Paula Puzzlestücke und Riotmango haben zu Pseudo- Konsumkritik gerantschrieben und ich dachte einmal mehr darüber nach, was das Problem an Konsumkritik ist.
Selbst kritisiere ich weniger Konsum, als die Notwendigkeit bzw. die Unmöglichkeit von Nichtkonsum. Und vor allem- hey warum wird der Konsum kritisiert und nicht, was Konsum mit sich bringt und What about the capitalism?!
Für mich besteht das Problem „Konsum“ weniger in den Produkten, als in dem Kapital, das damit bewegt wird.
Natürlich bedeutet “mehr” von etwas immer “mehr”: Mehr Auswahl, mehr Müll, mehr Umweltbelastung, mehr Vielfalt, mehr Freude, mehr Möglichkeit, mehr Erbe an die nächste Generation – aber eben auch mehr Druck, diesen Status zu halten und auszubauen. Wo immer mehr ist, da wird auch immer mehr erwartet und je mehr Erwartung herrscht, desto größter ist die “Gefahr” der Enttäuschung.
Das Problem: das kapitalistische “Mehr” interessiert nur deshalb, was “weniger” ist, damit es sich anpassen und dann weiter ver-mehren kann.
Auch deshalb ist Verzicht in Gesellschaften, die auf Kapital beruhen, dieses sowohl in ihren Gütern als auch in sich selbst und ihren Fertig- und Fähigkeiten sehen und einzig damit wirtschaften, keine “gelebte Konsumkritik” sondern einzig eine Herausforderung, die sich maximal zu einer Stasis entwickeln kann- nicht aber zu einer Veränderung führen.
Ich bin nicht böse, wenn ich schreibe: Einzig, weil mehr gehen soll, wird sich aktuell auch auf Menschen die behindert werden und/oder chronisch krank sind und auch auf Menschen, die mit 67 Jahren noch kräftig und motiviert genug sind, konzentriert. Einzig das kapitalistische Interesse steht hinter Inklusionsdebatten und scheitert immer wieder grandios an genau der Stelle, an der klar wird: “Oh, wären da nicht diese und jene kapitalistisch begründeten Barrieren allein, dann lebten wir schon längst (wieder) inklusiv(er)”.
Kapitalismus ist nicht reflektiv- er ist einzig aussendend und sich seine Bahnen suchend (und Dank kapitalistisch sozialisierter Gesellschaften: auch immer wieder findend).
Ich habe einmal darüber nachgedacht, ob ich in der Schule jemals überhaupt andere Wirtschaftssysteme als die des Kapitalismus gelernt habe. Natürlich habe ich etwas über Tauschkultur und Selbstversorgung gelernt, habe aber auch schnell die Grenzen dieser Systeme begriffen. Sie funktionieren nur in kleinem Kreis, weil sie Entwicklungen entschleunigen und sehr viel mehr äußeren (unkontrollierbaren) Bedingungen unterworfen sind.
Einmal wollte ich gerne in die Gemeinschaft der Selbstversorgenden hineingehen und merkte aber schnell: Meine Krankheit* würde mich in Gemeinschaften zu einem Mitglied werden lassen, das öfter mitgetragen werden muss. Ein Umstand, der für mich mit Abhängigkeiten und damit Unfreiheit, gleich der, die ich in kapitalistischen Systemen lebe, einhergeht.
Allein mich selbst versorgend, würde ich spätestens im Winter oder Frühling abkacken und in der Folge nicht einmal mehr die Aussaat für die Sommerernten schaffen.
Das sagt mir: Menschen brauchen Solidargemeinschaften (was für mich persönlich den Begriff von „Familie“ übrigens auch noch einmal umgemodelt hat).
Solidarität ist allerdings ein Privileg, das nicht auf Zwang oder Notwendigkeit hin entsteht, sondern, weil man es sich leisten kann.
Leisten kann man sich in unseren bestehenden Gesellschaftssystemen immer erst dann etwas, wenn man ein Etwas oder ein Jemand ist (bzw. verkaufen kann oder könnte). Ergo inkludiert, in Lohnarbeit oder wirtschaftlicher Selbstständigkeit oder mindestens in Besitz von Fähig- und Fertigkeiten, die für egal welches System von Nutzen ist.
Das heißt, dass auch Solidargemeinschaften, die sich weit weit weit am Rand der Gesellschaft bewegen, immer doch an irgendeiner Stelle auf diesem Privileg basieren, dass sich mindestens eine Person in ihr immer noch anders entscheiden kann.
Es ist ein dem Kapitalismus verschuldetes Privileg auch auf den Kapitalismus verzichten zu können.
Die VerliererInnen* im Kapitalismus sind in aller Regel die GewinnerInnen* der Solidargemeinschaften, weil sie dort nur gewinnen können. Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Und wo alles etwas ist, da gelten andere Maßstäbe für die Begriffe “viel” oder “wenig”. Da ist das eigene Dasein, die eigene Präsenz etwas, das irrelevant für den Rest der Welt sein mag, doch gut, nahrhaft, wertig für die Gruppe, ihre Normen, Werte, ihre Kultur und damit ein Grundstoff, für den der Kapitalismus bis heute kein Substitut hat erfinden können.
Ich denke, dass es sich noch immer zu leicht gemacht wird und nur allzu gern letztlich doch der Kapitalismus das genutzte System ist, wenn es darum geht Dinge zu verändern, oder “kritisch” zu konsumieren.
Der Vegan- Bio- Ökoboom im Supermarkt ist ein Paradebeispiel. Dem folgen Fair Trade Kaffee und Schokolade und Biobaumwollshirts im Discounter, sowie Ökotrockenfutter für Heimtiere.
Man will weder giftverseuchte Kleidung, noch Hungerlöhne für die ProduzentInnen* bzw. LieferantInnen*, also kauft man etwas anderes oder verzichtet auf das Eine, um dann zum Anderen zu greifen. Die Frage, ob man als KonsumentIn*, der/die/* man nun einmal ist, weil man nun mal nicht mehr so lebt, als das man sich alles selbst machen und in Stand halten kann, überhaupt in der Position ist, die Dinge durch sein (Kauf)Verhalten zu verändern, kommt noch immer viel zu selten auf.
Wir leben derzeit in einem so ekelhaften Tauschsystem, das vielleicht auch gar nicht bewusst sein darf.
Jede/r* von uns ist KonsumentIn* und ProduzentIn* in einem und so bald die Fähigkeiten zur Produktion wegfallen, wird man selbst zum Werkstück, das verbessert und/ oder moduliert werden muss. “Lohnt” alles das nicht mehr, wird man zum Objekt der Pflegearbeit. Konsumieren tun wir aber alle und zwar die ganze Zeit und inzwischen über den ganzen Planeten verteilt. Wir tauschen permanent Fähigkeit und Existenz gegen Produkt und Status.
Moral und menschlicher Wert wird synonym mit Prüderie (Abwesenheit von Lust und Freude) und Zwang gedacht, was als verpönt gilt, obwohl auch das Leben ohne lebensbestimmende Moral seine gesellschaftlichen Zwänge produziert, die einzig über Konsum lösbar sind.
Die Lust unserer Kultur liegt im Wissen um Sicherheiten und direkt hinterdrein das allgemeine Wohlgefühl, das “satt”, “warm”, “allgemein angenehm” eben mit sich bringt.
Konsumkritik allein ist dumm und wie Paula schon schrieb: verkürzt.
Meiner Meinung nach, befindet sich der weiße Konsum an einem Punkt, an dem er sich alle, die er zuvor noch nicht vereinnahmt hat, jetzt fressen will, weil er denkt, er müsse dies tun.
Das beginnt bei dieser durchsichtigen Verwertungsinklusion und endet vermutlich noch lange nicht bei dem Unterricht in Kapitalismus für Menschen in so genannten “armen Ländern” in “unteren Schichten”, denn nichts anderes tut die sogenannte “wirtschaftliche Entwicklungshilfe” verschiedener weißer Hilfsorganisationen in Ländern wie zum Beispiel Indien, Indonesien, verschiedenen afrikanischen Staaten.
Kapitalismus kann und darf nicht denken: “So, jetzt haben wir genug.” Kapitalismus bedeutet “Hunger” und hat er früher einmal vielleicht tatsächlich Bäuche mit Nahrung gefüllt und füllt er heute vorrangig machtgierig aufgerissene Egos von eigentlich längst Satten.
Meiner Meinung nach, ist es wichtig sich klar zu machen, dass dieses gefräßige Monstrum genug gefressen hat und jemanden wie mich nicht haben muss, nur weil es jemanden, wie mich will.
Ich bin mit meinen Unfähigkeiten jetzt schon so lange so wertlos, so unverwertbar und einzig als Objekt nutzbar gewesen – es wird sich nichts verändern, wenn ich mich hergebe für etwas, von dem ich doch nichts habe. Und während ich das weiß und mich hoffentlich noch lange in klitzekleinen Solidargemeinschaften (und nicht zuletzt dem ,was wir hier als “sozial_staatliche Hilfe” bezeichnen) bewegen und halten kann/darf, bleibt vorerst nur zu hoffen, dass sich dieser Widerstand auch bei anderen Menschen in anderen Ländern, in anderen Kontexten, in anderen Gesellschaften regt und letztlich gewinnt.
Ich hoffe sehr, dass wir als Gesellschaft irgendwie und irgendwann an den Punkt kommen, an dem Dinge nicht erst dann wertvoll sind, wenn man sie reproduzieren und konsumieren kann, sondern, wenn sie schlicht da und nutzbar sind. An den Punkt an dem Menschenleben in ihrem Wert nicht an Status, Lebensumstand und Gestaltung gemessen werden, sondern vorrangig daran, was jeder einzelne Mensch in die Gemeinschaft einbringt, einfach weil es ihn gibt und, weil der Mensch tut, was er gut kann und auch können will.