aus der Zeit, in die Freiheit- Warten auf die Dämmerung

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, “der Panther”, 6.11.1902, Paris

Sie kriechen aus dem Innen, in das Jahr 2013.
Der Vorhang lichtet sich und lässt ein Bild hinein.

Meiner oder ihrer?
Mein Sein- dein Schein- ich habe das in einem Brief der BÄÄÄMs an mich gelesen.
Was ist wahr und was nicht- was ist früher und was ist heute?
Was ist echter? Welche Bedrohung ist gleich, obwohl es nicht die gleiche Zeit ist?

Stab an Stab an Stab
Tastend, jede Ebene erspürend. So mutig diese Stäbe zu berühren, müssen sie doch darauf achten, nicht erwischt zu werden, wollen sie ihre Finger behalten.

Sie fragt, ob sie eine offene Rechnung schließen muss. Hat den Berg der Sprachbarriere irgendwie erklommen. Manche Buchstaben fehlen, die Grammatik ist ein Albtraum. Es sind viele Fragezeichen, die durch den Äther rauschen. Irgendwohin. Nicht wissend an was für eine Autorität genau gerichtet. Doch es ist klar, sie lebt mit zwei Bezahlsystemen und fragt nur, welches bei wem nötig wird.

„Nein, mein Herz du bist nicht in der richtigen Zeit.
Aber deine Angst passt in die Angst, um die Situation. Eine Verwechslung ist nur logisch.
Auch wenn sie uns unglaublich tief erschreckt.“
Der Vorhang schließt sich.

Schritt für Schritt für Schritt
Stolpern über Zeitfalten, verwickeln im Zeitstoffband, einen Strick daraus drehen und um den Hals legen.
Einer nach dem Anderen. Auf der Suche nach dem Galgen.
Auf der Suche nach einem Rezept, das es zu einem Zeitkuchen werden lässt.
„Damit ich dich besser fressen kann.“

Zeitfresser. In dich hinein, aus dir heraus.
Zeit, die wie schwarze Tinte über den Boden leckt.
Pfoten tauchen hinein und tragen sie weiter.
Schritt für Schritt für Schritt
Vorbei an Stab für Stab für Stab.

Es war meine Hand, die ihm aufgefallen war.
Flüssige Zeit, tropfenweise aus dem Moos neben der Regenrinne herausgedrückt. Sachte balanciert, durch das eingeschlagene Loch, in meine finstere Hölle. Meinen Käfig.
Fallengelassen in meinen staubig, ausgedörrten Mund.

Schritt Schritt links
Schritt Schritt Schritt links
Schritt Schritt links
Schritt Schritt Schritt links
Quadratur des Kreises

Vorhang auf, Bild hinein.
Wieso war ich da?
Vorhang zu.
Guck nicht hin.
Vorhang auf, Bild hinein.
der Sprachberg baut sich auf, lässt Lawinen herunter segeln.
Vorhang zu.
Wir begraben sie unter ihren Wortbrocken, bis sie nichts mehr sagen.

Schritt Schritt Schritt
Stab Stab Stab

Du hast Zähne, Krallen, Kraft.
Du könntest uns schützen.
Eröffne dich und trete in die Sonne.
Er hat dich gerettet.
Die Tür ist offen
Schon fast 12 Jahre lang.

Der Vorhang wackelt,die Realität scheint immer wieder in kleinen kaltheißen Blitzen hinein.
Blendet und verstört.
Dieses Tier ist nachtaktiv.
Vielleicht ist es ein Warten auf die Dämmerung.
Der Moment, in dem beide Seiten ein vages Erkennen schaffen könnten.

Ewigkeit

“Hallo?”
-“…” Anlauf… Druck- Atem im Gaumen ballen, Zunge formen
”C.? Seid ihr das?”
– “…” Anlauf… Luft zusammenpressen-  Luft woher? Zu was soll es werden?
Mehr als ein ersticktes Schniefen kommt nicht raus.
”Ich schick dir eine SMS, halte das Handy ans Telefon dass ich höre, dass sie da ist, ja? Wir haben das abgesprochen, damit ich weiß dass ihr das seid, okay?”

Das Mädchen steht im Arbeitszimmer als das Mobiltelefon auf dem Tisch vibriert.
”Ah ich höre es, okay.” Es raschelt am anderen Ende. “Wer ist denn da? Kennen wir uns schon?”
– “…” sie atmet ein, spannt alles an und würgt doch nur leere ungeformte Luft hervor.
”Hast du Angst? Was ist passiert?”, mehr zu sich als zu dem Kind sagt sie: “Ihr seid sicher.”

[Nein kann ja gar nicht sein, ich hab grad… da war grad ich hab doch gesehen… da ist doch… kann doch wieso sicher… ist doch nicht sicher wenn… da ist doch!!! Weißt du da… da da daaaa da…!!!]

“Traust du dich in die Küche? Im Frostfach ist eine Tüte mit Suppengemüse- leg dir die mal auf den Bauch.”

[Ich… und wenn da… und was wenn… ich nein ich beschütz mich doch da ist… und wenn ich jetzt sterbe was wenn… ich hab doch… da ist doch…  ich kann nicht]

“Ich ruf sofort die Polizei und H. an, wenn ich höre, dass was passiert! Fest versprochen! Dann kommen sie alle zu euch und helfen euch. Das geht ganz schnell. Die sind dann in ein paar Minuten da. Versuch mal in die Küche zugehen. Das Kalte hilft dir vielleicht. Du bist ja ganz außer dir.”

Ich kralle mich in ihre Worte, die Sicherheit der Gemeinsamkeit- höre sie durch Nebelwatte und kann fast lachen. Denn ich bin außer ihr. Ich stehe daneben, schwebe um diese Szenerie.

Ich nehme einen der Fäden auf, der von dem Mädchen herunter hängt und ziehe es in die Küche, lasse es in das Frostfach fassen. Halte ihren Arm damit sie das Telefon nicht fallen lässt.
”N.? Ich könnte mir vorstellen, dass du irgendwo mit bei euch herumschwebst und mich hörst. Kannst du versuchen etwas zu sagen?”, sie wartet und ich fühle mich ertappt. Plötzlich bin ich unsicher- nicht wegen der Situation, sondern wegen der Sicherheit mit der sich eine Außenstehende in unserem Sein bewegt.
”Nicht vergessen- nicht die Hand im Eisfach liegen lassen. Nehmt lieber das Gemüse in die Hand und legt euch die Tüte auf den Bauch.” Ich höre wie sie sich in ihrem Bett zurechtwickelt und werde erst jetzt gewahr, dass es halb 5 am Morgen ist. Die Arme…

“Gehts? Kannst du langsam was sagen?”
Die Nebelwatte löst sich unter dem Eis auf, die Dämme brechen.
Das Mädchen weint und weint und weint.
Ihr hemmungsloses Schluchzen wird zu einem Damm um sie herum. In solchen Fluten würde ich ertrinken. Alles was ich machen kann ist warten und es sich leerlaufen lassen. Ich versuche das Innen zu lichten. Eine Hilfe für sie zu finden.
”Ja… wein dich aus… ist okay. Ich warte.“

Anlauf… Luft… eine Form im Kopf wird zur Form im Mund… wird zum Wort… Absprung
Sie spricht.
Sie wird getröstet, beruhigt, im Heute orientiert.
Sie löst sich auf und wird zu einem der kleinen Herzen, dass in der Brusttasche von jemandem behütet wird.

“Hm, bist du noch da?”
-“Ja, ich bin da.”
”Na? Lust auf Suppe heute Abend?”
-“Hm?”
”Das Gemüse müsste jetzt langsam aufgetaut sein.” sie kichert.
-“Entschuldige.” Ich versuche den Körper irgendwie zu sortieren und die Tüte wieder ins Frostfach zu legen. “Ich weiß nicht, wieso wir so zerfallen im Moment. Mehr als Wahlwiederholung ging nicht.”, ich wische das Gesicht frei und atme durch.
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”Es ist okay- wirklich! Ich hab da schon was im Kopf, wieso das alles grad so krass ist. Aber ich bin keine Expertinesse- ihr müsst das mit eurer Seelenfrau unbedingt irgendwie auf die Kette kriegen. Wann ist wieder Termin?”
– “Donnerstag”
”Oh man…das ist ne Ewigkeit in Kinderrechnung”

Ja…
oh man
Das ist es auch ohne Kind zu sein.

der Stromausfall

Es begann mit einem sanften Aufwachen, frei-seeligem Herumgleiten, sich noch mal nach links und nochmal nach rechts rollen und mit einer gewissen Selbstermutigung den Tag zu starten. Tja… und dann stimmten weder die Kaffeemaschine noch der Wasserkocher ihr allmorgendliches Rausch- Röchel- Prustkonzert an.

Stromausfall in einzelnen Wohnungen.

Zuerst gibt es einen Aufprall auf die Oberfläche, welcher sich in Gedanken rund um die Ursache des Problems drehen: Rechnungen bezahlt? Mahnungen nicht erhalten, Rechtsanwältin lange nicht gesprochen- gab es eine Wartungsankündigung? Manipulation von einem Innen am Stromkasten?
Der erste Ring nach Klärung dieser Fragen, sind die Konsequenzen die sich in verschiedenen Ebenen fortpflanzen: Im Keller steht der Tiefkühlschrank mit NakNak*s Fleisch und Futtertieren- wie lange ist der schon ohne Strom gewesen?
Der Akku des Mobiltelefons war leer… [Keinen Mucks will ich hören, sonst…]
Der Bauch gurgelte seine Morgenmelodie… [Du bekommst nichts mehr, du…]
Langsam schlug sich die Kälte ihre Steigeisen in die Haut, da die Heizung ebenfalls von Strom abhängig ist… [Runter mit dir!]

Zum Glück hatten wir vorerst noch die Sonnenscheibe, dunstig aber erkennbar, vor Augen und den Schlüssel zur Wohnung von Mensch XY.
Kaffee kochen, Milch wärmen, Handy aufladen, Katze streicheln. Kontakt zu Mensch XY herstellen.

Zurück in die eisige Wohnung, von Hund mit großen Bedürfnis nach Körperkontakt begrüßt, wohlwissend, dass noch so einiges mehr auf dem Plan stand, als lediglich Ängste und immer wieder aufwallende Erinnerungs-Paniks- (Nach)Schmerzwellen wegzuschieben bzw. “sich hin zu orientieren”.  Dann plötzlich hustet der Kühlschrank und kühlt wieder.
[Aaaaah- Guck- ist schon wieder alles gut. War nur ein Stromausfall. Vielleicht ein Punkerelektron oder so…]
Wie in einer Slidingszene im Film (unterlegt mit Musik von Enya) wird sich angezogen und gleichzeitig beruhigt, reorierentiert und gehalten.
Laptop an, Kaffee und Kakao daneben, Blog und Internet begucken- in der Gegenwart festtackern. Dann in die Stadt, Hartz und GEZ beglücken, Ticket kaufen, Reiniger kaufen…es beginnt der übliche Alltagsreigen der Innens, um sich unter fremden Menschenmassen, greller Beleuchtung, viel zu direkter Ansprache und allgemeiner Angst zurecht zu finden- alles mit dem nachwievor untergründigen Enya-Smoothie im Seelentonhintergrund.

Wieder zuhause: eiskalt, wieder kein Strom mehr.
Fest entschlossen dem anschwellenden Panikwust im Nacken keinen Platz zu lassen, in die Sportsachen und raus mit dem freudigen Hund. WegLaufen.
Als es dämmert zurück, um festzustellen: Strom ist noch immer weg.
Und: die Sonne geht unter. [Hab ich dich!]

[Nein, wir sitzen nicht in der Falle, ja das ist unsere ganz eigene sichere Wohnung, wir sind groß, guck- nix los, nur still und kalt- gar nix los, nein wir können nur niemanden anrufen, weil wir nicht genug Geld diesen Monat fürs Handy haben, ja wir sind ein armes Leut, aber wir sind frei- das macht uns sehr reich… ja Strom ist weg, wegen einem Punkerelektron das sich mit den Stadtwerken anlegt, Nee nee guck mal ist echt nur unsere Wohnung…
Federrascheln, summende Melodien, Tränen, die das gleichzeitig aufstampfende BÄÄÄM umspülen und doch nicht heraustreten.]

Es herrscht Ausnahmezustand. Eine Unterbrechung des normalen Alltags ist schwierig genug zu verkraften (in diesem Fall der ewige Papiermist rund um die Neubeantragung des Hartz4, nach unüblichem Morgen), doch dazu noch eine läufige Hündin (und die dazugehörenden Momente im Park oder Wald) und ein Stromausfall…nach innen wirkt das bei uns immer ein bisschen Tschernobylartig: Erst wills keiner wahrhaben, dann die große Panik- aber nicht alle wissen direkt drüber Bescheid, weil ne Mauer im Weg ist.
Für uns werden solche Umstände auch immer erst als “Störfall” einsortiert und erst, wenn’s zu spät ist als der GAU, der es ist.

Irgendwo zwischen den späten 80er und den frühen 90er Jahren herumschwirren, geistig zu wabern und nie genau sagen zu können, wo man eigentlich gerade ist.  Zwischendrin SMS und Anrufe von Mensch XY, die wie ein Anker in den Angstsee hineinklatschten, auf das sich dran festhält, was zum “sich festhalten” in der Lage ist.
Dann doch die Entscheidung Kerzen anzumachen. Heller die Ängste nie leuchten. Über allem schwebend das zynische Rosenblatt mit der Frage, obs nun gut oder schlecht ist, die Erleichterung über das Licht und gleichzeitig die einschießende Kerzenassoziation mit dazu gehörendem Körpergefühl zu spüren. Als das zu quälend wird, entscheidet man sich für die Dunkelheit.

Und nun- am Morgen danach- die Erkenntnis, dass nicht einmal wirklich dieses Erinnerungschaos wirklich das Schlimme- der GAU- war, sondern das Warten auf Erlösung!

Unten wurde die Straße operiert mit Baggern und Lötkolben, die Menschen von den Stadtwerken rabotteten gewichtig schreitend, ab und an auf ihre Geräte schauend, herum… eine Stimmung wie bei einer Krankenhausgeburt (da gucken auch alle nur noch auf die Geräte und nicht auf die Leute die es betrifft) und wir wartend, hilflos, ohnmächtig, einer höheren Macht ausgeliefert, die allein in der Lage zu geben ist, was wir brauchen, um einen Zustand zu beenden, der wirklich schmerzt.

Oft genug ist es die Frontfrau, die immer wieder die Dringlichkeit diverser Nötigkeiten missachtet und bagatellisiert. Doch in Momenten wie diesen ist es die ganze Welt, die durch ihren normalen Weiterlauf, ihr Schweigen, ihre Nichtresonanz zu einer Wiederholung in unserem Empfinden beiträgt. Es ist ein Gefühl, wie es jeder kennt, dem mal etwas Schlimmes passiert ist. Man steht scheinbar allein inmitten einer grauen Masse und ruft in de Welt: “Wieso drehst du dich einfach weiter? Hallo?! Halt an- es ist doch grad was Schlimmes…!”

Früher hat niemand auf Schreie reagiert- niemand kam um zu helfen wenn’s weh tat oder verstand die Sprache der Schreie bzw. ihre Bedeutung. Und bis heute wird in solchen Zeiten dieses Rufen… dieses bettelnde Flehen darum, dass “ES” bitte aufhört- oder wenigstens jemand kommt und macht, dass “ES” aufhört, angetriggert. 100360_web_R_K_by_Andreas Lochmann_pixelio.de
Es ist längst nicht so laut und offen, wie die Frontfrau es immer wahrzunehmen scheint.

Jahrelanges Schreien macht heiser und lähmt.

Dieses Kind saß in unserer Wohnung und schrie sich die Seelen aus dem Leib heraus- ohne, dass es auch nur ein menschliches Ohr hätte hören können; ohne, dass auch nur eine dieser herausgebrüllten Seelen in der Lage gewesen wäre etwas zu tun, was seine Qual beendet.

Es dauerte bis etwa 23.30 Uhr, bis die Operation an offener Leitung beendet, der Kühlschrank hustete, die Lampe aufstrahlte und der Schrei erstarb, weil plötzlich wieder ein Licht durch das Schlüsselloch drang, durch das es sein Leben lang in die Welt starrt.

ich erklärs dir mal…

Es ist zu eng, zu fern, zu weit von diesem Kind, das viel nah unter der Oberfläche ist.
Dort ist kein Platz- kein Millimeter mehr, um mich dazwischen zu drängen, meine Schwingen auszubreiten, es aufzufangen und in die Höhle auf meinem Rücken zu heben.

Es gibt für mich keine Möglichkeit- ich kann nicht in das Kellerloch, aus dem es um sein Leben schreit- ich kann nicht die steife, harte- stummblinde Verschalung, die sich Frontfrau nennt, sprengen, wenn so etwas passiert.

So ist es für mich, wenn “Herr Trigger” bei ihr anklopft..

Wenn das Schreien herausbricht, das Kind in einer Realität landet, die es nicht kennt.. dann ist niemand da, der es hört. Da ist niemand der sein Leiden beendet.
Es ist stockfinstere Nacht und wir sind allein in unserer Wohnung.
Es weiß nicht, wie das Telefon funktioniert, es hat keine Ahnung von mir, es weiß nicht, dass ihm nichts passiert. Es ist was es ist: das verselbstständigte Flehen um ein Leben, das nicht mehr ihm gehört. Es hört nur noch das Lachen jenes Monsters, dass es in dieses Loch schmiss und sieht nur noch die Wände von eben diesem.

Manche glauben ich sei Nähe in Reinkultur. Ein Beschützertier. Ein allmächtiger Schwan.

Dabei bin ich nur das, was sie einen ewigen Zeugen nennen.
Ich bin nur das, was sich von dort unten befreien konnte.

Ich kenne sein Leiden nicht aus eigenem Überleben.
Aber ich habe nie vergessen können, woraus ich mich befreit habe.
Und was ich dort zurück zulassen gezwungen war.

Ich wünsche mir, mit den gerecht wütenden und den starken Aufrechten zusammenzukommen.
Vielleicht könnten wir dieses meiner Herzen retten
und die Frontfrau stünde nicht so stumpf-ertaubt sich fragend, wieso dieser Konflikt sie nicht mehr zu weinen aufhören lässt, in unserer Wohnung.

Ich spüre wie es in mir summt. Die Tränen laufen mir schon seit Stunden einfach aus den Augen heraus. Auch wenn ich nicht genau weiß warum und wem  wirklich gegenüber merke ich, dass ich mich dringend erklären muss- unbedingt und jetzt und sofort.
Nicht nur- als ob- sondern weil, mein Leben davon abhängt.

[Und weil wir schon mal dabei waren uns eh dumm und dusselig zu erklären und uns irgendwie einfach nur noch zu retten, haben wir uns auch noch einen Notarzt ins Haus gerufen, um uns weiter zu erklären… Kopf —-> Schreibtisch
Grandios, dass wir in einem Land leben, wo es das gibt. Also die Möglichkeit jemanden zum helfen ran zurufen. Scheiße ist leider, dass man oft irgendwie an Leute gerät, die einfach nur immer ihr Schema F durchziehen wollen. Nachhaltig denken? Vielleicht bisschen realistisch logisch?
Es kommt immer wieder das “Angebot” in “eine Klinik”  gebracht zu werden. Da könne uns viel besser geholfen werden. Hmm, jo… Eigentlich war die Dosis Diazepam schon gar nicht mehr nötig, so wie ich mich über diese Kurzsichtigkeit aufgeregt und mich damit gut geerdet hab. (Haben die dann bestimmt anders gesehen haha).
Es ist nämlich keine Hilfe auf nen Samstagabend für 3 Tage zur “Krisenintervention” eingewiesen zu werden, wo wir den Sonntag verpennt hätten und am Montag nicht mehr im Alltagssystem “geordnet” wären, sondern in genau dem System, dass uns die Umgebung “Psychiatrie” immer hat überleben lassen. Diesem System ist unser Leben hier egal- es hat damit nichts zu tun. Wozu also auf Entlassung pochen…?
Auch fies- wenn so was ist und man schon jemand ruft, damit die einen einfach nur für diese Nacht bitte körperlich abschießen, dann sprechen sie schon nicht mal mehr mit uns- die darum gebeten hat, sondern nur noch mit der Gemögten, die mit unserer Rechtsanwältin rum droht, falls sie uns gegen unseren Willen irgendwo hinbringen,]

Und dann- wenn hier endlich wieder Ruhe ist, wir medikamentös versorgt sind und es nur noch eine Weile dauert, bis wir wissen, dass wir dieses schreiende Innenkind, ohne die körperliche Panik im Nacken versorgen können, dann sind wir wieder allein.

Das ist der Moment in dem ich mich an den Rand des Lochs setze und versuche zu erklären…

 

 

 

P.S. Ich bin erschreckt, wie sich unsere Art zu schreiben, verändert, wenn Medikamente im Körper sind. Diejenige, die sonst unsere Einzelbeiträge zu den Artikeln verbindet, ist nicht erreichbar.
Obwohl mir diese Art nicht gefällt, veröffentliche ich diesen Artikel doch. Er zeigt viel von uns- zeigt aber auch einen Grund, weshalb wir Medikamente für uns so strikt ablehnen. Diesen Artikel so zu sehen, hilft auch mir, meinem Innen in dem Wunsch beizustehen und achtsamer mir gegenüber zu sein, wenn ich einen Konflikt zu lösen versuche.

Gruppen und Menschen mit Gruppen in sich

“Beschreibe dich kurz selbst, damit alle wissen wer du bist”
– “Ich bin… Ich … äh – Moment mal- will ich eigentlich, dass hier alle wissen wer ich bin- und …äh… wer, zum Geier, ist eigentlich mein Ich?!”
Es war irgendeine Quasselgruppe in der Klinik und eigentlich ärgere ich mich immernoch, dass ich nicht bei dieser Frage geblieben bin.
So ein hochtherapeutisch wertvoll-Erwartetes: “Ich bin die Falfalla Regenbogen, 45  jahre alt, hab 3 Kinder und steh auf Arbeiten mit Speckstein..” zu produzieren, ist der erfüllte Standart… und entsprechend irgendwie auch sinnbefreit.
Einfach mal kurz über die Frage nachzudenken und dann entsprechend zu antworten… hm.
Dafür war in der Quasselgruppe leider kein Platz. Dabei wäre es eigentlich doch ein Schritt zur Veränderung gewesen.

Ach überhaupt ist in solchen Gruppen viel zu wenig Platz für Veränderung. So eine flache Vorstellung kann man falten, lochen und in den Patientenaktenschrank stecken. Man kann sie sich aber auch aufrollen und nebens Klo stellen.
Wir haben ja schon einige Gruppen”therapien” durch.
Sprachknallfrage nebenbei: Wieso heißt es Gruppentherapie?
Eigentlich sagt der Begriff ja soviel wie: “Oh da ist ne echt kranke Gruppe- die werden wir mal therapieren.” Und nicht: “Hach- hier haben wir ne Gruppe von kranken Menschen- wenn wir die alle zusammen- in einer Gruppe- therapieren erreichen wir […Passendes bitte selbst ausdenken…], als uns jeden einzeln vorzunehmen.”

In der Klinik, in der wir die letzten Male waren, gilt die Devise, dass jeder sein Paket für sich behält.
Ha ja witzig. Dann sollte man vielleicht aber auch gleich konsequent bleiben und solche Ansagen wie: “Erzählen sie mal wer Sie sind, damit alle Bescheid wissen.” nicht unbedingt an jene richten, die ihre Identität größtenteils wegdissoziiert haben.
Es ist das Eine von den Klienten zu erwarten, sich soweit zurück zunehmen, dass sie andere Klienten nicht übermäßig belasten. (Das ist grundsätzlich natürlich in Ordnung- aber ich hab auch nie das dringende Bedürfnis gehabt jemandem, von dem klar ist, dass er belastet ist, meinen Dreck unter die Nase zu halten und habe auch noch keinen anderen Multiplen getroffen, bei dem das so gewesen ist. Die Regel erzeugt aber Druck- Schweigedruck, der sich oft mal noch so richtig schön ausdehnt)
Das Andere sind jede Menge Schrägspalten, die sich dadurch auftun und die ganze Zeit mit irgendwelchen Blödsinnigkeiten überbrückt werden müssen. Meist jenen, die den Alltag ausserhalb der Klinik schon so schwer gestalten und Spaltungen vertiefen- wenn nicht sogar hervorrufen oder verfestigen.

Für uns ist der Kontakt mit Menschen- womöglich noch in geschlossenen Räumen- schon eine gewisse Herausforderung. Schon so müssen viele Schotten geschlossen und geschützt werden- und das immer bewusster, je weiter die Therapie voranschreitet.
Dann die Tänze der Konventionen und Gebräuche. Wenn man unsicher ist- so wie wir, dann rutschen wir auf Knieen wenn wir Impulse, Körperreaktionen, spontan anwallende Gefühle und Gedanken direkt ansprechen können.
Das kann man so geschützt sonst nicht. Und tragischerweise erst recht nicht in so einem Quasselgruppensetting (das doch eigentlich supergeschützt ist!).
Doing- Entwicklungschance vertan zu Gunsten der schon im Alltag übermäßig kräftezehrenden Spaltung.

Bei unserem vorletzten Aufenthalt dort in der Klinik, war es Sommer und die Hitze brannte uns im Rücken- Oy vey!- Wir haben Blabla gemacht und gleichzeitig Dauerrealitätscheck, dass es kein Feuer auf der Haut ist. Wenn ich einfach gesagt hätte: “Äh Tschuldigung- äh ich werde nicht gerade verbrannt, weil ich etwas Höchstfrevelhaftes tue… oder? Lieber Therapeut der Massen… kannste grad mal gucken und laut für mein Innen sagen?”, wäre die Sache innerhalb von 5-10 Minuten durch gewesen. Kräftesammeln fürs in den Schatten setzen und fertig. Aber nein- man soll ja sein Paket für ich behalten und möglichst nur sein Gruppenplätzchen einnehmen… also: Klappe halten (wie früher), aushalten (wie früher) und sich selbst helfen (wie früher) Ich würde mal frech behaupten, dass dies nicht wirklich vorgesehen ist im Konzept der Gruppenheilung durch Kolletivtherapie.

Ich will nicht sagen, dass es immer so läuft und schon gar nicht, will ich sagen, dass Quasselgruppen grundsätzlich schlecht sind. Aber doch bitte nur mit wirklich Platz und Offenheit. Platz für Offenheit. Raum für Veränderung.
Manches Mal dachte ich, dass es gut wäre, wenn es in “unserer Klinik” eine Gruppe für Menschen mit DIS gäbe. Man könnte sie auch einfach Gruppe Regenbogen nennen oder so… niemand ausser den Klienten und Therapeuten müsste wissen worum es dort geht.
Man könnte sich klemmen zu sagen “Wer bist du?”, könnte einfach fragen: “Wie möchtest du angesprochen werden?”.
Man könnte diese ganzen Anpassungsbandagen, die sich stramm über die Kluft von heute und gestern, von innen und aussen, von real-berechtigter und real-unberechtigter Angst und von Ansprüchen und Anforderungen, einfach für einen Moment abnehmen und gucken, was sich für ein Bild ergibt.
Kein “Wer bin ich” nur: “Ich bin Wir und wir sind existent” und das wollen wir grad einfach mal nur ganz global begucken…

Vielleicht ist es zu basisch für eine eigene Gruppe. Vielleicht ist die Basis je zu individuell.
Vielleicht aber stößt man einfach auf eingeschliffene Muster und kommt nicht mehr raus.

Schönes Geschliff-Phänomen: reges Gespräch in der Quasselgruppe- der Therapeut kommt rein und zack: Schweigen
Was folgt ist Blabla und sich wiederholende “Wer kennt das von sich”- Fingerzeige, die man eigentlich schon Tage vorher in der Raucherecke sah.

Eine Gruppe Multipler hätte mehr von solchen Fingerzeigen. Es müsste viel mehr überdacht und nachgefühlt werden. Könnte viel mehr in Bewegung kommen, wenn sie nicht in Gruppen sein müssten, die sie- ganz unbewusst und unbesprochen- in ein Korsett der Anpassung drücken.

Wir haben uns nun gegen die bequem zu erreichene Klinik entschieden und lassen uns auf die eine oder andere bis zu eineinhalb Jahre lange (!) Warteliste setzen (selbstverständlich erwartend, dass die Krankenkasse dann zweifelt, ob wir den Aufenthalt ernstlich brauchen- konnten wir doch so lange warten…).
Obwohl da unsere uns bereits sehr lange begleitendene Seelenfrau ist und wir wissen, dass es heikel ist, irgendwo neu zu beginnen.
Aber inzwischen ist das ganze Klinikkonzept hier im Grunde nur noch eines: eine Ansammlung von Quassel- Achtsamkeits- Übungs und was weiß der Himmel nicht noch- Gruppen.
Gruppen in denen die Ansage: “Stellen Sie sich doch bitte vor, damit wir alle wissen wer Sie sind” im Duett mit dem weißen Rauschen aus: “Jeder behält seine Probleme für sich bis zum einmal in der Woche vorkommenden Einzelgespräch” im Hirn herumgeistert.
Gruppen deren Inhalte triggern.
Gruppen die schlicht langweilig sind, weil die gleichen Infos seit Jahren vergeben werden.
Gruppen die nicht dem Leben von Menschen entsprechen, die keine Arbeit haben.
Gruppen die durch viele Faktoren nie zu echten Gruppen werden.

Gruppen in denen Menschen mit Gruppen in sich, wie ein Korken immer wieder an die Oberfläche der Themen gedrückt werden, weil sie etwas hinterfragen (müssen) um sich zu entwickeln, das einfach immer zu groß, zu komplex… immer viel zu viel(e Innen-Ansichten) bedeutet, um dicht genug für ein tieferes Absinken zu werden.

Nunja. Mal sehen, ob sich aktuell noch eine Klinik findet, in der wir indivduell arbeiten können… Derzeit steht auf vielen Kliniken nämlich “Trauma” drauf und ist schlicht nur “Gruppe” drin- danke auch Gesundheitssystem…

Tick Tack

Tick Tack Tick Tack Tick Tack
Es tut weh
Tick Tack Tick Tack

Lass dir Zeit
Bis zum Ende hast du alle Zeit der Welt
Tick Tack Tick Tack Tick Tack

Ich denke, dass ich mich gut anstelle, wenn ich dieses Ticken in der Therapiestunde sein lasse und bei Mensch XY in der Küche. Sie haben da eine Uhr stehen, damit sie wissen wie spät es ist. Die Therapiestunde um ist- die Zeit für Müßiggang mit uns abgelaufen ist.
Sie schneiden ihren Zeitkuchen und lassen uns einen Teil davon auffressen, zerkauen und schwinden.

Tick Tack Tick Tack Tick Tack
Die frühere Seelenfrau ließ uns den Wecker vor die Tür stellen.
Die Helferin die wir jetzt haben auch.
Da weiß man nie, ob man zuviel genohmmen hat- hat aber auch nicht direkt die Chance sich dafür zu bestrafen, falls doch.

Los jetzt
Wehe- Genau zu der Zeit nicht früher nicht später
Ich will dich explodieren sehen
Tick Tack Tick Tack Tick Tack

das Denken ist auf die Zeiger und Ziffern gerichtet und schiebt alle Energie gegen die Zeiger
Bitte anhalten. Bitte Stopp. Bitte liebe Zeit falte dich und friss mich auf. Lass mich in dir verschwinden.
Bitte Zeit lass mich Jona sein, lass mich in deinen Walbauch rutschen.
Tick Tack Tick Tack Tick Tack

Lass laufen Schätzchen Alle Zeit der Welt. Lass los.
Es gibt keine Chance zur Befreiung.
Ich halte dich Mäuschen
Es gibt keine Möglichkeit der Abwehr
Ich halte dich fest Schätzchen

Tick Tack Tick Tack Tick Tack
Es tropft, es schmatzt, es pulst, es tut weh. Immer mehr
Lass es geschehen Mäuschen.
Es ist gut. Es ist nur zu deinem Besten.
Tick Tack Tick Tack Tick Tack

Die Explosion
zucken machende Krämpfe weiter nichts
Na ist das nicht gut Mäuschen?
Tick Tack Tick Tack Tick Tack

Es ist 11 Jahre her
Es war nicht zu meinem Besten
und die Zeit ist trotzdem weitergelaufen

Tick Tack     Tick Tack     Tick Tack
Tick Tack     Tick Tack     Tick Tack
Tick Tack     Tick Tack     Tick Tack

Ich brauche endlich eine digitale Uhr in der Küche.

die Bedeutung von Krickelkrakel

Ich weiß nicht, ob das, was mir hier begegnet noch für viele andere betroffene Menschen gelten kann. Aber ich schreibe einfach im Lauf der Dinge und dies ist nun einmal ein Teil über das ich heute gestolpert bin, also bekommt es seinen Platz.
Worte und Krickelkrakel in Bezug auf erlebte Gewalt.

Wir sind gezwungen uns zusammenzufinden und mit dem zu befassen, das uns einst so hat auseinanderbrechen lassen. (Siehe OEG- erster Akt)
Also suchen wir uns Inseln, in denen es uns gut geht und wir gut aufeinander achten können (oder wir einigermaßen sicher sind, dass uns aussen jemand reorientieren kann, wenn es zu stark kippt und ein “Flashback” droht), und tragen unsere Erinnerungen zusammen.

Ich sehe wie die Zettelhügel wachsen und denke jedes Mal, dass doch nun genug sein muss. Jetzt muss doch genug zusammen sein, um klare Angaben machen können, wann, was, durch wen und wo geschehen ist. Aber das ist es nicht. Kaum eine dieser W- Fragen ist wirklich beantwortet- immernoch nicht- und längst nicht so wie es für die Akten sein müsste.

Manche Innens kratzen all ihre Kräfte zusammen und versuchen einander die Hand zu halten, während sie etwas aufschreiben. Manch einer hebt ein anderes Innen (mit) aus der Situation heraus, um gemeinsam von “oben” drauf zuschauen und zu sehen was passiert ist. Das ist ein bisschen wie diese Schwimmhilfen, die aber nur eine Weile halten. Für kurz ist es möglich einen Zustand aufrecht (hoch-von obendrauf schauend) zu halten, in dem das realisierbar ist- aber über kurz oder lang gibts ein Loch und das Innen fällt wieder mitten hinein. So kann dann vielleicht eine “Was (ist passiert)” Frage (in Teilen) beantwortet werden, aber selten eine Wann, Wo, Wer- Frage.

Manchmal wird aus meinem Kopf auch nur ein stark aufgedrückter Krickelkrakel herausgepresst und ein Laut hinterher gewürgt, der für dieses Innen schon das höchste jemals nach aussen Kommunizierte in seiner ganzen Existenz ist. Und eigentlich- so denke ich- kann ich (und sollte jeder, der das von dem Innen gezeigt bekommt) dafür noch auf Knieen rutschen, weil dieser Krickel so derartig vollgestopft ist, dass mehr auch gar nicht erwartet werden darf.
Es ist schon alles da drin.
Es ist nach aussen ein bloßer Krickel. Nach innen ist es eine Explosion.

Ich musste so daran denken, als mir Mensch XY von einer “Vorführung” seines Kindes erzählte.
“Da hat sie mir gezeigt, wie sie malt, dann ging sie an den Schrank und holte ein paar Sachen raus… und ging wieder an den Tisch prusselte da ein  bisschen herum… und immer wenn ich dachte: “Jetzt ist es wohl zu Ende”, sagte sie: ”Nein nein ist noch nicht zu Ende! Geht noch weiter!”…Sie machte nichts Aussergewöhnliches- aber die “Vorführung” war noch nicht zu Ende… haha was auch immer sie mir eröffnen wollte- ich habs wohl nicht erfasst”.

Ja…
Genau so ist es mit dem Krickel auf dem Blatt. Was auch immer da steht- ich kanns nicht lesen. Und obwohl ich eine leise Ahnung habe und über diese meine- unsere eigene Geschichte spekulieren kann (wenn ich mal nicht in meiner kleinen Vermeidungsblase hocke und mir den Highscore von Tetris vorsumme), kann ich die Sprache, die dieses Innen für mich zu benutzen versucht, nicht verstehen.

Keine Worte zu haben oder nur einen gleissend weißen Flecken für bestimmte Dinge zu haben empfinde ich, für mich, spontan immer als das Schlimmste. Durch diese Krickel und die zusammengestümmelten, mit Buntstift auf Papier gepressten Wortschleifen, sehe ich, dass es aber noch etwas viel Schlimmeres zu geben scheint.
Nämlich den Zwang Worte haben zu MÜSSEN, weil alles andere schlicht nicht zählt oder Mundsprache unter grässlichen Strafen verboten ist oder sprechen zwar ginge, aber nicht vor der Polizei oder weil es schlicht noch keine Denkarien wie in Harry Potter gibt, mit denen man seine Erinnerungen für das Gegenüber sichtbar machen kann, ohne wirklich aktiv mehr tun zu müssen, als einfach die Erlaubnis dazu zu geben.

Wir Menschen sprechen und schreiben unsere Worte immer so dahin.
Doch wie wichtig und wertvoll unsere Sprache ist, das merken wir doch immer erst, wenn wir uns nicht mehr auf sie verlassen können.

Oder wir einsehen müssen, dass die Geschichte hinter einem Krickelkrakel- Wortschleifen-Satzgefetz viel zu groß für Worte ist.

Superwomen, Möhrenwürfel und Heilung

Sie sagt, ich hätte alles Recht mich fallen zu lassen.
Sie fragt, wieso ich mir das alles antue. “Weißt du wie du hier vor mir stehst? Du hast schon wieder diesen Buckel und du guckst schon wieder nur noch von unten nach oben.”

“Ja- kann sein.” Ich merke wie eine Wut von einem Innen durch mich herausschießt- der Buckel wird zum Panzer, mit verletzenden Stacheln besetzt. ”Und- was soll ich drüber heulen? Wem hilfts? Änderts was? Hats das je getan?” Meine panische Angst vor der Reaktion meines Gegenübers rast durch den Körper gepaart mit einem innigen Wunsch nach den Tritten, Schlägen und Demütigungen, die ich jetzt erwarte.

“Hey- ich weiß schon! Guck mich an- ich bins!”
Nein- ist sie nicht oder doch? Oder nicht? Oder? Ich kann nichts mehr sehen- es schiebt sich alles ineinander- meine Ratio hängt wimmernd in irgendeiner Ecke und knüpft sich einen Strick aus Fäden von Heute und Gestern. Mein Körper fängt an um mich herum zu schlackern, meine Lunge schrumpft, mein Herz schaltet auf Schnelldurchlauf… die Haut wird kalt.
Hinter meinen Augäpfeln wird sie zerschossen, während gleichzeitig das Betteln, um gnadenlose Gewalt an sich immer lauter wird. Ich betrachte meine Ratio die inzwischen wie eine Stoffpuppe von der Naht zwischen Heute und Gestern herab baumelt, während ich vor der Gemögten stehe und mir die Worte aus dem Hals zu pressen versuche.

“Hallo? Bist du noch da?”
Ich höre sie wohl, ich bin noch da. Ja.
Sie versuche diese Lupe aus Tränenflüssigkeit und Vergangenheit beiseite zu wischen, während sie aufsteht, die Tüte mit gefrostetem Suppengemüse aus dem Tiefkühlfach holt und mir auf die Hand legt. Die Eiskristalle ziehen mich an dünnen Fädchen aus den tieferen Schichten des Innen näher an de Oberfläche. Zerschneiden den Strick meiner Ratio, die mit einem dumpfen Plums auf dem Boden meines Bewusstseins landet.
”Gehts?”
Ich halte die Tüte an meinen Bauch und nicke.
Eigentlich will ich jetzt in der Tüte verschwinden. Selber ganz eingefroren und konserviert sein. Ich will grad nicht in meinem Leben sein und gar gekocht werden von dieser heißen Wut, dem Hass, dieser Verachtung und immer wieder dieser Panik vor der völlig selbstverständlich erwarteten Wiederholung von Gewalt an uns.
Ich will ein kleines Möhrenwürfelchen sein.

“Hm?” Sie lächelt. “Ihr müsst nicht Superwomen sein.”
“Superwomen gibts gar nicht richtig- die hatte nie wirklich echte Superkräfte aus sich heraus. Die, die du meinst hieß Wonderwomen. Und Wonderwomen kann ich nicht sein, sonst muss ich wieder diesen Kampf gegen den Diagnosestempel der Schizophrenie führen, wenn ich sag, ich hätt ein unsichtbares Gefährt…”
”Du weißt, was ich meine.”

Ja, ich weiß was sie meint.
Es gibt Aussteiger, die sich direkt einweisen lassen, weil sie genau diese Selbst-s-Folter, diese immer wieder aufwogende Panik, Verunsicherung, Erinnerung, dieses bewusste geistige “zwischen den Welten stehen”, wie wir es gerade durchmachen, nicht mehr aushalten (können oder wollen).
Es gibt Menschen, die über einen OEG- Antrag und alles was dazu gehört, in unserer Situation nicht einmal nachdenken würden.
Es gibt Menschen, die ohne auch nur ein einziges Medikament nicht durch unsere Nächte kämen.
Und ja- noch weniger Menschen würden genau darüber schreiben, so wie wir.
Aber wir sind ja nicht “die Anderen”. Und wir wollen es auch gar nicht sein.

Wie kommt es, dass ich mich nicht einmal seelenglobal bemitleiden kann ohne, das es heißt, meine Gesamtsituation wäre ja auch viel zu viel? Ohne, dass es heißt: “Du musst nicht Superwomen sein?”. Wieso mussten wir immer Situationen, die andere als so besonders hilfreich bewertet haben, aushalten, (weil es ja das Beste für uns wäre)- in Situationen aber, die wir bewusst erleben wollen und die wir auch so wie sie sind verarbeiten wollen, zu hören bekommen, es wäre ja auch alles zu viel und man könnte sich ja auch mal fallen lassen?

Ja, ich könnte mich fallen lassen- das mache ich doch auch. Was ist denn die Erwartung? Der große dramatische Knall?  Reicht denn das was ich tue nicht?
Ich weine doch nicht, weil ich zwischen den inneren Welten zerrieben werde. Darüber kann ich überhaupt nicht weinen- in Bezug darauf habe ich lediglich zig Fragezeichen und sauge jede Information auf, um beide miteinander zu einer verschmelzen lassen zu können.
Dieser OEG-Antrag ist viel mehr als nur das Aufschreiben von Taten. Meine Güte- ja- schön ist es nicht diese Gewaltorgien aufzuschreiben- aber kaputt machen wird mich nicht das, sondern eher die Politik und der Umgang mit mir als Mensch, der diese Taten an sich aushalten und überleben musste! Darüber zu heulen und mich dann fallen zu lassen, wäre einfach nur systemunterstützend- also hätte es keinen Sinn. Ergo tue ich das nicht!

Aber wenn ich über meinem Buchmanuskript sitze und während des Schreibens merke, wie sich mir Innens nähern und mir einen Teil ihres Wissens und ihrer Gefühle von damals reichen, um sie aufs Papier zu kleben…
Wenn ich mich dann kurz in meinen Sessel fallen lasse, um einfach nur für diesen Moment nichts weiter zu tun, als diese Innens- diese entfernten Teile von mir selbst !!!- zu beweinen… dann- genau dann!- mache ich doch genau das, was mir gesagt wird. Dann lasse ich mich doch fallen.
In dem Moment kann ich niemanden gebrauchen, der mir sagt, es wäre ja eh alles grad so schwer. Oder der mir sagt, morgen würde schon alles besser. Oder der mir sagt, ich müsste nicht Superwomen sein und damit implizieren, was ich hier täte, wäre wer weiß was für ein übermenschlicher Akt.
Das mag für Menschen, die das alles für sich allein schultern müssten, vielleicht zutreffen. Aber für mich und meine Innens ist das nicht so. OEG, Welten- bzw. Werteverschmelzung, die Realisierung von früherem Erleben und der Annahme weggedrückter Gefühle… das sind drei komplett verschiedene Bereiche.
Und nur einer davon hat das Potenzial mich richtig in die Kniee zu zwingen.
Nämlich der, der beinhaltet nicht mehr getrennt zu sein von dem was ich/ wir unser ganzes Leben lang immer und immer wieder von einander wegdissoziiert habe/n: Unsere Geschichte, unsere Gefühle und uns selbst.

Dann brauche ich, dass mich jemand daran erinnert, dass ich das alles schaffen werde. Dass ich keine Superkräfte brauche, um diese Gefühle und Informationen in mir aufzunehmen, sondern, dass das alles bereits in mir drin ist- ich es aber zum ersten Mal bewusst selbst wahrnehme.

Dass Heilung eben auch mal weh tut. So weh, dass man manchmal auch einfach zurecht ein klitzekleiner Möhrenwürfel in einer Tüte Suppengemüse aus dem Tiefkühlfach sein will.

Schmerz

“Wenn man ein eigenes Blog oder eine eigene Website hat, ist der Wunsch nach Anerkennung des Geschaffenen permanent vorhanden; zumindest latent”, ereichte mich heute ein Kommentar.

Oh man- will ich Anerkennung? Gesetzt den Fall, es gäbe welche- wäre sie erlaubt? Nein- natürlich nicht! Aber ich brauche es ja auch nicht zu befürchten. Kommt ja keine.
Und wenn doch, dann wird sie mir gleich wieder weggenohmmen von den “BÄÄÄM”s (oder von der allgemeinen Dissoziation- eigentlich braucht man diese Anerkennung ja nur einem Innen zu sagen, zu dem ich (noch) keinen Kontakt habe. So oder so bin ich also (vorerst) sicher davor, Anerkennung oder Lob aushalten zu müssen.
Phu! Na, dem Himmel sei Dank!

Trotzdem schleicht sich nach dem Kommentar die Frage ein, was ich hier (im Leben, in dieser Welt) eigentlich treibe. Gut- das frage ich mich jeden Tag und selten bekomme ich wirklich eine Antwort darauf. Meistens habe ich sowieso nicht genug Kapazität dann darüber ins Grübeln oder vielleicht ins Bedauern zu kommen, dass ich keine Ahnung habe.
Heute aber ist ein Feiertag, es regnet, ist grau und trüb, ich habe Schmerzen und fühle mich ganz grundsätzlich schlecht. Perfekte Bedingungen also mal so richtig nachzudenken.

Ergebnis bis jetzt: Ich lebe einen Alptraum und will das perfekte Leben.

Liebe Nichtbetroffenen: So stelle ich mir eure Welt vor:

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Die Gefahr im Rücken- aber wenn man nicht hinguckt, dann ist alles gut (und hey seien wir mal ehrlich- soooo groß und schlimm ist die Gefahr wohl auch nicht, oder?). Niemand ist allein. Die Sonne scheint, Blumen blühen und in der Nähe ist das sichere Zuhause.

So sieht meine Welt aus:

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Es gibt kein Entkommen. Kein Schutz. Nichts und niemanden ausser sich selbst und das große gefährliche böse Ding, das jeden Moment über einen herfällt.
Meine Tage vergehen damit vorsichtig- unmerklich- langsam- klammheimlich zu versuchen an diesem riesengroßen Ding vorbei zu kommen. Ich habe ja schliesslich ein Ziel! Ich will auch so leben wie ihr. So schön eben wie ich mir das ausmale.

Aber dieses Ding ist das, was sich Leben schreiht. Mein (Er-)Leben.
Realität nach einer Kindheit wie man sie, würde man sie verfilmen, nicht mal im Splattergenre verkauft bekommt (oder gerade da- was weiß ich).

Wie anmaßend ist es eigentlich von mir zu denken, mein Schreiben könnte auch nur im Entferntesten dazu in der Lage sein diese Kluft zu überbrücken? Eine Schnur für ein Büchsentelefon zu spannen, den Morsecode zu übermitteln… hach es gibt so viele Metaphern.

Was denke ich mir eigentlich? Was zum Geier treibe ich hier?
Komm wir nehmen einfach wieder die alte Schleife: ”Dich hört eh keiner, dir hilft eh keiner, dir steht eh keiner bei- is nicht schlimm- guck mal tut ja gar nicht weh. Du bist ja eh… [BÄÄÄM]”, möchte mir an dieser Stelle mein Innenleben helfen.
Ja, diese alten Schleifen sind so éinfach. Manchmal sogar tröstlich, weil es alles das in einen Kontext bringt, was ich von mir aus sonst nicht in einen Zusammenhang bekomme.
Ich dachte immer, man hätte nur nicht laut genug NEIN gesagt. Hätte sich einfach nicht genug gewehrt. Ich dachte immer meine Sprache wäre unverständlich. Dass mich niemand versteht, weil ich unverständlich kommuniziere und deshalb auch unverstehbar bin.
Dann höre ich immer wieder und wieder, dass meine Sprache gut ist. Dass es vielen Menschen leichter fällt zu verstehen, wenn sie von mir etwas erklärt bekommen. Dass meine Worte etwas in den Menschen bewegen, auch wenn sie selbst nicht in meiner Art alptraumhaftem Leben leben müssen oder mussten.
Und dann? Dann bin ich so mutig- und frech- so einen riesengroßen superfrevelhaften (und sehr teuren) Schritt auf dieses so unglaublich beängstigende Ding zugegangen und muss feststellen, dass es doch sehr viel schwerer ist, als gedacht. Dass ich doch unverständlich bin.

Und, dass die Folgen meiner extremen Qualen eben doch sehr einsam machen. Und kommunizieren kann wie ich will- dass mich doch niemand hört. Hören will? Hören kann? Verstehen kann? Verstehen will?
Dass, also nicht nur mein früheres Leiden mich von anderen Menschen isoliert hat, sondern auch noch das, was mir dadurch entstanden ist:
ein Leben, das nachwievor aus zwei Dritteln Todesangst und Todeserwartung (mit allen dissoziativen Bewältigungsmechanismen selbiger) und einem Drittel Hoffnung auf dieses schöne, hoffentlich leichtere und vermutlich hemmunglos überidealisierte Leben „der Anderen“ besteht.

Das tut weh.

Und es gibt keine Worte, die euch- die ihr da draussen seid und keine Ahnung habt- diesen Schmerz näher bringen oder gar erklären können.

Ich schreibe dies Blog hier, weil ich denke- fest davon überzeugt bin (und es verdammt nochmal sein MUSS), dass Menschen, die Elend sehen und verstehen, selbiges verhindern möchten. Einfach aus Menschlichkeit und einer Art Mitgefühl heraus.

Es geht hier um mich, weil ich nicht für andere sprechen kann und will. Es geht nicht um mich oder mein Leben, weil ich es für so besonders spannend halte oder für besonders exemplarisch. Oder weil ich mich so toll finde. Oder weil ich von der grauen Masse da draussen gelobt werden will. Das wäre für meine inneren Narzissten sicher schön und vielleicht gibt es Winkel in mir, die sich über Anerkennung freuen würden- aber treibende Kraft war hier und ist hier immer der Wunsch nach Hilfe und Kontakt gewesen.

Ich zitiere einmal aus einem Brief,den ich vor ein paar Wochen schrieb.

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„Wir wollen, dass sich andere Multiple, Ärzte,Therapeuten, Angehörige, Freunde und vielleicht auch Menschen mit ein bisschen Einflussmöglicheit da [hier im Blog] wieder finden. Impulse in sich finden.
Mutig werden ihre Gedanken und Zweifel zu kommunizieren.
Ich will dass die Menschen da draussen zu Querulanten werden. Dass logisch gedacht wird. Ich will das Hilfe keine Wareneinheit mehr ist.
Ich will dass es irgendwann so ist, dass ich in einer Therapie ohne Zeitdruck sitzen kann und alles ausbreiten kann, was ich immer mehr spüre (und immer weniger aushalten kann).

Ja, das ist egoistisch und deshalb tarne ich es in in einer Querulantenbildungsmission. Weil es andere dann einfordern für Menschen wie mich und damit implizieren, dass es okay und gerechtfertigt ist, wenn Menschen wie ich viel Raum, viel Zeit, viel Nähe und viel Menschlichkeit wollen und bekommen müssen.Weil ich dann aussen habe was ich innen so dringend brauche: Eine Erlaubnis für mein Sein.
Weil ich die Haltung „Wie immer: Ich höre zu“ so dringend brauche.“

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Und nun entlasse ich den Leser dieses Artikels.
Wie immer mit der Hoffnung ein bisschen gesehen und gehört worden zu sein.
Wenn schon nicht direkt für mich oder um meinetwillen, so doch für alle anderen, denen es auch so geht und sich (noch) gar nicht ausdrücken können.

Was unser verdammer scheiß- toller schlauer Körper alles kann

[Atmen kann er- das find ich immer am Besten haha]

Er kann vorallem aushalten!
Nachdem unser Körper gerade in den letzten Tagen durch gefühlte Abwesenheit glänzte, habe ich heute früh einmal mehr gespürt, wieviel so ein Körper aushalten und machen kann.

Es ist mit das beschissenste Element von Erinnerungen die heute auf uns einknallen: Körpererinnerungen.
Für den Laien einmal in Blanko:
Stell dir vor du liegst im Bett und bist dabei einzudösen und auf einmal- einfach so- ohne äusseren Anlass, fühlst du wie dich eine Macht packt und einmal in der Mitte durchreißt und gleichzeitig vollstopft und staucht- brutal, ohne Zögern, ohne Gnade, ohne Entkommen. Es gibt keine Schonhaltung für dich; nichts ausser einen Schreih in deinem Kopf und einen Schmerz der dich in eine Schwärze fallen lässt, die kein Molekül Platz mehr bietet. Es gibt keine Worte. Keine Sprache. Eigentlich nicht mal mehr Körper nebst Kopf. Da ist nur dieser explodierende Schmerz.

Wenn sich das Schwarz etwas lichtet- sei es weil dein Körper den Sauerstoffmangel auszugleichen beginnt (denn du hast den Atem angehalten), sei es weil dein Hund anfängt, die Tränen in deinem Gesicht abzulecken oder weil du aus dem Bett gefallen bist und plötzlich mit irgendeiner einzelnen Hirnzelle merkst:
HEUTE-HIER-JETZT
dann- aber erst dann- kannst du etwas tun.
Vorher musst du und muss der Körper vorallem eins: aushalten.

Ich habe heute morgen gespürt, wie sehr der Körper in diesem Moment- ja fast wiederholen muss, was er schon einmal durchgemacht hat. Er krampft, zieht alle betroffenen Muskelgruppen zusammen, zieht sich dicht an dicht, bietet kleinstmögliche Angriffsfläche, pumpt Massen an Adrenalin durch den Körper, verteilt Blut und Sauerstoff auf genau die gleiche Art wie früher. Wehrt ab und schützt gleichzeitig.

Innerlich rutsche ich auf Knieen vor Dankbarkeit, wenn der Schmerz abebbt. Dann kommen Bilderfetzen, Kurzfilme und was weiß ich. Da gucke ich schon gar nicht mehr hin. (<— Guckst du Therapieerfolg!)
Wenn ich es nur schaffe aufzustehen und festzustellen: “Ja- es gab keinen äusseren Anlass. Es ist alt. Es ist nicht heute, es nicht gerade jetzt gewesen. Niemand hat mir gerade wehgetan.”

Dann kann ich schon fast anfangen meinen Körper beruhigen. Blutdruck senken, einatmen, ausatmen,
eiiiiin- Tick-Trick-Track und das Fähnlein Fieselschweif- auuuuuussss, Boden fühlen, Körpermitte suchen, finden, vorstellen ein Band auszuatmen. Nase in die von der Freundin gewaschene (und entsprechend nach ihr riechenden) Decke drücken- denken, sie ist jetzt da…
Mein Körper nimmt sowas dankbar an. Die Schmerzen lassen nach.
Für den Bereich der mir so oft zerrissen wurde, hab ich durch die großartige Ina May Gaskin einige tolle Imagination gefunden bzw. zwei Visualisierungen, die oft helfen:
Zu Anfang noch: “your body is not a lemon (in a juicer!) ” (auch wenn er gerade das tut: sich zusammenquetschen wie eine Zitrone in einer Presse)
und etwas später: “an opening flower” (Blättchen für Blättchen langsam und vorsichtig aufgehen lassen… sich “wieder richtig hinlegen lassen”; “den Schmerz-(manchmal auch: die Schmerzursache) rauslassen”)

Das ist Arbeit.
So einfach wie das jetzt so klingt ist es nicht. Wenn sich mein Körper erinnert, dann erinnert sich die Psyche in der Regel gleich mit und es hämmert mir Erlebnis um Erlebnis im Kopf herum. Früher bin ich dann, öfter noch als heute, direkt in eine Kette gerutscht: A erinnert an B und das an C und es wird immer tiefer und tiefer. Und es wird immer schwerer sich zu orientieren- irgendetwas anderes als das Alte wahrzunehmen.
Innenkinder fliegen wie freie Radikale unter der Oberfläche und je schwieriger die äussere Umgebung ist, desto schwieriger wird es auch ihnen klar zu machen, dass es sich zwar gerade jetzt so anfühlt, es aber keine Situation ist wie früher (die ihr “draussen sein” bzw. ein Aushalten durch sie nötig macht).

Mal abgesehen von den seelischen Problemen, werden solche Körpererinnerungen vorallem dann zum Problem, wenn man so behämmert ist, wie wir zur Zeit.
Nicht genug essen heißt: Muskelkrämpfe, nicht genug Treibstoff für solche Anstrengungen, der Blutdruck eh ständig jenseits von gut und böse, anhaltende Schwäche und Konzentrationsprobleme
Nicht genug schlafen heißt: das Risiko für diesen blöden Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen ist exorbitant hoch- schon nur auszuruhen und mal kurz irgendwo zu sitzen kann ihn dann schon auslösen
Nicht darauf achten, was innen passiert, wenn man genau das alles nicht macht- oberblöde! Schon dieser allgemeine Zustand von Schwäche und körperlicher Erschöpfung ist Futter für solchen Mist, denn er ist ein Trigger bei uns.

Und unser Körper? Dieser arme Metabolismus…
Der soll nicht zu dick sein. Der soll bitteschön schön aussehen. Der soll nicht auffallen. Der soll tot und lebendig sein. Mal dies mal das. Manchmal soll er ganz dick sein und dann wieder ganz spillerig. Dann soll er Megakräfte haben. Achja, aber bitte ohne allzu hart auszusehen, sich allzu hart oder zart anzufühlen. Er soll bitteschön noch zur allgmeinen (sexuellen) Befriedigung dienen, naja zur eigenen dann nach Bedarf. Immer zur Verfügung bitteschön. Für alle gleichzeitig: innen und aussen.
Aber wehe er tut etwas, dass ihn nach so einem anstrengenden Wieder-Erleben erleichtert!
Erbrechen, Durchfall, Zittern, Schwindel der uns zwingt, sich hinzulegen und die Beine hochzulagern.

Auch wenn ich weiß, dass wir beim nächsten Mal wieder so unfair sein werden. Und so undankbar und rücksichtslos… für jetzt in diesem Moment, wickle ich ihn ein, versuche ihn zu wärmen, zu nähren und sage ihm, dass ich ihm sehr dankbar bin.

Dass er in der ganzen ganzen schlimmen Zeit niemals aufgehört hat für uns zu leben.