25072020 – nie „wirklich“ arbeiten

Vor uns liegen 5 Wochen ohne Therapietermine. Davon haben wir 3 Wochen Urlaub geplant.
Zeiten wie diese möchte ich gern als Auszeiten sehen. Der erste Tag beginnt, ein Schalter kippt, alles auf Pause. Stopp. In unseren drei Urlaubswochen wollen wir in Ruhe arbeiten. Am neuen Buch, an so etwas wie täglicher Routine, unzerschossen von Fahrten nach Bielefeld, von Terminen und der Vielzahl der Prozesse, die wir am Tag so durchmachen, um alles ein bisschen zu schaffen, statt eine Sache ganz.

Vor ein paar Tagen kam die Ablehnung eines Antrags auf eine geförderte Stelle vom Jobcenter. Die Stelle sei nicht geeignet, ich sei nicht geeignet, das Gebot der Wirtschaftlichkeit dies das. So ein Brief in einem Monat mit zwei Buchsätzen, einer selbst strukturierten Weiterbildung und 12 Texten, die nicht mit verbundenen Augen und wahllos in die Tasten hauend entstanden sind, mehreren Teamgesprächen und Korrespondenzen, an denen durchaus auch Verantwortung hängt, während wir durch einen erheblichen Konflikt mit der Therapeutin und der Therapie an sich gingen.

Das wars im Grunde mit der Aussicht auf einen Stopp und in Ruhe arbeiten ohne Mailprogramm im Hintergrund, ohne Erreichbarkeit, ohne vollständiges Eintauchen in das, womit ich mich beschäftigen will.
Mein hoffentlich zukünftiger Arbeitgeber wird einen Widerspruch schreiben und wir werden eine Stellungnahme schreiben. Wir wussten schon, dass das kommen könnte, hatten befürchtet, dass es so kommen würde. Das Jobcenter möchte mich einfach super gern stabilisieren. Offenbar vor allem in meinen als „Arbeitslosigkeit“ eingeordneten Zustand.

Ich konnte leider nicht herausfinden, wie viele Menschen im Leistungsbezug des Jobcenters auch mit einer Behinderung leben und wie ich seit Jahren mit solchen Begründungen weder Fördermaßnahmen, noch Weiterbildungen, noch Kleinststellen, wie die, die wir versuchen gefördert zu bekommen, erhalten. Es werden viele sein und viele werden auch auf die eine oder andere Art arbeiten wie ich. Nämlich nie „wirklich“ und deshalb auch wie ich, nie „wirklich“ mal Urlaub haben.

zum International Disability Day

Gestern war „International Disability Day“, deshalb habe ich darüber nachgedacht, ob ich über unser aktuelles Behinderungsding schreibe, aber

Ich hab erst neulich geschrieben, dass mich meine eigenen Redunanzen nerven. Sie nerven mich und manche tun mir einfach weh, weil ich weiß, dass sie trotz der permanenten Wiederholung nicht an Relevanz verlieren oder tatsächlich auch als Wiederholung verstanden werden.
Sackgasse. Wörterblockade. 5 Gedanken zurück, noch einmal über Los.

Nach der Berufsausbildung hätte eine klitzekleine bezahlte Stelle für mich möglich sein können. Klitzeminiwinzig klein. Mit genau dem Umfang, den ich schaffe. Mit genau genug Geld, um mal einen klitzemini Rentenpunkt zu bekommen und mit gezielt gesetzten Einkünften über Blog, Podcast, eigenes Zeug vielleicht sogar mal ein zwei drei vier Monate im Jahr weder Hartz noch Wohngeld zu brauchen.

Und dann wurde ich vom Jobcenter erneut medizinisch begutachtet, gab es eine anscheinend neue Ausgangslage durch die Ausbildung.
Weil ich nach fast 11 Jahren Arbeitslosigkeit die Ausbildung geschafft habe, wird nun diese miniklitzekleine Stelle in dem Betrieb – den ich kenne und mag und der mich will; wo ich tun kann, was ich kann, wie ich das kann – nicht vom Jobcenter gefördert. Die Ausbildung hat die Arbeitslosigkeit unterbrochen. Eine Förderung durch einen anderen Topf reicht nicht aus. Der Betrieb ist sehr klein, die volle Förderung ist nötig.

Die neue Betreuerin hat mir das letzte Woche am Telefon erklärt. Sagte dabei so etwas wie: „Bei Ihnen ist ja auch nicht davon auszugehen, dass das wieder weggeht“. Ich wollte schreien. Und als ich das jetzt aufschreibe, weine ich zum ersten Mal darüber.

Wieder bin ich an diesem Punkt. Zwischen bodenlosem Einsamkeitsgefühl, Kränkung, Ent_täuschung und der Bewegung, die nur Traumatrigger auslösen. Zwischen inklusionspolitischen Themen und soziologischen Phänomenen, zwischen dem Außermir und der Welt, in der ich lebe.
Das klingt pathetisch und überdramatisch, Hannah, des geht nicht um dein Leben – ja, aber ja, doch auch.

Ich bin vor ein paar Jahren dafür kritisiert worden, dass ich Arbeiten als Privileg beschrieben habe. Ich habe nie direkt darauf reagiert, weil ich kein Interesse an einem Shitstorm mit weißen ablierten Marx-Linken habe, deren Begriff von Arbeit einzig die Ausbeutung und Unterdrückung von Arbeiter_innen kennt. Als ginge Unterdrückung und Ausbeutung nicht auch durch den Entzug von Arbeitsmöglichkeiten. Als wäre der Kapitalismus allein mit der Abschaffung entlohnter Arbeit lösbar.

Als behinderte Person, die zusätzlich auch chronisch erkrankt ist, gibt es für mich die gleichen Perspektiven wie für alle anderen Menschen im Kapitalismus auch: Entweder rein in die Verwertung oder raus aus der Verwertung.
Diese Entscheidung ist zu treffen, ob man will oder nicht und allein der Tod bedeutet das „raus aus der Verwertung“. Denn: selbst wenn man nicht direkt selbst ver_wertet, so ist man im Kapitalismus selbst ein Wert.
Ich bin Teil der Sozialwirtschaft. Ich schaffe mit meinen Bedarfen Arbeitsplätze. Die Verwaltung meiner Belange ist Teil der Arbeit vieler Menschen. Ich esse, ich wohne, ich scheiße, an Weihnachten bestelle ich Geschenke bei Amazon. Landwirt_innen, Haustechniker_innen, die Ab_Wasserwirtschaft und die armen Schweine, die jetzt von Amazon ausgebeutet werden, haben direkt mit mir zu tun – doch ich kann meinen Konsum nicht mit ihrem gleich machen. Mein Geld kommt nicht aus einem Entlohnungskreislauf, sondern aus einem kapitalistisch pervertierten Solidaritätsgedanken, an dessen Anfang mal die Idee stand, dass jeder Mensch jederzeit (chronisch) krank, behindert oder aus anderen Gründen arbeitsunfähig werden kann und damit das Privileg der autonomen Versorgung durch eigene Mittel verliert.

Ganz selbstverständlich ist in diesem Gedanken die Idee, dass Menschen, die in welchem Umfang auch immer nicht autonom handeln können, das Kolletiv brauchen. Doch die Rolle der Menschen im Kollektiv ist bis heute eine, die nicht auf Gleichheit beruht, sondern auf Unterschied.

Mein Wunsch danach arbeiten zu gehen wie andere Menschen auch, entspringt der Selbst-, wie Fremdverortung als nicht gleiche Person. Also meine Exklusion durch meine individuellen Grenzen der Fertig- und Fähigkeiten, die meine Art und Weisen der Arbeit zu etwas anderem macht, als die anderer Menschen.
Wenn ich so etwas schreibe, dann lesen viele ablierte Menschen einen Vorwurf des Ausschlusses. Den formuliere ich an der Stelle aber gar nicht. Ich beschreibe lediglich, dass er passiert und wirkt.

Ganz konkret nämlich genauso, wie ich es in meiner aktuellen Situation erfahre.
Ich bin 14 Jahre in Hartz 4, weil meine damals noch nicht bekannte Behinderung, eine schlechte Versorgungslage und inexistenter Opferschutz, die Behandlung meiner chronischen Krankheit massiv erschweren. Dann wird die Behinderung erkannt, Kompensationsmöglichkeiten entstehen und neue Fertigkeiten werden entwickelt. Eine Berufsausbildung erscheint schaffbar. 3 Jahre und unfassbar viel Bildungs- und Inklusionsarbeit nebenbei später ist sie geschafft, ein Zettel mit dem Beweis der Gleichheit in Fertigkeiten wird erlangt.
Doch die grundlegende Andersheit ist weiterhin da.
„Das geht bei Ihnen ja nicht mehr weg.“

Behindert zu sein (und zu werden) funktioniert nicht wie das Märchen vom hässlichen Entlein, in dem man als Ausgeschlossene_r einfach nur die Gleichen finden muss, um glücklich und zufrieden, gleich im Kollektiv der Gleichen zu sein Es ist viel quälender, denn das Kollektiv der mir Gleichen ist immer das Kollektiv der Ausgeschlossenen.

Ich will an der Stelle nicht darauf eingehen, welches Kollektiv sich nach wem ausrichten sollte. Wer schließt wen aus, welches Kollektiv ist das Gute, welches das Schlechte. Darum geht es mir nicht, obwohl die Frage gestellt werden muss, wer sich nach wem warum ausrichtet. Das ist ja der schmerzhafte Teil – warum will ich denn tun und können, was Leute tun und können, die nicht behindert und/oder chronisch erkrankt sind bzw. ihre Behinderungen und/oder chronische Erkrankungen so gut kompensieren können, dass sie nicht zu Problemen in Produktivität und damit Autonomie führen? Warum sind die mein Maßstab und nicht andere Menschen in meiner Lage?
Na, weil Menschen, die nicht in meiner Lage sind privilegierter sind und ein entsprechend autonomeres und damit freieres Leben führen können. Nicht, weil ich sie für die besseren Menschen halte oder mich selbst für wertlos. Das kommt erst danach, denn das ist der Schluss zu dem meine Lebensrealität zwangsläufig führt (und führen soll).

Das Jobcenter hat mich jetzt wieder als arbeitsunfähig eingestuft.
Obwohl ich im Moment zwischen 12 und 15 Stunden in der Woche arbeite. Das ist mehr als ich jemals zuvor geschafft habe. Ich bin stolz darauf, weil ich weiß, dass ich mit dieser Leistungsfähigkeit viele Urteile über mich Lügen strafe. Ich schäme mich für diesen Stolz, denn ich weiß, dass er in eine Dynamik reinspielt, die am Ende nicht nur mir, sondern allen Menschen schadet.

 

Ich weiß nicht viel über den International Disability Day. Ich bin kein Teil „der Inklusionsbewegung“. Ich kann keine berührenden, empörenden Texte über Beispiele gescheiterter Inklusion, Diskriminierung oder irgendetwas sarkastisch witziges darüber schreiben, als Objekt der Inspiration missbraucht zu werden oder einen Alltag zu leben, in dem fremde Menschen nach meinem Rollstuhl grabschen. Ich kann keine visuell erfassbaren Stereotypen brechen, die auf ihre Existenz aufmerksam machen.
Die Behinderung mit deren Auswirkungen ich lebe, ist von meiner chronischen Erkrankung nur schwer zu unterscheiden. Ich bewege mich in einer Gemengelage doppelter Abwehr und allgemeiner Unkenntnis. In meinem Leben geht es nicht nur darum, zu erklären, was Autismus ist und was eine dissoziative Identitätsstörung und dann die passende Lücke zu finden. Es geht auch darum auszuhalten, dass der Autismus meinen Ausschluss besiegelt und die DIS etwas ist, das mich mit vielen Nicht-Ausgeschlossenen gleich macht.

Ich passe wieder nicht rein. Nicht mal in den International Disability Day.

Jobcenter like its 2015 (and back into Hierjetztheute)

“Seit wann sind Sie denn im Leistungsbezug?”
“Seit es Hartz 4 heißt, also 2005.”
”Ouh. Das ist lange.”

Ja. Das ist lange.
Und, jetzt, wo ich mit unserem neuen Sachbearbeiter beim Jobcenter rede, kommt das alles wieder bei mir an. Auf die Umzugserschöpfung, die Anpassungsanstrengungserschöpfung, die 3 Wochen ohne gesetzliche Betreuerin und die 2 Wochen ohne Therapie-Erschöpfung, die Überforderungsgefühle, dieses Telefonat überhaupt so unvorbereitet und allein führen zu müssen, obendrauf.
Ich könnte heulen, stattdessen depersonalisiere ich. Höre jemand anderem zu, wie er für mich redet, bin zu entfernt, um irgendetwas beizutragen.

Als das Gespräch zu Ende ist, rufe ich bei der Neurologin an. Aus irgendeinem Grund denke ich, dass sie ans Telefon geht und ich an ihr abprallen kann, um in mir selbst zu landen. Quatschidee, sie ist in 15 Jahren, die wir ihr_e Patient_in sind, genau 1 Mal am Telefon gewesen, wenn wir da angerufen haben und wer weiß, wieso das so war. Etwas von mir und etwas von jemand anderem, vereinbaren einen Termin mit der Sprechstundenhilfe. Im Oktober.

Ich erlebe einen Flashback ins Jahr 2015. Wo sich so viel für uns verändert hat, aber das Jobcenter am Arsch zu haben und die Notwendigkeit von regelmäßigen Terminen bei ihr, so viel alltäglicher, normaler waren, als jetzt.
Der Tee in meiner Hand, die beiden Hundenasen, die mich anstupsen und zu weichen Flanken werden, die gestreichelt werden wollen, erden mich.
Aus der fremden Hasswut auf die Umstände, wird mein emotionales Sumpfgebiet mit Steinen aus Selbsthass, die als einzige Halt unter den Füßen bieten.

Ich bin es nicht mehr gewohnt. Diese Jobcenterscheiße. Dieses Gepule in meinem Leben, meiner Privatsphäre. Diese ständige Frage darum, ob und wenn ja in welchem Umfang, ich berechtigt bin zu leben.
Ich habe keine Haut mehr für diese spezielle Form der strukturellen Demütigung, das bürokratische Muskelspiel, das mich klein machen soll.

In den letzten 3 Jahren ist mir eine Haut gewachsen, um auch unter Zeitdruck kreativ zu bleiben, um inmitten von Leuten, die helfen wollen, diejenige zu bleiben, die sich effektiv auch helfen kann. Ich habe Schulausbildungshaut, Zuhausearbeitenhaut, Schriftsteller_innenhaut, ein bisschen Buchbinder_innenhaut, Hobbyfotograf_innenhaut. Haut, die mich als Subjekt umschließt, schützt und stärkt.
Für den Umgang mit mir als Objekt ist da nachwievor nur meine Traumahaut und davon habe ich in den letzten Jahren viel zu viel abgebaut, um das jetzt hier ohne Schmerz, – Leid – , zu empfinden.

Daneben zeichnet sich schon jetzt ab, dass es wird wie immer.
Wir sind widersprüchlich, falsch behindert, können nicht so, wie es der Arbeitsmarkt will.
Medizinische Gutachten folgen auf psychologische Gutachten, es gibt einen weiteren Zettel auf dem steht, was auf den Zetteln von 2005 bis 2015 schon steht: 70% schwerbehindert, Merkmal B, dissoziative Krampfanfälle, DIS, Ängste und Depressionen gemischt,( ASS wird dann neu da stehen), nicht arbeitsfähig.
Obwohl wir arbeiten. Obwohl wir wirklich hart arbeiten und tun und machen.

Ich selbst muss diesen Widerspruch nie aushalten. Ich lebe ihn und ich denke manchmal, dass die DIS dabei sehr hilft. Ich merke meine Arbeitsunfähigkeiten nicht, wie ich meine Arbeitsfähigkeit merke. Ich arbeite meine Sachen ab, bin zu Hause, mache meinen Kram, bereite mich vor auf Arbeiten, die außerhalb von zu Hause sind – kann mich in unseren Kosmos hineinspalten und stückeln, solange niemand konstante Verfügbarkeit von mir erwartet.
Das zu erklären ist so schwierig.

Vor allem, weil ja selbst die Erklärung in einen Rahmen passen muss, wo sie überhaupt nicht reinpassen kann.
Ich muss einerseits sagen: “Hey, ich kann nicht in die 10km entfernte Jobcenter-Filiale kommen, weil ich noch keine Assistenz habe.” und andererseits: “Hey ich bin im Oktober für eine Woche allein in Wien, um aus meinem Buch zu lesen und mir Dinge anzugucken.”

Muss sagen, dass ich es nicht schaffen kann, jeden Tag 3, 4 oder 8 Stunden zu arbeiten, während ich jede Woche eine Podcastepisode produziere, was mindestens 3 Mal 8 Stunden in der Woche sind. Während ich an Buchprojekten arbeite, Buchbindeunterricht habe, meine Kunst mache und meine Ehrenämter bespiele.

Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich etwas nicht schaffe oder kann.
Es ist auch nicht so, dass mir nicht selbst auffällt, wie viel wir eben doch schaffen.

Es ist eben einfach so widersprüchlich, nicht linear, anders.
So bin ich, so ist mein Leben, so ist mein Funktionieren. Es gibt nun mal einfach Menschen, die so sind.
Das bin nicht nur ich, weil wir autistische viele mit Spezialinteressen, die produktiv nutzbar sind, sind.
Wir können nichts für einen Arbeitsmarkt, an dem teilzunehmen alle quasi zwangsverpflichtet sind, obwohl ebenjener Arbeitsmarkt auf Talente und Kräfte, wie unsere scheißt, sobald sie nicht unbegrenzt zur Verfügung gestellt werden können.
Wir können nichts für Arbeitsbedingungen und –umstände, die Menschen, wie uns mehr und tiefgreifender schaden, als anderen.
Das macht das Jobcenter und sein Handeln immer wieder zu einer Strafinstanz für uns. Wir können nichts dafür, müssen versagen, rausfallen, “alles falsch machen” und werden dafür mit Drohungen, Leistungskürzungen und anderem bestraft.

Daneben sind wir heute privilegiert. Im Vergleich zu 2015 geht es uns heute sehr sehr gut. Wir sind sehr sicher, sind sehr geschützt, unterstützt, geliebt, gemocht, gehalten und wenn nötig, würde man uns sogar tragen.
Das macht die Erfahrung jetzt etwas anders. Wir wissen mehr über unseren Autismus, wissen mehr über unsere dissoziative Mechanik, uns als Subjekt. Das macht viel aus, hilft mir jetzt, mich hier aufs Schreiben konzentrieren zu können. Ganz sicher zu spüren, dass es okay und wichtig ist, mit diesen Gedanken und Gefühlen nicht allein zu bleiben, wenigstens virtuell nicht.

Ich kann mich dem Ärger, der Wut annähern, sie teilen. Die spontane Spaltung wieder schließen.
Ich kann mich jetzt aber vor allem mit zwei lieben, warmen Hunden ins Bett legen, Tee trinken, ausruhen und nichts Schlimmes wird passieren, denn am Ende hängt eben doch nicht mehr wirklich unser Leben am Jobcenter, wie noch 2015.

10

Guck, so schnell geht das. 3 Jahre in Ausbildung, unterstützt und durch die Hintertür überhaupt nur in der Form möglich, weil ein paar Patroni die Adobe-Programme und Material finanzieren (Danke! as always Herz) und der Begleitermensch immer noch unter die Arme greift, so oft er kann.
3 Jahre in Bafög-Bezug und Wohngeldleistung und zack – gar nicht mitgekriegt, dass es jetzt da ist, das Teilhabechancengesetz.
Faszinierend ist, dass alles, was die Parteien dazu sagen, auch in uns vertreten ist. Alles. Ja, auch was die AfD sagt, so ehrlich muss man sein.

Ich bin gespannt, wie unser erster Jobcentertermin nach der Ausbildung wird.
Fallen wir durch die Ausbildung aus der 7, bzw. in unserem Fall wäre es die 5, Jahres –Regel raus oder werden die abgelittenen ~ 10 Jahre vorher anerkannt? Das fänd ich nur fair, das macht man bei Untersuchungshaft schließlich auch so. Und so abwegig ist dieser Knast-Bezug in meinem Kopf auch gar nicht.

Hartz 4, das ist ein Knast ohne Gitter. Eine Insel, von der man nicht mehr wegkommt, nachdem man jahrelang alles, was darauf zu finden ist, für vergebliche Versuche aufgebraucht hat. Jedenfalls für uns. “Hätte”, “Würde”, “Wenn”, die heiligen drei Selberschulds, haben wir natürlich auch auf unserer Insel. Die ist zwar abgelegen, doch zuweilen Zentrum stürmischer Debatten, die mehr Wunde, Narbe, Verlorenheitsgefühl zurücklässt, als sich so manche Leute vorstellen können.

Diese Inselmetapher könnte auch mein fast zwanghaftes “nicht aufhören können nach Möglichkeiten zu suchen”, erklären. Was hat Robinson Crusoe denn den ganzen Tag gemacht? Essen, trinken, kacken – den Horizont absuchen. Logisch. Selbstverständlich. Was denn sonst?
Stell dir mal vor du sitzt irgendwo fest und alles, was in regelmäßigen Abständen an dich herangetragen wird, sagt dir: “Hättste halt was anderes gelernt.”, “Würdest du dich für XY entscheiden…”, “Wenn du nur nicht so wärst, wie du bist.” – das Ding zwischen Himmel und Erde, wäre dein einziges Hoffnungsversprechen.

Ja “Hoffnungsversprechen”. Nicht: “Hoffnung”, sondern das Versprechen einer Hoffnung, das du dir selbst gibst. Jeden Tag aufs Neue. “Wenn du da hinguckst, dann kommt vielleicht etwas, dass dir Hoffnungsgefühle macht. Du darfst nur nicht aufhören zu suchen. Bestimmt kommt da gleich was. Gleich. Und wenns da ist, dann rennst du zum Strand, machst Feuer, schreist in allen Sprachen, die du kannst. Du trommelst und rappelst durch die Gegend bis dir neonfarbene Blitze aus dem Arsch geschossen kommen. Das wirst du tun und dann wirst du gesehen und dann gibt es Kontakt. Und dann ist sie da.

Die Hoffnung. Die darfst du haben. Ganz für dich allein.
Die Hoffnung ist der erste Sieg.
Denn du weißt: selbst, wenn du danach wieder nicht von der Insel runterkommst: Das Versprechen auf Hoffnung konntest du dir selbst gegenüber einhalten.

Die Hoffnung ist der erste Sieg.

es ist Hartz 4

Ich habe mir in dieser Woche viele Gedanken um Hartz 4 und Hartz fear und Armut in der heutigen Zeit gemacht.

Erst war da der Artikel vom Besuch der Musik- und Kunstschule, dann der Artikel von Jasna. Dann mein Termin am Montag bei meiner Jobcentersachbearbeiterin für die aktiven Leistungen. Dann heute Nachmittag der Brief mit der Zahlungsaufforderung über 770€ vom Jobcenter.

Es ist der 23. Januar und ich habe noch 20€ auf meinem Girokonto.
27 € in meinem Flattraccount. Etwa 10 € in Pfandflaschen unter der Spüle. Meine Spendendose für gemeinnützige Organisationen sieht nach etwa 8 € aus.

Januar ist Bahncardmonat – 62€, ist Jugendherbergenbeitragsmonat ~30€, ist der übliche StromHeizungTelefonInternetmonat ~100€ , war der Monat mit Fahrkosten vorstrecken – 43€, war mein Monat mit 389€ von dem ~154 € übrig blieben und 100€ zur privaten Schuldentilgung überwiesen wurden.
Und dann kam die Anfrage für einen Vortrag im März. Honorar ja, Fahrtkosten selbst tragen. Mach ich dann zusammen mit den anderen vorgestreckten Fahrtkosten im Februar – oh wait … ich hab noch gar keinen Bescheid vom Jobcenter über die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung über den 31.1.2015 hinaus.

Ich habe das Gefühl, dass es egal ist, was wir tun, um diesem Hartz-Wahnsinn zu entkommen. Und das habe ich nicht nur, weil mein Flattr-Schatz so mickrig ist oder sich nur eine Person gefunden hat, die unsere Arbeit monatlich unterstützen kann/will/mag, sondern, weil ich merke und in Kontexte setzen kann, wie sehr biegsam mein Wert und der Wert meiner Arbeit ist. Auch meiner Arbeitskraft.

Am Montag saß ich bei meiner Sachbearbeiterin für die aktiven Leistungen im Jobcenter.
Sie sagte, ihre Hilfe für mich einen Ausbildungsplatz zur Grafikdesigner_In/Illustrator_In in Teilzeit zu finden, sähe so aus, dass sie mir zusichern kann, dass der Betrieb, der mich ausbildet, nur 100€ Gehalt an mich zahlen muss. Wär ja auch bequemer. Ich bekäme ja dann noch Hartz 4.
Mit dieser Information laufe ich jetzt seit Montagmittag herum und habe noch nicht ein Mal darüber geweint. Obwohl ich diesen typischen Weindruck im Kopf habe. Obwohl ich weiß, dass jede andere Person an meiner Stelle weinen würde.
Gibt so kleine Würdeinseln, die man bis aufs UnterderHaut dann doch verteidigt.
Ich schiebe das weg und ziehe mir das Vorstudium an der Kunstschule vor Augen. Das ist flexibel, die Innens, denen diese Arbeit liegt, fühlen sich dort gut.
Obwohl sie belächelt werden, abgeschätzt und bewertet.

Was wir da machen, hat nur für uns Wert. Und die, die mit uns sind. Also ihr Leser_innen. So ihr uns denn nicht doch nur lest, um euch besser zu fühlen, uns zu überwachen oder euch an uns zu messen. Das kann man nie wissen und vielleicht kann mir dieser Gedanke auch verziehen werden, denn letztlich spüre ich nur wenige von euch.

Ich bemühe mich darum an Geld zu kommen und immer wenn ich welches bekomme, ist es im Grunde schon aufgefressen, bevor es wirklich da ist.
Manche Menschen denken, ich hätte für die Vorträge im letzten Jahr viel Geld bekommen.
Und vergessen sich zu fragen, was mich die ordentliche passende und angemessene Kleidung, die Fahrten, die Arbeitszeit, die Unterbringung, die Teilnahmegebühren wohl gekostet haben. Armut sei nicht vereinbar mit einem Smartphone, einem Laptop, den Kontakten, die ich pflege, denkt es in diesen Köpfen.
Ich könnte nun ein Bild  von Kindern, die an Typhus sterben, weil sie kein sauberes Wasser, aber Markenkleidung und Handys haben, einfügen.

Ich würde so manchen Menschen gerne das Preisschild an ihrem Lebensstil zeigen.
Den Gegenwert, den ich ihnen für ihre Chancen und Optionen auszahlen würde, wäre das möglich.
Letztlich habe ich vielleicht gar kein Problem mit dem wenigen Geld. Vielleicht geht es einfach nur um realistische Aussichten. Um Chancen, die ich so nutzen kann, dass sie mich autonomer machen und nur leider einfach gar nicht da sind. Weil ausverkauft.

Hartz 4 bedeutet nicht “keine Arbeit”.
Hartz 4 bedeutet auch nicht “kein Geld”
Hartz 4 bedeutet “Existenzminimum”.
Hartz 4 bedeutet “kann nicht ohne Hilfe”.
Hartz 4 gibt es, um Armut zu verwalten.

Ich sitze auf dem Entwurf für ein Büchlein. Fällt mir gerade ein.
“Könnt ich ja mal fertig machen”, denke ich. Und dann sitze ich wieder vor diesem Softwareproblem und erinnere mich, dass ich um das zu lösen, den Account bei Patreon eingerichtet habe.
“Und was ist, wenn das Buch dann fertig ist?”, frage ich mich. Und erinnere mich an das Gespräch mit der Verlegerin. Kleine Zielgruppe, von Mediziner_Innen und
Psycholog_Innen dominiert. Es wird gewertschätzt werden – keine Frage.
das andere Ende der SchnurEs wird sich halt nur nicht verkaufen.

Ach…

Es ist nicht hoffnungslos.
Eigentlich ist es nur völlig egal, wie es mir damit geht.

Und mir gehts ja eigentlich gut.
Ich hab mir Tusche und ein Skizzenbuch gekauft.
Wenn ich erst mal einen Beruf gelernt hab…!

#Raumgefühl

DSC_0292Um zum Haupteingang zu gelangen, muss man hineingehen in den Bogen des großen U, das das Gebäude des Jobcenters bildet.

Mit jedem Schritt schrumpft das Selbst und wächst das Gebäude.
Es hallt. Ist immer schattig in diesem U.
Im Foyer läuft Sonnenklar TV auf den Bildschirmen, die über einem Leitbandsystem hängen.
Es schlängelt die Existenzminimum-Kund_Innen vor die verglaste Schalterfront.

Stimmen schieben sich dumpf durch diesen weiten Raum ohne Sitzgelegenheit.
Ohne die Fensterfront, die Beamte, wie Kund_Innen im Rücken haben, wenn sie einander durch das Sicherheitsglas getrennt, gegenüber stehen, wäre es ein dunkler Durchgang.

Die Seitenschenkel des U enthalten auslegwarentrittschallgedämmte Flure hinter Sicherheitstüren.
Schussfest. Schallgedämmt. Nur mit Mitarbeiter_innensicherheitskarte zu öffnen.

Die Türen dahinter sind alle offen.
Daten werden hier nicht geschützt.
Lebensdaten. Schicksalsdaten. Persönliche Daten.
Sie quellen aus den Nischen, die von den Fluren abgehen und verteilen sich zu einem Klangteppich, der jeden Winkel berührt und von weißem LED-Licht beleuchtet wird.
Es riecht nach Kaffee, Papier, Toner, Schweiß, Parfum, Teppichkleber.
Ich nenne diese Mischung “Eau de Be-Amt”, weil jedes Jobcenter so riecht.
Angst, Verzweiflung, Monotonie, Tränen, haben keinen Eigengeruch.

Die Klinken sind schlicht, schwer, schmal und kalt. Helles glattes Metall, passend zum cremigen Weiß der Wände und schmutzigem Dunkelgraublau des Bodens, ist es ein Element, das sich konsequent wiederholt, wie die hellgraubläuchlichen Platten und die in quadratische Betonbecken eingegrabenen Bäumchen im Hof.

Wenn man aus dem Fenster schaut, kann man den Bahnhof sehen.
Wenn man drüber nachdenkt, fällt einem auf, dass man nicht darüber nachdenken sollte.

So richtet man seinen Blick auf die Kunstdrucke in Plastikrahmen und wartet auf seinen Stempel. Seinen Zettel. Die Nummer, die mal ein Menschenleben war.

Wenn die Tür hinter einem zugeht, brüllt einen der Lärm der Hauptstraße über die freie Fläche vor dem Haus hinweg an.
Man darf sich fragen, ob der Zugang zum Dach des Gebäudes auch mit einem Sicherheitskartenschloss verriegelt ist.

 

[mein Beitrag zur Blogparade von Stadtsatz]

 

mit Behörden reden

FassadenimLicht Meine Wahl gegen Gewalt, war eine Wahl für meine Freiheit und damit auch eine Wahl für die Armut. Die Schonimmerarmut und die Position neben einer Welt, die so verheißungsvoll jedem Menschen verspricht: “Du musst nur wollen, dann…”.

Mit Behörden zu reden, heißt im Grunde genommen nichts anderes als Betteln für mich und doch versuche ich immer wieder das Bestmögliche an den passenden Stellen für mich einzufordern. Manchmal, weil ich der Gesellschaft ™ die Aufgabe, sich um alle Menschen in ihr gleich zu kümmern, nicht abzunehmen gedenke und manchmal, weil ich noch diese lichten Momente habe, in denen mir legitim erscheint, dass auch diese Behörden keinen Grund haben, mich wie eine Bittstellerin zu behandeln.
Auch sie sind, ohne mich (und Menschen wie mich) nichts weiter als Menschen mit mehr oder weniger hübschen Büros und einer Auswahl Kugelschreiber.

Seit ich 19 Jahre alt bin, bin ich Jobcenterkundin. Eine Nummer, ein Schicksal, ein Gesicht von vielen.

Das Jobcenter ist die Behörde an der meine gesamte Existenz hängt. Ich bin ihr gnadenlos ausgeliefert und ihr Schatten schlägt sich in allen Belangen meines Leben dem meinen um Längen voraus. Es geht um Leben und Tod und egal, wer mir in Bezug darauf etwas Anderes vermitteln will, soll – mit Verlaub – einfach mal die Fresse halten und selbst 10 Jahre in dieser Armut leben, ohne irgendwelche Rücklagen.

Leben und Tod- diese Dynamik darum, der Kampf, die Notwendigkeit zu überleben, das kenne ich nur zu gut. Meine gesamte Kind- und Jugendzeit drehte sich darum und dort ist ein Punkt, der mich immer wieder triggert, wenn ich Post von dieser Behörde erhalte.

Was bei MedizinerInnen noch so leicht gedämpft werden kann, nämlich die Macht über mich, funktioniert nicht in Sachen Jobcenter.
Dort kann ich mich nur darauf besinnen, dass die Behörde selbst nur ein Verantwortungsdiffusionsbläschen ist und der oder die MitarbeiterIn vor mir, auch nur ein Mensch an einem PC sein kann.

Es ist eine Sachebene, fern aller Gefühle, aller Lebenslogik und auch aller Moral, die hier gepflegt werden muss.

So entschied ich mich vor drei Jahren für eine anwaltliche Vertretung in Sachen “passive Leistungen”. Ich merkte, dass ich den Inhalt der Bescheide, die Aufforderungen und Formulare allesamt kaum wirklich erfassen kann, wenn sie einfach so im Briefkasten landen und alle Handlungspflicht auf mir allein ruht.
Das, was ich heute an Hartz 4- Panik erlebe, ist nichts zu dem, was letztlich ein Innen von uns hervorbrachte: Jedes mal die Angst, es nicht richtig zu machen und dann kein Geld zu bekommen. Jedes Mal die Angst, etwas können zu müssen, was nicht gekonnt wird und in der Folge mit Geldentzug bestraft zu werden. Jedes Mal die Angst zu hören, dass die eigene Hoffnungslosigkeit in Bezug auf ein Leben aus dem Hartz 4 System heraus, bestätigt werden könnte. Jedes Mal ungefilterte Todesängste ohne Netz und doppelten Boden.

So eine anwaltliche Vertretung, wie ich sie habe, ist in meinem sozialen Netz eine Ausnahme. Andere Menschen entscheiden sich für eine gesetzliche Betreuung mit dem Schwerpunkt auf die Vertretung in diesen Dingen. (Hier ein Link dazu)

Doch das Jobcenter hat ja nicht nur einen Armutsverwaltungsauftrag. Es soll ja Menschen auch in Berufe bringen.
Auch Menschen mit grünem Schein.
Mit meiner Schwerbehinderung von 50%, landete ich dann in der Abteilung “Reha und Schwerbehinderung”. Meine frühere Sachbearbeiterin war immer sehr dankbar darum, wenn ich sagte, dass ich “im Moment” und “nicht absehen könnend” nicht fähig dazu bin, eine Vollzeitausbildung in Angriff zu nehmen. Schwupp- Jahresstatistik positiv beeinflusst, lächeln und zack- nächster Termin in einem Jahr.

Letztes Mal war aber alles anders. Auch hier kamen wieder diese Fragen:
“Wer sind Sie?”
“Was wollen Sie?”
“Was kann ich für sie tun?”, diesmal aber von einer fremden, weil neuen Sachbearbeiterin.

Okay- kurzes Schlingern, aber dann!!! Heldeninnencape im Raum herumschwenken!
Ich fragte sie, ob ich mal wild rumspinnen dürfte und sie mir dann sagt, was davon irgendwie im Rahmen ihrer Statuten umsetzbar ist.
(Haaaaaa!)
Nachdem wir das geklärt hatten, fragte sie nach den Einschränkungen, die ich habe.
Ich sagte ihr, dass es nicht nur Einschränkungen in dem Sinne “einfach ein Hilfsmittel dazu und fertig ist der Lack” sind, sondern für mich die Probleme in Sachen Leistungsbeständigkeit in Abhängigkeit meines Umfeldes liegen und, dass ich es einfach nicht schaffen werde, harte Therapiearbeit (und das ist Traumatherapie nun einmal) mit einer Vollzeitausbildung unter einen Hut zu bringen.
De fakto hatte diese Frau keine Ahnung von Traumafolgestörungen oder psychischen Behinderungen ganz allgemein.

Unterm Strich ging ich mit meinem ersten Rehaantrag und einem Gesundheitsfragebogen aus dem Gespräch.
In Behörden redet man eben doch nicht persönlich über sich.

Man redet über Fragebögen, Antrags- und Formularnummern mit einander und trägt so Bitten und Umstände von A nach B.
Es ist dort nicht relevant, wie abstrakt ich das Geschacher um meine Zukunft, mein Leben und dessen Qualität wahrnehme- existenzielle Abhängigkeit hat keine Ziffer.
Selbst Todesangst wird im Jobcenter nur durch immer mehr Videoüberwachung, dicke Sicherheitstüren vor Büroräumen und offenen Beratungszimmern sichtbar.

Ich muss nicht mit Behörden reden.
Ich darf nur nicht vergessen, was ich eigentlich erzählen können müsste.
Wenn ich mehr als nur eine Nummer in einem Aktenschrank wäre.

unspeakable inhumanity ~ strukturelle Gewalt

OLYMPUS DIGITAL CAMERAda war sie wieder: die Begrifflichkeit „unspeakable inhumanity“
Ich kenne sie. Nutze sie aber nicht. Zumindest nicht so.
Als ich mich mit dem Überleben und den Überlebenden der Shoa auseinandersetzte und dann irgendwann bei einem der vielen amerikanischen „researchprojects“ wiederfand, stolperte ich auch schon über diese Formulierung.

Diese Begrifflichkeit verbindet zwei Dinge miteinander, die im großen Rhizom um die Fragestellungen, die Gewalt an uns als Menschheit stellt, immer wieder auftauchen.
Zum einen die Frage nach der eigenen Menschlichkeit-der Menschlichkeit als solcher, die, meiner Meinung nach, noch immer nicht klar definiert ist und zum Anderen, die nach der Sprache und ihrem Fassungsvermögen, als Transportmittel zum Begreifen innerhalb menschlicher Fähigkeiten zu ebenjenem.

Gäbe es so etwas, wie „unspeakable inhumanity“, wüssten wir* nichts davon, denn Unsagbares, kann nicht vermittelt werden.
Gäbe es so etwas, wie „inhumanity“ also Unmenschlichkeit, als Option eines direkten Handelns als Mensch, dann müssten wir Menschen entweder unsere Selbstbezeichnung verändern, oder anerkennen, dass wir uns eigenständig aus unserer genetischen Struktur herausbegeben können, wie transmorphe Fabelwesen, denn Menschen sind immer Menschen- egal, was sie tun.

Trotzdem transportiert dieses Wortpaar etwas.
 In meinen Augen ist es der Versuch eine überfordernde Kraft oder Macht zu beschreiben, die von Menschen ausgegangen ist oder ausgeht.
Obwohl alles Handeln von Menschen menschlich ist- also nur innerhalb menschlicher Fähigkeiten, passieren kann, ist es durchaus Teil menschlicher Fähigkeit, zu abstrahieren und zu diffundieren, wie auch die Fähigkeit zu transponieren und zu assoziieren. So werden zum Beispiel aus „Tante Ilse und Onkel Kurt“ in einem anderen Kontext zu „Kundennummer 1 bzw. 2“.
Diese Leistung erscheint vielleicht nicht besonders groß, da die Inhalte die an „Tante Ilse und Onkel Kurt“ gebunden sind, unbekannt sind. Dieser Umstand erleichtert das Abschneiden dieser Inhaltscluster, (wie es ja bereits die Begriffe: „Onkel“ und „Tante“ durch das Abschneiden ihrer Inhalte- nämlich die die Schwester oder der Bruder der eigenen Mutter/ des eigenen Vaters zu sein, tun).

Meiner Ansicht nach ist diese Leistung aber groß.
 In meinen Augen ist es eine Fähigkeit, die sich proportional zur Fähigkeit der Selbstversorgung eines Menschen bzw. seiner Machtrefugien verhält. Es ist nicht wichtig zu wissen, in welchen Verwandtschaftsverhältnis zum Beispiel Onkel und Tante tatsächlich zur eigenen Person stehen (ob sie an Mutter oder Vater gebunden sind), wenn weder Onkel noch Tante noch Mutter noch Vater gebraucht werden, um diese Menschen in meinem von mir zu definierenden Bereich zu positionieren.
Der Bereich über den ich als Person die Macht habe, braucht nur so viel, wie ich brauche, um ihn zu erhalten.

 Würde ich also ergo ein Geschäft leiten, wäre die Notwendigkeit eben nicht an Onkel und Tante, sondern an Kundschaft, die in Hoffnung auf ein nachvollziehbares (definierbares) Wachstum nummeriert wird.

Es gibt Machtbereiche in denen Namenlosigkeit eine Säule dieser Machtbereichssicherung darstellt.
Als Fragestellung bliebe hier, ob dies als Angriff auf die Identität dessen was mit einem Namen belegt sein könnte zu werten ist, oder es sich tatsächlich um ein System handelt in dem Selbstbild, Identität und Identifizierung aus der Position eines Namen/Identität zugestehenden Systems heraus, als solche schlicht nicht nötig/ gewollt und aktiv unterbunden ist.

An dieser Stelle ist das Konzept „Jobcenter“ für mich spannend, weil es die Frage nach demjenigen aufwirft, der Machtgewinne erfährt.
Die bedürftigen Menschen
– (im Staatsmachtsystem „BürgerInnen“ genannt (Inhaltscluster: muss sich an die Gesetze halten, die u. A. sagen: „Geh zum Jobcenter, wenn du kein Einkommen hast“- ergo bereits hier nicht als „Mensch“ anerkannt)-
werden zu KundInnen des Jobcenters
– (Inhaltscluster: KundInnennummer- (als Teil einer Statistik im weiteren Verlauf der Diffusion) und gleichzeitig VertragspartnerIn (seines/ihres Zeichens menschlich- denn mit Tieren/ Pflanzen werden keine Verträge geschlossen)- ist der Macht des Jobcenters* komplett unterworfen, da existenziell abhängig)

Die MitarbeiterInnen des Jobcenters
 – (im Staatsmachtsystem „BürgerInnen“ genannt (Inhaltscluster: muss sich an die Gesetze halten, die u. A. sagen: „Wenn du arbeitest, hast du dich an deinen Arbeitsvertrag zu halten“)
werden zu SachbearbeiterInnen
– (Inhaltscluster: MitarbeiterInnennummer- (als Teil einer Statistik im weiteren Verlauf der Diffusion) und gleichzeitig
VertragsvermittlerInnen zwischen „dem Jobcenter*“ und den KundInnen, die im Laufe der Jahre an ihnen vorüberziehen – dem Jobcenter* in sofern unterworfen, als dass die Arbeit und damit das Mittel zur Sicherung der eigenen Existenz durch den Arbeitsvertragspartner definiert wird)

In Anbetracht der Tatsache, dass als MachthaberIn hier allein ein Name (Jobcenter*) auftaucht, sollte die Frage nach der Menschlichkeit des Systems „Jobcenter“ hinreichend geklärt sein.
 Nun mag der berechtigte Einwurf kommen, dass es sich bei der Agentur für Arbeit (Jobcenter*) um ein ausführendes Organ handelt- es bleibt dennoch ein System, das von vornherein, nicht als Mensch vor einem Menschen auftaucht und sich eben darum auch die Verunmenschlichung von BürgerInnen, die- fern aller Machtbereiche- Menschen sind, erlauben darf, was wiederum, meiner Meinung nach, etwas ist, das der Staat, der sich als solcher verpflichtet hat, die Menschen als solche zu schützen (vor eben jenem Umgang als Nichtmensch), als Aufgabe zur Durchsetzung im Grundgesetz stehen hat.

Was hier als strukturelle Gewalt (Unterwerfung/ Ausgrenzung/ Dominanz mittels eines verunmenschlichenden Systems) bezeichnet wird, ist gleichsam als „inhumanity“ betrachtbar, da es sich um ein System handelt, das als System (Nichtmensch) nur unmenschlich auftreten kann.

Dies als Faktum akzeptierend sollte nun verdeutlichen, dass alles Einfordern einer Menschlichkeit- gar die Gewährung diverser Menschenrechte gerichtet an „das Jobcenter*“/ „die Krankenkasse*“/ „die PolitikerInnen*“ sinnlos ist und niemals zu Erfolg führen kann.
Es ist eine Forderung, die an eine vom Staat wegdiffundierte Verantwortung gerichtet ist, welche wiederum in sich ein Produkt aus Sicherungsgier und Gewaltexistenz ist.

Diese Problemstellung ist transponierbar.
Am Ende steht, dass es Unmenschlichkeit nicht gibt, nur unmenschliche Systeme, die von Menschen gemacht sind, die alle Gewalten in ihrem Leben internalisieren, auf ihr Leben transponieren, alle Werte, die ihr System nicht braucht, abschneiden und anderen Menschen oktruieren oder sie dazu bringen, davon zu profitieren (sie in eine Mitverantwortung zu bringen).

Fortsetzung folgt

die * stehen hier für all Variablen, die durch die Eingrenzung mittels Artikel vor dem Wort abgeschnitten werden bzw. beim „wir“ als „wir als Menschheit mit allen Facetten“

 

eine Portion „selber schuld“

das wird wohl über kurz oder lang, das Einzige, was wir uns noch zu essen auf den Tisch stellen können.

Grund: Ich verstoße derzeit gegen die Eingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter meiner Stadt.
Darin ist festgehalten, dass ich mich für die Abendschule anmelde und die Bestätigung darüber beim Jobcenter abgebe. Wenn ich das nicht tue, soll ich mich dort melden. Schriftlich, telefonisch oder persönlich.

Was mache ich?
Ich bin in meiner Wohnung und tue nichts.

Obwohl- stimmt gar nicht. Ich vergehe in Zukunftsängsten, Zweifeln, Selbstzerstörung. Dissoziiere so vor mich hin, schreibe ab und an an einen Artikel, lese im Internet, bis ich genug Kraft angesammelt habe mit dem Hund rauszugehen und einzukaufen. Auf einem Weg noch im Copyshop vorbei zu gehen und meine letzten Hartzzettel für die komplette Anmeldung an der Abendschule abzugeben, übersteigt meine Kapazitäten. Scham diese Zettel öffentlich zu kopieren, das Gefühl: HA! Jetzt bist du verpflichtet die nächsten 3 Jahre zur Schule zu gehen und ES GUT ZU MACHEN!, schnürt mir die Kehle von links zu- während von rechts der Zug der Alltagsbelastung kommt.

Wir hatten eine Woche lang das jüdische Wochenfest und waren damit eigentlich so schon gut ausgelastet. Dann kam Pfingsten, eine Zeit, die uns Erinnerungen hochspülte und einen Reigen aus Schmerzen und Reorientierung nötig machte. Und jetzt ist wieder Alltag.

Nach der Reise Anfang des Monats habe ich noch 2,92€ auf meinem Konto, meine Muskeln sind übersäuert, weil ich schon wieder zwei Nächte nicht geschlafen habe. Meine Konzentration ist körperlos und immer wieder ist es allein der Hund der mich aus dieser Absorption heraus holt. Der mir zeigt, dass es so etwas wie Zeit und Raum gibt.

Wie soll das in der Schule denn klappen? Und wie soll ich das alles der Sachbearbeiterin beim Jobcenter klar machen? Sie ist wirklich sehr nett und hatte bis jetzt immer viel Verständnis für mich. Aber ich weiß auch, dass sie Vorgaben hat und, dass so eine Eingliederungsvereinbarung bindend ist.
Als wir sie unterschrieben haben, dachte ich auch wirklich, dass ich das alles packen könnte. War so voller Kraft und Tatendrang, dass ich wirklich dachte: „Yes- ja- ich kann das- ich schaff das- jetzt oder nie- Attacke!“

Und jetzt bin ich einfach nur müde. Es arbeitet viel im Innen. Da kommen Konturen zum Vorschein, die mir mehr Einblick in unsere Biographie gewähren und so vieles verstehbar machen. Das ist unglaublich anstrengend. So anstrengend, dass ich sogar froh bin, dass wir nur einmal in der Woche zur Therapie gehen und uns dem widmen und ich den Rest der Woche für mich allein sortieren kann.

Ich weiß, dass ich mich wiederhole. Wir haben dieses Thema schon oft hier im Blog gehabt, doch gelöst ist es noch immer nicht.
Wenn ich mich so schwach fühle wie heute, mich nach einem Flashback wie der letzte Dreck fühle, dann komme ich mir wieder dem Begriff der „Abfallexistenz“ entsprechend vor. Und sofort stehen die Kämpfer hinter mir. Die stolzen Aufrechten, die eine Berufsbezeichnung für sich haben wollen. Die Zukunft zum Frühstück essen wollen.
Diejenigen, die uns mit ihren Kämpfen aber auch unglaublich viel Energie abziehen.
Die Phoenix AG zum Beispiel ist jetzt über 3 Wochen her und wir sind noch immer nicht wirklich wieder zu Hause und „da“ und erholt von den Strapazen und Anstrengungen. Obwohl es nur 4 Stunden Reden, Denken und Zuhören war, obwohl der ganze Ausflug aus unserem Hamsterrad nur 3 Tage lang war.Obwohl nur 3 Innens das gemacht haben.

Nichtschlafen Nichtessen Schmerz aushalten oder einfach nur zerreißendes AAAAAAAAAAAAAAAAAH!
dieser Zerstörungskreisel frisst uns auf und wiederwiederwieder ist dieser Schwächegrad erreicht. Der Punkt, an dem es die Versuchung des Suizids- der eigentlich auch schon mal vom Tisch war- gibt und zum tröstendem Notausgang wird.
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Es ist alles selbst gemacht. Alles die eigene Schuld, die eigene Verantwortung, der man nicht nachkommt. Die eigene Not, die zum Meer wird, in dem man zu ertrinken droht, noch während man verdurstet.
Es geht nicht vor in die Zukunft und auch nicht mehr zurück in die komplette Abgabe von allem. Diese Stasis- dieser Sturm im Wasserglas, das mein Körper ist. Dieses Ertragen, das zum Aushalten wird.
Alles selbst gemacht.

Wir haben in der Therapie gelernt, in solchen Zeiten auf das Geschaffte zu gucken.
Hier mein Geschafftes der letzten Tage: die Buchbesprechung endlich fertig gestellt, die Dreckwäsche zu Tragwäsche verwandelt, staubgesaugt, mit einer Gemögten eine Hunderunde gemacht, Artikel und eine Email an die Frau vom Jobcenter geschrieben.

Wo bleibt jetzt bitte der Knall in dem mir klar wird, dass das schon viel ist? Nach dem mir klar wird, dass ich aufhören DARF mich nicht auch noch mit solchen Kürschnörkeln neben der Lebens- Überlebenspflicht zu belasten?
Wo bleibt der Punkt an dem ich nicht mehr dauernd denke, dass ich selbst schuld bin, wenn es mir einfach nur grottenschlecht geht und das Bett, die Decke überm Kopf, das einfach nur hemmungslose Heulen über meine Lage auch einfach mal okay und erlaubt ist?!

OEG erster Akt

Heute war es nun soweit.
Ein erstes Informationsgespräch mit einer Vertreterin des Landschaftsverbandes, um einen Ablaufplan zu bekommen.

Zur Information meiner nicht betroffenen oder auf der Suche nach Informationen befindlichen Leser:
Wer Opfer einer Straftat wird, hat, weil es der Staat nicht geschafft hat einen zu schützen, Anspruch auf Entschädigung nach dem OpferEntschädigungsGesetz.
Nötig sind: eine Strafanzeige; ein Täter (welcher in Regress genohmmen wird) dazu und eine Verurteilung.
Natürlich gibt es viele viele Ausnahmefälle und viele Einzelfälle die sorgfältiger Begutachtung und allgemeiner Überprüfung bedürfen. (weitere Infos —> klick )
Aber als Grundinformation braucht man eigentlich nicht mehr zu wissen, um zu erkennen, dass die meisten Menschen mit DIS am Arsch sind, in Bezug auf eine Entschädigung durch dieses Gesetz.

Wir wurden sehr früh, sehr schwer und durch verschiedene Täter traumatisiert.
Alle Zeugen dieser Straftaten sind entweder selbst Täter oder Opfer. Namentlich vorgestellt hat sich dabei übrigens niemand, oder mir gar noch seine Adresse gegeben oder sonstiges…

Nähere Erklärungen zu “unserem Fall” werde hier natürlich nicht schildern, doch den einen oder anderen Punkt möchte ich von diesem Gespräch doch erwähnen und meiner derzeit übermäßigen Bitterkeit Raum geben.

Wir haben uns in Rücksprache mit der uns bereits seit Jahren vertretenden Rechtsanwältin entschieden, uns direkt vom Landschaftsverband Informationen geben zu lassen, wie eine Antragsstellung bei einem Menschen mit dem Hintergrund der organisierten (Pädo)Kriminalität aussehen kann.
Insgesamt dauerte das Gespräch etwa eine dreiviertel Stunde.
Die ersten 15-20min lauschten wir den Platitüten und allgemein zugänglichen Informationen, die jeder, der über eine Antragsstellung nachdenkt im Internet oder auch in jedem Flyer darüber, nachlesen kann.

Ich kam mir vor wie im Jobcenter.
”Ja also wenn sie Leistungen von uns möchten, dann muss in jedem Fall eine Strafanzeige gestellt werden, ansonsten entziehen Sie sich ihrer Mitwirkungspflicht…”
Grundsätzlich mal: Wir MÖCHTEN keine Leistungen! Wir BRAUCHEN sie (weil es auch hier der Staat verkackt hat sich zu kümmern!) und wir haben verdammt und zugenäht EIN VON DER GESETZGEBUNG ZUGESICHERTES RECHT auf Leistungen dieser Art!!!
Wir kommen nicht; um um etwas zu bitten! Wir kommen um etwas einzufordern! Um etwas einzufordern, das uns zusteht und nur deshalb nicht an uns heran gereicht wird, weil man vorher überprüfen muss, ob die Forderung gerechtfertigt ist- so richtig echt und wirklich.
Und diese Überprüfung halte ich für grundsätzlich gerechtfertigt und okay. Und um diese Überprüfung zu erleichtern, wirke ich selbstverständlich so gut mit wie es mir nur irgendmöglich ist!

Allein die Sprache liess mir heute schon wieder die Galle den Hals hochkriechen. Was ist das für ein Ding, das es diesen Menschen erlaubt, mit Menschen, die ihre Rechte einfordern und entsprechende Anträge stellen, zu sprechen als wären sie ein elendiges Bettelpack?!
Ich sitze dort und fühle in meinem Anliegen impliziert, dass ich mir etwas unerlaubt nehmen will, weil ich es einfach mal so möchte… wie man manchmal einfach ein Eis möchte, weil Sommer ist und es einfach erfrischend und nett wäre.
Ich komme aber dahin, hab fett zugeschwollenes Gesicht und brauche ein Eis, um etwas sehen zu können! Aber das muss ich erstmal beweisen…

Nun ja, nach etwa 23 Minuten brauchte ich das erste FishermensFriend. Es zeichnete sich ab, dass man doch mehr auf unsere Situation bezogen nachbohren musste.
Erst nach der vierten oder fünften Schleife, (ich habe eine echt tolle Anwältin, die hartnäckig ist und sich nicht einfach abspeisen lässt!) bemerkte die Frau dann auch endlich, dass sie sich selbst widersprach! Und bemerkte, dass sie uns leider keinen konkreten Laufzettel geben konnte.
Die Logik, dass wir erst Schutz bräuchten der garantiert ist, um eine Anzeige zu erstatten (um unserer Mitwirkungspflicht nachzukommen) war schon klar. Aber dass man diesen Schutz erst dann bekommt, wenn man eine Anzeige erstattet hat… irgendwie brauchte das eine eeeewige Schleife zu ihr hin.
(Da saß ich schon mit dem zweiten Fishermen im Mund, weil ich einen kurzen Anflug von Wahnsinn(sungeduld wegen Dummheit!) hatte.

Naja, das Gespräch endete mit dem Wissen, dass eine Gefährlichkeit des Täters nachgewiesen sein muss bzw. die Organisation als gefährlich bewertet sein muss, um sich eventuell vielleicht auf eine Ausnahmeregelung einzulassen… ganz objektiv natürlich. [Nein nein, man fängt nicht an in bestimmte Richtungen zu denken, wenn man an “organisiertes Verbrechen” denkt… nein nein.. Hollywood und Co kommen da natürlich NIE drin vor… und dafür gibts ja dann die Glaubwürdigkeitsgutachten…, welche, wie uns die Frau mit eindringlich mahnender Stimme mitteilte, sehr viel Geld kosten. Netterweise hat sie sogar noch genau gesagt, wieviel- so dass hier gleich wieder die “wir sind zuviel” Lampe aufblinkte. ]

Naja. Also: Nichts Neues für uns eigentlich.
Aber mir ist aufgefallen, wie wichtig die parteiische Vorinformation für uns gewesen ist. Alle Informationen rund um das Thema des OEG haben wir von der Opferhilfe, Frauenberatungsstellen, unserer Rechtsanwältin und anderen Betroffenen. Wäre dies ein erstes Informationsgespräch gewesen, hätten wir unser Ansinnen sofort und auf der Stelle zurückgezogen.
Wäre unsere Rechtsanwältin nicht so großartig renitent und professionell dreist, hätte ich heute wohl wieder gelernt, dass Wahnsinn forciert und entsprechend genutzt wird.

Trotzdem bin ich wieder bei der Erkenntnis gelandet, dass es nichts Schlimmeres als den durch Erfahrung klugen und organisierten Täter gibt. Er nutzt die Lücken des Systems und kann sich darauf verlassen damit durchzukommen.
Der Gedanke, dass es angesichts der, im Jahre 2007 von der polizeilichen Kriminalstatistik  angegebenen, 11.357 Fälle von Kinderfolterdokumentationsprodukten (infamerweise nachwievor “Kinderpornographie” genannt und damit Kinder als bezahlte Schauspieler darstellend!!!), auch Opfer geben muss, ist noch nicht angekommen. Ganz offensichtlich nicht. Dass es das gibt- dass die Existenz dessen endlich anerkannt ist… darüber dürfen wir Opfer uns heute freuen! Und darüber freue ich mich auch- ganz ehrlich!
Ich freue mich aber vorallem deshalb darüber, weil ich so diesen Kampf um die Existenz dessen nicht auch noch zu führen brauche.

Dass ich nur beweisen muss, wirklich deshalb ein so verdammt beschissen schweres; verkrüppelnd anstrengendes Leben führe, weil jemand mich zerstört hat und nicht, weil ich so geboren wurde.

Das ist so krass, dass ich mich nicht etwa frage: “Schaffen wir es genug vernünftige Aussagen zu erlebter Gewalt zu machen?”, sondern: “Haben wir genug positive Ressourcen, um uns von dieser tiefen Bitterkeit zu erholen, die uns nun immer wieder und wieder begegnen wird?”.

Heute hatten wir sie noch nicht.
Heute mussten wir diese Bitterkeit rausschwemmen.

Aber es gibt ja noch viele viele Morgens …