Man, war ich wütend gestern Abend!
Meine Haut verfärbte sich grün, meine Haare standen mir zu Berge und immer wieder dachte ich nur: “Ich geh da gleich hin und hau die alle! Und wenn ich fertig bin, nehme ich mir Frau Kampusch, und die Herren Erlemann und Hellwig mit an einen sicheren und schönen Ort. Da passe ich dann auf sie auf, damit ihnen niemals wieder jemand so eine Scheiße um die Ohren werfen kann und sie aufhören können, sich so zu unterwerfen.”
Ganz ehrlich- ich frage mich, wie viel offener es noch sein kann, dass das Format “Jauch” ungeeignet ist, für einen Diskurs über die Themen, die dort auftauchen. Was für eine grottenschlechte Moderation und/ oder Sendungskonzeption da im Ersten lief, ist kaum zu noch zu toppen. Selbst RTL schafft es zielgenauer zum Punkt zu kommen- und sei es, indem man einem Bohlen Raum für seine Arroganz gibt- das ist ein Menschenmarkt bei DSDS und jeder weiß das- ergo gehts da auch entsprechend zu.
Bei Jauch hingegen, soll es sich um eine Gesprächsrunde zu einem Thema handeln. Man diskutiert, gleicht einander ab und lässt nach Möglichkeit umfassend Raum zur Perspektiv- und Meinungsbildung.
Was ich dort aber in der Sendung “verschleppt und misshandelt- wie gelingt ein Leben danach?” sah, hatte nichts- aber auch so gar nichts mit freier Gestaltung zu tun, geschweige denn mit einer Gesprächsführung dem Thema entsprechend.
Die Sendung begann mit einer Aufnahme von dem unschuldig-neutral- harmlos wirkendem Jauch, der folgende Fragen vorlas:
a) Wie hält ein Mensch Situationen aus, in denen er maßloser Gewalt ausgesetzt ist?- In der er einfach nicht weiß: “Werde ich das überstehen und werde ich weiterleben können?”.
b) Wie bekämpft man seine Todesangst?
c) Unter welchen Umständen muss man nach der Befreiung leben?
Eigentlich- so dachte ich, gehört der Fragenausdenker schon allein dafür auf die Strafbank. Setzen 6!- Nachsitzen- Du darfst erst wieder mitspielen, wenn du dich mit dem Thema befasst hast!
Allein, um (gerade auch Menschen, die eben nicht so im Stoff in Bezug zum Thema “Trauma und die Folgen” sind) zu zeigen, wie absurd die Fragen sind, würde dieser Artikel hier lang werden. Entsprechend versuche ich einen Mittelweg und werde dabei oft selbst nicht differenziert wirken- geschweige denn umfassend. (Aber ich bin ja auch weder Profi, noch stelle ich mich mit diesem Ding ins Fernsehen- wissend tausende Zuschauer hören mir zu und glauben wir alles, was ich sage, weil ich ja so harmlos und lieb wirke und eben nicht die Sprecherin bei RTL bin)
Zu a) Wie hält ein Mensch Situationen aus, in denen er maßloser Gewalt ausgesetzt ist?- In der er einfach nicht weiß: “Werde ich das überstehen und werde ich weiterleben können?”
Solche Situationen werden einfach ausgehalten! Da gibts keinen Plan, nichts was man später irgendwie so beschreiben kann, dass man einen Begriff draufkleben kann und dieser bedeckt das ganze Ding. (Selbst in meinem Fall, wo ich immer lese “Die Klienten helfen sich, indem sie dissoziieren” passt dieser Begriff als Antwort nicht gänzlich. Das tut keiner.)
Ich finde diese Frage absurd, weil sie impliziert, dass man Worte für das was genau in einem vorgegangen ist hat. Der Dreh und Angelpunkt bei vielen Traumakisten, ist aber eine Sprachlosigkeit- eine Leere im Kopf, die alles umfasst. Diese ist biologisch in Menschen eingebaut- nachzulesen in jeder neueren Traumaleküre.
Selbst später, wenn es viel Abstand gibt und man das Trauma (oder die Traumata) verarbeitet hat- gibt es nichts, was diese Frage- so wie sie formuliert ist- beantwortet. Niemand der ehrlich ist (und sich nicht so anpassend unterwirft, wie die drei (die Sendung) Überlebenden dort), kommt an einen Punkt an dem er sagt: “Ja also- als der Täter da so auf mich einschlug, machte/agierte/ initiierte ich…”
Der Mensch weiß nicht, ob er es überlebt und das “Danach” ist sowas von komplett weg- es ist einfach nicht da!- weil der Mensch in dem Moment (und sei es nur ein kurzer Zeitraum von vielleicht 5 Sek) es nicht wissen KANN. So oder so ist in dem Moment das Gehirn, der Geist, die Seele- der globale Mensch schlicht nicht in der Lage IRGENDETWAS zu wissen/zu denken/ bewusst klar zu haben. Es gibt dann nichts! Da gibt es nicht einmal das Denken, dass man sowas vielleicht mal denken sollte!
Das ist Traumawissenbasis, dessen Fehlen (bzw. dessen Erklärung in der Sendung) ich hier beklage!
Zu b) Wie bekämpft man seine Todesangst?
Todesangst ist nicht bekämpfbar. Wenn sie wütet ist Ende- da überlebt man- IST man und fertig.
Ein Überleben- einen Zustand!- “kämpfen” zu nennen ist eine Umdeutung. Sie hilft manchen Menschen rückblickend, doch sie lässt einen Umstand aktiver aussehen, als er ist. Wenn man ein Überleben- ein Überstehen einer Situation “Kampf” nennt, dann ist das nicht falsch grundlegend- doch er verfälscht die Situation und impliziert die Chance auf ein aktives Handeln und das ist schlicht nicht immer gegeben, wenn man in einer Situation ist, die Todesangst auslöst.
Hier wurde ein Begriff falsch verwendet bzw. nicht differenziert genug eingesetzt. Was mich vor allem deshalb ärgert, weil dieser Begriff ein sehr wichtiger Bestandteil ist, wenn es darum geht eine Art Not zu beschreiben.
Zu c) Wie muss man nach seiner Befreiung leben?
Ich hatte mir wirklich gewünscht, dass sich in der Sendung genau darauf konzentriert werden würde. Das ist die einzige Frage, die wirklich mit dem Titel der Sendung zusammenpasste und weshalb ich überhaupt eingeschaltet hatte.
Doch wie typisch für die Jauchsche Unfähigkeit, wurde auch hier wieder verfehlt und zu Gunsten von impliziter Verhöhnung und quälender Kreiserei darauf verzichtet.
Die Gäste hätten besser moderieren können, wären sie kräftig genug gewesen dies zu tun.
Da erzählt eine Frau Kampusch dass die Vernehmungsprotokolle ihrer Qualen- der Mord an ihrer Seele!!! an die Öffentlichkeit kamen, weil die Gesetzgebung bzw. der Opferschutz in Österreich dem keinen Riegel vorgeschoben hat
und es kommt keine Reaktion!
Kein Ausdruck der Empörung, keine Nachfrage, kein Diskurs darüber, wie die Lage hier in Deutschland ist.. nichts! Nicht einmal ein Nebensatz, dass das jawohl ein Unding ist. Nicht einmal so etwas wie: “Ach du scheiße! Was muss das für eine öffentliche Demütigung für sie gewesen sein!” Nichts!
Da erzählt Herr Erlemann, dass seine Entführer frank und frei durch die Gegend laufen, reich sind, von Politikern beglückwünscht werden… und die einzige Reaktion die im heimischen TV landet ist sein bitteres Lächeln und sein Ausdruck für seine innere Vermeidungshaltung.
Bekräftigt von dem Krisenpsychologen Pieper, der noch meint, dass einem die Täter irgendwann egal sein müssten und man doch endlich irgendwann einen Punkt dahinter machen muss, weil es sich nicht lohnt immer über sein Schicksal zu jammern.
Diese Ohrfeige hab ich bis hier hin gespürt- denn: Wer einen Punkt dahinter machen KANN, darf sich bitte gerne freuen. Doch dies als Grundlage zur Heilung und zur Teilhabe am Leben danach darzustellen, ist schlicht fahrlässig in meinen Augen.
Das sitzt ein Journalist, der wegen eines normalen Gesprächs mit einem Rechtsanwalt im Iran in einem Foltergefängnis gequält wurde und es gibt nicht einmal eine Nachfrage, ob ihm unser Staat irgendwie geholfen hat! Ob er auf eine Wiedergutmachung- einen Schadenersatz- irgendetwas hoffen kann! Das finde ich auch nachwievor interessant: Haben Journalisten eine Versicherung, die sie dann auffängt- gilt Folter im Ausland als Arbeitsunfall?)
Es wurde kein Mensch eingeladen, der von seiner Familie misshandelt und gefangengehalten wurde. Es gab keine Erwähnung von der Scheiße, die sich gerade so schwer misshandelte- schockierte- traumatisierte Menschen, geben müssen, wenn ihnen Hilfen verwehrt bleiben. Die (für mich natürlich) offene Wunde mit der Therapiekostenfinanzierung von (komplex) traumatisierten Menschen, die schlicht und einfach weder bedarfsdeckend verfügbar noch zukunftsorientiert einforderbar ist… Die glänzende Zurückhaltung des Staates, wenn es um Entschädigungen der Opfer geht…
Wieder nicht aufgetaucht- obwohl es sich dabei um wichtige Teile der Lebensrealität von Menschen handelt, denen Furchtbares- Unvorstellbares- Unfassbares- Unaussprechbares angetan wurde.
Mein Eindruck von der Sendung war der, dass man viele der Fragen, die Herr Jauch in die Runde warf, auch hätte übersetzen können mit: “Wie wars denn? Sag doch mal! Ist doch jetzt alles vorbei- erzähl mal- Wie wars für dich- Was hast du gefühlt- Zeig und doch mal, was da so in dir war, dass du jetzt überhaupt noch lebst und hier so sitzt… Ja von mir aus sag halt auch, dass du ne Essstörung hast, abhängig bist und die Ziele die du dir gemacht hast, ad acta legen musstest- ja sag halt ruhig, dass du angeblich (ich klebte unter der Decke als der Jauch das sagte!) jede Nacht von deiner Gräuel träumst- ja von mir aus kannste mir auch noch sagen, dass du Einzelkämpferin bist… aber hey- ich will eigentlich nur wissen: Wie wars denn so- zeig doch mal was von deinem Elend!”. Und das, obwohl der Tenor eigentlich lautete sein Elend nicht zu zeigen, da dies in der Kategorie „Jammern“/ „Leiden“ verortet wurde!
Da sitzen sie und reden davon, dass sie die Gesellschaft nur als Opfer sehen will.
Und tun aber nichts dagegen, dass sie immer wieder nur genau deshalb in die Öffentlichkeit gelangen. Ich hätte lieber etwas über das Kinderkrankenhaus von Frau Kampusch erfahren und über das Leben von Herrn Erlemann oder die berufliche Gegenwart von Herrn Hellwig gehört, als ihnen dabei zu sehen zu müssen, wie sie sich ihre Phrasen, die sie über die klaffende Wortlosigkeit (keiner dieser Menschen hat sein Trauma verarbeitet- die sind alle noch auf dem Weg dahin!) geklebt haben, rausquetschten.
In einem Gespräch mit einem diffus voranschreitenden- aber eigentlich selbst vom Weg unwissenden Jauch.
Es war eine Sendung, die mich angeekelt hat.
Nicht weil sie offen verhöhnt hat oder die von Gewalt betroffenen Menschen dort in Positionen gedrängt hat, in denen sie eigentlich schon wieder zum Opfer gemacht wurden, sondern, weil das verhöhnende Element noch als tröstliche Schlussworte präsentiert wurden.
”Du bist nicht Opfer, wenn du Opfer bist- du kannst selber entscheiden, ob du drunter leidest und ins Leben zurück findest- es liegt alles in deiner Hand.”
Entschuldigung liebe Gesellschaft- aber das ist einfach nicht wahr!
Ich-Wir (einself- wer sich mitgemeint fühlen mag bitte gern) als Opfer möchten es euch auch so gern so einfach machen. Wären auch so gern so sehr unabhängig von Hilfen!
Wir wären so dankbar um Hilfe und Unterstützung, die einfach so käme, statt ewig und drei Tage darum zu betteln! Immer wieder und wieder zu betteln- so wie wir vor unseren Peinigern immer und immer zu betteln gezwungen waren.
Ja tut uns echt leid, dass unser Überleben als solches, nichts weiter beinhaltet, dass wir einfach noch SIND- ohne ausdrücken zu können, wie genau das passiert ist.
Ja, wir würden auch gern einfach nicht jammern. Weil wir aber nirgendwo wirklich jammern können- weil uns immer wieder alle (außer unsere echten (oft genug auch ohnmächtigen und sprachlosen) Helfer) sagen, man könne ja nicht immer jammern, quillt uns das einfach ab und an mal raus!
Wir bemühen uns so sehr (wieder) ins normale Leben zu kommen.
Doch wir wurden kaputt gemacht. Gebrochen. Zerstört. Und wenn man kaputt ist, wird man einfach nicht wieder so normal, wie man es hätte sein können, wäre man nie zerstört worden.
Hört auf uns vorzuheucheln, das ginge, “wenn wir uns nur…”
Hört auf uns vorzulügen, wir könnten alles was uns dabei helfen könnte kriegen, “wenn wir nur…”
Hört auf!
Lasst das einfach!
Hört auf Menschen das Gefühl zu geben, wenn sie sich auf eine Art unterwerfen und ausbeuten lassen, wie Frau Kampusch, seien sie ein strahlendes Beispiel dafür, wie man richtig überlebt hat und richtig mit seinem Leiden umgeht.
Denn das ist einfach nicht wahr!
Hört auf Opfer im Fernsehen sagen zu lassen, es ginge ihnen so gut, weil sie sich nicht in die Opferrolle begeben haben.
Denn das ist einfach nicht wahr!
Der Rosenblätterhulk will Jauch abschaffen, weil er lügt und Lügen verbreitet und statt irgendwie in irgendeiner Form hilfreich, lehrreich oder sonst irgendwie sinnig zu sein, einfach nur dafür sorgt, dass die Masse doch wieder nur seine Vermeidungsblase zumachen kann, statt sich hinzustellen und mit den Überlebenden von Gewalt zu solidarisieren und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Auf dass so eine Gewalt- so eine Not, schlicht keinen Nährboden mehr in unserer Mitte findet!
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