wie ich einmal begriff, dass ich auch ein Körper bin

orchideeSeit 7 Jahren liefere ich mir Gefechte mit der Sprache, Worten und dem Schweigen.
Ich schweige viel, weil ich es muss, weil ich es soll und aber auch, weil mir gründlich und oft die Sprache verschlagen wurde.

Das Bloggen, das freie Schreiben allgemein, war und ist für mich die krasseste Aneignung meiner Macht und Freiheit als Überlebende von sexualisierter Gewalt, als Sinn- und Bestimmungssuchende, als Frau, als Liebende, als sinnlich lebendiges Wesen. Mir ist es wichtig mich ausdrücken zu können und dafür verwende ich natürlich auch noch andere Kanäle, wie die Kunst zum Beispiel.
Doch das Wort… – am Anfang von Allem war das Wort.

Was nicht benannt ist, existiert nur als Geist, als Idee, als Hauch, als Atem, als Odem. Es ist da, doch nicht als Objekt.
Was nie Objekt ist, kann auch nicht Subjekt sein.

Es ist ein Verdienst meiner Twittertimeline  und ihrem Gespür und Geschmack für feministische Literatur, Webseiten und Projekte, dass ich mir den Begriff “Vulva” angenommen habe, ihn verwende, wenn ich es kann und mich darüber an das eigene zum Opfer geworden sein herantasten konnte.
Wieso ich so einen Begriff brauchte, wird mir klar, seit ich mich mehr mit biologischer Weiblichkeit (und Sexualität) befasse, anstatt bei der sozial (und darüber politisch) konstruierten Weiblichkeit zu bleiben, die mir gerade wegen ihrer scharfen Abgrenzung zu meiner Körper- meiner Fleischlichkeit (Objekt-ivität) immer irgendwie sicherer erschien. Kühl, sachlich, logisch.
Hübsche, schnurgerade Spaltung durch einen Themenkomplex, der unfassbar eng verwoben ist.

Wie die Ebenen “Körper”, “Geist” und “Seele”.
Seit ich meine Selbstzerstörung offenlegte, wurde ich mit meinem Erleben auf die Ebene “Seele” reduziert und darüber um die Ebene “Geist” betrogen.
Verrückte Menschen können sagen, was sie wollen und warum sie es wollen – sie sind verrückt auch wenn (vielleicht für einige Menschen auch gerade, weil) ihr IQ alle Grenzen sprengt. So funktioniert Stigmatisierung und genau darauf basiert die Solidarität, die unter Ex- Klapsis, ehemaligen MitpatientInnen* und Menschen mit Diagnose doch auch herrscht bzw. als herrschend gewünscht wird. Man ist eine Einheit durch die Diskriminierungen, die mit Pathologisierung und Stigma von (Er-) Lebensweisen einhergehen.
Das Problem dabei: Man verbleibt in genau dem Bereich, weil man sich nur dort sicher, verbunden, verstanden fühlt und wird zum Gruppen_körper.

Die ureigenste innere Ebene “Körper” bleibt draußen (abgespalten) und kann es auch ruhig.
Der ist ja sowieso ein ekelhafter Verräter, Versager, hässlich, unvollkommen, unbrauchbar, einzig nützlich zur Manipulation für Gefühle von Kontrolle, Gewalt(re)inszenierung, Projektionsfläche für alles und alle, jede, jeden … eine Liste, die beliebig erweiterbar ist, jedoch in diesen Kontexten selten als ein integrierter Bestandteil des Selbst-Seins auftaucht.
Ich habe in Selbsthilfeforen von und für Menschen mit Misshandlungserfahrungen, glaube ich, immer nur dann über meinen Körper gesprochen, wenn er mal wieder krank oder verletzt war oder von mir traktiert wurde. Alle ™ haben es verstanden und die Ablehnung meines Körpers- den Hass, der sich oft genug von TäterInnenintrojekten und täterInnenloyalen Innens reinszeniert an meinem Körper entlud (und bis heute entlädt), damit auf eine Art legitimiert, die mir den Druck nahm, mich für meine Selbstzerstörung schämen zu müssen. Was mir natürlich oft geholfen hat und meiner Meinung nach auch wichtig ist.

Ich kann mich spontan aber auch an keinen einzigen Thread erinnern, in dem jemand davon erzählte, sich einmal genau angeschaut zu haben und es okay/gut/toll/befriedigend/ sich seiner selbst (seinem eigenen Selbst) versichernd erlebt zu haben.

Sexuelle Gewalt ist nicht nur deshalb so schlimm, weil sie beschämend ist oder mit Schande und Schuld an der falschen Stelle belegt, sondern, weil sie die “Körper Geist und Seelen-  Integrität” von allen Menschen verletzt bis vielleicht an manchen Stellen auch zerstört.
Scham, Schuld und Schande sind es, die diese Spaltung nach der Traumatisierung aufrecht erhält, wenn nicht sogar überhaupt erst als “nötig abgespalten zu werden” markiert.

Und damit sind wir bei Scham und damit beim Auslöser dieses Artikels.
Mein Körper kämpft seit Juni gegen eine heftige Vaginalinfektion und ich bemühe mich souverän- kühl, sachlich und logisch damit auseinanderzusetzen.

Ich sorge dafür, dass meine Kinderinnens viel vom Heute durch meine feste Verankerung hier fühlen können. Ich kommentiere nach innen alles, was ich im Außen tue. Jeden Tag neu und immer wieder. Und immer wieder neu und fest und ruhig. Ich bin so aufrichtig wie ich kann dabei und äußere sowohl meine Sicherheiten, wie Unsicherheiten und wie ich womit umzugehen gedenke.
Das ist für mich ein bisschen wie in der Wohngruppe für Menschen, die mehr Hilfe beim Lernen und Begreifen brauchten, in der wir früher einmal gelebt haben, aber ich merke wie sehr das nötig ist.
Darüber komme ich langsam in die Richtung, in der mir klar wird, wie viel (eigentlich irgendwie alles) mein kindliches Innenleben überhaupt nicht einordnen kann, weil es gar nicht meine Ebene verwendet.  Für viele von ihnen ist alles “Körper” und ein bisschen “Seele” (im Sinne von “das mag ich/ das tut mir gut, weil es sich körperlich gut/wohlig/schön anfühlt”).

Und dann tut es auch noch DA weh. Und dann brennt auch noch DAS DA und dann ist man alleine mit einem Menschen (meiner Gynäkologin) in einem Zimmer (ihrem Behandlungsraum) und es gibt die klassischen Tänze des Schweigewörterpaars (“da” und “dort”) und ich Heldin Eis-enherz mit Wörterwaffen zur Selbst-Erhaltung mitten drin.
Ich hab mich so gefeiert, wie ich da saß.
Bis an die Frisur meiner Zähne bewaffnet und voll da- Schlaglicht- Superstarosenblatt- und benutzte die korrekten Wörter für meine Genitalien, während ich meine Symptome schilderte. Ich bin bisher nie über Schweigewörter wie “da” und “dort” und “zwischen meinen Beinen” und “im Schritt” hinausgekommen.
Und dann: Schweigen auf medizinisch vor angehaltenem Atmen hinter riesigen Innenaugen.

Alle meine Waffen sind auf einmal kaputt gegangen und ohne Mist- _ich_ habe gemerkt, wie der Trigger griff und ich anfing mich zu schämen für meine Wortwahl, meine Aneignung. Mit jeder Minute mutierte mein so so so toller Schritt in Richtung “sich-selbst- bewusst-werden/sein/bleiben-weil-Selbst- selbst-benennen” (seine Körperteile zum Objekt machen um ihr Subjekt (gewesen) sein anzuerkennen) zu einem Fehler, einer Frechheit, einer Schande, einer Straftat…
und als sie mir dann beim Entnehmen einer Laborprobe auch noch weh tat, war für mein Innen (und ein bisschen auch für mich) alles klar. Klar musste das jetzt weh tun (und dann doch nicht richtig gelaufen sein), klar war es Schwachsinn so zu reden- “Guck die Frau ist Ärztin und sagt auch immer nur “da” und irgendwas mit “Scham”! Das würd nich was mit Scham heißen, wenns nix Peinliches wär- ist besser nur “da”. “Da” könnt ja alles sein- dann weiß es keiner und alles ist sicher.”.
Ein zwei drei Schritte zurück.

#Mau

Ich versuchte mich zu sortieren und zu orientieren. Irgendwie Ruhe zu finden und meine Sicherheit wieder aufzubauen und merkte, dass ich wiederum nach innen verzagte und selbst wieder Schweigewörter verwendete. Ich sagte nicht: “Meine Vulva tut weh, weil da eine Infektion ist”, sondern “da ist was, aber das hat nichts mit Gewalt zu tun”.
Natürlich hatte das so überhaupt keine Klarheit mehr und war einfach das typisch wabernde Wortschwallen, mit dem ich mich für mein Innenleben bewusst-los mache, um zu funktionieren.

Als ich dann aus der Praxis ging, kam aber auch Ärger über die Ärztin auf.
Dass ich keine einfache Patientin bin weiß ich- ich bin ja auch nicht nur Eine.
Ich fordere inzwischen schon ein zu erfahren, was genau in und an und um meinen Körper passiert, einfach um genau diese Spaltung zu überbrücken und bestehende Brücken zu stabilisieren.
Wenn mir jemand erklärt, wie mein Körper versorgt wird, visualisiere ich mir das (mache mir ein Bild- eine Idee- einen Hauch) und lege diese Idee auf die Körperstelle, die betroffen ist (verbinde Idee und Objekt und erfasse so die Stelle als Subjekt der BehandlerIn bzw. der Umgebung oder auch des sozialen Kontextes). So wird für mich viel besser begreifbar, dass ICH in Behandlung bin und zwar auf eine spezifische Art und Weise, die in bestimmten aktuell nachvollziehbaren Kontexten beeinflussbar ist. Das versichert mich, beruhigt mich und das Lernen durch Begreifen bekommt eine Chance (ich und mein abgespaltenes Innenleben rücken näher zusammen).

Ich fühle den Körper nicht konstant. Wenn etwas weh tut oder “irgendwie nicht richtig ist”, dann erfahre ich das über die Ebene “Geist”: als Notizzettel neben einem Termin bei einer/ einem MedizinerIn und kann mir so diverse Wellen aus der Ebene “Seele” erklären. Wenn meine BehandlerInnen* dann genau meine Spaltungen kopieren (etwa mein Schwimmen, meine Unsicherheit und auch mein Schweigen spiegeln oder übernehmen), weil sie denken, das wäre leichter für mich, kann ich das wohl verstehen. Es ist auch leichter für mich, weil es ist, was ich kenne. Es hilft mir aber weder dabei ein Wachsen anzubahnen noch bestehendes Wachstum zu stabilisieren oder auch in Verbindung zu bringen mit dem “Außerhalb von mir”.

Ich habe gemerkt, dass in mir Wut auf das Schweigen war.
Schweigen ist ansteckend und ich bin der perfekte Nährboden für Wortlosigkeit.

Ich feiere den Begriff “Vulva” nicht, weil ich Feministin bin und denke, dieser Körperteil gehört auf Altare gehoben.
Aber es ist der Körperteil, der von außen zu sehen ist- der allen Augen ein Objekt ist, was es für mich jahrelang eben nicht war, sein konnte und vielleicht nicht sein durfte. Ich hatte kein Wort dafür und habe andere Begriffe immer schwierig empfunden. Es gibt genug Frauen und Frauen* deren Vulva Namen, wie die von Haustieren tragen oder letztlich doch fälschlicherweise sagen “ist was zum was reintun”.
Das Schweigen, jedes “das da” und “dort” meiner ansonsten wirklich aufmerksamen und guten Gynäkologin, hat mir etwas von mir weggemacht und ich bin in meiner Berechtigung dort in der Praxis zu sein, der Legitimation einer Schmerzäußerung, der Forderung nach dem Verstehen, was passiert und auch gleich selbst  mit verschwunden.

Früher habe ich mich weggemacht, weil ich die Überreizung durch die Gewalt nicht tragen konnte oder auch, weil die Gewalt nicht mehr als mein Mich übrig gelassen hatte.
Heute erlebe ich mich weggemacht, nicht da und inexistent, wenn meine Präsenz als Reiz(auslösend)- los, weil Körper(benennungs)los belegt wird. Etwa, indem nicht (korrekt) benannt wird, was von mir kommt, an mir dran oder drin ist.

Es hat mich geflasht zu spüren, dass die Wichtigkeit von Worten auch für etwas an meinem Körper als Ganzes besteht.
In den ganzen letzten Jahren habe ich Sprache, Worte und die Art, wie sie miteinander arbeiten, seziert und mir Stück für Stück angenommen, um das, was ich auf meiner Ebene von “Geist”, die immer wieder zu Todesnähe erschrocken wird, von der Ebene “Seele” erlebe, zu einem Objekt werden zu lassen, um das “zum Subjekt der TäterInnen geworden sein” nach Außen zu bringen.

Diese Infektion zum jetzigen Zeitpunkt, der noch immer noch Trauer, Schmerz und einem Wachsen, auf das sich so sehr verbotener Stolz regt, bestimmt ist, bringt mich näher an die Ebenen “Seele” und “Körper” und lässt mich sehen, dass meine “Körper- Geist und Seelen- Integrität” nicht gänzlich zerstört sein kann.
Kann man sich denken, mit was für einer Freude dieser Gedanke für mich belegt ist?
Da ist noch etwas in mir heil oder heil geworden!
Wie schön!

Vielleicht darf man dann auch wütend auf ÄrztInnen sein, wenn sie das durch Schweigewörter anders darstellen.
Denn Letztlich brauche ich auch nach Jahren voller Selbstwahrnehmung, Selbstreflektion und Selbsterkenntnis, die Rückmeldung, dass es mich gibt. Dass ich physisch korrekt benennbar bin, weil ich eben nicht nur ein Geist bin, der Angst davor hat, seine Seele zu fühlen.
Wie jeder andere Mensch auch.

Präsenz _da_ sein_ lassen

GlockenblumeIch saß auf dem Hügel aus Mutter_Erde und hielt die Hände eines Kinderinnens. Wir pusteten Seifenblasen in den Himmel beobachteten ihr Farbenspiel. 

Mittendrin hatte ich eine Art Epiphanie.
Da war wieder das Gefühl, ein Teil einer Umgebung, die einfach nur _da_ ist und nichts von mir will, nichts mit mir tut, nichts an mich heranträgt, weil ich da bin, sondern, weil ich ein Teil des gemeinsamen Raumes bin, zu sein. Dieses Schwindelgefühl, diese Art fernfremde innere Vibration auf das Bewusstsein: “Hier ist nichts, dass dich deines Seins versichert- du _bist_, wie alles andere auch _ist_ “ und die Erkenntnis: “Ich bin nicht, wo ich sein sollte, ich bin nicht, wer ich sein sollte, ich bin nicht für oder wegen etwas da – ich _bin einfach nur da_ und das bedeutet REIN GAR NICHTS.”

Ich weiß nicht, wie viel von meinem Text über Präsenz verständlich ist. Aber ich denke inzwischen, dass es fundamental ist, sich bewusst zu sein, dass jeder Mensch und alles was Menschen ausstrahlen, tragen und weitergeben, einfach immer erst einmal _ist_ und vielleicht einfach gar nichts weiter bedeutet, als, dass dort jemand oder etwas _ist_.

Ich habe in den letzten zwei Wochen viel darüber nachgedacht, was es mit meinem Retter* damals auf sich hatte.
Wieso er mich nicht einfach hat lassen können. Wieso mein Sein in seinen Augen nicht so bleiben durfte. Wieso meine Zufriedenheit nicht anerkannt war.
Ich hatte der Therapeutin gesagt, dass ich der Raum war, in dem ich war. Ich war es, dessen Rand mein Retter eingetreten hatte, um mich zu bergen. Diese Rettung damals ging mit einer Verletzung einher und niemand hat es gesehen. Weil niemand gesehen hat, was ich als mich betrachtet habe. Weil niemand gefragt hatte. Weil ich keine Worte in gemeinsamer Sprache hatte. Weil man nicht blutet, wenn man ein Raum-Sein ist, das verletzt wurde.
Ich hatte keine andere Wahl, als sein Eindringen als einen Angriff wahrzunehmen. Nicht nur, weil ich nur an Stille und simmernde Dunkelheit gewöhnt war und mich jedes seiner Signale angeschrien hat.

Vielleicht, das überlegten wir in der Therapie, weil das Gehirn in meinem Kopf nie die Chance hatte einfach nur _ da_ zu sein und darin respektiert und gelassen zu werden. Weil es vielleicht einfach nie okay war zu _sein_ .
Natürlich muss ich bis heute immer denken, alles was passiert, geschieht, weil ich nicht richtig bin.
Es kommt ja auch nie jemand daher und knallt mir eine, weil ich _da_ bin, sondern, “weil …”
Es passiert allgemein selten, dass GewaltäterInnen* sagen: “Ich habe XY misshandelt, weil sier* existent (_da_) ist”. Viel häufiger kommt: “Ich habe XY misshandelt, weil  XY das Falsche getan/gedacht hat “;  “weil XY falsche Merkmale/ falsche Charakteristika hat”; “weil ich dachte, XY denkt/macht/fühlt/glaubt… “ (und dies auf eine Unfähigkeit bei mir stieß, damit anders umzugehen).”

Es ist verboten und verpönt zuzugeben, dass einen das bloße Dasein von Individuen einfach nur ankotzt. Es ist ein Tabu, weil es so simpel ist. Weil da exakt 0 Spielraum für Schuldtamtam ist.
Wenn jemand jemanden tötet, weil er existent ist, dann kann schlicht niemand sagen, das Opfer trage eine Mitschuld. Niemand kann etwas für sein Leben.
Niemand kann darum bitten oder beeinflussen welche Eizelle, wann von wem befruchtet wird und sich dann so entwickelt, dass er oder sie oder * selbst entsteht. Das geht einfach nicht.

An meinem Sein und dem, was es in der Umgebung, in der ich nun einmal war, ausstrahlte, war alles in Ordnung.
Nichts von mir Transportiertes allein hat eine Legitimation ergeben zu tun, was mein Retter* tat, sondern der Kontext, in dem er meine Signale wahrgenommen und gedeutet hat. Ich muss ihm die Verantwortung an meinen Verletzungsgefühlen nicht abnehmen, nur weil sein Handeln angesichts der konkret bestehenden Lebensgefahr von einem anderen Standpunkt aus, als wichtiger gewertet wird und dieser Mensch eine Zilliarde soziale Kekse für sein couragiertes Eingreifen bekommen könnte.
Wir können alle nur spekulieren, was gewesen wäre, wenn er mich nicht wahrgenommen hätte. Ich wäre vielleicht gestorben- aber ich hätte niemandem Schuld daran gegeben. Vermutlich hätte niemand die Schuld an meinem Tod zugesprochen bekommen.

Ich, mit meinem Ich-Bewusstsein, als Innen XY in diesem Körper, hatte vor ihm noch mit keinem Menschen zu tun, kannte nichts vom dem, was woanders als dort war. Ich war nie mehr oder etwas anderes als dieser Raum bis zu dem Zeitpunkt. In meinem Kopf war nichts weiter drin als ein Rauschen aus Stille und schwammigunklaren Impulsen und wenn ich gestorben wäre, hätte das für mich schlicht _GAR NICHTS_ bedeutet.
Ein Spekulieren auf dem, was würde, wenn, hätte sein können, außerhalb der Umstände, in denen ich mich bewegte, haben mir zu Recht absolut nichts bedeutet. Ich kannte es nicht und habe es nicht begehrt.

Ich sehe solche Gedanken von: “Ja, man weiß ja nicht und es ist/wäre doch schade, was da noch verpasst wird, was alles noch gehen kann mit ein bisschen Hilfe/ Veränderung …” anders, wenn Menschen einander nah sind. Wenn sie voneinander tatsächlich mitbekommen, was welche Eingriffe bewirken. Wenn man miteinander in Austausch ist, Verbundenheit fühlt oder auch einfach familiär oder sozial verbunden ist.
Mein Retter* kam, trat in mich ein und riss mir mein Mich aus der Mitte für etwas, das mir egal war, unter Umständen, die mir nur Bedrohung- und Lebensgefahr signalisieren konnten.

Nein, ich muss dafür nicht dankbar sein, weil ich überlebt habe und heute Seifenblasen von Bergen in den Sommerhimmel pusten kann.
Es geht nicht um Undankbarkeit für eine Rettung – es geht darum, was Menschen von einander wahrnehmen und wie unterschiedlich die Bewertung dessen sein kann. Wie sehr das, was wir Menschen _sein_ und _da_  lassen können, davon abhängt, was es für uns bedeutet Momente, die Demut und Respekt abverlangen – auch und vielleicht gerade dann, wenn uns beides niemals jemand vorgelebt hat – tragen zu können, ohne eingreifend/ beeinflussend zu handeln.

Wir* verwenden so viele Arten sozialer Vermeidungstänze, sei es in Schuldgezirkel, Verantwortungsgeknote, V-Er-Zieh-ungsgezerre, weil es schwerer ist inne zuhalten und _sein_ zu lassen.
Für mich ist es so, dass ich heute einen Schmerz fühlen und tragen muss, der sich nicht über eine Sicherheit lösen wird, weil ich mit diesem Menschen einfach gar nichts zu tun hatte und habe. Ich werde nie erfahren, was er wirklich dachte. Ob er an meinem _da sein_ Anstoß genommen hatte oder wirklich in den Umständen, in denen er mich verortete. Er wird vermutlich nie erfahren, wie sein Handeln auf mich wirkte. Er wird nie erfahren, dass ich mir seine Rettung nie gewünscht habe.
Einfach schon, weil ich es damals nicht als Rettung wahrgenommen habe und selbst heute, das Wort dafür falsch empfinde. Semiheimlich, fastganz für mich allein.

Ich leide unter der Zeit, weil ich überlebt habe. Wäre ich tot, würde ich das nicht tun.
Für sein “hätte würde wenn”, in seinem eigenen Leben, bin ich nicht verantwortlich. Nie gewesen.  Auch deshalb ist mein Gefühl einer Verletzung, das über einer Dankbarkeit steht, in Ordnung.

Menschen füllen ihre Leben stetig mit Ansprüchen, Werten, Normen.
Wenn zwei unterschiedliche Systeme aufeinander treffen und ein Mensch oktroyiert dem Anderen seines, dann sprechen wir von Gewalt. Auch wenn ein drittes, viertes, fünftes kommt und sagt: “Hast fein gemacht.”. Es war _da_  und es ist keine HeldInnentat* fremde Werte, Normen und Ansprüche abzusprechen, zu vaporisieren. Und ja, für mich persönlich gilt das auch für Werte, Normen und Anspruchshaltungen, die ihrerseits absprechen und verschwinden machen wollen.
Ich kann nicht an nur eine Wahrheit, nur eine Art zu leben zu denken und zu werten glauben.

Nicht zuletzt auch genau deshalb, weil ich gezwungen war und bis heute bin, Abgründe, neben schwindelnden Höhen; Sadismus neben bedingungsloser Liebe; tiefes Begehren neben absoluter Entbehrung; Hass auf mein bloßes _da sein_ in mir selbst stehen zu haben und alles das zu tragen und _sein_ zu lassen.

Meine Epiphanie war nicht wegen dieser Gedanken eine. Sie war eine, weil sie sich gut angefühlt hat. Rund. Ohne Not.
Ich habe für einen Moment stehen lassen können, dass es damals so war, wie es war, eben, weil es eben so war- weil der Menschen in dem Moment genau _da_ war, wie ich selbst auch. Ich konnte aber auch gleichzeitig, mein Gefühl von Verletzung und Bedrohung durch sein _Sein_  stehen lassen, obwohl sich der Kontext, der dankbare Opfer vor “selbstlosen” RetterInnen* verlangt, nicht verändert hat.

Ich verstehe nun den Trigger an der Situation Anfang Mai, in der ein Mensch mein Leben retten wollte. Und ich verstehe meinen Schmerz daran.
Ich verstehe, dass es für diesen Menschen darum gehen musste mein Leben zu retten, weil ich schon immer als rettungsbedürftig wahrgenommen und eingeschätzt wurde. Weil es genug Ignoranz für meine Lebensumstände, meine Fähig- und Fertigkeiten gab, um immer das Opfer, das einer Rettung bedarf, zu sein.

“Ich könnte mir das nie verzeihen, wenn dir etwas passiert und ich das gewusst hätte.”, ist ein Satz auf den ich zu Recht fragen kann, warum mein Tod nicht verzeihbar ist, unerträgliche Lebensumstände und Qualen aber schon. Warum ich leiden darf, aber nicht sterben.
Warum ich hilfsbedürftig sein darf, es aber zu viel verlangt ist, wenn es dieser Mensch ist, an den ich mich dafür wende, weil ich aufgrund seiner Angaben, denke, dass er mir helfen könnte.

Ich verstehe, dass es mich schmerzt in meinem _Da-Sein_ ignoriert zu werden, nicht gehört und (für ) wahr- genommen zu werden, weil es für mich noch einmal um dieses Erlebnis damals herum eine Ebene gibt, die Gefühle der Todesnähe  beinhalten. Neben all dem was ich im Zuge von Menschen- und Psychiatriegewalt erfahren habe.

Ich bin nicht dafür verantwortlich, was sich andere Menschen nicht verzeihen können. Sie müssen es sich selbst verzeihen und wenn sie das nicht können, dann müssen sie es lernen oder damit leben, dass ich ihnen die Frage in den Kopf stelle, wieso sie sich Gewalt an mir verzeihen können, aber sich selbst nicht, wenn sie etwas oder jemanden _sein_ lassen.

Meinen Retter* habe ich nach meiner Befreiung damals nie wieder gesehen.
Der Mensch, der mir vor mehr als 2 Monaten noch so dringend das Leben retten wollte, dass es für vertretbar erschien mir Polizei und Krisendienst nach Hause zu schicken, obwohl ich sagte, dass das nicht nötig ist- dass ich für solche Momente andere verbindliche Absprachen habe, hat sich seitdem nie wieder bei mir gemeldet. Muss ihn ja brennend interessieren, was er da so gerettet hat.

In beiden Fällen, war ihr Handeln etwas, das mein Gefühl für mich selbst in dem Leben, das ich führe, massiver verletzte, als die Umstände, in denen ich mich befand. Sie haben sich über mich zu RetterInnen* erhoben und dann als ich gerettet war, mich selbst bzw. meinen Schicksal überlassen. Als meine Lage keine sozialen Kekse mehr hergab, war ich abgehakt.

Und in beiden Fällen könnte eine Instanz kommen und sagen: “Frau Rosenblatt präsentierte sich mit einem Leiden an…”
Und nicht: “Frau Rosenblatt sagte… und ICH dachte….”

Inzwischen, jetzt wo mehr als zwei Monate vergangen sind, glaube ich, dass mich nicht nur die Enttäuschung über die Menschen schmerzt, sondern auch, dass sie von anderen Menschen darin bestätigt werden, während ich hören muss, ich hätte es ja nicht anders gewollt.
Ich aber, habe es anders gewollt.
Ich wollte damals nichts weiter als Wasser. Etwas Anderes war gar nicht in meinem Kopf drin.
Und vor zwei Monaten wollte ich nichts weiter, als dass Menschen ihre Versprechen an mich halten. Mehr war einfach nicht _da_ .

Ich habe mich nicht präsentiert, ich habe keine Forderungen formuliert. Ich habe die Ansprüche gestellt, die mir legitim und logisch nachvollziehbar erschienen und war bereit mich in dieser Annahme auch zu täuschen. Mein Umfeld aber, hat sich einen Scheiß um das geschert, was ich wollte und dachte, fühlte und konnte.

Und das ist, was Gewalt gebiert: Ignoranz (um des eigenen Vorteils Willen)

Niemand muss sich für RetterInnen*gewalt („helfende“ Gewalt) an sich bedanken, nur weil er oder sie oder *, diese überlebt hat.
Niemand.
„Sei dankbar um dein Leben und halt die Fresse über deine Gefühle“, kann man nur an Unterlegene richten.
An die, die man sich selbst zum Opfer macht.

Präsenz

glitzerNach jedem Artikel über häusliche Gewalt, über PartnerInnen*schaftsgewalt, gibt es mindestens eine Stimme, die davon redet, dass sich eine Partei als Opfer präsentiert.
Nein, obwohl- eigentlich keine Partei.
Eigentlich heißt es, dass sich Frauen* als Opfer von Männern* präsentieren. Weil sie sagen: Es gibt Gewalt an Frauen.
Frauen sagen: “Da ist Gewalt und Menschen (m)eines sozialen Geschlechterlabels erfahren sie.”
Der Kommentar sagt: “Frauen präsentieren sich als Opfer.”

Nach sanczny’s Artikel über männliche Anspruchshaltung im Internet habe ich darüber nachgedacht, welche Parallelen ich finden kann.
Ich fand für mich eine darin, dass immer wieder da, wo es um weibliche Präsenz in einem Kontext geht, von “Präsentation” gesprochen wird. Frauen (bzw. korrekter formuliert: “Diskriminierte”) sind nicht einfach nur _da_ , wenn Männer, oder um es differenzierter zu sagen: Menschen mit Definitions-Macht und damit Deutungshoheit (also “Diskriminierende”), sie wahrnehmen. Nein, “sie präsentieren sich”. Sie “stellen sich dar”.

Ich habe gerade einen Artikel geschrieben, für den ich mich intensiver mit der Geschichte der Medizin als Wissenschaft und damit einhergehend auch der Geschichte der Gynäkologie befassen musste.
Mir war nie so bewusst, wie inmitten all dieser Fallschilderungen, die sich auf Frauen bezogen, die an nichts weiter “litten” als an der Menstruation – die also einfach nur präsent waren und in entsprechend eher schlichten Worten von etwas berichteten, das mehr oder weniger regelmäßig präsent an ihnen selbst ist – wie krass sich die Deutung in Bezug auf Individuen verändert, wenn eine gewisse soziale Macht besteht, oder von einer Person als in sich manifestiert betrachtet wird.
So beginnen die Fallberichte immer wieder mit dem Satz: “Die Patientin präsentierte sich mit einem Leiden an…”, auch wenn diese Patientin gar nicht über ein Leiden sprach, sondern über ihre Wahrnehmung ihrer Menstruation, ihre Geburtswehen oder den Bewegungen eines Fötus in ihrem Körper und sich die Konsultation nicht in einer Zirkusvorstellung abspielte.

Mir erscheint nun klar, wie aus “Präsenz” eine “Präsentation” wird und warum.
Gerade in der Medizin ist klar, dass ein Humanmediziner kein Humanmediziner ist oder als einer gilt, wenn er keine Hominiden hat, an denen er herummedizinern kann. Sein Label ist hinfällig, wenn er niemanden hat, der es durch seine Merkmale bestätigt. Und mit dem hinfälligen Label auch die sozialen Kekse, die seine Sicherung in der Gesellschaft bedeuten.

Aus der Präsenz eines Individuums muss genau dann eine Präsentation werden, wenn man sein Handeln oder auch eine Deutungen/ Interpretationen und darauf basierenden Handlungen ihm gegenüber rechtfertigen muss oder begründen will.
In der Medizingeschichte hat manN von je her seine, zum Teil unfassbar grausamen Handlungen an Menschen, die weder in der sozialen/ gesellschaftlichen Position oder/ und in der allgemeinen körperlichen/kognitiven/psychischen Konstitution befanden (befinden) um sich zu wehren oder zu schützen, damit gerechtfertigt, dass ihnen gegenüber ein Leiden präsentiert wurde (wird) und damit implizit der Anspruch, auf dieses zu reagieren.

Eine gängige Rechtfertigung von Ausübenden von PartnerInnen*schaftsgewalt, körperliche Gewalt ausübenden PolizistInnen*, Gewalt ausübenden LehrerInnen* und ErzieherInnen*, PsychiaterInnen* und PsychologInnen* (Personen in gesellschaftlich/sozial oder auch nur von und für sich allein legitimierter Machtposition)  ist bis heute die Interpretation eines Verhaltens als präsentiert (dargeboten/ angetragen/ aufgedrängt/ aktiv oktroyiert) und damit aus der so rezeptionierten Nötigung zur Reaktion. “Ich musste meine Macht (meine Gewalt) nutzen, weil…”

Die Interpretation einer Anwesenheit eines Menschen macht also den Unterschied zwischen “existent, weil _da_” (Präsenz) und “existent, weil von BetrachterIn* wahrgenommen und rezeptioniert” (Präsentation)

Rezeption wahrgenommener Reize ist auch tragender Balken des Konsums und damit erklären sich erneut übergriffige und/oder gewaltvolle Kommentare unter Zeitungsartikeln oder auch Blogeinträgen.
In den Köpfen von Menschen, die es gewohnt sind, die Macht über Kontexte inne zu haben, kann und darf kein einziger Artikel, kein Film, kein Foto, kein Tweet, kein Facebookstatus einfach nur _da_ sein, weil Präsenz ohne Anspruch ist. Gegenkultur durch bloße Präsenz darf es für sie nicht geben, weil (re)präsentatives Gebaren allein etwas ist, was in der unseren etablierten Gewaltkultur als legitim angreifbar gilt.

Wir leben in einer Zeit, in einer Kultur, in der Gewalt anerkannt und je nach Machtverhältnis als “nötig” (weil abgenötigt durch (re)präsentative Gesten) oder “zu verurteilen”  (mittels Staats(gewalt)macht bzw. ihre Werkzeuge) ist. Aber _da_ ist sie immer. Gewalt ist das einzige Mittel der zwischenmenschlichen Interaktion, das ungehindert immer und überall präsent sein darf und selbst dann eine Legitimation erfährt, wenn sie sich (re)präsentiert.

Nun ist es mit Webpräsenz nichts anderes als mit physischer Präsenz von Individuen.
Nur, dass sich mit der Internetkommunikation Chancen für Diskriminierte ergeben, ihrer Präsenz mehr und dauerhafte Sichtbarkeit zu verschaffen und die Chancen steigen in dieser wahrgenommen zu werden.

Das Internet als Mittel der Gegenkultur ist beliebt, weil die Eigenmacht der Diskriminierten nicht direkt gekoppelt an die Legitimierung der Diskriminierenden ist. Natürlich ist sie das einige Stufen weiter sehr wohl, weil die Nutzung des Internet bis heute mit einer Reihe von Privilegien einher geht, die nur durch Legitimation der Diskriminierenden erfüllt werden können. Aber die kapitalistischen Interessen, die mittels Internet und bereits allein der Branche der Kommunikationstechnik verfolgt und befriedigt werden können, sorgen dafür, dass auch (gesellschaftlich/ staatlich gewollt) arme und unterversorgte Menschen für wenig Geld Zugang zum Internet bekommen und damit zu rechnen ist, das diese Art der Kommunikation in wenigen Jahren den gleichen Stellenwert wie Nahrung und andere Ressourcen hat und entsprechend gewährt wird.

So kann ich mir zum Beispiel auch erklären, wie es kommt, dass viele Menschen das Internet nicht als Kommunikationsmittel, sondern als Informationspool, als Supermarkregal, als Manege dessen, was sie haben dürfen auffassen: Gewohnheit und allgemeine Legitimation gewaltvoller Interaktion durch privilegierte Position.
Zum Anspruch wird diese Haltung des Konsum und der Vereinnahmung (Aneignung) genau dann, wenn diese Menschen über Menschen, die ihre Kultur, ihre Gedanken usw. eine Präsenz über das Internet verschaffen stolpern, die darauf beharren, dass es sich in ihrer Präsenz lediglich um eine Präsenz handelt- nicht um eine Präsentation für andere.

Die Gewohnheit ist:
„Ich nehme wahr, also wird mir etwas präsentiert”
„Mir wird präsentiert, also darf (muss) ich reagieren”
„Ich darf reagieren, weil ich über Mittel und Wege [Macht] verfüge, um reagieren zu können.”
„Es ist ein Angriff auf meine Persönlichkeit, wenn mir die Interpretation der von mir aufgenommenen Reize verboten bzw. als nicht erwünscht markiert wird, weil meine Position allein in der Macht begründet ist, die ich ausübe (wenn ich interpretiere).”
„Weil ich die Macht bin, darf der andere Mensch nur die Ohnmacht sein, doch sagen (sichtbar machen) darf es dieser Mensch nicht, weil es dann doch irgendwie verpönt ist, Macht über andere Menschen zu haben und also ergo Gewaltdynamiken für sich zu nutzen.”
„Weil der Mensch das aber sagt, poche ich auf mein Recht der Meinungsfreiheit, mische das mit Sexismen, Biologismen, Stigmatisierungen, Rassismus, Sozialdarwinismus, individueller Fehler des Menschen, die gesellschaftlich geächtet werden und so weiter und gebe so meiner Macht ein unumstößliches, durch allgemein legitimierte Abwertung gestütztes Fundament.”

Scheiße nur, wenn Gewohnheit in Frage gestellt wird, wenn der Mensch, an dessen Präsenz Anstoß genommen wurde, dann trotzdem noch _da_ ist, weil es ihm scheiß egal ist (sein kann, weil keine Verluste entstehen können), ob seine Präsenz von irgendwem anders als sich selbst und seinen persönlichen Werten legitimiert ist oder nicht und oben drauf auch noch die Macht hat, dem anderen Menschen schlicht keinen Raum zu gewähren.

Und noch ein Gedanke kam mir.
Repräsentanz kann nur von Objekten ausgehen. Von Symbolen.
Subjekte hingegen stehen für sich selbst und handeln eigenmächtig.
Genau deshalb denke ich, dass es HassfollowerInnen*, wie gewaltvoll kommentierenden SchriftenkonsumentInnen* nicht um mich als Person gehen KANN, wenn sie herkommen, über meine Texte, Bilder und Filme stolpern, die alle einzig für sich allein (und nicht für jemand anderen als mich allein) stehen und Gewalt an mir ausüben.

Sie ™ wollen (nicht: müssen) Gewalt ausüben, weil sie sich für mächtig halten und/oder von unserer gesellschaftlichen Gewaltkultur darin bestätigt werden, es zu auch tun zu können.

Werden wir* BloggerInnen*/ AutorInnen*/ Menschen, die über das Internet Inhalte mit der Intension einer Gegenkultur (einer Kultur ohne Gewalt) Präsenz (Sichtbarkeit) zu verschaffen, verteilen, also zu Symbolen (RepräsentantInnen*) beginnt die Dynamik der Gewalt bereits sich zu wiederholen.
Tragischerweise auch dann, wenn wir* über genau diese Dynamiken bloggen/ schreiben etc.

Dies würde bedeuten, dass wir* unsere Strategien für eine Gesellschaft ohne Gewalt, nicht mit Mitteln der aktuellen Gewaltkultur erstellen können.
Wir* müssten dabei nicht nur “außerhalb der Box” denken, wir müssten sie als Sondermüll markieren, komplett von uns als neue Gesellschaft abgrenzen und absolut autonom neben ihr weiter-entwickeln.
Sichtbar.
Präsent um des _Da_seins Willen.

 

Fortsetzung folgt

Hurra, ich bin nicht perfekt

P1010185Ich hatte gerade den wunderbaren Gedanken, dass ich nicht perfekt bin und es auch nicht sein muss, um respektiert zu werden.

Hintergrund ist mal wieder eine Forenauseinandersetzung, die mich durch ihre Entwicklung daran erinnerte, dass ich bei Twitter neulich von einem Menschen angetwittert wurde, weil ihm einer meiner Artikel nicht gefallen hatte.
Kann man machen- kann man auch in den Kommentaren machen, per Mail, bei Facebook und jetzt, wo ich auch einen YouTubekanal habe, sogar bei Google + und in den Videokommentaren.
Wer mir etwas sagen mag, kann das gerne tun. In aller Regel lese ich das dann und überlege mir, ob ich antworten möchte, oder nicht.

Der Mensch, der mich bei Twitter angeschrieben hatte, hatte sich vorher in einem Kommentar im Blog versucht und wurde nicht freigeschaltet.
Ich schalte grundsätzlich keine Kommentare frei, in denen auch nur der winzigste Hauch eines “selbst schuld” drin vorkommt. Einfach schon, weil mich solche Kommentare immer wieder dazu verleiten meinem Bildschirm “Ach, fick dich doch” zu sagen und der immer gar nicht weiß, womit er das nun verdient hat.
Außerdem lesen hier zum Teil andere Menschen mit komplexen Traumata in der Biografie und ich sehe das schon ein Stück weit als meine Aufgabe wenigstens diesem Tätertrick der Schuldzuweisung und Verdrehung hier keinen Raum zu bieten. Es reicht, wenn die Boulevardpresse vermittelt, dass dies eine moderate Art des Umgangs sei.

Dass ich diesen Kommentar nicht freigeschaltet habe, war für den Menschen dann eine Ausübung von Gewalt und oh Wunder was- ich hab mich gar nicht geschämt dafür – Badabamm!
Ich denke nicht, dass ich mich dafür schämen muss, wenn ich Menschen, die mir gewaltvoll begegnen und mir sagen, ich sei an erlebter Gewalt selbst schuld, keinen Raum in meinem Leben und auch nicht in meinem Blog gebe.
Das gehört zur Grundausbildung psychotherapeutischer Kliniken: Abgrenzung und Wahrnehmen des eigenen Raums, als schützens- und pflegenswert.
Ich denk, das hab ich fein gelernt und hier etabliert.

Es ist natürlich eine Ausübung meiner Machtposition, die ich hier inne habe als Autorin und Administratorin und damit natürlich eine Form der Gewalt.
Und für mich endet an der Stelle die Analyse der Situation. Wer weiter gehen will, kann das gerne bewerten, aber ich bewerte Gewalt nicht.

Badabamms
Gewaltopferblog ohne Gewaltwertung- ja gibt’s denn sowas.
Ja gibt’s.
Und zwar genau dort, wo Wertung als Privileg betrachtet wird.
Wenn ich werte, dann über die Auswirkungen, die Gewalt an mir und meinem Leben hat. Hochgradig subjektiv und auch so markiert.
Für alles Andere gibt es RichterInnen* und vielleicht auch G’tt.

Vorhin haben ein Twittli* und ich beschlossen, dass es das Wort “hassfollowings” gibt.
Soziale Netzwerke funktionieren darüber, dass jede/r immer alles vom anderen lesen kann, sofern man ihn/sie lässt.
Ich habe einen offenen Account und lasse lesen. Jeden.
Auch die, die sich vermutlich ein faszinierendes Magengeschwür über meine Unmöglichkeit, mein Böse sein, mein Nicht- so-sein- Nicht- so- denken- wie sie heranzüchten.
Eigentlich ist das selbstverletzendes Verhalten und bedarf psychiatrischer Behandlung. Aber bin ich diejenige, die das in die Wege leiten sollte, damit diese Menschen, die Hilfe bekommen, die sie verdienen brauchen?
Ich denke nicht.

Diese Menschen, diese Hass- oder irgendwasvorHassfollowerInnen*, werden einen Grund für ihr Verhalten haben.
Für dieses Ver-Folgen meiner Aktivitäten, obwohl sie sie nicht gut/richtig/schön/bereichernd/wichtig finden.

Ich kenne niemanden von diesen Menschen persönlich oder stehe ihnen sonst wie so nah, dass ich einen Einfluss auf ihr Leben jenseits des Zeitraumes, den ihr Konsum meiner Texte/Bilder/Filme einnimmt habe. Ich habe keinen Grund zu glauben, der Grund für ihr Verhalten hätte tatsächlich etwas mit meiner Person und meinem Sein zu tun. Also sehe ich mich auch nicht in der Position, die sich für den Grund ihrer Ablehnung interessieren muss.
Ich stelle mir das trotzdem manchmal so vor, dass ich für solche Menschen, wie einer dieser Pickel bin, die oben schon aufgekratzt sind, unten aber noch Eiter lagern und wehtun. Sie kratzen, pieken, stechen, ätzen, brennen an mir herum, auf das ich endlich weg bin- einfach, weil ich wo bin, wo sie mich nicht haben wollen.
Ich soll einfach weg sein, wenn ich schon nicht so bin/denke/agiere, wie sie das lieber von mir sehen würden.

Mich erinnert diese Art zu Denken an die TäterInnen. Hinbiegen und Brechen, bis es läuft- egal auf welche Kosten. Weil darum. Einfach so.
Ich selbst bin für diese Menschen nur ein Symbol für irgendwas.

Was ich an dem kurzen Twitteraustausch damals bemerkenswert fand, war erstens die Abwesenheit von Schimpfwörtern und zweitens die Abwesenheit von Überlegungen, was ich denn nun mit der Information des Nichtgefallens tun soll.
Ich schreibe Artikel nicht um, wenn mir kein neuer oder anderer oder sinnigerer Gedanke bzw. eine neue Ansicht auf den Text kommt. Und schon gar nicht schreibe ich Artikel, damit sie anderen gefallen.

Hier geht’s darum, dass ich und wir verstanden werden, weil wir Teile unseres (Er-)Lebens sichtbar machen.
Nicht, weil wir hier die Welt und das Leben erklären.
Dafür wende man sich bitte irgendwo anders hin.

Ist das nicht eigentlich sowieso klar?
Vermutlich nicht.

Auffällig erlebe ich nämlich auch immer wieder, dass nicht viele KommentatorInnen* wie dieser Mensch ein eigenes Blog haben (oder einfach nur nicht verlinken- warum wohl nicht?).
Ich bilde mir ein, dass BloggerInnen*/AutorInnen* untereinander irgendwie anders kommentieren. Mindestens aber immer einen Grundrespekt für die Arbeit des Anderen aufbringen können. Deshalb mag ich meine Twitterbubble und meine Blogosphäre auch.
Man kennt die Zweifel, die Freude, manchmal auch die Mühe, die man an und mit den Texten hat. Man kennt die dummdreistgemeinen Kommentare und den Flow, den ein ordentlicher Schreibfluss mit sich bringt. In dieser Umgebung muss ich nicht um Respekt für mein Tun bitten- der ist selbstverständlich da.

In der Umgebung der reinen SchriftenkonsumentInnen* hingegen muss ich mir eine Grenzüberschreitung nach der anderen gefallen lassen, weil ich öffentlich schreibe.  Als wäre Öffentlichkeit eine Erklärung zur Aufgabe sämtlicher Persönlichkeitsrechte. Als sei “öffentlich” gleich “Öffentlichkeit” gleich “Offenheit”.
Ich erwarte von solchen Menschen keine Dankbarkeit. Konsum kommt ohne aus.

Aber Respekt vor mir als Person und meinem Tun als etwas, das von mir kommt, aber nicht mich darstellt, darf ich erwarten.
Auch von denen, die meine Texte nicht verstehen, nicht mögen, nicht mit ihren Werten überein bringen können.

Und das ist das Wunderbarglitzrige an meinem Gedanken vorhin: Ich bin nicht perfekt und muss es auch nicht sein, um Respekt zu erhalten.
Letztlich geht es mir darum.
Vielleicht ist das im Grunde auch schon alles, was mich persönlich am Meisten an solchen Kommentaren stört.
Niemand kommt und sagt: “Hey geile Metapher, krasses Thema, aber ich finde dein Blog scheiße!” sondern immer und immer wieder: “Du bist scheiße, weil das Blog ist scheiße!”
Da wird mir lang und breit erzählt was ich alles für Fehler habe, aber was daran nun das Problem sein soll, wird nie gesagt. Ob es ihnen insgeheim peinlich ist, sich über klitzekleine Internetpickel wie mich aufzuregen?

Für mich ist es im Moment kein Problem scheiße zu sein, Scheiße zu labern und das auch noch Kraft meiner hier waltenden Macht als Admiss des Blog jeden weiteren Tag zu tun.

Ihr dürft jedes meiner Worte hassen, ihr dürft aber bitte gerne auch woanders respektlos sein.

 

Ich habe aber endlich mal wieder was Nettes über mich gedacht – und ihr ja nicht! Ätsch!

eine multiple Persönlichkeit ansprechen ~ Teil 2 ~

Bärlauch “Ich bin keine multiple Persönlichkeit”, hatte ich der Rechtsanwältin gesagt. “Ich bin eine Persönlichkeit mit einer dissoziativen Identitäts(wahrnehmungs)struktur.”. Kurz wurde ich unsicher, weil ich Angst hatte, ob ich zu forsch war. War dieses Gespräch der richtige Moment, um Multimythen zu sortieren?
Jetzt, wo ein paar Wochen vergangen sind, kann ich denken: “Ja, und einen besseren hätte ich nicht finden können.”.
Es ging mir darum zu unterstreichen, was aus mir heraus kommt und was von außen in mir reagiert. Ich wollte nicht schon wieder eine rechtliche Vertretung, eine Betreuung, einen sozialen Kontakt mit Auftrag, der mich in sich selbst genauso zerfleddert, wie es meine Selbstwahrnehmung mit mir macht.

Es hat auch mit der Frage zu tun “Soll ich dich im Singular oder im Plural ansprechen?” – mit dem Unsicherheitswust, der sich in Menschen auftut, die Interaktionswünsche haben. Verstehen wollen, Futter möchten, um sich einfühlen zu können.
Schmunzeln kann vermutlich nur ich über die Fragestellung: “Soll ich dich im Plural ansprechen?” , vielleicht sind auch Kopfschütteln und inneres Zusammenkrampfen nur auf meiner Seite, wenn es um den Umgang mit mir als Vielheit geht.
Ich versuche immer wieder zu unterstreichen, dass ich, wenn ich mit einem Menschen zu tun habe, immer ich bin.
Dass ich nicht einfach umschalten kann. Dass das niemand kann und bei mir nicht anders ist, als bei allen anderen, außer in der Selbstwahrnehmung bzw. in der Folge in der Wahrnehmung meines Selbstes von anderen.

Es gibt Menschen, die mein Erklärungsmodell meiner Abhängigkeit vom äußeren Kontext, eigener Erregungslevel und angepasster Neurophysiologie ablehnen.
Manche denken, dass es so ein Marionettenleben gar nicht geben kann- und wenn doch, mein Bewusstsein darüber doch alles verändern müsste. Das ist das Pinocchio – Modell, das übersieht, dass auch ein Pinocchio eine Holzpuppe blieb, bis er von einer anderen (äußeren übergeordneten) Instanz verwandelt wurde.

Manche verwechseln meine Erklärung dazu auch mit Rechtfertigungsverhalten. Sie denken: “Aha, für sie sind immer alle anderen Schuld, wenn sie die Kontrolle verliert”, selbst wenn das Wort “Schuld” gar nicht in meiner Erklärung auftaucht, sondern meine eigenen reflexhaften Anpassungsreaktionen beschreibt.

Manche geraten auch in eine Übertragung und fühlen meine Ohnmacht vor dem, was Leben und Alltag, Interaktion und Entwicklung, Veränderung und Dynamik zwangsläufig für mich bedeutet, und schwanken zwischen Blaupausenübertragung auf ihre Erklärungsmodelle (das wird dann gerne das Modell der verschiedenen sozialen Rollen, die alle Menschen in unserer Gesellschaft inne haben und mehr oder weniger gut spielen, und daraus, dann die “Überzeugung”, dass alle Menschen multipel sein müssen) und Abwehrverhalten, das ebenfalls mit einer Verquerung meiner Angaben einher geht und in den meisten Fällen gesellschaftlich anerkannte Wege der Unterdrückung geht (“Du willst dich nur besonders machen”; “Du willst dich nur deiner Verantwortung entziehen”; “Du willst nur Mitleid/ Aufmerksamkeit/positiven Status”).

Ich hatte versucht der Anwältin klar zu machen, dass es ein spezifisches Reaktions- und Interaktionsmuster gibt, das sie an mir erleben würde, würde sie mich anwaltlich vertreten. Ich weiß inzwischen, was es für Situationen sind, die zum Beispiel kindliche oder handlungsunfähige Innens nach außen wirken lässt und versuchte ihr zu vermitteln, was ich brauche, damit solche Situationen nicht in unserem Kontakt entstehen.
Ich erlebe zum Beispiel als einen massiven Auslöser, dass es eine Nähe gibt, die mehr als eine Sachebene umfasst.

Wir haben zwischenmenschliche Gewalt erfahren- selbstverständlich ist menschliche Nähe ein Auslöser.
Keine andere Art der Gewalt hat so viele Kontextverknüpfungen, Querverweise und Knotenpunkte- so einen Mikrokosmos aus Interaktion aus Aktion und Reaktion, die sich sowohl in den Opfern als auch in den TäterInnen einfügen, verfestigen, weiterentwickeln, wieder ablösen und weitergetragen werden können.
Mein Problem ist einzig, dass ich oder/ und mein Gehirn oder/ und mein Bewusstsein keine Chance hatte, etwas vom Erlebten zu verknüpfen (assoziieren).

Wenn ich mit der Rechtsanwältin einen sachlichen, wenig persönlichen, nicht privat beeinflussten Kontakt gestalten und erhalten kann, dann gibt es dort auch keine Innens, die unsachlich, hochemotional, privatverquickend sowohl reagieren, als auch selbst agieren.
Es wird schwierig an der Stelle, an der ich ihr etwas hochgradig Persönliches, wie von der Struktur meiner Selbst- und Umweltwahrnehmung erzählen muss, damit sie die Problematik meines Falls versteht.
Sie muss begreifen, dass ich ihr das erzähle, damit sie Krankenakten, Amnesie für Gewaltabläufe und unterschiedliche Bewertungen (und entsprechend auch vielleicht widersprechende Angaben) einordnen kann- nicht, damit sie in ihrer Art und Weise mit mir umzugehen anders ist, als gegenüber anderen MandantInnen.
Würde sie das tun, wäre unsere Sachebene zerstört und damit das Spektrum, das es mir ermöglichen würde einen konstruktiven Interaktionsraum zu gestalten. Ich könnte dann nicht mehr zurück- egal, wie sehr ich es wollte.

Ich finde es wichtig, Menschen, mit denen ich mehr als “Hallo” und “Tschüss” wechsle, zu sagen, dass ich eine DIS habe, weil es dabei um meine Identität und meine Wahrnehmung von ihr geht. Schwierig erlebe ich dabei, dass es immer wieder so ist, dass Menschen sich gezwungen sehen darauf mit Selbstbezug zu reagieren und darauf aufbauend ihre Interaktion verändern, ohne sich zu überlegen, ob das überhaupt gewollt oder wirklich immer nötig ist.

Neulich hat meine Therapeutin angerufen. Ihre erste Frage war mit wem sie spricht- obwohl  es, selbst wenn jemand ans Telefon gegangen wäre, der sie nicht kennt (oder, den sie nicht kennt), irrelevant für den Umgang mit der Information und ihren Konsequenzen gewesen wäre.
Das “Wer ist da?” ist wichtig für Informationen, die aus uns herauskommen- nicht für Informationen, die in uns hineinkommen. Zumindest erlebe ich das so, weil mit dem Hintergrund des Innens, das Informationen äußert, auch bestimmte Bewertungen, Dynamiken, soziale etc. Kontexte bzw. die Annahme bestimmter Kontexte transportiert werden, die für die Sortierung des Gesagten wichtig sein können. Sowohl für mich, als auch für die Menschen, von denen ich auf meinem Weg begleitet werde.

Die Frage “Mit wem spreche ich?” ist ein Mittel der Versicherung und hat mit mir nichts zu tun, sondern nur mit dem Menschen, der sie stellt. Bei meiner Therapeutin oder auch bei BetreuerInnen, erlebe ich diesen Akt von Versicherung auf Kosten meines Gefühls von Sicherheit noch einigermaßen okay, wobei ich in der Hinsicht auch nicht unkritisch bin. Ich empfinde es manchmal, gerade in Zeiten, in denen ich mich sehr viel verletzbarer als sonst fühle, gut, nach Außen nicht sofort in meiner Identität lesbar und damit zusätzlich verletzlich zu sein. Wenn dann die Frage nach meinem Namen kommt, wird das schnell zu einem Abwägen in der Frage: “Gebe ich jetzt mein bisschen Schutz zu Gunsten eines Sicherheitsgefühls meiner Therapeutin/ Betreuerin auf? Was habe ich davon, wenn sie sich sicherer im Umgang fühlt?”

Während ich wunderbar eingewaltet bekommen habe, wie viele “Vorteile” (selbst)sichere HelferInnen, psychologisch/psychiatrisch/medizinische Deutungshoheiten für mich bieten, habe ich in Bezug auf Menschen, die mit mir auf einer Ebene stehen, bereits wechselnde Erfahrungen machen können.
Inzwischen interagiere ich flexibel mit anderen Menschen und erkläre Ihnen mein Modell der Ansprache:
Singular = Gegenwart
Bewertung, Selbstpositionierung entspringen einem Moment innerhalb eines spezifischen Kontextes- zu einem anderen Zeitpunkt und in einem anderen Kontext, kann es sein, dass mein Körper etwas anderes sagt
Plural = allgemeine, ganzheitliche Verortung in Zeit, Raum, Kontext

und erkläre ihnen meine “Faustregel”: je mehr (von mir wahrgenommene) Ebenen der Moment hat (Kontext, Anspruch und damit Druck an mich reagibel zu sein), desto höher die Wahrscheinlichkeit mit mehr als einem Innen zu tun zu haben, die nicht zwangsläufig nach außen erkennbar sind und noch weniger zwangläufig durch Veränderung von Ansprache, Haltung etc der InteraktionspartnerInnen in ihrem Wirken gehindert und/oder beeinflusst werden können
(Wichtig ist, dass mein Gehirn zulassen kann gegenwärtige Situationen als “auch anders als früher nötig zu begegnen” zu erkennen – dabei spielt natürlich auch eine Rolle, welche Reize es von den InteraktionspartnerInnen aufnimmt, doch sämtliche andere Faktoren (Erregungslevel, äußerer Kontext, klare “Beweise” für Selbstwirksamkeit zum Beispiel) spielen eine gleichrangige Rolle)

Ich versuche zu vermitteln, dass die Frage nach dem Namen eines Innens manchmal unverhältnismäßig für mich ist.
Nur weil klar ist, dass ich als Mensch viele Ichs, viele Leben und Erlebens in mir trage, heißt das nicht, dass andere Menschen ein Recht auf Kenntnis davon haben- schon gar nicht für die Beruhigung von Ängsten, die sie ohne dieses Wissen gar nicht hätten.
Ich weiß es nicht genau, aber ich denke mir, dass meine Therapeutin nichtmultiple KlientInnen “Wie siehts aus- passt der Anruf gerade?” fragt. Eine Frage, die ich erst gestellt bekomme, nachdem ich mich (für mein Gefühl) schutzlos gemacht habe.
Hm.
Manchmal finde ich es gut, weil ich dann lernen kann, dass mir von ihr nichts passiert, das Schutz nötig macht und manchmal ärgere ich mich darüber, dass ihre Hilfe oder der Kontakt mit ihr, sehr oft mit Gefühlen von Schutzlosigkeit auf meiner/ unserer Seite einhergeht.

Bei der Juristin war es mir auch wichtig, ihr den inneren Schluss (und damit ein Verantwortungsgefühl) zu lösen, sie hätte es mit vielen Menschen zu tun.
Auch wenn nur ein Mensch vor ihr steht, hätte sie sonst das Gefühl mit einer Gruppe zu interagieren, obwohl es keine Gruppe in dem Sinne ist und ergo auch nicht gut/richtig/passend auf ihre gruppenentsprechenden Interaktionsmuster reagieren wird, was wiederum nur Gefühle von Ohnmacht, Frust, Hilflosigkeit, Unsicherheit und damit ein unbefriedigendes Verhältnis zur Folge haben kann, was dann wiederum für mich schwierig wäre, weil ich mir dann eine andere Anwältin suchen muss.

Neulich hatte ich einen Emailaustausch mit einem Menschen, dessen Mensch an der Seite multipel ist. Er klagte darüber, dass die Innens sich nicht vorstellen und immer einfach so auftauchen und ihn mal nett behandeln und mal ablehnend. Mal tauche einfach so ein Kind auf und sage nicht, wie es heißt und was es hat und niemand von den anderen Innens käme dann, um ihm zu helfen.
Ob ich ihm nicht vielleicht ein paar Tipps geben könnte, wie er sie dazu bringen könnte, anders zu agieren und ihn nicht immer so allein zu lassen.

Vielleicht merkt man schon ein bisschen, wie eigentlich übergriffig, die Wünsche dieses Menschen sind, der sich eindeutig ohnmächtig, ausgeliefert hilflos und in der Position sieht, regulierend eingreifen zu müssen, weil er nicht multipel ist.
Er sieht sich gar nicht im Kontext aus dem heraus Wechsel passieren, sondern als Objekt des multiplen Menschen, das behandelt wird – nicht als Subjekt auf das reagiert – mit dem interagiert wird.

Ich fragte ihn, ob er sich vorstellen könnte, die Wechsel erst einmal zu verstehen, statt sie gleich irgendwie abzuschaffen, verändern oder zu seinem Gunsten beeinflussen zu wollen. Außerdem versuchte ich ihm ein bisschen zu vermitteln, dass die Wechsel eventuell aus einer anderen Perspektive sogar genau nur für das wofür er steht passieren. Nur eben nicht in unserer heutigen Gegenwart und aus der Sicht von Erwachsenen im konsensualen Verhältnis zueinander.

Und ich sagte ihm, dass Multiple keine Persönlichkeitssupermärkte sind.
Man geht nicht einfach zu jemandem hin und sagt ihm: “Jetzt wechsel sofort in den Zustand, in dem du warst als…”. Niemand macht das- außer die Menschen, die von Multiplen verlangen, jetzt mal mit Innen XY sprechen zu dürfen.
Ich sage nicht, dass das unmöglich ist. Aber eine Übergriffigkeit ist es alle mal- egal, ob nun im positiven Sinne für den betroffenen Menschen, etwa, weil man statt eines verängstigten Kinderinnens ein handlungsfähiges erwachsenes Innen sprechen will (einen unangenehmen Zustand beenden möchte) oder für sich selbst. Etwa, weil man keine Lust darauf hat, sich die x-te Schleife von Innen XY anzuhören und lieber mit Innen AB Spaß haben will.

Seit ich diese Grenze spüre, kann ich gut mit einem anderen Innen wechseln, dass sich jedes Mal (und das sehr zuverlässig) darüber aufregt, wenn es irgendwo hinter mir wabert und merkt, dass da jemand außen gerade meint, in unserer Persönlichkeit herumlatschen und Forderungen stellen zu dürfen, anstatt zu überlegen, warum eben gerade nicht das da ist, was er gerne haben möchte oder sich für uns als Einsmensch wünscht.
Dann kriegt das Außen einen Wechsel, wie verlangt (reaktives Muster: “Du musst machen, was andere verlangen”, das sich verschärft, wenn es eine Autorität verlangt) und trotzdem nicht das, was sie wollen (antherapiert wie ansozialisiertes Muster: Selbstschutz- sie kriegen die Feuerlöwin unter den Rosenblatts vor die Nase und sind froh, wenn sie weg ist –> Schutz durch Verhalten, das Menschen eher abstößt, als bindet).

Die Folge ist also eine verdeckte Spaltung und damit kein Umlernen von alten Spaltungsdynamiken, sondern eine weitere Spaltung, die sich an aktuellen Anforderungen orientiert. Und ja: Wer einmal so global dissoziiert, dass eine DIS entsteht, der kann immer und in allen Kontexten Dissoziationspotenzial freisetzen, um sich zu schützen.
Das Dissoziieren und Viele werden- mehr werden, endet nicht mit den traumatisierenden Gewalterfahrungen.
Die Spaltung passiert ja auch nicht wegen der Gewalt, sondern wegen dem, was die Gewalt bedeutet, nämlich: erzwungene Passivität, die das eigene Überleben massiv gefährdet und/oder das Individuum sein eigenes Überleben massiv gefährdet fühlen lässt.

Und “massiv gefährdet” ist als Grundgefühl eben genau das, was andere Menschen bis heute in uns auslösen. Wir haben Menschen als das gefährlichste Tier auf diesem Planeten verinnerlicht und freundliches Gebaren immer wieder an Bedingungen geknüpft erlebt.
Bedingungslose Annahme erfahren wir noch nicht lange und bis zum gegenwärtigen “mit einem skeptischen Blick aus einem Augenschlitz aus weiter Entfernung mal Angucken und Annehmen, dass es sich dabei nicht um einen Trick handeln könnte- eventuell vielleicht- hypothetisch!”, dauerte es Jahre.

Eine dissoziative Identitätsstruktur zu haben heißt in gewisser Weise, permanent eine Sektglaspyramide auf einem Tablett zu balancieren, während man, vielleicht auch noch mit einem erkrankten, geschädigten, gleichfalls immer wieder reagierenden Körper, einbeinig die Alpen überquert, wie dereinst Hannibal mit seinen Elefanten.
Man kann nicht einfach mal ein Glas verschieben, damit irgend ein Bergsteiger, der einem begegnet es im Kontakt vielleicht bequemer hat. Das Mittel der Wahl ist immer genau das Glas zu reichen, das abgetreten werden kann. Ist es nicht gut genug und wird gefordert ein anderes zu reichen, kann alles kippen- es muss nicht- es kann aber und jemand der schon 20- 30 Jahre lang eine Gläserpyramide balanciert hat, der wird einen Scheiß tun, das für irgendjemanden als Risiko auf sich zu nehmen.
Im Zweifelsfall wird ein neues Glas entstehen, ohne dass es jemand merkt.

Vielleicht ist es ein Paradoxon, wenn ich hier viele Punkte anbringe, die eigentlich jede Kontaktaufnahme, jede Interaktion als für mich extrem heikel und gefährlich markieren und zeitgleich aber darauf beharre, dass das keine Veränderungen im Verhalten der Menschen hervorbringen muss bzw. dass das kein Ziel von mir ist.

Mein Ziel ist, den Blickwinkel zu erweitern und Raum für Bewusstsein zu schaffen.
Im Grunde ist es eine Art zu sagen: “Du, weißt du was? Menschen machen mir Todesangst und ich reagiere so und so darauf – nur, dass du Bescheid weißt. Ich lerne noch, wie Leben ohne direkten Grund zur Todesangst geht und sicher passieren mir dabei „Fehler“. Ich sage dir das, weil du ein Teil meines Lebens und meiner Lebensumgebung bist und vielleicht meine „Fehler“ im Lernprozess bemerken könntest.”

Manchmal erlebe ich es als schwer den Menschen begreiflich zu machen, dass ich sowohl sie, als auch mich, als auch mein Leben als Einsmensch fragmentiert (dissoziiert) wahrnehme. Dass einfach niemand und nichts “mein Leben ist”, aber alles und jede/r * ein Teil davon ist, der mit einem Teil von einem “Gesamt- Ich” zu tun hat.

Manchen Multiplen hilft es, wenn jedes Innen mit Namen und Eigenschaft(en) bekannt ist und alle individuell, als ganz und gar abgetrennte Menschen behandelt werden.
Ich erlebe das als Kontrollverlust, weil es eine innere Spaltung nach außen holt (und also von meinem Innen ablöst), während mein Bemühen eigentlich ist, keine Spaltungen mehr entstehen zu lassen und Abgetrenntes näher aneinander heran zu führen.
Manchmal auch über einen Umweg nach Außen- etwa in der Therapie, doch in der Regel bevorzuge ich mittelbare Äußerungen, die ich nicht aus der Hand geben (anderer Menschen Wertung, Umgang, Machtausübung aussetzen) muss, um sie zu verändern und sachte und vorsichtig von selbst an die Stelle gleiten zu lassen, an der sie dann näher oder anders gut stehengelassen werden können.

Vielleicht ist meine Art des Umgangs falsch oder auch nicht für jeden Menschen passend.
Vielleicht haben wir hier den epischen Durchbruchartikel, der alle Einsamkeiten und Verlassenheiten in meinem Leben erklärt.

Vielleicht ist es aber auch etwas, das Menschen, wie dem Leser, der mir schrieb, weil er unsicher war, hilft, jemanden der Viele ist ein bisschen besser zu verstehen, oder mit ihm darüber ins Gespräch zu kommen, was für ihn selbst wichtig und wahrnehmbar ist.
Mir war es wichtig, meine Gedanken dazu noch einmal festzuhalten.

vom Glück keinen Darktwitteraccount zu haben

Schnecki1 Heute gibt es auf Kleinerdrei einen Artikel zum sogenannten Darktwitter.
Neben allen Spaltungprozessen sozialer Interaktion, die anhand des Internet bzw. der Kommunikation darüber, an diesem Nutzungsverhalten wunderbar illustriert werden können, tauchte mir gerade die Frage auf, was es eigentlich sagt, wenn so eine Nutzung als “besonders sicher” gelabelt ist.

So sicher, dass besonders nahe, schmerzliche, persönliche, private Erlebnisse und Erfahrungen ausschließlich in diesem Setting geteilt und getauscht werden.
Dass das passiert, ist in meinen Überlegungen als völlig selbstverständliche Grundlage menschlicher Kommunikation abgelegt. Natürlich teile ich nicht mit jedem alles. Natürlich twittere ich nicht mit Menschen, die mich verachten.

Spannend wird es für mich an dem Punkt, an dem klar ist: “Ich will etwas teilen, dass mich anders auf dich wirken lässt- schnell mal ins Darktwitter reingeben, denn woanders ist das nicht sicher.”
Und ich frage mich: “Wieso habe ich denn keinen Darktwitteraccount?”

Und bing- plötzlich ist mir klar: Ich habe überhaupt keinen Grund dazu.
Ich habe keine Reichweite und damit einhergehend einen Ruf/ ein Image, wie zum Beispiel die AutorInnen von Kleinerdrei oder auch UserInnen, die so kontroverse Nachrichten verschicken bzw. teilen, dass sich früher oder später ein Account, in dem man nicht permanent angegangen wird, einfach als nötig erweist.
Ich habe weder analog noch digital ein Netzwerk, das sich so spalten lässt.

Darktwitter ist ein Privilgiensicherungswerkzeug.
Du bewahrst dir deinen Ruf, deine Reichweite, deine FollowerInnen, wenn du bestimmte Dinge einfach nicht in denen AktivistInnenaccount reinschreibst. Dein Profil bleibt unangetastet. Du bestimmst, wer ein rundes Bild von dir bekommt und wer nicht.
Schwierig, oder naja, ich sage mal besser: einen faden Beigeschmack macht es mir schon, zu wissen: “Jo, du kriegst hier ne Show geboten, weil das hier alles nur die öffentlichen Accounts sind, denen du folgst.”.

Ich weiß nicht, ob solche Performances ein kommunikationsimmanenter Teil sozialer Interaktion sind. Vielleicht ist das so und muss akzeptiert werden, um anderen Menschen Raum zu lassen, sich innerhalb ihrer Grenzen (der Komfortzone) frei bewegen zu können. Das ist ja etwas, dass ich auch möchte.
Der Punkt ist, dass ich keinen Showaccount habe und es als Fragmentierung meiner Selbst erleben würde, hätte ich nebenbei einen.

Ich habe einen Account der geschützt ist. Am Anfang dachte ich, dass es einer werden könnte, in dem ich meinen Hund zeige, mich zeige, mehr von dem teile, worüber ich weder hier schreibe noch mit den FollowerInnen, die ich nicht analog kenne, teilen will.
Tja. Bis auf Hundefotos läuft auf dem Ding nichts. Es ist unnötig für mich und eigentlich mehr schmerzhaft, als entlastend oder schön.
Einfach, weil es mir (neben meinem kleinen Radius der näheren Interaktionen) auch zeigt, dass meine Nutzung der Kommunikationsmittel Twitter, Facebook etc. ziemlich genau nur um das kreisen, was ich ins Internet hineinschreibe. Nicht, was ich lebe.
Natürlich bedingt das Eine das Andere und eine absolute Aussage ist hier nicht zu treffen, es zeigt aber deutlich welche Privilegien eben doch auch an das ach so offene, freie Internet gebunden sind bzw. sein können und auch sein müssen, bis Darktwitter, Darkfacebook, Darknet allgemein einen Sinn für die jeweiligen NutzerInnen ergibt.

Irgendwie,
jetzt, wo ich diesen Gedanken so ausformuliert habe, verstehe ich diesen Schlag an mich heran besser.

Vielleicht ist es auch etwas, was ganz normal und zwangläufig passiert, wenn man sich über die jeweiligen Intensionen hinter der Art, wie und womit Menschen miteinander kommunizieren, austauscht.
Ich glotze in Kleinerdrei hinein und sehe eine Welt, die auf so vielen Ebenen fern von mir ist und, trotz aller “Phhs!” und “Achs!” immer doch irgendwie vielleicht eventuell das Leben als junge Erwachsene abbilden könnte, dass ich auch leben würde, wäre ich nicht in diesem Leben drin, in dem ich jetzt nun einmal bin.
Wie ich darüber vergessen kann, dass solche Leben auch andere Nutzungsverhalten mit sich bringen, ist dann wieder einer meiner blinden Flecke, doch das Autsch bleibt natürlich nicht aus.

Ich gehöre nicht zu den Menschen, die Twitter nutzen und eine Performance abliefern. Für mich sind das halt alles keine sinnentleerten Klicks, Zeichen und “eigentlich total egal, weil das “echte”/ “richtige”/ “wichtige” eh woanders bleibt.
Ich nehme mein Handy in die Hand und habe die ganze Zeit bewusst, dass ich über Twitter zu anderen Menschen spreche. Menschen anspreche. Was ich nicht anspreche und teile, das ist eben mein (sogar vor mir oft) unsichtbares Sein ohne Form und Farbe, das sich erst von “wabernd” zu “Sprache” zu “Wort” und “mit-teilbar” evolutionieren muss.

Vielleicht ist das mein Fehler zu denken, dass “man nun mal so mit Menschen übers Internet redet, wie man es auch analog/direkt tut bzw. tun muss”.
Vielleicht ist es aber auch mein kleines Privileg und Glück, dass ich es mir leisten kann, in meinem öffentlichen Twitteraccount genauso zu agieren, wie ich auch analog/direkt agiere (wenn ich denn besagte innere Evolutionskette durchlebt habe)
Zumindest so lange mir niemand mit eindeutiger Gewaltintension begegnet.

Twitter hat zwar die Block- und auch die Mutefunktion eingeführt bzw. verbessert, letztlich drohen, hetzen, verletzen und stalken noch immer die gleichen GewalttäterInnen* wie vor einem Jahr über Twitter hinter vielen UserInnen* meiner Timeline her.
Weil diese Menschen eben nicht, wie in allen anderen Kontexten der sozialen Interaktion bzw. Kommunikation behandelt werden, agieren die von Gewalt bedrohten UserInnen auch nicht, wie in allen anderen Kontexten und allein das bringt Darktwitter in seine Sonderposition:
Es ist die gleiche Unfähigkeit Gewalt aus dem Miteinander herauszuhalten, wie überall sonst.

So bleibt mir der Punkt der Dankbarkeit davon soweit verschont zu sein, dass mir bisher die Block- und Mutefunktion gereicht hat, um weder in die dunklen Ecken des Netzes kriechen, noch meine Kommunikation übers Internet so weit zerpflücken, wie ich es in mir selbst bin, zu müssen.

mit Behörden reden

FassadenimLicht Meine Wahl gegen Gewalt, war eine Wahl für meine Freiheit und damit auch eine Wahl für die Armut. Die Schonimmerarmut und die Position neben einer Welt, die so verheißungsvoll jedem Menschen verspricht: “Du musst nur wollen, dann…”.

Mit Behörden zu reden, heißt im Grunde genommen nichts anderes als Betteln für mich und doch versuche ich immer wieder das Bestmögliche an den passenden Stellen für mich einzufordern. Manchmal, weil ich der Gesellschaft ™ die Aufgabe, sich um alle Menschen in ihr gleich zu kümmern, nicht abzunehmen gedenke und manchmal, weil ich noch diese lichten Momente habe, in denen mir legitim erscheint, dass auch diese Behörden keinen Grund haben, mich wie eine Bittstellerin zu behandeln.
Auch sie sind, ohne mich (und Menschen wie mich) nichts weiter als Menschen mit mehr oder weniger hübschen Büros und einer Auswahl Kugelschreiber.

Seit ich 19 Jahre alt bin, bin ich Jobcenterkundin. Eine Nummer, ein Schicksal, ein Gesicht von vielen.

Das Jobcenter ist die Behörde an der meine gesamte Existenz hängt. Ich bin ihr gnadenlos ausgeliefert und ihr Schatten schlägt sich in allen Belangen meines Leben dem meinen um Längen voraus. Es geht um Leben und Tod und egal, wer mir in Bezug darauf etwas Anderes vermitteln will, soll – mit Verlaub – einfach mal die Fresse halten und selbst 10 Jahre in dieser Armut leben, ohne irgendwelche Rücklagen.

Leben und Tod- diese Dynamik darum, der Kampf, die Notwendigkeit zu überleben, das kenne ich nur zu gut. Meine gesamte Kind- und Jugendzeit drehte sich darum und dort ist ein Punkt, der mich immer wieder triggert, wenn ich Post von dieser Behörde erhalte.

Was bei MedizinerInnen noch so leicht gedämpft werden kann, nämlich die Macht über mich, funktioniert nicht in Sachen Jobcenter.
Dort kann ich mich nur darauf besinnen, dass die Behörde selbst nur ein Verantwortungsdiffusionsbläschen ist und der oder die MitarbeiterIn vor mir, auch nur ein Mensch an einem PC sein kann.

Es ist eine Sachebene, fern aller Gefühle, aller Lebenslogik und auch aller Moral, die hier gepflegt werden muss.

So entschied ich mich vor drei Jahren für eine anwaltliche Vertretung in Sachen “passive Leistungen”. Ich merkte, dass ich den Inhalt der Bescheide, die Aufforderungen und Formulare allesamt kaum wirklich erfassen kann, wenn sie einfach so im Briefkasten landen und alle Handlungspflicht auf mir allein ruht.
Das, was ich heute an Hartz 4- Panik erlebe, ist nichts zu dem, was letztlich ein Innen von uns hervorbrachte: Jedes mal die Angst, es nicht richtig zu machen und dann kein Geld zu bekommen. Jedes Mal die Angst, etwas können zu müssen, was nicht gekonnt wird und in der Folge mit Geldentzug bestraft zu werden. Jedes Mal die Angst zu hören, dass die eigene Hoffnungslosigkeit in Bezug auf ein Leben aus dem Hartz 4 System heraus, bestätigt werden könnte. Jedes Mal ungefilterte Todesängste ohne Netz und doppelten Boden.

So eine anwaltliche Vertretung, wie ich sie habe, ist in meinem sozialen Netz eine Ausnahme. Andere Menschen entscheiden sich für eine gesetzliche Betreuung mit dem Schwerpunkt auf die Vertretung in diesen Dingen. (Hier ein Link dazu)

Doch das Jobcenter hat ja nicht nur einen Armutsverwaltungsauftrag. Es soll ja Menschen auch in Berufe bringen.
Auch Menschen mit grünem Schein.
Mit meiner Schwerbehinderung von 50%, landete ich dann in der Abteilung “Reha und Schwerbehinderung”. Meine frühere Sachbearbeiterin war immer sehr dankbar darum, wenn ich sagte, dass ich “im Moment” und “nicht absehen könnend” nicht fähig dazu bin, eine Vollzeitausbildung in Angriff zu nehmen. Schwupp- Jahresstatistik positiv beeinflusst, lächeln und zack- nächster Termin in einem Jahr.

Letztes Mal war aber alles anders. Auch hier kamen wieder diese Fragen:
“Wer sind Sie?”
“Was wollen Sie?”
“Was kann ich für sie tun?”, diesmal aber von einer fremden, weil neuen Sachbearbeiterin.

Okay- kurzes Schlingern, aber dann!!! Heldeninnencape im Raum herumschwenken!
Ich fragte sie, ob ich mal wild rumspinnen dürfte und sie mir dann sagt, was davon irgendwie im Rahmen ihrer Statuten umsetzbar ist.
(Haaaaaa!)
Nachdem wir das geklärt hatten, fragte sie nach den Einschränkungen, die ich habe.
Ich sagte ihr, dass es nicht nur Einschränkungen in dem Sinne “einfach ein Hilfsmittel dazu und fertig ist der Lack” sind, sondern für mich die Probleme in Sachen Leistungsbeständigkeit in Abhängigkeit meines Umfeldes liegen und, dass ich es einfach nicht schaffen werde, harte Therapiearbeit (und das ist Traumatherapie nun einmal) mit einer Vollzeitausbildung unter einen Hut zu bringen.
De fakto hatte diese Frau keine Ahnung von Traumafolgestörungen oder psychischen Behinderungen ganz allgemein.

Unterm Strich ging ich mit meinem ersten Rehaantrag und einem Gesundheitsfragebogen aus dem Gespräch.
In Behörden redet man eben doch nicht persönlich über sich.

Man redet über Fragebögen, Antrags- und Formularnummern mit einander und trägt so Bitten und Umstände von A nach B.
Es ist dort nicht relevant, wie abstrakt ich das Geschacher um meine Zukunft, mein Leben und dessen Qualität wahrnehme- existenzielle Abhängigkeit hat keine Ziffer.
Selbst Todesangst wird im Jobcenter nur durch immer mehr Videoüberwachung, dicke Sicherheitstüren vor Büroräumen und offenen Beratungszimmern sichtbar.

Ich muss nicht mit Behörden reden.
Ich darf nur nicht vergessen, was ich eigentlich erzählen können müsste.
Wenn ich mehr als nur eine Nummer in einem Aktenschrank wäre.

Erzähl mal

P1010093Es fiel mir schwer wieder reinzukommen.
Mich zu erinnern, womit ich mich zuletzt befasst hatte; wie der Plan war.

Dann fiel mir ein, dass es gar keinen Plan gegeben hatte.
Die Reise- das Fliegen- das Filmprojekt- die Gemögte, das war wie ein Knoten am Ende des Fadens, den ich in der ganzen Zeit vorher festhalten musste.
Ein „und dann… “ gab es nicht.

Jedenfalls nicht so fest und ohne Option daneben wie das Ende, auf das man sich hier eingelassen hatte.
Vom Himmel zu fallen und so das Böse auf die Erde prasseln zu lassen, erschien klarer und fester, als kindlich zart und empfindsam durchgeschüttelt und überreizt in der Wohnung zu sein und Angst vor dem Leben zu haben. Durch die Tage zu torkeln und als einzig festen Punkt den Hund und das Schreiben zu haben, während sich das Internet und langes Telefonieren wie Abstandsmarker zur echten Panik ausmachen.
In der Therapie zu sitzen und zu denken: „Können sie grad mal aufhören so rumzuwackeln und mich hier einfach mal überhaupt ankommen lassen?“

Irgendwann später am Donnerstag hatte ich es dann klar.
Es ging nicht nur ums Ankommen, zurück in Deutschland; in Hartz 4, wo es eben nicht darum geht, wie „es mir wohl ist“; zurück im Breisumpf auf Zukunfts- und Perspektiv- , Schaffenskraft- und Annäherungsängsten. Es ging auch darum nach etwas zurück zu kommen, das sich wie ein kleines eigenes Universum um uns herum ausgemacht hatte.

Wenn wir Kinder Blödsinn gemacht haben, war klar, dass etwas passiert. Zu dritt standen wir im Flur und jedes Kind wurde einzeln in das Zimmer gerufen. Das Warten vorher und die Gewalt im Zimmer selbst- so etwas passiert einfach. Da gibt es weder vor noch zurück.
Man hat Scheiße gebaut, also muss man dazu stehen. Ganz einfach und klar. Also bleibt man da stehen.

Übertragen aufs Heute war es: Ich/wir habe/n überlegt, was ich/wir beitragen könnte/n, überlegt, was ich/wir davon beitragen will/ wollen, wie ich/wir das anstellen kann/ können und dann zugesagt zu kommen. Also begannen wir die Reise und standen zu unserem Wort.

Doch in dem Moment in dem ich zu etwas stehe, passiert etwas. Damals wie heute, komme ich nicht gleich wieder zurück. Das Gefühl der Entrückung und der Problematik Anschluss an jene Lebenswelten der Menschen, die nicht dabei waren, zu finden, ist die Gleiche. Gewaltuniversum oder Erlebnisuniversum- beides ist völlig anders als der Alltag. Ist ein Knoten im Faden.

In der Nacht zu Donnerstag hatte ich mich an eine Situation erinnert, in der es genau darum ging, so eine Frage nicht zu beantworten. Nicht antworten zu wollen. Selbstbestimmt antworten zu wollen.
In der es um die fest begründete Angst ging, Schmerz zu erfahren, wenn man seinem Willen nachkommt.
Mir wurde noch ein Mal mehr klar, warum es wichtig war, den Reisebericht so aufzuschreiben, wie ich/wir das gemacht haben. Häppchenweise, zeit-räumlich sortiert und nur hier im Blog.
Alles andere im Kontakt mit Menschen, die die Selbstbestimmung im Erzählen und Teilen, schätzen und wahren. Diese Ermächtigung über die eigene Antwort auch als solche erkennen und mich durch ihr nicht wertendes Zuhören in gewisser Weise vor mir selbst schützen.

Mir war ein Unterschied aufgefallen in den Situationen.
In der Einen fragt niemand „Wie wars?“, sondern versucht es stumm an den Geräuschen, die aus dem Zimmer dringen oder aus dem leeren Gesicht des Geschwists, im Moment des aus dem Zimmer Rauskommens, zu lesen; wird aber definitiv erfahren, wie es für ihn selbst sein wird. Die Welt- die Menschen da draußen fragen auch hinterher nicht: „Magst du davon erzählen?“
(Wenn überhaupt wird man dazu BEfragt und auch dann spielen die emotionalen und allgemein ebenso zu verarbeitenden Reize und Empfindungen eine untergeordnete Rolle)
In der Anderen haben wir etwas mit anderen Menschen zusammen erlebt- haben eine Situation gemeinsam gestaltet und er-(ge)- lebt und werden gefragt: „Magst du davon erzählen?“.
Andere Menschen haben von unserer Reise erfahren, weil wir nicht allein waren, weil wir andere Menschen brauchten, um sie erlebbar zu machen. Das fing mit der Hundsitterin an, ging weiter über die Menschen, die wir begleiten und denen wir sagen mussten, dass wir nicht erreichbar sein würden und endete nicht einmal bei den Menschen, die uns in der Nacht des Reisebeginns den Hausflur runterpoltern hörten.

Diese Reise war (über?)fordernd, wenn auch nicht gleich allumfassend zerstörend, wie es Gewaltsituationen waren, was wir in den ersten Tagen über das Aufschreiben der Erlebnisse und das Bemerken, dass wir von ganz alleine grobe Sortierung von „Raum und Zeit“ und „schön/ nicht so schön“, sogar einiger Details schreiben konnten, wahrzunehmen schafften.

Doch dann kam da die Frage; „Wie wars?- Erzähl mal!“, und entpuppte sich als etwas, das sonst immer fehlte.
Früher hats niemand sonst gewusst- also nie gefragt- also wurde auch nie etwas gesagt (unabhängig davon, ob etwas hätte gesagt werden dürfen oder nicht).

Und so gesehen kommt mir diese Welle, die mir aus dem Kopf lief, diese anhaltenden Überforderungsgefühle, diese Unsicherheit und kindliche Zartheit in mir so logisch vor.
Dieses Kind hat nie jemand aufgefordert zu erzählen, was ihm gerade Großes (Überforderndes) passiert ist und plötzlich stehen da Menschen und wissen schon davon und fragen TROTZDEM noch (noch obendrauf auf alles!) wie es denn für UNS war- nicht nur so im groben Ablauf.

Jetzt haben wir viel darüber weinen müssen. Über alles irgendwie. Und wenn ich mich entspanne kommt noch mehr Weinen aus mir raus.
Aber es hilft.

Langsam kann ich wieder die Fäden meines Lebens vor der Reise aufnehmen.
So langsam komme ich wieder rein.

Was die Frage nach dem Nutzen von Hashtags mit Gewalt zu tun hat

P1010478Eine Frage, die ich echt zum in die Knie gehen finde:
„Und was nutzt das jetzt?“ oder auch „Und, was haste jetzt davon?“.

Keine Frage- sich kurz zu überlegen, ob der Aufwand, die Kraft und die Nerven, die in eine Aktion gesteckt werden dem Wunschziel entspricht, hat schon Sinn.
Also ne- jeder Mensch, sollte sich überlegen, ob ein Teelöffel das beste Werkzeug ist, die Wüste umzugraben- aber niemand hat das Recht, sich neben ihn zu stellen und zu sagen, dieser Aktivismus sei unnütz, wenn es das Einzige ist, das dieser Mensch zur Verfügung hat, um überhaupt aktiv zu sein. Auch, wenn die eigene Idee, das gleiche Wunschziel zu erreichen, eine andere ist, gibt es keinen Grund zur Entwertung dessen, was der Mensch da tut.

In den letzten Monaten kreisten die Hashtags #aufschrei, #schauhin, #nudelnmitketchup und #isjairre bis in die Trends von Twitter.
Twitter ist eine Form der visualisierten Kommunikation. Damit ein Hashtag zum Trend wird, braucht es wahnsinnig viele Anwendungen. Schon mal überlegt, wie viele Menschen da draußen auf der Straße stünden, wenn jeder Tweet so etwas wie ein beschrifteter Stein wäre? Das ist der Hammer!

Kaum eine Stadtdemo außerhalb eines Feiertages kommt da dran. Und trotzdem gibts Menschen, die meinen: „Ach… Hat doch nix genutzt- passiert doch weiter jeden Tag…“
Als ginge es darum, die Welt von jetzt auf gleich umzukrempeln, wenn etwas kommuniziert wird.

In erster Linie ist Kommunikation da, um Dinge und/ oder Um-Miss-Zustände zu kommunizieren. Einfach zu sagen: „Hallo das und das ist da!“ oder auch: „Das und das sehe ich und finde ich blöd/ gut/ veränderungsbedürftig“. Gerade via Internet geht es schlicht um die Visualisierung von dem, was sonst eher undokumentiert irgendwo verschütt geht.
Wer mehr erwartet, muss enttäuscht werden.

Das Internet kann wie eine Dominosteinschlange wirken- das tut es aber nicht immer und bei allen Themen. Sehr entscheidend ist, wer was wann wie und in Bezug worauf anstößt.
Auch wenn die allgemeine Auffassung ist, dass im Internet jede/r gleich ist, ist dem nicht so, das ist aber ein anderes Thema.

Was mich an solchen Ansagen wie: „Ein Hashtag bringt nichts, weil sie nur Angriffsfläche bieten und zu wenig transportieren.“, stört, ist das Verkennen, dass dort über die vielleicht einzigen Mittel von Menschen gesprochen wird und das auf eine Art, die impliziert, dass diese Bemühungen (wie alle anderen von ebenjenen Menschen) unnütz- ohne Wirkung- seien.

Wenn man jemanden still halten und/ oder machen will, muss man ihm nur das Gefühl geben nie gehört zu sein.
So funktioniert Gewalt.
„Was von dir kommt, zählt nicht.“

Zu fragen, „obs jetzt was gebracht hat“ macht, dass das, was diese Menschen selbst bei sich sehen, als etwas dargestellt wird wonach gefragt werden muss, weil es eigentlich unsichtbar ist.
Ich müsste ja schließlich nicht nach dem Nutzen fragen, wenn ich ihn sehen würde. Ob ich vielleicht einfach falsch schaue oder etwas anderes zu sehen erwartete, wird dabei nicht gesagt, ergo sichtbar gemacht und ergo landet wieder Unsichtbarkeit bei den Menschen, die eigentlich so wahnsinnig viel gesehen haben.
Der fragende Mensch- der nichts wahrgenommen haben will- wird so zum Maßstab für Sinn und Unsinn einer Handlung und/ oder Kommunikation- nicht der Mensch, der zu kommunizieren versuchte.

Immer wieder wird vergessen, dass es sich beim Internet einzig um eine Form der Kommunikation handelt.
Aktivismus auf der niedrigsten Schwelle, die nicht abzuwerten ist.

Ja, ein Hashtag allein verursacht erst einmal wirklich nur viele Worte.
Doch wären diese Worte jemals in diesen Konstellationen gewechselt worden, hätte es den Hashtag nicht gegeben? Was entsteht aus dem, was diese Wortwechsel hervorbringen?

Für mich war #aufschrei nicht nur deshalb gut, weil ich mich endlich nicht mehr so allein mit meiner Geschichte fühlte. Es war auch gut, weil ich zu Worten kam. Es war gut, weil mehr Menschen da draußen von meinem Blog und mir selbst erfuhren- meine Worte hier mehr Menschen erreichten… Dominosteinkette!
Diese kleine Miniraute vor diesem Wort, das so viral ging, hat mich mit meinen Gemögten zusammengebracht, die mich heute so sehr stützen und an deren Leben ich teilhaben darf. Von denen ich weiß, dass ich mich mit ihnen über Dinge, die via Twitter kommuniziert werden, auch real unterhalten, streiten, drüber lachen und wüten kann.

Ist all das nichts?!
So viel nichts, dass noch mal nachgefragt werden muss?

Ich denke nicht.
Für mich, als jemand der auf politischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene immer wieder ungehört bleibt, ist es wahnsinnig viel und dies will ich auch als viel anerkannt haben. Egal, wer da auch immer lang kommt und meint mir sagen zu müssen, dass es ja alles nix nutzt.
Es nutzt.
Auch wenns „nur ein Hashtag“ ist.
Am Anfang steht das Wort.

*ich beziehe mich ausschliesslich auf Hashtags, unter denen es um Diskriminierungserfahrungen geht

frisch gestrichen

Aaaand heeere they are: diese Momente in denen ich in die Welt, in die Ohren, die Köpfe der Menschen hineinpiepse: „Vorsicht- ich bin frisch gestrichen.“

„Sei vorsichtig mit mir- ich hab mich gerade frisch gehäutet.“
„Nicht schubsen- Ich hab ein Trinkpäckchen im Ranzen!“

Ich kann „sozial“ nicht gut. Wirklich nicht.
Und jetzt muss ich. Könnte ich. Eigentlich egal, weil ja meine Entscheidung. Muahahahaha

Selten so viel Haltlosigkeit als Freiheit benannt gesehen, wie derzeit.
Wir drängen euch nicht. Erwarten nichts. Alles kann, nichts muss…

Ich stehe da und puste an mir selbst herum, um schneller zu trocknen. Einen Panzer zu kriegen. Irgendwas, was statt meiner abplatzen könnte, wenn dann plötzlich doch jemand erwartet, sich auf mich setzen zu können. Oder um wenigstens nicht allzu viel Ärger und Dreck auf dem Menschen zu hinterlassen, wenn er mein Piepsen schon nicht bemerkt.

543769_web_R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.deEs ist manchmal wirklich schwierig einem Anspruch genügen zu wollen und nicht zu können.
Sich abzurackern, um Schulbildung zu kompensieren und etwas zu erschaffen.
Und natürlich wäre es mir lieb einfach mit einem Fingerzeig alles gut zu machen.
Aber so ist das Leben nicht- zum Glück!

Jetzt ist vieles weg. Stückchen für Stückchen und alles ist frei entscheidbar.
Auf manchen Achsen ist das gut. Bei den, von denen ich mir eine gewisse Funktion erhoffte hingegen einfach nur blöd. Da reduziert sich dann mein Dasein auf den rein sozialen Punkt und das ist meine absolut frisch gestrichene Stelle.

Und wieder stehe ich da und piepse.
Piepse eigentlich jetzt schon, weil absehbar ist, dass es ab einem Zeitpunkt kein Zurück mehr gibt.

Ich kann nicht einmal sagen, ob es jemand hört oder sonst wie wahrnimmt. Angestarrt fühle ich mich und so als ob alles erwartungsvoll auf mich draufgeguckt… ja, das nehme ich wahr. Zumindest denke ich das. Meine ich zu denken. Woher zum Henker soll ich auch wissen, was andere tun oder denken, wenn sie nichts sagen. Woher soll ich wissen, was ich machen soll, wenn alles „die freie Entscheidung“ ist? Wenn alles egal ist. Wenn ich was machen könnte, aber ja auch nicht.

Hallo- ich bin frisch gestrichen.
Ich mag mich nicht mit komischen Abdrücken- auf mich Eingedrücktem- verändern, wenn ich das schon von vornherein verhindern kann und auch einfach ich bleiben dürfte, wie ich bin.

Ich bin in einer richtig deluxe blöden Situation.
So eine von denen, in der man seinen Mund mit einem Reißverschluss verschließt, um bei niemandem irgendwas anzuditschen, sich aber die eigene Haut schmerzhaft zerschneidet.

So eine in der man schlicht nicht gewinnen kann.
Vor allem nicht, wenn man ein kleines frischgeschlüpftes Vogelbänkchen mit neuem… fast noch tropfendem Anstrich ist, auf das sich jemand setzen könnte, ohne die Warnung wahrgenommen zu haben.