Vom Fühlen ins Handeln kommen

Diese Woche wurden Ergebnisse einer sozialwissenschaftlichen Studie der Uni Bielefeld bekannt gegeben. Sie zeigte, dass fast ein Viertel (22,3 Prozent) von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen (28 Prozent davon sind Kinder ab sechs Jahren, etwa 17 Prozent Jugendliche) werden.
Die „
Bild“ hat daraus gleich mal einen Schlachtruf: „Rettet die Kinder“ gemacht und die „Taz“ stürzte sich auf die sozialen Umfelder der Kinder.

Ich saß hier und fragte mich, wieso ausgerechnet der Pharmariese Bayer diese Studie in Auftrag gegeben hat und nicht der Staat selbst. Dieser steht nämlich in der Pflicht die Menschen in diesem Land vor Gewalt zu schützen und sollte, meiner Meinung nach, folgerichtig auch dafür sorgen, dass erlassene Gesetze eingehalten werden. Indem er zum Beispiel eine Umgebung schafft, in dem Kinder zu ihrem Recht auf gewaltfreie Erziehung kommen und dies mittels Studien/ Bevölkerungsumfragen überprüft.

Mehr gibt es nämlich nicht. Nur dieses Recht auf Gewaltfreiheit. Nicht etwa: ein Verbot von Gewalt (an Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und erwachsenen Menschen).

In den letzten Jahren wird immer öfter über Kinder berichtet, die von ihren Eltern getötet, schwer misshandelt und auf verschiedene Arten gequält wurden. Es folgt eine Welle der Empörung, der „Kinderschänder an die Wand“- Rufe und Schimpftiraden auf das zuständige Jugendamt. Dann ist die Story abgenudelt und wir kommen zum Sport, zum Wetter und den Stars.

Immer wieder kommt im Empörungsrausch: „Ja wieso haben die das Kind da nicht rausgeholt?“, „Wieso wird so viel Gewalt gebilligt, bis da endlich mal was passiert?!“, Schlechte Eltern!“.

Ich persönlich, kenne keine schlechten Eltern. Aber viele Menschen, die Eltern wurden und schlecht mit ihren Kindern umgingen, weil sie es nicht „gut“ konnten oder auch nicht wollten.
Diejenigen die es nicht können, profitieren sehr von Hilfestellungen von außen und können die Gewaltspirale verlassen.
Die, die es nicht wollen, wissen entweder, wie sich sich aus dem Radar des Staates herausziehen können oder fallen durch die Raster der Möglichkeiten der Hilfen. Sie fallen erst auf (und werden zur Story), wenn ihre Kinder tot sind.

Ich habe ein gewisses Grundverständnis dafür in großer Emotion die Ratio, Ratio sein zu lassen und die Sache mit dem Weiterdenken auf später zu verschieben. In Bezug auf Gewalt an Kindern hingegen, so denke ich, sollten wir seit den Erfolgen der großen Aufklärungsphilosophie des 18. Jahrhunderts eigentlich langsam mal fertig sein mit dem Emotionswirken allein. Zu der Zeit begann man bereits sein Handeln und Denken zu hinterfragen und bildete die Grundlage für neue Ansätze und Umgänge, die sich bis heute immer wieder neu aufnehmen und mühelos anpassen lassen.

Wir sind soweit, dass wir Gewalt ablehnen.
Aber immer noch nicht soweit, zu gucken, wie man ohne zurecht kommt. Ob nun als Opfer oder als Täter.
Und wir denken immer noch, Heime seien besser für Kinder als ein Leben in einem Umfeld, das ihnen nicht gut tut- aber Chancen zur Veränderung hat!

Meiner Meinung nach, spielt hier mit rein, was ich im Artikel „Heim, Klapse, Knast“ schrieb: „Weggeben ist leichter als Annehmen.“. Doch wem hilft das?

Eine Familie die im Chaos lebt, dessen Spitzen sich an den Kindern entladen, hört nicht auf im Chaos zu leben und Gewaltpotenzial zu nähren, wenn die Kinder da raus sind. Die Eltern lernen keinen anderen Umgang mit ihren Kindern, wenn diese nicht bei ihnen wohnen. Sie können gebildet werden, können sich Wissen aneignen, wie ein gewaltloser und friedfertiger Umgang aussehen kann. Doch an dieser Stelle denke ich, haben wir es mit einem klassischen Fall von: „Bildung hilft- nutzt aber nix.“ zu tun.
Was nützt der beste Vorsatz und das festeste Wissen, wenn die Kinder dann wieder da sind und alle auf einmal Brechdurchfall haben, die Nachbarn auf jedes Mucken aus der Wohnung der „schlechten Eltern“ mit dem Jugendamt drohen (und damit eine Instanz, die Hilfen zu vermitteln verpflichtet ist, zur Waffe machen!) und niemand dann (und zwar genau DANN!) zur Seite steht?

Was geht in den Kindern vor, wenn sie auf einmal in ein Heim sollen?
Es hat sich viel getan in der (Heim- und auch Schul-) Pädagogik und doch ist es eine Massenverwahrungsstelle in der man die Aufmerksamkeit und Nähe zu Erwachsenen nicht nur durch die Anzahl der Geschwister, sondern die Anzahl der Mitbewohner, des Telefons, des Alltagsgetümmels teilen muss, noch während man seine Eltern vermisst, die Umgebung und Gegebenheiten verarbeiten und in sich integrieren muss, was man nach Jahren von Gewalt- und unsicheren/ chaotischen Bindungserfahrungen nur schwer bis gar nicht kann.

Ein Heimkind ist in der Regel einsam.
Alles was mit ihm zu tun hat, ist diffundiert in Behörden, Gesetze, Richtlinien und Konzepte. Für ein Kind ist das eine graue Eminenz, die alles bestimmt, doch nie mit ihm spricht.
Das Umfeld verdient an der Obhut Geld. Zeit und Raum werden zum heiligen Gral der Privilegien.

Wir wissen heute so so so viel mehr darüber was Gewalt für Folgen hat und doch nutzt uns all diese Bildung nichts, wenn wir wieder von solchen Studienergebnissen, der schrecklichen Lebensrealität von Kindern oder Gewaltopfern allgemein stehen.

Mich hat diese Studie nicht überrascht. Sie gleicht unzähligen Studien aus anderen wissenschaftlichen Bereichen und hat für mich lediglich Aktualitätswert. Außerdem halte ich es für eine Frechheit, dass sich Pharmakonzerne auf Kosten der Opfer mit einem „Wir sind sowas von sozial engagiert und nah am Menschen“- Aufkleber bedeckt, gleichzeitig aber an ihrem Leiden verdient, in dem es Psychopharmaka und andere medizinisch relevante Mittel herstellt.

Ich warte auf Lösungen und Handlungen, die solchen Zahlen entgegen wirken.
Ein Zweig davon ist bereits installiert, doch mangelhaft. Das Jugendamt und all seine Möglichkeiten zum Beispiel, Familienberatungsstellen, die dünn gesät und überlaufen sind, sowie das Modell der „
Elternschulen„.

Das Stigma der „schlechten Eltern“, ist durchschlagend und hinderlich.
„Wer ein schlechtes Elter ist, kann ja gar nichts richtig machen. Ist minderwertig/ böse/ schlecht durch und durch, vielleicht nicht ganz dicht und gehört selber auch weggesperrt.“
Wer hört, er sei ein schlechtes Elter, kommt in Anpassungsstress und den Druck es Außenstehenden recht zu machen (nicht es sich und seinen Kindern recht zu machen!). Dabei ist Druck und Stress das Letzte was jemand, der sich in Gewaltorgien Luft macht, noch braucht.
Und welches „schlechte Elter“ geht irgendwo hin und sagt: „Ich brauche Hilfe.“?

Aber welches auch „schlechte Elter“ würde es ablehnen, wenn jemand käme und sowas sagt wie: „Boa, du siehst aber schlecht aus- soll ich mal ein paar Stunden auf die Kinder aufpassen, damit du deine Sachen in Ordnung bringen und dich mal ausschlafen kannst?“- es ist eher das Elter, dass das Leid seiner Kinder wirklich will (und braucht), als das, das echt unterm Zahnfleisch läuft.

Die Annahme, dass jedes Elter das Beste tut, was es eben gerade kann, brauchen wir. Wir alle. Auch wenn wir andere Maßstäbe und Anforderungen an uns selbst haben.
Für die einen Eltern ist der Anspruch seine Kinder von 8 bis 18 Uhr  in Sprache, Sport oder was weiß ich auszubilden- für die Anderen die Kinder grundversorgt zu bekommen, ohne zum Täter an ihnen zu werden.

Ich habe die Schnauze voll davon, dass sich sogar Eltern untereinander ihre Elternschaft zum Wettbewerb machen und das in die ganze Gesellschaft hinaus tragen. Dass so oft und immer wieder die Basis- nämlich das Leben der Kinder selbst- so massiv zur Seite geschoben wird und man sich in Kürschnörkeln rund um „gut“ und „schlecht“ verliert (und dabei dann eben auch abschiebt, statt anzunehmen), nur um seine Angst vor dem Versagen als Eltern zu beruhigen.

Man ist ein Elter sobald man ein Kind gezeugt oder geboren hat. Dann ist man Mensch mit Versorgungsauftrag und Verantwortung über ein Kind. Nicht mehr und nicht weniger. Der Begriff des Versagens über diesen Auftrag allein, reicht nicht um etwas zu verändern.
Zu versagen kann immer passieren- doch das heißt nicht, dass damit immer und in jedem Fall der Auftrag als solcher abzunehmen ist. Er hat erst einmal unterstützt zu werden, vielleicht umkonstruiert zu werden.

Gewalt an Kindern geht weder weg, noch wird sie ungeschehen dadurch, dass man sie in Heimen oder Pflegefamilien unterbringt.
Gewalttäter hören nicht auf Gewalt auszuüben oder zu leben, oder zu phantasieren, wenn sie keine Opfer mehr im Haushalt haben.

Was wir wissen müssen, um Gewalt zu verhindern und zu verwandeln, wissen wir längst.
Es wird Zeit dieses Wissen anzuwenden und zwar mit allen verfügbaren Hilfsstrukturen die wir haben. Und seien es unsere eigenen zwei Hände, die wir helfend hinhalten, wenn wir sie selbst gerade frei haben.

was meine Essstörung mit meiner Freiheit zu tun hat

Ich stand mit zwei Hosen übereinander und Steinen im BH auf einer Klinikwaage und wusste, sie würde eine Zahl anzeigen, die auf einem Aufnahmebogen vermerkt würde. Meine Ärztin würde eine Scheibe aus ihrem Schreibtisch nehmen, ein bisschen hin und her schieben und einen BMI von 18,5 in meine Akte schreiben.

Mindestanforderung an den BMI in der Klinik also erfüllt.
Man würde es im Blick behalten, doch von weitere Wiegeaktionen absehen. Hatte ich doch angegeben genügend zu essen, um das Gewicht mindestens zu halten.

In meinem Kämmerlein wusste ich, dass ich log und wusste auch, dass sie davon ausging, ich sei fixiert auf Zahlen, wie sie. Mein Aussehen und den Körper als manipulierbares Objekt sehen und hätte Kalorientabellen und Nährwerte in meinem Kopf, die ich mir vornähme, sobald es um meine Ernährung ginge.

Ph. Pustekuchen.
Nach damals 7 Jahren Gewichtsachterbahn rauf und runter, war ich von den Zahlen weg. „Anxiety“ und ich waren aufeinander eingespielt und lebten in einer Dynamik miteinander, die ausschließlich reaktiv war (und ist).
Ich wohne allein, esse, hungere, kotze allein.
Ich koche nur, wenn ich einen Job habe und mir frische Lebensmittel durchgängig leisten kann. Ich gebe kein Geld für Zeitschriften aus, auf deren Titel Diäten und neuste Kleiderkollektionen angepriesen werden. Ich suche keine Geschäfte auf, in denen riesige Plakate von normschönen Menschen über den Umkleidekabinen hängen. Nicht nur, weil ich mich dann schlecht fühle, sondern weil ich mir diese Sachen noch nie leisten konnte. Ich habe mit dem Sport im Verein aufgehört, doch nicht weil ich keinen ausufernden Ehrgeiz oder Auftrittskostüme in großen Größen mehr riskieren will, wie damals, als alles anfing, sondern weil es schlicht zu teuer ist.

Als ich damals in die Klinik ging, hatte ich die Möglichkeit zu sagen, dass ich hungrig bin, ohne die Reaktion „Ja, dann essen sie mal was…“ zu kassieren, wie ich es von anderen Außenstehenden erfuhr.
Was für eine Wohltat!
Wir wurden gefragt, was uns satt machen könnte.
Ich habe den Zettel immer noch auf den ein Innen schrieb: Freiheit

Wir sprachen also über Freiheit und Autonomie. Angstfreiheit als Privileg und unsere Möglichkeiten diese für uns zu erlangen.
„Anxiety“ ist Angst und Angst ist etwas, dass uns dazu verleitet, uns ein Gefängnis zu bauen und uns darin sicher zu fühlen. Darin geht es nicht um Normen und Werte, um Anpassung ans Außen oder dergleichen. Uns geht es darinnen einzig darum die Angst nicht zu spüren. Wer keine Angst hat, fühlt sich in der Regel, als hätte er Einfluss und Kontrolle über gewisse Dinge, dabei ist alles was beeinflussbar darin ist, der Grad der Wahrnehmung seiner Angst.
Ich esse und stoße damit an meine Gefängnistür- „Autsch- Waaaa!“
Ich esse nicht und schrumpfe immer weiter von den Stäben um mich herum weg- „Aaaaah- Frieden…“
Ich esse ganz viel und quelle an den Gitterstäben vorbei- „Arghgrmbl- ein stetiger Dauerschmerz, vielleicht wird er irgendwie wegdissoziiert…“

Wir waren damals noch massiv in Gewalt verwickelt und auf keiner Ebene autonom- obwohl wir allein lebten und allein alle unsere Kämpfe zu führen hatten. Behörden bestimmten über uns, die Täter bestimmten über uns. Unser Alltagsleben vermittelte uns durchgängig Abhängig- und Minderwertigkeit. Der freiste Akt war die Nahrungsaufnahme und ausgerechnet den haben wir uns verformt zu etwas, dass uns unter Umständen töten kann.

Wir hatten kein Sozialleben, dass uns mehr als ein „Ich HelferIn hier- Du die Durchgeknallte/ Abhängige/ Bedürftige/ Benutzbare da.“ zeigte.
Während der Therapie in der Klinik kam in einer Sitzung der Satz, Freiheit sei auch, die Freiheit sich mit Menschen zu umgeben, die nicht so mit uns in Kontakt gingen. Zum Beispiel eben die Freiheit in die Klinik zu gehen und zu erfahren, dass man trotz einer Schräglage der Macht auf Augenhöhe angesprochen wird. Als jemand der frei entscheiden kann und darf.

Über diese Erfahrung wurde es uns möglich unsere erste Gemögte kennenzulernen und einen Kontakt zu gestalten in dem eine Schräglage nur im Inneren existiert und nur dort wirkt.
Wir haben unser erstes Picknick mit dieser Gemögten gemacht. Gelernt, dass man auch frei auf einer Wiese sitzen und Camembert auf eine dicke Schicht Butter legen kann. Seine Bissabdrücke im Brot vergleichen und darüber lachen kann- obwohl „Anxiety“ im Innen tobt.
Wir kamen nach einigen Jahren an den Punkt, an dem wir erfahren konnten, dass diese Angst uns nicht tötet, wenn wir sie toben lassen. Wir spürten deutlich, wann sie anfing und endlich auch, dass sie auch wieder aufhört.

Es änderte sich nichts an dem Gefühl minderwertig und zu viel zu sein, die Angst ging nicht weg. Aber der bohrende Hunger, der da war, egal was wann wie und wie viel Nahrung dem Körper zu geführt wurde, wurde gestillt.

Wir nennen es „Leben essen“ und meinen damit „Freiheit konsumieren“.
Es ist eine freie Entscheidung und eigene Wertung innerhalb unseres Rahmens. Selbst wenn wir mehr Geld hätten als jetzt, würden wir uns zwei Mal überlegen, ob ein Besuch im Espritstore und das Gefühl von Hässlichkeit im Vergleich zu Modelplakaten den Wert der Kleidung, die wir dort erwerben können, unterliegt. Wir würden nachwievor keine „Frauen“zeitschriften kaufen, weil wir den sonstigen Informationsgehalt in anderen Zeitschriften höher bewerten. Und wir würden uns auch trotzdem nicht die Biogemüsekiste nach Hause liefern lassen, weil wir das Gefühl von freier Wahl im Super- oder auch Wochenmarkt einfach höher bewerten.

Dieses Gefühl von Freiheitspraxis ist mit großen Ängsten besetzt, doch sie hat mehr Nährwert als Zahlen und Regulierung der Essstörung selbst. Sie lässt uns leben, im Leben wirken, wachsen und das Privileg des Frei-seins von Machtstrukturen in denen wir von außen behandelt werden, als wären unsere inneren, uns zerstörenden, Wahrheiten auch außen wahr, untermauern und ausbauen.

Den Faktor den Nahrung in unserer Geschichte von je her einnahm, habe ich hier bewusst ausgeklammert. Wer Hunger kennt fürchtet ihn, lernt ihn aber auch anders einzuschätzen und mit ihm umzugehen, als jemand der ihn nicht so erfuhr. Unsere Omama hat uns Kinder nicht aus Liebe mit literweise Kakao abgefüllt, genauso wenig wie Täter uns aus Hass haben hungern lassen. Sie haben an uns etwas kompensiert bzw. befriedigt und benutzt. Sie trugen dazu bei, dass sich Ängste entwickelten, doch lösten nicht die Essstörung als solche aus.

„Anxiety“ war und ist also auch, neben allem anderen, was sie ist, ein Teil unserer Autonomie, die wir früher wie heute haben.
Selbst wenn wir real unfrei sind, können wir uns in ihrem Gefängnis frei fühlen.

die Katze, die an der Straße lag

Sonne, Wind, ein Schritt nach dem Anderen. Den Berg runter. „Geld kaufen“ am Bankschalter. TippTippTipp. Ratter Schnarr. Hundekeks. Waldstück, Vogelzwitschern,  Hundekeks. Ein Schritt nach dem Anderen.

In die Wortfetzen einer Gruppe älterer Menschen, die um ein Fellbündel am Boden stehen und einander hilflos zu geworfen werden.
„Wissen Sie, wem die Katze gehört?“.
Kopfschütteln, schauen.

Krack. Das Sprachzentrum ist ein gerastet.
Wie auf einer Murmelbahn klicken die Impulse aneinander, landen da, wo sie gebraucht werden und lösen das Katapult für das richtige Innen aus.

Reflexe?- Reaktionen abgeflacht.
Atemwege frei?- Ja.
Puls?- Flach, aber tastbar.
Geruch?- Neutral.
Dehydration?- Nein.
Augen schließen, sachtes Abtasten, dabei leise Schnurren. Der Rücken ist steinhart.
Noch immer keine Reaktion des Tiers auf Berührung oder Ansprache, die Pupillen sind irgendwie zu groß für die Helligkeit des Tages.

Tierarztnummer. Keiner geht ran. Notfallnummer. Derzeit nicht erreichbar.
Gemögte A.- Anrufbeantworter.
Gemögte B. – im Termin.

Anwohnerin kommt vorbei. „Können 644827_web_R_K_B_by_Lisa Spreckelmeyer_pixelio.deSie mir bitte eine Schüssel Wasser und ein nasses und ein trocknes Handtuch bringen?“. Kann sie. Macht sie.
Katze trinkt nicht, leckt aber einen Tropfen vom Finger. Wird langsam wacher. Steht auf und geht auf NakNak* los.
[„Wusste ich doch woher ich die kenne! Das ist die verrückte Katze, die NakNak*, schon mal gebissen hat!“]

„Legen sie ihr mal kurz das Handtuch vors Gesicht, ich weiß in etwa, wo die Besitzer wohnen.“.
NakNak* mit Keksen und kurzem Raunen beruhigen, auf das Haus zu und klingeln.
„Hallo, haben sie eine Freigängerkatze draußen?“
– „Ja“
„Sie liegt vorn an der Straße. Ihr geht es offensichtlich nicht gut, aber nach einem Unfall sieht das nicht direkt aus.“
– „Ah ja, sie ist krank und steht unter Schmerzmitteln- Moment grad, ich komme gleich raus“.
Sie sieht selbst auch nicht gesund aus.

Zurückgehen. Sehen, die Katze liegt unterm Handtuch und lässt sich von der Anwohnerin streicheln. NakNak* in den Schatten setzen und warten lassen.
Worte wechseln. Pflegestelle, erste Hilfekurse für Haustiere, warum habe ich eine Erste Hilfe-Tasche auf meinen Spaziergängen mit dem Hund dabei. Im Hinterkopf klicken der Tod der Welpin vor 2 Jahren und die Schreie des Welpen, der sich in unserer Obhut mal das Bein gebrochen hatte, aneinander.

Die Besitzerin kommt. Erzählt.
Nicken, schweigen, reagieren und merken, wie nötig die Besitzerin Trost und Nähe hat. Die Hand berühren und Verständnis ausdrücken. Merken, wie der Sprachvorrat zur Neige geht. Wie schwer eine Verabschiedung herauszuwürgen ist.

NakNak* abholen. Hundekeks. Einkaufen. Hundekeks.

Und dann bemerken, dass man vergessen hat, die Ärmel nach dem Desinfizieren der Hände wieder runterzuziehen und, dass sie trotzdem auf die Worte und Taten geachtet haben.
Mehr als auf das Schlachtfeld auf den Unterarmen, in dem es kaum noch Nervenenden gibt.

Wortmaden

Ich sah es vor mir, schärfer, als es jede Technologie heute und in Zukunft abzubilden in der Lage ist.

SIER hatten meinen Brief in der Hand. Die Worte aus Tinte, auf dem Papier fraßen sich, wie Maden durch ihre Hirnzellwände und legten Eier, die einen Schwarm hervorbringend, explodierten.

Eines nach dem Anderen wäre angekommen, hätte sich eingenistet und etwas verändert. Alles würde besser sein. Alles würde gut sein. Jetzt, wo meine Wortmaden endlich groß genug seien, um ungehindert einzuwandern. SIER würden ihre Gesichter abnehmen, sich alles abschälen, was an ihnen klebt und mir zeigen, dass es auch einen genießbaren Teil an ihnen gibt.

Es würde nun sein, wie in meinen liebsten Geschichten, in den leisesten Wünschen der kleinen Herzen und ich hätte es ihnen ermöglicht. Ich wäre eine Heldin im Seidengewand. Könnte friedlich meine Schneisen ziehen, durch meine Bücher gleiten und mit meinen Gedankenketten Welten einwickeln. In Schokolade baden und in den Haaren meiner Liebsten schaukeln.

SIER könnten nicht mehr anders, als bar aller Maskerade zu sein. Würden nur das Nichts sein, dass sie in unser Sein pflanzten. Mit einem Mal zeigte ich mein Gesicht und flüsterte: „Frankenstein hatte sein Monster auch vergessen wollen… „, noch während ich ihre Oberfläche abkratze, um auch noch den kleinsten Rest der Verkleidung an ihnen, abzureißen.

Ich baute einen Balken quer durchs Zimmer und ließ meine Herzen und Herzchen mit ihnen spielen.

Wie eine Katze mit einer Maus.
Wie ein Kind mit seiner liebsten Puppe.
Wie SIER mit ihnen.

Und dann wachte ich auf.
Wankte ins Bad und erbrach all ihre abgekratzten Schichten.
Spülte meinen kurzen Anflug von Machtgefühlen hinweg und vergrub das Gesicht in den Kokons meiner Wortmaden.

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über meine Lebensrealität

15849_web_R_by_Maclatz_pixelio.deIch habe da diese Macke fürs Blindsein über mich selbst als ganzer Mensch.
Für mich sind Dinge eine Definitionsfrage, die für andere Menschen scheinbar felsenfest klar sind. Meine Lebensrealität ist eine Mischung aus unterschiedlicher Sehstärke und absoluter Blindheit.

Ich nehme Dinge in all ihrer Unsicherheit auf und passe mich ihr an. Bin permanent gezwungen dem Fakt gegenüber zu stehen, dass ich nichts beeinflussen kann- nicht einmal mein Handeln, Fühlen, Denken. Wenn ich nicht da bin, sind andere Innens da. Sie handeln manchmal in meinem Sinne, meistens jedoch in ihrem allein. Kompromisse beziehen sich allein auf einen Entsprechungs- , Anpassungs- , früher, wie heute auch Überlebensdrang. Vor allem, wenn es eine Bündelung braucht, weil es (noch) kein eigenständiges Innen gibt, das von sich aus bereits komplett darauf abgestimmt ist.

So zum Beispiel heute, der Umgang mit Menschen die uns positiv gegenüber stehen. Oder auch Menschen, die unser früheres Leben anders bewerten als wir, mitsamt allen geistig-sozialen Normen und Werten. Im flachen Miteinander gibt es Innens die daran angepasst sind. Sie nicken, lächeln, sagen was gehört werden will. Es ist ein zurechtgespaltenes Anpassen. Ohne Bezug zu dem was für andere Innens wahr und echt ist. „Das Außen lebt Wahrheit XY und erfordert die Vertretung von Norm und Wertesystem AB? – Kein Problem- finde ich auch- mache ich auch- das Außen ist Chef- ich kann das vertreten.“.

Diese Trennung der heutigen Welt mit allem was in ihr passiert, von der in der wir früher lebten, ist selten besprochen. Der Umstand beides nebeneinander stehen lassen zu müssen, weil es keine klare, wirklich ganzheitliche, Positionsentscheidung darüber gibt, ist zeitgleich quälend, wie aber doch auch schlichte Realität in unserem derzeitigen Dasein. Sie ist so sehr Alltag, dass ich sie lebe, ohne sie wirklich oft zu erwähnen oder zu hinterfragen. Oder auch zu spüren. Die Anpassung ist fertig, weil lebbar. Mehr braucht es nicht. Für mich ist es dann so wie ein Buch, das man ausgelesen hat. Inhalt ist im Kopf, man klappt es zu und legt es im Bücherregal ab.

Gestern habe ich mit unserer Therapeutin telefoniert. Am Ende sagte sie, was sie irgendwie immer sagt: „Wir sehen uns nächste Woche“. Als wäre das ein Fakt, der in jedem Fall so einträte und als gäbe es keinen Grund daran zu zweifeln. Das ist so die Sparte „Es gibt immer ein Morgen und wir werden es erleben.“

Ich weiß nicht warum, vielleicht war ich einfach entspannt und „auf“, als ich da so auf dem Schlafzimmerboden saß und den Hund am Bauch hatte, keine Ahnung. Aber ich sagte so etwas wie: „Ja, wenn wir es bis dahin schaffen, dann sehen wir uns dann.“.

Ich glaube, für sie klang das wie eine Suiziddrohung oder etwas Ähnliches. Als hätte ich gerade gesagt: „Ja das können wir uns vormerken, aber ich halte mir hier meinen Notausgang frei, mir das Leben zu nehmen, wenn ich es nicht mehr aushalte.“. Wir sprachen also kurz über Verantwortung und darüber was unser Tod so verursachen könnte. Sie sprach über Einschätzbarkeit- genau wie ich, als ich das sagte. Nur jeweils von einer anderen Grundlage aus betrachtet.
Sie folgte einem Kontrollimpuls (oder sollte ich besser sagen „Kontrollzwang, der ihr aufgedrückt wird“?) und ich deutete den zentralsten Teil meiner Lebensrealität an: in weiten Teilen des Alltags absolute Kontrolllosigkeit.

Therapeuten sollen einschätzen können, ob sich jemand das Leben nimmt oder nicht.
(By the way- ein beschissener Anspruch an Menschen in diesem Beruf, denn Suizid ist so ziemlich das Selbstbestimmteste, das es gibt für ihre Klienten- wenn sie sich dafür entscheiden, haben sie nichts damit zu tun. Die Handlung ist von Klienten geplant und durchgeführt- nicht vom Therapeuten initiiert, eingefordert oder gar durchgeführt. Nur, weil sie diese Menschen begleiten, haben sie, meiner Meinung nach, keine Verantwortung dafür. Weder, weil sie die „Profis“ sind, noch weil sie Kontakt zu ihnen hatten.)

Wir haben für die Therapie eine Vereinbarung getroffen, keinen Suizid zu begehen, solange wir bei ihr in Behandlung sind und uns zu melden, wenn es Impulse in diese Richtung gibt bzw. Hilfen in Anspruch zu nehmen, um diese Impulse im Durchbruch nach außen zu verhindern. Entsprechend dieser Vereinbarung bin ich gezwungen eine gewisse Selbstkontrolle durchzuführen, ob es diese Impulse gibt oder nicht und die Wahrscheinlichkeit für eine entsprechende Handlung nach außen einzuschätzen.
Schätze ich sie hoch ein, rufe ich bei ihr an- manchmal auch, ohne das genau so zu formulieren. Es steht immer eine Not dahinter, die auch ohne die Erwähnung von Suizidimpulsen, weniger groß erscheint, wenn wir sie ihr gegenüber ausdrücken und/ oder sortieren können.

Ich wurde fast wütend, weil ich glaubte, sie hielte es für wahrscheinlich, dass ich mir jederzeit einen Suizid quasi freihalte- anstatt meinen Wahrnehmungsalltag zu benennen.
Doch dann raunte es mich von innen an, dass sie es vielleicht einfach nicht weiß, oder gerade nicht so bewusst hat. Wir vielleicht auch einfach noch gar nicht darüber gesprochen haben, was wir Innens jeweils so wahrnehmen und erinnern im Alltag.

Ich bin eine Frontgängerin. Ich mache viel Alltag, bin nach Außen aktiv. Ich bin ein Produkt dieses Anpassungsdrangs an „die andere Welt“. Der Welt in der es Menschenrechte, Ethik, Moral und Respekt gibt. Ich vertrete diese Normen und Werte nach außen hin und kann mich einigermaßen sicher darin bewegen.
Doch von einem Tag erlebe ich etwa 10%- wenn wir aktiver sind als jetzt (also ohne Arbeit oder viel Sozialleben) sind es etwa 15-20%. Der Rest wird von den anderen gelebt- erlebt- wahrgenommen. Sie leben ihr Leben in meinem drin, oder auch nebenher. Ich erfahre davon in Stichworten im Tagebuch, finde hier und da mal etwas davon in meiner Wohnung oder bügle ihre Konflikte aus, auch ohne wirklich (als ich) damit zu tun zu haben. Es ist normal für mich. Ich rechne jeden Tag damit mit einer fetten Kaufhausrechnung konfrontiert zu sein, Dinge die mir lieb sind, zerstört, tot oder weggeworfen zu finden, den Körper verletzt, benutzt zu erfahren. Das ist einfach so der Alltag mit dissoziativen Amnesien. Alles kann passieren, jeden Tag, jeden Moment- ob ich es will oder nicht. Egal, wie ich das einschätze und es gerne hätte.
Und eben leider auch eigentlich egal, welche Absprachen ich allein mache.

Sobald eine Absprache alle von uns betrifft (auch die, die sich nicht als Teil von „uns allen“ betrachten), klappt es. Da habe ich einen Haken zum dran Festhalten, Schwung holen und Handeln. So zum Beispiel eben bei den Vereinbarungen zur Therapie. Doch eine Antisuizidvereinbarung allein bedeutet eben nicht, dass ich so ganz sicher zum nächsten Termin auch erscheine.
Natürlich habe ich noch nie einen Termin versäumt oder absagen müssen- aber es gab bereits genug Termine zu denen ich erschien, nachdem ich einige Kilometer rennen musste, um pünktlich zu sein. Etwa, weil 15 Stunden vorher jemand geflüchtet ist und ich mich irgendwo im Nirgendwo wiederfand. Oder auch Termine vor denen ich erst mal noch nicht einschätzbar lange irgendwo zu warten hatte, um etwas zu erledigen, weil es gerade der letzte Fristtag war.

Das passiert mir heute nicht mehr so oft wie früher, als es noch Zeiten gab in denen uns Täter zu Therapieterminen fuhren, oder von dort direkt mitnahmen. Als es noch Zeiten gab, in denen wir alle diesen Fakt der Selbstblindheit- der Amnesie für sich und sein Leben, als ein von Therapeuten eingeredetes Konstrukt hielten und noch viel weiter von einander weg dissoziiert waren.

Aber es passiert. Es ist wahr und echt und eben mein Alltag.
Ich habe gestern etwas gesagt wofür ich mich heute irgendwie ohrfeigen könnte, obwohl es stimmt.
„Nein, es ist nur eine Perspektivenfrage. Ich lebe mit Todesangst und sie nicht.“.
Ich hätte richtigerweise sagen müssen, dass ich mit Amnesien und Kontrollverlusten lebe. Noch richtiger, dass ich mit einem Maß von Dissoziation lebe, dass sie nicht von sich kennt.

Doch Todesangst ist auch richtig.
Wir würden nicht so viel dissoziieren, hätten wir keine Todesängste oder Ängste, die uns an Todesängste erinnern.
Wer Todesangst hat lebt ausschließlich in der Gegenwart, mit mehr oder weniger bewusstem Bezug zur Vergangenheit. Das Morgen ist immer mehr nebulöse Option, schwammiges Hoffnungsschimmern an dem man sich festzuhalten versuchen kann. Man kann das machen, man kann es tun. Wir tun das auch.

Doch wir tun das nicht in der festen Überzeugung, es auch wirklich zu erleben.
Das Morgen ist für uns noch immer die Belohnung für die Mühen das Gestern und Heute geschafft zu haben.

von Gewalt, Vermeidung und Sokrates

“ „Missbrauch ist doch nur Anfassen- geht doch noch“ Aus meiner Kehle kriecht ein krächzender #aufschrei
-„Wo findest du nur immer so einen Mist? Ich bin entsetzt.“

Ein Austausch bei Twitter. Ich fand den Satz in den Kommentaren eines ganz normalen Nachrichtenblogs, der sich in einem Artikel mit dem Thema „sexuelle Misshandlung“ befasste.
Es ist Teil der ganz alltäglichen Debattenkultur im Internet, der ich begegne, seit ich mich auch politisch aktiv mit dem Thema auseinandersetze.

Ich treffe auf Verharmlosung, verbale Gewalt, Leugnung, offenem Anzweifeln am Wahrheitsgehalt der Erlebnisse, die ab und zu geschildert werden. Es ist teilweise eine Hybris der Gewalt, die zum Opfer gewordenen Menschen entgegenschlägt.

Bei manchen denke ich mir, dass es eine gewisse Bildungslücke gibt und auch eine Art „es nicht genau wissen wollen“, also Vermeidungsverhalten.
Etwa bei VerfasserInnen von Sätzen, wie oben. Die Unkenntnis darüber, was der Begriff „sexueller Missbrauch“ eigentlich meint. Tatsächlich kann man anhand des Wortes allein auch keine Herleitung vornehmen- es sagt ja nur etwas von einem falschen Benutzen von Sexualität bzw. ganz eigentlich nur von etwas „Sexuellem“.

Unbildung ist nicht schlimm- dem kann man abhelfen. Dummheit hingegen ist schädlich- und sei es die Dummheit zu glauben, die eigene Unbildung fiele niemandem auf und würde ohne Rückmeldung akzeptiert, wenn sie die Ursache einer Verletzung bei jemandem ist.
Es gibt immer jemanden, der es besser weiß. Und es gibt immer jemanden, von dem man lernen kann, auch ohne bloßgestellt zu werden. Man muss nur bereit, schlau und mutig genug sein, sich dafür zu öffnen. Und sei es vor sich selbst.
Unser StGB ist ausführlich in Bezug auf „sexuellen Missbrauch“, „Nötigung“ und viele spezielle Straftatbestände. Langsam aber stetig öffnen sich zum Opfer gewordene Menschen öffentlich und sprechen oder schreiben über die erlebte Gewalt. Man muss es nur lesen oder zuhören. Und lesen bzw. hören wollen.

Doch das tun leider noch viel zu wenige Menschen, die mit (sexueller) Misshandlung konfrontiert werden. Sei es als selbst betroffener Mensch, noch als peripher betroffener Mensch. Wie schon in einem Artikel geschrieben: ich halte es so, dass jeder, der mindestens mal mit dem Begriff konfrontiert wurde, gleichsam als „betroffen“ gilt, wie der Mensch, der zum Opfer von Gewalt wurde.
Entsprechend meiner Auffassung sind wir also alle alle alle miteinander irgendwie von Gewalt betroffen.

Doch dies von sich zu weisen ist elementar für viele Menschen. Auch gerade für VerfasserInnen solcher und ähnlicher Sätze. Weil ich davon überzeugt bin, dass die größte Antriebskraft zum Handeln von Menschen große Gefühle sind, gehe ich in Bezug auf dieses Verhalten von Angst aus.
Vielleicht einer Art Angst vor Bewusstsein und dessen Auswirkungen auf sich selbst. Dem Bewusstsein von Gefahr, dem Bewusstsein von: Es könnte auch mich (be)treffen. Ich könnte gefordert sein- an mich könnten (zu hohe) Ansprüche gestellt werden- an mich wird Verantwortung heran getragen, der ich nicht entsprechen kann.
Dem Bewusstsein eigener Ohnmachtsgefühle.

Unbewusstsein schützt.
Ich bin oft dankbar dafür, vieles aus meiner Biografie nicht zu wissen. Die Gewalt, der mein Körper und Teile meines Seins ausgesetzt waren, abgespalten zu haben.
Hätte mein Gehirn das nicht gekonnt, wäre ich an einem Schock gestorben. Und damit meine ich nicht den körperlichen Schock. Dissoziation verhindert einen neuronalen Informationsüberflutungsschock.
Deshalb können wir Menschen das. Deshalb tun wir das den ganzen Tag- mal mehr, mal weniger stark. Auch ohne eine dissoziative Störung (die eigentlich den störenden Einfluss der Dissoziation meint) zu entwickeln.

Ich gönne jedem seine Vermeidungsblase. Wirklich jedem. Man kann sie sich schön einrichten und nach außen hin produktiv und gut funktionieren.
Aber sie hat nichts bei anderen Menschen verloren!
Sie braucht auch nicht verleugnet zu werden. Sie ist ein Fakt im Leben jedes Menschen. Niemand ist sich allem gleich bewusst- niemand weiß alles und niemand will alles wissen. Es ist ein Selbstschutz der nötig ist, weil er das eigene Leben auch positiv beeinflusst- und sei es zur Aufrechterhaltung der eigenen Funktionalität.

Doch das heißt nicht, dass es das, was man von sich fernhalten will (und muss) nicht gibt! Das heißt nicht, dass schreckliche Ereignisse nicht passieren.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – Sokrates. Bereits vor vielen tausend Jahren.
Eine Erkenntnis die sich alle Menschen vor Augen halten sollten.
Auch, jene, die ihre Augen festzusammen kneifen und sich einen Holzkasten um ihre Vermeidungsblase zimmern.
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Doch auch zu dieser Erkenntnis kommt man nicht ohne einen gewissen Schmerz. Es ist nötig sich dazu selbst zurück zustellen. Es braucht Demut vor eigener Unfähigkeit. Ein Zugeständnis der eigenen Fehlbarkeit und auch Unzulänglichkeit in Bezug auf die Dinge, die uns begegnen.
Es braucht einfach den Schmerz, der einen überkommt, wenn man feststellt, dass man eben doch nicht immer und in Bezug auf alles „Mensch der Lage“ ist. Eben doch nicht alles kontrollieren kann. Eben doch, in manchen Situationen den Dingen ihren Lauf lassen muss. Umstände und auch Zustände einfach mal so lassen muss, wie sie nun (zu diesem Zeitpunkt) einmal sind- auch wenn es schmerzt, auch wenn es einem im ganzen Körper zappeln lässt, doch aktiv einzugreifen.

Manche Menschen haben ihn noch nicht genug erlebt. Manche erleben ihn nie.
Doch das ist kein Grund für Gewalt gegen andere Menschen, in dem man ihnen ihre von der Vermeidung beeinflussten Sicht der Dinge aufzwingt.

Ich schrieb dem Menschen in der Kommentarspalte einen entsprechenden Auszug aus dem StGB und wies ihn darauf hin, dass er Gewalt ausübte, als er den Kommentar verfasste.
Bis jetzt kam keine Antwort.
Ich rechne auch mit keiner. Ich will keine. Ich brauche keine für mich.
Ich habe dem Menschen gegeben, was er  meiner Meinung nach brauchte. Mehr kann ich nicht tun.
Wenn es ihm geholfen hat ein größeres Bewusstsein zu entwickeln, freue ich mich. Wenn nicht, dann trete ich einen Schritt zurück und tröste mich mit der Vorstellung eines kleinen Risses in seiner Vermeidungsblase.
Ich weiß, dass ich nichts weiß. Auch nicht über diesen Menschen.

Barbie™

MarsAttacksBarbieStell dir vor, es ist Kunst und keiner merkts.
Stell dir vor, du begegnest Sexismus gegen Männer.
Stell dir vor, du sollst mit Irrealität fürs Leben üben.
Stell dir vor, du kennst jemanden, der keinen Nachnamen hat.

Ich spreche von Barbie™ und von der Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ in Berlin.

Als wir ein kleines Mädchen waren, hatten wir keine Barbie™ und so wie ich das sehe, fanden wir das auch gar nicht so schlimm. Wir hatten eine BabyBorn™ und eine dieser gesichtslosen Waldorfpuppen zum Spielen, ansonsten jede Menge Lego und Fröbelbausteine von den Geschwistern.
Schminken, hübsch machen, erwachsen spielen, haben wir irgendwie übersprungen. Es ging gleich in die Sparte der Sprache und der Kunst und erst dann wurde Barbie™ für uns interessant. So etwa mit 12-13 Jahren, als auch Sailor Moon™ spannend wurde.
Damals war die Sparte „Barbie™“ allerdings bereits nicht mehr auf unsere biologische Altersgruppe ausgelegt. In dem Alter nach einer Barbie
zu verlangen, war deutlich spürbar nicht das, was die Klassenkameradinnen und auch die Erwachsenen für legitim hielten.
Ich weiß noch, dass meine Mutter vor mir stand und sagte, jetzt wo ich schon über ein Jahr menstruierte, sei das Spielen mit Puppen doch nun wirklich nicht mehr das, womit ich meine Zeit verbringen solle. Ich sei ja nun erwachsen und eine richtige Frau.

Dabei wollte ich nie mit der Puppe spielen.
Was hätte ich denn auch spielen sollen? Man spielt um soziale Interaktionsmuster einzuüben, Lebensrealitäten auszuprobieren, sich selbst und seine Umgebung frei zu positionieren- oder eben auch nicht.
Das Leben von Barbie™ entsprach (und entspricht) in nicht einem einzigen Punkt dem meinen, auch ihre Hobbies, Berufe und Neigungen waren (und sind) maximal von mir entfernt.
Ich wollte so eine Puppe haben, weil ich die Perfektion schön fand und es mich faszinierte wie glatt und flach ihr Leben ist. Es gibt nie Probleme, sie hat nie Angst, sie lächelt immer. Sie hat keine Persönlichkeit- sie hat nicht einmal einen Nachnamen- doch niemanden stört es. Es ist immer die perfekte Harmonie- Stasis die so tut, als sei die Dynamik.
Kunst eben.
Ich wollte sie nur angucken. So einen Ständer basteln, sie mir auf den Schreibtisch stellen und anschauen.

Damals gab es bereits die Sammlerbarbies. Besonders schön frisierte Puppen, mit echtem Metallschmuck und Kleidern die nicht aus Polyacryl, sondern aus Seide und Baumwolle bestehen.

Noch heute fasse ich persönlich Barbie™ und ihr ganzes Universum als Kunstform auf- nicht als Spielzeug.
Selbst vorhin, als ich für diesen Artikel ins Kaufhaus ging, spürte ich von den Kinderinnens nicht direkt den Wunsch mit den Puppen zu spielen, sondern nur sie zu berühren und anzugucken.
Auf meine Frage, warum sie nicht mit so einer Puppe spielen wollten, antworteten meine Kinderinnens O. (etwa 10 Jahre alt) und I. (etwa 7 Jahre alt): „Sie sieht so fein aus- so hübsch…“, kurze Pause, „und so wie eine Erwachsene. Weißt du, so wie gar nicht echt zum Spielen gemacht.“. Vorsichtiges Berühren der Packung. „Sie geht bestimmt schnell kaputt, wenn man spielt, dass sie Sport macht oder so.“.

Mir ist in dem Geschäft aufgefallen, dass Barbie™ ein verdammt teurer Spaß ist. Eine Puppe mit einem Set Kleidung und vielleicht 3-5 Zusatzteilen kostet fast 20€, ihre Fahrzeuge etwa 30- 60€, eine Ausstattung Möbel und Einrichtungsgegenstände etwa 18€- das 1,10m hohe Traumhaus schlappe 180€. Pinkes Plastik made in China, mit unverrückbaren Möbeln, einem Bett mit eingegossenem Bettzeug und aufgeklebtem Ausblick aus dem Fenster. Eine Berufebarbie habe ich gar nicht gefunden und festgestellt, dass die Hunde mit denen sie manchmal in den Park geht, kein Fell haben, sondern nur gegossene Plastikstruktur.

Barbie™ hat allerdings ziemlich coole Freunde. „Skipper“, „Chelsea“ und „Stacie“ fahren Jetski. Sie sind kleiner als Barbie™ und passen da auch drauf- Barbie™s Beine hingegen sind schon zu lang, um überhaupt die Steuerung zu erreichen. Soviel dann auch zur körperlichen Behinderung mit der Barbie™ so leben muss. Sie kann nicht einmal ihre Beine so weit spreizen, dass sie auf einem Pferd sitzen kann.

Ken, den Freund und ewig heiratenden Mann im Barbie™- Universum, habe ich auch gefunden. Und „Liam“, den ich so gar nicht einordnen konnte, weil er auch ein „Ken“ hätte sein können. Beide werden direkt mal zur männlichen Deko degradiert- was an sich interessant ist- passiert dies doch sonst eher den Frauen. Er hat kein Auto, kein Motorrad, nicht mal ein Fahrrad- ein Ken-Traumhaus gabs auch nicht. Einzig eine Ken-Puppe bei der man die Plastikhaare austauschen kann, wie bei Playmobilfiguren und ein Set Kleidung (sprich den Anzug zum Heiraten- statt des obligatorischen Surferoutfits) gibts für den einzigen Mann in Barbie™land.
Also liebe Männer, die ihr Probleme habt das Problem mit Sexismus zu verstehen: Stellt euch vor ihr wärt Ken
– und übertragt das bitte (vielleicht weniger totalitär) auf unsere Realität.

Die Konkurrenz hat mir besser gefallen.
Die Steffi Love™ von Simba, kann Kinder bekommen, hab ich als Kinderärztin, als Turnierreiterin, als Rennfahrerin und als Anwältin gefunden. Sie trägt auch mal lange Hosen, ihr Pferd hat Fell und ihr Freund Kevin hat eine bessere Garderobe. Außerdem ist sie bis zu 20% billiger und hat bunte Kleidung- der Pinkanteil ist ebenfalls da- doch nicht gleich hoch, wie bei Barbie™.

Heteronormativ sind beide. Genauso wie kapitalistisch und auch rassistisch. Freunde mit anderer Hautfarbe habe ich nicht gefunden- obwohl ich mich erinnere, dass eine meiner Klassenkameradinnen früher eine Puppe mit dunkler Haut hatte (klar total exotisiert mit pseudoafrikanischer Tradionstracht- aber immerhin).

Als die Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ in Berlin eröffnete, gab es Proteste. Viele AktivistInnen hatten sich versammelt und Kritik geäußert.
Ich habe nicht alle Artikel dazu gelesen, aber die meisten Stimmen bezogen sich auf die Illusion zu der Barbie™ verführt, auf die soziale Rolle, die sie lebt und naja, was genau die FEMEN-Frau sagen wollte, habe ich irgendwie nicht verstanden. Ich fands jedenfalls schade, dass sie sich gezwungen sah, sich auszuziehen und eine 20€ Puppe zu verbrennen- und das auch noch an einem Kreuz. Symbolik die wohl irgendwie nur die FEMEN selbst verstehen.

Natürlich ist es keine Realität die Barbie™ lebt. Natürlich ist das, was sie so tut, nichts weiter als (bereits fertige) Nahrung zu produzieren, Essen, Kleidung einkaufen, sich schön machen und Spaß haben. Es ist eine traumhafte- nicht reale Welt. Es ist etwas, das fern von Belastendem ist, eine Insel.
Ich finde es eigentlich- so ganz grundsätzlich- schön, wenn es etwas gibt, dass Kindern so eine Insel bereitstellt. Schade ist es aber, dass es bei Barbie™ viel um „Ich bin du“ geht, die Vermarktung allein auf kleine Mädchen ausgerichtet und damit tatsächlich limitierend ist.

Es ist ein klares Signal: Barbie™ und alles was damit zu tun hat, ist nur für Mädchen. Der logische Schluss ist, das für Mädchen genau das geeignet ist- für Jungen nicht. Als würden Jungen nicht auch gerne Kochen, Essen, Einkaufen und Spaß haben. Nicht auch die Farbe Pink mögen können und Glitzer meiden. Und- wenn man sich mal das derzeitige ausschließlich für Jungen bereitgestellte Angebot anguckt- als hätten sie kein Anrecht auf eine ruhige, harmonische Umgebung!
Jungen sind mit teilweise so krasser Gewalt durch Spielzeug (und auch Kleidungsaufdrucke) konfrontiert, dass ich mich ernsthaft frage, wie die Eltern und sonstigen Erwachsenen um sie herum, das kompensieren sollen- ein Gegengewicht herstellen können. Dass sie das müssen, steht für mich außer Frage. Kein Kind kann den ganzen Tag „kämpfen spielen“- irgendwann kämpft es tatsächlich, weil der Radius seiner Spielfiguren zu klein ist.
Das Gleiche haben wir bei der „Mädchensparte“. Irgendwann ist der Punkt erreicht an dem „so tun als ob“ mit Stellvertretern nicht mehr reicht- es muss sich selbst geschminkt werden, schick angezogen werden, mit Lebensmitteln herumgemacht werden.

Der Punkt meiner Kritik ist, dass das Ausagieren der Barbie™welt bei Mädchen wohlwollend betrachtet wird und sozial erwünscht bzw. mindestens akzeptiert wird. „Es könnte ja auch schlimmer sein“ mit einem strengen Seitenblick auf die Jungs, die sich gerade mal wieder prügeln, weil sie ihre Pillen nicht gekriegt haben.

Ich denke, dass Kinder spielen dürfen sollen, womit sie wollen- doch mit dem Spielzeug selbst keine Realitätsnähe vorgegaukelt bekommen sollten, wenn sie ganz ganz klar, keine Realität ist. Und vor allem sollten sie ihre Lebensrealität mit der ihrer Spielzeuge vermischen können, ohne zig Hilfsmittel des Herstellers dazu zu brauchen.

Meiner BabyBorn™puppe fehlen zwei Fußspitzen- irgendwann hab ich ihr wohl mal die Nägel geschnitten. Sie klappert, weil ich ihr mal, statt des Instantbreis, echte wohlbekömmliche Sandsuppe serviert habe. Sie kann nicht mehr „weinen“, weil sie mit mir im Meer gebadet hat und das Salzwasser die Löcher verstopfte. Sie ist also eigentlich irgendwie kaputt. Aber sie ist unsere Begleiterin bis heute, selbst in diesem Zustand. Ich konnte ihr auch Babysachen von echten Babys anziehen, konnte sie auch in meinem Bett schlafen lassen, konnte sie auch aufs echte Klo setzen.
Eine Barbie™puppe wäre in wenigen Wochen zum stets nachzufüllendem Schlund geworden. Barbie™ gibt es eben nur mit Barbie™ -Kleidung, Möbeln… ihrer Realität.

Und wo wir gerade bei der Realität sind- einen Kritikpunkt an der Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ habe ich noch. Sie ist gruselig!
„Das Nuf“ hat die Ausstellung (ne- man merkts doch eigentlich: Kunst wird „ausgestellt“- Realität wird „dargestellt“) besucht und ein Kurzvideo von Barbie™s Toilette gemacht.
Klick mich
ALTER!
Ich weiß ja nicht, wie sich Kinderköpfe den Umstand erklären, dass ihnen ein Delfin daraus entgegen guckt, aber ich muss dabei an eine Folge bei AkteX denken, in der aus einer öffentlichen Toilette lauter Ratten heraus kamen. Ich war damals 15 und doch hatte ich eine ganze Weile mit der Vorstellung zu kämpfen. Meine Beziehung zu Abwasserrohren war nie wieder die Alte…

Wie gehen die kleinen AusstellungsbesucherInnen (bitte bitte- sagt mir nicht, dass da gar keine Jungs hingehen) mit dem um, was sie dort sehen? Was entwickeln sich für Wünsche? Wie ist es für sie, lauter Plastikdinge zu sehen, die sie nicht anfassen dürfen? Es ist dort so viel hinter Glas und nicht erspürbar. Laut Homepage des Veranstalters ist das interaktivste eine Schlittenfahrt vor einem Bildschirm, ein paar Schminkplätze, ein Spiegel, ein elektronisches Klavier (das man doch kaum hören können wird, wenn die Bude voll ist) und wieder Computer an denen etwas gemacht werden kann. Gibts Barbies mit denen man spielen kann? Gibts wenigstens eine dieser Torten oder Cupcakes zum Essen?
Wenigsten eine Zuckerexperience muss es doch dort geben…

Gegengewalt

In der Nacht von gestern zu heute erlebte ich live mit, wie jemand aus meiner Twittertimeline in der S-Bahn einen sexualisiert motivierten Übergriff erlebte.
#Aufschrei wurde von der Stand-by- in die Top-Aktuellschleife verlegt.
Und wieder kamen die bösartigen- auch hasserfüllten Tweets von anderen Menschen und damit weitere Gewalt in meine Timeline.

Erst die Keule des Liveaufschreis, dann die der Gewalt der eben genannten und dann die Keule der eigenen Gefühle. Es ist immer ein Schlag, wenn wir mit Gewalt konfrontiert werden. Ich saß hier, hielt mein Icepak fest, war dankbar über die vielen Tweets mit Anleitungen wie Zivilcourage umgesetzt werden kann, froh um jeden Support den die Betroffene erhielt und trieb ansonsten wie Totholz in meiner eigenen Suppe.

Ich weiß, dass ich in der gleichen Situation nicht sofort hätte handeln können. Ich weiß genau, dass ich nie sofort handeln kann, wenn ich so konfrontiert werde. Mein Gehirn fährt seinen Dissoziationsschutzschild auf und ich stehe dahinter. Gedanken- und Impulslos. Ohnmächtig und unfähig.

Auch unfähig zu Gegengewalt.
Ich schaffe es nie einem bösartigen Twitterer oder einer bösartigen Twitterin so etwas wie „Verpiss dich in das Loch aus dem du gekrochen bist“ oder „Dem Arsch gehört in die Eier getreten“ zu schreiben.
Und das ist gut so!

Als Teenie habe ich den“Schunder- Song“ der Ärzte gehört. Darin singen sie: „Gewalt erzeugt Gegengewalt- hat man dir das nicht erzählt? Oder hast du dabei, wie so oft, im Unterricht gefehlt?“

Gut- es ist fraglich, welchen Unterricht sie meinten, denn ich kann mich nicht erinnern in der Schule eine Unterrichtseinheit: „Wie wir für ein friedliches Miteinander wirken können“, genossen zu haben. Davon abgesehen, halte ich Bildung allein nicht für einen Garant für Kenntnis über diesen Fakt, aber egal.
Die Grundaussage stimmt: Gewalt erzeugt Gegengewalt

Wenn das Ziel aber ein gewaltloser, friedlicher, respektvoller Umgang sein soll, ist es schlicht kontraproduktiv Gegengewalt auszuüben.

Doch was dann? Man muss doch etwas tun können! Man muss doch eine Möglichkeit haben, Grenzen aufzuzeigen und die Achtung selbiger einfordern können.

Was mir bei vielen der Hasstweets aufgefallen ist, ist, dass sie die Grenzen der Menschen, die damals schon zu #Aufschrei ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus twitterten, erst einmal grundsätzlich in Frage gestellt haben. Dort oft auch grundlegend eine Unkenntnis darüber vorgeschützt wurde.
Auch sehr bezeichnend in dem Zusammenhang Günther Jauch und der „Pick-up- Artist“ Maximilian Pütz.
In der Sendung tippte Herr Jauch, Anne Wizorek auf die Schulter und fragte, ob dies bereits sexuelle Belästigung sei. Das gleiche Muster benutzte der „Pick-up Artist“ in einer ZDF- Sendung ein paar Tage später, als er vertrat, Männer könnten Frauen nicht lesen und hätten somit keine Kenntnis darüber, was diese als Belästigung auffassten und was nicht. Dabei ist der Kontext jeweils sehr eindeutig gewesen.
Günther Jauch tippte Anne Wizorek an, um ihre Aufmerksamkeit des Gesprächs auf ihn zu richten- ergo keine sexuelle Belästigung.
Der „Pick-up- Artist“ bringt Männern mit sexuellem Interesse bei, an Frauen so nah heran zu treten bis sie sich massiv wehren müssen, wenn sie den Kontakt nicht wünschen- ergo Anleitung zur potenziellen sexuellen Belästigung.

Beide jedoch dominierten die Situation. Sie nahmen die Definitionsgewalt über den Kontext an sich – noch während sie- ja fast- jammerten, die Betroffenen seien jene, die bestimmten, wann etwas als Belästigung gilt und wann nicht. Dabei würden sie in der gleichen Bedrängnis mit Sicherheit vehement auf genau dieses Recht pochen!275472_web_R_K_B_by_Michael Ottersbach_pixelio.de

Und da ist ein Punkt: Selbstreflektion.
„Wie würde ich mich fühlen, wenn mir XY geschehen würde?“
Das haben diese beiden Herren und meiner Meinung nach die meisten der bösartig twitternden Menschen nicht getan. Sie haben den wichtigsten Punkt im sozialen Miteinander ausgelassen- übersprungen, schlicht nicht gemacht.

Warum?
Selbstreflektion hat etwas mit „sich- seiner- selbst- bewusst- sein“ zu tun. Wer bin ich, was kann ich, was sind meine Bedürfnisse, wo ende ich und wo fängt mein Gegenüber an? Was für Auswirkungen hat das Verhalten anderer Menschen auf mich? Welche Wirkung hat mein Verhalten auf andere Menschen? Was genau ist meine Handlungsintension?

Sich solche Fragen zu stellen kostet Raum, Mut, Kraft und Unterstützung bei der Verarbeitung der Krise, die eventuell darauf folgt.
Krise? Welche Krise?
Erinnern Sie sich an ihren ersten dicken Weltschmerz? Den ersten furchtbaren Liebeskummer? Da haben sie ihre Krise die folgt, wenn man sich diese Fragen stellt.

Raum für die eigenen Bedürfnisse und Unterstützung finden wir nur bei mit uns verbündeten Menschen. Mut und Kraft entwickeln sich in diesem Kontakt und je nachdem, wo unsere Bedürfnisse gelagert sind, erwächst daraus unser Handeln.
Männer haben eine Machtposition in unserer Gesellschaft. Sie können ihre Bedürfnisse nach Kontrolle (und damit Macht) mit weniger Hindernissen befriedigen als Frauen. Es gibt Ausnahmen- na klar- auch Männer sind von Sexismus betroffen- doch noch immer sitzt am Ende der langen Machthierarchie ein Mann.

Es geht nicht darum niemandem Kontrolle zu gewähren. Niemandem soll Macht abgesprochen oder genommen werden- wozu auch? Zur normalen Dynamik im menschlichen Miteinander gehört auch die Dominanz in einer Situation. Doch Dominanz ist etwas anderes als Gewalt!

Dominant ist der Mensch, dem besonders nützliche Fähigkeiten anerkannt werden, aufgrund derer er eine Situation verantwortungsbewusst (den Bedürfnissen seiner Gruppe- oder seinen eigenen entsprechend) agieren kann. (Das ist ja der Punkt der mich bei Jauch immer so aufregt: Jeder sieht, dass er ein schlechter Moderator ist. Doch weil ihm die Sendung gehört, gilt er als „Chef“- er dominiert, obwohl es andere besser könnten.)

Das ist der Grund, weshalb ich die Menschen in meiner Twittertimeline so mag. Die meisten haben überlegt wie man der Betroffenen helfen kann, haben überlegt, wie man sich in solchen Situationen verhalten kann. Haben, wie ich jetzt, über die Gründe der Situation nachgedacht. Sie haben sich reflektiert und waren deshalb für mich eine gute Dominanz während ich so ohnmächtig und traurig war.

Ich möchte versuchen solchen bösartig twitternden Menschen mit der Frage zu begegnen, wie es ihnen ginge, würden sie so eine Situation erleben- auch wenn ich weiß, dass viele von ihnen noch viel zu dick eingepackt sind in ihren Schutz vor dem Schmerz und der Ohnmacht, die sie überkommen könnte, wenn ihnen bewusst wird, was sie eigentlich gerade tun. Wie vielleicht auch einsam sie sind. Wenn ihnen klar wird, dass sie etwas tun, was sie sich für sich selbst nicht wünschen.

Ich stürze mich nicht in die Begegnung mit ihnen. Dazu bin ich nicht stark genug. Aber wenn einer kommt, will ich nicht mehr schweigen. Der #Aufschrei war laut- wieso sollte ich leise bleiben, wenn ich doch meine zu wissen, was gebraucht wird, um ihn auch von allen Menschen gehört und verstanden zu wissen, auf dass eine Veränderung der Ursachen geschiet?

der kleine Mensch vorm Supermarkt

„Prima, und warte fein.“. Sie greift nach ein paar Hundekeksen, legt sie vor NakNak* auf den Boden und geht in Richtung Supermarkt.

An den Fahrradständern wedelt ein kleiner Mensch mit einem Stock in der linken, einem Waveboard in der rechten Hand herum und spricht auf eine Katze ein. Es ist ungelenk, die Katze kann das Verhalten nicht deuten. Sie duckt sich, ihr Schwanz wird von einem anderen kleinen Menschen auf einem Fahrrad fast überfahren.

Sie läuft in ein Gebüsch. Der kleine Mensch flitzt mit Stock und Spielgerät hinterher. Steht vor dem Gestrüpp und fuchtelt damit nun regelrecht in der Luft herum.

„Hallo, ist das deine schöne Katze?“, sie lächelt. [Oh mein G’tt, wie klein sie ist!- Sie reicht mir ja gerade bis zur Brust.] 37973_web_R_by_momosu_pixelio.de
– „
Nee…“, die Antwort ist fahrig, das Lächeln bleibt unerwidert, der Blick prallt am Profil ab.
„Warum machst du das denn? Soll sie weggehen oder möchtest du sie fangen?“
Keine Antwort, nur noch ungezieltes Schwenken des Stocks.
„Lass den Stock mal lieber fallen, nachher erschreckt sie sich noch und läuft vor ein Auto. Für die Katze bist du sehr groß und sie hat bestimmt Angst, dass du sie triffst… Oder willst du sie treffen?“

Der kleine Mensch guckt sie an. Das Braun der Iris ist nur ein schmaler Ring um ihre Pupille. [Oh nein, du- ich glaube, sie hat Angst vor dir.]
„Sie soll nur nicht immer in unser Haus laufen. Wenn ich die Tür aufmache, kommt sie rein zu uns und macht überall hin.“. Das junge Gesicht verzieht sich angeekelt, die Hand schlenkert den Stock noch immer.
„Aaaah ich verstehe. Ja das ist eklig. Dann darf sie nicht in euer Haus. Aber der Stock ist keine gute Idee.“, sie schüttelt den Kopf und tritt einen Schritt zur Seite. „Tiere und Stöcke sind nie eine gute Idee. Wenn die Katze ganz nahe kommt, kannst du sie auch ein bisschen wegschieben, damit sie nicht ins Haus rein kommt. Das versteht sie auch und dann hat sie keine Angst.“.

Keine Antwort. Die junge Persönlichkeit lässt den Stock fallen, schaut weg.
„Ich bin nicht böse mit dir. Es ist alles gut. Nur der Stock war keine so gute Idee, fand ich. Ich dachte, vielleicht wusstest du noch nicht, dass Katzen vor sowas Angst haben.“
[Weißt du, wie du redest?! Wie ne nervige Klapsenmutti man! Jetzt halt den Mund und lass uns gehen.]
Keine Antwort. Der kleine Mensch guckt noch immer ins Gebüsch.
Die Katze ist längst weggehuscht.

„Na dann… ich geh mal. Machs gut.“
Sie wendet sich ab und geht auf die Schiebetür des Marktes zu.

– „Tschüss!“. Ein Lächeln und vorsichtiges Winken.
„Tschüss.“. Ein Lächeln und Winken von Einer, die selbst gerade nicht so sicher ist wie groß, wie alt sie und wie schlau ihr Verhalten gerade eigentlich war.

eine Portion „selber schuld“

das wird wohl über kurz oder lang, das Einzige, was wir uns noch zu essen auf den Tisch stellen können.

Grund: Ich verstoße derzeit gegen die Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter meiner Stadt.
Darin ist festgehalten, dass ich mich für die Abendschule anmelde und die Bestätigung darüber beim Jobcenter abgebe. Wenn ich das nicht tue, soll ich mich dort melden. Schriftlich, telefonisch oder persönlich.

Was mache ich?
Ich bin in meiner Wohnung und tue nichts.

Obwohl- stimmt gar nicht. Ich vergehe in Zukunftsängsten, Zweifeln, Selbstzerstörung. Dissoziiere so vor mich hin, schreibe ab und an an einen Artikel, lese im Internet, bis ich genug Kraft angesammelt habe mit dem Hund rauszugehen und einzukaufen. Auf einem Weg noch im Copyshop vorbei zu gehen und meine letzten Hartzzettel für die komplette Anmeldung an der Abendschule abzugeben, übersteigt meine Kapazitäten. Scham diese Zettel öffentlich zu kopieren, das Gefühl: HA! Jetzt bist du verpflichtet die nächsten 3 Jahre zur Schule zu gehen und ES GUT ZU MACHEN!, schnürt mir die Kehle von links zu- während von rechts der Zug der Alltagsbelastung kommt.

Wir hatten eine Woche lang das jüdische Wochenfest und waren damit eigentlich so schon gut ausgelastet. Dann kam Pfingsten, eine Zeit, die uns Erinnerungen hochspülte und einen Reigen aus Schmerzen und Reorientierung nötig machte. Und jetzt ist wieder Alltag.

Nach der Reise Anfang des Monats habe ich noch 2,92€ auf meinem Konto, meine Muskeln sind übersäuert, weil ich schon wieder zwei Nächte nicht geschlafen habe. Meine Konzentration ist körperlos und immer wieder ist es allein der Hund der mich aus dieser Absorption heraus holt. Der mir zeigt, dass es so etwas wie Zeit und Raum gibt.

Wie soll das in der Schule denn klappen? Und wie soll ich das alles der Sachbearbeiterin beim Jobcenter klar machen? Sie ist wirklich sehr nett und hatte bis jetzt immer viel Verständnis für mich. Aber ich weiß auch, dass sie Vorgaben hat und, dass so eine Eingliederungsvereinbarung bindend ist.
Als wir sie unterschrieben haben, dachte ich auch wirklich, dass ich das alles packen könnte. War so voller Kraft und Tatendrang, dass ich wirklich dachte: „Yes- ja- ich kann das- ich schaff das- jetzt oder nie- Attacke!“

Und jetzt bin ich einfach nur müde. Es arbeitet viel im Innen. Da kommen Konturen zum Vorschein, die mir mehr Einblick in unsere Biographie gewähren und so vieles verstehbar machen. Das ist unglaublich anstrengend. So anstrengend, dass ich sogar froh bin, dass wir nur einmal in der Woche zur Therapie gehen und uns dem widmen und ich den Rest der Woche für mich allein sortieren kann.

Ich weiß, dass ich mich wiederhole. Wir haben dieses Thema schon oft hier im Blog gehabt, doch gelöst ist es noch immer nicht.
Wenn ich mich so schwach fühle wie heute, mich nach einem Flashback wie der letzte Dreck fühle, dann komme ich mir wieder dem Begriff der „Abfallexistenz“ entsprechend vor. Und sofort stehen die Kämpfer hinter mir. Die stolzen Aufrechten, die eine Berufsbezeichnung für sich haben wollen. Die Zukunft zum Frühstück essen wollen.
Diejenigen, die uns mit ihren Kämpfen aber auch unglaublich viel Energie abziehen.
Die Phoenix AG zum Beispiel ist jetzt über 3 Wochen her und wir sind noch immer nicht wirklich wieder zu Hause und „da“ und erholt von den Strapazen und Anstrengungen. Obwohl es nur 4 Stunden Reden, Denken und Zuhören war, obwohl der ganze Ausflug aus unserem Hamsterrad nur 3 Tage lang war.Obwohl nur 3 Innens das gemacht haben.

Nichtschlafen Nichtessen Schmerz aushalten oder einfach nur zerreißendes AAAAAAAAAAAAAAAAAH!
dieser Zerstörungskreisel frisst uns auf und wiederwiederwieder ist dieser Schwächegrad erreicht. Der Punkt, an dem es die Versuchung des Suizids- der eigentlich auch schon mal vom Tisch war- gibt und zum tröstendem Notausgang wird.
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Es ist alles selbst gemacht. Alles die eigene Schuld, die eigene Verantwortung, der man nicht nachkommt. Die eigene Not, die zum Meer wird, in dem man zu ertrinken droht, noch während man verdurstet.
Es geht nicht vor in die Zukunft und auch nicht mehr zurück in die komplette Abgabe von allem. Diese Stasis- dieser Sturm im Wasserglas, das mein Körper ist. Dieses Ertragen, das zum Aushalten wird.
Alles selbst gemacht.

Wir haben in der Therapie gelernt, in solchen Zeiten auf das Geschaffte zu gucken.
Hier mein Geschafftes der letzten Tage: die Buchbesprechung endlich fertig gestellt, die Dreckwäsche zu Tragwäsche verwandelt, staubgesaugt, mit einer Gemögten eine Hunderunde gemacht, Artikel und eine Email an die Frau vom Jobcenter geschrieben.

Wo bleibt jetzt bitte der Knall in dem mir klar wird, dass das schon viel ist? Nach dem mir klar wird, dass ich aufhören DARF mich nicht auch noch mit solchen Kürschnörkeln neben der Lebens- Überlebenspflicht zu belasten?
Wo bleibt der Punkt an dem ich nicht mehr dauernd denke, dass ich selbst schuld bin, wenn es mir einfach nur grottenschlecht geht und das Bett, die Decke überm Kopf, das einfach nur hemmungslose Heulen über meine Lage auch einfach mal okay und erlaubt ist?!