nach vorn drehen

Ich erlebe Neujahr, als einen Moment, in dem ich vor Neuem stehe. Die Erwachsenen da draußen in der Welt reden von einer Illusion, die Coolpeople und die, die alles bessergut können, waren gestern um 10 im Bett, muffeln heute ausschließlich über den Abfall draußen und die Geldverschwendung “der Anderen”.
Ich bin kurz nach 3 ins Bett getaumelt, dachte daran, dass morgen alles neu beginnt und schlief selig mit der Nase an NakNak*s Stirn ein.

Sie hat mich mit ihrem üblichen Morgenwüffen, zu ihrer üblichen Zeit geweckt. Ich bin wie üblich an die Kaffeemaschine und wie immer runter in den Garten gegangen.

Das Neue begann mit dem Moment, in dem mich die Stille des Neujahrsmorgen umschloss.
Ich bin richtig aufgewacht und spürte, dass natürlich viel Üblichkeit noch da ist. Nichts ist verschwunden. Nichts verschwindet wirklich jemals.
Aber, wenn man Dinge neu betrachtet, sieht man die Möglichkeiten sie zu verändern. Kleinigkeiten anders zu machen. Vielleicht auch besser oder mehr, aber immer anders.

Mir macht es Angst vor neuen Jahren, Kontakten, Wegen und Möglichkeiten zu stehen, weil es die Wahrscheinlichkeit gibt, dass ich sie kaputt mache.
Dass ich immer alles kaputt mache, ist eine ganz alte Wahrheit und wirklich an Relevanz verloren hat sie im Laufe der Jahre nicht. Aber an Brisanz.

Ich habe lernen dürfen, dass nichts je festgeschrieben ist und immer wieder neu betrachtet werden kann. Ob heute oder morgen, im Februar oder Oktober- ganz egal.
Es gibt die Wörter ‘und’, ‘vielleicht’, ‘auch’. Ich möchte sie leben, um mich lösen zu können.
Meine Freiheit er.leben zu können.

Es gibt viel Schmerzhaftes und Erdrückendes in meinem Leben, das ich nicht verändern oder wegmachen kann und doch glaube ich nicht daran, dass ein gutes Leben dann eines ist, wenn es diese schmerzhaften und er.drückenden Dinge nicht mehr gibt. Ich glaube, es ist gut, wenn ich daneben auch Schönes, Warmes, Liebe.volles habe.

Am Neujahrsmorgen sieht es draußen chaotisch aus und in meiner Wohnung und in mir selbst auch.
Und ich stehe vor diesem einen Tag im Jahr an dem alle Menschen ein bisschen entrückt, ein bisschen neu, ein bisschen fremd, ein bisschen ängstlich, ein bisschen trunken, ein bisschen ungeformt sind und spüre meine Angst, mit jedem Tun etwas kaputt zu machen, neben meinem leichten Mutschwung meine Wohnung aufzuräumen, mir unter der Dusche das alte Jahr abzubrausen und im Spaziergang mit NakNak* meine innere wie äußere Welt anzuschauen.

Es ist dieser Mut zur Gleichzeitigkeit, dieses eine kleine Zeitfenster, in dem es nicht schlimm wäre, irgendetwas oder jemanden zu berühren, den ich mir zu keinem anderen Zeitpunkt im Jahr anzunehmen erlauben kann.
Jetzt kann ichs.

Also tu ichs.

Jahrwünsche

Mut

pochpochpochKunst Eine interessante Blogparade hat Johannes auf seinem Blog ins Leben gerufen und mich heute beschäftigt.
Er schreibt: “In dieser Parade soll es um das Mutmachen gehen. Wie sprecht ihr euch selbst Mut zu, wie ermutigt ihr andere? Was sind Erlebnisse, in denen ihr euch ein Herz gefasst habt und eigene Grenzen überwunden oder anderen bei der Überwindung ihrer Grenzen geholfen habt? Wie weit seid ihr dabei gegangen und wie ist es euch damit ergangen?”

Für mich ist diese Blogparade interessant, weil die Rezeption so vielfältig ist.
Für manche Menschen geht es um Mut als Antrieb zu aktivem Handeln. Angst und Vermeidung wird als Gegenteil von Mut aufgefasst und positive Wirkungen unterstrichen.

In meinem Leben spielt Mut in etwa die Rolle des heiligen Grals.
Mut ist ist etwas, das man sich leisten können muss. Um mutig zu sein braucht es Sicherheiten in Bezug auf sich, auf G’tt, auf den Lauf der Dinge… auf “das schon alles gut werden wird und wenn nicht- dass man es dann eben anders schaffen wird”.

Ich finde es spannend, wie viele Situationen wir in unserem Leben, manchmal auch erst im Nachhinein, als Mut abverlangend oder uns in ihnen mutig agierend betrachten.
Wie wir, als wir merkten, dass wir nicht sterben würden, trotzdem nicht wieder zur Familie* zurück gingen.
Wie wir uns jeden Tag neu Menschen nähern und und mit ihnen umgeben, obwohl es gerade Menschen sind, die uns am meisten verletzten und bis heute verängstigen mit allem, was sie tun.
Wie wir uns jeden Tag wenigstens einen kleinen Krümel Leben auf den Teller legen und ihn uns einverleiben.

Ich kann mir dafür keinen Mut zusprechen, nur Sicherheiten vermitteln.
Mein Trick ist, auf eine bestimmte Art zu atmen, in Licht zu verschwinden und im Dasein herumzutreiben, etwa, wenn ich bete, mich in Musik hineinlege oder auf ihr tanze; mit Farben und Formen verschwimme, dem Atem von NakNak* folge.
Immer wenn ich spüre, dass ich lebe, werde ich mutig mich dem Leben zu widmen.

Grenzen zu überwinden spielt in meiner Lebensrealität keine Rolle, weil ich sie brauche. Ich habe mehr Interesse daran für mich auszutarieren, wo die Grenzen meiner Fähigkeiten liegen und wie sie sich anfühlen, als sie aus Gründen, die nicht in mir selbst liegen, immer weiter und weiter auszureizen.
Jeden Tag aufs Neue, erlebe ich, wie viel mehr Mut mir meine innere Haltung mich nicht von anderen Menschen durch Erwartungsdruck, Ansprüche, Ignoranz und Missachtung in meinen Grenzen berühren zu lassen, abverlangt, als dem nachzukommen und meine Grenzen aufweichen zu lassen.

Im Kontakt mit Menschen, die hier und da Mut zugesprochen brauchen, finde ich es wichtig, ihnen zu sagen, dass Mut etwas ist, das man vorher immer anders nennt.
Durchgeknallt, irre, völlig verrückt, abgedreht, von allen guten Geistern verlassen, nicht ganz bei Trost, ohne Tasse im Schrank, hamsterlich jodelnd, nicht ganz dicht… zum Beispiel und, dass Mut manchmal auch nur von sich selbst belohnt wird.

Die mutigste Tat in meinem Leben war und ist, nicht still zu bleiben.
Es kostet mich unfassbar viel Kraft, Worte für das zu finden und zu verwenden und an die Menschen zu richten, was ich früher wie heute an mir und der Welt wahrnehme.
Ich könnte diesen Weg bis an meine Grenzen der Leistungsfähigkeiten nicht gehen, wenn es ihn nicht gäbe

den Mut der Verzweifelten.

Ich verändere damit nicht die Welt; beende ganz sicher nicht endlose Debatten und Ängste kann ich damit auch nicht zerstreuen, aber ich kann ein Beispiel sein, das anderen Menschen vielleicht manchmal das eine klitzekleine bisschen Selbst- Sicherheit gibt, die sie brauchen, um ihren Mut in sich zu fühlen und ins eigene Fühlen, Denken und Handeln zu kommen.
Ich kann Menschen den Mut spüren lassen, der manchmal kommt, sobald man spürt, das man nicht alleine ist.

nur die Zeit suchen

Es war in einem Gespräch. Sie sagte, sie habe sich vergewissert, versichert vielleicht. Ich weiß nicht. Ich höre nur mit einem Ohrteilstück zu.
Sie, die Große, die Mutige, Starke redet und ich bin eine Fussel auf ihrer Haut, die jeden Moment von ihr abfallen kann. Da hat sich jemand ermutigt und vergewisssichert. Mutig und doch schlotternd gleichzeitig.

Ich bin zu ängstlich für so etwas. Obwohl der Wille da ist.
Ein paar Versuche machen die anderen. Sie sprechen manchmal für mich. Manchmal wissen sie das nicht einmal. Manchmal bin ich eine Fussel in ihrem Gehirn und aus ihrem Mund, quellen meine Fasergedanken und langfädigen Ängste.

Und manchmal, da ist Versicherungsgewissheit an sich schon genug, um mich zu erschrecken. Dann muss ich so tun, als suchte ich eigentlich etwas anderes als das, was ich eigentlich suche. So gehe ich durch den Wald und tue so, als suchte ich den Herbst. Niemand sollte je auf die Idee kommen, ich klitzekleine Fussel krabbelte über die Beziehung mit anderen Menschen und taste sie mit meinen Faserfadenenden ab.

Nein, nein. Ich laufe durch den Wald und suche den Herbst.

P1010185

Nein, ich sehe keine Muster, die mich immer wieder den gleichen kleinen Tod sterben lassen. Mich vor Angst einfach auslöschen lassen. Ich sehe die Adern der Natur, die der Herbst hervortreten lässt.

P1010196

„Ich kann allein sein“, denke ich. Ich werde allein gesehen. Das ist doch, was ich immer wollte. „Nein, ich bin nicht Viele. Die anderen vielleicht, aber ich nicht. Ich bin ich allein. Das Viele ist nicht ich.“. Und dann ist dort ein Anblick, der mich tröstet. Ein bisschen versöhnt, vielleicht.

P1010189

Niemand soll denken, ich könnte nicht alles gleichzeitig. Niemand sollte je denken, ich würde irgendetwas brauchen, um etwas zu können. Ich bin nicht abhängig von Sichergewissheit.
So wie diese Blumen, die noch immer blühen und viele Insekten ernähren, obwohl der Herbst schon sichtbar, spürbar, nachweislich erprüfbar ist.

P1010217

P1010221

Ich will vor anderen auch einfach so sein. Würden sie spüren, dass ich über das Band zwischen uns krabble, sie würden vielleicht nach mir ausschlagen, wie nach einer der nun verirrt herumsuchenden Bienenköniginnen.
Diese kommen um zu schlafen, den Winter, die kalte Zeit zu überstehen. Nicht um zu bleiben. Nicht, um die Süßigkeiten wegzufressen, Schmerz zu bereiten oder zu stören. Sie kommen um zu überleben. Vielleicht im nächsten Jahr zu funktionieren und zu erschaffen, was gemocht wird. Honig zum Beispiel oder die Bestäubung vieler wunderbarer Blumen und Bäume.

So eine kleine Fussel, wie ich, stört und das weiß ich. Nicht umsonst gibt es Kleiderbürsten und Fusselrollen.
Das Gesprächstückchen mit dem Menschen, der sich versichert hatte… die Starke hatte es von sich gestreift. Keinen Bezug zu sich hergestellt. Ich aber nahm es mir als Grundstoff für eine Mutwolke. Eine Erfahrung aus fremder Welt, wie es sein kann. Wie es ausgehen kann.

In so einer Mutwolke kann ich mich verstecken. Mich tragen lassen vielleicht.

P1010202

Auf jeden Fall würde mich niemand sehen.
Niemand würde wissen, ob ich gerade über unser Band krieche, taste, fühle… zu erspüren versuche, was dort sicher ist und was nicht, ob es echt ist oder alles Lüge.

Oder, ob ich nicht doch einfach nur die Zeit wahrzunehmen versuche.
Das Heute erspüren möchte.

Hört auf von „Kinderpornographie“ zu sprechen!

Krefelderin meldet Kinderpornografie der Polizei – und wird deswegen entlassen„, so titelte vorgestern die westdeutsche Zeitung.
Es geht um eine 24 Jahre alte Mitarbeiterin eines Fotostudios, die Fotos eines Kunden bearbeiten wollte, um korrekte Abzüge herzustellen und dabei entdeckte, dass es sich um sogenannte „kinderpornografische“ Bilder handelte. Sie sprach ihren Vorgesetzten darauf an und drängte darauf zur Polizei zu gehen.
Ihr Chef hingegen meinte, da keine Handlungen an den Kindern zu sehen seien, könne man sich den Gang zur Polizei schenken. Sara Dahlem hingegen, ging zur Polizei, wo man die Bilder sehr ernst nahm und Ermittlungen einleitete, die den Verdacht erhärteten.
Ihr Vorgesetzter entließ sie in Folge dessen mit der Begründung „sie hätte sein Vertrauen missbraucht und Daten gestohlen“.

Ich habe mich gestern mit jemandem über Twitter ausgetauscht und dabei am Ende geschrieben:
„Schweigen ist das Verbrechen Nummer 1, wenn es um Straftaten geht“
Und ich weiß, dass ich damit Recht habe,
Es gibt kein Gesetz, das Menschen zu Aussagen zwingt.
Es ist lediglich ein Gebot, zur Aufdeckung und Klärung von Straftaten beizutragen, indem man Beweise und Aussagen an die Polizei richtet.
Ein Appell an Zivilcourage sozusagen, dem Frau Dahlem nachgekommen ist und dafür auch geehrt wurde.

Das Problem beginnt beim Thema „Kinderpornografie“, meiner Meinung nach, oft schon bei der Unklarheit darüber, was genau der Straftatbestand ist.
Der ehem. Chef der jungen Frau war der Meinung, um solche Fotos als pornographisch zu bezeichnen, müsse Misshandlung zu sehen sein, was faktisch falsch ist. Das ist, was der Begriff „Pornographie“ vermittelt.
Das, was man im Sexkino oder auf diversen Streamingplattformen im Internet findet (und jetzt rede ich von legaler Pornographie), stellt Sex unter erwachsenen, mündigen Personen dar, die dafür bezahlt werden zu tun, wobei sie gefilmt, fotographiert und sonst wie aufgenommen werden.
Es sind Schauspieler, die ihre Arbeit entlohnt bekommen und strenge Auflagen erfüllen müssen, um dieser nachzukommen. Sie können (mehr oder weniger) frei entscheiden, ob sie so dargestellt werden wollen oder nicht. Sie unterzeichnen einen bindenden Arbeitsvertrag.

Kinder sind nie mündig. Sie sind nicht geschäftsfähig. Sie können nicht frei wählen, wie sie dargestellt werden und wo. Nie! Selbst Kindermodels unterzeichnen keine Arbeitsverträge, sondern immer ihre Eltern bzw. ihr Vormund. Das ist schon mal der grundlegendste Punkt bei der Unterscheidung zwischen legaler Pornographie und illegaler Nacktheitsdokumentation.

Dann die Darstellung.
In dem Artikel steht, dass die Frau freudlose nackte Kinder sah- ich vermute mal, dass es sich um sogenannte „Posing-Aufnahmen“ gehandelt hat. Kinder, die in einer Haltung von SexdarstellerInnen standen, saßen oder lagen. So, wie es ihnen von jemandem gesagt wurde.
Es seien auch explizite Darstellungen von Genitalien dabei gewesen.
So zack- da ist schon der Straftatbestand.
Immer wenn darauf abgezielt wird, mit der Darstellung von Kindern bzw. ihrer Körper, eine sexuelle Stimulierung zu provozieren, ist völlig klar, worum es sich handelt! Mit dem Posing zum Beispiel ist absolut klar, was erreicht werden soll. Bei der expliziten Darstellung von Körperteilen, außerhalb medizinischer oder lebenswirklichkeitsnaher Kontexte, ist es das Gleiche.

Ein Foto von nackt im Pool badenden Kindern, im Garten, im Sommer, bei einer Feier, ist für die Justiz kein Fall von Kinder“pornografie“- was natürlich nicht heißen muss, dass ein Konsument mit sexuellem Interesse an Kinderkörpern, dieses Foto nicht auch erregend findet.

An dieser Situation regt mich der ehem. Vorgesetzte natürlich am Meisten auf. Nicht nur, weil er seine Angestellte für ihre Courage bestraft hat und dafür auch noch den egoistischsten Grund angab, der mir dazu in den Sinn kommt, sondern, weil er aufgrund seiner eigenen Desinformation, im Grunde genommen, fast noch eine Quasi- Mittäterschaft seiner Angestellten verursacht hätte.
Sie hätte mit der Herstellung der Abzüge illegales Material produziert! Wissentlich- denn ihr war ja schon klar, was auf den Bildern zu sehen ist.

Der zweite Punkt ist, der Menschliche. Einfach davon auszugehen, dass sein Wissen richtig ist und im Nachhinein nicht einmal den- Verzeihung- Arsch in der Hose zu haben und seiner Angestellten zu sagen: „Boa ja, du hattest Recht. Ich habe mich getäuscht. Ich habe es nicht besser gewusst- tut mir leid! Gut, dass du nicht auf mich gehört hast.“, das ist einfach niedrig. So etwas ist, in dem Fall, die Schublade noch unter der Untersten.

„Kinder“pornographie“ stellt, laut Bundeskriminalstatistik, 15% der gesamten Straftaten, die gemeldet wurden. Und sie stellt lediglich ein Produkt von (sexueller) Kindesmisshandlung dar, welche noch weniger oft tatsächlich auch bei der Polizei aktenkundig wird. Es ist eine Mauer, die sich zusammensetzt aus Heimlichkeit, Profitgier, Angst und Schweigen, die eine Aufklärung der Straftat verhindert.

Oft wird sie auch noch eingehüllt in einen Schleier von Grenzlegalität.
Beispiel: FKK- LiebhaberInnen und ihre Lobby.
Monika Gerstendörfer beschrieb ihrem Buch „Der Kampf um die verlorenen Wörter“, wie die Tauschbörse in diesem Bereich, mehr oder weniger offen Nacktheitsdokumentation von Kinderkörpern in Umlauf bringen kann. Der Titel sagt etwas über einen Familienurlaub an der See- zu sehen sind aber nackte Kinder, die stundenlang Holz hacken. Von hinten gefilmt, immer wieder. Kinder, die breitbeinig im Sand sitzen und ganz offensichtlich immer wieder Anweisungen erhalten.
Unterm Strich: Kinder“pornographie“. Hier sind meine Anführungszeichen sogar richtig gut gesetzt, denn pornographisch, im Sinne legaler Sexfilme, ist an Holz hackenden Kindern jawohl mal so gar nichts.
Dieser Film löst ausschließlich bei Menschen mit sexueller Präferenz auf Kinderkörper auch sexuelle Erregung aus. Er ist ergo gezielt für diese Konsumenten gemacht worden. Und diese würden einen Teufel tun, um zur Aufklärung der Umstände der Entstehung dieser Filme beizutragen. Sie profitieren davon- werden zu einem Täter, indem sie konsumieren, ohne den Besitz zuzugeben oder der Polizei zu melden, woher sie ihn haben.

Schweigen ist eine Täterschaft ohne Strafe. Erst bei Kenntnis der Polizei von Kenntnis eines Täters oder Zeugen, kann es ausgelegt werden in Verschleierung oder (Be- ) Hinderung der Polizei bzw. später vor Gericht, der Justiz.

Das Schweigen der Opfer, ist die zweite Stütze dieser Mauer.
Wie gesagt, ist Nacktheitsdokumentation von Kindern zur sexuellen Erregung anderer Menschen, lediglich ein Produkt des Tatbestandes der (sexuellen) Kindesmisshandlung. Schon das Erzwingen diverser Posen ist Kindesmisshandlung, egal, ob sie dann für Dokumentationszwecke gefilmt oder fotographiert werden, oder nicht.

„Gutes Material“ erfordert Übung und das komplette Ablegen von schamhaften Verhalten. Kein Kind „übt“ diese Posen und Handlungen freiwillig ein. Es steht immer Angst, Bemühen um Fürsorge und Entsprechung der Autorität zur Sicherung des eigenen Überlebens im Vordergrund. Sie müssen sich foltern lassen, um zu überleben.

Im Zuge dessen sollten wir auch, wie Monika Gerstendörfer es bereits zu Lebzeiten vorschlug, den Begriff der „Kinderfolterdokumentation“- oder so wie ich jetzt- die Umschreibung der „Nacktheitsdokumentation von Kindern zur sexuellen Erregung anderer Menschen“, verwenden.
Diese Begriffe sind klarer. Sie verleiten nicht dazu, in den Kindern bezahlte, mündige SexarbeiterInnen zu sehen, wie Dolly Buster und ihre KollegInnen. Außerdem verhindern sie die Vorstellung von „Sex mit Kindern vor laufender Kamera“.

Die Kinder in diesen Filmen, leiden auf basalster Ebene, werden ausgebeutet, spulen eingefolterte Handlungsmuster ab und haben keine Chance anders zu handeln. Und obendrauf, sind die Zeugnisse ihrer Qualen für immer im Internet, über lange Zeit auf Tauschbörsen, schwarzen Brettern, in Schubladen, auf Speicherkarten… im Umlauf. Von ihrem Leiden wird noch profitiert, selbst wenn sie erwachsen sind.
Sie schließen keine Verträge ab, die sie juristisch anfechten können und alles, was sie an Lohn erhalten, ist ihr eigenes Leben.

Ein Leben, um das sie zu Recht fürchten müssen, wenn sie sich der Polizei stellen, um Aussagen zu diesen Taten an sich zu machen. Diese Art der Dokumentation ist „ein Millionengeschäft“, wie es BKA-Chef Ziercke in der ZDF- Sendung „Missbrauch auf Mausklick“ sagte.
Wo viel dran hängt, wird viel getan, um es zu erhalten. So werden auch Opfer mit dem Tod oder mit der Zerstörung ihrer Glaubhaftigkeit bedroht. Letzteres ist übrigens noch das Leichteste, denn Ungläubigkeit und sogenanntes „victim blaming“ aus Vermeidungsintensionen heraus, sind Usus in unserer Gesellschaft.
Wir haben die Unschuldsvermutung eines potenziellen Täters fest etabliert (was gut ist- keine Frage! Falschanschuldigungen können ebenso zerstören, wie berechtigte), doch die grundsätzliche Annahme einer echten Opferschaft nicht.
Immer wieder wird zuerst gezweifelt und den Opfern eine (Mit-) Schuld, eine eigene Verantwortung, eine Provokation oder direkt die Lüge unterstellt. Gerade, wenn man als erwachsener Mensch angibt, als Kind (sexuell) misshandelt oder auf diese Art entblößt dargestellt worden zu sein, aber keine Sachbeweise liefern kann (was logisch ist, denn Kinder haben meistens nicht den Handlungsrahmen, der ihnen die Sicherung von dieser Art Beweisen ermöglicht).

Die Polizei „hasst“ reine Zeugenaussagen zu einem Fall, da die Wahrnehmung jedes Menschen unterschiedlich ist, vor allem aber in Bezug auf frühere Straftaten. Das Gedächtnis füllt Lücken selbstständig und das nicht 100%ig wahrheitsgetreu. So kann der Täter in Wahrheit 1,60m groß gewesen und bekleidet mit einem hellblauen Shirt, doch in der Erinnerung 2m groß mit einem weißen. Eine traumatische Misshandlungssituation für das Opfer stundenlang gedauert haben, in der Realität aber nur 20 Minuten.
Stichhaltige, wahre Angaben aber sind es, die die Polizei braucht, um aktiv zu werden.

Im Fall von Kinderfolterdokumentation wird es sogar noch haariger, denn die Polizisten dürfen nicht eigenmächtig, auf Tauschbörsen und diversen Plattformen, gezielt nach Filmen und Fotos der Opfer suchen. Sie würden sich dabei selbst strafbar machen. (Genauso wie die Opfer, wenn sie sich selbst so auf die Suche machen). Alles was sie tun können ist, bereits sichergestelltes Material zu sichten. Ist das Opfer nicht dabei, hat es eben Pech gehabt.
Keine Aufklärung, kein Ende der Gewalt an anderen Kindern.

Durch ihren couragierten Gang zur Polizei, hat Sara Dahlem dafür gesorgt, dass wieder ein paar Kinder die Chance auf Rettung durch Kenntnis der Polizei bekommen können. Der Fall liegt nun bei der Staatsanwaltschaft und es kann zumindest gegen den Kunden, der ihr einen USB-Stick mit den Fotos zum Ausdrucken gab, ein Verfahren wegen Besitzes von „Kinderpornographie“ geben.

Ich für mich persönlich hoffe, dass sich ihr ehemaliger Chef in Grund und Boden schämt und sich in aller Deutlichkeit fragt, warum ihm so wichtig war, die illegalen Dateien des Kunden nicht bei der Polizei wissen zu wollen. Warum ihm das Vertrauen seiner Kunden auf seine Verschwiegenheit so viel wichtiger war, als die Aufdeckung von Kinderfolterdokumentation und damit der Schutz von Kindern überhaupt.

Für Sara Dahlem hagelt es nun Jobangebote und Lob von allen Seiten.
Sie hat es verdient und ich freue mich für sie.

Doch mein Appell bleibt: Hört auf von „Kinderpornographie“ zu sprechen! Nennt es Kinderfolterdokumentation oder umschreibt die Tatsachen!
Alles andere vermittelt, über die Sprache, den Opfern eine Wahl, die sie de facto nicht haben!

Zum „Porno“ werden diese Qualen erst durch Täteraugen.

Gegengewalt

In der Nacht von gestern zu heute erlebte ich live mit, wie jemand aus meiner Twittertimeline in der S-Bahn einen sexualisiert motivierten Übergriff erlebte.
#Aufschrei wurde von der Stand-by- in die Top-Aktuellschleife verlegt.
Und wieder kamen die bösartigen- auch hasserfüllten Tweets von anderen Menschen und damit weitere Gewalt in meine Timeline.

Erst die Keule des Liveaufschreis, dann die der Gewalt der eben genannten und dann die Keule der eigenen Gefühle. Es ist immer ein Schlag, wenn wir mit Gewalt konfrontiert werden. Ich saß hier, hielt mein Icepak fest, war dankbar über die vielen Tweets mit Anleitungen wie Zivilcourage umgesetzt werden kann, froh um jeden Support den die Betroffene erhielt und trieb ansonsten wie Totholz in meiner eigenen Suppe.

Ich weiß, dass ich in der gleichen Situation nicht sofort hätte handeln können. Ich weiß genau, dass ich nie sofort handeln kann, wenn ich so konfrontiert werde. Mein Gehirn fährt seinen Dissoziationsschutzschild auf und ich stehe dahinter. Gedanken- und Impulslos. Ohnmächtig und unfähig.

Auch unfähig zu Gegengewalt.
Ich schaffe es nie einem bösartigen Twitterer oder einer bösartigen Twitterin so etwas wie „Verpiss dich in das Loch aus dem du gekrochen bist“ oder „Dem Arsch gehört in die Eier getreten“ zu schreiben.
Und das ist gut so!

Als Teenie habe ich den“Schunder- Song“ der Ärzte gehört. Darin singen sie: „Gewalt erzeugt Gegengewalt- hat man dir das nicht erzählt? Oder hast du dabei, wie so oft, im Unterricht gefehlt?“

Gut- es ist fraglich, welchen Unterricht sie meinten, denn ich kann mich nicht erinnern in der Schule eine Unterrichtseinheit: „Wie wir für ein friedliches Miteinander wirken können“, genossen zu haben. Davon abgesehen, halte ich Bildung allein nicht für einen Garant für Kenntnis über diesen Fakt, aber egal.
Die Grundaussage stimmt: Gewalt erzeugt Gegengewalt

Wenn das Ziel aber ein gewaltloser, friedlicher, respektvoller Umgang sein soll, ist es schlicht kontraproduktiv Gegengewalt auszuüben.

Doch was dann? Man muss doch etwas tun können! Man muss doch eine Möglichkeit haben, Grenzen aufzuzeigen und die Achtung selbiger einfordern können.

Was mir bei vielen der Hasstweets aufgefallen ist, ist, dass sie die Grenzen der Menschen, die damals schon zu #Aufschrei ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus twitterten, erst einmal grundsätzlich in Frage gestellt haben. Dort oft auch grundlegend eine Unkenntnis darüber vorgeschützt wurde.
Auch sehr bezeichnend in dem Zusammenhang Günther Jauch und der „Pick-up- Artist“ Maximilian Pütz.
In der Sendung tippte Herr Jauch, Anne Wizorek auf die Schulter und fragte, ob dies bereits sexuelle Belästigung sei. Das gleiche Muster benutzte der „Pick-up Artist“ in einer ZDF- Sendung ein paar Tage später, als er vertrat, Männer könnten Frauen nicht lesen und hätten somit keine Kenntnis darüber, was diese als Belästigung auffassten und was nicht. Dabei ist der Kontext jeweils sehr eindeutig gewesen.
Günther Jauch tippte Anne Wizorek an, um ihre Aufmerksamkeit des Gesprächs auf ihn zu richten- ergo keine sexuelle Belästigung.
Der „Pick-up- Artist“ bringt Männern mit sexuellem Interesse bei, an Frauen so nah heran zu treten bis sie sich massiv wehren müssen, wenn sie den Kontakt nicht wünschen- ergo Anleitung zur potenziellen sexuellen Belästigung.

Beide jedoch dominierten die Situation. Sie nahmen die Definitionsgewalt über den Kontext an sich – noch während sie- ja fast- jammerten, die Betroffenen seien jene, die bestimmten, wann etwas als Belästigung gilt und wann nicht. Dabei würden sie in der gleichen Bedrängnis mit Sicherheit vehement auf genau dieses Recht pochen!275472_web_R_K_B_by_Michael Ottersbach_pixelio.de

Und da ist ein Punkt: Selbstreflektion.
„Wie würde ich mich fühlen, wenn mir XY geschehen würde?“
Das haben diese beiden Herren und meiner Meinung nach die meisten der bösartig twitternden Menschen nicht getan. Sie haben den wichtigsten Punkt im sozialen Miteinander ausgelassen- übersprungen, schlicht nicht gemacht.

Warum?
Selbstreflektion hat etwas mit „sich- seiner- selbst- bewusst- sein“ zu tun. Wer bin ich, was kann ich, was sind meine Bedürfnisse, wo ende ich und wo fängt mein Gegenüber an? Was für Auswirkungen hat das Verhalten anderer Menschen auf mich? Welche Wirkung hat mein Verhalten auf andere Menschen? Was genau ist meine Handlungsintension?

Sich solche Fragen zu stellen kostet Raum, Mut, Kraft und Unterstützung bei der Verarbeitung der Krise, die eventuell darauf folgt.
Krise? Welche Krise?
Erinnern Sie sich an ihren ersten dicken Weltschmerz? Den ersten furchtbaren Liebeskummer? Da haben sie ihre Krise die folgt, wenn man sich diese Fragen stellt.

Raum für die eigenen Bedürfnisse und Unterstützung finden wir nur bei mit uns verbündeten Menschen. Mut und Kraft entwickeln sich in diesem Kontakt und je nachdem, wo unsere Bedürfnisse gelagert sind, erwächst daraus unser Handeln.
Männer haben eine Machtposition in unserer Gesellschaft. Sie können ihre Bedürfnisse nach Kontrolle (und damit Macht) mit weniger Hindernissen befriedigen als Frauen. Es gibt Ausnahmen- na klar- auch Männer sind von Sexismus betroffen- doch noch immer sitzt am Ende der langen Machthierarchie ein Mann.

Es geht nicht darum niemandem Kontrolle zu gewähren. Niemandem soll Macht abgesprochen oder genommen werden- wozu auch? Zur normalen Dynamik im menschlichen Miteinander gehört auch die Dominanz in einer Situation. Doch Dominanz ist etwas anderes als Gewalt!

Dominant ist der Mensch, dem besonders nützliche Fähigkeiten anerkannt werden, aufgrund derer er eine Situation verantwortungsbewusst (den Bedürfnissen seiner Gruppe- oder seinen eigenen entsprechend) agieren kann. (Das ist ja der Punkt der mich bei Jauch immer so aufregt: Jeder sieht, dass er ein schlechter Moderator ist. Doch weil ihm die Sendung gehört, gilt er als „Chef“- er dominiert, obwohl es andere besser könnten.)

Das ist der Grund, weshalb ich die Menschen in meiner Twittertimeline so mag. Die meisten haben überlegt wie man der Betroffenen helfen kann, haben überlegt, wie man sich in solchen Situationen verhalten kann. Haben, wie ich jetzt, über die Gründe der Situation nachgedacht. Sie haben sich reflektiert und waren deshalb für mich eine gute Dominanz während ich so ohnmächtig und traurig war.

Ich möchte versuchen solchen bösartig twitternden Menschen mit der Frage zu begegnen, wie es ihnen ginge, würden sie so eine Situation erleben- auch wenn ich weiß, dass viele von ihnen noch viel zu dick eingepackt sind in ihren Schutz vor dem Schmerz und der Ohnmacht, die sie überkommen könnte, wenn ihnen bewusst wird, was sie eigentlich gerade tun. Wie vielleicht auch einsam sie sind. Wenn ihnen klar wird, dass sie etwas tun, was sie sich für sich selbst nicht wünschen.

Ich stürze mich nicht in die Begegnung mit ihnen. Dazu bin ich nicht stark genug. Aber wenn einer kommt, will ich nicht mehr schweigen. Der #Aufschrei war laut- wieso sollte ich leise bleiben, wenn ich doch meine zu wissen, was gebraucht wird, um ihn auch von allen Menschen gehört und verstanden zu wissen, auf dass eine Veränderung der Ursachen geschiet?

Täter_Abkehrschmerz_Kontakt Teil 5

Und dann ist da der Schmerz der kommt, spürbar ist und bleibt.
Freiheit sollte keinen Preis haben.
Für Menschen ohne Ressourcen hat sie das aber unter Umständen schon.

Ich muss, während ich dies schreibe, an den Kommissar a.D. Hr. Paulus denken, der bei der Tagung, so emotional für frühe Interventionen eintrat. Wir waren verdammt früh dran, für alles das was in unserem Leben passierte und doch scheint es für uns als Mensch in einer (kapitalistischen) Leistungsgesellschaft, als sei doch schon alles zu spät. Als sei das, was für uns gut und wichtig ist, nichts, was uns irgendwann in die Lage bringt tatsächlich jemals so frei zu sein, dass wir wirklich und tatsächlich sagen können: „Ja, hier habe ich das Sonderangebot der kostenlosen Freiheit in der Hand, von dem ich im allerersten Artikel zum Thema „Täterkontakte“ geschrieben habe.“442855_original_R_by_Günter Havlena_pixelio.de

Wir waren minderjährig, als wir, aus welchen Gründen auch immer, (psychisch) auffällig wurden. Minderjährig, als wir aus eigener Kraft wegliefen und uns in räumliche Entfernung brachten. Minderjährig, als wir uns jahrelang durch die Mühlen von Institutionen der ja fast industriellen Massenbearbeitung zwecks „Heilung“ (die eigentlich „Anpassung“ meint) hin und her schieben ließen. Minderjährig, als wir Entscheidungen treffen mussten, die ein Leben beeinflussten, von dem wir noch nicht einmal wussten, wie genau das aussehen könnte/ sollte/ müsste.

Wir haben so ziemliche jede Etappe, die uns aus den destruktiven Konstrukten herausbrachte, fast allein gekämpft. Nur diesen Aspekt der Gewalt, haben wir in einer Art beendet, die uns in Kontakt brachte.
Und nun, wo wir alles das hier aufschreiben, kommen wir in Kontakt mit dem Trennungsschmerz.
Dabei ist das alles schon viele Jahre her. Doch diesen Punkt- den Verlust und die Bedeutung all dessen, was vielen Innens Sein und Ziel gab (und noch immer gibt), haben wir bis heute nicht bearbeitet und verkraftet. Es schwelt wie ein blubbernder Pudding unter der Haut und kommt ab und an mal wieder hoch.
Weil wir eben mit genau dem unglaublich allein stehen.

Es ist der Haken an Pseudoreligiosität oder auch den sozialen Rollen in Gewaltbeziehungen.
Du bist etwas und stehst für etwas. In deinem kleinen Leben, das so voller Schmerz ist, bist du etwas für jemanden (oder etwas). Da gibt es Pflichten, Zwänge, Regeln, die genau deinen Wert abzirkeln, dich genau wissen lassen, wo du stehst. Es ist unverfälscht und steht im direkten Bezug zu dir.
Fällt es weg, bist du nichts mehr- weder vor anderen noch vor dir selbst.

Das ist der Punkt, der unglaublich anfällig für die nächste Sekte, die nächste gewalttätige Beziehung, die nächste Extremistengruppe macht. Ich las neulich einen Artikel in dem stand, dass Aussteiger nach dem Ausstieg aus satanistischen Kulten ihren Zugang zum Christentum finden und klebte unter der Decke, weil ich mich direkt fragte, wo dann da bitte die Freiheit blieb?
Selbstdefinition passiert über das was man tut und die Wertschätzung, die einem darüber entgegen kommt.

Jeder sagte uns nach dem Ende der Gewaltkontakte, dass wir das toll durchgestanden hätten und gut für uns gekämpft hätten. Aber niemand hat gefragt, was dann kam.
Und so kam einfach: Nichts.

So ist das, wenn man spaltet. Da ist dann einfach nichts. Lieber nicht dran denken, lieber nicht dran rühren. Man hat ja nun geschafft, was immer in den tollen Büchern steht und was „die Anderen“ sich so für einen wünschten. Die schlimmste Angst ist ja jetzt weg. Der regelmäßige Schmerz ist ja jetzt weg. Jetzt ist der Wasserhahn ja abgedreht.
Dass er in unserem Fall noch tröpfelte, haben wir unterschätzt; dass es BÄÄÄMs und noch immer hoffende MittelBÄÄÄMs in Winkeln bei uns sitzen gibt, nicht gewusst, weil es keinen Kontakt gab.

Und jetzt, wo er endgültig zugedreht ist, hören wir das Knacken und Knirschen der Wanne.
Man steht davor und weint immer mehr Tränen hinein, weil man- trotz aller Kämpfe und aller Kraft und auch aller Erfolge, noch immer nicht genug in Kontakt mit seinen Händen ist, um den Stöpsel zu ziehen und alles das, was sich da angesammelt hat, rauszulassen.

In der ganzen Zeit haben wir gedacht, dass wir, wenn wir erst mal frei sind, nicht mehr soviel Kraft vergeuden würden müssen, weil wir ja dann nicht mehr ständig Gewalt wegdissoziieren müssen. Dass wir mehr Energie zur Verfügung hätten, um uns richtig doll anzustrengen und auch endlich einen Beruf zu erlernen und nicht mehr in dieser menschenunwürdigen Hartz-Maschine zu stecken. Beim Beginn der ambulanten Psychotherapie nicht von Anfang an auch noch darüber nachdenken müssten, ob wir uns XY leisten könnten, oder ob wir nicht doch lieber noch ein Wochenbugdet beiseite legen um Stunden selbst zahlen zu können- wir wollten ja arbeiten und uns das leisten können.
Wir dachten ja, wenn man frei von Täterübergriffen sei, sei man tatsächlich frei und (man-) selbst- ständig.

So war es aber für uns nicht.
Alles was sich änderte war die Gewalt. Von der Gewalt, mit der wir aufgewachsen und an die wir angepasst waren, die uns Sinn und Sein gab, zu der Gewalt aus der man schlicht nicht aussteigen kann, ohne die komplette Aufgabe all dessen, was man sich doch so hart erkämpft hat.
Natürlich könnten wir in den Wald ziehen und von Gänseblümchen leben. Könnten auf den Staat pfeifen und uns durchschnorren. Doch dafür haben wir das alles nicht auf uns genommen.
Dafür haben wir das alles nicht überlebt- dafür haben wir nicht die Wertnormen aller uns umgebenden Welten von uns abgetrennt. Für ein Leben in Haltlosigkeit ertragen wir diesen Abtrennungsschmerz nicht.

Und doch ist genau dies unsere derzeitige Phase.
Zu erkennen, dass man nicht wirklich frei ist, sondern schlicht haltlos frei herumfliegend.
Im Moment unglaublich tief erschöpft von der Suche nach Halt durch Hilfen und Begrenzungen.

Ja, wir haben mehr Energie und es geht uns in vielen Bereich besser als zu der Zeit, in der manche Innens noch regelmäßig gequält wurden. Aber das, was wir als Ergebnis dieser Befreiung erhofft hatten, ist schlicht nicht eingetreten.

Es ist also auch eine Abkehr dessen, was uns lange durch diesen Prozess getragen hat: Das Denken, es gäbe eine Ordnung und einen Rahmen für uns, wenn wir auf etwas verzichten, was in dieser Welt außerhalb dessen aus dem wir kommen, verurteilt ist.

Vielleicht gibt es diese Ordnung irgendwann. Vielleicht sind wir einfach zu erschöpft von dem Stück für Stück Selbstmord den wir seid dem endgültigen Zudrehen des Täterkontaktes letztes Jahr begehen. Das weiß ich nicht. Ich bin zu jung, um zu wissen was jetzt kommt. Wie lange und was für ein Leben habe ich schon gelebt, um nun auf bereits gemachte Erfahrungen mit so schweren Sinnkrisen zurückgreifen zu können? Da ist keine Basis- nur Material, um etwas Neues aufzubauen und mir selbst einen Rahmen zu zimmern.

Doch dafür brauche ich noch mehr Kontakt mit meinen Händen. Eine vielleicht nur noch zu zwei Dritteln gefüllte Badewanne. Hilfe von außerhalb. Mut und Zutrauen, diese auch anzunehmen.
Aber im Moment habe dies einfach nicht.
Ich bin müde, habe Schmerzen und quäle mich durch die Tage, versuche die Menschen, die mir begegnen nicht anzuschreien, obwohl ich permanent das Bedürfnis dazu habe. Schreibe mich hier täglich leerer, weil ich denke, dass es mich irgendwie definiert als jemand, der etwas tut. Jemand der etwas erschafft und nicht nur Ressourcen frisst.

Die Hilfe, die wir bis jetzt hatten, gibt es so in der Form nicht mehr, dass wir sie nutzen können.
Die Beziehung zu den mit uns verbündeten Menschen hat sich verändert, in den letzten Jahren. Wir sind nachwievor verbündet- aber nicht mehr auf dieser Ebene. Die Kontakte, die wir haben, können alle nur ansatzweise versuchen zu verstehen und nachzufühlen, was in uns vorgeht. Das ist nicht schlimm oder ein Defizit, aber es ist eben nicht das, was wir im Moment ge-brauchen können. Wir brauchen sie! Wir brauchen sie alle! Nur ge-brauchen können wir sie eben nicht.

Wir können keine der sich derzeit bietenden Klinikkonzepte nutzen, weil wir über das hinaus sind, was da angeboten wird. Keine Sektenberatung kann uns helfen, weil die Alternative zu geistig-religiös-spiritueller Haltlosigkeit eben geistig-religiöse-spirituelle Konstrukte sind, die alle samt und sonders- egal wie liberal man sich in div. Gemeinden gibt, einsperren und bei uns alles explodieren lassen würden (unser Eiertanz, den wir hier ab und an zeigen, reicht ja eigentlich, um zu zeigen, wie schwer es schon in Eigenregie ist).

Trotz allem, was jetzt gerade brennt sind diese Gedanken und Schmerzen anders, als die, die es früher gab.
Ja- wir kämpfen wieder um unser Überleben- genau wie wir das noch zu Zeiten in denen andere Menschen noch über uns verfügten, tun mussten.
Doch heute zerstören wir uns selbst, (leben also eine Eigenmacht aus) und sind einer Art Gewalt unterworfen, der sehr viele andere Menschen auch unterworfen sind.

Wir sind also nun, durch alles was wir geschafft haben, immerhin in der Position selbst und eigenmächtig zu bestimmen, ob und wie wir leben oder sterben.

Es ist ein bitterer Sieg.
Aber es ist ein Sieg.

Ende

aus der Zeit, in die Freiheit- Warten auf die Dämmerung

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, “der Panther”, 6.11.1902, Paris

Sie kriechen aus dem Innen, in das Jahr 2013.
Der Vorhang lichtet sich und lässt ein Bild hinein.

Meiner oder ihrer?
Mein Sein- dein Schein- ich habe das in einem Brief der BÄÄÄMs an mich gelesen.
Was ist wahr und was nicht- was ist früher und was ist heute?
Was ist echter? Welche Bedrohung ist gleich, obwohl es nicht die gleiche Zeit ist?

Stab an Stab an Stab
Tastend, jede Ebene erspürend. So mutig diese Stäbe zu berühren, müssen sie doch darauf achten, nicht erwischt zu werden, wollen sie ihre Finger behalten.

Sie fragt, ob sie eine offene Rechnung schließen muss. Hat den Berg der Sprachbarriere irgendwie erklommen. Manche Buchstaben fehlen, die Grammatik ist ein Albtraum. Es sind viele Fragezeichen, die durch den Äther rauschen. Irgendwohin. Nicht wissend an was für eine Autorität genau gerichtet. Doch es ist klar, sie lebt mit zwei Bezahlsystemen und fragt nur, welches bei wem nötig wird.

„Nein, mein Herz du bist nicht in der richtigen Zeit.
Aber deine Angst passt in die Angst, um die Situation. Eine Verwechslung ist nur logisch.
Auch wenn sie uns unglaublich tief erschreckt.“
Der Vorhang schließt sich.

Schritt für Schritt für Schritt
Stolpern über Zeitfalten, verwickeln im Zeitstoffband, einen Strick daraus drehen und um den Hals legen.
Einer nach dem Anderen. Auf der Suche nach dem Galgen.
Auf der Suche nach einem Rezept, das es zu einem Zeitkuchen werden lässt.
„Damit ich dich besser fressen kann.“

Zeitfresser. In dich hinein, aus dir heraus.
Zeit, die wie schwarze Tinte über den Boden leckt.
Pfoten tauchen hinein und tragen sie weiter.
Schritt für Schritt für Schritt
Vorbei an Stab für Stab für Stab.

Es war meine Hand, die ihm aufgefallen war.
Flüssige Zeit, tropfenweise aus dem Moos neben der Regenrinne herausgedrückt. Sachte balanciert, durch das eingeschlagene Loch, in meine finstere Hölle. Meinen Käfig.
Fallengelassen in meinen staubig, ausgedörrten Mund.

Schritt Schritt links
Schritt Schritt Schritt links
Schritt Schritt links
Schritt Schritt Schritt links
Quadratur des Kreises

Vorhang auf, Bild hinein.
Wieso war ich da?
Vorhang zu.
Guck nicht hin.
Vorhang auf, Bild hinein.
der Sprachberg baut sich auf, lässt Lawinen herunter segeln.
Vorhang zu.
Wir begraben sie unter ihren Wortbrocken, bis sie nichts mehr sagen.

Schritt Schritt Schritt
Stab Stab Stab

Du hast Zähne, Krallen, Kraft.
Du könntest uns schützen.
Eröffne dich und trete in die Sonne.
Er hat dich gerettet.
Die Tür ist offen
Schon fast 12 Jahre lang.

Der Vorhang wackelt,die Realität scheint immer wieder in kleinen kaltheißen Blitzen hinein.
Blendet und verstört.
Dieses Tier ist nachtaktiv.
Vielleicht ist es ein Warten auf die Dämmerung.
Der Moment, in dem beide Seiten ein vages Erkennen schaffen könnten.

Mut oder: die BÄÄÄMs der Anderen

Es begann mit einem Artikel der Mädchenmannschaft vor ein paar Monaten. Ein paar Klicks, ein paar Kommentaren, ein paar Artikel, ein bisschen gucken, lernen… und nun finde ich mich virtuell umgeben von lauter starken freien wachen bewussten Menschen. Mich fragend, ob ich auch so werden kann. 46164_web_R_K_B_by_Verena N._pixelio.de
Wie viel der Stärke und des Mutes, den ich in den ganzen Websites und Artikeln wahrnehme, ist wahr? Wie viel dieser Vehemenz, Courage, Reflektion, Stärke… Heilung? würde ich in der Realität sehen, träfe ich diese Menschen?

Ich verbrachte den gestrigen Tag am Fenster.
War kurz mit NakNak* im Park. Hatte noch Mut- Elanfunken von dem Innen, das immer schon von sich aus mutig und stark ist. Immer wieder aufstampfend; nach einem besseren Leben zu greifen bereit und mit mir diese ganzen Webseiten schier aufsaugend.
Doch diese Funken verpufften schnell wie ein Strohfeuer in meiner Brust, als ich plötzlich jemanden vor mir sah, der nicht wirklich da war.
Es war ein Doppelbild- eine Pseudohalluzination eines Täters.
Eine schattenhafte Halberinnerung an eine Situation vor über 20 Jahren. Damals hatte es auch so viel geschneit und ich war ähnlich erfüllt von aus Mut geborenem Elan- ich weiß nicht, ob es noch mehr Parallelen gab, die mein Gehirn zu diesem Assoziationsversuch veranlasste.

Damals gab es keine Chance.
Heute nahmen mich zwei Innens an die Hand, drehten den Körper herum und rannten los- mich in ihrer Mitte haltend, beschützend, mir und durch mich hindurch zuflüsternd, dass es vorbei ist, dass wir nun sicher sind. Dass es nur eine Erinnerung ist. Dass die warme Zunge an meiner Hand NakNak* gehört. Ob ich sie nicht mal streicheln wolle. Ein bisschen mit ihr herumgeikeln wolle. Ob ich den Schnee auf der Strumpfhose spüren würde. Immer wieder sagend, in welchem Jahr wir sind. Dass wir wirklich sicher vor ihm sind. Dass ein empfundener Mut berechtigt und absolut in Ordnung ist. Dass wir nie wieder so verlieren könnten.

Es gelang mir nicht mehr, wieder näher an das mutige Innen heran zu kommen. Meine Angst, mein dunkles, wie eine giftige Wolke hinter mir schwebendes Ahnen um die Situation früher absorbiert mich. Es ist,  als wäre da gar nichts Mutiges mehr im Innen.
Ich muss es mir sagen, mir hier hinein schreiben, dass es so ist. Damit ich mir dieses Wissen wenigstens rational nicht wieder aus mir herausstoße- oder von ihm weggestoßen werde?

Es ist mir nun schon so viel möglich.
Wie toll das ist! Wie groß unsere Therapieerfolge schon sind.
Noch vor 5 Jahren bin ich regelrecht abgeschmiert, wenn ich so einer Halberinnerung gegenüber stand. Da war nur Angst- sofort und direkt und ohne auch nur einen Fitzel Möglichkeit, dass ich mir selbst oder etwas aus dem Innen in diesem Moment die Gegenwart an mich- in mich eingebracht bekommen hätte. Jedes Mal das gleiche alte Erschrecken, die gleiche alte Ohnmacht, das gleiche innere Wegkippen als der Ahnungsdonner über mich hereinbricht, der gleiche Wechsel zum Innen, das die Gewalt wieder und wieder und wieder durchlebt.
Heute sind wir schon aktiver- wacher- klarer- bewusster. Ich habe die Möglichkeit noch direkt vor der Ohnmacht auf meine innere “Slowmotion-Taste” zu drücken, mir Hilfreiches aus dem Innen zu aktivieren- mich vom Innen tragen, statt mich hinein fallen zu lassen.

Und trotzdem stand ich dann doch wieder mehr oder weniger durchgehend, bis in die Nacht hinein, am Fenster und hörte den Sermon, den mir die BÄÄÄMs runterratterten. Über meine Unfähigkeit, meine Arroganz, meine Überheblichkeit, meine eigentliche Feigheit, mein “nie so stark- nie so mutig- nie so klar- nie so cool- Sein” wie die, deren Artikel ich da lese, deren Aktionen ich mitverfolge (die andere Innens sogar mitmachen) und die ich bewundere.

Ich hörte einfach nur zu, mich gleichzeitig fragend, ob die Starken da draußen keine BÄÄÄMs haben oder einfach nur schon besser gelernt haben, sich ihnen gegenüber taub zu stellen.