hier

lilaHimmelSie umkreisen einander, wie Monde einen Planeten.

3 Wochen waren lang.
Die Entfernung unendlich.
Die Annäherung brennt und reißt. Wärmt und erweitert.

Sie tasten vorsichtig. Nehmen auch das zarteste Fühlen in sich auf, wie tief ausgetrocknete Erden.
Fluten sich zu Ertrinkenden in ihrem Durst nacheinander.

Es ist noch immer wieder neu, wenn jene, die gehen auch wiederkommen.
Dass ein Abschied nicht für immer sein könnte.

da

Federkunst1 So ein sachtes Brummen, nur wenige Zentimeter von meinem Hören entfernt, vielleicht ein- zwei Fingerdicken unter ihrer Haut.
Und ich bin los- aufgelöst gehalten.
Wir sitzen auf dem Boden. Vielleicht, weil Erwachsene einander eben nicht auf einem Stuhl richtig in die Arme, auf den Schoß, ineinander hineinfallen können.
Und ich spüre, wie meine Tränen versuchen zu erkalten und doch von der Haut unter ihrem Pulli immer wieder erwärmt werden.

Sie summt irgendwas.
Sie ist nicht musikalisch, sagt sie.
Meinem Hören ist das egal. Es lässt sich auf den Wellen in ihrem Brustraum treiben und meinen Rücken herunter tropfen.

“Ich hab auf dich gewartet.”
– “Ich weiß.”
“Ist das blöd?”
– “Nee.”

Mehr muss ich nicht wissen.
So ist gut.

Jetzt ist es gut.
Jetzt kann das mit dem neuen Jahr und dem Alltag und allem auch für mich losgehen.

slice of “Psychiatrie und Anderssein”

Abgeplatzt2Vorhin träumte ich von “Nur für drei Tage”, “Wo dir geholfen wird”… von der Lüge, dem Verrat, dem Abschuss, der Konsequenz.
Dem Fallen in eine Welt ohne Mitsprache und ohne Relevanz.

Damals habe ich das Gesicht des Anderen erst erfasst, als sich die Welten des Drinnen und des Draußen vermischten.
Wenn wir, die wir drinnen waren, nach draußen gingen, um am Rest der Welt zu lecken.

Kegeln damals. Klassiker.
Bezeichnend.
Statt sich für einen Ausflug mit Luft und Weite zu entscheiden, entschied sich die Gruppe immer wieder für Hallen. Geschlossene Räume, die immer künstlich und auf das Wesentliche ausgeleuchtet waren: Kino und Kegeln.

Wir waren Teenager zwischen 12 und 17 Jahren und wussten trotzdem, dass wir nicht mehr nur innerhalb unserer kleinen Welt, die sich aus pubertärem Sein zusammenstückelte und von Tag zu Tag beklemmender wuchs, sondern auch im Außen ein Merkmal an uns haften hatten, das uns zu “denen” machte.
Hatten wir uns selbst etikettiert?
Habe ich mich selbst in eine Rolle begeben, um mich noch weiter von Menschen, die nicht erfassen, nicht begreifen, nicht einmal aufnehmen wollen, zu entfernen?

Erst vor ein paar Tagen ging es in einem Kontakt um die eigene Intelligenz und darum, dass diese sehr viel öfter Probleme im Zwischenmenschlichen verursacht, als ich es selbst erwähne oder sonst wie sichtbar mache.
Ich weiß, dass ich oft nicht verstanden wurde und nicht nur einmal aus Unsicherheit eingewiesen wurde.
Ich weiß, dass meine Dummheit in der Regel Ehrlichkeit und Werttreue ist. Immer wieder der Versuch Dinge, die von Dauer sind, erschaffen und leben zu wollen.

Jede Einweisung, jeder Umzug, jede neue Gruppe- ich kam um zu bleiben.

Wenn ich von Heim- oder Klinikzeit träume, dann dreht es sich am Ende immer um den Moment, in dem ich spüre, wie es durch mich hindurch und aus mir heraus rast.
Dieses ES mit hellen Blitzen im Kiefer, steinharten Muskeln und Sehnen, die sich wie Schlangen unter der Haut entlang bewegen.
Es geht um den Moment in dem dieses ES gepackt und auf den Boden geworfen und gestaucht wird. Knie durch die Oberschenkel gebohrt bekommt, die Schulterkugeln knirschen spürt.
Einen Namen hört, den es zu fressen gilt.

Es geht nie um das Danach mit blauen Flecken, den Blicken derer, die definierten, was war. Die sich selbst mir gegenüber nie entschuldigen mussten.
Obwohl sie mich verletzt haben, weil sie ES nicht verstanden.
Dieses Danach ist, wenn ich aufwache und in mein Heute zurückrutsche.

In meine dunkle Halle.
Wenn ich dann wie jetzt, am Fenster sitzen muss, um den Himmel durch meine Augen in mein Innen hineinzusaugen. Den Schmerz der Anspannung veratme und die Gefühle von Auslieferung und Ohnmacht säckchenweise verpacke.
Das Danach in dem die Jugendliche mit dem Riss in der Hose und den blauen Flecken vor mir steht und mich fragt, ob sie so gefährlich ist, dass sie besser sterben sollte.
Das Danach in dem die Jugendliche mit der gebrochenen Nase ihr Blut in meinen Mund tropfen lässt und flüstert: “Sie sind dumm. Alle sind sie so dumm.”.

Als es zum ersten Mal durchbrach und ich auf die Station zurück kam, legte mir eine Mitpatientin die Hand auf den Arm. Das war die einzige nicht hohle Geste bezüglich dessen. Die Schwestern redeten von Ursache und Wirkung, Recht und Ordnung. Irgendwas mit krank und selbst schuld, kam von der Psychologin.
Berührt hat mich aber die Hand einer, die mit mir im Anderssein verbunden war.

Ich erinnere, dass ich versucht habe mich einzupassen. Irgendwie einen Platz im Zwischenstück von Drinnen und Draußen zu finden.
Das geht in allen Einrichtungen nur über das Personal. Sie kommen um zu arbeiten. Sich ab- und alle Makel an den InsassInnen wegzuarbeiten.
Kontakt suchen, sich wie ein Seelenfresser an sie heranschleichen, klammern, Bekundungen des Gernhabens absondern, Humor kopieren, Werte spiegeln, Weltbilder bestätigen, sich erniedrigen, um bei ihnen ein Wohlgefühl zu vermitteln.

Bis man merkt, dass es nicht sie sind, die einen rauslassen. Dass nicht sie das System sind.

Es gab Experimente, an denen wir PatientInnen teilnehmen DURFTEN.
Vorlesungen, in denen wir PatientInnen uns zur Schau stellen DURFTEN.
Es hat sich niemand bemüht uns Jugendlichen etwas über Ethik zu erzählen. Über die Art der Moral, die Medizin auch verfolgen könnte.

Ich habe nie erfahren, worum es in dem Experiment, in dem ich kleine E-Schocks bekam, während ein EEG gezeichnet wurde, ging.
Genauso wenig, worum es in der Vorlesung ging, in der ich zu meinem Verhältnis zu meiner Familie und mir selbst befragt wurde.

Ich weiß aber noch, wie wichtig es mir war, das zu dürfen.
Vielleicht, weil es mich ganz kurz anders als die anderen im gemeinsamen kleinen Andersuniversum gemacht hat. Einfach nur durch die Tatsache an einem Punkt des schier statisch Monotonen etwas Besonderes zu erzählen zu haben.

Hier in diesem Blog gibt es viele Artikel, in denen ich versuche mich dem, was mir das System Psychiatrie angetan hat, anzunähern und zu verstehen.
Vielleicht versuche ich irgendwie auch noch immer zu verarbeiten und zu sortieren.
Was ich aber merke ist, dass ich es nicht mehr aus einem gleichsam wie damals ausgestanzten Anderssein heraus tue.

Ich bin keine Psychiatriepatientin mehr und auch keine Jugendliche.

Aber das ES ist noch immer da.
Die Möglichkeit von jetzt auf gleich wieder zur Insassin zu werden, besteht immer und jederzeit- egal wie sehr und mit welchen Bandagen ich mich zu wehren in der Lage sehe.

Ich denke heute nicht mehr, dass ein so behäbig nihilistisches System wie das der Psychiatrie nur verstehen muss.
Dass ich nur gut genug erklären muss.
Dass ich nur so schlicht wie möglich- geistig so reduziert wie nur irgendmöglich beanspruchen muss, um wieder freigelassen zu werden.

Ich denke heute, dass ich einfach nur nicht mehr in dunkle Hallen gehen sollte, wenn es darum geht mich zu äußern und mir ein Stück Leben in den Mund zu schieben.
Mich und vielleicht auch ES sichtbar zu machen.

Es geht darum zu zeigen, dass das System Psychiatrie beansprucht längst verstanden zu haben, während es zeitgleich einen unverstanden Menschen nach dem anderen in sich verwahrt und an irgendeiner Stelle gebrochen- wenn nicht zerstört- wieder zurück wirft.
In eine Gesellschaft, die dumm ist und erklärt haben will.

Aber keine Verantwortung tragen möchte.
Vor allem nicht für jene unter ihnen, die zurück sind und davon träumen, wie sie auf den Boden geworfen werden, um gestochen zu werden, um fixiert zu werden.

was war

Gestern Abend hab ich die Dosis halbiert.
Hab das Wesen dicht unter meiner Haut rasen gefühlt.
Konnte trotzdem noch denken.

Halb 4 Uhr morgens gab es einen Moment, in dem ich dachte, dass es mich zerreißt.
Ein Augenblick, in dem ich meine Hände auf das Hüftgelenk drücken musste, um mich zu versichern.

Um 6 Uhr morgens setzte ich mich in die Dusche und ließ das Wasser einfach runterfallen. Dachte, ich würde es schon früh genug spüren, wenn es zu kalt oder heiß würde.
Dachte meinen eigenen Gestank, schmeckte die eigenen Gefühle und sah irgendwo unscharf im Augenwinkel, wovor es noch immer weglaufen wollte.

Um 8 Uhr morgens dann Tageslicht.
In meinem Käfig der Gedanke:
mein Hund, mein Sein
mein Da, mein Leben,
das Wesen

gerettet

 

Licht

Blüm- chensex nach „Normzweck“

Frankfurter allgemeine Sonntagszeitung- eigentlich doch keine Plattform für menschenverachtende Rede, oder?

Seit Neustem dann wohl doch, taucht doch da plötzlich der Norbert Blüm auf und “kritisiert” die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Karlsruhe zum sog. “Ehegattensplitting” auch bei homosexuellen PartnerInnen.
Nicht nur ein CDU- Altmännergeblubber á lá “Es kann nicht jeder* machen/ haben/ sein was er* will”, sondern auch saftige Homophobie vermischt sich in den Rest des Textes.

So schreibt er: “Die Familie ist die Elementareinheit der Gesellschaft, die auf ihr Weiterleben angelegt ist. Diese Funktion vermögen gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht einzulösen”. Seiner Ansicht nach, hätte das Bundesverfassungsgericht dies berücksichtigen müssen: “Kinder, ihr Kommen und Gedeihen, spielen offenbar beim Hohen Verfassungsgericht eine niedere Rolle.”

So dürften sich jetzt einmal alle (egal welcher Sexualpräferenz) in einer Schlange anstellen und die güldene Facepalme an Norbert Blüm überreichen.

Bei Twitter geht das unter dem Hashtag #LieberNorbert

Blüm2Blüm1
Blüm3

Blüm4

enjoy

Neuroleptikahimmel Es ist Zeit
für die Anlage neben dem Bett

keine Zahlen beim Verschwimmen betrachten
keine Treffsicherheit
nur Play

Enjoy the silence
Laut dröhnend mitten in den Kopf

Es ist Zeit für Stille
Stasis- Baby!

Ich kann mich nicht erinnern, ob ich mit dem Song mehr als jemanden, den ich kenne, verbinde.
Sie hat mir mal die Maxi-CD von dem Song geliehen und ich glaube, ich habe sie ihr nie wieder zurückgegeben.

haha die Maxi CD
Frisbee- Mäuschen!

Sie sitzt da und steckt Bleistifte in die Löcher ihrer Kassetten
vorspulen, zurückspulen
Tesafilm auf die Löcher, um zu überspielen
Radio aufzunehmen
mit ohne Stimme- Baby!

All I ever wanted
All I ever needed
is here in my arms

und ich liege auf dem Bauch
das Gesicht im Kissen

Ich spüre, wie sie auf meinem Rücken kniet
meine Schädeldecke hochnimmt, um mit einem Stöckchen mein Gehirn zum Schreien zu bringen

Ich bin noch nicht einmal wieder weggelaufen, seit ich die Tabletten nehme
Ich kanns nicht

nicht weggehen, nicht wegsehen
Eskapismus fürn Arsch, Mäuschen!

Und die Liste der Dinge, die von meinem Eskapismus leben, wächst und wächst und wächst

“So”, sagt er und rückt seine Brille zurecht, “und was passiert, wenn Handlungsdruck und Stasis aufeinander treffen?”

words are very
unnecessary

und aus dem Off scheppert das Lachen des Jokers

hier und da

Meine Haut tut weh und ich weiß woher das kommt.
Nie war Psychosomatik leichter zu enttarnen.

Nachher muss ich zum Arbeitsamt.
”Hallo Frau Unbekannt, tja, also mein bisschen erkämpftes Arbeitsfähigsein können sie dann von “Teilzeit” auf “Nullzeit” setzen. Gerne können sie mich auch mal wieder begutachten lassen. Die Ärztin und ich, wir kennen uns ja schon.”.

Danach muss ich mit NakNak* rausgehen. Hoffen, dass es nicht mehr knallt.
Danach muss sie Futter haben.

P1010066 (2) Und dann verfrachte ich mich ins Bett.
Nein, ich rufe nicht in einer Psychiatrie an. Man kanns auch übertreiben mit der Selbstzerstörung.
Schälen lassen muss ich mich nicht gleich.

 

Vielleicht male ich noch eine Eule.
Sortiere die Myriaden von Fotos.

 

Ich bin kein Freundinnenmenschmaterial.
Wars nie und werds nie sein.

Gemögt existent im Menschenkostüm geht.

Grad noch so.

 
 
Ich möchte weg.
Aus meiner Haut fahren.
Mit der Bahn ans schwarze Meer.

kurzes Zurück

Ich war und bin eigentlich ganz zufrieden mit 2013

Da wir schon einen Jahresrückblick hatten, dachte ich, ich mache einen 4 Monatsrückblick. Ist ja doch ein bisschen was gewesen.
Aaaalso…

Wir hatten die Bundestagswahl und ich war eine von denen, die doch irgendwie auf rot-rot-grün gehofft hatten (jaja- ich bin noch unter 30- mir darf so ein Schnulzirren wohl noch verziehen werden). Dann die GroKo und der grandiose Ausverkauf der Sozialdemokratie- wir dürfen gespannt sein, wie das wird.
Fürs Erste habe ich mir jede Menge Taschentücher und Archivierungsmaterial gekauft, um eventuellvielleicht kommenden Generationen zu zeigen, was wir “vorher” hatten und, was sie sich wohl gar nicht mehr zu träumen wagen.

Dann gabs das große Schweigen in meinem Kopf, das bis heute seine Wellen in Sprechausfällen und Sprachverwirrungen hat. Für jemanden, der sich vorgenommen hat ein Buch zu schreiben und seinen Blog irgendwie zu betreiben, der Flug auf die Nase, der echt nicht zu gebrauchen ist.

Der Fotoblog “Einfach mal angucken” wurde gestartet. Hab ich dann im November irgendwann auch gemerkt. Nun denn- es hätte ja auch schlimmer sein können.
Im November sind wir auch zum ersten Mal geflogen. Ins Ausland. Wo es fremdes Geld gibt. Und wo es uns gut gefallen hat, obwohl wir auch unfassbar viel Angst hatten. Wovon wir in vielen Artikeln schreiben mussten.

Sich davon zu erholen war nicht so recht möglich, weil medizinische Problematiken, soziale Be-zieh-zerr-reiß-ruck-knäul-ungen, therapeutische FortRückNebenDurcheinanderschritte, das erste Konzert, Phönix und sonstige Hochzeiten, die wir unbedingt mitnehmen mussten, uns einspann(t)en.

Am Ende stehen abgeschnittene Haare:   IMG_20131212_212116
und ein nagendes Kreisen aus Weglaufen, Angst, Erinnern, Regression, Oppression, Depression und (Auto-)Aggression.

Ich sehe, dass wir uns kaputt kämpfen. Vielleicht, weil wir im ersten Teil des Jahres so viel geschafft haben, als wir unsere eigenen Grenzen niederkämpften und mal die Nase in greifbare Möglichkeitenwunderländer steckten.

Jetzt gibts den Backlash. Die Quittung. Das Pfandflaschensammeln, weils zu viel frisches Obst gab.
Aber es geht weiter.

Hoffnung pflücken können wir.
Immerhin haben wir davon sehr viel gesäht und gedüngt bekommen in 2013.

 

zum Abschluss ein bisschen Musik

unspeakable inhumanity ~ strukturelle Gewalt

OLYMPUS DIGITAL CAMERAda war sie wieder: die Begrifflichkeit „unspeakable inhumanity“
Ich kenne sie. Nutze sie aber nicht. Zumindest nicht so.
Als ich mich mit dem Überleben und den Überlebenden der Shoa auseinandersetzte und dann irgendwann bei einem der vielen amerikanischen „researchprojects“ wiederfand, stolperte ich auch schon über diese Formulierung.

Diese Begrifflichkeit verbindet zwei Dinge miteinander, die im großen Rhizom um die Fragestellungen, die Gewalt an uns als Menschheit stellt, immer wieder auftauchen.
Zum einen die Frage nach der eigenen Menschlichkeit-der Menschlichkeit als solcher, die, meiner Meinung nach, noch immer nicht klar definiert ist und zum Anderen, die nach der Sprache und ihrem Fassungsvermögen, als Transportmittel zum Begreifen innerhalb menschlicher Fähigkeiten zu ebenjenem.

Gäbe es so etwas, wie „unspeakable inhumanity“, wüssten wir* nichts davon, denn Unsagbares, kann nicht vermittelt werden.
Gäbe es so etwas, wie „inhumanity“ also Unmenschlichkeit, als Option eines direkten Handelns als Mensch, dann müssten wir Menschen entweder unsere Selbstbezeichnung verändern, oder anerkennen, dass wir uns eigenständig aus unserer genetischen Struktur herausbegeben können, wie transmorphe Fabelwesen, denn Menschen sind immer Menschen- egal, was sie tun.

Trotzdem transportiert dieses Wortpaar etwas.
 In meinen Augen ist es der Versuch eine überfordernde Kraft oder Macht zu beschreiben, die von Menschen ausgegangen ist oder ausgeht.
Obwohl alles Handeln von Menschen menschlich ist- also nur innerhalb menschlicher Fähigkeiten, passieren kann, ist es durchaus Teil menschlicher Fähigkeit, zu abstrahieren und zu diffundieren, wie auch die Fähigkeit zu transponieren und zu assoziieren. So werden zum Beispiel aus „Tante Ilse und Onkel Kurt“ in einem anderen Kontext zu „Kundennummer 1 bzw. 2“.
Diese Leistung erscheint vielleicht nicht besonders groß, da die Inhalte die an „Tante Ilse und Onkel Kurt“ gebunden sind, unbekannt sind. Dieser Umstand erleichtert das Abschneiden dieser Inhaltscluster, (wie es ja bereits die Begriffe: „Onkel“ und „Tante“ durch das Abschneiden ihrer Inhalte- nämlich die die Schwester oder der Bruder der eigenen Mutter/ des eigenen Vaters zu sein, tun).

Meiner Ansicht nach ist diese Leistung aber groß.
 In meinen Augen ist es eine Fähigkeit, die sich proportional zur Fähigkeit der Selbstversorgung eines Menschen bzw. seiner Machtrefugien verhält. Es ist nicht wichtig zu wissen, in welchen Verwandtschaftsverhältnis zum Beispiel Onkel und Tante tatsächlich zur eigenen Person stehen (ob sie an Mutter oder Vater gebunden sind), wenn weder Onkel noch Tante noch Mutter noch Vater gebraucht werden, um diese Menschen in meinem von mir zu definierenden Bereich zu positionieren.
Der Bereich über den ich als Person die Macht habe, braucht nur so viel, wie ich brauche, um ihn zu erhalten.

 Würde ich also ergo ein Geschäft leiten, wäre die Notwendigkeit eben nicht an Onkel und Tante, sondern an Kundschaft, die in Hoffnung auf ein nachvollziehbares (definierbares) Wachstum nummeriert wird.

Es gibt Machtbereiche in denen Namenlosigkeit eine Säule dieser Machtbereichssicherung darstellt.
Als Fragestellung bliebe hier, ob dies als Angriff auf die Identität dessen was mit einem Namen belegt sein könnte zu werten ist, oder es sich tatsächlich um ein System handelt in dem Selbstbild, Identität und Identifizierung aus der Position eines Namen/Identität zugestehenden Systems heraus, als solche schlicht nicht nötig/ gewollt und aktiv unterbunden ist.

An dieser Stelle ist das Konzept „Jobcenter“ für mich spannend, weil es die Frage nach demjenigen aufwirft, der Machtgewinne erfährt.
Die bedürftigen Menschen
– (im Staatsmachtsystem „BürgerInnen“ genannt (Inhaltscluster: muss sich an die Gesetze halten, die u. A. sagen: „Geh zum Jobcenter, wenn du kein Einkommen hast“- ergo bereits hier nicht als „Mensch“ anerkannt)-
werden zu KundInnen des Jobcenters
– (Inhaltscluster: KundInnennummer- (als Teil einer Statistik im weiteren Verlauf der Diffusion) und gleichzeitig VertragspartnerIn (seines/ihres Zeichens menschlich- denn mit Tieren/ Pflanzen werden keine Verträge geschlossen)- ist der Macht des Jobcenters* komplett unterworfen, da existenziell abhängig)

Die MitarbeiterInnen des Jobcenters
 – (im Staatsmachtsystem „BürgerInnen“ genannt (Inhaltscluster: muss sich an die Gesetze halten, die u. A. sagen: „Wenn du arbeitest, hast du dich an deinen Arbeitsvertrag zu halten“)
werden zu SachbearbeiterInnen
– (Inhaltscluster: MitarbeiterInnennummer- (als Teil einer Statistik im weiteren Verlauf der Diffusion) und gleichzeitig
VertragsvermittlerInnen zwischen „dem Jobcenter*“ und den KundInnen, die im Laufe der Jahre an ihnen vorüberziehen – dem Jobcenter* in sofern unterworfen, als dass die Arbeit und damit das Mittel zur Sicherung der eigenen Existenz durch den Arbeitsvertragspartner definiert wird)

In Anbetracht der Tatsache, dass als MachthaberIn hier allein ein Name (Jobcenter*) auftaucht, sollte die Frage nach der Menschlichkeit des Systems „Jobcenter“ hinreichend geklärt sein.
 Nun mag der berechtigte Einwurf kommen, dass es sich bei der Agentur für Arbeit (Jobcenter*) um ein ausführendes Organ handelt- es bleibt dennoch ein System, das von vornherein, nicht als Mensch vor einem Menschen auftaucht und sich eben darum auch die Verunmenschlichung von BürgerInnen, die- fern aller Machtbereiche- Menschen sind, erlauben darf, was wiederum, meiner Meinung nach, etwas ist, das der Staat, der sich als solcher verpflichtet hat, die Menschen als solche zu schützen (vor eben jenem Umgang als Nichtmensch), als Aufgabe zur Durchsetzung im Grundgesetz stehen hat.

Was hier als strukturelle Gewalt (Unterwerfung/ Ausgrenzung/ Dominanz mittels eines verunmenschlichenden Systems) bezeichnet wird, ist gleichsam als „inhumanity“ betrachtbar, da es sich um ein System handelt, das als System (Nichtmensch) nur unmenschlich auftreten kann.

Dies als Faktum akzeptierend sollte nun verdeutlichen, dass alles Einfordern einer Menschlichkeit- gar die Gewährung diverser Menschenrechte gerichtet an „das Jobcenter*“/ „die Krankenkasse*“/ „die PolitikerInnen*“ sinnlos ist und niemals zu Erfolg führen kann.
Es ist eine Forderung, die an eine vom Staat wegdiffundierte Verantwortung gerichtet ist, welche wiederum in sich ein Produkt aus Sicherungsgier und Gewaltexistenz ist.

Diese Problemstellung ist transponierbar.
Am Ende steht, dass es Unmenschlichkeit nicht gibt, nur unmenschliche Systeme, die von Menschen gemacht sind, die alle Gewalten in ihrem Leben internalisieren, auf ihr Leben transponieren, alle Werte, die ihr System nicht braucht, abschneiden und anderen Menschen oktruieren oder sie dazu bringen, davon zu profitieren (sie in eine Mitverantwortung zu bringen).

Fortsetzung folgt

die * stehen hier für all Variablen, die durch die Eingrenzung mittels Artikel vor dem Wort abgeschnitten werden bzw. beim „wir“ als „wir als Menschheit mit allen Facetten“

 

Es ist leben

Nebelweg2 Ich wartete auf den Moment, in dem die Worte weg sein würden und lief an ihrer Seite durch den Nieselregen.
Die Feuchtigkeit ließ unsere Haare Kringel schlagen und trug mir die Laute aus dem Mund, wie eine Quelle den Bachlauf.

“Ich bin nicht stark.”, sagte ich und die Hitze meiner Scham stieg hinter meine Augen, als hätte ich ein Geheimnis- eine Wahrheit tief aus mir heraus gestanden.
Mein Blick hielt sich an ihren Schuhen fest. “Es ist nur… überlebt. Nur über etwas drüber gelebt. Das ist nur leben.”.

Ich versuchte am Himmel vorbei ins Universum zu schauen. Zu sehen, ob etwas auf mich schaut. Vielleicht böse oder mahnend.
Doch außer dichten, vom kreischenden Licht der Welt, angestrahlten Wolken, war nichts zu sehen.
“Ich habe nichts dafür getan zu leben. Das ist einfach passiert. Ich lebe einfach nur. Die ganze Zeit.”. Ich schaute zu ihr und streifte ihre Augen, um an den kleinen Tropfen auf ihrem Mützenrand auszuharren. Beobachtete vom Rand meiner Iris aus, wie meine Worte in sie hineinfielen.

“Manche Menschen verwechseln die Wucht dessen, was wir erlebt haben, mit dem, was nötig ist, um übrig zu sein.”. Ich spürte, wie mich ihr Sein aufspreizte und wie auf einen weißglühenden Draht gezogen, die Luft anhalten ließ. “Verstehst du das?”.

Sie runzelte die Stirn und zog ihr Gesicht zurück, so dass es fast gänzlich hinter ihrem Schal verschwand.

“Da ist dieses Denken, dass man gegen alles kämpfen kann, wenn man nur will oder muss. Als wäre es ein Kampf zu leben.”. Ich sehe sie aus ihrem Gefängnis heraus über den Boden schauen. Sehe wie ihre Finger nach Moos tasten, um Feuchtigkeit herauszudrücken.
“Der eigentliche Kampf ist aber, bewusst zu kriegen, dass man noch nicht tot ist.”.

Die Gemögte hielt uns ihre Hand hin und ließ sie sinken, als sie keine Anstalten machte, danach zu greifen.

“Alles, was dann kommt ist leben auf die Art, wie es dann gerade geht. Mit allem was übrig ist. Von einem selbst und dem was man im Außen findet.”, sie streichelte NakNak*s Halskrause und gab ihr ein Stück Käse. Ich fühlte ihren Durst. Spürte, wie ein Etwas beiläufig die Tropfen aus NakNak*s Fell von den Fingerspitzen aufnahm.

Ich drehte mich zu ihr und versuchte im Dunkel zu sehen, wie es ihr ging.
”Es ist nicht fair…”, sagte sie tapfer erstickend, was in ihr wallte und sich an mir brach.

“Es ist das Leben.”, antwortete, was mich zerriss und mit dem Dunst des Dezemberabends verschmelzen ließ.