Elternmord

Wir sitzen in der Küche und neben unserem Gespräch, hopst die Nacht unterm Fenster entlang.
Der Mensch sagt: “Man könnte es auseinanderklamüsern und einen Anfang finden.”. Seine Hände bewegen sich von einander weg. Eröffnen ein symbolisches Feld in das unsere Entwicklung und unsere familiäre Interaktion hineinpassen soll.

Das Inmitten pulsiert und vielleicht weine ich am Rand des Außen, weil es so herzzerreißend ist.
So ein Wunsch, ein Interesse – so ein Moment, in dem man doch nur eine Frage hat und die doch nur beantwortet haben möchte – so ein Moment, in dem man doch nur verstehen möchte, so ein Moment ist zu zart für das, worum es geht.

“Es geht ja nicht um Schuld. Hier wird niemand gerichtet.”, so etwas sagen Psycholog_innen in jedem Elterngespräch ums krankbeklopptkaputtgespielte Kind und in meiner Familie hat das nie funktioniert. Wie soll das generell auch funktionieren, wenn Eltern – egal, ob sie ihr Kind absichtlich oder aus eigener Unerfahrenheit, Not, Ohnmacht, Impulsivität, eigenen unverarbeiteten Traumatisierungen heraus misshandeln oder nicht – sich gar nicht im Wunsch nach Verstehen auf genau der Ebene der Objektivität bewegen können.
Der Anspruch nicht in Schuld-Unschuld- Dualismen zu agieren,  blendet innere Dynamiken und den sozialen Kontext in dem Menschen leben, aus.

Gespräche ums Selbst und Sein, passieren nicht in luftleeren Räumen.
Kein Gespräch ist ohne Bezug.

Es wäre spannend, wären Menschen Objekte, deren Entwicklung man anhand von Etappen und Ereignissen systematisieren kann.
Es wäre so praktisch, dass man es er/begreifen kann, könnte man menschliche Entwicklung innerhalb von Mikrokosmen beschreiben und analysieren, wie Schimmelwachstum in einer Petrischale.
Menschen sind aber nicht so. Schon gar nicht sind Familien so. Und Misshandlungsfamilien haben, zumindest ist das meine Idee, jeweils so spezifische Dynamiken zwischen und an jeder einzelnen Interaktion, das von einer systemischen Multiplizität gesprochen werden könnte. Dass man am Ende sagen könnte: Misshandlungsfamilien sind in einer rhizomatischen Dynamiken-Dynamik verhaftet, die zu beobachten nur dann überhaupt praktisch möglich ist, wenn man selbst in ihr lebt. Doch diese Beobachtungen daraus heraus zu formulieren wäre aufgrund ebenjener Beteiligung nicht mehr möglich, weil es Teil der Dynamik ist, genau dies nicht zu tun bzw. dazu nicht befähigt zu werden.

Das ist, was Schweigegebote und die Misshandlungsfamilie als abgeschlossenen Raum im Raum im Raum schwer bewortbar macht.
Das Ende der Äußerung kann sein einen Aspekt einer Dynamik zu transportieren: “Was zu Hause passiert, bleibt zu Hause.” – also ein Schweigegebot sichtbar zu machen. Dem Beobachter von außen bleibt aber der Weg zu dieser Dynamik verborgen und die Dynamiken, die genau dieses Ende benötigen, um das Gesamtsystem (den Raum mit seinen Dimensionen) aufrecht zu erhalten.
Die Reflektion tötet am Ende die Misshandlungsfamilie bzw. bringt sie in existenzielle Gefahren.  Am Ende gibt es Abstoßung.

Und irgendwann gibt es eine Person, die mit fast 29 Jahren in ihrer Küche sitzt und überlegt, ob das Gegenüber verstehen könnte, wenn sie sagt:
“Du kannst nicht mit meiner Familie sprechen, weil ich sie ermordet habe. Ermorden musste, damit ich über sie nachdenken konnte. Damit ich meiner Therapeutin überhaupt die Fetzen meiner Erinnerungen mitzuteilen wagen kann.”.
Es ist Teil des So-tun-als-ob-Spiels, das Teil einer inneren Dynamiken-Dynamik ist, die unsichtbar blieb, weil Abstoßung ein heimlicher Akt ist.

Aussteiger_innen sollen heroische Selbstretter_innen sein, die die Gewalt an sich erkannt haben und etwas Besseres für sich  wollen.
Sie sollen selbstbestimmt sein und eine Linie ziehen – eine Entscheidung treffen und diese verteidigen.
Aussteiger_innen morden nicht. Sie gehen einfach weg und korrigieren den Blick zurück von sich aus nach vorne.

Wäre Abstoßung nicht heimlich, gäbe es noch andere Stereotypen.

Ich habe meine Eltern getötet und halte bis heute ihre Leichen in meinen Armen.
Analysiere, seziere, bedenke etwas, das diese Welt schon längst verlassen hat und mich nicht mehr braucht, um sich am Leben zu erhalten.
Das ist nicht, was in den schlauen Büchern zu Ausstieg aus gewaltvollen Kontexten steht, aber es ist auch ein Aussteigen, dass es mir ermöglicht hat nicht zu verharren und meine Therapiemöglichkeiten zu nutzen.

Es ist die Maxime: “Es ist vorbei”, es ist die Erleichterung über die Wertung des eigenen Wortes, der eigenen Er-Lebensrealität – das So-tun-als-ob-Spiels der Psychologie, das einen Raum ohne Kontext ermöglichen will, um Probleme und ihre Lösungen zu erdenken.
In Bezug auf Gewalt funktioniert das nicht, weil Gewalt immer und immer und immer selbstbestätigend ist und eben auch in einem leeren Raum existiert, allein schon in dem Umstand, dass es den Raum gibt bzw. geben muss und kann.

Wenn man Gewalt in einen Raum steckt, steckt man Schuld, Scham, Schmerz automatisch mit dazu und muss zwangsläufig reduzieren, um etwas zu sehen, dem man sich soweit widmen kann, dass man es verstehen bis begreifen kann. Doch es wird – es muss – dann unvollständig sein und am Ende unbefriedigend, sinnlos, verrauchte Energie. Das Gefühl, den eigenen zarten Wunsch nach Verstehen unter etwas schwerem, großen – überforderndem Irgendwas erschlagen zu fühlen.

Als wir eine Jugendliche waren, sahen wir dieses überfordernde Ding, über viele Psycholog_innen in Elterngesprächen rollen und bekamen immer wieder zu spüren, dass “Abgrenzung” an der Stelle bedeutet, dieses Ding auf uns abzulegen, weil es ja sowieso schon mit uns zu tun hatte.
Und als Teil der Dynamiken-Dynamik sind wir darunter nicht dekompensiert, eben, weil wir ein Teil davon waren.

Heute wirft man mir gerne vor Sackgassen-Situationen zu kreieren.
Man mag es nicht, wenn ich Dynamiken innerhalb von Dynamiken aufzeige und zeige, dass Gewalt = Gewalt ist und nichts weiter.

Man möchte gerne glauben, da gäbe es Wege und Mittel, wenn nur der Raum frei genug ist.
Man möchte gerne glauben, dass dieses Moment des Verstehenwollens als harmlos gesehen werden kann.

Und ich lasse sie ihre Vermeidungstänze machen.
Weil ich weiß, wie wichtig sie sind, um sich am Leben und Glauben zu erhalten.

Autismus und DIS #4

Es gibt diese Tage von denen man nicht weiß, dass es Tage sind. Dieses Sein voll Reiz und Reaktion, ohne irgendeine Dimension, die ihre Hand austreckt und vor dem Ertrinken bewahrt.
Wenn man den Absprung aus dem intrusivem Erleben in die Orientierung hinein nicht geschafft hat, sondern von Impuls zu Impuls springt und froh ist, wenn man einen Fetzen seines Intellekts sieht und sich ver_stehend erlebt.

Wir müssen sortieren. Vor der Flut des Innen und Außen stehen wir. Sind seltsam unberührt, doch Schreie fühlend, die aus dem Inmitten quellen, dringen und drängen wollen.
Man kann nichts damit anfangen, weiß keine Reaktion und am Ende ist der Impuls egal, obwohl er macht, das man kopflos getrieben wird.

Während die einen noch vor dem Wort “Autismus” stehen, als sei es ein Kleid, in das hineinzuschlüpfen, man sich errechnen muss, obwohl die Zahlen im Kopf weh tun, ruft es im Innen nach einer höheren Instanz, die anleitet und beruhigt. Sicherheit, Entlastung schafft.
Andere lauern auf ihren Moment an ihren Projekten zu arbeiten – um ihr Ende finden und genießen zu können, um sich von der helldunkelbunten Masse  des Inneren lösen zu können, die stiert und starrt und dumpf pulsend versucht das eigene Sein möglichst wenig fühlen.

Es ist der Gedanke, die Verheißung, die Idee, ein Sein – ein Sosein zu haben, das nicht impliziert ein So-tun-als-ob-Spiel zu spielen, damit man überleben kann.
Die Idee, dass kein Innen mehr so tun müsste, als wäre es wie die, mit denen sie es zu tun haben. Die Verheißung, aufhören zu können diese eine Kluft zu überbrücken zu versuchen und trotzdem noch zu sein.
Das ist ein Maß an Orientierung, im Hier und Heute, das wir nicht kennen.
Das wir nicht sortieren können, weil es zu viel bedeutet.
Es bedeutet nicht nur anzuerkennen: mein Innenalter, entspricht nicht dem Körperalter; mein Selbst ist von einem fragmentierten Ich (vielen ichs) umgeben und definiert oder “ES und DAS DA ist vorbei” – es bedeutet auch: Die Kluft ist wirklich und das Spiel “So tun, als ob sie überwindbar sei”/ “So tun, als ob sie nicht da wäre”, könnte jetzt aufhören. Ist vielleicht schon vorbei und wartet darauf, dass auch wir aufhören.

Es bedeutet Gespräche für andere genauso anstrengend wie für uns zu machen.
Indem wir aufhören so zu tun, als würden wir wissen, was das gegenüber meint. Indem wir schweigen, wenn eine Antwort von uns bedeuten würde, sie wäre unbefriedigend eingedampft für uns – aber bereichernd und inspirierend für andere. Indem wir äußern, wann wir verwirrt sind, uns gestört, bedroht, unberührt fühlen.

Es bedeutet Alltagsgewalt an uns zu unterlassen und uns in der Folge nicht mehr zu Konventionen zu zwingen, die uns unsinnig und schmerzend erscheinen.
Es bedeutet zuzulassen, dass das Konzept von innerer und äußerer Sicherheit, die Gewalt an uns bedeutet, die wir wahrnehmen doch bis heute nicht nach außen getragen haben, weil die Norm es nicht gern hat, normativ genannt zu werden.
Es bedeutet Selbstfürsorge als so schwer und überfordernd sichtbar zu machen, wie wir sie erleben.

Es bedeutet ein Zugeständnis an die Alleinigkeit, den Autismus als Lebensform, vor dem man sich verschlossen hat, weil unsere Gesellschaft die Alleinigkeit mit Einsamkeit, mit Asozialität und darüber mit Anormalität verbunden hat und so tut, als wären Kluften, wie die über deren Überwindung wir uns schon unser ganzes Leben lang aufrauchen,  schlicht inexistent, weil nur wir sie spüren.

Es bedeutet ein Zugeständnis an den Unterschied zwischen der Einsamkeit der Opfer und derer, die Opfer waren und der Einsamkeit, die sich aus Inkompatibilität und Lügen_leben ergibt.
Es bedeutet die Anerkennung einer Isolation, die beides ist: Entlastung und Auslieferung

Es bedeutet: Dinge werden sich verändern.

Lebenswert behindert sein

Monica Lierhaus sagte in einem Interview, dass sie heute verschiedene Entscheidungen anders treffen würde, als vor ein paar Jahren noch.
Wäre Frau Lierhaus nicht behindert, würde diese Aussage angehört und wieder vergessen.

Als Person aber, der eine Operation das Weiterleben ermöglichte und als Person, die in der Folge behindert ist, hat sie diese Entscheidung gefälligst nicht (öffentlich) zu bereuen und schon gar nicht hat sie ihr Leben danach als weniger lebenswert zu empfinden, weil das die Öffentlichkeitsarbeit anderer Behinderter untergräbt. So lese ich zumindest den Kommentar von Christiane Link in ihrem Blog.
Frau Link schreibt, dass sie öfter hört, Menschen könnten oder wollten an ihrer Stelle nicht leben und setzt dies in einen, vielleicht richtigen, vielleicht aber doch auch unvollständigen Kontext mit Bewunderung.

Und ich stehe neben diesem Disput und denke darüber nach, wann es denn erlaubt ist zu äußern, dass man sein Leben als behinderte Person nicht als lebenswert empfindet.
Darf man es äußern, wenn man nicht prominent ist? Darf man es äußern, wenn ein kleiner tragbarer Motor das eigene Herz ersetzt und man jede Woche zur Dialyse muss? Oder wenn der fünfte Versuch einer Behandlung mit Psychopharmaka zu massiven körperlichen Veränderungen und emotionaler Schmalspur verholfen hat? Oder einfach nie, weil das Leben so unfassbar kostbar wichtig ist, dass es, ohne jede Reflektion, jeden Preis kosten darf – und muss und soll?

Darf ich, wenn ich äußere, dass ich mein Leben als nicht lebenswert empfinde noch bitte selbst definieren was “Leben” und was “Wert” für mich ist? Darf ich bitte über meine Er-Lebensrealität und ihre Bewortung noch selbst bestimmen und nicht andere Menschen?
Darf in einer Zeitung auch mal eine beschissene Selbstansicht von Behinderten über sich selbst und ihr Leben stehen?

Warum ist es so wichtig, aus einer Behinderung etwas zu machen, was tragbar ist und, was das eigene Leben ja eigentlich nicht dann doch nicht behindert oder beeinflusst?
Manchmal ist sie das eben nicht.
Manche Barrieren und (Vor-) Urteile in Bezug auf das Leben mit Behinderungen gibt es auch im Kopf der Behinderten selbst und Interviews, wie das von Frau Lierhaus und auch der Text von Frau Link – genau wie meiner hier – tragen dazu bei, sie sichtbar zu machen.

Ich habe die abfällige Bezeichung “die Sonnenscheinbehinderten” für Menschen, die sich öffentlich ausschließlich so äußern, als wäre ihre Behinderung bzw. ihre chronische Erkrankung eigentlich gar nicht so schlimm. Und eigentlich auch gar kein Problem. Nie und nirgends und wenn doch: nicht lange und schon gar nicht unaushaltbar.
Für mich ist es so, dass ich mir an der Stelle denke: “Ah, okay cool – schön für diese Personen. Schade, dass ich es nicht auch so einstufen/erleben kann.”.
Was in etwa der gleiche Gedanke ist, wie ich ihn habe, wenn ich von hochbegabten Kindern in umfänglichen Förderprogrammen höre; von traumatisierten Menschen erfahre, die austherapiert mit ihrer selbstgegründeten Familie und halbwegs gesichertem Leben in den Sonnenuntergang schauen und von Menschen, die ihre Depressionen mit einer Tablette täglich als erträglich empfinden können.

Ich frage mich, was an mir falsch ist, dass ich nichts davon auch habe. Nicht mal nah dran bin.
Ich frage mich, was ich übersehe, welche Energie ich wo falsch hinpumpe, dass ich das nicht habe.
Ich schaue in unsere Gesellschaft und frage mich, was läuft da falsch, dass ich mich nicht glücklich optimieren kann– wo ist denn dieser verdammte Sonnenschein, der andere Behinderte in die Fernsehkamera lächeln lässt?!

Und was genau ist eigentlich der Lebenswert von dem da dauernd gesprochen wird? Wenn Leben so preislos anzunehmen ist – braucht es dann noch eine zusätzliche Aufladung mit Wert? Steht Leben dann nicht eigentlich absolut darüber und sollte gar nicht erst in einer Wortkombination mit “wert” erscheinen?

Mein Leben ist nicht wertvoll für mich und das habe ich schon 9 Jahren verstanden.
Man kann mich im Kopf erneut zum Opfer von Gewalt machen und sagen, in meinem Lebensumfeld hätte ich ja auch keinen Anlass gehabt davon auszugehen, dass das anders ist. Man kann mir aber auch glauben, dass ich durchaus auch von Menschen umgeben war, die mir vermittelt haben, dass es okay ist, dass es mich gibt.
Man darf mir auch zuhören und verstehen, dass es nicht andere Menschen sind, die mir definieren, was mir mein Leben wertvoll oder auch “lebenswert” macht.

Leben ist einfach, für mich. Leben will nichts und Leben braucht nichts. Es ist einfach nur da. Und, ob man sich damit verbindet oder nicht und wie man es für sich be_wert_et oder füllt, liegt an den Personen selbst und dem Umfeld, in dem sie leben.

Für den Lauf der Dinge (das Leben) ist es irrelevant, ob es mich gibt oder nicht.

Ich sehe mein Er-Leben nicht als wertvoll geschätzt für diese Gesellschaft. Ich werde als Person genauso weder gewollt noch gebraucht, wie ich einfach mit Lebensbewertungs-und –dankbarkeitszwang überfordert werde.
Ich bereue keinen einzigen meiner Suizidversuche, weil ich keine Schuld empfinde, etwas von mir zu nehmen, um das ich nicht gebeten habe.
Ich bewerte Dinge und Prozesse, die sind, nicht.
Entsprechend ist mein Leben für mich auch nicht lebens_wert, sondern lebbar, genau wie es nicht lebbar ist.
Diese Einordnung und ihre Definition, erlebe ich auch als Teil meines Lebens und meines Entwicklungsprozesses. Als etwas, was der Umstand zu leben eben auch impliziert.

Am Leben zu sein, bedeutet von einer Option definiert zu sein, die als einzige wirklich bedingungslos ist und in ihrer Entstehung unbeeinflussbar war.
Niemand kann etwas dafür geboren worden zu sein. Niemand kann sich dafür entscheiden geboren zu werden oder eben nicht.
Aber jede Person kann sich entscheiden, ob sie am Leben bleiben will oder nicht und wenn ja, wie sie das für sich bewertet.

Ich verstehe, dass es anstrengend und nervig ist, Menschen zu sagen, dass man das eigene Leben mit einer Behinderung nicht als Last oder Leidensquelle empfindet.
Doch meine Last daran, Menschen immer wieder klar machen zu müssen, dass es mir trotz viel psychiatrischer und psychotherapeutischer Hilfen und trotz viel beachtetem Potenzial in mir, eine Leidensquelle ist, eben doch nicht zu sein (und niemals werden zu können), wie Menschen, die diese Hilfen nicht brauchen um ihre Verbindung mit dem Leben auszuhalten und damit umzugehen, die wird genau in dem Moment ausgeblendet und zum Bedrohungsfaktor erklärt, wenn der Anspruch an alle heißt, niemals zu äußern, dass man sein Leben als nicht lebenswert empfindet.

Was ist das für ein mieser Schuldspruch, bei einer gesellschaftlichen und juristischen Sachlage, wie der, die wir aktuell in Deutschland und im Rest der Welt vorfinden? Was ist das für ein Anspruch auch an die Behinderten selbst, die jeden Unterstützungs- und Hilfebedarf über Nichtbehinderte definiert erfahren und daran nie eine Kritik äußern können, ohne ein bestimmtes (überlebenswichtiges) Anpassungslevel zu verlassen?

Wenn es heute noch Meinungen gibt, die besagen, das Leben von Behinderten wäre eine Last oder Behinderte sollten besser nicht leben, dann gibt es diese Meinungen zu allerletzt, weil Behinderte sich öffentlich zu ihrer Er-Lebensrealität äußern.
Menschen mit Behinderungen werden gehasst, ausgegrenzt, verachtet und zur Belastung erklärt, weil man es kann. Weil es dafür gesellschaftliche, wie bürokratische Strukturen und kulturelle Praxen gibt.
Um daran etwas zu ändern, braucht es Sichtbarkeit. Braucht es Ehrlichkeit. Braucht es Verstehen und Annahme von Unterschiedlichkeit.

Auch dann, wenn es anstrengend wird und eben nicht mehr nur der unproblematische Sonnenschein betont werden kann, der denen, die sich autark so weit selbst optimieren können, dass sie sich zur Norm erheben können, vermittelt es gäbe keine Unterschiede, wo doch permanent welche gemacht werden (müssen).

danach

“Hm, wollte ich am Ende eigentlich nicht eher fragen, ob sie uns jetzt anders sieht?”, frage ich mich und betrachte das rote Ampelfigürchen auf der anderen Straßenseite.  “Vor allens hast du vergessn zu fragen, ob sie uns jetz trotzden noch gern hat”, denkt es durch meinen Hinterkopf hindurch.

Die Ampel schaltet, ich zupfe ihm am Denken. Er stößt das Rad an und rollt über die Straße.
Während er und sein Begleiter sich bemühen, nicht im warmen Gegenwind zu versinken, drehe ich mich um.
“Das habe ich nicht vergessen. Die Frage ist irrelevant.”. Das Mädchen schüttelt den Kopf. “Stimmt nich.”, schiebt es hervor, “Es ists megaobersuperwichtig!”.

“Äh ja.”, ein Innen mit gekräuselter Stirn stützt sich auf den Kopf des Kinderinnens und wackelt mit seinen Fingern vor dessen Augen herum.  “Voll wichtig. Ph. Voll peinlich!”. Es fuchtelt mit den Armen durch meine Konzentration und ich merke, wie sich meine Ränder auflösen.

Ich verlasse die beiden und setze mich in den Fahrradkorb.
Der Wind streichelt mich und einen Moment lang bin ich gar nicht da.

Wir warten erneut vor einer Ampel und ich denke an Abendbrotgespräche.
Meine Mutter fragte, wie es im Kindergarten war. Mein Geschwist konnte nichts erzählen. Später verstand sie, dass es erzählen konnte, was es zu essen gab, wenn sie es aufzählte.
“Kartoffeln, Reis, Nudeln oder Suppe? Gemüse oder Fleisch? Pudding, Jogurt oder Obst?”.
Ich weiß nicht mehr, was ich auf die Frage antwortete. Ob sie mir gestellt wurde.

Ich denke darüber nach, ob das Erinnern daran, etwas verändern würde. Denke, dass es vielleicht diese Dinge sind, die Menschen, wenn sie in einer Familie erwachsen werden, einfach wissen, weil sie manche Geschichten und Begebenheiten immer wieder mal hören.

Was ich am Klarsten von dem, was ich in meinen Eltern bewegt habe, erinnere ist:
1) die Frage, ob mir klar ist, was ich ihnen mit meiner “Krankheit” antue
2) “Wir wussten ja nicht, ob wir dich am nächsten Morgen tot im Bett finden würden”

Er streckt die Hand aus, um sie durch einen Busch, dessen belaubte Äste auf den Weg ragen, gleiten zu lassen.

Ich glaube, meine Eltern sind sehr hilflose Menschen gewesen. Vielleicht sind sie es heute weniger, weil die Probleme, bei denen sie Hilfe – gute umfängliche Hilfe – gebraucht hätten, von ihnen wegkompensiert sind.

Die Kleine baumelt kopfüber in meine Gedanken hinein.
”Kannst ruhig weinen, wenn du willst. Is oke.”. Sie schaut einem Reiher hinterher, der über uns hinweg durch die Luft gleitet.

Ich überlege und merke, dass ich nicht weinen will.
Ich will eine Familie. Eine äußere Mehrsamkeit  zum erwachsen werden. Zum Aushalten des Umstandes erwachsen zu sein und doch noch immer weiter zu wachsen.

“Du willsts, dass dich jemand auch gern hat und bei dir is, ne?”, sie piekst mit ihrem Finger auf meinen Kopf und setzt sich dann neben mich.
Wir halten unsere Gesichter in den Fahrtwind und hören seinem wohligen Brummen zu.

“Bisschen is das schon wie Familie, wenn man weiß, da sinds welche Leute draußen, die haben einen gern.”. Sie hebt eine Augenbraue und öffnet sich vor mir, bis ich ihr Herz sehen kann.

“Wenn du willst, frage ich sie nächste Woche, ob sie uns trotzdem noch gern hat.”.
Sie lächelt und hält mir ihre Hand hin.

Autismus und DIS #3

“Autistin, klingt nach Artistin.”, denke ich und schwanke aus der Straßenbahn direkt gegen eine Wand aus feuchtwarmer Luft.
Es ist kurz vor 20 Uhr und meine Bewegungen haben nichts mehr mit mir zu tun.

Während ich das Rad losschließe, denke ich darüber nach, wie es jetzt weiter geht und wer noch bleibt.
Ich denke an Mensch XY und wie er den Kopf schüttelte, als ich ihm sagte, dass ich mich auf die Diagnostik einlasse. “Nee – Autismus. Du nicht… oder?”, war seine erste Reaktion und obwohl ich weiß, dass die Zweite und Dritte nicht die Gleiche sein muss, ist mir klar, dass ich mich wieder in einer Situation befinde, in der ich Kraft aufbringen muss, wenn ich mit Menschen darüber reden werde. Ich muss mich auf Verletzungen und Anforderungen einstellen.

Als die DIS-Diagnose gestellt wurde, war das ähnlich.
Wir haben niemanden mehr aus der Zeit vor der DIS-Diagnose in unserem Leben und jeder Mensch, den wir danach neben uns fanden, hatte den Kontakt zu uns gewollt und dafür auch ausgehalten/ertragen/geduldet/akzeptiert, dass wir viele sind und damit manches einhergeht, das nicht einfach ist.

“Ich wünsche mir, dass die Menschen, die jetzt sind, bleiben.”, denke ich und merke, wie ein Jemand ein Kinderinnen verprügelt.
Menschen wünschen ist noch immer schwierig. In jeder Hinsicht.

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf die in meinem Gesicht und unter der Haut zuckenden Muskeln. Atme durch.
Mit dem Fahrtwind im Gesicht und auf den freien Armen ist es schön. Federstreichelluft.
Ich habe ein Wimmern im Kopf und am Rand meines Bewusstseins pocht ein Schmerz. Vielleicht mache ich es nur schlimmer mit dem Gedanken, dass ich jetzt gern jemanden hätte, der statt mir einkauft. Oder auf mich warten kann, ohne selbst in Not zu kommen.

Sie stampft durch den Laden und geht die Route ab. Milch, Jagdwurst, passierte Tomaten, Wassereis. An der Kasse frage ich sie, ob wir uns das überhaupt leisten können. “Nein.”, antwortet sie mit einem Stolz in der Stimme, der deplatzierter nicht sein könnte.
Ich frage nicht nach. Nehme mir aber vor, in dieser Woche mein Honorar und die Fahrtkosten, die mir noch immer nicht gezahlt wurden, einzufordern.
Ihr Stolz stärkt mich. Ihr Stolz sagt: “Ich bin es wert, nicht betteln zu müssen.”.

Im Blindflug fahren wir nach Hause.
Als die Welt zu schwanken beginnt, steigt er vom Rad.
Zu Hause wartet NakNak*. Wir füttern sie, gehen mit ihr in den Garten.
Ich will meine Arbeit weiterführen. Ein Krampfanfall tritt mir in die Kniekehlen.
”Vielleicht habe ich Krampfanfälle, weil mein Körper versucht auf alles zu reagieren, was mein Denken und Fühlen anstößt.”, denke ich noch im Fallen.

Ich sehe diesen Körper ziellos durch die Luft um sich herum zucken.
“Hilflos, ohnmächtig, überfordert von den Prozessen, die alle gleichzeitig in mir und um mich herum passieren. “.
Der Satz will an mir vorbei fliegen. Vergessen werden.
Aber ich will ihn nicht vergessen.

Damals als die DIS-Diagnose gestellt wurde, hatte ich ihn einfach ziehen lassen.
Ich habe nicht geäußert, wie es für mich war damit konfrontiert zu sein und mich von den Implikationen überfordert zu fühlen.
Diesmal will ich es anders machen.

NakNak* legt ihren Kopf auf meine Brust und schließt die Augen.
Ich spüre ihrem Fell unter meiner Hand nach und merke, dass ich nicht verlassen bin.
Das Wimmern im Innen verstummt.

Aufräumen

Manchmal ist Aufräumen eine Option.
Leben, das bedeutet ein wogendes Meer und irgendwo sammelt sich immer etwas, das man Treibgut nennt, doch heimlich als wichtige Schätze behandelt.

Ein, zwei Notenblätter hier, ein zwei Kompositionen da.
Ein Übungsheft fürs Piano, eins für die Gitarre.
Ich habe nie ein Instrument gespielt.
Aber.

Ein noch nicht entwickelter Farbfilm auf einer Spule. 4 Fototaschen mit Daten zwischen 1995 und 2002.
Eingefangene Bildergeschichten aus einem fernen, fremden Leben.
Man muss sie behalten, weil ihr Verlust das Herz zerreißen würde.
Auch, wenn man sie nie öffnet.
Weil.

Die Hände werden rau und staubklebrig.
Kopien, Flyer, Berichte, liebe Grüße an E.
Alle falsch adressiert.
Außer der kleine Schlüsselanhängerbär.
Der ist von Oma.

“Packst du unsere Sachen?”, fragt sie und zupft an meinem linken Sehnerv.
Sie legt den Kopf schief. “Willst du weglaufen?”.

“Nein.”, antworte ich, “Ich erleichtere uns nur ein bisschen”.

Wir stehen zur Trauerfeier vor den Mülltonnen und stellen uns vor, wie der feine Nieselregen das Weinen ist, zu dem ich im Moment nicht komme.

Aufräumen ist eine Option, wenn ein Neuanfang nicht geht.

spontan

“Das ist doch die einzige wirklich gute Konvention in Psychogesprächen: dass manche Konventionen nicht sein müssen.”, sagt es ins Telefon und verabredet sich. Spontan.
Weil darum und weil. Und so.

Ich weiß nicht genau, wann wir zuletzt die Möglichkeit hatten, mehr oder weniger risikolos über unser Denken und Wahrnehmen zu sprechen. Eigentlich könnte man ja annehmen, dass wir das ständig in der Therapie tun, doch das ist nicht der Fall.
In unserer Therapie geht es auch darum zu schauen, wie der Umgang mit Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen aussehen kann. Könnte. Sollte.
Es geht um Selbstwahrnehmung. Nicht um die Qualität und die Wege dahin oder darum, wie man seine Kommunikation er- und bearbeitet.

Sie wartet an der verabredeten Stelle. Läuft ein Stück vor. Betrachtet das T-Shirt der Person im an ihr vorbei fahrendem Auto.
“Dunkel. Ein dunkles Shirt. Das ist er.”. Ich weiß nicht, ob sie mich hört oder bemerkt.
Es kommt keine Reaktion auf meinen Hinweis, dass dunkle Shirts kein Alleinstellungsmerkmal sind.

Das Auto kommt zurück. Der Mensch darinnen ist tatschlich die Person, mit der es sich verabredet hat, damit sie sprechen kann. Und die anderen auch. Wenn sie wollen.
Wenn es überhaupt geht.

Es ist seltsam, wie viele Schrauben an dem Treffen sind.
Wir begegnen uns auf einem der Friedhöfe, auf dem sie sich wohl fühlen und setzen uns auf die Wiese, die am wenigsten stresst.
Der Mensch fragt, was wir von ihm brauchen, damit es okay ist.
Mir fällt ein, dass wir uns die Frage in Bezug auf unser Sitzen im Therapieraum bis heute nicht zu Ende beantwortet haben.

Während sie und es einander die Brocken zuwerfen, um sie nach außen zu bringen, fangen wir die Worte des Menschen ein und breiten sie vor uns aus. Schnörkellos und linear.
Hm.
Komisch.

Vom Rand dringen Warnungen und ein dumpfes Weinen.
Donner rumpelt durch die Wolken und das Gewitter tanzt bereits durch die Haarspitzen.
Es beginnt zu regnen und wir setzen uns in einen überdachten Durchgang der Trauerhalle.

Der Regen rauscht und potenziert den Verkehrslärm zu einem reißenden Nervenfeuer unter der Haut. Der Hall des Tunnels zerrt an den Worten und mein Wunsch für sie den Faden nicht zu verlieren hält dagegen.
Ich halte einfach alles irgendwie zusammen, weil kein Gewitter endlos ist.

Man könnte meinen, wer so viel Ansprache und Widmung wie wir bereits erfahren hat, der hätte schon alles durch.
Ich denke oft, dass wir schon alles gesagt haben. Dass wir eigentlich leer sind.
Dass wir eigentlich nichts mehr zu geben haben.

Und dann sehe ich, wie groß die Kluft zwischen Geben und Annahme mitunter ist.
Und falle hinein.
Erinnere, dass ich sie mit aller Macht vergessen wollte, weil sie mir unüberbrückbar erscheint. Erinnere eine Episode nach der anderen, in der wir uns verausgabten um uns verstanden und angenommen zu fühlen. Erinnere wie viele in dieser scheinbar unsichtbaren Tiefe ertranken und verstarben.

Vielleicht war es eine gute Idee, die eigene Intelligenz endlich ernst zu nehmen und sich zu trauen, sie durch die eigenen Augen anzusehen. Sie orientiert am eigenen Er-Leben zu erkunden.

Ich erinnere mich an den Tag, an dem das Ergebnis mitgeteilt wurde und daran, was für eine seltsame Aufregung im Raum lag. Es war eine dieser erwartungsvollen Aufregungen, in der wir uns als im Auge eines Tornados sitzend erlebten und nicht wussten, welche Re_Aktion jetzt zu wählen sei.
Egal, was wir getan oder nicht getan hätten – unsere Rolle in dem Moment war ganz klar, es zu verderben. Aktiv – etwa, indem wir sagen, was wir sagten:”Okay.” oder passiv, indem wir waren, was wir damals schon waren: allein und ohne jede Möglichkeit nach außen dem zu entsprechen, womit andere Menschen ihre Zahlen, Worte und Werte aufladen.
Ich weiß noch, dass ich mich bei der Psychologin damals für ihren Aufwand, die Auswertung überhaupt machen zu können, entschuldigte und gleichzeitig dachte: “Ey – ja aber wieso glaubt sie mir denn auch nicht einfach und gut is?!”

Während der Mensch spricht und fragt, merke ich, wie dankbar sie ihm dafür sind.
Einfach fürs Fragen. Fürs wissen wollen.
Obwohl viele Obwohls ihre Ecken in die Schläfeninnenseiten bohren.

Es ist diese Verheißung des Loslassens, die da wieder auftaucht und von der wir dachten, im Laufe unseres Erwachsenwerdens, würde sie weniger verlockend auf uns wirken.
Wenn wir erwachsen seien, dachten wir, dann könnten wir besser mit dieser Kluft umgehen, mit Menschen umgehen, uns verstehbar machen, uns irgendwie soweit integrieren, dass es uns nicht mehr stört…
Das Erwachsensein würde alles ausgleichen, was wir als fehlend wahrnahmen.
Erwachsenwerden und Erwachsensein verlor damit seinen Status als Teil des Lauf der Dinge und wurde zum Werkzeug.

Der Mensch fragte, was es bedeuten würde, eine Aspergerdiagnose zu haben.
Und während sie und es sich auf Ebenen des Außen und des Mehr beschränken, wird mir klar, dass meine Ebene das Innen und das Weniger umfasst und ich vielleicht genau deshalb keinen Zugriff auf die Worte hatte, die sie nach außen fallen ließen.
Für mich würde es bedeuten: Loslassen und sein zu können.

Nicht viele, nicht ich, nicht etwas oder jemand zu sein, sondern einfach zu sein und diesen in meine Handinnenfläche gedrückten Faden, in diese so überbordend nicht- bis missverständliche Welt loszulassen.
Ich würde das Inmitten nicht mehr zusammenhalten, “weil man das so macht” und mir genau das zur kraftzehrenden Angewohnheit wie eine Sucht aus äußerem Zwang geworden ist.
Ich würde helfen einen Platz zu finden, in dem sie und ich und wir und die anderen auseinanderfallen könnten, damit wir uns in Ruhe erkunden können.

Ich glaube nicht, dass andere Menschen verstehen können, wie das ist, wenn man sein Leben lang etwas zusammenhält, das man nicht einmal kennt.
Nicht: “Sich zusammenreißt und sich anders verhält, als man vielleicht will.”
Ich meine das, was man für sein Selbst hält. Das, wo nie ein Trauma seinen Weg hinfinden konnte, weil es sich nicht dort befindet, wo ein Trauma allgemein verortet wird, wenn es nicht körperlich sichtbar ist.

Die Luft ist dicht und feucht, als sie auf der Bank sitzen.
“Ich halte es für wichtig, die Testung machen.”, sagt der Mensch und begründet sich mit einem Artikelabschnitt aus dem Blog von Vielen.

“Ich halte es für wichtig, die Testung zu machen.”, will sie nach vorn geben.
Ich fange es ab. Stopfe es zurück.
Sie wählt ein anderes Wort.
“Okay.”.

ein „bisschen viele sein“

(~ Fortsetzung ~)

“Ein bisschen verrückt sind wir ja alle.”, “Wir sind doch alle irgendwie viele”…
Mich machen solche Worte wütend, weil sie mich verletzen und ich mich ohnmächtig davor fühle.

Nein, wir sind nicht alle ein bisschen irgendwie verrückt und irre. Und nein, wer nicht viele im Sinne einer DIS ist, die:r ist nicht irgendwie auch ein bisschen viele.

Verrückt oder auch irre sein bedeutet nicht “some crazy shit” zu machen oder “voll irre Dinger abzuziehen”. Also Dinge zu tun die anders sind als andere – wagemutig, halsbrecherisch, gegen die Konventionen, gegen alle Regeln.
Menschen, die von sich sagen, dass sie viele sind, sind keine Menschen, die viele verschiedene soziale Rollen erfüllen/ sozialen Erwartungen gerecht werden müssen.

Diagnosen sind keine Label, die man sich selbst aussuchen und bedienen kann.
Eine medizinische oder psychiatrische Diagnose ist ein anderes Wort für “Abgrenzung vom Üblichen”. Dieses Übliche, das könnte dieses ominöse “Wir” in “Wir sind doch alle irgendwie verrückt” sein.

Wenn wir versuchen Menschen klar zu machen, was viele sein bedeutet, dann versuchen wir es mit einer Abgrenzung des Üblichen – nämlich der sozialen Rollen, die in unserer westlichen Gesellschaft üblich sind.
Und ja, soziale Rollen und der Umstand, dass die Menschen diese Abgrenzungen verstehen haben sehr viel mit unserem westlichen Selbstverständnis und auch mit dem Kapitalismus in unserer Gesellschaft zu tun.

Heute ist es so, dass niemand nur eine Rolle in unserer Gesellschaft inne hat.
Selbst wenn man völlig allein lebt ist man immernoch gleichzeitig auch Single, Steuerzahler_in, Konsument_in, Arbeitskollege/Arbeitskollegin, Leistungserbringer_in, jemandes Tochter/Sohn, und alles, was man an sich selbst noch bemerkt und beachtet.
Der Übergang von Identität und sozialer Rolle erscheint oft fließend und, weil das so ist, machen es sich manche Menschen sehr leicht: sie tun einfach so, als ob das Eine das Andere ist. Und weil der Kapitalismus genau diesen Mechanismus nutzt, um seine Konsumenten zu erreichen (aber auch: sie zu binden und zu definieren), fühlen sich viele Menschen darin bestätigt. Stichwort Gendermarketing.

Was nun genau der Unterschied zu Identität und sozialer Rolle ist, wird viel diskutiert und ich fürchte eine leichte Antwort darauf gibt es nicht, denn ganz losgelöst von einander sind sie dann eben doch nicht.
Was für das Verstehen des viele seins wichtig ist, ist, dass es kein aktiv gelebtes Bewusstsein um die Gleichzeitigkeit gibt. Selbst dann, wenn sie (durch die Diagnose und vielleicht auch eine begonnene Therapie) bewusst gemacht wurde und der Ratio klar ist, dass es sie gibt, wird sie nicht als solche erlebt, weil an dem Punkt die Dissoziation as in “dissoziative Identitätsstruktur” ins Spiel kommt.

Für mich als Innen (18 Jahre alt, K., Autorin so ziemlich jedes Rants in diesem Blog) ist mein sein – mein viele sein – verbunden mit Angst und Unsicherheiten vor denen ich mich ohnmächtig fühle. Ständig passiert mir irgendwas, was mich in genau diesen Zustand – mein Ich, mein ganz eigenes “Da_sein” – bringt und ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals anders war.
Mein Kopf weiß, dass ich auch lachen und ausgelassen sein kann – ich habe das aber noch nie erlebt und dabei das Gefühl gehabt, dass ICH das erlebte.

Entweder schwebe ich neben solchen Momenten irgendwie daneben und achte – ich weiß nicht mal wieso genau – einfach nicht drauf (und denke in solchen Momenten auch nicht: “Oh ich weiß ja, dass ich mal besser drauf achten sollte” und hasse mich inzwischen für genau das, weil ich denke: “Das soll die Therapie doch auslösen – wieso tut sie das nicht?!”.
Oder ich bin einfach nicht dabei und weiß von diesen Momenten so lange nichts, bis mir jemand mitteilt, dass mein Körper diesen Moment erlebte. Wenn ich dann zurückdenke und mich aktiv darauf konzentriere, dann kann ich eine Ahnung davon fühlen. Vielleicht ist das aber auch nur Einbildung, weil ich mir wünsche, ich würde genau das fühlen, denn faktisch würde ich nicht merken, wenn ich ausgelassen und fröhlich bin, weil ich es einfach noch nie war.
Ich würde merken, dass etwas anders ist als sonst – dass ich anders bin als sonst und würde – ta da: Angst bekommen und mich ohnmächtig fühlen und würde darüber wütend werden.

Es gibt eine Idee vom Viele sein, die sagt, dass die Innens in Menschen, die viele sind, da sind um bestimmte Funktionen zu erfüllen und bei einer sekundären DIS kann ich mir dieses Modell auch gut passend vorstellen.
Bei einer sekundären DIS gibt es eine sogenannte Hauptperson (manche sagen auch “Host”), die für frühere Traumatisierungen (und manchmal auch traumanahe Situationen) amnestisch ist, und eine Reihe von Innens, die gar nicht oder nur teilweise amnestisch sind. Für uns klingt die Konstruktion dieser Innenleben von Personen, die viele sind, reichlich defizitorientiert, weil sie impliziert, dass die Hostperson ein Hohlbrot ist, das ohne die anderen Innens im Grunde nicht lebensfähig ist. Tatsächlich ist das aber nicht so.
Wenn man schon davon anfangen will, dass Innens einander brauchen und irgendwo auch von einander abhängig sind, dann sollte man schon so eine Einteilung in “Hauptperson” [A(nscheinend)N(ormale)P(ersönlichkeit)] und “das andere Gekröse” [E(motionale)P(ersönlichkeit)] einfach mal lassen.
Manche Menschen mit DIS tun das für sich schon, in dem sie sich selbst im Innen als “System” bezeichnen.

Es gibt aber eben auch die tertiäre DIS mit der wir leben und in der sich die Innens nicht mehr 1:1 immer und in Bezug auf alles zuordnen lassen, weil es mehrere (Funktions-)Systeme gibt, für die es untereinander ebenfalls eine Amnesie gibt.
Mit so einem Innen ist es durchaus möglich mehrere Leben, die tatsächlich autark nebeneinander her ablaufen zu haben,  wenn man sieht, welche Funktionsbereiche diese bedeuten.
Wir haben erst gemerkt, dass wir von der Kunstschule eigentlich nichts weiter wissen, als, dass wir da tatsächlich hingehen und einen Fotokurs mitmachen, als wir danach gefragt wurden, was wir da nun eigentlich konkret machen. Die Kunstschule fordert ein Funktionslevel ab, das ein anderes Funktionssystem bei uns abruft/anspricht, als das Bloggen im Büro zu Hause.

Genauso solche “Huch-  Ääääh hä?!” – Momente, wenn uns jemand dann nach Details aus uns innerlich fremden Funktionsbereichen fragt, bestimmen unser Leben.
Das war tatsächlich noch nie anders und die Leistung – wenn man denn überhaupt von Leistung bei Anpassungsreaktionen sprechen will – ist, dass wir über diese Momente nie an einen Punkt gekommen sind, an dem wir nicht mehr weiterleben konnten.

Frage an alle, die bis hierhin gekommen sind: Gemerkt, dass wir gerade von “Leistung” und “Funktion” sprechen und nicht mehr von “Identität”?

Im Zuge diverser Veröffentlichungen zum Thema DIS (egal ob sekundär oder terziar oder im Fließbereich zu anderen dissoziativen Störungen* (wie der DDNOS oder auch (!Achtung, wir sortieren das so – Psychiatrie/Medizin nicht!) das Borderlinesyndrom) wird vom “fragmentierten Selbst” oder der “zersplitterten Seele” oder dem “multiplen Ich” gesprochen.
Es werden also Formulierungen verwendet, die nichts mit Leistung (Anpassungsleistung) oder Funktion zu tun haben,  sondern welche, die wiederum mit Identitäten und darüber dann wieder um sozialer Rolle vermengbar sind.

Das wiederum macht es sehr schwer seine Lebensrealität als Mensch, der viele ist und eben mit einer tertiären DIS lebt, irgendwie klar zu machen, denn einerseits ist dieses Schema um DIS sehr gut um zu erklären, wo Defizite liegen, wie welche Funktionen warum sinnhaft und logisch (wenn auch unter Umständen dysfunktional in äußeren Kontexten) sind; andererseits sind diese Schemata unbrauchbar als Kartografie des Ich eines Menschen.

Für uns als Einsmensch braucht es aber ein Ich an dem ein Verständnis von eigener Identität kleben kann, ohne, dass es eventuelle andere Identitäten und Ichs in sich ausklammert, um sich als Teil des “Wir” zu betrachten, das in Sätzen wie “Wir sind doch alle irgendwie verrückt” steckt.
Ich, K. gelte als Autorin, weil ich Dinge schreibe und Menschen zu Menschen, die schreiben sagen, sie seien Autor_innen.

Ich für mich bin einfach immer nur K. die wütend wird, wenn sie sich ohnmächtig fühlt. Ich definiere mich über meinen Zustand. Ich betrachte mich als Zustand eines ICH, das in Folge der erlebten Gewalt nicht in der Lage war sich so im Außen zu finden, dass es eine Identität entwickeln konnte.
Und nein – der Umstand, dass ich einen Namen habe, bedeutet nicht, dass ich eine Identität habe – das bedeutet nur, dass ich mich so benenne.

Für uns ist klar, dass das Vielesein keine Identität ist. Die soziale Rolle, die Menschen, die viele sind gern aufgedrückt wird, schwankt irgendwo zwischen Opfer, Kranke, Verrückte, Überlebende – alles Rollen, die mit einer Leistung bzw. einem Status verknüpft sind, die nichts mit den Menschen und ihrem Selbst zu tun haben. Man muss kein Ich haben, um Opfer (geworden) zu sein, um krank zu sein, um verrückt zu sein oder überlebend(e) zu sein – man muss nur etwas sein, das jemand anderes benennt.
“Opferidentität” ist auch deshalb ein Arschnasenwort, das bitte gerne auch nicht mehr verwendet werden muss.

Für mich ist klar, dass es schwierig ist das, Ich in meiner Selbstbeschreibung irgendwie von dem ICH, dessen Zustand ich bin zu trennen. Das liegt aber nicht daran, dass das nicht sein kann oder daran, dass ich hier unlogisches Zeug daher rede, sondern daran, dass der Begriff von Selbst und Sein und Ich und Identität und dem, was den Menschen als Menschen mit Seele und der Fähigkeit zwischen sich und anderen zu unterscheiden ausmacht, noch nicht fertig und klar und einfach zu definieren ist.
Schon gar nicht, wenn man es möglichst einfach haben will.

Die Menschen, die mir früher immer wieder gesagt haben, meine Probleme und alles, womit wir uns an sie gewendet haben, wären ja viel zu viel, die haben in aller Regel nicht mal so weit gedacht, dass das Kernproblem aller Probleme in unserem Leben nicht die Tatsache ist, dass wir funktionieren, wie wir funktionieren, sondern, dass wir immernoch funktionieren und einfach immer wieder vor der Frage stehen, ob wir überhaupt für ein ICH oder ein Selbst funktionieren und wenn ja, was das eigentlich genau ist. (Und wenn nein: Sind wir dann noch etwas, was man als „Mensch“ bezeichnet?)

Wenn wir nicht gerade gegen massive dissoziative Symptome anleben oder mit den Folgen, die unverarbeitete Traumatisierungen eben mit sich bringen beschäftigt sind und uns 24/7/365 um das eigene noch-immer-am-Leben = im Funktionieren – sein versichern.

So zu er-leben, wie es Menschen tun, die viele sind, ist eine Lebensrealität die “verrückt” im Sinne von „nonkonform“ zu nennen, schlicht ignorant und versimpelnd ist.

~ Fortsetzung folgt ~

Autismus und DIS #2

Während mir der Schweiß an den Schläfen herunterrann, hörte ich dem Psychologen zu, der mir Zahlen sagte und diese in einen Zusammenhang setze.
Die Erde drehte sich, mein Herz klapperte im Brustkorb und in meinem Hinterkopf saß ein Typ mit einer 4-saitigen Gitarre.
Mein Heuschnupfenmittel und der von einem Hitzegewitter in der Nacht verursachte Schlafmangel, hielten mich gedämpft umherschwebend in der Mitte des Da und alles war in Ordnung.

Beziehungsweise hätte in Ordnung sein können, denn eigentlich ist nichts mehr in Ordnung seit gestern morgen.
Seit gestern morgen weiß ich, dass die Ergebnisse der Fragebögen und des Interviews auf ein Vorliegen von Störungen auf dem autistischen Spektrum zeigen.

Asperger-Syndrom, Asperger-Autismus, Autismus, ASS – ein Wesenszug, eine neurologisch spezifische Entwicklung, die anders ist als bei anderen Menschen – eine Behinderung, eine Krankheit… So richtig eindeutig ist für mich eigentlich gar nichts im Moment.

Es verwirrt mich nachwievor, dass ich meine Reizfilter- Kommunikations- und Interaktionsprobleme schilderte und dann psychologische Testfragebögen ausfüllen musste, um das eventuelle Vorliegen einer neurologischen Entwicklungsform zu überprüfen.
Die Schwierigkeiten erscheinen mir einfach nicht seelisch – obwohl es auch noch keine Antwort auf die Frage gibt, was “die Seele” in unserem Fall eigentlich ist.
Vielleicht müssten wir uns fragen, wer von uns “die Seele” ist. Oder war.

Ich bin versucht, dem Impuls in mir zu folgen, der mich anbrüllt, wie dumm es war den Test zu machen, denn ich hätte mir ja denken können, dass das Ergebnis positiv sein würde, weil _jeder_ Test auf A-Normalität – jeder Beklopptenscan an mir nur positiv sein _kann_.

Daneben äuge ich mich selbst argwöhnisch an und frage mich, ob ich diesem Impuls vielleicht nur deshalb folgen möchte, weil noch kein anderer da ist, auf den ich wirklich klar komme.
Und daneben frage ich mich, was mit mir nicht stimmt, weil doch jetzt eigentlich nur bestätigt ist, was uns schon lange immer im Kopf schwirrte: das Gefühl anders zu sein – auch anders anders als andere, die anders sind.

Und neben mir steht dieses hämisch abfällige Lächeln, dass mich nach dem “Und jetzt” fragt, auf das ich keine Antwort habe, weil der Psychologe mir keine geben konnte.

Ganz eigentlich hatten wir ja nur geschaut, ob es Möglichkeiten zur Förderung von hochbegabten Erwachsenen gibt, die einfach irgendwie so komisch sind, dass sie nicht dauerhaft mit anderen Menschen umgehen können.
Und dann war da dieser Blogartikel und das What the fuck?!-Moment, in dem wir einander anschauten und dachten: “Wären wir nicht viele – wären wir vielleicht diese Person.” und dann stand dort einfach der Begriff des Autismus im Raum und passte zu so vielen Aspekten, die sich einfach, trotzdem allem irgendwie doch nie “verwachsen” und “fertig entwickelt” haben.

Es gibt kein “Und jetzt” für uns.
Die Diagnose steht, genau wie die Hochbegabung und die DIS, auf unserem Zettel und bedeutet rein gar nichts, wenn wir niemanden finden, der uns glaubt, dass es etwas für uns bedeutet.

Scheinbar werden in unserer Welt weder Hochbegabte noch Autist_innen je älter als 18 Jahre, leben außerhalb von ihren Herkunftsfamilien (in Armut und außerhalb akademisch/wissenschaftlicher Kontexte) und brauchen dann noch Unterstützungen, die nicht auf eine Anpassung ans Außen abzielen, sondern auf eine Linderung des Leidensdrucks.

Seit gestern denke ich darüber nach, ob ich vielleicht ein bisschen weinen möchte, weil ich glaube, dass ich mich bemitleide.
Ich denke, dass ich mir wirklich leid tue, weil ich alleine bin mit etwas, dass ich noch weniger teilen kann als das, was uns hat viele werden lassen.

Und gleichzeitig denke ich: “Ey, wir teilen das schon so lange mit – wir sagen doch schon immer immer immer wieder, dass wir die Menschen einfach nicht verstehen. Dass wir an manchen Tagen absolut keine Haut haben und das nichts mit Traumareaktionen zu tun hat, sondern irgendwie einfach mit etwas was halt irgendwie einfach nur so DA ist. Dass da manche Dinge einfach anders sind. Anders anders einfach.”

Nur, dass ich das als Teilen einer Lebensrealität verstehe und der Rest der Welt als Mahnmal an die Schlechtigkeit und Abgründe der Gesellschaft, als Imperativ oder aufrüttelndes Irgendwas – oder schlicht als Blog mit Message, das der Menschen Horizont erweitern soll, ist halt auch da.
Ist einfach als ganz grundlegendes Missverstehen da und nicht zu ändern oder zu berichtigen, weil ich einfach nicht verstanden werde.
Weil das einfach so ist und für niemanden außer mich ein Problem ist.

Ich hatte gehofft, ich könnte Dinge erfahren wie “Wie macht man, dass Menschen aushaltbarer sind?” oder “Wie macht man, dass man verstanden wird?” oder – total profan: “Wie macht man, dass Essen, Situationen, Szenen mit Menschen drin nicht komisch gucken?”. Vielleicht hab ich das Wissen darum irgendwie als Belohnungsleckerchen nach den schwierigen Fragebögenfragen, an mich gedacht und bin nur traurig, dass ich in diesem Denken enttäuscht wurde.

Ich weiß es nicht.

Ferien

“… und über den Wolken scheint immer die Sonne”, denkt es in meinem Kopf an mir vorbei, als ich auf die Fahrradpedale eintrete und den Fahrtwind meine Haut kalt machen lasse.
”… und über den Wolken, da könnten wir gleiten, wie damals als…”.
Es will denken und bröckelt über das schrillscharfe Reißen neben sich auseinander. “Nicht dran denken, sonst denkt man an…” erinnert es sich und schmilzt wie Butterflocken auf warmen Toast.

“Ich muss die Handbremse nachziehen. Die Schläuche austauschen. Den Flugrost entfernen. Das Schutzblech ersetzen. Die kleine Acht im Vorderrad rausholen lassen.”, pulst es von links.
“Macht umme siebzsch Jeuro meene Deern”, keckert es irgendwo rechts davon.

Ich denke darüber nach, ob meine Seele verletzt ist und was Seele bedeutet.
Ich denke darüber nach, wo der Himmelwunsch herkommt. Die Sonne ballert mir ihre Hautkrebsstrahlen direkt auf die geschredderten Unterarme.

Und überhaupt, wie kommt es, dass in meinem Kopf – in diesem durchgehenden Kreischsirenengebrüll noch Platz für ein zartes Trällern ist?
“Über den Wolken… muss die Freiheit wohl grenzenlos sein…”

Auswandern. Nach Schweden vielleicht. Das wär doch was.

“Was machen wir heute?” deplaziert sich die Frage direkt auf die To-Do-Liste der Woche.

“Arbeiten Herzi. Mein Leben gehört wieder mir. Jetzt wird hier endlich mal was fertig gearbeitet.”. Ich klinge wie ein schräges Fräulein Rottenmeier und fühle mich auch so, als das Inmitten zu einem Protest anhebt.
Mir ist klar geworden, dass der Einfluss “der Anderen” dann doch weit umfassender als um die Kunstschule und die Therapie wirkte. Ich bin zu  nichts gekommen. Meine Projekte liegen noch immer ihren Warteschleifen, manche Probleme sind noch immer nicht gelöst.

Ich habe einen Plan und ich werde ihn abarbeiten.
Immerhin sind Ferien.