außer…

mehr Kunst machen, habe ich mir gewünscht
und gedacht
ich versuche einfach mehr
ich habe mir Tintenfedern gekauft und Tusche
und gemerkt, dass es gut funktioniert
obwohl ich linkshändig arbeite
ich hab ein Skizzenbuch gekauft
und gedacht, dass ich alle Techniken,
die mit dem üblichen Skizzenblock nicht gehen,
probieren werde
und dann habe ich Acryl mit Serviettentechnik
Wasserfarben und Liner,
Tusche und Bleistift,
Buntstift und Fasermaler,
Tee und Bleistift,
vermischt
und dann
muss ich versuchen nicht zu weinen,
weil mir auffällt, was alles möglich ist
außer
auszudrücken, was unter meiner Haut erinnert wird

Tag 3

Erst dachte ich, das wäre die erste richtige Körperkrankheit in diesem Jahr, doch das stimmt nicht. Anfang des Jahres lag ich mit einem Infekt flach. Wobei – wirklich flach lag ich da auch nicht. Damals (oh G’tt ja damals, im Januar? Februar?) als mir der Weg ins Jahr 2014 so klar erschien: Buch fertig kriegen, Nachwachshaus anleiern, Geld verdienen, Dinge bewegen, BOOOYAAAH- es würde hart, aber es würde zu schaffen sein, weil – wieso denn nicht?! , lag ich nicht im Bett, sondern machte noch ein Irgend-wie-Interview für das Buch und zeichnete im Bett Skizzen von Hausgrundrissen und versuchte mich auf Texte zu konzentrieren, die sich darum drehten, was gute Literaturagent_Innen ausmacht.

Und jetzt ist Dezember.
Es ist Tag 2 des Pendelns zwischen 38° und 39° C und der erste ohne „Guten-Morgen-Magensäure aus der Tupperdose neben dem Bett spülen“.
Ich habe mein Buch nicht fertig. Will es sogar nochmal neu schreiben. Ich liege im Bett und döse, träume von einer Hütte im Irgendwo mit Stille im nächsten Umkreis. 3 Wochen nichts weiter tun als schlafen, essen und schreiben. Hach.
Ich schlafe fast, da rollt an, was anrollen muss, wenn jeder Muskel und Knochen im Körper schmerzt: Erinnern.
Ich bilde mir ein, ich könnte mein Erinnern gut vermeiden, gut wegschieben, gut in kleine Kisten und Umschläge stecken, die verstreut geparkt werden können. Jetzt spüre ich, wie viel tatsächliche Muskelkraft es erfordert und wie wenig davon in mir ist, wenn ich krank bin. Ich kann nichts wegdrücken, nur selbst vergehen und als Geist über mir schweben.
Es sind Träume, die ich da sehe. Ganz sicher, denn niemand würde so etwas jemandem antun. Ganz sicher sind es Träume oder Fieberhalluzinationen.

Aufwachen, erbrechen, weinen, frieren, NakNak*s Zunge an der Hand, die mich vom Boden abstützt spüren. Atmen, warten, Krankheit realisieren. #Mimimi

Aufstehen spülen, waschen, dem Piepen der Mikrowelle zuvorkommen und die Wärmestofftiere befreien.
Die Warmies sind großartig. Sie sind sehr weiche Plüschtiere mit Hirse und Lavendel drin. Wir haben eine Eule und eine Robbe vom Weihnachtsmarkt. Die Robbe haben wir am Donnerstag gekauft. Nach der Therapiestunde, die so furchtbar war, weil uns niemand angebrüllt hat.
Manchmal ist es einfach so, dass alles besser wäre, wenn Menschen uns nur anbrüllen und herumschubsen würden. Wegschubsen und einsperren und wenn die Tür wieder aufgeht ist alles auf Anfang. Vom Point of no return auf reset und los. Neues Spiel neues Glück.
Gewonnen haben wir nie, aber wer weiß? Beim nächsten Mal…?

In dieser Lavendelwolke herumschweben ist schön. Eine Schmerztablette, eine halbe Tasse Tee. Erst zu heiß zum trinken, dann eiskalt aufklirrend im Magen, obwohl doch nur ein Wimpernschlag vergangen ist.

DSC_3102NakNak* schläft mit. Drückt ihren Rücken an die warme Robbe auf meinem Bauch und ich darf meine Hand auf ihrer Seite liegen lassen.
Peter Härtling liest uns die Geschichte von den Scheurers vor und draußen regwindet es.
Meine Beine werden aus den Hüftgelenken gerissen und Blut sickert langsam aus dem Inmitten von mir. Ich sehe mich schreien und zerfallen, und fühle das dichte Fell meiner ruhig atmenden Hündin direkt vor mir. Es legen sich weiche weiße Federn auf meinen Kopf und alles wird dicht und dichter und schwammiger und als ich aufwache tapst NakNak* an meine Schulter. Kratzt mich sachte.
17.58 Uhr

Abendbrot um 18 Uhr- Verspätungen werden hingenommen, doch nicht kommentarlos.
Ob ich ihr Futter aus dem Plastik drücke oder mein eigenes Fleisch kann ich nicht trennen. “Guten Appetit liebste Mopsmaus”, sage ich “bitte nicht”, schreit es dumpf irgendwo da ganz irgendwo dort, wo man nichts mehr erkennt.
Ich mag Kartoffelbrei. Er erinnert mich an Kranksein mit Bibi Blocksbergkassetten und der ersten Gemögten.
Jetzt koche ich Kartoffeln zu Tode und zerdrücke sie zu Kartoffelbrockenmatsch.

Meine erste Gemögte hat mich verlassen dieses Jahr. Ich will nicht mehr dran denken, aber tue es dann doch. 2014, ein Jahr voll Trennungschmerz und ich hasse mich, weil ich keines meiner Projekte beendet bekomme. Wir sitzen in der Küche und zittern uns die Muskeln wund. “Siehst- Mögen tut weh. Einfach lassen in Zukunft.”
Schwaches Nicken. Okay. Mir egal. Alles egal.
Der Kartoffelbrei ist zu salzig. Er brennt bei seiner Wiederkehr.

#Magenmimimi und #Bauchbubu  baden in Magenbalance Kräutertee und ich hänge über dem Waschbecken und schaue meiner Nase beim Bluten zu.
Ich frage mich, ob sie mich anschauen könnte. Sie hatte uns gesehen begraben unter Rettungssanitätern auf ihrer Couch. Geschüttelt von Krampfanfällen, kotzend wegen Narkotika, die kaum halfen. Heulend im Wunsch nach Kontakt zu Menschen, die uns misshandelten. Da sind so viele Tiefen gewesen, die sie gesehen hat.
Und 7 Jahre später reicht es nicht einmal zu einem Anruf.

Blutblüten im Waschbecken. Tropfkunst mit Ende.

Wieder ins Bett. Ich nehme mir vor, die Matratze zu drehen. Ich fühle schon wieder den Lattenrost durch den Schaumstoff. Aber jetzt bleibe ich liegen.
Ich traue mir kein Feuermanagment zu. Weine ein bisschen, weil Chanukkah mein liebstes Fest ist. Weil ich an diesem Wochenende eigentlich meine Familie° besuchen wollte.

Nun liege ich im Bett und sehe mir beim Sterben zu, während ich mich über meinen Pathos auslache.
Morgen wirds vorbei sein. Das ist nur ein Virus. Nur ein Magen-Darm-irgendwas Virus und ich sollte nicht denken, nicht fühlen, das stört nur den Prozess.

Und ruckartig lösen sich meine Oberarme aus den Schultern. Es knirscht im oberen Rücken und jede weitere Bewegung wäre jetzt das Ende.
Ich denke nicht, ich fühle nicht. Das stört nur den Prozess, der mir gemacht wird.

Und als ich aufstehe, bin ich tot. Alles ist taub außer der Schmerz im Nacken- und im Lendenwirbelbereich. Kein Erbrechen, kein Fieber mehr.
Nur dumpf drückende Masse hinter dem Gesicht. Schwindelgefühle. Zittern, das nicht aufhört. Wimmern und ein Schrei im Kopf.

Da sind Muskeln, die sich gegen das Erinnern stemmen und glühend heiß gelaufen durch die Haut brennen. Alles nur ein Traum. Erinnern an Fieberhalluzinationen.

Ich sitze vor dem Bett und streichle über ihren verschwitzen Kopf.
Ziehe die Decke noch ein bisschen höher.
Lege Federn über sie.

Es ist Sonntag, der 21. Dezember 2014
die Rosenblätter kranken

Gut, dass ich keins von ihnen bin.

12 Monate

das Mädchen ohne Mund, das Mädchen ohne Hände, das Mädchen ohne Kopf, das Mädchen, das von der Decke baumelt, das Mädchen, dessen Unterschenkel an seidenen Muskelfasern im Nirgendwo herumflattert, das Mädchen mit dem Loch in der Mitte, das Mädchen mit der Schere im Ohr, das Mädchen mit den Haarbüscheln in den Händen, das Mädchen ohne Kleider, das Mädchen mit der Naht zwischen den Beinen, das Mädchen im Dunkeln, das Mädchen hinter Gittern, das Mädchen ohne Augen, das Mädchen mit dem Preisschild am Fuß, das Mädchen mit dem Aufziehschlüssel im Rücken, das Mädchen im eigenen Blut,
das Mädchen mit der blauen Schleife

das weiße Papier

und das Mädchen, das den Stift nicht aus der Hand legen kann.

 

Ich presse meine Kopfbilder wie einen Schwamm zusammen und quetsche einen Gedanken aus ihnen heraus. “Das Mädchen ohne Mund muss sicher nie zum Zahnarzt”.

Und am Ende brennen meine Gemälde und Zeichnungen der letzten 12 Monate.
Weil ich mich nicht übergeben kann. Weil ich nicht schreien kann. Weil ich mich anwidere. Weil mir nichts anderes einfällt, womit ich mich zum Weinen reizen kann.

Zeitzaubertricks oder: Re-Orientierung mit symbolischen Handlungen

BlattgerüstWir haben Plätzchen gebacken und die Küche dabei einmal auf links gedreht.
Ich sitze auf meiner Eckbank und meine Gedanken gleiten frei herum. Bald ist Chanukkah und ich freue mich auf die Besuche, die ich machen kann. Und aufs Essen. Am meisten aufs Essen.
Und die Kinder und ihre Eltern. Und dieses watteweiche Beieinander, dass sich durch die Vorbereitungen und das Leben schiebt.

Ich mache einen Restehaufen und erinnere mich an einen Moment, in dem ich vergessen hatte, den Müll wegzubringen. Die Erinnerung ist einfach da und hat keinen Bezug zu dem, was ich jetzt tue. Mir wird schwindelig und dieser säuerliche Geschmack, der aus geheimen Nischen neben dem hinteren Teil meiner Zunge kommt, fließt mir in den Mund.
Ich reiße das Fenster auf und lasse die kalte Luft von Draußen in mein Gesicht springen. Atmen, Erden. Frontallappen in Bewegung halten.
Was jetzt?

Ich bringe den Müll jetzt raus.
Hinter mir wabert das Innen, das sich damals noch im Flug durch die Luft wunderte, wie das Elter es überhaupt hatte so einfach hochheben können und mir bis heute sein Gefühl des “Whuaaahahahahahaaaas is denn daahahahahahahaaas?!” um die Ränder schwappen lässt. Es ist so ein ganz entrücktes Lachen, ohne Häme und Ziel.

Ich fragte es, ob es das Heute fühlen kann.
Lachen.
Ich merke es als Impuls mich zu übergeben und warte bis sich der Krampf um das Zwerchfell etwas lockert. Atme und denke kurz daran, gegen die Mülltonne zu treten.
“Kannst du mich fühlen?”
Lachen. Ein flattrig fliegendes Gefühl und Bilderfetzen.
”Du hast vergessen den Müll wegzubringen. Wäre gut, wenn du’s dann jetzt mal machen würdest… Bitte.”.

Es ist still und neblig im Innen. Außen hoppelt NakNak* im Garten herum.
Ich fühle das Innen und ein Innen, das neben ihm klebt. Denke daran, dass ich vielleicht nie ganz erfahren werde, was damals passiert ist. Aber ich fühle auch ganz deutlich, dass ich diesen Müll genau jetzt in den Müll, der hätte würde wäre wenn, damals irgendwann vielleicht 1996? oder 1997? oder noch später?, in den großen Tonnen vor dem Plattenbauring seinen Platz gefunden haben sollte, verwandeln kann.
Ich kann das, gerade, weil ich keine Ahnung habe, was genau damals war und für das Innen genau die Blase aus “es ist genau jetzt nicht, wie es für dich war” bilde, die es braucht, um in meine Hand zu gleiten und das Plastik der Tüten unter den Fingerspitzen zu fühlen.
Endlich etwas anderes zu fühlen als die Absurdität des Fliegens auf eine Wand zu.

“Ist okay. Eine Tüte ist ein gelber Sack und einer ist voll mit Buntmüll.”.
Stille.
Mir ist schlecht, aber ich fühle mich stark. Solche symbolischen Zeitzauberkunststücke habe ich schon öfter probiert und selbst wenn es jetzt kippt, ist NakNak* noch da. Sie sitzt neben mir auf dem Asphalt und schaut uns zu.
Es wuchtet den Buntmüll hoch und automatisch greift meine zweite Hand zum Knoten und versucht ihn zu lösen.

“Das brauchst du nicht. Ist genug da.”.
Zaudern drückt sich durch meinen Ekel, aber die Tüte bleibt geschlossen.

Und landet in der Mülltonne. Es patscht mit der Hand oben auf den Deckel, wie auf den Rücken eines Pferdes.
Fängt an zu zittern.
Es ist ein Zaubertrick und ich weiß das. Ich weiß nicht warum, aber manchmal legt sich solche Symbolik im Heute, auf den Fakt des Gestern und bringt ihn irgendwie in eine Form und eine Struktur. Und dann wird es von einem DAS DA ohne Ende, ohne oben und unten, zu einem “Moment, der war mit Eigenschaften“, der besser neben anderen Momenten stehen kann.

“Ist das mein Hund?”, fragt es und flirrt wie Bildrauschen.
”Jupp. Das ist NakNak*. Guck mal, was sie kann…. “

ein weiterer Faden

Ich habe heute morgen gemerkt, dass ich gerade das 16-17-fast 18 jährige in mir betrauere und bemitleide. Nicht, weil es so lange in einer Klinik sein musste, sondern weshalb es dort sein musste.

Als ich meinen Artikel über die Wahl zum Suizid geschrieben habe, gab es einen Kommentar,  den ich nicht freischaltete, weil er mich angebrüllt hatte. Da ging es darum, was man denn meiner Ansicht nach machen sollte, wenn sich jemand suizidieren will und man damit konfrontiert ist (die von mir aufgeführten Vorschläge zählten offenbar nicht als Idee)
Heute würde ich antworten, dass man Menschen auch Gründe und Perspektiven für ein Leben geben
und dafür sorgen muss, dass sie diese Perspektiven auch verfolgen können, wenn man von ihnen zu leben verlangt. Ansonsten ist der Anspruch an suizidale Menschen, gefälligst am Leben zu bleiben, nichts weiter als ein reaktionärer, egoistischer Kackscheißanspruchhaufen, der nichts mit dem suizidalen Menschen zu tun hat.

Als ich Ende 2002 in diese Kinder- und Jugendpsychiatrie kam, hatte ich keinen Sinn frei für solche Dinge und auch das hatte Gründe, die ich bis heute gut nachvollziehen kann. Selbst heute habe ich in ähnlichgleichen Lagen noch immer eher Suizidgedanken, -pläne, -ideen , als die Selbst-Sicherheit und die Möglichkeit mich allein zum Weiterleben zu befähigen.
Dass Leben so wahnsinnig viel mit Befähigungen zu tun hat, die weit mehr als kognitive oder körperliche oder auch soziale Fähigkeiten, die man auf irgendeine Weise erlernen kann, meint, habe ich durch diese Reise und die Gespräche mit der Kliniktherapeutin und auch der Klinikschulenlehrerin aus der Zeit, einmal mehr verstanden.

Zu der Zeit _konnte_ ich nur noch nicht leben wollen.
Mir sind einige Situationen gefallen, in denen ich mich heute “reaktives Hörnchen” nenne. Oder “flattrig zittriges Espenblatt”.
Ich hatte ja keine Ahnung von Traumafolgen, von Stressphysiologie und der Mechanik des Grauens.
Wenn man 16 ist, dann ist man genau in dem Stück Entwicklung, in dem Geister als Unfug markiert sind – der Lauf der Dinge aber, vor allem an sich selbst, so voller Zauber, Magie, ungreifbarer Wunder ist, dass das eigene Wachsen und Erkennen nicht nur auf der sozialen Ebene absorbierend sein kann.

Ich hatte keine Worte dafür, weil ich dissoziierte, was da in mir waltet. Damals habe ich von einem Tag vielleicht 5 bis 10 % bewusst aufgenommen und vielleicht 1% als Idee von dem Hauch einer Ahnung der Essenz des Lebens als Lauf der Dinge, aktiv in mir gehalten. Ich war von Angst absorbiert und bin es bis heute in gewissem Maß.
Heute kenne ich die Graustufen meiner Angst – ich habe eine Skala von Panik & Knock out bis Unruhe & Anpfiff zum Vermeidungstanz.
Die Skala damals war von […Wortlos…] bis Tavor/Fixierung/Paniksymptome.

Sogar die Medikamente kann ich jetzt mehr als Hilfe stehen lassen.
Nach dem, was ich von den jugendlich kindlichen Innens hinter mir aus dem Gestern ins Heute schwingen fühlte, müssen sie sich oft als eine Insel dargestellt haben, was mir wiederum die Benzodiazepinabhängigkeit als junge Erwachsene noch besser erklärt.
Wenn es nichts und niemanden auf der Welt gibt, außer eine chemische Reaktion, die zum Atmen und Wahrnehmen befähigt, wie es “alle” verlangen – tja, dann eben chemische Reaktion und das Gefühl “alle” zu belügen in Sachen “sich keinen Schaden zufügen”.

“Die Umstände, in denen ich leben musste, waren oft lebensfeindlich.”
Das ist mir als Gedanke auch gekommen und erklärt mir die Selbst-Bilder einer Assel, einer Kakerlake, eines grüngesichtigen Mutanten unter einzelnen jugendlichen Innens. Auch da wieder: eigentlich wussten und wissen sie: “Ich bin ein Mensch” –  sie wussten und wissen aber auch: “Was ich damals zu leben – zu überleben gezwungen wurde, hatte nichts menschenwürdiges, nichts menschliches – erfordert aber bis heute zum Teil noch Fähigkeiten, die nicht mit Menschlichkeit benannt werden”.
Es bestärkt mich noch einmal mehr darin meine Armut auch Armut zu nennen. Diese Lebensumstände, in denen es eben doch noch existenzielle Angst und globales Ausgeliefertsein ganz real greifbar immer wieder gibt, nicht zu relativieren, weil irgendjemand anderes eine andere Sicht darauf hat. Es bestärkt mich in meiner eigenen Einschätzung über mein Leiden und auch Leben. Wenn ich es als furchtbar wahrnehme, dann ist es furchtbar. Wenn ich das Gefühl habe, es ist unaushaltbar, dann halte ich es nicht aus.

Ich erinnerte mich daran, wie es nach der Entlassung aus der Klinik dort war und ich umgeben von Menschen, die Forderungen an mich stellten, denen ich nicht gerecht werden _konnte_. Wie das war, als es plötzlich hieß, ich würde hysterische Rollenspiele abziehen, um betüddelt zu werden. Als “alle Welt” (und ja, so eine Welt kann auch nur eine kleine Kreisklapsenstation umfassen, wenn sich sonst niemand mehr nach einem erkundigt und die Welt hinter dem Klinikzaun endet) dachte, ich würde es nie raus schaffen. Als “alle” davon ausgingen, ich würde nie 19 Jahre alt werden.
Ich hatte mich in zurück in das reaktive Hörnchen verwandelt, das die Zeit vor dem langen Klinikaufenthalt so gut überstanden hatte.

Klar, brauchte es Jahre zu glauben, dass ich mich auch als Mensch wahrnehmen darf. Klar, habe ich mich an Menschen gehängt, die mir ihre Selbstzerstörung als selbstverständlich heldinnenhaft vorlebten und bis heute anderen hilflosen, verzweifelten Menschen vorleben. Klar, habe ich jahrelang versucht in Arbeit, Leben und Leben lassen zu kommen, wie es die Gesellschaft ™ verlangt.
Obwohl diese mein Fehlen nicht merken würde, wie sie das Fehlen aller, die ohne Stimme sind, nicht bemerkt.
Selbstverständlich verzweifle ich regelmäßig daran, dass Forderungen an mich gestellt werden, die eine Veränderung an oder in mir meinen und negieren, dass ich auch in Reaktion auf Dinge, die um mich herum verändert werden müssten, lebe.
War doch die Erkenntnis auf etwas zu reagieren so ein wichtiger Schritt zu verstehen, was mit mir passiert.

Das ist die Wahl, die die Menschen treffen, die mit mir zu tun haben.
Entweder erkennen sie die Mechanik des Grauens in mir an und sehen meine Reaktionen [das Symptomcluster das letztlich dann DIS heißt] oder bleiben bei einer Sicht auf mich, die einzig das Außen umfasst und implizieren einen Plan, einen Willen, eine Absicht.
Manche Menschen sind vielleicht auch mutig und trauen mir je nach Situation beides zu. Lassen beides in meinem Leben und meiner Er-Lebensrealität einen Platz haben und erkennen an, dass uns nicht sehr viel unterscheidet.

Ich bin traurig darüber, dass ich, die heute jungen Innens, damals so wahnsinnig viel Angst hatten und haben mussten, obwohl wir uns in relativer Sicherheit befunden haben.
Ich bin traurig darüber, dass ich eine Bewertungsdynamik von außen erst jetzt in mir merke. Nämlich, dass ich selbst so oft zwischen HelferInnen*seite und Seite derer, die Hilfe brauchen oder erbitten, trenne und auch werte.

So drücke ich auch deshalb den Wert meiner Arbeiten und verlange weder aktiv Honorare noch bestehe ich auf angemessene Beiträge zur Unterstützung, weil ich ja nur veröffentliche, was in meinem stinkenden Höllenloch des “Inmitten von mir” gereift ist und raus muss. Ich habe ja nichts gelernt, bin ja nur aus Versehen überhaupt noch da.

Zum ersten Mal bin ich auch traurig darüber, dass ich mich selbst noch immer so sehr hasse, widerlich finde und bis heute über Platz im Herzen anderer Menschen wundere, weil ich etwas anderes noch immer nicht _kann_ – obwohl ich inzwischen auch keine Gesten, die etwas mit Wertschätzung meiner Arbeit oder auch meiner Person zu tun haben, ablehne, weil ich sie zu (er)tragen gelernt habe.

Ich bin traurig, dass ich erst jetzt auch merke: mein Selbsthass war nie die Entscheidung, die mir unterstellt wurde mit jedem: “Du musst dich einfach mal toll finden- geh doch mal raus- der erste Freund macht das alles gut- du musst dich mal zurecht machen, dann siehst du wie schön du bist – du musst nur mal glauben, was andere Positives über dich sagen”.
Mein Selbsthass ist genauso sehr auch Reaktion auf den Hass, der in mich eingebracht wurde, wie eingeschliffenes Muster der Selbstbetrachtung.

Es ist traurig und bitter, Hass als Motiv neben Erklärungen wie “hat eben auf etwas Falsches von mir reagiert” , “ich bin eben…”, “ich hätte halt…”, “er/sie/* ist ein kranker Mensch, deshalb….”, “er/sie/* wusste es nicht besser…”, “er/sie/* hatte ja auch keine andere Wahl…”, “er/sie/* ist SadistIn* und deshalb…” und so viele mehr, die wie ein Karussell in mir herumkreiseln, zu stellen.

„Es ist okay zu trauern“, denke ich.
Und starre mich gleichzeitig fassungslos an.

„… dass ich sowas _kann_ …“

was “Objektivität” mit Opferfeindlichkeit zu tun hat oder: Wovon die “false memory syndrome foundation” lebt

“Auch Jennifer Freyd hat ein wichtiges Buch zu diesem Thema geschrieben. Sie ist die Tochter der Eltern, welche die False Memory Syndrome Foundation gegründet haben, eine international sehr mächtige pressure group von angeblich zu Unrecht des Missbrauchs bezichtigten Eltern. Jennifer Freyd hat ihre Eltern nie öffentlich angeklagt. Die Eltern sind in die Offensive gegangen und haben eine Stiftung ins Leben gerufen, die ausschließlich mutmaßliche Täter verteidigt und mit sehr viel Geld eine pseudo-objektive, tatsächlich aber opfer-diffamierende Öffentlichkeitskampange finanziert.”
[aus “Wege der Traumabehandlung” v. Michaela Huber]

Im Blog von Paula und Co gibts heute einen Artikel zur FMSF, den ich wichtig finde, weil er sich an HelferInnen* und UnterstützerInnen* richtet, die sich mit der Frage befassen, ob denn wahr sein kann, was sie von Menschen erfahren, die von Gewalt berichten.

Es gibt wenig klar umrissene Punkte über die sich so offen (salonfähig, gesellschaftlich (heimlich) akzeptiert) opferfeindlich geäußert werden kann, wie mit der Frage nach der Wahrheit der Ereignisse, die jemanden offiziell zum Opfer erklären, denn Wahrheit, ist etwas, das zu definieren sehr schwer ist. Vor allem, weil sie etwas anderes als Fakten ist.

Die meisten Menschen, mit denen ich mich über rituelle und sexualisierte Gewalt unterhalten habe und, die selbst nicht diese Erfahrungen machen mussten, dachten, sie fragten sich: “Ist das denn wahr?”.
Sie würden diese Ereignisgewalten als wahrhaft anerkennen, wenn sie sie selbst (mit)erfahren hätten, oder wenn diese Ereignisse reproduzierbar wie Umstände wäre, die Fakten hervorbringen. Es sich also um etwas wie das Phänomen handelte, das Wasser zu Eis verwandelt, wenn man es in den Froster stellt.
Letzteres ist noch eine sehr junge Art Wahrheit zu betrachten und findet ihre Ursprünge darin, dass Wissenschaftler(Innen* –  es waren erst einmal nur Männer, was mit dem Patriarchat  in dem wir Menschen im Westen leben (bis heute!) zu tun hat ) als Personen gelten, die Wahrheiten erforschen und Glauben(sinhalte) widerlegen bzw. berichtigen. Darauf könne man sich verlassen, denn Wissenschaft sei objektiv.

Nun ist es aber so, das nichts objektiv ist. Objektiviert, ja. Objektifiziert, ja. Aber so etwas wie “die Objektivität” gibt es nicht. Kann es gar nicht geben, weil jeder Mensch auch Subjekt seiner eigenen Wahrheit, Ergebnis seiner eigenen Sozialisierung und gesellschaftlicher, wie auch kultureller Konvention ist.
RichterInnen* sprechen kein Recht, weil sie die Wahrheit objektiv erfasst haben, sondern weil es Gesetze gibt, für das, was die unparteilich richtende Person aus dem, was ihm die klagenden Parteien schildern, gemäß der eigenen Lebensrealität und daraus folgend: seiner eigenen Wahrheit, zu rezeptionieren fähig ist. Gleiches gilt für AnwältInnen* und nicht juristische FürsprecherInnen*.

Wenn ich mit Menschen über die Schilderung von Gewalt anderer Menschen spreche, dann sage ich, dass es sich immer und in jedem Fall um die Wahrheit der Menschen handelt und frage nach, ob sich die Frage nach der Wahrheit bzw. der Wahrhaftigkeit auf Fakten bezieht, oder darauf, vor etwas zu stehen, das nicht mit der eigenen Wahrheit (die sich aus einer bestimmten Lebensrealität speist) in Verbindung zu bringen ist.
Meistens sagen die Menschen dann, dass es tatsächlich mehr darum geht, dass für so furchtbare Ereignisse absolut kein Anknüpfungspunkt in der eigenen Lebensrealität gesehen wird und es deshalb schwierig ist, die Wahrheit anderer Menschen anzuerkennen.
Ich habe aber auch schon mit Menschen gesprochen, die nichts von eigenen Wahrheiten halten. Was für diese Menschen zählt ist “Objektivität”, was in aller Regel Fakten in Form von Studien- und Untersuchungsergebnissen meint und ganz eigentlich sogar nur eine Sicht meint: die es gut situierten, weißen, heterosexuellen Cis-Mannes (mittleren Alters), auf dessen Blick auf die Welt, sämtliche westliche Forschung aufbaut und aus dessen Wahrheit heraus sich die Mähr der Objektivität überhaupt erst hat entwickeln können.
Irgendwann ist es einfach passiert: aus der weißen männlichen Subjektivität, die mittels Wissenschaft hinterfragt und/oder bewertet werden sollte, wurde urmännliche Objektivität, die fortan zur Wahrheit im Gewand des Faktes auftreten sollte.

Es gibt diesen einen global blinden (obwohl heute oftmals schon einmal angeleuchteten) Fleck in der Wissenschaft und zwar Gewalt bzw. Diskriminierungen
Je kleiner und unfähiger zur Bildung einer allgemein wahrnehmbaren Masse, die zu untersuchende Gruppe ist, desto wahrscheinlicher wird diese nicht in den Genuss kommen, ihre Lebensrealität und die daraus entstehenden eigenen Wahrheiten in Form von Fakten abgebildet zu sehen.
So entstehen zum Beispiel gerade im Bereich der rituellen Gewalt, die mit explizit antichristlicher Ideologie durchzogen ist, einerseits Anerkennungsdynamiken in unserem christlich kultivierten Land, gleichzeitig aber genau auch nur daraus resultierende Blindheit für zum Beispiel christlich fundamentalistisch motivierte rituelle Gewalt, oder die Rezeption dieser Art Gewalt, als ein Angriff auf “die Grundwerte” Deutschlands. Da geht es in der Argumentation dann sehr schnell darum zum Beispiel satanistischen Kulten eine antidemokratische Haltung zuzusprechen, auch wenn solche Kulte sich selbst vorgeblich als lediglich antichristlich wahrnehmen und (zu recht) aufgrund der “Trennung” von Kirche und Staat in unserer Demokratie™ als nicht an staatliche (demokratische) Werte gebunden.

Das gleiche Muster ist in Bezug auf sexualisierte Gewalt (an Frauen und Kindern) zu finden.
Einerseits wird anerkannt, dass es Vergewaltigungen und Verletzungen von Personen aufgrund ihres Genitals und das daran geknüpfte soziale Geschlecht gibt- andererseits gebietet es die Abwertung dieses sozialen Geschlechtes “Frau” und der Adultismus, der sich auf Personen unter 14 ergießt, diese Verletzungen nicht selbst beurteilen zu können.
Die Definitionsmacht liegt in Bezug auf Personen, die als Frauen angesprochen werden darauf, das eine der Objektivität (und eben nicht dieser hysterischen Subjektivität) verpflichteten Person (am besten (cis-)männlich, mit Macht und Würde) diese physischen (genitalen) Verletzungen (etwas anderes zählt nicht, weil Psyche individuell und ergo nie mit 100%iger Sicherheit in objektive (wahrhaftige) Kategorien pressbar ist) als existent und ergo geschehen und ergo wahr markiert.
Bei Kindern ist es tendenziell jede Person, die erwachsen ist oder als erwachsen gelesen wird.

Gruppierungen wie die false memory syndrome foundation machen sich genau diese Diskriminierungsdynamiken zu eigen. Und zwar zum Einen, weil sie es (aus Gründen) wollen und zum Anderen, weil sie es können und zwar mit wenig Aufwand und unter Einbeziehung der gesamten westlichen Kultur, die die Wissenschaft als (einzigen) Wahrheitsträger, Wahrheitsfinder und Wahrheitsdefinierer anerkannt hat.
Interessenvertretungen wie die FMSF bilden keine pressure groups, weil sie basierend auf Fakten eine große Gruppe von Personen, die zu Unrecht angeklagt/ angezeigt werden darstellen [vgl. hierzu die polizeiliche Untersuchungskommission von New York, 1974 und die Untersuchungen zu Falschanzeigen von Vergewaltigungen in Deutschland von Volk, Hilgarth und Kolter 1979, die zu dem Schluss kommen, dass nur 2% falsche Anzeigen waren – ergo 98% aller Meldungen Anzeigen sexualisierter Gewalt tatsächlicher Taten sind], sondern, weil sie es schaffen die anzeigende Person nicht offen eine/n/* LügnerIn* zu nennen.

Das false memory syndrome wurde genau dazu erfunden, die Glaubwürdigkeit von Personen, die durch ihr soziales Geschlecht und/ oder ihre gesellschaftliche Position in ebendieser bereits als abhängig von der Definitionsmacht überlegener Personen stehen, herabsetzend darzustellen und zwar über das Mittel der Pathologisierung und/oder dem sehr wirksamen Mittel der Deutung und Bewertung der Kontexte, in denen sich diese abhängigen Personen befinden.
So wird vertreten, das Psychotherapie Misshandlungsideen kreiere und die PatientInnen zu krank/so kognitiv dissonant/ zu ungebildet/ zu verwirrt sind, diese vom eigenen Erleben (und ergo Erinnern) zu trennen oder zu (emotional) abhängig von ihren BehandlerInnen sind, um diese Ideen eben nicht offen von eigenem Erleben (und Erinnern) abzugrenzen.
Ich komme nicht umhin einen Puls durchs Dach und einmal um den Erdball kreisend zu haben, ob dieser Unverschämheit, sich über die Wahrnehmung (und das subjektive Selbst) von Personen zu stellen, die sich in psychotherapeutische Behandlung begeben, und dem Implizit, dass PsychotherapeutInnen sich gezielt, um anderen Menschen (die sie nicht einmal kennen oder von deren Leiden sie selbst in irgendeiner Form profitieren, außer in ihrer Fantasie- was aber auch ohne den Aufwand der PatientInnenmisshandlung funktionieren würde) zu schaden, die Mühe machen, ihren PatientInnen irgendwas einzureden.

Ich vertrete die steile These, dass Menschen, die tatsächlich zu krank/so kognitiv dissonant/zu verwirrt/zu ungebildet sind, um fremde Ideen nicht von sich selbst zu trennen sind, ebenfalls nicht in der Lage sind, das Unrecht an sich zu erkennen, eine juristische Vertretung für sich zu finden, Tathergänge zu schildern, Beweise zu liefern, Anzeigevernehmungen und Klageverfahren durchzustehen. Nicht alleine. Nicht ohne, dass noch eine unbeteiligte Person noch mal und noch mal auf die Beziehung in der Psychotherapie zu schauen wagt.
Vor allem an dieser Stelle zeigt sich die unterschiedliche Wahrnehmung von Vorgängen rund um Lebensrealitäten von diskriminierten Personen, die zu Opfern von Gewalt wurden.

Was für ein einfaches Leben muss jemand haben- wie viele Erfahrungen von “ich sage etwas- dann passiert auch etwas und in aller Regel genau das, was ich will”, eine Person gemacht haben muss, um zu dem Schluss zu kommen: “Es muss nur einziges Mal jemand sagen: “Ich wurde von XY misshandelt” und zack landet XY im Knast (und es hat genau die Auswirkungen, die dieses jemand wollte)” , kann ich mir nur aus der Ferne überlegen.

Einige Kritik an der FMSF wird meiner Ansicht nach auch fehladressiert.
Es ist natürlich zu kritisieren, dass diese Gruppe propagiert, Erinnerungen könnten produziert werden und es gäbe nicht so viele Fälle von sexualisierter Gewalt, wie immer und überall geschildert – andererseits gibt es auch für das öffentliche Bild keinerlei Entsprechung für das Gegenteil. Und es ist nun einmal das öffentliche Bild, welches die Subjekte produziert, die dann “objektiv” richten/werten sollen.

Natürlich taucht mit schöner Regelmäßigkeit eine Studie auf, die uns Alarme schlagen lässt. Selbstverständlich gibt es inzwischen neurophysiologische Belege für die Phänomene um Dissoziation, PTBS und komplexe wie chronische Traumatisierungen, aber welchen Effekt haben diese blitzblank objektivierten Ergebnisse auf die Lebensrealität der Menschen im Alltag?

Wenn ich mich als Opfer von Gewalt mit meiner Expertise als Opfer von Gewalt in Fachkreise einbringen will, gilt diese Expertise nicht. “Zu individuell” heißt es dann. “Wollen wir nicht, brauchen wir nicht. Nicht wissenschaftlich genug”.  Meine Gespräche mit HelferInnen*, JuristInnen*, RichterInnen*, BeraterInnen* und anderen Betroffenen gelten nicht etwa als fachliche Korrespondenz oder gar als Beratung.
Weil ich keine “objektive” Sicht habe, gilt sie nicht.
Sie gilt nur als Opferwahrheit und wird damit mehr oder weniger bewusst, abgewertet.

Als objektiv gilt, wer die Macht hat, seine subjektive Wahrnehmung um ein Objekt, als objektiv zu bezeichnen.

Deshalb ist auch der Anspruch an Menschen, die von anderen Menschen als FürsprecherInnen* oder BegleiterInnen* gewählt wurden, objektiv zu sein so falsch.
Dieser Anspruch zwingt MedizinerInnen*, JuristInnen*, (Psycho-) TherapeutInnen*, BeraterInnen*, Hebammen und überhaupt alle Menschen, die andere Menschen begleiten, in eine Position,in  der sie selbst unter Umständen, Menschen beistehen müssen, die sie aber selbst verachten, ablehnen, abwerten und von ihren zu Begleitenden nicht als verachtend, ablehnend, abwertend handelnd markieren können.

Objektivität ist also auch ein Wegbereiter in das silencing – ins Wort- und Stimmlos machen von Personen, die sich an Personen wenden, um durch ihre Stimme gehört zu werden, weil es die Abhängigkeit der Personen voneinander zementiert und immer wieder zu einem Schauspiel um (Definitions)Macht führt.

Personen, die Gruppen wie die FMSF unterstützen, begründen ihr Engagement damit, dass sie wollen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Dass niemand zu Unrecht einer Strafe zu geführt wird.
Das ist toll und etwas, was unser Rechtssystem und auch unsere Gesellschaft wünscht und ergo unterstützt. Zum Beispiel in dem man “False Memory Deutschland” eine Gemeinnützigkeit anerkennt, weil diese keine StraftäterInnen* unterstützt und/oder schützt.

Dass sie dieses aber auf dem Rücken von tausenden Personen, die es aufgrund der von dieser Gruppe verbreiteten Falschinformationen und Ausnutzung bestehender Diskriminierungsstrukturen, nie und nimmer nicht überhaupt jemals auch nur in die Nähe von Sichtbarkeit und Anerkennung ihrer Lebensrealität als zu Opfer von Gewalt gewordenen Menschen schaffen, ist verabscheuungswürdig und ein Skandal, wie er nur in Kulturen passieren kann, denen eben jene Lebensrealitäten mitsamt der damit einhergehenden Subjektivität wertlos sind.

Perspektive 5

SadistInnen* arbeiten mit Sichtbarkeit. Sie sind sehr gute BeobachterInnen* und haben ein Gespür für die Art, wie Menschen funktionieren. Wie ihre Opfer funktionieren. Wie, was und wann ihre Opfer fühlen, sehen, hören, bewusst und sicher wahrnehmen.
Man kann vor ihnen keine Geheimnisse, keine Privatheit, keinen Alleinbesitz haben. Kein Alleinbesitz sein. Manche machen einen zu ihrem Besitz und manche zu sich selbst.
In jedem Fall ist die Person nicht sie selbst. Sie kann gar nicht sie selbst sein, denn die sadistische Person bestimmt und reguliert alles Fühlen, Denken, Werten, Sein. Wie man es mit Puppen tut.

Der sadistische Mensch spielt mit den Reizen, die unwillkürlich sind, um (Lust)Befriedigung zu empfinden und im Kern seines Opfers sitzt etwas und spielt das “Kuckuck- Spiel”.
Eine Demütigung für SadistInnen* muss es sein, wenn ihre Opfer bewusst klar bekommen, dass sie für diese Menschen mehr Symbol als irgendetwas anderes sind. Wenn ihnen die Differenz zwischen dem, was die SadistInnen* sehen (wollen/müssen) und dem, was für sie aber eigentlich nur sichtbar sein kann, bewusst wird.

Wenn man Hunger hat, findet man Dinge, die man sich in den Mund stecken kann.
Irgendwann.
Aber egal, wie man sich bemüht, das zu verstecken, zu verschleiern…
“Es wird gesehen, wenn man keinen Hunger mehr hat.”,
sie macht sich hart, ohne Bedürfnis, ohne Sprache und hält die Hände vor das zugeschwollene Gesicht.

Kuckuck – Wo ist der Kern, der zu zerstören versucht wird?

Daaaaa ist er!
Weit hinter dem, was überhaupt versichtbart werden kann. Egal, wie weit gespreizt, gebohrt, gerissen, gefetzt, zur Anpassung gezwungen wird. Egal, wie sehr der Linsenfokus brennt. Egal, wie vernichtend Wertung, Demütigung und Sinngebung wirkt.
Dieser klitzekleine Kern spielt nicht für die sadistische Person das “Kuckuck-Spiel”, sondern allein für und vor sich selbst. Um sich zu schützen, sich zu bewahren, ohne es bewusst zu spüren oder zu wissen.

Ich glaube, ich verstehe, warum wir vorsichtshalber lieber kaum etwas sehen [die dissoziative Blindheit], unbeeinflusst hören [der Tinnitus] oder sicher wahrnehmen und bewegen [die Schwindelattacken], noch unkommentiert bewerten [das Rauschen der BÄMs].

Könnte ja sein, jemand sieht das.

Ende