Themenwoche “Ableismus”

Seit NakNak*s Diagnose haben wir Themenwoche “Ableismus”.
Und weil wir gerade niemandem all das sagen können, was wir sagen wollen, schütten wir unsere Worte mal wieder hier hin.

Es begann damit, dass wir unsere eigene Behinderung und die damit einhergehenden Begrenzungen gespürt haben.
Das informierende, beratende Gespräch mit dem Tierarzt war wenig informativ und vielleicht zu holterdipolter nach der Diagnose, um beratend zu wirken. Er spricht kein glattes Deutsch und was meistens kein Problem ist, war diesmal, wo es mir um wirklich jeden Aspekt der Erkrankung des Hundes ging, ein Riesenproblem.

Ich konnte den Sinn seiner Worte nicht verstehen. Konnte mich nicht auf einer Ebene mit ihm bewegen und entsprechende Fragen stellen. Was ich aber wichtig finde, wenn es darum geht, was für NakNak* gut und wichtig ist. Sie ist scheiße nochmal so sehr davon abhängig, dass wir gute Entscheidungen für sie treffen. Es ist wichtig, dass wir alles verstehen. Und es klappte einfach nicht. Mein Verstehstress, tickte meine Ohnmachtsgefühle an, ein anderes Innen tauchte auf. Scheiterte. Wir kamen richtig in Stress und sind da ~irgendwie~ raus.
Super Leistung.
Nicht.

Wir wissen, dass in uns in solchen Momenten sehr alter Selbsthass wieder angeht, der teils erlernt und von außen nach innen genommen wurde, sich aber auch aus unserem Anspruch an unser Funktionieren ergibt. Und ich weiß, dass viel von unserem Selbsthass aus den ableistischen Demütigungen in  unserer Kindheit und Jugend kommt. Ich weiß, warum es in meinem Kopf 24/7 dauerschleift, dass ich gefälligst reden soll, wenn man mit mir redet. Dass ich nicht so behindert glotzen soll. Dass ich meinen blöden Arsch hochkriegen soll, um Dinge so zu tun, wie man es mir gesagt hat.
Und trotzdem.
Es ist etwas anderes in so einem Moment.

Da reicht es nicht zu wissen, dass das alles vorbei ist. Dass ich, dass wir Dinge können und bla bla bla – denn in diesem Moment ist da eine Behinderung und sie passiert genau da, wo ichwir und meinunsere Fähigkeiten enden. Und allein aus uns heraus kommen wir da auch nicht drüber.
Und so denken wir uns gerade die Zukunft mit NakNak*, die blind wird und uns immer und konsistent klar und auf sie passend eingestimmt braucht: Wir brauchen Hilfe dabei und niemand raffts.

Und wenn wir daran scheitern, dann sind wir die Person, die ihren Hund weggibt, weil sie nur eine funktionierende Maschine benutzen will.

Stichwort “funktionierende Maschine” – das ist die andere Seite
Seit wir das wissen, fragt uns jede_r die_r davon erfährt, ob man das operieren kann. Wegmachen kann. Aufhalten kann.
Und niemand redet mit uns darüber so, als hielte man es für notwendig, dass wir das machen, oder so, als würde man von uns erwarten, dass wir das machen lassen – sondern EINFACH NUR SO – was ich nicht verstehe.
Alle Menschen in unserem Leben wissen, dass wir uns das nicht leisten können und aus Gründen, die mit unserer Haltung zu Speziezismus zu tun haben, auch nicht wollen. Und trotzdem reden sie mit uns lieber über eine Operation, als darüber, wie (ob) wir uns fühlen, welche Ideen wir haben, was für (ob) Gedanken uns bewegen, was man sich als hilfreich für den Umgang vorstellen könnte.

Meistens weiß ich auch gar nicht, wie ich mich fühle. Denn ich hab Themenwoche Ableimus an NakNak* und daneben noch zig andere Baustellen, die teilweise ihr ganz eigenes Feature in ebenjene Themenwoche einfließen lassen.
Die Menschen sind alle zugewandt und wollen mit uns sein – aber es verletzt so sehr, wie sie es versuchen.

Ich, wir, versuchen NakNak*s Blindheit als etwas zu akzeptieren, das passiert. Als das “Risiko”, das wir eingegangen sind, als wir uns dafür entschieden haben, einen gemeinsamen Weg zu gehen. Nicht als etwas, “wogegen man angehen muss”, was “ja eigentlich nicht so schlimm” oder “eine traurige Sache ist”.
Denn genau diesen Scheiß haben wir mit unseren Behinderungen jeden scheiß verdammten Tag schon für und über uns und unsere Un_Fähigkeiten, x-mal am Tag auf dem Tableau.

Es ist nämlich genau das auch mit unserem Autismus. Weil es “bei uns ja nicht so schlimm ist”, sieht niemand unsere Kommunikationsprobleme und überfordert uns immer wieder. Weil “es ja so eine traurige Sache ist”, bietet man uns manchmal Hilfe an, wo wir gar keine brauchen oder bevorzugt uns schneller mal auf sozialen Ebenen. Weil “man ja dagegen angehen muss”, halten so viele Leute unseren überdurchschnittlichen Lern- und Arbeitszeitraum für legitim und nicht das Ergebnis von Bewusstsein über die Notwendigkeit mehr als andere Menschen kompensieren zu müssen.

Kompensation ist, was die Leute sehen, doch nicht begreifen. Sie sehen einen Rollstuhl und denken: “Ah behindert, weil kann wohl nicht (so gut/lange/weit..) laufen.” und eben nicht: “Ah kompensiert mit dem Rollstuhl die Behinderung, die dadurch entsteht, dass…” und das ist der Punkt.

NakNak* war und ist nachwievor etwas und jemand, die_r uns sowohl Kompensations/Hilfsmittel als auch Begleiter_in ist.
Sie ist nicht wichtig für uns, weil wir behindert sind.
Sie ist, wichtig für uns, weil der Großteil von uns nicht sprechen kann/will bzw. nicht spricht, um zu kommunizieren. Sie ist wichtig, weil sie uns damit geholfen hat eine Routine zu etablieren – und bis heute hilft, diese aufrecht zu erhalten. Sie ist wichtig, weil wir in ihr viele Anhaltspunkte für das eigene Stresslevel haben und ach vieles mehr. Manches haben wir Stefan auf dem Podstock erzählt und manches in dem Text über sie letztes Jahr.

Ihre gesamte Ausbildung basierte auf Sicht bzw. alle Signale/Befehle an sie sind (und manche: auch) Handzeichen.
Aus Gründen, die wir nicht einfach mal eben so umstricken können oder wo man einfach so sagen kann: “Ja ach das wird schon…”. Wir hatten uns dabei schon was gedacht und müssen auch heute noch sagen, dass sich keiner dieser Gründe erledigt hat.
Und nein – es ist auch nicht aufmunternd oder tröstlich oder hilfreich, wenn uns Leute schreiben, dass sie in einer ähnlichen Situation auch dachten, sie würden das nie schaffen, aber dann doch geschafft, weil… Das ist es schon deshalb nicht, weil sich sowas aus der Retrospektive immer leicht sagen lässt und Geschichten vom Nichtgeschaffthaben so gut wie nie erzählt/geteilt werden.

Gerade bei Haustieren ist Nichtgeschaffthaben so eine Sache. Ein Tier aus dem Tierheim zu holen ist Gold, wer vom Züchter abkauft, elitärer Scheißspießer, der einen Designerhund will, der dann doch im Tierheim landet, weil besonders so ne Leute doch alle Versager sind. Tierheimtiere brauchen Retter_innen blablabla Ein Herz für Tiere zeigt sich in bedingungsloser Aufopferung kotzbrechbla

Und in so einer Lage, wie meinunserer?
Wo wir uns sehr wohl auch reflektieren müssen, ob wir mit den Problemen, die NakNak* kriegen wird, langfristig wirklich die richtige Person sind, schmeißen wir sie damit weg oder was? Oder denken wir da nicht vielleicht irgendwie doch so verantwortungsbewusst, wie man das von Haustierhalter_innen erwartet?

In einem anderen Haushalt würde man sie vielleicht operieren können (finanziell) und würde sich mit der Entscheidung nicht herumquälen (weil man ihr Einverständnis dazu nicht einholen kann, aber das nicht problematisch findet). In einem anderen Haushalt würde das Leben vielleicht auch nicht auf die Richtung zugehen, wie bei uns mit Auswander- Berufseinstiegverselbstständigungs- und Familienplanungsüberlegungen – da hätte sie vielleicht noch Zeit sich umzugewöhnen, so lange sie noch sehen kann und ist dann bis zum Lebensende supergechillt und glücklich, weil sich nicht dauernd alles ändert?
In einem anderen Haushalt müsste sie nicht mehr arbeiten. Da wären vielleicht Leute, deren Schwierigkeiten im Alltag anders und nicht so kontinuierlich wie bei uns vorliegen?

Ich würde anders darüber nachdenken, wenn wir in den letzten Jahren mehr Fortschritte an den Stellen gemacht hätten, die NakNak* uns kompensieren hilft. Haben wir aber nicht. Auch aus Gründen. (Die völlig okay sind und andere gemachte Fortschritte deshalb nicht abwerten).

Ich weiß im Moment nicht, wie ableistisch mein Blick auf uns ist. Mache ich gerade zu viel von meinunseren Fähig- und Fertigkeiten abhängig? Unterschätze ich die Fähigkeiten, die NakNak* hat, selbst wenn sie blind ist? Entlang welcher Parameter kann man alternativ entscheiden bzw. auseinandersetzen?

Ich wünsche mir im Moment so sehr meine Anti-Ableismus Timeline in die direkte Nachbarschaft.
Wünsche mir lange Stunden mit Auseinandersetzung und Diskurs darüber, wo es langgehen kann, wenn man die ableistischen etablierten Pfade verlassen will.
Ich hätte gern, dass mich niemand trösten will, sondern auf das stößt, was ich gerade ausblende.
Kein Vermeidungstanz, sondern echte aufrichtige Mit-mir-zusammen-Auseinandersetzung.

Zum Einen um dahin zu kommen, einen Umgang zu finden – zum Anderen aber auch, um selbst in der Situation anzukommen.
Denn eigentlich – emotional – stehen wir (Rosenblätter) da noch in der Praxis und verstehen gar nichts außer: Wir haben keine Ahnung, was wir tun sollen und ob wir dem genug sein können.

Während andere Innens Schule, Alltag und Gedöns weitermachen als wär nichts gewesen und wir uns fragen müssen, ob da überhaupt irgendwas von dem Tierarzttermin angekommen ist.

adultistischer Ableismus und Kinderinnens

Wir haben ein Problem an dem Umgang mit Kindern.
Das macht unsere Texte über Kinderinnens oft zu einer unflauschigen Angelegenheit.
Zu Beginn schreibe ich hier über Außenkinder, um die Abgrenzung aber auch den Bezug zu Innenkindern (Kinderinnens) deutlich erkennbar vorzunehmen.

Ziemlich stark ist in uns die Ablehnung von Kindern als “die Zukunft”.
Und richtig kirre macht uns der west-wohlstandsgesellschaftliche Blick auf Kinder, in dem sie so kostbar sind, dass man sie 24/7 fördern muss, damit sie auch nur den Hauch einer Chance haben, den übersteigerten Erwartungen und Ansprüchen der Generationen vor ihnen in irgendeiner Form nachzukommen.

Kinder können ja nix. Sie sind ja immer gefährdet. Man muss sie schützen. Man muss sie bewahren. Kinder sollen die Erwachsenen mal machen lassen, damit diese ihnen “das Beste” antun können. Damit Erwachsene noch immer mehr Gründe haben, weitere Forderungen als legitimiert einfordern können.
Und selbstverständlich wissen nur Erwachsene, was genau “das Beste” eigentlich ist.

Adultismus ist das Wort dazu.

Adultismus ist ein Kind des Ableismus und gehört also zur Familie der Scheiße-ismen, die das zwischenmenschliche Miteinander unserer Gewaltkultur vollständig durchdrungen haben.
Es geht um Macht und damit auch um Gewalt.en.
Im Falle des Adultismus, geht es um die Macht bzw. die Diskriminierungen, die erwachsene (dezidiert umfänglich befähigte) Menschen über noch nicht erwachsene (also (in der Mehrheit der Fälle) aufgrund des anderen Reifegrades anders umfänglich befähigte) Menschen inne haben und ausüben.

Diese Macht bzw. diese Diskriminierung manifestiert sich in normalisierten Handlungen, gleichzeitig aber auch in Handlungen, die gesellschaftlich abgelehnt werden.
Es ist üblich Kinder einfach so zu einzuordnen und zu reglementieren, ohne sie zu fragen. Und selbst in Familien, die Wert darauf legen, dass die Kinder ihre Grenzen selbst festlegen dürfen, gibt es X Ausnahmesituationen, in denen ebenjene Grenzen aufgeweicht werden, um etwas durchzusetzen, das als “das Beste” für das Kind verstanden wird – ohne, dass das Kind ein Bestes für sich definieren kann oder darf.

An dieser Stelle will ich nicht auf “Ja, aber Kinder können doch noch gar nicht wissen/entscheiden…” eingehen. Denn: Ja mag sein, dass ich keinen Konsens mit einem einjährigen oder dreijährigen Kind über eine Impfung aushandeln kann – aber ich muss mein übergriffiges Handeln nicht damit rechtfertigen, dass ich mehr weiß oder mehr kann, als mein Kind und leugnen, dass ich an der Stelle gerade etwas entschieden habe, weil ich das konnte und wollte und sollte und vom Gesetz zugestanden auch: durfte – und das Kind nicht.
Es ist nur ehrlich und fair, wenn ich an der Stelle transparent um mein Handeln bin und so dem Kind ermögliche (im Rahmen der zu dem Zeitpunkt bestehenden Möglichkeiten) zu erkennen, was da gerade passiert ist, um selbst eine Einordnung vorzunehmen.

Für die Kinder in dieser unserer Gesellschaft gibt so wenig frühe Chancen, die Erwachsenen um sich herum und deren Handeln auch mal scheiße zu finden, ohne selbst sofort um Leib und Leben fürchten zu müssen. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Kinder niemals in der Lage sind ganz und gar autark zu meinen oder zu finden oder zu urteilen. Und folglich auch: zu fordern oder zu wollen.
Was im Zusammenspiel mit den wenig geschätzten Fähig- und Fertigkeiten überhaupt erst zu ebenjener Abhängigkeit vom “good will” der sozialen Umgebung führt, die allgemein mit Kindern in Zusammenhang gebracht wird.

Wie gesagt: Wir müssen nicht darüber reden, dass Kinder nicht die 20 Sahnetorten haben können, die sie gerne hätten.
Aber wir müssen darüber reden, aufgrund welcher Machtstrukturen es die erwachsenen Menschen sind, die ihnen diese Sahnetorten verwehren und was das für die Realitäten der Kinder bedeutet.

Aus Kindern, die in adultistischen Umfeldern aufwachsen, werden Erwachsene, die eine spezifische Sicht auf die eigenen Fähig- und Fertigkeiten internalisiert haben und, die sie folglich immer entlang von Autoritäten oder in Abgrenzung zu versagen/scheitern/noch nicht können, definieren.
Ein Marker dafür kann die ständige Ausrichtung auf die Zukunft der eigenen Fähig- und Fertigkeiten sein.
Ein kindliches: “Wenn ich groß bin, dann …”, kann zu einem erwachsenem: “Wenn ich meine Koch- und Backskills als Masterdiplom of the universe schriftlich mit Brief und Siegel hab, dann…”, werden.

Gleiches gilt für die Bewertung eigenen Handelns.
”Wenn Mama/Papa/Lehrer_in/Doktor_in/Richter_in/Bürgermeister_in/Bundeskanzler_in… sagt, was ich gemacht hab, war gut/schlecht, dann… ”.

Adultismus ist ein wichtiges Instrument der Kontrolle über Menschen.
Im Kontext der konkret körperbezogenen Gewalt an Kindern, kommt es so zu einer ganzen Reihe von Diskriminierungsfaktoren, die auch nach der Tat bestehen bleiben und so verhindern können, die strafbare Gewalt durch Erwachsene von der legalisierten/normalisierten Gewalt abzugrenzen.

Aus so miss.be.handelten Kindern, können folglich Erwachsene werden, die zum Einen den adultistisch-ableistischen Blick auf sich internalisiert haben, zum Anderen aber auch eine diffuse Haltung gegenüber der Frage, welches Verhalten wie übergriffig ist und welches Verhalten womit zu legitimieren oder begründen sein könnte.

In der Auseinandersetzung mit Kinderinnens haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Idee vom erwachsenen Menschen eine ist, die einem Kind immer und in jeder Situation überlegen ist. Aufgrund der jeweiligen Fähig- und Fertigkeiten.

Die Schieflage ist uns gefallen, nachdem wir die gleiche Haltung uns gegenüber von Mediziner_innen und anderen Behandler_innen erlebten, die sich uns überlegen fühlten, weil sie diverse Fähig- und Fertigkeiten, als bei uns fehlend oder “krankhaft” eingeordnet hatten.
Nachdem wir in unseren früheren Lebenskontexten festgestellt hatten, dass man uns als weniger wert einordnet, weil wir bestimmte “Leistungen” nicht erbringen konnten.

Diese Parallele mit “Ableismus” beworten zu können, ist etwas, das uns heute sehr stärkt. Denn es gibt uns ein Wort für die Dynamik selbst, ohne näher an die Personen, die so mit uns interagiert haben, herantreten zu müssen.

Mit dem Verständnis des Ableismus haben wir auch ein Werkzeug zur Erkennung von Umfeldern, in denen wir sicher sind, in denen wir wachsen und werden können. In einem Umfeld, in dem wir unsere eigenen Fähig- und Fertigkeiten entwickeln können, ist genauso viel Raum zum Versuchen, wie zum Scheitern.
In Umfeldern, wo unsere Fähig- und Fertigkeiten beobachtet werden, um anhand von Leistungs- und Beurteilungsschemata eingeordnet zu werden, gibt es weder Versuchen noch Scheitern. Dort gibt es eher “Daumen hoch” oder “Daumen runter”, wie damals in Cäsars Arena. Was einer DER Trigger für komplex traumatisierten Menschen ist.

Für einen komplex traumatisierten behinderten /Menschen/ mit Behinderungen ist letzteres Szenario also zwangsläufig wie eine durchgehende Gewalterfahrung(swiederholung).
Denn sowohl die Gegebenheiten, welche die Behinderung letztlich verursacht, als auch die Traumatisierung, die gewisse Anpassungen abverlangt (und ihrerseits zu Gegebenheiten führt, welche Behinderungen (mit)verursachen), erfordern häufig Leistungs- und Beurteilungsschemata, die anders aufgebaut sind, als jene, die an Menschen ohne diese Eigenschaften angelegt werden.

Im Ableismus ist der normale Mensch, dem man mit Respekt und unter Wahrung seiner Würde begegnet, “gesund”, “reif”, “kognitiv umfassend befähigt”, “körperlich voll funktionsfähig”.
Das “gesund”, “reif”, “kognitiv umfassend befähigt” und “körperlich voll funktionsfähig” behinderter Menschen – aber auch von Kindern – ist grundsätzlich ein anderes. Jedoch nicht, weil geforderte Leistungen auf einem anderen Weg erbracht werden – nein. Die Notwendigkeit einen anderen Weg zur Erbringung einer Leistung gehen zu müssen, ist bereits ein Ausschlusskriterium von der Norm.

Mich hat diese Erkenntnis damals schockiert. Nicht zuletzt, weil sie mir damals schon – mit 14/15, als wir zum ersten Mal in einer KJP untergebracht waren – aufzeigte, dass mir die kleine Welt, in der ich lebte, ein Ort ist, der mich wegstößt, isoliert und als noch einmal anders, als ich mich selbst anders erlebte, wegsortiert. Nur, weil meine Art mit dem umzugehen, was mir passiert war, ein anderer Weg war, als der von all den anderen tausenden Menschen, die das Gleiche jeden Tag erlebt haben.

An dieser Stelle ein kurzer Ausschwiff.
Wir haben vor Jahren einmal einen Artikel geschrieben, in dem wir sagten, dass es im “DSM-Rosenblatt” keine Krankheiten gibt, sondern nur Reaktionen.
Heute würden wir sagen, dass wir keine Krankheiten sehen, sondern Reaktionen und spezifisch begründete Wege zum Ziel.
Gesundheit ist ein ableistischer Machtbegriff. Gerade, weil in der Betrachtung dessen, was als “krank” (aber auch “behindert”) gilt, weder die Menschen als grundsätzlich variable Basis, noch ihre Er_Lebenswege als unterschiedlich begehbar anerkannt und angenommen werden.

Hinzu kommt die Problematik, dass kritische Bildung in Psychologie, Psychiatrie und Medizin so leicht zu umgehen ist.
Ans akademische Ziel kommt es sich bequemer, wenn man die eigenen (ableistischen, sexistischen, rassistischen…) Annahmen als gegeben und einzig verifizierbar etabliert.
Das heißt: wenn man sich eine Idee macht und dann nur noch nach Beweisen dafür – und nicht dagegen – sucht.
Kritische Bildung (also eine Idee zu entwickeln und alle Hinweise dafür und/oder dagegen in die Ergebnisse fließen zu lassen) könnte zu Wisssenschaftler-/Behandler_innen führen, die zu arbeitsintensiven Forschungs-/Diagnose- und Behandlungsphasen führen.
Oh Schreck.

Kapitalismus und wirtschaftlich orientierte Räume, wie Krankenhäuser und andere Orte psychiatrisch, psychologischen oder medizinischen (wissenschaftlichen) Wirkens mögen sowas gar nicht.

Aber auch der zwischenmenschliche Wettkampf um Egostreichelei und Reputation spielt eine Rolle.
Turbo-Abi mit 17/18 – im OP-Saal eine Aorta abklemmen mit 25 – tollster Retter aller Zeiten mit 35. Auf dem Klassentreffen mit 40 die Person, die reden kann, wie es vor ein paar Jahrzehnten nur 70 – 80 jährige Rentner_innen konnten. Nach dem Tod eine Institiution für Generationen sein.

Viel ist viel – viel ist aber nicht zwangsläufig “viel Gutes”.
Geschweige denn: “nicht gewaltvoll” im Sinne von “nicht diskriminierend”.
Um viele Patient_innen durchzuschleusen, muss man menschlich wie fachlich bestimmte Aspekte diskriminieren. Das geht nicht anders.
Schwierig ist jedoch, dass es dabei um Menschenleben und Individuen geht. Wenn man daran etwas abschneidet, verstößt man gegen das Prinzip weder Leid noch Schaden an seinen Patient_innen zu machen.
Und sichert sich damit selbst die Arbeit bis zum Ende der Karriere.

“Nachhaltige Gewaltwirtschaft” nennen wir das.

Wer daraus aussteigen will, muss sich selbst zurückstellen. Muss sich auf die Kernelemente des menschlichen Lebens konzentrieren. Muss in der Lage sein, seine Arbeit zu kritisieren, ohne sich selbst dabei gekränkt zu fühlen. Muss sich mit Gewalt und ihren Formen außerhalb von „schlagen, foltern und beschimpfen“ befassen. Muss sich selbst als jemand an.erkennen, di_er Gewalt ausübt, ohne in den reaktiven Täter-Opfer-Dyadismus zu verfallen.
Muss langsam bleiben.

Ausschwiff Ende.

Als mir zum ersten Mal gesagt wurde, ich hätte mich wie ein kleines Kind verhalten, ohne dass ich mich daran erinnern konnte, verfiel ich in den eigenen internalisierten Ableismus: “Ich muss mich mehr zusammenreißen. Besser funktionieren, mich besser kontrollieren, meiner Entwicklung in Richtung “erwachsen sein” stärker nachgehen.”.
Und versagte.

Ich war 16 Jahre alt, in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie und wenn ich eines nicht über mich und mein Leben hatte, dann war es Kontrolle. Und Verstehen. Und Ruhe oder Freiraum mich selbst unter nicht ableistischen Aspekten wahrzunehmen.

Die Diagnose der DIS wurde gestellt, eine Dauermedikation mit Tranquilizern wurde begonnen (diese sollte erst 5 Jahre später enden) und ich (wir) entwickelten alle möglichen Kontrolletti“krankheiten” (eine restriktive Essstörung, neue zwanghafte Anwandlungen, sehr strikte Vermeidungsmoves in der psychotherapeutischen Gesprächstherapie).

Auftauchende Innenkinder waren (sind) für mich der absolute Kontrollverlust. Die Rückmeldung von Außenstehenden darüber, eine nicht nur peinliche, sondern mitunter auch sehr demütigende Situation. Denn wo Außenkinder als nicht kompetent und bestenfalls süß (harmlos) und amüsant gelten, da gelten Kinderinnens wie eine Art Beweis für die “in Wahrheit” bestehende Inkompetenz, Harmlosigkeit und Berechtigung belächelt zu werden, einer gleichzeitig doch erwachsenen Person.

Erst als wir mit einer Therapeutin zusammenarbeiteten, die respektvoll und mit einer grundlegend offenen Haltung – trotz all der ableistischen und anderen Gewaltdynamiken um unsere gemeinsame Arbeit herum! – auf uns alle, die wir Innens in diesem einen Menschen sind, zuging, konnte sich das alles ein bisschen auflösen.
Bei ihr und auch bei der Therapeutin, die heute mit uns arbeitet, hatten wir nie das Gefühl, dass Kinderinnens nichts beitragen können. Oder ein aufreibender Quirk sind, der unnötig Zeit und Raum erfordert. Sie haben uns durch ihren Umgang vorgemacht, welche Sicht wir noch auf sie haben können und wie ein damit kongruenter Umgang aussehen kann.

Das ist so ein Aspekt, den wir oft nicht bewusst bei Behandler_innen (aber auch Verbündeten und sogar selbst Betroffenen) sehen. Es gibt einige, die Liebe und Fürsorge für Kinder(innens) “predigen”, aber Harmlosigkeit und Inkompetenz (die zu leiten/managen/kompensieren ist) dem eigenen Umgang zugrunde legen.
Also adultistische Interaktion vorleben bzw. fordern.

Dazu gehört zum Beispiel die Annahme, dass Kinderinnens nur bestimmte Dinge wollen oder brauchen könnten. Zum Beispiel spielen oder umsorgt werden.
Dazu gehören aber auch Forderungen danach, dass man nur mit erwachsenen Anteilen/Innens zu sprechen verlangt. Oder nur erwachsene Anteile/Innens zu sprechen erlaubt. Oder auf einer Station in einer Klinik verbietet, dass Kinderinnens irgendwo anders als heimlich ausnahmsweise in einzeltherapeutischen Settings sind.

Solche Forderungen sind im Kontext vom Bemühen um den effizienten und reibungslosen Klinikalltagsablauf, unter unmöglichen personellen und anderen strukturellen Gegebenheiten natürlich nachvollziehbar.
Unter dem Aspekt dessen, was Patient_innen mit so schweren Traumafolgestörungen brauchen, um von der Therapie_Zeit zu profitieren, jedoch nicht.

Im Gegenteil offenbaren solche Forderungen ein Verständnis der Dynamiken innerhalb dissoziierter Systeme, das nicht vereinbar ist mit dem, was die Diagnosen letztlich überhaupt erst definiert.
So ist das Verbot irgendwelcher Wechsel bei Menschen, die ihr ganzes Leben mit Wechseln jeder Art gerettet haben und deren Diagnose genau davon gekennzeichnet ist zu wechseln, wie das Verbot zu husten, wenn man Tuberkulose hat: irrational, sinnlos, ableistisch gesagt: strunzendumm.

Und: es reduziert die Personen selbst zur alleinigen Quelle ihrer Probleme und macht die Behandler_innen (und andere umgebende Personen) zu unbeteiligten Dritten und Räume wie Kliniken oder Praxen zu „neutralen“ Orte, die sie niemals sind und niemals werden können!

Doch gerade bei Traumafolgestörungen handelt es sich um Reaktionen auf Umfelder.
Um Anpassungsmechanismen, die nach Umfeldsveränderungen mehr oder weniger plötzlich dysfunktional sind.
In eine Klinik zu gehen bedeutet eine Umfeldveränderung.
In eine Praxis für Psychotherapie zu gehen bedeutet einen Umfeldveränderung.
In eine Selbsthilfegruppe zu gehen bedeutet einen Umfeldveränderung.
Neue Personen bedeuten eine Umfeldveränderung.

Für manche Behandler_in ist die Information, dass auch sie Akteur_innen im Leben(sabschnitt) ihrer Patient_innen sind, mehr oder weniger flash news.
Die sie von sich weisen (müssen).
Weil “professionelle Distanz”.
Statt “Anerkennung zwischenmenschlicher Beziehung in definierten Grenzen”.

Auch an der Stelle taucht manchmal wieder eine adultistisch-ableistische Grundannahme auf: “Jemand di_er als Kind so gelitten hat, dass si_er Kinderinnens entwickelt hat, braucht eine Art der Fürsorge und Nähe, wie sie im Kontext der Behandlung/Pflege unangemessen (“von mir nicht leistbar”) ist.”.

Die bei Außenkindern als notwendig anerkannte bedingungslose Globalfürsorge, wird bei Erwachsenen mit anderen Befähigungen (also Behinderungen oder Krankheiten) zu etwas, das nicht kritisch hinterfragt wird, sondern als mit oder von der Person ausgehende An_Forderung, die angenommen und/oder vorausgesetzt wird.

Das bedeutet für Menschen mit DIS, die (noch) oft zu Kinderinnens wechseln, dass sie nicht als erwachsene (befähigte) Person, die mit kindlicher Strategie auf etwas reagiert, gesehen wird, sondern als Person, die im Kern (auch) noch kindlich ist (oder schlimmer: sein will, weil sie ihr Umfeld kontrollieren oder manipulieren will).

Für uns haben sich Umfelder als hilfreich bewährt, die sich selbst als auch Wechsel/Flashback/Problem auslösende Quelle verstanden haben bzw. verstehen.
Denn ihr Umgang mit diesem Selbstverständnis liefert uns Ideen und Verhaltensblaupausen zum moderaten Umgang bzw. zur alternativen Strategieentwicklung für uns selbst.

Von Menschen, die dysfunktionales Verhalten einzig abstrafen und zu kontrollieren abverlangen, können wir auch nur lernen, unser dysfunktionales Verhalten abzustrafen und zu kontrollieren abzuverlangen.
Von Menschen, die andere Wege (als die eigenen, oder die der Mehrheit der Menschen) zum Ziel für unnormal, krankhaft, falsch, nervig … halten, können wir auch nur das übernehmen.

Von Behandler_innen wird nicht zuletzt deshalb auch ein grundsätzlich wertschätzender, anerkennender, respektvoller Blick bzw. wertschätzende, anerkennende, respektvolle Grundhaltung auf Klient_innen/Patient_innen abverlangt. Da geht es nicht darum einander zu mögen oder gut zu heißen, was die Personen jeweils tun. Da geht es darum, einander nicht zu demütigen oder herabzuwürdigen, weil man ist, wie man ist.

In einem früheren Artikel beschrieben wir Kinderinnens als eine Art innere “apokalyptische Reiter”.
Noch heute betrachten wir sie so.
Wir wissen, dass das Auftauchen eines Kinderinnens bei uns niemals für eine gute innere Gesamtverfassung spricht.
Immer geht es darum, sich (uns) so in Not und Bedrängnis oder innerer Inkongruenz zu erleben, dass ein früherer Zustand eintritt, der nur noch ganz spezifische Strategien zur Aufrechterhaltung des Lebens oder der Kommunikation – und Interaktion möglich macht.
Dieser Zustand ist es den wir mit “Kinderinnen” oder “Innenkind” bezeichnen.

Menschen, die nicht viele sind, können dazu sagen: “Ich fühle mich, als wäre ich wieder ein Kind.” – denn sie erinnern sich daran, wie es war ein Kind zu sein. Sie leben nicht mit einer umfassenden dissoziativen Amnesie für die eigene Biografie und können ihre inneren Zustände weniger fragmentiert erinnern.

Wir jedoch haben vermutlich schon als Kind dissoziiert er_lebt und erinnert. Entsprechend sind solche (erinnerten) Zustände fragmentiert und erlebt.
Durch das Zusammenspiel der fragmentarischen Wahrnehmung und immer wieder nötigen Dissoziation haben sich daraus Ich-Zustände entwickelt. Also etwas, das wir heute als “konsistentes Ich” also “Innens” bezeichnen.

Das bedeutet für uns in der therapeutischen Arbeit, dass wir uns nicht als eine Person, die in manchen Aspekten “unreif/kindlich/weniger befähigt” ist, sehen, sondern als Person, die unterschiedliche Zustände aus Zeiten der relativen Unreife/Kindlichkeit/weniger ausgeprägten Befähigung nicht kongruent und umfassend assoziiert.

Dieser Unterschied ist für uns ein wichtiger Punkt in er Therapiearbeit gewesen.
Denn lange saßen wir einem Missverständnis auf, das uns viele Jahre gekostet hat.
Man sagte uns (teilweise auch einzelnen von uns) immer wieder und wieder, wir müssten die Kinderinnens (aber natürlich auch alle anderen Innens) als Teil von uns akzeptieren und integrieren.
In unserem Verständnis bedeutete dies: Uns damit abfinden, dass wir ein fragmentierter und also immer irgendwie unfähiger, unreifer Mensch sind, der nicht in der Lage ist, jemals irgendwie kontinuierlich befähigt zu sein, wenn wir das nicht endlich mal begreifen.

Nun kann es sein, dass wir aufgrund unseres autistischen Strickmusters einfach sehr anfällig dafür sind, so fatale Missverständnisse über so unkonkrete Sprache zu entwickeln.
Daneben besteht jedoch durchaus auch die Möglichkeit, dass man sich als Behandler_in, gerade bei so diffizilen Diagnosen wie der DIS und DDNOS, die mit ihrem psychoanalytischen Überbau und der ganzen anderen Historie der Deutungshoheiten, sowieso schon immer irgendwie bedeutet, mit einem Bein in der Unglaubwürdigkeit oder dem Skandal zu stehen, lieber einmal mehr zu schwammig/waberig/unkonkret ausdrückt, als zu viel.

Auch hier wieder eine Stelle für flash news: Wo geraten werden muss, da kann falsch geraten werden – und wenn Menschen sich selbst ein Rätsel sind, dann hilft weiteres Rätselraten in 100% der Fälle nicht weiter.

Uns sind Behandler_innen, die das Rückgrat zum Fehler machen haben, in jedem Fall lieber, als “wischiwaschi irgendwie so durchschlängel-Künstler_innen”, denen das eigene Ego und die eigene Reputation am Ende wichtiger ist, als die Ergebnisse der Zusammenarbeit mit ihren Klient_innen.

Heute haben wir Kinderinnens als Marker für unseren allgemeinen Orientierungsstatus und als Informationsträger für bestimmte Strategien in unsere innere Arbeit inkludiert. Das heißt: Wir haben sie nicht als Teil von uns integriert, sondern als Teil dessen, was wir für unser (Über-) Leben zu leisten fähig sind.

Dass wir sie nicht als Teil von uns integriert haben, hat den einfachen Grund, dass wir nachwievor keinen umfassenden Ich bzw. Selbstbegriff haben, der uns alle umfasst, weil neben dem intellektuellen Erfassen von einander, noch kein emotionales/inneres/tieferes Begreifen und “natürliches” (also “unangestrengtes/unbewusstes”) Assoziieren von einander steht.

Wir sind nicht “Eine mit vielen” – wir sind “viele Eine mit vielen”. Ein Selbst haben wir nie entwickelt.
Es hat in unserem Fall also keinen Sinn, Kinderinnens als etwas zu sehen, das sich von einem Kern abgeleitet entwickelt hat und ergo zurück in diesen Kern hineinentwickeln könnte.

Unser Weg ist der, unsere Fähigkeiten jeweils miteinander zu erfassen, zu synchronisieren, miteinander kompatibel zu machen, gut zusammenarbeiten zu lassen und irgendwann vielleicht zu sehen, dass bestimmte Systeme zu einem System verschmelzen. Und dann mit einem anderen. Und dann mit einem nächsten.
Wenn sich daraus dann ein Kern entwickelt – dann können wir über die Anerkennung und Integration von Anteilen in diesen Kern sprechen.
Bis dahin besteht unser Kern aus dem Körper selbst als kleinster gemeinsamer Nenner.

Unsere Art Kinderinnens mit ihren Fähig- und Fertigkeiten in die innere Arbeit und auch Teile des Alltags zu integrieren, sieht wie folgt aus:

– wir analysieren die Situationen, in denen sie aufgetaucht sind, auf mögliche Trigger
– diese Trigger analysieren wir in der Therapie auf Missverständnisse (fehlerhafte Assoziationen traumatischen Materials, die die Ausentwicklung der Zustände zur Folge hatten, die wir heute als Kinderinnens wahrnehmen)

– wir versuchen herauszufinden, wie sie sich verhalten haben, welches Bild sie von sich und der Welt haben
– wir besprechen diese Dinge in der Therapie, um uns ihrer Perspektive anzunähern (um ihre Perspektive auf bestimmte Situationen, allgemein mitbedenken zu können, um Missverständnissen aktiv vorbeugen zu können)

– wir setzen uns mit Ableismus und Adultismus auseinander und arbeiten daran internalisierte Grundannahmen über unsere Fähig- und Fertigkeiten durch konkrete Selbsterfahrung zu revidieren oder zu ergänzen oder zu falsifizieren
– wir folgen Impulsen kindlicher Begeisterung und Neugier bzw. begleiten sie mit der Absicht sie durch unsere erwachsene Außenpräsenz (und damit auch den Rechten und Privilegien, die wir als erwachsene Person haben) zu unterstützen
(Konkreter formuliert: wenn wir merken, dass ein Kinderinnen etwas im Außen spannend findet, dann widmen wir uns dem spannenden Ding gemeinsam und ermöglichen die Auseinandersetzung damit als Person, die das auch darf – nicht weil sie erwachsen ist, sondern, weil man da etwas wahrgenommen hat, das man spannend findet)

– wir schützen unsere Kinderinnens vor adultistischen Übergriffen außenstehender Personen (“Oh wie süß ein Innenkind!”)
– wir schützen unsere Kinderinnens vor der Idee, sie wären “das Kind, dass wir nie sein durften”
– wir bieten unseren Kinderinnens Raum sich auszudrücken (in der Therapie, in der Freizeit, in Bereichen des Alltags, wo wir nur für uns funktionieren und Verantwortung tragen müssen)

– wir öffnen uns für ihre Erfahrungen, als Erfahrungen, die wir gemeinsam gemacht haben, obwohl es sich in den meisten Fällen nicht so anfühlt

Kinderinnens sind kein amüsantes Feature in Menschen, die viele sind.
In vielen Fällen sind autark nach außen agierende Kinderinnens der Grund, weshalb Menschen, die viele sind, überhaupt in psychiatrische Einrichtungen oder Psychotherapie müssen. Daran ist nichts amüsant oder niedlich.

Wir haben ein Kinderinnen, das sich tot stellt, wenn es sich (uns) zu stark von Menschen bedrängt erlebt.
Es gibt ein Kinderinnen, das Dinge erst isst, wenn sie so verfault sind, dass Maden drin rumkriechen.
Wir haben Kinderinnens, die Menschen nur anstarren und darauf warten miss.be.handelt zu werden.

Nichts daran ist süß. Keinem von ihnen hilft es betüddelt  und mit Liebe überschüttet zu werden. Sie brauchen völlig andere Räume und Wege, um sich überhaupt der Idee annähern zu können, dass ihr Er_Leben heute auch ein anderes sein könnte.
Da reicht oft auch nicht unser 10 km Waldwanderweg, auf dem wir uns einander nähern und der Welt bekannt machen.

Bei unseren Kinderinnens geht es um das 24/7 zu haltende Bewusstsein, dass sich (selbst) zu fühlen variabel und innerhalb bestimmter Grenzen von Zeit und Raum passieren kann. Dass Dinge und Erfahrungen einem_einer nicht einfach nur passieren, sondern auch selbst gemacht werden können oder selbst verhindert werden können. Dass es Kontexte gibt, in denen Verantwortung und verschiedene soziale Fertigkeiten eine Rolle spielen.
Adultistischer Ableismus verhindert jedoch genau diese Erfahrungen systematisch.

Deshalb wollen wir nicht, dass irgendjemand unsere Kinderinnens oder das was sie tun, für süß, niedlich oder harmlos hält.
Wir wollen, dass andere Menschen wissen, dass sie befähigt sind.
Dass sie Wege und Ziele kennen.
Dass sie Geschichten und Perspektiven auf den Lauf der Dinge haben.
Genauso wie wir erwachsenen Innens.

Sie haben den gleichen Respekt und den gleichen Anteil der Therapiearbeit verdient, wie wir.

 

* Text als PDF zur freien Weitergabe

Erwartungen und Wörter streichen

Manchmal sind es Parallelen.
Meine Twittertimeline und die Texte, die dort die Runde machen und die Bücher, die ich lese.
Zum Beispiel lese ich zur Zeit “George, Sam und ein ganz gewöhnlicher Montag” von Charlotte Moore und gerade einen Blogtext von Elif, in dem sie_r daran appelliert, bestimmte Begriffe nicht mehr zu nutzen.

Charlotte Moore’s Bericht regt mich auf.
Das ganze Buch ist ableistisch von Anfang bis Ende – doch, was mich stört ist ihre immer wieder pauschalisierende Formulierung dessen, was “die Autist_innen” können und was nicht, wenn sie sich eigentlich auf ihre beiden autistischen Kinder bezieht. Beziehungsweise: auf das, was sie von ihnen wahrnimmt und einordnet.

Der Text von Elif regt mich auch auf.
Es ist ein langer Text mit vielen Referenzen auf 101 Texte, die sich auf einen Nebenschauplatz der Inklusionsbewegung konzentrieren und der ohne sichtbar konsistente Idee darum auftritt, worum es bei inklusions.aktivistischer Kritik an Begriffen bzw. sprachlichen Äußerungen, die entlang ableistischem Menschenbild passieren, geht.

Die Parallele ist der Ärger. Und die ausbleibende Differenzierung von Menschen, die zum Einen nicht konkret selbst betroffen sind und zum Anderen in einer Art mahnend aufklärerischen Fürsprecherschaft auftreten, ohne sich auch an konkret betroffene Menschen zu richten.

Ich denke total oft von Menschen, dass ich sie für dumm halte, weil sie für mich irrationale Sachen tun.
Meine Sprache ist auch ableistisch. Meine Weltsicht ist auch ableistisch.
Wer glaubt, jetzt folgt ein Text in einer Version von “Behinderte /Menschen/ mit Behinderung können auch Arschlöcher sein” liegt falsch.
Das ist nicht meine Art des Aktivismus – ich kann auf jene verzichten, die das brauchen, um m.eine Menschlichkeit an.zu.erkennen.

Was mir wichtig ist, ist nicht zu vergessen, dass Ableismus an sich etwas ist, womit man sich befassen muss.
Ableismus beschreibt eben nicht nur die Wertungen, die mit bestimmten Fähig- und Fertigkeiten bzw. deren Abwesenheit verknüpft sind.
Der Begriff beschreibt auch, dass bestimmte Fähig- und Fertigkeiten als grundsätzlich erwartbar gelten.

Wenn man das verstanden hat und auch nur einmal in irgendeiner Erwartung enttäuscht wurde, kann man sich überlegen, wo die Wertungen in Bezug worauf auch immer eigentlich herkommen. Und dann vieleicht darüber nachdenken, welche Rolle der Umgang mit Enttäuschung und damit einhergehenden Gefühlen und ihren sozial akzeptierten Ausdrücken dabei spielen… und was Diskriminierung damit zu tun hat … und Macht … und kulturelle Alltagspraxis…
la li la hier im Blog schon hundertfach beschrieben.

_ – _ – _

Ich lese die Berichte von Eltern autistischer Kinder inzwischen fast gerne. Sie zeigen mir, was neurotypische Eltern von ihren Kindern erwarten. Was neurotypische Menschen von anderen Menschen erwarten. Viele Eltern behinderter/ Menschen/ mit Behinderung schreiben, ohne es zu wollen, ein Zeugnis ihrer Normalitätsvorstellungen (bzw. Normalitätsüberzeugung) und sind damit für mich die bisher brauchbarste Quelle zur Erforschung des Normalitätsbegriffs an sich.

Mein Leben lang habe ich das Gefühl eine einzige Enttäuschung zu sein.
Weil Menschen von mir Fähig- und Fertigkeit erwarten, die ich weder in Gänze nachvollziehen noch erfüllen kann und diese Menschen meine Anstrengungen zu entsprechen, zu einer Art held_innenhaften Kampf (zurück) ins Leben pervertieren.

Heute begegne ich auch zunehmend Menschen, die von mir erwarten, ihnen zu erklären, warum ich nicht möchte, dass sie in meiner Gegenwart verletzend oder abwertend über Menschen sprechen und handeln.
Anstatt, dass sie mir erklären, warum sie es für richtig halten das zu tun.
Es ist einfach nicht üblich sich zu erklären, wenn man sich und seine Sprache für normal und also allgemein erwartbar hält.

Eine Sprachführung, die diskriminierungssensibel ist, gilt heute als sonderlich, abgehoben, erklärungsbedürftig. Sie sollte es aber eigentlich nicht sein.
Eigentlich sollte die allgemeine Erwartung die sein, dass Menschen ein Interesse daran haben, sich so auszudrücken, dass das, was sie sagen auch ist, was sie meinen und vertreten.
Obskur erscheint mir da der Umstand, dass jedoch das glatte Gegenteil der Fall ist.

Deshalb spreche ich nicht mehr davon bestimmte Begriffe zu streichen.
Denn es wird andere Begriffe geben. Nichts wird sich davon verändern. Es wird nur anders aussehen.

Was ich wichtig finde ist, sich mitzuteilen. Auch und vor allem über die Normalität, die man lebt. So wie man sie er_lebt.
Mir fällt es unheimlich schwer, mit eher fremden Menschen zu sprechen, weil ich viele Informationen über sie brauche, um mir zusammenzurechnen, was ich von ihnen erwarten kann. Das ist ein bewusster Prozess mit vielen Strängen und der ist unfassbar anstrengend.
Deshalb treffe ich mich ungern nur für ein zwei Stunden mit anderen Menschen und deshalb habe ich auch keine Angst vor Twittermenschentreffen. Je mehr Er_Leben ich von anderen Menschen erfassen (lesen) kann, desto besser kann ich sie einschätzen und desto klarer kann ich merken, wann eine Erwartung nicht erfüllt wurde.

Wenn in der Lebensrealität einer Person bestimmte Begriffe immer wieder negativ auftauchen, dann werde ich sie ihr und vielleicht niemandem mehr gegenüber erwähnen. Das werde ich aber nicht tun, weil ich es für das Beste halte bestimmte Worte zu verbannen und durch bessere zu ersetzen, sondern, weil ich möchte, dass sich die Person(en) in meiner Gegenwart so wohl wie möglich fühlen bzw. dass manche Dinge konkret benannt werden.
Ich möchte mich schließlich selbst auch wohl fühlen und wissen, worum es bei bestimmten Begriffen im Kern geht.

Ich werde durch meine Wortwahl allein aber nicht weniger ableistisch.
Ich werde es durch das Mit.Erleben vieler verschiedener Er_Lebensrealitäten und – überzeugungen.
Die Fähigkeit zu erfassen, was wer kann und was nicht, kann nur im direkten Miteinander zu einem Ableismus werden, der sich konstruktiv bei der Er_Schaffung von Dingen auswirkt.

Denke ich im Moment jedenfalls.

das ableistische „eigentlich“

Der neue gesetzliche Betreuer ist jung und Erziehungswissenschaftler.
Und er triggert in uns mit allem, was er sagt und fragt und tut und macht.

Es gehört zum Themenkreis Helfergewalt_folgen.
Und es gehört zum Themenkreis “der unbenannte Scheißejackpot von polytraumatisierten Menschen”.

Denn jetzt haben wir ihn erstmal an der Backe und knietief in unseren Angelegenheiten. Eine Person, die noch nicht weiß, was genau an dem Menschenbild, das sie mit ihrer Aus_Bildung verinnerlicht hat, problematisch ist. Eine Person, die uns unheimlich viel Kraft in der Kommunikation und der Selbstbeherrschung kostet. Eine Person, die wir mit dem, was in uns vorgeht überfordern würden.

Es sind keine offensichtlichen Fehler, die ihm passieren. Man sieht es nicht sofort.
Aber ich merke es. Und ich merke es so, dass ich nicht dran vorbei kann, wenn er zum Beispiel Nachrichten an uns so formuliert, als würde er Dinge entscheiden – oder mit entscheiden, die unser Leben betreffen. Wenn er Vorschläge macht, die diese eine Art im Voraus komplett durchdachte und geplante Rundum-Du-musst-eigentlich-gar-nichts-mehr-selbst-entscheiden/sagen/machen – Konstruktion erkennen lassen.

Ich hasse diese Konstruktion. Und ich hasse sie wirklich, weil sie der Klassiker aus dem Ohnmachtsrepertoire der Helfergewalt ist.
Auf keine andere Herangehensweise ist es schwieriger zu sagen, dass man sich herabgesetzt und entmachtet fühlt und/oder aus anderen Gründen eine andere Herangehensweise umsetzen will.

Um es ein bisschen einfacher zu erklären:
Es gibt einen Unterschied zwischen “es einer Person leicht machen” und “einer Person alles abnehmen, damit sie es leicht hat”.

Wenn mir eine helfende Person Kontexte erklärt, Vorgehen transparent macht, vielleicht noch meine Anliegen in Antragsdeutsch übersetzt und passend in Behördenstrukturen eingibt, dann macht sie es mir leichter, Entscheidungen zu treffen, Anliegen durchzusetzen, mich selbst zu vertreten und die Verantwortung für mich zu übernehmen.

Wenn mir eine helfende Person gar nichts erklärt, sondern einfach alles rausfindet, mir ein Ergebnis präsentiert und sagt, dass wir (SIC! (Rotlichtblinkanlage mit Sirenengheul!!!) uns für XY entscheiden sollten, dann hat sie mir alles genommen und mich in eine soziale Falle gequetscht aus der ich nur mit viel Kraft allein wieder herauskomme.

Denn meistens ist es bei “Abnehmer_innen” so, dass sie selbst glauben, alles richtig gemacht zu haben, weil ja schon alles fertig präsentiert da ist und ja nur noch zugegriffen werden muss, um das Beste oder Richtige zu tun. An dieses Gefühl alles richtig gemacht zu haben, ist dann bei vielen (und ja (sorry) gerade so jungschen) Anfängern auch noch der Punkte/Ergebnis/Erfolgskick aus der langen Schul- und Universitätszeit geknüpft.
Sie erwarten ein Erfolgserlebnis und erwarten folgend von mir mindestens Dankbarkeit und maximal klitzekleine Individualisierungen oder Kritiken.

Sie erwarten nicht zu hören, dass sie einen Teil der Absprachen mit mir gebrochen haben und sie mich damit massiv verunsichern, triggern und die gesamte Zusammenarbeit am liebsten sofort abbrechen lassen wollen.

Das Schlimme ist, dass “Abnehmer_innen” viel Zuspruch in ihrer Überzeugung erfahren.
Es ist für viele Menschen unverständlich, dass wir es uns “einfach nicht leicht machen” und uns nicht einfach völlig sorglos, vertrauensvoll und entspannt in solche scheinbar “gemachten Nester” fallen lassen.
Ist doch schön, wenn schon alles geklärt ist und wenigstens eine Person Bescheid weiß.
100% alles wissen kann man ja eh nie.
Und man hats doch woanders auch schon schwer genug.

Sowas denken diese Menschen und dann wenden sie sich ab, weil sie glauben, wir könnten uns dafür entscheiden wie leicht oder schwer die Lösung eines Problems bzw. die Annahme einer “Hilfe” sei.
”Abnehmer_innen” bleiben dann da stehen wie verschmähte Liebhaber oder weggeschickte Ritter. Die armen. Ganz bemitleidenswert. Da haben sie sich so eine Mühe gemacht und dann hat die/der böse kranke Klient_in sie nicht mal gelobt.

Eine beschissene Position ist das für Klient_innen.
Und wir waren schon so oft darin.
Und jedes jedes jedes Mal waren wir es, die dafür bezahlt hat.

Vor Kurzem versuchte ich ein Paper mit dem Titel “Polytrauma = Polyarschkarte, von der Unmöglichkeit Helfertraumatisierungen mit bewährten Hilfen aufzuarbeiten” zu schreiben. Darin versuchte ich solche Dynamiken und ihre Verquickungen und Wechselwirkungen in Psychotherapie und sozialen Betreuungen verschiedener Formen zu formulieren.
Ich finde das Thema wichtig – die Forschungslandschaft übrigens allerdings gar nicht.
So wurde nichts weiter aus meinem Text und am Ende auch wieder nichts aus einem Versuch uns ein Stück weiter daraus heraus zu bewegen.

Was mich nervt. Und auch in einem Aspekt erneut wiedererleben lässt, was ein Element der Helfertraumatisierungen immer wieder war.
Das damit allein bleiben müssen. Das keine sicheren Erkenntnisse haben (keine feste Wahrheit haben können). Das sich nicht wegbewegen können, weil es so viel zu nah dran ist, dass es sich anfühlt, als sei es innen drin.
Über allem das Wissen, dass man von außen betrachtet schon alles hat, was man braucht – für viele sogar mehr als man „eigentlich“ braucht.

Und da ist es wieder. Das ableistische „eigentlich“.
„Eigentlich“ haben wir doch jetzt mal langsam genug gute Erfahrungen gemacht, um jetzt nicht schon wieder völlig im Wind zu zerflattern, weil wir es mit jemandem zu tun haben, der so arbeitet, wie er es gerade tut.
„Eigentlich“ wissen wir doch, was wir alles tun können, um die Situation zu verbessern.
„Eigentlich“ haben wir doch schon genug Therapie gemacht, um besser mit Triggern im Alltagsleben umzugehen.
„Eigentlich“ brauchen wir das in Wirklichkeit doch alles überhaupt nicht.
„Eigentlich“ kommen wir doch auch so gut klar.

Und uneigentlich versuchen wir hier seit Jahren etwas, das überhaupt nicht funktionieren kann.
Uneigentlich befinden wir uns nachwievor in einer Situation, die man übertragen auf die Traumatherapie als zwecklos bzw. wenig erfolgversprechend bezeichnen würde.
Dort sagt man, dass eine Traumatherapie wenig greifen kann, wenn immer wieder Traumatisierungen passieren und Abhängigkeiten bestehen.

Uneigentlich ist unser Helfergewalterleben noch nie wirklich unterbrochen gewesen.
Beziehungsweise die Umstände, die es immer wieder möglich machten in so schwierige Situationen zu kommen.

Wir sind immernoch arm.
Wir sind immernoch behindert.
Wir sind immernoch nicht in der Lage die Verwaltung unseres Lebens zu durchblicken und zu unterhalten, während wir es aus eigener Kraft schützen und ausgestalten.

Das ableistische „Eigentlich“ hält Armut und Behinderung für Entscheidungen. Für überwindbare Eigenschaften wie Faulheit oder Bequemlichkeit.
Und hat Schwierigkeiten damit anzuerkennen, dass man von unblutigen Dingen wie bürokratischem Übergriffen, die gleichen Verletzungen davontragen kann, wie von körperlicher Misshandlung.

Das macht es schwierig zu überlegen, was wir jetzt tun.
Natürlich habe ich den Betreuer zurechtgewiesen und ihm geschrieben, dass „wir“ (also er und ich) gar nichts entscheiden, sondern ich. Und natürlich werde ich das Gespräch mit ihm suchen und ihm erneut sagen, dass er mir weder beibringen muss, wie mein Leben funktioniert noch eben dieses Leben statt meiner managen muss.
Natürlich mache ich das.
Aber natürlich frisst das wieder Zeit und Kraft, die nicht dafür aufgebraucht werden sollte.
Denn eigentlich haben wir schon Absprachen dazu gemacht. Eigentlich weiß er das alles schon.
Eigentlich gibt es keinen Grund, weshalb ich auf ihn zugehen sollte – außer meiner Abhängigkeit, als Klient_in, die mich dazu höflichkeitsverpflichtet, bevor ich das Betreuungsverhältnis beende.

Eigentlich sollte er selbst, da er schon in diesem Bereich arbeitet, seinen Ableismus reflektiert haben. Eigentlich sollte ihm, da er schon in diesem Bereich arbeitet, klar sein, dass er mit seinem Handeln in einem Macht (und damit Gewalt) verhältnis zu uns steht. Eigentlich, wo er schon so lange für diesen Beruf zur Schule und zur Uni gehen musste, müsste er Gelegenheit gehabt haben, zu verstehen, was es bedeutet mit traumatisierten Menschen zu tun zu haben.

Und in Wahrheit?
In Wahrheit verstehen die wenigsten, was Ableismus ist und wann er wirkt.
In Wahrheit werden Helfer_innen nicht darauf vorbereitet, dass das Machtverhältnis, in dem sie sich zu ihren Klient_innen befinden, mehr bedeutet als sehr achtsam und verantwortungsvoll mit ihrer Aufgabe umzugehen.

In Wahrheit sind es wieder Menschen wie ich, die Kraft und Zeit in die Aufklärung und quasi Weiterbildung der Menschen stecken, um die eigene Haut zu retten.

In Wahrheit ist es wieder unser Selbsterhaltungsprogramm, das jemand anderem nutzt.