kurzes Zurück

Ich war und bin eigentlich ganz zufrieden mit 2013

Da wir schon einen Jahresrückblick hatten, dachte ich, ich mache einen 4 Monatsrückblick. Ist ja doch ein bisschen was gewesen.
Aaaalso…

Wir hatten die Bundestagswahl und ich war eine von denen, die doch irgendwie auf rot-rot-grün gehofft hatten (jaja- ich bin noch unter 30- mir darf so ein Schnulzirren wohl noch verziehen werden). Dann die GroKo und der grandiose Ausverkauf der Sozialdemokratie- wir dürfen gespannt sein, wie das wird.
Fürs Erste habe ich mir jede Menge Taschentücher und Archivierungsmaterial gekauft, um eventuellvielleicht kommenden Generationen zu zeigen, was wir “vorher” hatten und, was sie sich wohl gar nicht mehr zu träumen wagen.

Dann gabs das große Schweigen in meinem Kopf, das bis heute seine Wellen in Sprechausfällen und Sprachverwirrungen hat. Für jemanden, der sich vorgenommen hat ein Buch zu schreiben und seinen Blog irgendwie zu betreiben, der Flug auf die Nase, der echt nicht zu gebrauchen ist.

Der Fotoblog “Einfach mal angucken” wurde gestartet. Hab ich dann im November irgendwann auch gemerkt. Nun denn- es hätte ja auch schlimmer sein können.
Im November sind wir auch zum ersten Mal geflogen. Ins Ausland. Wo es fremdes Geld gibt. Und wo es uns gut gefallen hat, obwohl wir auch unfassbar viel Angst hatten. Wovon wir in vielen Artikeln schreiben mussten.

Sich davon zu erholen war nicht so recht möglich, weil medizinische Problematiken, soziale Be-zieh-zerr-reiß-ruck-knäul-ungen, therapeutische FortRückNebenDurcheinanderschritte, das erste Konzert, Phönix und sonstige Hochzeiten, die wir unbedingt mitnehmen mussten, uns einspann(t)en.

Am Ende stehen abgeschnittene Haare:   IMG_20131212_212116
und ein nagendes Kreisen aus Weglaufen, Angst, Erinnern, Regression, Oppression, Depression und (Auto-)Aggression.

Ich sehe, dass wir uns kaputt kämpfen. Vielleicht, weil wir im ersten Teil des Jahres so viel geschafft haben, als wir unsere eigenen Grenzen niederkämpften und mal die Nase in greifbare Möglichkeitenwunderländer steckten.

Jetzt gibts den Backlash. Die Quittung. Das Pfandflaschensammeln, weils zu viel frisches Obst gab.
Aber es geht weiter.

Hoffnung pflücken können wir.
Immerhin haben wir davon sehr viel gesäht und gedüngt bekommen in 2013.

 

zum Abschluss ein bisschen Musik

unspeakable inhumanity ~ strukturelle Gewalt

OLYMPUS DIGITAL CAMERAda war sie wieder: die Begrifflichkeit „unspeakable inhumanity“
Ich kenne sie. Nutze sie aber nicht. Zumindest nicht so.
Als ich mich mit dem Überleben und den Überlebenden der Shoa auseinandersetzte und dann irgendwann bei einem der vielen amerikanischen „researchprojects“ wiederfand, stolperte ich auch schon über diese Formulierung.

Diese Begrifflichkeit verbindet zwei Dinge miteinander, die im großen Rhizom um die Fragestellungen, die Gewalt an uns als Menschheit stellt, immer wieder auftauchen.
Zum einen die Frage nach der eigenen Menschlichkeit-der Menschlichkeit als solcher, die, meiner Meinung nach, noch immer nicht klar definiert ist und zum Anderen, die nach der Sprache und ihrem Fassungsvermögen, als Transportmittel zum Begreifen innerhalb menschlicher Fähigkeiten zu ebenjenem.

Gäbe es so etwas, wie „unspeakable inhumanity“, wüssten wir* nichts davon, denn Unsagbares, kann nicht vermittelt werden.
Gäbe es so etwas, wie „inhumanity“ also Unmenschlichkeit, als Option eines direkten Handelns als Mensch, dann müssten wir Menschen entweder unsere Selbstbezeichnung verändern, oder anerkennen, dass wir uns eigenständig aus unserer genetischen Struktur herausbegeben können, wie transmorphe Fabelwesen, denn Menschen sind immer Menschen- egal, was sie tun.

Trotzdem transportiert dieses Wortpaar etwas.
 In meinen Augen ist es der Versuch eine überfordernde Kraft oder Macht zu beschreiben, die von Menschen ausgegangen ist oder ausgeht.
Obwohl alles Handeln von Menschen menschlich ist- also nur innerhalb menschlicher Fähigkeiten, passieren kann, ist es durchaus Teil menschlicher Fähigkeit, zu abstrahieren und zu diffundieren, wie auch die Fähigkeit zu transponieren und zu assoziieren. So werden zum Beispiel aus „Tante Ilse und Onkel Kurt“ in einem anderen Kontext zu „Kundennummer 1 bzw. 2“.
Diese Leistung erscheint vielleicht nicht besonders groß, da die Inhalte die an „Tante Ilse und Onkel Kurt“ gebunden sind, unbekannt sind. Dieser Umstand erleichtert das Abschneiden dieser Inhaltscluster, (wie es ja bereits die Begriffe: „Onkel“ und „Tante“ durch das Abschneiden ihrer Inhalte- nämlich die die Schwester oder der Bruder der eigenen Mutter/ des eigenen Vaters zu sein, tun).

Meiner Ansicht nach ist diese Leistung aber groß.
 In meinen Augen ist es eine Fähigkeit, die sich proportional zur Fähigkeit der Selbstversorgung eines Menschen bzw. seiner Machtrefugien verhält. Es ist nicht wichtig zu wissen, in welchen Verwandtschaftsverhältnis zum Beispiel Onkel und Tante tatsächlich zur eigenen Person stehen (ob sie an Mutter oder Vater gebunden sind), wenn weder Onkel noch Tante noch Mutter noch Vater gebraucht werden, um diese Menschen in meinem von mir zu definierenden Bereich zu positionieren.
Der Bereich über den ich als Person die Macht habe, braucht nur so viel, wie ich brauche, um ihn zu erhalten.

 Würde ich also ergo ein Geschäft leiten, wäre die Notwendigkeit eben nicht an Onkel und Tante, sondern an Kundschaft, die in Hoffnung auf ein nachvollziehbares (definierbares) Wachstum nummeriert wird.

Es gibt Machtbereiche in denen Namenlosigkeit eine Säule dieser Machtbereichssicherung darstellt.
Als Fragestellung bliebe hier, ob dies als Angriff auf die Identität dessen was mit einem Namen belegt sein könnte zu werten ist, oder es sich tatsächlich um ein System handelt in dem Selbstbild, Identität und Identifizierung aus der Position eines Namen/Identität zugestehenden Systems heraus, als solche schlicht nicht nötig/ gewollt und aktiv unterbunden ist.

An dieser Stelle ist das Konzept „Jobcenter“ für mich spannend, weil es die Frage nach demjenigen aufwirft, der Machtgewinne erfährt.
Die bedürftigen Menschen
– (im Staatsmachtsystem „BürgerInnen“ genannt (Inhaltscluster: muss sich an die Gesetze halten, die u. A. sagen: „Geh zum Jobcenter, wenn du kein Einkommen hast“- ergo bereits hier nicht als „Mensch“ anerkannt)-
werden zu KundInnen des Jobcenters
– (Inhaltscluster: KundInnennummer- (als Teil einer Statistik im weiteren Verlauf der Diffusion) und gleichzeitig VertragspartnerIn (seines/ihres Zeichens menschlich- denn mit Tieren/ Pflanzen werden keine Verträge geschlossen)- ist der Macht des Jobcenters* komplett unterworfen, da existenziell abhängig)

Die MitarbeiterInnen des Jobcenters
 – (im Staatsmachtsystem „BürgerInnen“ genannt (Inhaltscluster: muss sich an die Gesetze halten, die u. A. sagen: „Wenn du arbeitest, hast du dich an deinen Arbeitsvertrag zu halten“)
werden zu SachbearbeiterInnen
– (Inhaltscluster: MitarbeiterInnennummer- (als Teil einer Statistik im weiteren Verlauf der Diffusion) und gleichzeitig
VertragsvermittlerInnen zwischen „dem Jobcenter*“ und den KundInnen, die im Laufe der Jahre an ihnen vorüberziehen – dem Jobcenter* in sofern unterworfen, als dass die Arbeit und damit das Mittel zur Sicherung der eigenen Existenz durch den Arbeitsvertragspartner definiert wird)

In Anbetracht der Tatsache, dass als MachthaberIn hier allein ein Name (Jobcenter*) auftaucht, sollte die Frage nach der Menschlichkeit des Systems „Jobcenter“ hinreichend geklärt sein.
 Nun mag der berechtigte Einwurf kommen, dass es sich bei der Agentur für Arbeit (Jobcenter*) um ein ausführendes Organ handelt- es bleibt dennoch ein System, das von vornherein, nicht als Mensch vor einem Menschen auftaucht und sich eben darum auch die Verunmenschlichung von BürgerInnen, die- fern aller Machtbereiche- Menschen sind, erlauben darf, was wiederum, meiner Meinung nach, etwas ist, das der Staat, der sich als solcher verpflichtet hat, die Menschen als solche zu schützen (vor eben jenem Umgang als Nichtmensch), als Aufgabe zur Durchsetzung im Grundgesetz stehen hat.

Was hier als strukturelle Gewalt (Unterwerfung/ Ausgrenzung/ Dominanz mittels eines verunmenschlichenden Systems) bezeichnet wird, ist gleichsam als „inhumanity“ betrachtbar, da es sich um ein System handelt, das als System (Nichtmensch) nur unmenschlich auftreten kann.

Dies als Faktum akzeptierend sollte nun verdeutlichen, dass alles Einfordern einer Menschlichkeit- gar die Gewährung diverser Menschenrechte gerichtet an „das Jobcenter*“/ „die Krankenkasse*“/ „die PolitikerInnen*“ sinnlos ist und niemals zu Erfolg führen kann.
Es ist eine Forderung, die an eine vom Staat wegdiffundierte Verantwortung gerichtet ist, welche wiederum in sich ein Produkt aus Sicherungsgier und Gewaltexistenz ist.

Diese Problemstellung ist transponierbar.
Am Ende steht, dass es Unmenschlichkeit nicht gibt, nur unmenschliche Systeme, die von Menschen gemacht sind, die alle Gewalten in ihrem Leben internalisieren, auf ihr Leben transponieren, alle Werte, die ihr System nicht braucht, abschneiden und anderen Menschen oktruieren oder sie dazu bringen, davon zu profitieren (sie in eine Mitverantwortung zu bringen).

Fortsetzung folgt

die * stehen hier für all Variablen, die durch die Eingrenzung mittels Artikel vor dem Wort abgeschnitten werden bzw. beim „wir“ als „wir als Menschheit mit allen Facetten“

 

Es ist leben

Nebelweg2 Ich wartete auf den Moment, in dem die Worte weg sein würden und lief an ihrer Seite durch den Nieselregen.
Die Feuchtigkeit ließ unsere Haare Kringel schlagen und trug mir die Laute aus dem Mund, wie eine Quelle den Bachlauf.

“Ich bin nicht stark.”, sagte ich und die Hitze meiner Scham stieg hinter meine Augen, als hätte ich ein Geheimnis- eine Wahrheit tief aus mir heraus gestanden.
Mein Blick hielt sich an ihren Schuhen fest. “Es ist nur… überlebt. Nur über etwas drüber gelebt. Das ist nur leben.”.

Ich versuchte am Himmel vorbei ins Universum zu schauen. Zu sehen, ob etwas auf mich schaut. Vielleicht böse oder mahnend.
Doch außer dichten, vom kreischenden Licht der Welt, angestrahlten Wolken, war nichts zu sehen.
“Ich habe nichts dafür getan zu leben. Das ist einfach passiert. Ich lebe einfach nur. Die ganze Zeit.”. Ich schaute zu ihr und streifte ihre Augen, um an den kleinen Tropfen auf ihrem Mützenrand auszuharren. Beobachtete vom Rand meiner Iris aus, wie meine Worte in sie hineinfielen.

“Manche Menschen verwechseln die Wucht dessen, was wir erlebt haben, mit dem, was nötig ist, um übrig zu sein.”. Ich spürte, wie mich ihr Sein aufspreizte und wie auf einen weißglühenden Draht gezogen, die Luft anhalten ließ. “Verstehst du das?”.

Sie runzelte die Stirn und zog ihr Gesicht zurück, so dass es fast gänzlich hinter ihrem Schal verschwand.

“Da ist dieses Denken, dass man gegen alles kämpfen kann, wenn man nur will oder muss. Als wäre es ein Kampf zu leben.”. Ich sehe sie aus ihrem Gefängnis heraus über den Boden schauen. Sehe wie ihre Finger nach Moos tasten, um Feuchtigkeit herauszudrücken.
“Der eigentliche Kampf ist aber, bewusst zu kriegen, dass man noch nicht tot ist.”.

Die Gemögte hielt uns ihre Hand hin und ließ sie sinken, als sie keine Anstalten machte, danach zu greifen.

“Alles, was dann kommt ist leben auf die Art, wie es dann gerade geht. Mit allem was übrig ist. Von einem selbst und dem was man im Außen findet.”, sie streichelte NakNak*s Halskrause und gab ihr ein Stück Käse. Ich fühlte ihren Durst. Spürte, wie ein Etwas beiläufig die Tropfen aus NakNak*s Fell von den Fingerspitzen aufnahm.

Ich drehte mich zu ihr und versuchte im Dunkel zu sehen, wie es ihr ging.
”Es ist nicht fair…”, sagte sie tapfer erstickend, was in ihr wallte und sich an mir brach.

“Es ist das Leben.”, antwortete, was mich zerriss und mit dem Dunst des Dezemberabends verschmelzen ließ.

Protipp: keine Packungsbeilage!

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oder besser gesagt: Packungsbeilagen nur dann lesen, wenn noch jemand da ist, der eventuelle Paniken niederquatscht.
Ich hab meine Packungsbeilage alleine gelesen und jetzt arbeite ich darauf hin, dass meine Stifte alle werden…
morgens früh um 04.16 Uhr
während ich mir frische innere Gärten pflanze, warme Lichter über den Kopf schütte und ab und zu vom Hund die Wange abschlecken lasse.

Ich bin wütend auf mich.
Ich hätte das nicht lesen sollen.
Es macht mich wütend auf die Neurologin, weil sie viele Dinge, die da drin als Risikofaktoren stehen, a) gar nicht wissen kann und b) auch gar nicht abgefragt hat und es macht mich wütend auf die Hersteller, die dort unlogische Angaben machen, ohne jeden Referenzpunkt. Zum Beispiel ist es dumm, in den Beipackzettel reinzuschreiben, man solle unbedingt und sofort einen Arzt anrufen, wenn man sich müde und schläfrig fühlt, wenn es sich um ein Beruhigungsmittel handelt.

Ich will nachts keine Zendoodles malen und auch keine scheiß Pelikane falten und mir auch nicht den millionsten beschissenen Kackgarten überlegen.
Schlafen wär schön. Muss ja nicht mal gut sein. Oder lange. Oder mit einem schönen Traum.
Aber ne Pause wär gut.

Urlaub.
Ne ganze Packung voll Urlaub.

Mit ohne Packungsbeilage.
Damit ich gar nicht erst in Versuchung komme.

das Tanzen, der Stein und das Stehenbleiben

P1010016 Ich merkte nicht, oder vielleicht habe ich es vergessen?, dass ich tanzte.

Reflexhaft, wie sich all meine Ängste einfach so an- und ausschalten, auf den Kraterrand stieg und mit geschlossenen Augen einem Sog folgte, der mich fortträgt.

Mit ihren Worten warf die Therapeutin einen Stein an die Stirn, wo er ein Loch schlug und die Botschaft hineintropfen ließ:
”Sie wissen, dass Sie schwer missbraucht wurden…”

Ich griff mir über meine Augen. Statt einem Ausruf des Schmerzes griff mein Tanzreflex. Quoll ein “Nein!” heraus und schwamm an mir vorbei in den Raum hinein.

Wir sprachen über die Möglichkeit von Hirntumoren und Facetten des Wahnsinns. Dankbar ließ ich mich wie einen angestoßenen Kreisel ausdrehen und glitt über das neue Gefühl der Ruhe. Nicht herablassend: “Ach- jetzt das schon wieder.” Nicht ungeduldig: “Wann begreift sie das endlich?” Nicht ärgerlich: “Was soll das denn jetzt?”

Dieses Gefühl einen Raum voll Ruhe zu haben, in dem es und ES und alles und ALLES so okay ist, wie es ist. In dem ich atmen darf. Mit meinem Kreisen “Aua!” sagen kann.

Meine Tänze sind Kult und Beschwörung, Verschwinde- und Wohlbefindenszauber.
Es geht um Leichtigkeit und eine Realität, die nicht schmerzt. Sie hat nichts mit einer Schwäche zu tun, die durch andere verursacht ist, sondern nur durch (körper)eigene Beschaffenheiten. Ich bin das Problem. Mein Kopf, meine Biologie, mein Verhalten, mein Sein.

Ein bewegliches Ziel ist nicht so leicht von Steinen zu treffen.
Ein bewegliches Ziel wird nicht oft getroffen.

Meine Hornhaut ist an den Füßen entwickelt. Ich kann auf jedem Pflaster tanzen.
Mein Schutzpanzer ist auf dem Rücken. Selbst wenn mich jemand aufs Kreuz legt, passiert mir nichts.

“Dir passiert nichts”, hatte sie in ihrer festen Art gesagt.
Als ich abends auf dem Bett lag, an die Decke starrte und dem Gefühl auf dem ich aus dem Raum geschwebt war, nachspürte, dachte ich, dass ich eine Idee davon bekomme, was sie damit gemeint hatte.

Ich stieß den Stein nicht wieder weg.
Das passiert nicht, wenn man stehen bleibt und Mut sammelt, um ihn sich anzugucken.

Konsultation

„Ich schaffe es nicht, mich um einen Klinikplatz zu bemühen“

„Stimmt- sie schafft es nicht, sich aufzureiben. Wissen sie- wir reiben uns täglich an ihr auf. Sie bezeichnet uns als Schleifpapier um ihre Seele herum. Sie ist so schwach- hält nichts aus. Sehen sie das hier- gucken sie mal hier: bis hierhin schaffe ich das!“, sie hält das Gedärm, das ihr aus dem Bauch heraushängt vor die Rückseite der Iris, als könnte die Neurologin sie sehen.

„Eigentlich hab ich grad erst das Gefühl da in der Therapie atmen zu können. Also zu dürfen.“ Sie runzelt die Stirn, „Ich hab mich nach der letzten Stunde nicht wie eine Versagerin gefühlt. Es ging mir okay- ich … also…“

„Uh ja wissen Sie, die Psychenserin hätte ja auch ihre Hand für andere Gesten- vielleicht in Richtung daherquakende Fresse- benutzen können. Für dies Muckschi hier ist das so Husch to Husch- sie wissen schon. Ich fänds ja besser wenn ihr endlich mal einer eine reinhaut.“, sie haut mit ihrer Faust auf ihre Handinnenfläche. Das Blut darin verursacht ein schmatzendes Geräusch. 

„Ich glaube, ich werde psychotisch. Irgendwie ist das so der Punkt, glaube ich, an dem irgendwie etwas durchdreht. Da will ich nicht in einem Krankenhaus sein, wo sie mich behalten könnten.“.
– „Wieso glauben Sie das?“, die Neurologin guckt sie an. Legt den Kopf etwas schief.
„Ich sehe dauernd eine Hand, die auf mich zukommt und…“, sie macht eine Bewegung mit der eigenen Hand und verschluckt den Rest des Satzes. Spürt die Hand um ihren Hals.
– „Das sind Erinnerungsbilder…“

„Jaaaahaaaaahahahahahahahahahaaaaaa Erinnerungsbilder, hm klar
KLAAAAAharrrharrharrr
EKT bitte. Jetzt. Für sie Frau Fachfrau- ich such mir jemand, der diese Lügenscheiße nicht weiter verbreitet“, sie versucht nach der Haut der anderen zu greifen.
Ein Paar Arme legt sich um ihren Oberkörper und hebt sie hoch. „Ich glaub nicht, dass das Lügenscheiße ist. Und ich glaube by the way auch nicht, dass dein Geschrei hilfreich ist. Für dich vielleicht- aber nicht für uns und sie.“. Sie trägt das keifende Bündel mit sich in fernere Tiefen.

„Ich nehme das ernst, wenn sie sagen, dass sie sich psychosenah fühlen. Es gibt ein Medikament, das diese Grenze stärken kann. Es ist ein mittelpotentes Neuroleptikum“. Sie schauen sich an. Sie antwortet: „Eine der häufigsten Nebenwirkungen von Neuroleptika sind Halluzinationen.“.

„Genau. Dazu kommen Nervenzellensterben, ungeklärte Wirkungsweise, krasse Nebenwirkungen und ganz eigentlich brauchst du nicht das, sondern nur Mut. Du musst mutiger sein. Ich verstehe nicht, wieso du so ein Hasenherz bist. Echt nicht. Dir passiert doch nichts. Dir ist noch nie was passiert.“, sie sitzt mit dem Rücken an sie gelehnt und dreht Haare um ihren Zeigefinger.

„Ich kann nicht abgeschossen draußen herumlaufen.“, sie denkt an ihre Therapeutin und daran, dass sie von einmal Umknicken und im Graben liegen bei nächtlichen Minusgraden gesprochen hat. „Und andere Nebenwirkungen?“.

„Nope- ich werd auf gar keinen Fall jemanden bitten, bei uns zu schlafen oder uns bei ihnen schlafen zu lassen um das zu testen. Hallo? Nee! Vergiss es- wir sind groß und außerdem- ich sag dir das noch mal- das ist nicht, was wir brauchen. Du musst mutiger sein und das jetzt hier einfach auch mal mit uns durchgehen. Das ist „Erinnern“- mit den Pillen machst du „Leiden“… oder naja- besser gesagt: „Krankheit“ daraus.
Die ganze Nummer hier ist Absicherung von der Therapeutin und Vermeidungstanz von dir. An der Stelle ergänzt ihr euch echt perfekt.“, sie knufft sie sachte in die Seite und lacht.

„Bei dissoziativen Störungen kann man es nie so genau sagen. Es gibt Nebenwirkungen und paradoxe Wirkungen. Das muss man dann sehen.“, sie schaut sie an. Weiß vermutlich, dass eigentlich auch nichts mehr gesagt werden muss. Es ist immer das Gleiche, wenn sie miteinander über Medikamente sprechen. „Wollen Sie es versuchen?“.
Sie nickt
.

„Ey- Hallo?!“, sie steht auf, tritt in ihr Ohr, in ihr Denken hinein und fragt, ob sie noch alle Schweine im Rennen hat.

Aus dem Off quillt ätzendes Lachen und frisst sich die Beine herunterrinnend durch die Haut.

negativhimmel

20 Jahre Tag der Menschenrechte

EN_horizontal Heute ist Tag der Menschenrechte.

Nach 20 Jahren der Bemühungen der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen gibt es heute eine Timeline zum Nachlesen (englisch).

Gute Idee- mitreißende Entwicklungen, die bestärken am Ball zu bleiben.

Gerade jetzt, wo die Grundrechte in Deutschland gegen Wirtschaftsinteressen aufgewogen werden und ein Menschenleben nur noch so viel zu zählen scheint, wie das Geld, das es einbringt.
Es ist wichtig zu wissen, dass auch wir hier in unseren westlichen Breiten mit Formen der Unterdrückung konfrontiert sind, obwohl wir (formal) in demokratische Strukturen eingebunden sind.
Allein die Verstöße gegen die Behindertenrechtskonvention (Beispiel), die Mängel in Sachen Folter und ihrer Prävention hier in Deutschland (Haasenburg und Co.) genauso, wie die offene Diskriminierung für Menschen die gleichgeschlechtlich lieben und leben (YouTubeVideo Wahlkampfarena mit Angela Merkel), zeigen uns, dass die Abwesenheit von Hinrichtungsstrafen und politischer Diktatur mit all ihren Begleiterscheinungen allein, nicht von Bedrohungen für unsere Menschenrechte frei hält.

die Eine und das Andere

Ich habs gelesen.

Hab gelesen, dass der Satz noch da ist.
Verstehe das Betteln- dieses furchtbar drängende

irgendwie unersättlich hungernde
Betteln um Gewalt und Demütigung
in meinem Kopf

noch einmal mehr

Sehe, wie die Eine mit einem Lächeln den Chat beendet
eine Andere telefoniert
mitten in der Nacht

das Bild im rechten Augenwinkel mit einem Blick durch zusammengefaltete Lider wegwischt

und die Wohnung verlässt

„Ich übernehme Verantwortung für das hier“ auf einen Zettel schreibt und grimmend von sich schiebt

das Betteln unterbrechen lässt

zurück geht

die Sachen von sich schmeißt

vor dem Spiegel steht, um mich anzugucken

ausspuckt

dem Rinnen nachspürt

schreibt: „Frag sie, ob sie schon mal über die Ver_antwort_ung nachgedacht hat“

sich kopfüber in sich fallen

und mich aus dem Speichelfaden, der am Spiegel herunterläuft, kriechen lässt

am Morgen danach

in ein Leben, dass gerade nichts Anderes tut
als den Satz anzuschalten,
das Betteln lauter zu drehen
und sie anzutreiben die Verantwortung zu übernehmen

die übrig bleibt
wenn keine andere Hand mehr frei ist

Nachts
wenn HeldInnen keine Masken tragen
wenn Neid unnötig ist
wenn Bewunderung dumm ist
wenn es nichts weiter gibt, als einen Menschen, dem es nicht gut geht

kleinerTod

 

the Piano Guys in Düsseldorf- ein Fangirlbericht

Sie beginnen als “ two middleaged Dads, with a piano and a cello“ und landen direkt am Nerv vieler Menschen.

Neugierig, kreativ, leidenschaftlich, sensibel und Note für Note glühend: the Piano Guys.

Man muss weder Cello noch Piano als top of all instruments bei der Lieblingsmusik haben, um diese beiden virtuosen Musiker gern spielen zu hören.
Ihre harmonischen Ensembles und die in Haut, Haar und jede andere Zelle im Körper übergehende Rhythmen, lassen kaum Platz für Ablehnung.

Am Samstag den 7.12. 2013, spielten der Sohn deutscher Immigranten, Jon Schmidt und Steven Sharp Nelson, ein Pionier des „cello percussion“ und allgemeines Multitalent in „Ich spiele Cello, Footdrum und hier habe ich noch ein paar andere Knöpfe…“ im Düsseldorfer Robert Schuhmann Saal.

Es ist mein erstes Konzert überhaupt gewesen und ich denke, dass es besser hätte gar nicht sein können. (Obwohl doch- immer hin hätte ich ja auch einfach ein paar Reihen nach vorn gehen können und mit ihnen abklatschen können- so von Spinner zu Spinnerin).

Zu Beginn spielten sie Kommentare von YouTube-UserInnen zu ihren Videos ein, was mich sehr berührt hat.
Sie begannen ihre Karriere dort und hätten ohne die vielen Likes und Videosshares nicht so schnell mal eben ein Piano auf die große chinesische Mauer stellen lassen können, um ein Stück wie „Kung-Fu-Piano“ zu spielen- ein Stück über das zu hören ich mich sehr gefreut habe, weil die GEMA (YouTube’s zuverlässigster Spaßkiller- dicht gefolgt von Datenkrake Google), die Verlagsrechte für Deutschland nicht eingeräumt hat und deutsche Fans des Duos vor krisselndem Bildschirm hocken müssen.
Unter den Kommentaren waren Sätze wie: „Believe in humanity- restored“; „Your music helps me, to become a better man“; „ice cream to my tears“.
Ich hätte gleich losheulen können- sind das doch genau die Art Komplimentkommentare, die mir verschämt sachte per Email seit über einem Jahr WordPress-Bloggen angereicht werden und mir gleichsam immer wieder neu das Gefühl geben: „Ja, was ich hier tue gefällt nicht nur mir.“; doch die Guys begannen sofort mit „Rolling in the deep“ und glitten in einen anderen Popsong, der mir nicht mehr einfällt, aber nahtlos im Fluss der Melodie lag.

Das Tempo blieb insgesamt im oberen Bereich, was die beiden mit technischer Perfektion und Herzblut scheinbar mühelos halten konnten.
Mühelos, erschien so vieles.
Immer wieder sprenkelten die beiden Showelemente ein. Ob Jon mit seinem Restdeutsch oder im Wechsel mit Steven, die kleinen Sprüche zum Thema „Wieso heißen sie Piano Guys, wenn ein Cellist dabei ist?!“.
Kleine Improvisationseinlagen- unter anderem eine sehr lustige Darstellung der Eintönigkeit der Celloline in Pachebels Canon D und eine kleine Transponierungsreise rund um den Globus.

thePianoGuysDass man auch als Pianist mit dem Hintern wackeln und ach überhaupt sehr körperlich werden kann, bewies der Tastenklopper Jon eindrucksvoll, was ihm ein johlendes Publikum dankte.
Apropos Körperlichkeit und Instrument- wer sich fragt was man alles Coolgeniales mit seinem Instrument anstellen könnte, kann sich die zwei ruhig mal anschauen.
Von Stevens Percussions zu Jons Klavierspiel mit Fuß, Unterarmen, Kopf… (welche Gliedmaßen hatte er noch auf der Klaviatur…?)- alles ist möglich!

Und, dass neben allem, was die beiden alleine machen, zusammen mit ihrem Songwriter und Songproducer Al van der Beek und ihrem Produzenten, der auch die Videos für die beiden macht, noch sehr viel mehr gehen kann, durfte das restlos begeisterte Publikum auch noch erleben.
Sie spielten zwei Stücke zusammen „am Klavier“- auf PianoGuy- Art unter anderem und als Zugabe „Angels we have heard on high“:

Es war ein superklasseobertollfeingrandioswundergutes YEAH!- Konzert, das mich mit einem Ohrwurm und hopsendem Innenleben hinausschweben ließ.

(Als Edit: Die Musiker sind Mormonen- ich mag die Musik und die Lebensfreude die ihre Musik transportiert, teile aber nicht ihre religiösen Intensionen.).