der Rosenblätterhulk marschiert wieder

Willkommen zum neusten Durchbruch des Rosenblätterhulks, welcher von „Wie kann man nur so blind sein?!“ skandierenden Rosenblättern durch den Blogartikel begleitet wird.

Heute wurde der neuste Arzneimittelreport der BARMER GEK veröffentlicht.
Uh- ja es gibt einen Anstieg von 41% bei der Verordnung von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen! Huch jeder zweite Senior zwischen 80 und 94 Jahren ist von Polypharmazie betroffen!
Oh mein G’TT !!! Wer hätte das denn ahnen können!!! Oh nein!!!

Wir brauchen ganz doll dringend eine elektronische Vernetzung der Ärzte!!!! Ganz doll schnell verdammt, sonst…. DA DA DA DAAAAAAA könnte jemand auf die Idee kommen, die Ärzte, Pfleger- oder… oh my fucking G’dness DIE PATIENTEN SELBST zu unterstützen und sich den Faktoren für steigende Arzneimitteltherapieverordnungen selbst widmen!

Wir könnten die Mediziner noch mehr ausbeuten, indem wir sie noch effizienter (heißt schneller schneller schneller) zu arbeiten zwingen. Wir könnten von „technischem Versagen“ sprechen und nicht von einem medizinischen Kunstfehler, wenn aufgrund der Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten ein Mensch verstirbt. Ach und nebenbei könnten wir auch noch viel besser den Patienten mangelnde Mitarbeit und/ oder riskantes Verhalten beweisen, wenn es ihnen nach einer bestimmten Zeit mit ihrer Erkrankung nicht besser geht! So sparen wir viel mehr Geld im Bereich der Heilbehandlungen!

Nur in den Pflegeheimen, da müssen wir uns etwas überlegen. Ist ja immer medizinisch begründet, wenn Menschen mit Demenz mit Benzodiazepinen und Neuroleptika abgefüllt werden. Die sind ja dement und nicht etwa zusätzlich noch posttraumatisch belastet und in Unterkünften, die gerade mal eben so eine Grundversorgung schaffen. Da so mit einer examinierten Pflegekraft, einer Aushilfe und einer studentischen Hilfskraft auf der 25 Bettenstation…

Boa Leute echt mal. Das kann doch nicht wahr sein!

Da wird erst mal gleich zu Beginn, am Anfang von allem, einem Wirtschaftsunternehmen die Aufgabe der medizinischen und krankheitstherapeutischen Grundversorgung von Menschen zugetragen. Fail Nummer eins. Gesundheit dürfte nichts kosten! Genauso wenig, wie sauberes Trinkwasser (Hint: Nestlé) und ein Dach über dem Kopf (Hint: Wohnungsknappheit durch Bevorzugung bei der Baugenehmigung von Luxushäusern).

Und dann gibt man ihnen auch noch so viel Raum, dass sie sich aufgrund dieser Monopolposition als Allwissende über sämtliche Faktoren, die eine Medikation oder Heilbehandlung nötig macht, stellen kann.

Verdammt nochmal- es liegt nicht an zunehmenden Krankheiten oder der Zunahme von Diagnosestellungen, die zu steigender Arzneimittelverordnung führen (immerhin wurde dies im Artikel auch erwähnt). Es liegt an beschissener Versorgung und ausreichender- konstant und gründlich durchgeführter- Hilfe!

Wie soll sie denn auch passieren, wenn immer knapper kalkuliert wird, um die Gier an der Konzernspitze zu befriedigen?! Sowohl bei den Geldgebern, als auch an den Konzernspitzen der Geldnehmer!

Nehmen wir mal an, ein Arzt bräuchte für seine kleine Praxis nicht um die 150 Patienten um seine Praxis so zu führen, dass er sich ausreichend weiterbilden und selbst ernähren kann. (Ich weiß nicht wie viele Patienten ein Arzt tatsächlich braucht- es ist fiktives Modell, dass ich hier darlege)
Sagen wir, er bräuchte nur noch die Hälfte. Er hätte doppelt so viel Zeit, sich der Anamnese zu widmen, hätte doppelt soviel Zeit sich die Akte des Patienten durchzulesen  Hätte doppelt soviel Zeit sich die Rote Liste vorzunehmen und eine Arzneimitteltherapie so risikoarm wie möglich zusammenzustellen.
Er hätte sogar die Möglichkeit seine Patienten ohne Medikamente zu versorgen, sondern bei der Änderung ihrer Lebensumstände hilfreich zu sein. Er hätte die Zeit sich mit den anderen BehandlerInnen über seinen Patienten auszutauschen und abzustimmen.

Meiner Meinung nach, würde ein elektronisches Datennetz zum Patienten dazu führen, dass der Arzt selbst im Grunde genommen nur noch dazu da wäre, die Symptome seiner Patienten in einen Computer einzugeben. Und selbst das, könnten die Patienten im Wartezimmer in vielen Fällen bereits allein tun, in dem man ihnen einen Ankreuzdatensatz vorlegt.
Der Arzt würde zum Rezepteschreiber degradiert- noch einmal mehr, als er es heute oft genug bereits ist.

Beispiel?
Meine Neurologin und mein Hausarzt zum Beispiel.
Ich ging zu meinem Hausarzt, saß 5 Minuten da und sagte ihm, dass ich in der Psychiatrie auf das typische Traumatriple ABN (Antidepressiva, Benzodiazepine und Neuroleptika)  eingestellt wurde und laut Klinik eine Folgebehandlung nötig sei. Er hatte nicht die Zeit eine weitere Anamnese zu erstellen, außerdem fällt die psychiatrische Behandlung von Patienten in den Fachbereich der Neurologen/ Psychiater. Er fragte nach dem Namen der Mittel und schrieb sie auf. Dann fragte er nach sonstigen Erkrankungen. Ich gab an allergisch auf Penicillin zu reagieren, am Reizdarmsyndrom zu leiden und leichten Heuschnupfen zu haben, sowie zu somatoformen Dissoziationssymptomen zu neigen.
So- für ihn war alles klar. Ich bin psychisch krank- nicht sein Fachgebiet- Überweisung und fertig.

Meine Neurologin, nahm meine Klinikzettel entgegen und verschrieb mir durchgehend ein Mittel, das mir als Nebenwirkung Krampfanfälle verursachte. Ich ging damit in eine Klinik, die auf epileptoforme Erkrankungen spezialisiert ist. Diese gab mir einen Zettel für die Psychiaterin mit auf dem stand, ich hätte keine Epilepsie, sondern dissoziative Krampfanfälle.

Meine Psychiaterin schrieb mir dies auf einen Zettel für die Psychotherapeutin.
Ich fand heraus, das meine Krampfanfälle aber keinen seelischen Effekt hatten (wie es typisch für dissoziative Krampfanfälle ist). Also ging ich zu meinem Hausarzt und sagte ihm, dass ich mir unsicher in Bezug auf meine Medikation sei und dringend einen Rat brauchte, wo ich zu Informationen dazu komme. Ich sagte ihm, dass ich an eine Wechselwirkung mit den verschiedenen Psychopillen glaube.
Mein Hausarzt hatte 5 Minuten für mich. Zu wenig die rote Liste zu studieren und festzustellen, dass daran tatsächlich etwas dran sein könnte. Meine Neurologin hatte 10 Minuten für mich. Zu wenig, um dies zu tun, denn etwa 8 Minuten brauchte ich, ihr alle Zusammenhänge zu erklären und zu formulieren, was meine Gedanken dazu waren. Meine Behandlungszeit ging für die Zusammenfassung meiner Behandlung durch 3 verschiedene BehandlerInnen drauf!
Meine Psychotherapeutin hatte 50 Minuten für mich, in denen sie mich anhörte und das Gespräch beenden musste mit: „Sprechen Sie mit ihrem Arzt darüber.“.

Natürlich hätte ich davon profitiert, wenn es eine zentral abrufbare Akte für mich gegeben hätte. Aber ich hätte genauso davon profitiert, wenn sich meine BehandlerInnen ausführlich und vernünftig mit meinem Fall hätten auseinandersetzen können. Nämlich mit Zeit, die sie auch vernünftig bezahlt bekommen hätten.

Und ganz ganz klar, kann ich heute sagen, dass ich keines der Medikamente überhaupt je wirklich gebraucht hätte, hätte es bereits in der psychiatrischen Klinik Zeit und Ressourcen gegeben, die mir den Umgang meiner Traumafolgestörung ohne Medikamente vermittelten.

Ich persönlich hätte überhaupt nie in die Klinik gemusst, wenn es in den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen Zeit und Ressourcen gegeben hätte, meine Hölle von Kindheit zu verarbeiten.

Ich hätte überhaupt nie in eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung gemusst, wenn mir nie Gewalt und Ausbeutung passiert wäre!

Mir wäre nie Gewalt und Ausbeutung geschehen, wenn es keine Profiteure und Geld als Garant für Sicherheit und Machtbefriedigung gäbe.

Und so schließt sich der Kreis.108423_web_R_by_Claudia Hautumm_pixelio.de
Er wird sich nichts verändern mit elektronischer Patienten- oder Behandlungsüberwachung. Er wird nur besser organisiert, verschleiert und verschärft die wahren Probleme, die hinter Massenmedikationen stecken.

Es ist wieder ein Versuch sich vor der wirklichen Aufgabe als Unternehmen mit Gesundheitsdienstleistungen kostengünstig zu verkriechen.
Ein Ding, das den Rosenblätterhulk marschieren lässt.

Wir werden in der nächsten Zeit immer mehr Ergebnisse dieser Studie in den Massenmedien lesen und wir werden wieder erleben, dass in diesen Artikeln nicht von Zeitnot der MedizinerInnen gesprochen wird. Dass nicht davon gesprochen wird, dass Angehörige gezwungen sind, ihre dementen Familienmitglieder in Heime bringen zu müssen, weil sie selbst arbeiten und zu Recht um ihre Existenz und Kraft fürchten müssen, wenn sie sie zu Hause pflegen müssten. Wir werden nicht davon lesen, dass Eltern so eine Angst um die Zukunft ihrer Kinder haben, dass sie ihrem „Zappelphillip“ Medikamente geben, um ihm Chancen zu erhöhen in der Gesellschaft zurecht zu kommen. Wir werden nicht davon lesen, dass nur 10% der Menschen, die eine psychiatrische Diagnose haben, überhaupt eine Chance auf eine richtige Behandlung haben. Wir werden wieder nichts davon lesen, dass es ein Klima der Angst um Leib und Leben ist, von dem unsere „Gesundheitskassen“ profitieren.

Wir werden nur lesen, dass das bestehende Elend besser organisiert werden muss.
Machen wir nicht Fehler, dies zu glauben!

Vom Fühlen ins Handeln kommen

Diese Woche wurden Ergebnisse einer sozialwissenschaftlichen Studie der Uni Bielefeld bekannt gegeben. Sie zeigte, dass fast ein Viertel (22,3 Prozent) von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen (28 Prozent davon sind Kinder ab sechs Jahren, etwa 17 Prozent Jugendliche) werden.
Die „
Bild“ hat daraus gleich mal einen Schlachtruf: „Rettet die Kinder“ gemacht und die „Taz“ stürzte sich auf die sozialen Umfelder der Kinder.

Ich saß hier und fragte mich, wieso ausgerechnet der Pharmariese Bayer diese Studie in Auftrag gegeben hat und nicht der Staat selbst. Dieser steht nämlich in der Pflicht die Menschen in diesem Land vor Gewalt zu schützen und sollte, meiner Meinung nach, folgerichtig auch dafür sorgen, dass erlassene Gesetze eingehalten werden. Indem er zum Beispiel eine Umgebung schafft, in dem Kinder zu ihrem Recht auf gewaltfreie Erziehung kommen und dies mittels Studien/ Bevölkerungsumfragen überprüft.

Mehr gibt es nämlich nicht. Nur dieses Recht auf Gewaltfreiheit. Nicht etwa: ein Verbot von Gewalt (an Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und erwachsenen Menschen).

In den letzten Jahren wird immer öfter über Kinder berichtet, die von ihren Eltern getötet, schwer misshandelt und auf verschiedene Arten gequält wurden. Es folgt eine Welle der Empörung, der „Kinderschänder an die Wand“- Rufe und Schimpftiraden auf das zuständige Jugendamt. Dann ist die Story abgenudelt und wir kommen zum Sport, zum Wetter und den Stars.

Immer wieder kommt im Empörungsrausch: „Ja wieso haben die das Kind da nicht rausgeholt?“, „Wieso wird so viel Gewalt gebilligt, bis da endlich mal was passiert?!“, Schlechte Eltern!“.

Ich persönlich, kenne keine schlechten Eltern. Aber viele Menschen, die Eltern wurden und schlecht mit ihren Kindern umgingen, weil sie es nicht „gut“ konnten oder auch nicht wollten.
Diejenigen die es nicht können, profitieren sehr von Hilfestellungen von außen und können die Gewaltspirale verlassen.
Die, die es nicht wollen, wissen entweder, wie sich sich aus dem Radar des Staates herausziehen können oder fallen durch die Raster der Möglichkeiten der Hilfen. Sie fallen erst auf (und werden zur Story), wenn ihre Kinder tot sind.

Ich habe ein gewisses Grundverständnis dafür in großer Emotion die Ratio, Ratio sein zu lassen und die Sache mit dem Weiterdenken auf später zu verschieben. In Bezug auf Gewalt an Kindern hingegen, so denke ich, sollten wir seit den Erfolgen der großen Aufklärungsphilosophie des 18. Jahrhunderts eigentlich langsam mal fertig sein mit dem Emotionswirken allein. Zu der Zeit begann man bereits sein Handeln und Denken zu hinterfragen und bildete die Grundlage für neue Ansätze und Umgänge, die sich bis heute immer wieder neu aufnehmen und mühelos anpassen lassen.

Wir sind soweit, dass wir Gewalt ablehnen.
Aber immer noch nicht soweit, zu gucken, wie man ohne zurecht kommt. Ob nun als Opfer oder als Täter.
Und wir denken immer noch, Heime seien besser für Kinder als ein Leben in einem Umfeld, das ihnen nicht gut tut- aber Chancen zur Veränderung hat!

Meiner Meinung nach, spielt hier mit rein, was ich im Artikel „Heim, Klapse, Knast“ schrieb: „Weggeben ist leichter als Annehmen.“. Doch wem hilft das?

Eine Familie die im Chaos lebt, dessen Spitzen sich an den Kindern entladen, hört nicht auf im Chaos zu leben und Gewaltpotenzial zu nähren, wenn die Kinder da raus sind. Die Eltern lernen keinen anderen Umgang mit ihren Kindern, wenn diese nicht bei ihnen wohnen. Sie können gebildet werden, können sich Wissen aneignen, wie ein gewaltloser und friedfertiger Umgang aussehen kann. Doch an dieser Stelle denke ich, haben wir es mit einem klassischen Fall von: „Bildung hilft- nutzt aber nix.“ zu tun.
Was nützt der beste Vorsatz und das festeste Wissen, wenn die Kinder dann wieder da sind und alle auf einmal Brechdurchfall haben, die Nachbarn auf jedes Mucken aus der Wohnung der „schlechten Eltern“ mit dem Jugendamt drohen (und damit eine Instanz, die Hilfen zu vermitteln verpflichtet ist, zur Waffe machen!) und niemand dann (und zwar genau DANN!) zur Seite steht?

Was geht in den Kindern vor, wenn sie auf einmal in ein Heim sollen?
Es hat sich viel getan in der (Heim- und auch Schul-) Pädagogik und doch ist es eine Massenverwahrungsstelle in der man die Aufmerksamkeit und Nähe zu Erwachsenen nicht nur durch die Anzahl der Geschwister, sondern die Anzahl der Mitbewohner, des Telefons, des Alltagsgetümmels teilen muss, noch während man seine Eltern vermisst, die Umgebung und Gegebenheiten verarbeiten und in sich integrieren muss, was man nach Jahren von Gewalt- und unsicheren/ chaotischen Bindungserfahrungen nur schwer bis gar nicht kann.

Ein Heimkind ist in der Regel einsam.
Alles was mit ihm zu tun hat, ist diffundiert in Behörden, Gesetze, Richtlinien und Konzepte. Für ein Kind ist das eine graue Eminenz, die alles bestimmt, doch nie mit ihm spricht.
Das Umfeld verdient an der Obhut Geld. Zeit und Raum werden zum heiligen Gral der Privilegien.

Wir wissen heute so so so viel mehr darüber was Gewalt für Folgen hat und doch nutzt uns all diese Bildung nichts, wenn wir wieder von solchen Studienergebnissen, der schrecklichen Lebensrealität von Kindern oder Gewaltopfern allgemein stehen.

Mich hat diese Studie nicht überrascht. Sie gleicht unzähligen Studien aus anderen wissenschaftlichen Bereichen und hat für mich lediglich Aktualitätswert. Außerdem halte ich es für eine Frechheit, dass sich Pharmakonzerne auf Kosten der Opfer mit einem „Wir sind sowas von sozial engagiert und nah am Menschen“- Aufkleber bedeckt, gleichzeitig aber an ihrem Leiden verdient, in dem es Psychopharmaka und andere medizinisch relevante Mittel herstellt.

Ich warte auf Lösungen und Handlungen, die solchen Zahlen entgegen wirken.
Ein Zweig davon ist bereits installiert, doch mangelhaft. Das Jugendamt und all seine Möglichkeiten zum Beispiel, Familienberatungsstellen, die dünn gesät und überlaufen sind, sowie das Modell der „
Elternschulen„.

Das Stigma der „schlechten Eltern“, ist durchschlagend und hinderlich.
„Wer ein schlechtes Elter ist, kann ja gar nichts richtig machen. Ist minderwertig/ böse/ schlecht durch und durch, vielleicht nicht ganz dicht und gehört selber auch weggesperrt.“
Wer hört, er sei ein schlechtes Elter, kommt in Anpassungsstress und den Druck es Außenstehenden recht zu machen (nicht es sich und seinen Kindern recht zu machen!). Dabei ist Druck und Stress das Letzte was jemand, der sich in Gewaltorgien Luft macht, noch braucht.
Und welches „schlechte Elter“ geht irgendwo hin und sagt: „Ich brauche Hilfe.“?

Aber welches auch „schlechte Elter“ würde es ablehnen, wenn jemand käme und sowas sagt wie: „Boa, du siehst aber schlecht aus- soll ich mal ein paar Stunden auf die Kinder aufpassen, damit du deine Sachen in Ordnung bringen und dich mal ausschlafen kannst?“- es ist eher das Elter, dass das Leid seiner Kinder wirklich will (und braucht), als das, das echt unterm Zahnfleisch läuft.

Die Annahme, dass jedes Elter das Beste tut, was es eben gerade kann, brauchen wir. Wir alle. Auch wenn wir andere Maßstäbe und Anforderungen an uns selbst haben.
Für die einen Eltern ist der Anspruch seine Kinder von 8 bis 18 Uhr  in Sprache, Sport oder was weiß ich auszubilden- für die Anderen die Kinder grundversorgt zu bekommen, ohne zum Täter an ihnen zu werden.

Ich habe die Schnauze voll davon, dass sich sogar Eltern untereinander ihre Elternschaft zum Wettbewerb machen und das in die ganze Gesellschaft hinaus tragen. Dass so oft und immer wieder die Basis- nämlich das Leben der Kinder selbst- so massiv zur Seite geschoben wird und man sich in Kürschnörkeln rund um „gut“ und „schlecht“ verliert (und dabei dann eben auch abschiebt, statt anzunehmen), nur um seine Angst vor dem Versagen als Eltern zu beruhigen.

Man ist ein Elter sobald man ein Kind gezeugt oder geboren hat. Dann ist man Mensch mit Versorgungsauftrag und Verantwortung über ein Kind. Nicht mehr und nicht weniger. Der Begriff des Versagens über diesen Auftrag allein, reicht nicht um etwas zu verändern.
Zu versagen kann immer passieren- doch das heißt nicht, dass damit immer und in jedem Fall der Auftrag als solcher abzunehmen ist. Er hat erst einmal unterstützt zu werden, vielleicht umkonstruiert zu werden.

Gewalt an Kindern geht weder weg, noch wird sie ungeschehen dadurch, dass man sie in Heimen oder Pflegefamilien unterbringt.
Gewalttäter hören nicht auf Gewalt auszuüben oder zu leben, oder zu phantasieren, wenn sie keine Opfer mehr im Haushalt haben.

Was wir wissen müssen, um Gewalt zu verhindern und zu verwandeln, wissen wir längst.
Es wird Zeit dieses Wissen anzuwenden und zwar mit allen verfügbaren Hilfsstrukturen die wir haben. Und seien es unsere eigenen zwei Hände, die wir helfend hinhalten, wenn wir sie selbst gerade frei haben.

nur wollen

„Wir können alles schaffen genau wie die toll
dressierten Affen wir müssen nur wollen
Wir können alles schaffen genau wie die
toll dressierten Affen wir müssen nur wollen
wir müssen nur wollen
wir müssen nur wollen
wir müssen nur wollen
wir müssen nur
(müssen nur)
müssen nur
wir müssen nur wollen…
(Wir sind Helden- aus: “Reklamation”)

Ach ja… die Nummer mit dem Wollen, die aufgedrückte Ausrede um Verantwortung zu verteilen,
die gemeine Art (sich) zu sagen, man sei selbst Schuld…
Phu es dauerte lange, bis wir aus dem Kreislauf raus waren und eins gleichmal vorweg- unsere damaligen Helfer waren dabei keine Hilfe.

ca. 3/4 bis etwas über 14 Jahre alt, “Wenn du es nicht anders willst…” – zerstörende Qualen

15 Jahre alt, Suizidversuch Nummer 9 [oder 10?- Man-Hallo?! Irgendwie war es doch immer das Gleiche], Einweisung in eine psychiatrische Krisenstation, schon wieder.
“Wenn du eine Veränderung wollen würdest, dann würdest du das nicht immer wieder machen.”

15 Jahre alt, Tick Tack- Therapeut, Suizidversuch Nummer 10 [oder 11 weiß der Geier], Rausschmiss aus der Wohngruppe: “Du willst dich ja nicht an die Absprachen halten.”

16 jahre alt, Diagnose Schizophrenie, Nebelwand aus Neuroleptika, Tranquilizern und Antidepressiva, Täterkontakte und Maschinenfunktion in Reinkultur:
“Du musst schon reden wollen, sonst muss ich denken, dass du die Hilfe hier nicht willst”

17 Jahre alt, Leben in der xten Wohngruppe, das xte nichtsagende Gesicht vor Augen,
“Du musst das hier auch wollen, sonst können wir nichts für dich tun”

Himmel wie wir wollten!!! Wollen wollten. Wollten, dass sie alle wollten!
Wie sehr wir in dieser Zeit hinter den Augen standen und aus allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln heraus geschriehen haben, dass wir wollen. Dass wir ein Ende wollen, dass wir Rettung wollen, dass wir Hilfe wollen, dass wir Erlösung von all dieser Qual wollen.

Aber wie das so ist… wenn der Dressierte versucht zu dressieren, kann das prima klappen- aber auch fürchterlich in die Hose gehen, wenn es sich um ein bereits anders dressiertes Tier handelt.
Sie haben es sich leicht gemacht. Sie haben uns gesagt, wir würden nicht wollen, um nicht anerkennen zu müssen, dass sie uns in jedem Fall nicht hätten helfen können. Egal wie sehr wie nach aussenhin deutlich erkennbar wollen würden. Egal was wir gemacht oder nicht (mehr) gemacht hätten- sie hätten uns weder retten, noch erlösen können.
Nur schützen und annehmen. Aber dafür gab es keinen Platz.

Jugendhilfeeinrichtungen sind Heime. Nachwievor. Es sind Gruppen in denen soviele Jugendliche wie möglich verschwinden, damit an anderer Stelle Handeln gezeigt werden kann. Was dann passiert, ist allen egal- ausser jenen die direkt beteiligt sind.
Wie absurd wenig Zeit es dort für die Bewohner gibt, wie abgegrenzt- teils abwertend und auch durch viele frustriend-ohnmächtig machende Momente- verhärmt die Betreuer dort sind; was für eine Verwahrung bis zur Vollährigkeit dort passiert…
“Was sollen wir denn machen, um ihnen zu helfen?- Die wollen ja nich!”
Die moderne Psychiatrie existiert nicht. Man nennt sie so, weil offensichtliche Folter dort auch endlich (weitestgehend) verboten ist. Der Rest ist gleich geblieben. Dort werden alle hingekarrt, für die es sonst nirgendwo genug soziale Anbindung und Nähe während der Krise gibt.  Was dann mit ihnen passiert bleibt lieber verschwiegen… [Ja… Märchen und Mythen alles was man so hört. Ist doch alles ganz anders…] und auch hier wird den Menschen gesagt, sie müssten zeigen, dass sie wollen, dann würde schon geholfen werden und alles würde gut werden. Und auch hier geht es darum an anderer Stelle ein Handeln vorschützen zu können.

Für uns ist es bis heute nicht wieder gut geworden, weil wir gezeigt haben, dass wir wollen.
Es ist besser geworden, als da jemand war, der einfach ganz selbstverständlich sagte:
“Ja aber natürlich wollen Sie! Das sehe ich doch jeden Tag, wenn Sie wieder hier in der Klinik ankommen!”
Rumms! Endlich! Da waren wir 18einhalb.
Ja! Der Mensch sah unsere Kämpfe und erkannte unsere Erfolge an. Es gab Ermutigung und stetiges Cheerleading, hier und da ein Hinweis auf Erfolge, die wir selbst nicht sahen, ab und an ein Schubs der half den Rücken aufzurichten.
Da war dann plötzlich ganz einfaches Vertrauen da hinein, dass wir schon alles tun, was nötig ist, um nicht zu sterben, andere Menschen oder uns selbst zu verletzen.
Und als wir das nicht genau sagen konnten, wurde gefragt, was uns helfen würde. Ganz einfach so.
Ganz offen und ohne den Unterton den der Satz  “Wenn du es nicht anders willst…” mitbringt.
Und mit dem festen Glauben, daran, dass es etwas gibt, das hilft.
Wir hatten immer den Eindruck, dass der Mensch immer etwas Helfendes wusste und es uns im Notfall sogar in die Hand drücken würde.

Wir mussten nie wieder beweisen, dass wir eine Veränderung, eine Heilung, ein Leben wollten.
Endlich hatten wir die Möglichkeit die Energie, die wir sonst für das Schreihen um Hilfe und das “sich Erklären” verwendet hatten, in Dinge zu bringen, die uns das Handwerkszeug dazu erschaffen liessen und nachwievor lassen.

Nein- man muss nicht nur wollen, um zu erreichen, was man will. Man braucht auch jemandem der einem genau das glaubt- egal wie wenig “Wollen” nach aussenhin sichtbar ist.

Als Helfer so fest an seine Klienten/ Patienten zu glauben allerdings, erfordert eine gewisse Art des Nicht-dressiert- seins. Die Helferinnen, die uns am besten unterstützten und teils nachwievor begleiten sind so. Sie erkennen das peitschenschwingende Männchen an, dass ihnen Finanzknüppel; unmögliche Strukturen bei der Arbeit etc. vor die Füße schmeißt, hopsen aber mehr oder weniger offen darüber hinweg und tun das, was sie wollen: Helfen- ohne Wenn und Aber.
Sie machen was von ihnen verlangt wird- aber sie tun es so, wie sie es für richtig und wichtig und sinnvoll halten. Ganz gleich was es für Unsicherheiten gibt oder was ein schlauer Lehrinhalt ihrer Ausbildung dazu sagt. Sie benutzen ihren Kopf, der auf ihrem starken breiten Rückgrat steckt.

“Solange es Ihnen hilft- mache ich das eben”

So ein Geschenk auszuhalten ist wieder eine andere Sache.
Aber es hilft zu wissen, dass es da ist und, dass man es nicht wollen muss, um es anzunehmen.