Tipp: „Das neue Soziale Entschädigungsrecht – Besonderheiten für ein betroffenenzentriertes Verfahren bei sexualisierter Gewalt und Ausbeutung – Fachtag für Betroffene“

„Mit der interdisziplinären Fachkonferenz wollen wir Politik, Sozialverwaltung und Sozialgerichtsbarkeit zusammenbringen mit Traumaambulanzen, Fachberatungsstellen und Betroffenen von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung, um gemeinsam die Möglichkeiten des neuen Rechts für ein betroffenenzentriertes Verfahren aufzuzeigen und zu diskutieren.

Die Expertise Betroffener ist für uns wesentlich. Der Fachtag soll es Betroffenen ermöglichen sich im Vorfeld der Konferenz untereinander auszutauschen und gemeinsame Positionen für die Fachkonferenz im Mai zu erarbeiten und abzustimmen, die sie dann auch in die Fachkonferenz einbringen können.

Wir laden Sie hiermit herzlich zur Teilnahme am Fachtag für Betroffene am 17. März 2023 in Präsenz in Berlin ein.“

Mehr Infos hier: https://ubskm-veranstaltungen.bafza.de/fachtag-soziale-entschaedigung-fuer-betroffene-sexualisierter-gewalt/start.html

inmitten der Gewalten

RosenachRegen Es hatte mir gefallen, wie viel Stärke und Leichtigkeit sie lebte. Wie viel Energie in ihr kreiste und Lasten klein werden ließ.
”So würde ich mir auch gut gefallen”, dachte ich. So groß und mächtig, dass es eine einfach gelebte Leichtigkeit im Sein geben kann, “Angst” zu “Respekt” verwandelt wird und das Recht auf Unversehrtheit von mir alleine durchgesetzt werden kann.

Und dann fiel mir auf, dass ihre Macht auf Missachtung … Dissoziation … beruht.
Sie ist stark, weil sie ihre Schwäche nicht spürt. Sie ist mutig, weil sie ihre Angst missachtet. Für sie ist alles ganz leicht, weil sie Hindernisse aus dem Fokus schiebt. Wenn sie verliert, dann verliert sie vor sich selbst nicht, weil sie Schmerz und Trauer tief in sich vergräbt und den Spaten dann wegschmeißt.

Wenn es einen Menschen gibt, in dessen Anwesenheit selbst das mächtigste Böse uns nicht verletzen könnte, dann ist sie es.
Nur darüber sprechen konnten wir nie mit ihr, ohne über ihre Missachtung zu stolpern und
verletzt zu werden.

“Eure Eltern!”, immer bewegt sie auf eine für sie so typische Art ihren Kopf und formt ihren Mund zu einem harten und doch feinem Lächeln. “Häuten und auf einen Ameisenhaufen binden! Mindestens! Eigentlich reicht das nicht mal!”.
Am Anfang hörten wir ihr noch zu und spürten den inneren Erdbeben nach, die sich aus ihrem Erzählen von sadistischen Fantasien ergaben. Lächelten schief. Zuckten mit den Schultern.
Warteten darauf, dass die Tür aufgeht und ein Inferno der Strafen über uns hereinbricht.

Irgendwann versuchten wir uns in kleinen Worten, die wie Kinderfüße das erste Eis auf dem See abtasten. “Ich weiß nicht…”.
“Hm, aber das ist ja auch nicht besser als…”
“Das macht Angst, wenn du so etwas sagst…”

und dann schob sich dieser große Schreibtisch zwischen unser beider Leben. Andere starke Sie’s, andere Verbündete, andere Gemögte, andere Menschen vor denen ES nicht verschwiegen blieb, traten in unser Leben und mit ihm weitere Sichten auf Lebens- und Wahrnehmungsrealitäten.

Und doch begegnet uns diese Art Gewalt und Ablehnungsdynamik immer wieder.
Es ist, als würde sich die Gewalt, allein schon dadurch, dass wir ihr Wortkorsette anzulegen versuchen, sie in Laute wickeln und anderen Menschen in die Köpfe stapeln, fortpflanzen und eigenständig erneut gebären.
Aus dem Anblick, den ich vom Erlebten habe, wird für andere Menschen immer wieder das Gesicht, der Name, die soziale Position, das Sein der TäterInnen.
Egal, wie ich mich ausdrücke und versuche meine eigene Sicht zu unterstreichen.

“Kannst du bitte..? Ich kann das- bitte das ist meine Familie!”, ich weiß noch, wie schwer mir das aus dem Hals gewürgt wurde, um dann unter einem achtlosen Schwall rechtschaffenden Gewaltens begraben zu werden.
“Darf ich denn gar nichts mehr behalten, sobald ich mich auch nur ein kleines bisschen geöffnet habe?!”, stand es im Tagebuch, nach dem Termin bei dem Rechtsanwalt.

Die traurige Wahrheit ist: nein
und der schmerzhafte Teil an dieser Wahrheit ist nicht, dass uns schon wieder die Definitionsmacht über etwas genommen wird und damit von anderen Menschen als uns eine Haltung zu etwas vorgegeben wird, sondern, dass es andere Menschen, als die Beteiligten sind.

Niemand außer uns und den Menschen, die uns verletzt haben, waren dabei. Niemand hat gefühlt, gesehen… erfahren und gelebt, was wir jeweils gelebt haben- aber alle haben eine Meinung dazu, sobald aus unserer Erfahrung Worte und Geschichten werden. Und niemand verbirgt sie.
Ein Innehalten, die Frage, ob die Äußerung erwünscht ist, passiert nicht.
Da passiert gar nicht die Rückversicherung: “Hast du gefühlt, gedacht, gesehen, was ich mir gerade vorstelle, dass du es gefühlt, gedacht, gesehen hast?”.
Dort wird das Aufwachsen mit Gewalt zu einem Grund der Normalisierung selbiger- nicht zum Marker, der daraus entstehen Un-Fähigkeiten. Anwesenheiten werden damit erklärt- Abwesenheiten bleiben unsichtbar, unergründet, ungewichtig.

“Ich kann natürlich nicht fühlen, was du fühlst- aber ich gehe davon aus, dass du die gleichen Internalisierungen hast, wie ich und wir deshalb eigentlich immer das gleiche fühlen.”, das nehme ich oft wahr.
“Selbstverständlich tut es dir weh, wenn dieses und jenes mit dir passiert.”
“Natürlich fühlst du dich ohnmächtig, wenn dir jemand Gewalt antut.”
“Natürlich hast du das Gefühl, deine Eltern nicht verachten zu dürfen- sie sind ja schließlich deine Eltern”
“Na klar, bist du täterInnenloyal, du bist ja schließlich ein Opfer (= abhängiges Kind)”

und was ist, wenn das nicht so ist?
Was ist, wenn ich einfach nie Schmerz gefühlt habe? Wenn mir meine Eltern einfach irgendwie egal sind, weil es für mich poplige kleine Wichte sind, die ich weder brauche noch will? Wenn ich mich nie in Abhängigkeiten von TäterInnen gesehen habe?
Was ist, wenn ich durchaus Macht- und Überlegenheitsgefühle hatte und diese auch ausgelebt habe?

Was dann ist, ist, dass ich andere Menschen in ihrem Maßstab ausheble. Sie und ihre Werte, Normen und Internalisierungen greifen dann nicht mehr. Sie müssten mir meine Sicht auf die Dinge lassen, müssten mir Raum zur autarken, selbstbestimmten Selbstpositionierung lassen.
Und damit ich genau das nicht tue, hat auch die Opferschublade einen doppelten Boden: “Sie hatte ja keine andere Wahl, als sich einzureden, dass sie das alles wollte/ selbst bestimmt/ aktiv und von sich aus so wollte.”
Es kann sein, dass es tatsächlich keine andere Wahl gab- aber die Wahl wurde von mir getroffen! Es gibt immer die Wahl etwas nicht zu tun- auch diese Wahl hätte ich verweigern können- es ist so leicht aus sich herauszugehen und im Universum zu verschwinden.

Die Aktivität, der im Vergleich Passiven, ist nicht Passivität!

Mir ist eingefallen, dass ich einmal versucht habe meinen Vater anzupinkeln, als er mich an einem Bein durch die Luft schleuderte.
Nicht, weil ich wütend war, oder ihn verachtete, oder mir vor Angst eh grad der Urin abging, sondern, weil ich einfach so den Impuls dazu hatte.
Ist das “typisch Opfer”?
Wohl eher nicht.
Es ist aber genau das Spektrum von Opferschaft, das von der Aktivität des Täters/ der Täterin überlagert und später von Unbeteiligten mehr oder weniger systematisch unsichtbar gehalten wird, in dem die (Straf-)Tat zum Maßstab von allem wird.
Ich fand die Vorstellung, dass mein Vater meinen Urin an sich dran hätte lustig und saß lachend in mir drin, während er sich an meinem Körper abarbeitete. Schön blöd von ihm- ich hatte das Lachen und er Arbeit mit meiner “Erziehung”.
Ich hab gewonnen, denn das Ziel seiner Tat war ein anderes.

Klar wird mir mein Gehirn auch Schmerzen angetragen haben, Angst zu sterben, Ohnmachtsgefühle und Wut auf ihn, dass er sowas mit mir macht. Aber das war nichts Neues, nichts was noch großartig eine Aktion von mir einfordern konnte und mich innerlich irgendwie anregt. Und zwar nicht, weil ich “verroht” bin oder “nie etwas anderes erlebt habe”, sondern, weil es eben so ist. Mich fordern andere Dinge, regen andere Dinge auf.

Ich betrachte das als unfassbar großes Privileg, an den Taten an meinem Körper vorbeigucken zu können und zu sehen, was für Mechanismen darin walten. Einfach auch zu wissen, dass die Taten allein einfach gar nicht wirklich die Gewalt sind, die mir (uns) passiert ist.
Sicher bin ich ein Opfer von der Gewalt geworden, die meine Familie* an mir ausgeübt hat. Ich bin aber mit ihr zusammen zum Opfer ganz anderer TäterInnen- ganz anderer Macht-Ohnmachtdynamiken geworden.
Ich leide heute nicht nur an den Folgen einer Dynamik in der Familie*, sondern an denen, die unsere ganze Welt durchzieht.

Das gehört mit zu den Eckpunkten inmitten derer ich mich verorten will.
Ich will mich mitten drin verorten und nicht abgetrennt- missachtend und damit dissoziierend, weil es mir nur um einen klitzekleinen Bereich- die Summe aus “X” mal “misshandelt worden sein”- geht.
Denn genau das produziert Gewalt und füttert sie.

Und macht blind.
Blind genug um die Überlebenden immer weiter, von Gewaltdynamik zu Gewaltdynamik zu drängen und nicht zu merken, dass man sie dabei immer passiv – immer in der Position hält, die “Opfer” heißt.

Wir haben uns jetzt endgültig gegen eine Strafanzeige entschieden.
Sie bzw. die Justiz stellt sich uns als Gewaltinstrument dar, das uns sowohl als Opfer braucht, als auch hält, als auch erneut zu einem machen wird.
Sie wird in sich drin sitzen und lachen, während wir uns an ihr abarbeiten und eigentlich etwas ganz anderes wollen.

Es geht uns eben nicht um die TäterInnen, nicht um die Taten.
Es geht uns um uns und das was wir selbst tun können möchten.

Gewalt wird uns nicht helfen.
Auch wenn wir uns ganz kurz… kurz kurz kurz so stark und mutig und aktiv fühlen und sehen könnten, wie ich meine ehemalige Sie früher einmal gesehen habe.

das Opferetikett

wildeRose2 Wie eine Sandburg in der Brandung, lösten sich meine Beine auf.
Bis ich fiel und alle Scherben in mir über den Boden des Wartezimmers klirren hörte.

Wir hatten eine Therapiestunde, die mir aus den Händen geglitten ist, nach einem Tag, der mir am Denken vorbeigerutscht war, nach Wochen, die mich nur als Zaungast neben sich hatten.
Während es in mir schreit, kämpft, sich hartkrampft und ziellos durch den Schmerz hindurch vorwärts beißt, taumle ich durch die Gedankenschlösser, die auf dem brennenden Fundament eines fremden Maßstabes stehen.

Was mir begegnet, was mir ablehnend konnotiert begegnet, ist der Komplex einer Opferidentität. Wenn jemand sagt: “Ich bin ein Opfer”, passiert ein Schritt zurück. Ein Blick, der Wunden, Male, Zerstörungen sucht, um sich zu vergewissern.
Abzusichern und nicht einmal, kein einziges Mal zu fragen, ob dieser Blick überhaupt in Ordnung ist.
Dieser Blick kommt nicht aus einem Kopf heraus, der sich fragt, was er dort eigentlich sieht und warum. Mit welchem Recht.
Dieser Blick fragt nicht, ob er als Verletzung, als erneute Demütigung wahrgenommen wird.

Mir wird bewusst, was für mich das Problem in OEG und Strafanzeige nach Gewalt, nach sexualisierter Gewalt, in der Kindheit ist.
Es ist der fremd wertende Blick, der mich nicht nur streift, sondern durchbohrt. Mein Sein, mein Mich, mein Da, mein Früher und Heute auf einen Objektträger klatschen lässt und in feinsten Scheiben seziert, be-verurteilt, in Paragraphensoße ertränkt und mit einem guten Wein aus rape culture darreicht.
Ohne eine Wimper zum Zucken zu haben.

Ich werde nicht gefragt.
Und wenn doch, dann hängt an den Äußerungen anderer Menschen, auch denen der TäterInnen, ob wahr –scheinlich- ist, was ich sage.

Selbst die Verjährungsfrist durchbreche nicht ich, sondern die Vorladung der TäterInnen.
Nicht einmal das wird mir zugestanden.
Und ja, ich habe es als mein Vorrecht betrachtet, dass ich selbst in der Hand habe, ob das, was die Justiz als strafbare Handlung betrachtet, verjährt oder nicht (innerhalb des festgesetzten Zeitraumes). Schließlich wird ja auch die ganze Zeit an mich herangetragen, Gewalt anzuzeigen und sichtbar zu machen. Nicht an die TäterInnen.
Wie hatte ich ernsthaft glauben können, dass es irgendeinen echten Raum für Selbstbestimmung unter dem Schirm der opferbezüglichen Komplexe gibt?

Vielleicht hat es etwas mit dem sympathischen “Ich bin kein Opfer”- Gebaren zu tun, das immer wieder aus mir heraus kommt, sobald mir andere Menschen meine Kompetenzen und Rechte aufgrund der Gewaltfolgen absprechen wollen.
Die Etiketten “wehrhafter/resilienter/stolzer Grundcharakter”; “KämpferIn*”; “starke Persönlichkeit” machen gegen das schmerzhafte Bohren dieses einen speziellen Blickes immun.
Wenn ich das auf meine Stirn klebe und tue, was ich sonst auch tue, werde ich auf Ebenen unterstützt und gestärkt, die zwar in der Regel unfassbar weit an meiner Erwartung und Hoffnung vorbei gehen, aber mich einer Mehrsamkeit und damit Sicherheit versichern, die ich anders gar nicht oder tendenziell eher erneut in ungleichen Machtdynamiken eingebunden erhalte.

Das heißt, dass alles, was ein zum Opfer gewordener Mensch tatsächlich selbst bestimmen kann, ist, sich als ein solches zu erkennen zu geben oder nicht.
Alle Konsequenzen, alle Gewalten, die aufgrund dessen mit und an ihm passieren, hat er zu ertragen.
In Bezug auf das OEG nehme ich diesen Umstand als besonders infam wahr.

Denn ja: ich fühle mich dazu gezwungen einen Antrag zu stellen und mich damit als Opfer von Gewalt auf eine Weise sichtbar zu machen, die ich weder selbst bestimmen, noch beeinflussen kann- mit den Konsequenzen, die sich unter Anderem aus inexistentem Opferschutz, und anderen Leistungen zu meiner Unterstützung ergeben, hingegen wiederum unsichtbar zu bleiben.
Ich fühle mich gezwungen, weil es das einzige Mittel ist, meine Lebensrealität innerhalb des Systems, das für diese mitverantwortlich ist, sichtbar zu machen.
Natürlich könnte ich auch anfangen meine Krankenkasse zu verklagen, aber die Krankenkasse hat nicht im Schutz vor Gewalt versagt, wie der Staat.

Ich habe mich nie als Opfer betrachtet.
Jetzt fange ich damit an und spüre bereits, wie mir Boden und Beine unter all meinen kleinen und großen, zitternden und kämpfenden, frierenden und schmerzerfüllt weinenden Herzen wegrutschen- während mich der Lauf der Dinge unbeirrt an einer Schlinge um den Hals weiter hinter sich her zieht.

Es ist tröstlich, dass die Welt nicht stehen bleibt, weil ich das Etikett des Opfers neben all die eigenen hänge.
Es ist aber auch eine weitere Erfahrung, die mich in ein Gefühl der Machtlosigkeit bringt, weil sie keinen Effekt über mein klitzekleines Dasein hinaus hat. Wieder verortet sich alles in und an mir allein- nicht an den TäterInnen, nicht an dem System, nicht an unserer Kultur, nicht an G’tt.
Wieder bin ich mit etwas, auf diese eine ganz spezifische Art, die nur Gewalt produziert, allein.

In einem Moment des weißen Rauschens, da auf dem Boden des Wartezimmers gestern, schwamm dieser Satz des “Es ist vorbei” durch mich hindurch und ich fragte mich, ob es überhaupt noch irgendeinen Sinn hat, an irgendeinen Menschen ein “Ja, aber…” zu richten.
Diesen  Punkt des Wiedererlebens, den Gewalt, die an die Schwelle zum physischen, psychischen und geistigen Tod treibt, den erlebt man so allein, dass die Lüge des “es ist vorbei” von sonst niemandem gesehen wird.
Jedes “Ja, aber…” provoziert den Blick, die Abwehr, die Einsamkeit auf allen Ebenen.

 

Ich muss anerkennen, dass ich versuchte das Falsche zu wollen.
Anerkennen, dass “nichts bis wenig”, noch das Beste ist, was ich an “gut” zu erwarten habe.

Dass es für mich eben doch nie vorbei sein wird, nur weil es mir jemand sagt, der mit mir ist.

OEG 2.1.

Und da saß ich nun also. Das beratene Opfer, das weiß, was es möchte und was nicht.
Ich kenne das OEG, kenne die Fallstricke, die strukturelle Gewalt, der ich mich ausliefere und alles. Ja verdammt- ich bin zigfach gepanzert gegen die Naivität, dass schon alles gut werden würde. Ich bin unempfindlich gegen die Versuchung zu denken: “Wenn ich nur etwas sage, dann reagiert meine Umwelt schon und es wird nicht schlimm.”.

Und trotzdem.

Ich weiß, dass ich keine Strafanzeige erstatten und auch keine Regressforderungen an die TäterInnen zulassen muss, wenn das bedeutet bzw. die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass ich dann nicht mehr geschützt bin. Das Gesetz weiß das. Die Strukturen wissen das.
Der Anwalt wusste das wohl

aber dann doch eher theoretisch.

Im Nachhinein kann ich sogar lachen und wissenschaftlich interessiert nicken, was für ein absurdes Gespräch wir da geführt haben.
Was für Dynamiken mir angetragen wurden und auch wie schnell ich unter Druck komme. Noch immer, obwohl ich heute noch mehr als früher klar habe, dass die TäterInnen eben auch (neben vielem anderem) TäterInnen an mir waren.

Wir haben noch 3 Monate bis die Taten, die vor dem 18 Lebensjahr geschahen, verjährt sind.
Was für Konsequenzen hätte eine Anzeige für meine Geschwister?
Was für Konsequenzen hätte eine Anzeige, egal ob mit oder ohne Schuldspruch am Ende auf das Leben der TäterInnen?
Und wieso the fuck, denke ich jetzt über die TäterInnen nach?!

Was ist, wenn ich jetzt ablehne und mich aber in x- Jahren dann genau dafür hauen will?
Was ist, wenn ich jetzt anzeige und mich aber dann, wenn ich einer geschlossenen Station hocke, dafür dann nicht einmal mehr hauen kann, weil ich wieder so abgeschossen, wie vor Jahren bin?

“Wissen Sie, die Strafprozessordnung sagt auch etwas zu den Rechten der Opfer. Es geht auch darum, dem Opfer Genugtuung zukommen zu lassen.”.
Jetzt, drei Tage später, könnte ich darüber, bitter wie 20 Jahre alte Kapern, lachend vom Stuhl fallen.
Genugtuung? Hallo?
Was habe ich denn bitte davon? Kann ich mit 100 Pfund Genugtuung meine Therapie bezahlen? Aus 200 Kilo Genugtuung Lebensqualität klöppeln? Kann ich schlafen, wenn ich mich auf Genugtuung bette?! Macht meine Genugtuung, dass meine Geschwister selbstbestimmt entscheiden können, ob sie sich zu unserer Kindheit überhaupt in irgendeiner Form äußern möchten?! Werde ich Kraft all der ganzen Genugtuung so etwas wie Selbstwert, Bindungs- und Beziehungsfähigkeit und kohärente Selbstwahrnehmung entwickeln?

“Und wenn Sie eine Anzeige erstatten, dann sind Sie ja auch aktiv. Dann ist es ja auch ein Schritt aus der Opferrolle heraus und selbstbestimmter.”
– “Naja, das ist nicht selbst bestimmt, weil ich das ja nur machen würde, weil es das Amt verlangt, für den Bescheid zu einem Antrag den ich eigentlich nur deshalb stelle, weil die Krankenkasse, die Therapie nicht durchgehend finanziert…”
“Ja, aber man ist ja immer fremd beeinflusst”

Ich hatte nicht damit gerechnet selbst bei jemandem, der meine Anliegen vertreten soll, so massiv klarmachen zu müssen, dass es mir auf keiner Ebene um die TäterInnen oder Selbsterhebung geht.
Ich bin entsetzt, wie weit oben Opferinteressen eingestuft werden- gerade wenn es um so schwere Schädigungen geht.
Die TäterInnen könnten jetzt schon hinter Gittern sitzen- ich würde trotzdem noch meine Symptome haben, mich dieser ekelhaften Behandlung vom Jobcenter, kranker Kasse und der Gesellschaft ™ ausgesetzt sehen und alles sein- nur nicht so selbstbestimmt und gesichert, wie mir so untergeschoben werden will.

Ich will in aller Ruhe an mir arbeiten, heilen und mein Leben nach dem Trauma so gestalten, wie ich das heute noch kann.
Nicht mehr und nicht weniger.
Der Rest ist den Raubbau an mir, für mich persönlich nicht wert.
Ich sehe es nicht als meine Verantwortung an, Täterverhalten zu beeinflussen oder einer Beeinflussung zuzuführen. Das habe ich so lange so hart versucht, dass ich Viele wurde- jetzt ist Schluss mit dem Abarbeiten an den TäterInnen. Auch auf der Ebene.

Der Rechtsanwalt sagte, er müsse über die Mandatsannahme nachdenken und seine Effektivität prüfen. So hat er noch keinen Antrag auf Entschädigung nach dem OEG aufgezogen.

Ich habe mir inzwischen die Telefonnummer einer erfahreneren Kollegin herausgesucht.
Auch Testzweckklientin werde ich heute nicht mehr sein.

 

Und sie schreibt sich auf einen Zettel:
“Bei diesem OEG- Ding geht es nur um mich und das Leben, das ich heute habe.”

und hängt ihn sich an den Schreibtisch.
Auf Augenhöhe.

OEG 2.0 – Vorspiel –

Wasser2 Nächste Woche habe ich einen Termin bei einem Rechtsanwalt.
Es wird um einen Antrag auf Opferentschädigung und all den ganzen Rattenschwanz aus organisierter Gewalt und Opferschutz, DIS und Anonymität gehen.

Ich weiß nicht, ob er schon einmal Menschen vertreten hat, die mit so schweren Beeinträchtigungen in der Selbst- und Umweltwahrnehmung leben und/oder, die aus organisierten TäterInnenkreisen ausgebrochen sind. Eigentlich ist mir das auch nicht wichtig.
Der Antrag soll passieren, durchgehen, Therapiefinanzierung vorerst sichern und fertig aus.
Ich will keine OEG- Rente oder sonst irgendwas.

Aber werde ich überhaupt als Gewaltüberlebende wahrgenommen?
In der letzten Zeit nehme ich öfter auf, dass mir mehr zugetraut wird, als ich tatsächlich kann und, dass auch mehr Erwartungen an mich gerichtet werden, als ich entsprechen kann.
Natürlich stärkt mich das auch manchmal, aber in den letzten Wochen tut es das eher nicht.
Alles, was sich anschaltet, ist ein Modus in dem es mir prima geht, solange Menschen um mich sind.
Bin ich allein, geht es mir schlecht. Und damit meine ich nicht die “ein bisschen Schokolade auf der Couch und ein schönes Buch- dann wird das schon”- Variante, sondern die “ich bin so scheiße ich hasse mich ich sterbe jetzt mit einem Platzen als schleimig stinkender Ball, der es nicht verdient hat auf diesem Planeten zu sein bitte bitte bitte dieser Schmerz ist nicht aushaltbar”- Postkarte aus der Opferwelt.

Ich habe inzwischen genug Kontakt zu AnwältInnen, BeraterInnen, PsychologInnen und PsychiaterInnen gehabt, um zu wissen, dass es sehr wohl passiert, dass die Hilfesuchenden gescannt werden. Wie glaubwürdig sie sind. Wie sie wirken, ob sie lügen oder übertreiben- ob sie Ansprüche erfüllen bzw. Vorstellungen entsprechen.
Natürlich sind Menschen eben einfach so, ja. Von mir aus.

Aber wie soll ich dem nachkommen? Muss ich das überhaupt?

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt mir hoch und desto einsamer fühle ich mich. Zumindest emotional als eine, die etwas überlebt hat.
In all diesen Ansprüchen und Vorstellungen, gibt es eine Art Drehkreuz um Stärke, Belastbarkeit und diesen Klumpen aus subjektiver Vorstellung um die Schilderungen von Gewalterfahrungen.
Ich sage nie und habe nie vor jemandem gestanden und gesagt, was ich dazu sagen wollte.
Immer klebe ich irgendein Etikett darauf, von dem ich weiß, dass es pseudosynonym verwendet wird. Dann sage ich “Ich wurde als Kind misshandelt” oder “Ich habe massive Gewalterfahrungen gemacht”, meine aber ein geschrieenes: “IchbinvorAngstgestorbenEshatsowehgetanGenaumitteninmirdrin” und ein verzweifelt rausgeweintes “Dashateinfachnieaufgehört”.
Im Anspruch geht es um Sachlichkeit, wo höchste Emotionen in mir sind. Da geht es um aktives Handeln, wo ich ohnmächtig und voller Angst bin.

Immer wieder werde ich für so stark und belastbar gehalten, weil ich Aktivität und Sachlichkeit mit Worten vorgeben kann.
Was dahinter steht, rückt in den Hintergrund, in meine kleine private Hölle, in der Worte wie Sterne am Himmel glitzern, während ich mit dem Gesicht nach oben, wieder und wieder unter Schmerzen erinnerungssterbe. Lautlos. Spurlos. In meinem Kopf. In meinem Körper.

Das ist ein Muster, das mir so alt und so normal erscheint.
So viele Menschen in meinem Leben sind nach außen anders, als für sich allein oder privat und kaum jemand bezeichnet das als gesellschaftlich anerkanntes Spalten/ Dissoziieren von Lebensrealitäten.
Kaum jemand versteht mich, wenn ich sage, dass ich wirklich verrückt werden könnte, weil sich mir die Absurdität der äußeren Umstände durch den Verstand bohrt, wie ein Korkenzieher: Ich-  die Dissoziierte wie Dissoziierende- begibt sich in eine äußere Spaltung, um ganz erlaubt eine Therapie bezahlt zu bekommen, die mir helfen soll, meine Wahrnehmung zu verbinden.
Ich, die zur Gewalt sagen will, was niemand hören will, weil es zu viele Emotionen macht, soll sachlich machen, was ausgerechnet meine Psyche- etwas per Definition definitiv nichts Sachliches ist, betrifft. Ich soll aktiv tätig sein, weil ich passiv geopfert wurde.

Und das soll ich glaubhaft tun. So, dass man merkt, dass ich belastet bin, aber noch genauso kräftig, dass ich das auch vertreten kann und aber nicht zu sehr, da der Schaden sonst nicht anerkannt werden kann.

Und in all dem fehlt ein Part, den ich selbst sogar noch schütze, weil ich mich selbst schütze: die TäterInnen, die ich weder anzeigen, noch in Regress nehmen lassen will
Die ich benennen möchte mit der schlichten Etikette: “TäterIn” nicht mit  “hmhmhm”.
Deren Taten ich mit meinen Gefühlen benennen will, nicht mit dem, was man nach außen hätte sehen können.

An diesem ganzen Opferentschädigungsding stellen sich nicht verschiedene Gebote und soziale Ächtung schwierig für mich dar.
Es ist die Selbstdarstellung als Opfer nach außen, die so absolut keine positiven Folgen nach innen haben.
Egal, wie verbunden das sein wird, wenn mir ein Schaden anerkannt wird und ich offiziell “Opfer” bin- das wird Nächte, wie die letzte nicht wegmachen. Das wird mein schlechtes Gewissen gegenüber meinen Gemögten nicht schrumpfen lassen. Das wird mir Erinnerungsschmerzen, Alpträume, schlaflose Nächte, Selbsthass, Angstattacken und dieses durchdringende Schreien in meinem Kopf nicht wegmachen.

Es ist die Selbstdarstellung als passives Opfer, obwohl ich doch jetzt aktive Taten ausübende bin.

Und es ist das Agieren, obwohl ich mich im Moment eher tot und unfähig vor allem und jedem fühle und mich schäme, weil ich weiß, dass ich für viele ganz anders erscheine.

“Wir sind Viele” ~ Teil 5 ~

Blumenbeet Sie sprang von einem Bein aufs andere, während ich die Flyer der Initiative Phönix verteilte: “Schreibst du auch auf, dass die Menschen so bedürftig sind? Schreibst du das auch auf, ja?”.
Bis mir klar wurde, welche Menschen sie meinte und was für sie so wichtig daran sein könnte, dass ich auch darüber schreibe, dauerte es nur noch einen Workshop und ich konnte auch das fedrige Gefühl unter meiner Haut endlich einsortieren.

Die Rechtsanwältin Barbara Wüsten bot einen Workshop zum Opferentschädigungsgesetz (kurz: OEG) an.
Es ist schwierig über ein Gesetz einen Workshop zu machen, zumal die Hauptprobleme in Sachen Opferentschädigung gar nicht an dem Gesetz selbst liegen, sondern mitten im System der Versorgungsämter und der kranken Kassen.
Es wurde mit jeder Wortmeldung der TeilnehmerInnen klarer, wie oft und an welchen Stellen immer wieder die Behördenwillkür, Falschinterpretationen und auch etwas, dass gut als Ausläufer der “
rape culture” in der wir leben zu bezeichnen ist: “Wenn das Opfer was will, dann soll es sich halt drum bemühen”, wirken.

“Jemand muss die doch mal trösten, oder?”, die kleine Neugierige hopste immer noch um mich herum und ließ ihre Satellitenschüsselohren im Raum herumkreiseln, als wir uns aus der Kaffeeschlange herauslösten und direkt an den Tisch mit den Kannen gingen. “Ich find, es ist nicht gut, wenn die HelferInnen so traurig sind und so… weißt, als wenns die gaaaar nix machen können.”. Ich nickte und lief nach draußen in den Sonnenschein, stolz auf mich nur minimal gekleckert zu haben und froh über die frische Luft.

“Glaubste eigentlich, die haben hier ne grobe Peilung, dass die genauso von der Gewalt ihrer KlientInnen betroffen sind, wie die KlientInnen selber? Ich mein jetzt so wegen der strukturellen Gewalt und so…”, er streckte die Beine aus und wackelte mit den Zehen, “Ich glaub, über kurz oder lang kann man davon irgendwie auch ne Art PTBS kriegen. Zumindest haste dann halt irgendwann so richtig geil ne Vermeidungsperformance drauf und nennst das “Abgrenzung” und dann haste da so Perlen wie Frau Doktor, die das nicht trennen- also so “Ohnmacht vor Strukturen” und “Ohnmacht vor Leiden der KlientInnen” und badabäng! wieder jemand weniger, der eigentlich voll helfen kann.”.

Sie seufzte und beobachtete die kleinen Käfer, die vor unseren Füßen über den Kies kletterten.
Sie ist uns passiert, als wir struktureller Gewalt unterliegen mussten und was das für uns in Sachen OEG bedeutet, fiel mir in dem Moment auf.

Ihr Sein ist angepasst daran ein “Nicht viel mehr als eine Nummer” zu sein. Ein Sein, dessen Grundbedürfnisse von positiven Anträgen legitimiert werden- nicht von gütigen Menschen oder eigener Hände Wirken. Sie hat noch nie auch nur irgendeinen Widerspruch an kranke Kassen oder Jobcenter verfasst, wenn ihr (uns) Leistungen gestrichen, gekürzt, zu knapp zugeteilt oder gar von Vornherein verwehrt wurden. In all der Ohnmacht und dem Raub der Menschenwürde, war am Wichtigsten vor sich selbst ein Sein, ein Jemandsein mit Namen zu bewahren- nicht dies zu erkämpfen oder zu bestätigen oder vom Außen als zu wahren einzufordern.
Unsere Idee war, einen Antrag auf OEG zu stellen und sie das machen zu lassen. Ihr ist die Gewalt früher nicht passiert und sie empfindet das auch nicht so.  Sie wird uns nicht abschmieren, weil sie von Erinnerungen überschwemmt wird oder Ähnliches.
Aber sie wird auch nicht um unser Recht auf eine Entschädigung vom Staat kämpfen können, geschweige denn unsere Anwältin antreiben, das zu tun.

Wir werden aber genau das tun müssen. Kämpfen. Für uns eintreten. Einen Wert, den wir sogar vor uns selbst nicht durch unsere schlichte Existenz definieren, verteidigen und darauf aufbauend Forderungen stellen. WIR werden das tun müssen.
Diese Sache mit dem OEG…

“Wisst ihr, was uns fehlt?”, ich schaute meine MitautorInnen an, “internalisiertes Empörungstum und diese komische Blindheit für rape culture.”.
– “Und etwa 20-30-40 Jahre Lebenserfahrung, mein Herz. Viele Menschen hier sind in ganz anderen Zeiten und Verhältnissen aufgewachsen, als du und ich und wir alle.”
– “Und hier Dings, nä- die kenn das bestimmt auch so mit hier “kriegen, was man will und schaffen, wenn man sich anstrengt” und so weil Dings nä- die sind nicht arm und so. Also jedenfalls nich wie wir. Wenn wir EMPÖRUNG brüllen kommt weniger, als bei so Leuten rum.”.

Dumpfe, brütende Stille.
“Und nu?”.
Ich spürte, wie sie ihre kleinen eisigen Hände auf meine Wangen legte und ihre Forderung in mein Denken hineinschüttete: “Schreibs auf!”
Mir fallen zig “Ja, abers” ein. Ich will einen verkaufbaren Artikel machen. Ich will die Artikel an das Herz hinter der Tagung, Brigitte Bosse schicken. Ich will Artikel schreiben, die einfacher lesbar sind. Ich will … ja und aber… die haben doch schon eine Stimme!
“Die” sollen doch “den” Betroffenen helfen. Ich will das nicht unterstützen, dieses Verantwortungsgeschiebe auf die Opfer, die “sich einfach nicht genug bemühen”; die “sich nicht fallen lassen dürfen, weil wo kämen wir denn da hin?”; die Opfer die Opfer die Opfer die OPFER die ja aber nicht “Opfer” sind, wenn die Gewalt vorbei ist, aber die wir der Einfachheit Opfer nennen, damit jede/r das Gekreisel überhaupt versteht- die Opfer, denen man doch HELFEN muss- die man doch retten muss, weil OPFER!; die Opfer, die sich nicht wehren konnten, als sie ein Kind waren- die sich aber heute wehren MÜSSEN, weil WEHR DICH DOCH (aber bitte nicht gegen meine Perpetuierung von Gewaltmythen- das geht nicht- da muss ich mich abgrenzen, sonst muss ich ja die ganze Zeit weinen, weil OHNMACHT)

Das will ich nicht. Ich finde es zum Kotzen, wie viele HelferInnen sich als RetterInnen präsentieren und auch selbst so definieren- ohne von irgendjemandem mal zu hören, dass genau das auch eine Unterdrückung ist. Ein Kleinhalten und Absprechen von Fähigkeiten und Ressourcen, von Kraft und Lebenswillen.
Ich finde es zum Kotzen, wie viele HelferInnen Gewaltmythen unhinterfragt lassen und Normierungszwänge ausüben, auf ihrer Mission der Opfererrettung und “Traumaheilung”.
Ich finde es schlimm, dass die Tagung und das Klima in ihr so sehr in den 90 er Jahren hing und nicht im Jahre 2014, wo man nicht mehr “multiple Persönlichkeit” sagt und diese verklärende Beschreibung der DIS mit “da war Gewalt und die anderen Innenpersonen, sind dann gekommen” inzwischen sogar wissenschaftlich und mit, ich sag mal, “naturgegebenen” psychophysiologischen Strukturen besser erklärt werden können. Ich finde das richtig schlimm, denn mit einem kurzen Blick in die späten 80 er Jahre von Amerika und dem, was genau diese “Ver”- Erklärung dort gemacht hat, nämlich eine Welle der “moral panic” (“empört euch- da gibts Satanisten und die sind überall und wollen unsere Gesellschaft aufessen!”), kann ich nur hoffen, dass es hier bitte konstruktiver zugehen kann.

Wo hakt es? Ist es das Tagungsprogramm gewesen? Die RednerInnen?
Wir hätten die Tagung nicht besucht, wenn dem so gewesen wäre oder wir den Eindruck gehabt hätten, dass es zwangsläufig so abdriftet.

„Es ist vielleicht die Not, mein Herz. Die Not vor der Gewalt zu stehen und keine Erfahrungen zu haben, wie zu reagieren sein kann. Es hat nicht die gleiche Norm, wie für uns. Da ist Angst, da ist Unsicherheit, da ist Trauer um eine Welt und… ich glaube, zumindest spüre ich das bei ein paar Menschen hier, eigene Erfahrungen, die weggedrückt gehalten werden müssen.”. Während der Schwan sich wieder zurückzog, um sich dem schrillen Schreien auf seinem Rücken zu widmen, dachte ich darüber nach, wie ich das nun in einen Artikel hinein bekomme.

Wie macht man anderen Menschen klar, dass sie ihre Normalität um Grauenhaftes erweitern müssen, zeitgleich aber nicht darauf allein hocken bleiben dürfen, weil die Konstruktivität ihrer Arbeit darunter leiden könnte? Wie kann ich über diese Dinge schreiben, ohne Gefühle und Selbstbilder zu verletzen?
Wie kann eine Annäherung an Gewalt als schreckliche Alltäglichkeit aussehen, ohne sie in pseudoliberale Formulierungen entgleiten zu lassen?
Wie kann es aussehen, wenn ich Menschen erklären möchte, dass es nicht die Gewalt selbst ist unter der ich leide; dass es nicht das multipel/ Viele sein ist, unter dem ich leide, sondern die Tatsache, dass Gewalt die Grundlage meiner Selbst- und Umweltwahrnehmung ist, die heute dysfunktional erscheint- sowohl vor dem Anspruch einer Gesellschaft in der nur eine Dimension- eine Perspektive allein geduldet wird, als auch vor einem Leben, das keine Ausbeutung und Gewalt mehr in der Form wie früher beinhaltet?

Ich verspeiste ein Stück Streuselkuchen und hoffte im Workshop mit Claudia Fischer “sadistische Gewalt in der Berichterstattung” die eine oder andere Antwort darauf zu erhalten.

die Bedeutung von Krickelkrakel

Ich weiß nicht, ob das, was mir hier begegnet noch für viele andere betroffene Menschen gelten kann. Aber ich schreibe einfach im Lauf der Dinge und dies ist nun einmal ein Teil über das ich heute gestolpert bin, also bekommt es seinen Platz.
Worte und Krickelkrakel in Bezug auf erlebte Gewalt.

Wir sind gezwungen uns zusammenzufinden und mit dem zu befassen, das uns einst so hat auseinanderbrechen lassen. (Siehe OEG- erster Akt)
Also suchen wir uns Inseln, in denen es uns gut geht und wir gut aufeinander achten können (oder wir einigermaßen sicher sind, dass uns aussen jemand reorientieren kann, wenn es zu stark kippt und ein “Flashback” droht), und tragen unsere Erinnerungen zusammen.

Ich sehe wie die Zettelhügel wachsen und denke jedes Mal, dass doch nun genug sein muss. Jetzt muss doch genug zusammen sein, um klare Angaben machen können, wann, was, durch wen und wo geschehen ist. Aber das ist es nicht. Kaum eine dieser W- Fragen ist wirklich beantwortet- immernoch nicht- und längst nicht so wie es für die Akten sein müsste.

Manche Innens kratzen all ihre Kräfte zusammen und versuchen einander die Hand zu halten, während sie etwas aufschreiben. Manch einer hebt ein anderes Innen (mit) aus der Situation heraus, um gemeinsam von “oben” drauf zuschauen und zu sehen was passiert ist. Das ist ein bisschen wie diese Schwimmhilfen, die aber nur eine Weile halten. Für kurz ist es möglich einen Zustand aufrecht (hoch-von obendrauf schauend) zu halten, in dem das realisierbar ist- aber über kurz oder lang gibts ein Loch und das Innen fällt wieder mitten hinein. So kann dann vielleicht eine “Was (ist passiert)” Frage (in Teilen) beantwortet werden, aber selten eine Wann, Wo, Wer- Frage.

Manchmal wird aus meinem Kopf auch nur ein stark aufgedrückter Krickelkrakel herausgepresst und ein Laut hinterher gewürgt, der für dieses Innen schon das höchste jemals nach aussen Kommunizierte in seiner ganzen Existenz ist. Und eigentlich- so denke ich- kann ich (und sollte jeder, der das von dem Innen gezeigt bekommt) dafür noch auf Knieen rutschen, weil dieser Krickel so derartig vollgestopft ist, dass mehr auch gar nicht erwartet werden darf.
Es ist schon alles da drin.
Es ist nach aussen ein bloßer Krickel. Nach innen ist es eine Explosion.

Ich musste so daran denken, als mir Mensch XY von einer “Vorführung” seines Kindes erzählte.
“Da hat sie mir gezeigt, wie sie malt, dann ging sie an den Schrank und holte ein paar Sachen raus… und ging wieder an den Tisch prusselte da ein  bisschen herum… und immer wenn ich dachte: “Jetzt ist es wohl zu Ende”, sagte sie: ”Nein nein ist noch nicht zu Ende! Geht noch weiter!”…Sie machte nichts Aussergewöhnliches- aber die “Vorführung” war noch nicht zu Ende… haha was auch immer sie mir eröffnen wollte- ich habs wohl nicht erfasst”.

Ja…
Genau so ist es mit dem Krickel auf dem Blatt. Was auch immer da steht- ich kanns nicht lesen. Und obwohl ich eine leise Ahnung habe und über diese meine- unsere eigene Geschichte spekulieren kann (wenn ich mal nicht in meiner kleinen Vermeidungsblase hocke und mir den Highscore von Tetris vorsumme), kann ich die Sprache, die dieses Innen für mich zu benutzen versucht, nicht verstehen.

Keine Worte zu haben oder nur einen gleissend weißen Flecken für bestimmte Dinge zu haben empfinde ich, für mich, spontan immer als das Schlimmste. Durch diese Krickel und die zusammengestümmelten, mit Buntstift auf Papier gepressten Wortschleifen, sehe ich, dass es aber noch etwas viel Schlimmeres zu geben scheint.
Nämlich den Zwang Worte haben zu MÜSSEN, weil alles andere schlicht nicht zählt oder Mundsprache unter grässlichen Strafen verboten ist oder sprechen zwar ginge, aber nicht vor der Polizei oder weil es schlicht noch keine Denkarien wie in Harry Potter gibt, mit denen man seine Erinnerungen für das Gegenüber sichtbar machen kann, ohne wirklich aktiv mehr tun zu müssen, als einfach die Erlaubnis dazu zu geben.

Wir Menschen sprechen und schreiben unsere Worte immer so dahin.
Doch wie wichtig und wertvoll unsere Sprache ist, das merken wir doch immer erst, wenn wir uns nicht mehr auf sie verlassen können.

Oder wir einsehen müssen, dass die Geschichte hinter einem Krickelkrakel- Wortschleifen-Satzgefetz viel zu groß für Worte ist.

OEG erster Akt

Heute war es nun soweit.
Ein erstes Informationsgespräch mit einer Vertreterin des Landschaftsverbandes, um einen Ablaufplan zu bekommen.

Zur Information meiner nicht betroffenen oder auf der Suche nach Informationen befindlichen Leser:
Wer Opfer einer Straftat wird, hat, weil es der Staat nicht geschafft hat einen zu schützen, Anspruch auf Entschädigung nach dem OpferEntschädigungsGesetz.
Nötig sind: eine Strafanzeige; ein Täter (welcher in Regress genohmmen wird) dazu und eine Verurteilung.
Natürlich gibt es viele viele Ausnahmefälle und viele Einzelfälle die sorgfältiger Begutachtung und allgemeiner Überprüfung bedürfen. (weitere Infos —> klick )
Aber als Grundinformation braucht man eigentlich nicht mehr zu wissen, um zu erkennen, dass die meisten Menschen mit DIS am Arsch sind, in Bezug auf eine Entschädigung durch dieses Gesetz.

Wir wurden sehr früh, sehr schwer und durch verschiedene Täter traumatisiert.
Alle Zeugen dieser Straftaten sind entweder selbst Täter oder Opfer. Namentlich vorgestellt hat sich dabei übrigens niemand, oder mir gar noch seine Adresse gegeben oder sonstiges…

Nähere Erklärungen zu “unserem Fall” werde hier natürlich nicht schildern, doch den einen oder anderen Punkt möchte ich von diesem Gespräch doch erwähnen und meiner derzeit übermäßigen Bitterkeit Raum geben.

Wir haben uns in Rücksprache mit der uns bereits seit Jahren vertretenden Rechtsanwältin entschieden, uns direkt vom Landschaftsverband Informationen geben zu lassen, wie eine Antragsstellung bei einem Menschen mit dem Hintergrund der organisierten (Pädo)Kriminalität aussehen kann.
Insgesamt dauerte das Gespräch etwa eine dreiviertel Stunde.
Die ersten 15-20min lauschten wir den Platitüten und allgemein zugänglichen Informationen, die jeder, der über eine Antragsstellung nachdenkt im Internet oder auch in jedem Flyer darüber, nachlesen kann.

Ich kam mir vor wie im Jobcenter.
”Ja also wenn sie Leistungen von uns möchten, dann muss in jedem Fall eine Strafanzeige gestellt werden, ansonsten entziehen Sie sich ihrer Mitwirkungspflicht…”
Grundsätzlich mal: Wir MÖCHTEN keine Leistungen! Wir BRAUCHEN sie (weil es auch hier der Staat verkackt hat sich zu kümmern!) und wir haben verdammt und zugenäht EIN VON DER GESETZGEBUNG ZUGESICHERTES RECHT auf Leistungen dieser Art!!!
Wir kommen nicht; um um etwas zu bitten! Wir kommen um etwas einzufordern! Um etwas einzufordern, das uns zusteht und nur deshalb nicht an uns heran gereicht wird, weil man vorher überprüfen muss, ob die Forderung gerechtfertigt ist- so richtig echt und wirklich.
Und diese Überprüfung halte ich für grundsätzlich gerechtfertigt und okay. Und um diese Überprüfung zu erleichtern, wirke ich selbstverständlich so gut mit wie es mir nur irgendmöglich ist!

Allein die Sprache liess mir heute schon wieder die Galle den Hals hochkriechen. Was ist das für ein Ding, das es diesen Menschen erlaubt, mit Menschen, die ihre Rechte einfordern und entsprechende Anträge stellen, zu sprechen als wären sie ein elendiges Bettelpack?!
Ich sitze dort und fühle in meinem Anliegen impliziert, dass ich mir etwas unerlaubt nehmen will, weil ich es einfach mal so möchte… wie man manchmal einfach ein Eis möchte, weil Sommer ist und es einfach erfrischend und nett wäre.
Ich komme aber dahin, hab fett zugeschwollenes Gesicht und brauche ein Eis, um etwas sehen zu können! Aber das muss ich erstmal beweisen…

Nun ja, nach etwa 23 Minuten brauchte ich das erste FishermensFriend. Es zeichnete sich ab, dass man doch mehr auf unsere Situation bezogen nachbohren musste.
Erst nach der vierten oder fünften Schleife, (ich habe eine echt tolle Anwältin, die hartnäckig ist und sich nicht einfach abspeisen lässt!) bemerkte die Frau dann auch endlich, dass sie sich selbst widersprach! Und bemerkte, dass sie uns leider keinen konkreten Laufzettel geben konnte.
Die Logik, dass wir erst Schutz bräuchten der garantiert ist, um eine Anzeige zu erstatten (um unserer Mitwirkungspflicht nachzukommen) war schon klar. Aber dass man diesen Schutz erst dann bekommt, wenn man eine Anzeige erstattet hat… irgendwie brauchte das eine eeeewige Schleife zu ihr hin.
(Da saß ich schon mit dem zweiten Fishermen im Mund, weil ich einen kurzen Anflug von Wahnsinn(sungeduld wegen Dummheit!) hatte.

Naja, das Gespräch endete mit dem Wissen, dass eine Gefährlichkeit des Täters nachgewiesen sein muss bzw. die Organisation als gefährlich bewertet sein muss, um sich eventuell vielleicht auf eine Ausnahmeregelung einzulassen… ganz objektiv natürlich. [Nein nein, man fängt nicht an in bestimmte Richtungen zu denken, wenn man an “organisiertes Verbrechen” denkt… nein nein.. Hollywood und Co kommen da natürlich NIE drin vor… und dafür gibts ja dann die Glaubwürdigkeitsgutachten…, welche, wie uns die Frau mit eindringlich mahnender Stimme mitteilte, sehr viel Geld kosten. Netterweise hat sie sogar noch genau gesagt, wieviel- so dass hier gleich wieder die “wir sind zuviel” Lampe aufblinkte. ]

Naja. Also: Nichts Neues für uns eigentlich.
Aber mir ist aufgefallen, wie wichtig die parteiische Vorinformation für uns gewesen ist. Alle Informationen rund um das Thema des OEG haben wir von der Opferhilfe, Frauenberatungsstellen, unserer Rechtsanwältin und anderen Betroffenen. Wäre dies ein erstes Informationsgespräch gewesen, hätten wir unser Ansinnen sofort und auf der Stelle zurückgezogen.
Wäre unsere Rechtsanwältin nicht so großartig renitent und professionell dreist, hätte ich heute wohl wieder gelernt, dass Wahnsinn forciert und entsprechend genutzt wird.

Trotzdem bin ich wieder bei der Erkenntnis gelandet, dass es nichts Schlimmeres als den durch Erfahrung klugen und organisierten Täter gibt. Er nutzt die Lücken des Systems und kann sich darauf verlassen damit durchzukommen.
Der Gedanke, dass es angesichts der, im Jahre 2007 von der polizeilichen Kriminalstatistik  angegebenen, 11.357 Fälle von Kinderfolterdokumentationsprodukten (infamerweise nachwievor “Kinderpornographie” genannt und damit Kinder als bezahlte Schauspieler darstellend!!!), auch Opfer geben muss, ist noch nicht angekommen. Ganz offensichtlich nicht. Dass es das gibt- dass die Existenz dessen endlich anerkannt ist… darüber dürfen wir Opfer uns heute freuen! Und darüber freue ich mich auch- ganz ehrlich!
Ich freue mich aber vorallem deshalb darüber, weil ich so diesen Kampf um die Existenz dessen nicht auch noch zu führen brauche.

Dass ich nur beweisen muss, wirklich deshalb ein so verdammt beschissen schweres; verkrüppelnd anstrengendes Leben führe, weil jemand mich zerstört hat und nicht, weil ich so geboren wurde.

Das ist so krass, dass ich mich nicht etwa frage: “Schaffen wir es genug vernünftige Aussagen zu erlebter Gewalt zu machen?”, sondern: “Haben wir genug positive Ressourcen, um uns von dieser tiefen Bitterkeit zu erholen, die uns nun immer wieder und wieder begegnen wird?”.

Heute hatten wir sie noch nicht.
Heute mussten wir diese Bitterkeit rausschwemmen.

Aber es gibt ja noch viele viele Morgens …