders zu handeln. Und obendrauf, sind die Zeugnisse ihrer Qualen für immer im Internet, über lange Zeit auf Tauschbörsen, schwarzen Brettern, in Schubladen, auf Speicherkarten… im Umlauf. Von ihrem Leiden wird noch profitiert, selbst wenn sie erwachsen sind.
Sie schließen keine Verträge ab, die sie juristisch anfechten können und alles, was sie an Lohn erhalten, ist ihr eigenes Leben.
Ein Leben, um das sie zu Recht fürchten müssen, wenn sie sich der Polizei stellen, um Aussagen zu diesen Taten an sich zu machen. Diese Art der Dokumentation ist „ein Millionengeschäft“, wie es BKA-Chef Ziercke in der ZDF- Sendung „Missbrauch auf Mausklick“ sagte.
Wo viel dran hängt, wird viel getan, um es zu erhalten. So werden auch Opfer mit dem Tod oder mit der Zerstörung ihrer Glaubhaftigkeit bedroht. Letzteres ist übrigens noch das Leichteste, denn Ungläubigkeit und sogenanntes „victim blaming“ aus Vermeidungsintensionen heraus, sind Usus in unserer Gesellschaft.
Wir haben die Unschuldsvermutung eines potenziellen Täters fest etabliert (was gut ist- keine Frage! Falschanschuldigungen können ebenso zerstören, wie berechtigte), doch die grundsätzliche Annahme einer echten Opferschaft nicht.
Immer wieder wird zuerst gezweifelt und den Opfern eine (Mit-) Schuld, eine eigene Verantwortung, eine Provokation oder direkt die Lüge unterstellt. Gerade, wenn man als erwachsener Mensch angibt, als Kind (sexuell) misshandelt oder auf diese Art entblößt dargestellt worden zu sein, aber keine Sachbeweise liefern kann (was logisch ist, denn Kinder haben meistens nicht den Handlungsrahmen, der ihnen die Sicherung von dieser Art Beweisen ermöglicht).
Die Polizei „hasst“ reine Zeugenaussagen zu einem Fall, da die Wahrnehmung jedes Menschen unterschiedlich ist, vor allem aber in Bezug auf frühere Straftaten. Das Gedächtnis füllt Lücken selbstständig und das nicht 100%ig wahrheitsgetreu. So kann der Täter in Wahrheit 1,60m groß gewesen und bekleidet mit einem hellblauen Shirt, doch in der Erinnerung 2m groß mit einem weißen. Eine traumatische Misshandlungssituation für das Opfer stundenlang gedauert haben, in der Realität aber nur 20 Minuten.
Stichhaltige, wahre Angaben aber sind es, die die Polizei braucht, um aktiv zu werden.
Im Fall von Kinderfolterdokumentation wird es sogar noch haariger, denn die Polizisten dürfen nicht eigenmächtig, auf Tauschbörsen und diversen Plattformen, gezielt nach Filmen und Fotos der Opfer suchen. Sie würden sich dabei selbst strafbar machen. (Genauso wie die Opfer, wenn sie sich selbst so auf die Suche machen). Alles was sie tun können ist, bereits sichergestelltes Material zu sichten. Ist das Opfer nicht dabei, hat es eben Pech gehabt.
Keine Aufklärung, kein Ende der Gewalt an anderen Kindern.
Durch ihren couragierten Gang zur Polizei, hat Sara Dahlem dafür gesorgt, dass wieder ein paar Kinder die Chance auf Rettung durch Kenntnis der Polizei bekommen können. Der Fall liegt nun bei der Staatsanwaltschaft und es kann zumindest gegen den Kunden, der ihr einen USB-Stick mit den Fotos zum Ausdrucken gab, ein Verfahren wegen Besitzes von „Kinderpornographie“ geben.
Ich für mich persönlich hoffe, dass sich ihr ehemaliger Chef in Grund und Boden schämt und sich in aller Deutlichkeit fragt, warum ihm so wichtig war, die illegalen Dateien des Kunden nicht bei der Polizei wissen zu wollen. Warum ihm das Vertrauen seiner Kunden auf seine Verschwiegenheit so viel wichtiger war, als die Aufdeckung von Kinderfolterdokumentation und damit der Schutz von Kindern überhaupt.
Für Sara Dahlem hagelt es nun Jobangebote und Lob von allen Seiten.
Sie hat es verdient und ich freue mich für sie.
Doch mein Appell bleibt: Hört auf von „Kinderpornographie“ zu sprechen! Nennt es Kinderfolterdokumentation oder umschreibt die Tatsachen!
Alles andere vermittelt, über die Sprache, den Opfern eine Wahl, die sie de facto nicht haben!
Zum „Porno“ werden diese Qualen erst durch Täteraugen.
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