notes on #metoo

Me too – ein Hashtag, der eine Kampagne, gestartet von Tarana Burke, war und jetzt durch Netz und Medien geht.
Es geht um Empathie, sagt die Initiatorin. Darum, dass alle wissen, dass sie nicht allein sind. Darum, dass jene, die glauben, ES passiere nur wenigen, erleben: ES passiert vielen. Es geht um Kraft aus Gemeinschaftsgefühl. Um Veränderung durch Miteinander.

Dieses Blog – ein Blog von Vielen – heißt nicht nur deshalb so, weil es ein witziges Multiple Persönlichkeiten-Wortspiel ist.
Es ist ein Blog von Vielen. Eines, das unserer schon damals bewussten Ansicht nach, austauschbar ist, denn es erzählte nie eine besondere Geschichte oder skizziert ein unübliches Schicksal.

“Me too”, das haben wir vor inzwischen gut 9 Jahren schon gesagt. Ganz öffentlich und zugänglich. Dass unsere Gewalterfahrungen nicht einzig waren, wussten wir schon vor noch mehr Jahren. Dazu brauchte es kein feministisches Erweckungsmoment oder eine spezifische Politisierung. Es brauchte keine besondere Empathie, um zu wissen: Ich bin nicht allein mit diesen Erfahrungen.

Wofür unsere Politisierung wichtig war, war das Begreifen der Ignoranz. Des verlassen, verachtet, des gedemütigt werdens aufgrund der gemachten Gewalterfahrungen. Es war die Gewalt der Strukturen, die von der Gesellschaft, in der wir leben gemacht, getragen und verteidigt werden, die uns heute begreiflich macht, dass wir nicht nur eine_r von vielen sind, sondern von immer weiter, immer mehr und mehr.

Passend dazu: In der nächsten Episode “Viele-Sein” (coming soon) sprechen wir mit Renée ausführlich darüber, was sich an den Strukturen ändern muss.

Wir sprechen über die Strukturen, weil uns persönlich egal ist, wie viele Menschen in unserer Umgebung nach- oder mitempfinden können, dass wir ein Mensch sind, der Gewalt erfahren hat. Es ist uns egal, weil wir die Menschen in unserer Umgebung bereits als Menschen mitdenken, die Gewalt erfahren haben.
Ockhams Rasiermesser – in der Welt, in der wir leben, ist es wahrscheinlicher, dass ein Mensch in seinem Leben globale Ohnmachts-/Unterwerfungserfahrungen gemacht hat, als, dass er sein Leben lang selbstbestimmt und ohne Verletzung jedweder Grenzen verbrachte.
Wir können inzwischen damit aufhören zu glauben, es gäbe noch viele Ungeschlagene da draußen.

Wichtig ist geworden anzuerkennen, dass der Gewaltbegriff und der individuelle Umgang mit den eigenen Erfahrungen unterschiedlich ist. Für die eine Person beginnt Gewalt bereits bei einem Machtungleichgewicht – für die andere bei einer Prügelei. Für die eine Person steht Leiden im Vordergrund – für die andere Schaden.

An Me too und den Texten und Filmen und Beiträgen in diversen Medien merken wir, wie weit wir uns seit Aufschrei von dem Empathieansatz entfernt haben.
Wie fern es uns inzwischen ist, zum x-ten Mal einen Trost oder Kraft in dem Gedanken zu suchen, dass wir nicht die einzige_n sind – um erneut enttäuscht zu werden. Denn warme Mit-Gefühle von Fremden verändern nichts an unserer Not, unserem Leiden und dem strukturellen Loch, mit dem wir seit so vielen Jahren nach der Befreiung aus eigener Kraft umgehen müssen.
Es macht uns einfach nur noch traurig, wütend, bitter zu wissen, dass ES so vielen passiert. Und schon passiert ist. Und noch passieren wird. Jeden Tag. Immer weiter. Immer mehr.

Wir können Empathie dafür aufbringen, dass auch dieser Hashtag wieder Menschen ermutigt sich zu zeigen. In Worte zu kommen und sich selbst nicht zu verstecken. Viele werden sich damit gut fühlen. Manche werden sogar gestärkt.
Doch wieviel bleibt davon und wie viele gehen weiter in der Auseinandersetzung? Wie viele Forderungen bleiben? Und an wen werden diese Forderungen gerichtet? Worum geht es am Ende?

Gewalt erzeugt sich selbst. Gewalt gibt es nur für sich selbst.

Niemand wird am Ende der Auseinandersetzung mit diesem giftigen Stück Menschlichkeit zufrieden, glücklich, satt, warm und weich sein. Niemand. Immer wird da die Angst sein, dass man sie (wieder) selbst erlebt. Weil man weiß, dass es sie gibt und, dass sie kein anderes Ziel als sich selbst hat. Niemand kann an ihr gewinnen. Nicht einmal jene, die sich befriedigt daran fühlen.

Es ist ein egoistisches Scheißding, die Gewalt.

Und unsere Gefühle voneinander als Betroffene interessiert sie einen Scheiß.
Me too ist genau wie Aufschrei etwas, das sich, ob es will oder nicht, im Danach konzentriert. Es wird wieder über Opferzahlen berichtet, über Form und Farbe, Haptik und Optik von Gewalt an Menschen. Als wäre es etwas, das völlig außerhalb der Menschen selbst passiere. Ein Stoff. Eine Dynamik, die aus dem Himmel rieselt und etwas macht.

Aber so passiert sie nicht. Sie liegt allen Menschen gleichermaßen inne.
Und bis alle gleichermaßen die Verantwortung, die damit einhergeht, zu tragen verstehen, wird sie immer wieder und wieder wirken können.

erschütternde Zahlen erschüttern- ansonsten nix

abgeplatzteRinde Da ist sie also, die größte Erhebung zu Gewalt an Frauen* in der EU.
Wer ist erschüttert?

Ich nicht.
Ich finde es schön, die Zahlen von denen die Menschen, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für die Überlebenden der Gewalt an sich einsetzen, gleichsam lange reden, alle auf einem Haufen zu sehen und auch Empfehlungen dazu ausgesprochen zu erleben.

Aber die Erschütterung, die Beklemmung, das Entsetzen … das Grauen, das die SZ dorthinein liest, bleibt bei mir aus.
Anne Wizorek fragt über Twitter, wieso sich niemand aufregt.
Ja, liebe Anne- worüber sollen wir uns noch aufregen, wenn nicht darüber, dass sich niemand aufregt?

Letztes Jahr um diese Zeit, haben wir* “Aufschrei-Damen” zig und zig und zig ältere Studien über Twitter, Facebook, vis à vis geteilt, die genau diese Zahlen bereits genannt haben. Geblieben ist die Erkenntnis, dass Gewalt an und gegen Frauen* eine Norm ist, die wir als Gesellschaft ablehnen und doch nicht so richtig davon weg kommen, weil… darum.

Nur zur Klarstellung: Ich halte es für wichtig, immer wieder Erhebungen zum Umfang der Gewalt gegen Menschen (egal, welchen Geschlechtes) zu starten und auszuwerten.
Was mich als Betroffene nur wirklich zum Hulk werden lässt, ist die permanente Erschütterung, die einfach nicht zur ordentlichen Welle wird.

Ich will keine kleinen, sich kräuselnden und doch wieder abebbenden, Erschütterungen mehr- ich will Erdbeben, die Neukonstruktionen und Neukonzeptionen ermöglichen!

Dazu brauchen wir, meiner Meinung nach, nicht nur Studien zur Gewalt selbst, sondern auch zum “Danach” und zum “Warum?”.
Wie viele TäterInnen sind selbst zum Opfer geworden und in welcher Beziehung steht dies zu ihren Taten?
Was hätte helfen können?
Wie viele Opfer überleben die Gewalt und wie sieht deren Lebensrealität aus?
Was sind die Gründe für niedrige Anzeigebereitschaft?
Wie sieht die (psycho)therapeutische Versorgung für Gewaltüberlebende aus?
Wann und wo und wie haben Überlebende selbst, die Chance ihre Stimme zu erheben, ohne sich mit Ausläufern von “rape culture” befassen zu müssen?

Ja, sicher können wir die Häupter senken und mit gedämpfter Stimme raunen, dass wir getroffen sind von all dem Elend um uns herum. Natürlich ist es unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe Gewalt aufzuzeigen.
Aber damit ist es nicht getan.

Es reicht leider nicht, sich darüber aufzuregen, dass Dinge sind, wie sie sind.
Es muss Bewegung in die Sache kommen und eine sehr wünschenswerte Bewegung wäre, in meinen Augen, in den Reihen
der Medien, die dieser Tage immer wieder glänzen durch Gewalt verharmlosende bzw. negierende Sprache, nötig; in der Politik, die sich seit Jahren mit der Einrichtung von Opferfonds freizukaufen versucht, anstatt strukturelle Probleme der Ahndung, Entschädigung und allgemeinen Versorgung anzugehen und in dem einen kleinen zwischenmenschlichen Schritt auf die Überlebenden zu.

Ich bin es leid, dass immer wieder aufgezeigt und ja auch aufgeschrien- die Erwartung einer Veränderung, aber immer wieder ausschließlich bei anderen verortet wird- gerne auch bei denen, die sich dagegen nicht effektiv verwehren können.
Genau so verhilft, meiner Meinung nach, sogar eine Studie zur Gewalt indirekt wieder zu Gewaltausübung, anstatt in irgendeiner Weise wirklich hilfreich zu sein.

Deshalb teile ich hier jetzt auch nicht die Zahlen der Gewalt, sondern die Forderungen der FRA:

  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, ratifizieren.
  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten Gewalt in der Partnerschaft als gesellschaftliches und nicht als privates Problem anerkennen. Vergewaltigung in der Ehe sollte in der Gesetzgebung aller EU-Mitgliedstaaten der Vergewaltigung in allen anderen Fällen gleichgestellt, und häusliche Gewalt sollte mit Nachdruck geahndet werden.
  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten den Anwendungsbereich ihrer rechtlichen und politischen Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung überprüfen. Diese müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass sexuelle Belästigung überall auftritt und über unterschiedliche Medien, etwa das Internet oder Mobiltelefone, erfolgen kann.
  • Polizisten, medizinisches Fachpersonal, Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sowie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Opferhilfe-Einrichtungen müssen geschult und mit den notwendigen Mitteln und Befugnissen ausgestattet werden, damit sie die Gewaltopfer unterstützen können.
  • Schulungen bei der Polizei und anderen relevanten Einrichtungen sollen sicherstellen, dass die Personen, die mit Gewaltopfern in Berührung kommen, die Auswirkungen psychischen Missbrauchs erkennen und verstehen. Jegliche Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen in verschiedenen Umfeldern sollte aufgedeckt, gemeldet und geahndet werden können.
  • Die Polizei sollte dazu angehalten werden, routinemäßig Fälle aufzugreifen und zu untersuchen, bei denen Online-Stalking und Online-Belästigung eine Rolle spielen.
  • Internet-Provider und Plattformen für soziale Medien sollten Opfer von Online-Belästigung aktiv bei der Meldung von Missbrauchsfällen unterstützen. Sie sollten dazu aufgefordert werden, solch unerwünschtes Verhalten einzudämmen.
  • Spezielle Opferhilfe- oder Opferschutzeinrichtungen sollten Betreuungsangebote für Gewaltopfer bereitstellen, die die Opfern bei der Bewältigung der psychischen Folgen einer Gewalterfahrung, wie zum Beispiel andauernde Schuld- und Schamgefühle, unterstützen.
  • Sensibilisierungskampagnen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen müssen sich sowohl an Männer als auch an Frauen richten. Männer sollten konstruktiv in Initiativen gegen die von einigen Männern verübte Gewalt gegen Frauen eingebunden werden.
  • Es ist zentral die Datenerhebung zu Gewalt gegen Frauen in den EU-Mitgliedstaaten zu verbessern und zwischen den Mitgliedstaaten zu harmonisieren.
    [Quelle:
    FRA]

Lasst uns doch mal darüber aufregen, warum genau diese Forderungen weder breit diskutiert noch umgesetzt werden!

Wind in den Haaren

P1010383Tick Tick Tick Tick
ticktickticktickticktick
und ein Schwall von irgendwo von der Stelle, an der sich sonst nur die Lungenflügel abklatschen

Es ist Licht draußen, aufstehen- zack zack- tickediticktick! Heute kommt die Faserjasnapiratinnenheldin!

Nur noch schnell Therapie machen
ganz ernsthaftlich- klar
Jaja total klar
Every Donnerstag a chapter named „Therapie und Praxis“ – immer wieder etwas, was einfach mal eben so im Dranvorbeisegeln passieren kann

Hab ich diese Woche eigentlich auch nur einmal wirklich richtig überlegt, was ich da gerade sagen kann? So wie es lief, ist schon Reden ein Problem.
Das Fotos machen ist kräftezehrend, das Muskelkorsett hat Schlafen und wirkliches Bewegen (also quasi  mal alles was über: „Ich geh mit dem Rennschwein NakNak* mal eben in den Park und bin froh, wenn sie mich in Ruhe lässt“ hinaus geht) war nicht in dieser Wochenwundertüte.
Obwohl das auch alles nicht stimmt.
Irgendjemand war unterwegs.
Harg aber nee darüber willkkann … argh nee also _das_ ist nicht relevantiös lalalalalalalaaaa

Erst mal einen KaffeeKakaoLakritztee mit Zahnpastaresten – oh ach guck- es ist halb 8- als ich den Laptop ausgemacht hab wars doch grad Viere oder so? Aaaaaach ladidaaaa *schrubbel schrubbel die Zähne, die erst am 28sten wieder dran sind*

Geikel spring
Surfurlaub am Farbenmeer von Wischiwaschidenk

Therapie Schwusch
Am Bahnhof Pompons schwenken  für Jasna und dezent komisch vorkommen
So sommerisch
Wir kannten uns ja schon von Twitter und dem Togetherfest
Und trotzdem dachte ich immer wieder mein Twitterping vom Favoritisieren

#Aufschreivortrag Schwusch
Gänsehaut Entenpanzer Augäpfel in Tränensuppe
Zurückdenken, merken, wie wieder und wieder
Federn von innen nach außen fallen
merken, mein Innen findet das Gefühl immer noch unerhört riesiglautkrassMUTIG

Wieder und wieder vor dem Berg, den diese kleine Raute für uns angehäuft und ermöglicht hat, stehen und einfach nur denken könnten: le fuck yeah!

Und irgendwann dann so sehr durchschrauben, dass wir zusammen da sitzen, Kaffee trinken, Kuchen essen und reden reden reden reden reden und hier und da sogar was gesagtredetes erahnen.

Und dann trennen wir uns.
Irgendwie bin ich high.
Vielleicht auch einfach total übermüdet, überdosiert an Sozialität ohne Verstecken, überglücklich heute schon wieder so sehr am Leben sein zu dürfen.

Gleich erst mal noch ein bisschen in der Wohnung rumstehen und nicht wissen wo oben und wo unten ist
Vielleicht, einfach das Flirren zwischen Haut und Adern zum Wind in den Haaren erklären

Was die Frage nach dem Nutzen von Hashtags mit Gewalt zu tun hat

P1010478Eine Frage, die ich echt zum in die Knie gehen finde:
„Und was nutzt das jetzt?“ oder auch „Und, was haste jetzt davon?“.

Keine Frage- sich kurz zu überlegen, ob der Aufwand, die Kraft und die Nerven, die in eine Aktion gesteckt werden dem Wunschziel entspricht, hat schon Sinn.
Also ne- jeder Mensch, sollte sich überlegen, ob ein Teelöffel das beste Werkzeug ist, die Wüste umzugraben- aber niemand hat das Recht, sich neben ihn zu stellen und zu sagen, dieser Aktivismus sei unnütz, wenn es das Einzige ist, das dieser Mensch zur Verfügung hat, um überhaupt aktiv zu sein. Auch, wenn die eigene Idee, das gleiche Wunschziel zu erreichen, eine andere ist, gibt es keinen Grund zur Entwertung dessen, was der Mensch da tut.

In den letzten Monaten kreisten die Hashtags #aufschrei, #schauhin, #nudelnmitketchup und #isjairre bis in die Trends von Twitter.
Twitter ist eine Form der visualisierten Kommunikation. Damit ein Hashtag zum Trend wird, braucht es wahnsinnig viele Anwendungen. Schon mal überlegt, wie viele Menschen da draußen auf der Straße stünden, wenn jeder Tweet so etwas wie ein beschrifteter Stein wäre? Das ist der Hammer!

Kaum eine Stadtdemo außerhalb eines Feiertages kommt da dran. Und trotzdem gibts Menschen, die meinen: „Ach… Hat doch nix genutzt- passiert doch weiter jeden Tag…“
Als ginge es darum, die Welt von jetzt auf gleich umzukrempeln, wenn etwas kommuniziert wird.

In erster Linie ist Kommunikation da, um Dinge und/ oder Um-Miss-Zustände zu kommunizieren. Einfach zu sagen: „Hallo das und das ist da!“ oder auch: „Das und das sehe ich und finde ich blöd/ gut/ veränderungsbedürftig“. Gerade via Internet geht es schlicht um die Visualisierung von dem, was sonst eher undokumentiert irgendwo verschütt geht.
Wer mehr erwartet, muss enttäuscht werden.

Das Internet kann wie eine Dominosteinschlange wirken- das tut es aber nicht immer und bei allen Themen. Sehr entscheidend ist, wer was wann wie und in Bezug worauf anstößt.
Auch wenn die allgemeine Auffassung ist, dass im Internet jede/r gleich ist, ist dem nicht so, das ist aber ein anderes Thema.

Was mich an solchen Ansagen wie: „Ein Hashtag bringt nichts, weil sie nur Angriffsfläche bieten und zu wenig transportieren.“, stört, ist das Verkennen, dass dort über die vielleicht einzigen Mittel von Menschen gesprochen wird und das auf eine Art, die impliziert, dass diese Bemühungen (wie alle anderen von ebenjenen Menschen) unnütz- ohne Wirkung- seien.

Wenn man jemanden still halten und/ oder machen will, muss man ihm nur das Gefühl geben nie gehört zu sein.
So funktioniert Gewalt.
„Was von dir kommt, zählt nicht.“

Zu fragen, „obs jetzt was gebracht hat“ macht, dass das, was diese Menschen selbst bei sich sehen, als etwas dargestellt wird wonach gefragt werden muss, weil es eigentlich unsichtbar ist.
Ich müsste ja schließlich nicht nach dem Nutzen fragen, wenn ich ihn sehen würde. Ob ich vielleicht einfach falsch schaue oder etwas anderes zu sehen erwartete, wird dabei nicht gesagt, ergo sichtbar gemacht und ergo landet wieder Unsichtbarkeit bei den Menschen, die eigentlich so wahnsinnig viel gesehen haben.
Der fragende Mensch- der nichts wahrgenommen haben will- wird so zum Maßstab für Sinn und Unsinn einer Handlung und/ oder Kommunikation- nicht der Mensch, der zu kommunizieren versuchte.

Immer wieder wird vergessen, dass es sich beim Internet einzig um eine Form der Kommunikation handelt.
Aktivismus auf der niedrigsten Schwelle, die nicht abzuwerten ist.

Ja, ein Hashtag allein verursacht erst einmal wirklich nur viele Worte.
Doch wären diese Worte jemals in diesen Konstellationen gewechselt worden, hätte es den Hashtag nicht gegeben? Was entsteht aus dem, was diese Wortwechsel hervorbringen?

Für mich war #aufschrei nicht nur deshalb gut, weil ich mich endlich nicht mehr so allein mit meiner Geschichte fühlte. Es war auch gut, weil ich zu Worten kam. Es war gut, weil mehr Menschen da draußen von meinem Blog und mir selbst erfuhren- meine Worte hier mehr Menschen erreichten… Dominosteinkette!
Diese kleine Miniraute vor diesem Wort, das so viral ging, hat mich mit meinen Gemögten zusammengebracht, die mich heute so sehr stützen und an deren Leben ich teilhaben darf. Von denen ich weiß, dass ich mich mit ihnen über Dinge, die via Twitter kommuniziert werden, auch real unterhalten, streiten, drüber lachen und wüten kann.

Ist all das nichts?!
So viel nichts, dass noch mal nachgefragt werden muss?

Ich denke nicht.
Für mich, als jemand der auf politischer und gesamtgesellschaftlicher Ebene immer wieder ungehört bleibt, ist es wahnsinnig viel und dies will ich auch als viel anerkannt haben. Egal, wer da auch immer lang kommt und meint mir sagen zu müssen, dass es ja alles nix nutzt.
Es nutzt.
Auch wenns „nur ein Hashtag“ ist.
Am Anfang steht das Wort.

*ich beziehe mich ausschliesslich auf Hashtags, unter denen es um Diskriminierungserfahrungen geht

Sexismus und Politik?

Antje Schrupp hat in ihrem Blog über #Aufschrei geschrieben und formuliert ihren Wunsch, das Thema „Sexismus“ weiter in den Bereich des Politischen zu bringen.

Diesen Wunsch teile ich. Den teile ich in Bezug auf viele Dinge. Doch meine Überlegungen verknoteten sich, als ich mich fragte, wie so eine Politisierung aussähe.

Politik lebt von der Masse der Gleichheit.
Wer als Einzelorgan, eine Masse von Menschen von seinem politischen Handeln überzeugen möchte, der greift alle Gemeinsamkeiten auf und streicht den Rest heraus. Will er sich besonders für die Umwelt einsetzen, spricht er den Wunsch von Menschen auf umweltfreundlich leben zu wollen an und setzt sich dafür ein, soweit seine ihm zugesprochene Macht in Bezug darauf greift. Gleichzeitig vernachlässigt er aber vielleicht andere- weniger stark vertretene Ansprüche. Vielleicht den Bereich der Wirtschaft oder den Bereich des Sozialen.

Demokratie sehe ich als ein Dreieck der Macht durch Vertretung. Unten ganz viele verschiedene Individuen mit jeweiligen Bedürfnissen und oben eine Einzelperson, in der sich die Macht bündelt und für alle gleich sorgen soll.
Es ist wie der Monotheismus: Unten viele Menschen- Oben der eine jenige welche, der über alle wacht, sie begleitet und schützt.

Nun ist es aber nun einmal so, dass auf dem Weg nach oben einiges verloren geht.
So vielleicht besonders bei Themen, bei denen es mehr Gewinner am Verlust des Selbigen gibt, als Verlierer. So ist es nicht schlimm, wenn sich das Thema nicht bis ganz oben durchsetzen kann.

So, glaube ich, ist es auch mit dem Themenkreis des Sexismus.
Es ist eine Dynamik, die mit Ausbeutung, Machtgewinn und Unfreiheit einher geht. Ähnlich wie Sklaverei und Menschenhandel.

Wir leben in einer Grundstruktur, die von Ausbeutung, Machtgewinn und Unfreiheit lebt und gänzlich ohne, nicht weiter funktionieren wird. Hätten alle Menschen gleich viel Macht- würden alle Verantwortung allein tragen, so gäbe es ein Chaos. Angeblich.
Ich mag so etwas nicht glauben, auch wenn ich natürlich sehe, dass ein Kind nicht gleich viel Verantwortung tragen kann, wie ein Erwachsener zum Beispiel. Mein Gegenargument dazu ist aber auch, dass ein Kind nicht so viele Dinge tun kann (weil er sie noch nicht gelernt hat oder weil es körperlich noch nicht reif genug ist).
Doch dies ist nur ein Nebengedanke, den ich hier vorerst anhalte.

Beim Thema des Sexismus denke ich, sollte man sich fragen, was genau er bedeutet.
Wir haben unterschiedliche Geschlechter in unserer Biologie angelegt. Das ist Fakt. Sexismus beinhaltet also für mich eine Benennung eines Unterschieds, die nötig ist. Zum Beispiel in der Medizin, in der Forschung und auch in der Art wie man den Körper belastet. Es gibt diese Unterschiede und sie haben berücksichtigt zu werden. Ohne Wertung! (Eigentlich etwas, dass der Wissenschaft inne liegt, doch von der sozialen Achse meiner Meinung nach viel zu oft missbraucht wird)

Dann haben wir die soziale Achse und da knirscht es gewaltig. Hier und nur hier ist eine Neukonstruktion meiner Meinung nach nötig. Doch wir sprechen hier von einer sozialen Achse- keiner direkt politischen.
Das soziale Miteinander verursacht meiner Meinung nach, die Politik und auch das Gesellschaftsklima, das wir haben.

Antje schrieb in ihrem Artikel, dass sie die zugrunde liegenden Strukturen verändert haben will.
Ich sage, dass die Strukturen zwar sozialen Sexismus stützen, doch nicht verursachen. Die Strukturen sind meiner Meinung nach die Folge dessen, was wir leben.
Wenn man so will, eine Art sich selbst immer wieder in den Schwanz beißende Katze, die das Dreieck der Macht am Rand herunterkullert.

Ich denke, der kleine beschreibende Einschub, den Antje in ihrem Posting machte: „gesellschaftlich(-strukturelles) Problem“, ist es, auf den man sich konzentrieren könnte.
Die Erkenntnis, dass es uns hier in Deutschland so verdammt gut geht, weil wir Stellvertreterkriege im Ausland führen, weil wir Ausbeutung sowohl im eigenen Land, als auch in anderen forcieren, dulden und (in Bezug aufs Ausland) fördern und nähren. Das Wissen um die eigene Unfreiheit, weil wir alle durch die Bank weg, eine Vertretung unserer Interessen und Bedürfnisse auf einzelne Menschen in von uns akzeptierten Machtpositionen diffundieren lassen. Das Wissen, dass es Profiteure von Gewalt gibt und, dass diese Profiteure letztlich wir alle selbst sind- obwohl wir als Personen sie gar nicht ausüben.

Diese Dinge sind, so erscheint es mir manchmal, noch längst nicht überall angekommen und genau deshalb ist es, meiner Meinung nach, erst einmal dran diese zu verinnerlichen und zu vermitteln.

Das Machtspiel unserer Strukturen funktioniert abschneidend nach oben und die Kosten, die der Verlust des Abschnitts verursacht, wird nach unten individualisiert (klar- sind ja auch mehr Köpfe da, als oben).
Es ist kein Kreislauf, zumindest nicht im Kleinen, in dem alles, bei jedem gleich ankommt, jeder mitbestimmen kann, wo es einzig Verlust an dem gibt, was dem Kreislauf als solchem nicht dienlich ist.

Ich will mich nicht in Kapitalismuskritik ergehen, weil auch andere (mir bekannte) Formen, auf ihre Art von Ausbeutung und Unfreiheit profitieren und auch lediglich die Schnittmenge der Gesamtinteressen einer Menschengruppe vertritt.
Wir hier unten sind alle individuell. Es ist nur legitim unsere Probleme, Wünsche und Bedürfnisse auch individuell erfüllt haben zu wollen.

In Bezug auf die negativ sozial- sexistischen Erfahrungen, die uns Menschen begegnen, halte ich ergo auch eine individualisierte Aufnahme für legitim.
Nehmen wir an, dieses Erleben würde politisch aufgegriffen werden. Worum würde es dabei gehen? Würde es um die Folgeschäden in den Menschen dabei gehen? Was genau würde sich verändern, wenn die Politik Gesetze hervorbrächte, die Männer und Frauen gleichstellen würde? (Hint: So ein Gesetz haben wir schon!)

Was genau soll politisch passieren? Sollen uns die Politiker sagen: „Nun haltet euch aber mal hier an das Grundgesetz! Geht respektvoll miteinander um!“?
Welche Strukturen genau soll die Politik verändern, ist doch selbst sie zusammengesetzt aus Menschen, die von sozialen Sexismus profitieren.

Ich glaube, dass der Schlüssel hier einfach die stetige Diskussion ist. Sich auch unbeliebt zu machen, wenn man immer wieder mit dem Sexismusschild um die Ecke kommt.
Umdenken fördern, diskutieren, aufzeigen, zur Veränderung des eigenen Verhaltens ermutigen, für einander eintreten, wenn jemand aufgrund sexistischer Aussagen oder sexistisch motivierter Gewalt in Not gerät. Immer und immer wieder.
Je mehr wir das tun, desto größer wird die Schnittmenge der Gesamtinteressen.
(Mich habt ihr doch auch so gekriegt! 😉 )

Die sonst sich selbst in den Schwanz beißende Katze, die am Rand herunterkullert, wäre irgendwann zu dick um ihren Schwanz überhaupt zu sehen und würde sich, wie Katzen das eben so machen, irgendwann in voller Pracht auf dem Schreibtisch derer ausbreiten, die wir für unsere Vertretung eingesetzt haben, weil uns gerade noch nichts Besseres einfällt, als das Machtdreieck.

Unterm Strich also: Ich glaube, es ist noch zu früh, um jetzt das Thema sozialen Sexismus in die Politik zu bringen, weil es noch zu viel unreflektiertes und auch unbewusstes Nutznießen dieser Dynamik gibt.

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von Gewalt, Vermeidung und Sokrates

“ „Missbrauch ist doch nur Anfassen- geht doch noch“ Aus meiner Kehle kriecht ein krächzender #aufschrei
-„Wo findest du nur immer so einen Mist? Ich bin entsetzt.“

Ein Austausch bei Twitter. Ich fand den Satz in den Kommentaren eines ganz normalen Nachrichtenblogs, der sich in einem Artikel mit dem Thema „sexuelle Misshandlung“ befasste.
Es ist Teil der ganz alltäglichen Debattenkultur im Internet, der ich begegne, seit ich mich auch politisch aktiv mit dem Thema auseinandersetze.

Ich treffe auf Verharmlosung, verbale Gewalt, Leugnung, offenem Anzweifeln am Wahrheitsgehalt der Erlebnisse, die ab und zu geschildert werden. Es ist teilweise eine Hybris der Gewalt, die zum Opfer gewordenen Menschen entgegenschlägt.

Bei manchen denke ich mir, dass es eine gewisse Bildungslücke gibt und auch eine Art „es nicht genau wissen wollen“, also Vermeidungsverhalten.
Etwa bei VerfasserInnen von Sätzen, wie oben. Die Unkenntnis darüber, was der Begriff „sexueller Missbrauch“ eigentlich meint. Tatsächlich kann man anhand des Wortes allein auch keine Herleitung vornehmen- es sagt ja nur etwas von einem falschen Benutzen von Sexualität bzw. ganz eigentlich nur von etwas „Sexuellem“.

Unbildung ist nicht schlimm- dem kann man abhelfen. Dummheit hingegen ist schädlich- und sei es die Dummheit zu glauben, die eigene Unbildung fiele niemandem auf und würde ohne Rückmeldung akzeptiert, wenn sie die Ursache einer Verletzung bei jemandem ist.
Es gibt immer jemanden, der es besser weiß. Und es gibt immer jemanden, von dem man lernen kann, auch ohne bloßgestellt zu werden. Man muss nur bereit, schlau und mutig genug sein, sich dafür zu öffnen. Und sei es vor sich selbst.
Unser StGB ist ausführlich in Bezug auf „sexuellen Missbrauch“, „Nötigung“ und viele spezielle Straftatbestände. Langsam aber stetig öffnen sich zum Opfer gewordene Menschen öffentlich und sprechen oder schreiben über die erlebte Gewalt. Man muss es nur lesen oder zuhören. Und lesen bzw. hören wollen.

Doch das tun leider noch viel zu wenige Menschen, die mit (sexueller) Misshandlung konfrontiert werden. Sei es als selbst betroffener Mensch, noch als peripher betroffener Mensch. Wie schon in einem Artikel geschrieben: ich halte es so, dass jeder, der mindestens mal mit dem Begriff konfrontiert wurde, gleichsam als „betroffen“ gilt, wie der Mensch, der zum Opfer von Gewalt wurde.
Entsprechend meiner Auffassung sind wir also alle alle alle miteinander irgendwie von Gewalt betroffen.

Doch dies von sich zu weisen ist elementar für viele Menschen. Auch gerade für VerfasserInnen solcher und ähnlicher Sätze. Weil ich davon überzeugt bin, dass die größte Antriebskraft zum Handeln von Menschen große Gefühle sind, gehe ich in Bezug auf dieses Verhalten von Angst aus.
Vielleicht einer Art Angst vor Bewusstsein und dessen Auswirkungen auf sich selbst. Dem Bewusstsein von Gefahr, dem Bewusstsein von: Es könnte auch mich (be)treffen. Ich könnte gefordert sein- an mich könnten (zu hohe) Ansprüche gestellt werden- an mich wird Verantwortung heran getragen, der ich nicht entsprechen kann.
Dem Bewusstsein eigener Ohnmachtsgefühle.

Unbewusstsein schützt.
Ich bin oft dankbar dafür, vieles aus meiner Biografie nicht zu wissen. Die Gewalt, der mein Körper und Teile meines Seins ausgesetzt waren, abgespalten zu haben.
Hätte mein Gehirn das nicht gekonnt, wäre ich an einem Schock gestorben. Und damit meine ich nicht den körperlichen Schock. Dissoziation verhindert einen neuronalen Informationsüberflutungsschock.
Deshalb können wir Menschen das. Deshalb tun wir das den ganzen Tag- mal mehr, mal weniger stark. Auch ohne eine dissoziative Störung (die eigentlich den störenden Einfluss der Dissoziation meint) zu entwickeln.

Ich gönne jedem seine Vermeidungsblase. Wirklich jedem. Man kann sie sich schön einrichten und nach außen hin produktiv und gut funktionieren.
Aber sie hat nichts bei anderen Menschen verloren!
Sie braucht auch nicht verleugnet zu werden. Sie ist ein Fakt im Leben jedes Menschen. Niemand ist sich allem gleich bewusst- niemand weiß alles und niemand will alles wissen. Es ist ein Selbstschutz der nötig ist, weil er das eigene Leben auch positiv beeinflusst- und sei es zur Aufrechterhaltung der eigenen Funktionalität.

Doch das heißt nicht, dass es das, was man von sich fernhalten will (und muss) nicht gibt! Das heißt nicht, dass schreckliche Ereignisse nicht passieren.

„Ich weiß, dass ich nichts weiß“ – Sokrates. Bereits vor vielen tausend Jahren.
Eine Erkenntnis die sich alle Menschen vor Augen halten sollten.
Auch, jene, die ihre Augen festzusammen kneifen und sich einen Holzkasten um ihre Vermeidungsblase zimmern.
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Doch auch zu dieser Erkenntnis kommt man nicht ohne einen gewissen Schmerz. Es ist nötig sich dazu selbst zurück zustellen. Es braucht Demut vor eigener Unfähigkeit. Ein Zugeständnis der eigenen Fehlbarkeit und auch Unzulänglichkeit in Bezug auf die Dinge, die uns begegnen.
Es braucht einfach den Schmerz, der einen überkommt, wenn man feststellt, dass man eben doch nicht immer und in Bezug auf alles „Mensch der Lage“ ist. Eben doch nicht alles kontrollieren kann. Eben doch, in manchen Situationen den Dingen ihren Lauf lassen muss. Umstände und auch Zustände einfach mal so lassen muss, wie sie nun (zu diesem Zeitpunkt) einmal sind- auch wenn es schmerzt, auch wenn es einem im ganzen Körper zappeln lässt, doch aktiv einzugreifen.

Manche Menschen haben ihn noch nicht genug erlebt. Manche erleben ihn nie.
Doch das ist kein Grund für Gewalt gegen andere Menschen, in dem man ihnen ihre von der Vermeidung beeinflussten Sicht der Dinge aufzwingt.

Ich schrieb dem Menschen in der Kommentarspalte einen entsprechenden Auszug aus dem StGB und wies ihn darauf hin, dass er Gewalt ausübte, als er den Kommentar verfasste.
Bis jetzt kam keine Antwort.
Ich rechne auch mit keiner. Ich will keine. Ich brauche keine für mich.
Ich habe dem Menschen gegeben, was er  meiner Meinung nach brauchte. Mehr kann ich nicht tun.
Wenn es ihm geholfen hat ein größeres Bewusstsein zu entwickeln, freue ich mich. Wenn nicht, dann trete ich einen Schritt zurück und tröste mich mit der Vorstellung eines kleinen Risses in seiner Vermeidungsblase.
Ich weiß, dass ich nichts weiß. Auch nicht über diesen Menschen.

Gegengewalt

In der Nacht von gestern zu heute erlebte ich live mit, wie jemand aus meiner Twittertimeline in der S-Bahn einen sexualisiert motivierten Übergriff erlebte.
#Aufschrei wurde von der Stand-by- in die Top-Aktuellschleife verlegt.
Und wieder kamen die bösartigen- auch hasserfüllten Tweets von anderen Menschen und damit weitere Gewalt in meine Timeline.

Erst die Keule des Liveaufschreis, dann die der Gewalt der eben genannten und dann die Keule der eigenen Gefühle. Es ist immer ein Schlag, wenn wir mit Gewalt konfrontiert werden. Ich saß hier, hielt mein Icepak fest, war dankbar über die vielen Tweets mit Anleitungen wie Zivilcourage umgesetzt werden kann, froh um jeden Support den die Betroffene erhielt und trieb ansonsten wie Totholz in meiner eigenen Suppe.

Ich weiß, dass ich in der gleichen Situation nicht sofort hätte handeln können. Ich weiß genau, dass ich nie sofort handeln kann, wenn ich so konfrontiert werde. Mein Gehirn fährt seinen Dissoziationsschutzschild auf und ich stehe dahinter. Gedanken- und Impulslos. Ohnmächtig und unfähig.

Auch unfähig zu Gegengewalt.
Ich schaffe es nie einem bösartigen Twitterer oder einer bösartigen Twitterin so etwas wie „Verpiss dich in das Loch aus dem du gekrochen bist“ oder „Dem Arsch gehört in die Eier getreten“ zu schreiben.
Und das ist gut so!

Als Teenie habe ich den“Schunder- Song“ der Ärzte gehört. Darin singen sie: „Gewalt erzeugt Gegengewalt- hat man dir das nicht erzählt? Oder hast du dabei, wie so oft, im Unterricht gefehlt?“

Gut- es ist fraglich, welchen Unterricht sie meinten, denn ich kann mich nicht erinnern in der Schule eine Unterrichtseinheit: „Wie wir für ein friedliches Miteinander wirken können“, genossen zu haben. Davon abgesehen, halte ich Bildung allein nicht für einen Garant für Kenntnis über diesen Fakt, aber egal.
Die Grundaussage stimmt: Gewalt erzeugt Gegengewalt

Wenn das Ziel aber ein gewaltloser, friedlicher, respektvoller Umgang sein soll, ist es schlicht kontraproduktiv Gegengewalt auszuüben.

Doch was dann? Man muss doch etwas tun können! Man muss doch eine Möglichkeit haben, Grenzen aufzuzeigen und die Achtung selbiger einfordern können.

Was mir bei vielen der Hasstweets aufgefallen ist, ist, dass sie die Grenzen der Menschen, die damals schon zu #Aufschrei ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus twitterten, erst einmal grundsätzlich in Frage gestellt haben. Dort oft auch grundlegend eine Unkenntnis darüber vorgeschützt wurde.
Auch sehr bezeichnend in dem Zusammenhang Günther Jauch und der „Pick-up- Artist“ Maximilian Pütz.
In der Sendung tippte Herr Jauch, Anne Wizorek auf die Schulter und fragte, ob dies bereits sexuelle Belästigung sei. Das gleiche Muster benutzte der „Pick-up Artist“ in einer ZDF- Sendung ein paar Tage später, als er vertrat, Männer könnten Frauen nicht lesen und hätten somit keine Kenntnis darüber, was diese als Belästigung auffassten und was nicht. Dabei ist der Kontext jeweils sehr eindeutig gewesen.
Günther Jauch tippte Anne Wizorek an, um ihre Aufmerksamkeit des Gesprächs auf ihn zu richten- ergo keine sexuelle Belästigung.
Der „Pick-up- Artist“ bringt Männern mit sexuellem Interesse bei, an Frauen so nah heran zu treten bis sie sich massiv wehren müssen, wenn sie den Kontakt nicht wünschen- ergo Anleitung zur potenziellen sexuellen Belästigung.

Beide jedoch dominierten die Situation. Sie nahmen die Definitionsgewalt über den Kontext an sich – noch während sie- ja fast- jammerten, die Betroffenen seien jene, die bestimmten, wann etwas als Belästigung gilt und wann nicht. Dabei würden sie in der gleichen Bedrängnis mit Sicherheit vehement auf genau dieses Recht pochen!275472_web_R_K_B_by_Michael Ottersbach_pixelio.de

Und da ist ein Punkt: Selbstreflektion.
„Wie würde ich mich fühlen, wenn mir XY geschehen würde?“
Das haben diese beiden Herren und meiner Meinung nach die meisten der bösartig twitternden Menschen nicht getan. Sie haben den wichtigsten Punkt im sozialen Miteinander ausgelassen- übersprungen, schlicht nicht gemacht.

Warum?
Selbstreflektion hat etwas mit „sich- seiner- selbst- bewusst- sein“ zu tun. Wer bin ich, was kann ich, was sind meine Bedürfnisse, wo ende ich und wo fängt mein Gegenüber an? Was für Auswirkungen hat das Verhalten anderer Menschen auf mich? Welche Wirkung hat mein Verhalten auf andere Menschen? Was genau ist meine Handlungsintension?

Sich solche Fragen zu stellen kostet Raum, Mut, Kraft und Unterstützung bei der Verarbeitung der Krise, die eventuell darauf folgt.
Krise? Welche Krise?
Erinnern Sie sich an ihren ersten dicken Weltschmerz? Den ersten furchtbaren Liebeskummer? Da haben sie ihre Krise die folgt, wenn man sich diese Fragen stellt.

Raum für die eigenen Bedürfnisse und Unterstützung finden wir nur bei mit uns verbündeten Menschen. Mut und Kraft entwickeln sich in diesem Kontakt und je nachdem, wo unsere Bedürfnisse gelagert sind, erwächst daraus unser Handeln.
Männer haben eine Machtposition in unserer Gesellschaft. Sie können ihre Bedürfnisse nach Kontrolle (und damit Macht) mit weniger Hindernissen befriedigen als Frauen. Es gibt Ausnahmen- na klar- auch Männer sind von Sexismus betroffen- doch noch immer sitzt am Ende der langen Machthierarchie ein Mann.

Es geht nicht darum niemandem Kontrolle zu gewähren. Niemandem soll Macht abgesprochen oder genommen werden- wozu auch? Zur normalen Dynamik im menschlichen Miteinander gehört auch die Dominanz in einer Situation. Doch Dominanz ist etwas anderes als Gewalt!

Dominant ist der Mensch, dem besonders nützliche Fähigkeiten anerkannt werden, aufgrund derer er eine Situation verantwortungsbewusst (den Bedürfnissen seiner Gruppe- oder seinen eigenen entsprechend) agieren kann. (Das ist ja der Punkt der mich bei Jauch immer so aufregt: Jeder sieht, dass er ein schlechter Moderator ist. Doch weil ihm die Sendung gehört, gilt er als „Chef“- er dominiert, obwohl es andere besser könnten.)

Das ist der Grund, weshalb ich die Menschen in meiner Twittertimeline so mag. Die meisten haben überlegt wie man der Betroffenen helfen kann, haben überlegt, wie man sich in solchen Situationen verhalten kann. Haben, wie ich jetzt, über die Gründe der Situation nachgedacht. Sie haben sich reflektiert und waren deshalb für mich eine gute Dominanz während ich so ohnmächtig und traurig war.

Ich möchte versuchen solchen bösartig twitternden Menschen mit der Frage zu begegnen, wie es ihnen ginge, würden sie so eine Situation erleben- auch wenn ich weiß, dass viele von ihnen noch viel zu dick eingepackt sind in ihren Schutz vor dem Schmerz und der Ohnmacht, die sie überkommen könnte, wenn ihnen bewusst wird, was sie eigentlich gerade tun. Wie vielleicht auch einsam sie sind. Wenn ihnen klar wird, dass sie etwas tun, was sie sich für sich selbst nicht wünschen.

Ich stürze mich nicht in die Begegnung mit ihnen. Dazu bin ich nicht stark genug. Aber wenn einer kommt, will ich nicht mehr schweigen. Der #Aufschrei war laut- wieso sollte ich leise bleiben, wenn ich doch meine zu wissen, was gebraucht wird, um ihn auch von allen Menschen gehört und verstanden zu wissen, auf dass eine Veränderung der Ursachen geschiet?

nicht das Gleiche- nur bei allen Frauen gleich

Es ist nicht vergleichbar.
Nein überhaupt nicht.

Das hier nennt man medizinische Hilfe.
Nicht Gewalt.

Es schreit im Kopf.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Es tut weh und es gibt keine Alternative.
Ohnmächtig fühlend und nicht in der Lage sich zu äussern oder zu flüchten.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Man wird gedemütigt.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Uns wird das Leben gerettet
und dabei, aus Versehen, die Seele erschüttert.

Das ist nicht das Gleiche, denn andere bestimmen, was gleich ist und was nicht.

Wir waren nur beim Arzt
nicht bei einem Vergewaltiger.

Es war nur Verhelfgewaltigung.
Nichts worüber man klagen sollte.

Das erleben ja jeden Tag viele Frauen.159177_web_R_K_by_Dieter Kreikemeier_pixelio.de
Das ist ja nichts Besonderes.

Was lässt du dir das auch bieten?
Geh doch woanders hin!
Wehr dich doch!
Es ist doch nicht das Gleiche!

Eine Art #Aufschrei
Immerhin

einen Tag später, nach 30km Flucht