hilflose Helfer

Es gibt Tage, da kann man nicht gewinnen. Ist aber gezwungen weiterzuspielen.

So ist das Leben- es geht immer weiter und es geht um des Lebens selbst Willen.
An sich bin ich sehr dankbar für diese Einstellung des Lebens zu sich. Es ist wertbefreit und geht einfach nur darum prinzipiell existent zu sein. Ausgestaltung und Befindlichkeit ist sekundär.

Wenn es sich doch bitte nicht gleich immer so ganz fürchterlich anfühlen würde, wenn es mal “untoll” ist! Und wenn doch bitte auch nicht immer gleich meine ganze Welt wackeln würde.
Himmel noch eins!

Es geht uns nicht gut. Es geht uns überhaupt nicht gut, schon seit wir “den letzten Tanz “ getanzt hatten nicht. Diese riesengroßen Warum?´s haben nachwievor keine neue Bleibe. Sie wachsen und wachsen nachwievor und es gibt immernoch keine Antwort. Keine Sprache und keine Worte um zu erklären oder in Kommunikation zu kommen. Der schriftliche Ausdruck ist das einzige Ventil und dieses ist noch nicht einmal so entlastend wie sonst. Fast eher das Gegenteil.
Wir fühlen uns von dieser sonst so zuverlässigen Ressource verlassen. Und dieses Verlassenheitsgefühl ist noch wieder Nahrungsgrundlage für diese Warum?´s.

Aber wir sind ja nicht mehr klein und darauf angewiesen, dass andere uns sagen, dass wir uns Hilfe holen können und dürfen.
Wir haben versucht es in der Therapie zu besprechen und sind in eine Kette gerutscht. Total ärgerlich! Klar- sowas kann passieren und gerade wenn man neu anfängt mit jemandem und allgemein eher krisig ist- aber bei diesem Thema war es super mega scheiße, dass es passiert ist. Diese Stunde vor dem Urlaub im größten Teil mit Reorientierung zu vergeuden, war einfach nicht gut.
Und selbst an dem Punkt hielten wir uns vor: “Okay wir sind groß, wir haben viel gelernt- ja wir machen dies und das und dann das und das und dann nutzen wir dies und jenes…” Ja- eine Woche Therapeutenurlaub, bekommt man so auch noch hin. Davon geht die Welt nicht unter. Das Leben geht ja weiter- egal, ob man gewinnt oder nicht. Ob beschissene Feiertage, die noch wieder ganz andere Sachen in Wallung bringen, dazwischen liegen und man gleich mal noch DIE Sinnkrise ever dazwischen schiebt, oder nicht. Es lebt und lebt und lebt.
Wie dieses bekloppte Energizerhäschen (ehrlich- derjenige der sich diese Werbung ausgedacht hat, muss doch inzwischen reich sein, oder? Wann gabs die im Fernsehen? Und immernoch wirds als DER Vegleich für Langlebigkeit herangezogen.. Bombe!) gehts immer weiter- vielleicht auch in pink und plüschig mit irrem Grinsen?

Doch das Leben ist ja auch Entwicklung und Mutation. In unserem Fall haben sich mal eben die Warum?´s mit einem weiteren Aspekt, der gerne mal in Bezug auf überlebte Gewalt auftaucht, gepaart. Herausgekommen ist ein ekelhaft ohnmächtig machendes: “Ist das wirklich passiert?! WARUM hab ich dann kein Wort dafür?! Ich hab doch sonst immer Worte! Weil ich jetzt keins hab, kanns ja auch gar nicht passiert sein.”
Dieses fliederfarbene kratzig inkonsitente Ding legt alles lahm.

Und das ganz offensichtlich auch bei Helfern und Gemögten.
Es tauchte auf, nahm uns in Besitz und wir sind trotzdem immernoch groß und sorgen gut für uns- obwohl es sich inzwischen so anfühlt, als wäre es sowas von falsch und verboten (Weil: “Es ist ja nichts passiert- man kann es ja nicht benennen- also darf man auch keine Hilfsressourcen fressen”) und dann: Versagt das Hilfsnetzwerk.

Großartig.
Ja. Menschen dürfen krank sein. Ja. Menschen dürfen arbeiten. Ja. Menschen dürfen mich nicht verstehen. Ja. Niemand ist verpflichtet mir zu schreiben, mich anzurufen oder überhaupt Kontakt mit mir zu machen. Ja. Alles richtig und okay.
Aber ich brauche doch Hilfe!
Und jeder sagt mir doch, dass ich sie haben darf.
Und sogar wo ich sie bekommen kann.

Also riefen wir bei der Telefonseelsorge an. Und hatten eine Frau am Telefon die einerseits Verständis hatte und bemüht war zu helfen (“Wenn sie es nicht so sagen können, schreiben sie es doch auf und rufen mich nochmal an. So in einer Stunde. Vielleicht geht es dann”) aber andererseits absolut nicht in der Lage mehr zu tun, als uns zu sagen “Sie brauchen professionelle Hilfe”. Ja Sorry- aber auf diese Glanzidee waren wir auch schon gekommen?!
Also zweite Email an die Frauenberatungsstelle. Keine Antwort. “ Findet sie uns doch scheiße? Hat sie jetzt doch für sich erkannt, wie schlecht wir sind und sie will sich schützen?! Krankheit? Tod?! PC kaputt? Darf man nicht so fragen? Was hab ich falsch gemacht? G’tt- hat sie Ärger gekriegt?!” rasen die Ideen und Gedanken wie ein D-Zug durch Kopf und Seelen- obwohl man eigentlich weiß, dass das Meiste dieser Gedanken Quark ist.
Also bestimmt der 20ste Anruf an eine der Stellen an der wir unsere Gemögten vermuten. Handys angeklingelt. Keine Antwort.
Wie ein Krake die Arme ausgefahren.
Letzte Station: sozialpsychiatrischer Krisendienst. “Wo wohnen sie- ich denke es ist besser wenn sie jetzt nicht allein sind. Wir können uns über eine Krisenintervention in unserem Hause unterhalten” Prima!!! Jetzt gleich noch ein paar Klapsenerinnerungsflashs und ich denke:
“Maaaan- ich will eure Hilflosigkeit nicht sehen! Ich will jetzt einen der mir einfach nur ein Wort gibt! Ich will das jetzt hier einfach nur mit einem Stempel versehen können und nichts weiter als es so verpackt auf meine Müllkippe schmeißen! Jetzt zeigt mir doch nicht, dass ihr diesem schlimmen Ding auch so hilflos ausgeliefert seid wie ich! Ihr seid doch die Anderen! Ihr seid doch die, an die ich mich wenden soll, wenn ich Hilfe brauche! Ihr seid doch die, die Macht haben das alles ein bisschen von mir zu nehmen!”

Nein, das sind sie alles nicht. Keiner ist das. Mal wieder wackelt unser (total junges und mühsam ins Innen gebrachte!) Bild davon, dass man Hilfe bekommt, wenn man sie braucht. Mal wieder sind wir in einer Position, in der wir Innenkinder die ihre Gefühle von abgrundtiefer Einsamkeit, Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit und einem gewissen Ausgeliefert sein in sich tragen, nicht so einfach “ruhig” bekommen. Wo wir nichts aber auch gar nichts einbringen können um Entlastung, Linderung oder schlicht “Ja… ich bin da” erschaffen zu können.

Dann klingelte das Telefon und eine Gemögte war dran. Sie kennt uns. Sie weiß um unser sein. Und schafft es doch auch nur wieder noch weitere Risse reinzubringen.
So schaltet es um auf diesen “Ja ich nehme an was da ist und lasse sie nicht spüren, wie es in mir schreiht”- Modus.
Der beste Aspekt an dem Anruf ist noch, dass wir wissen, dass sie überhaupt noch lebt. Dass sie da ist- immerhin diese Angst kann man in dem Moment schon mal abhaken.

Und der Rest?
Es liegen jetzt etwa 165 einhalb Stunden vor uns, die wir irgendwie leben müssen.
Klein und schwach und verletzt- fühlend, obwohl wir doch groß sind. Und obwohl wir doch wissen, dass wir eigentlich Hilfe bekommen könnten. Und doch ist es einfach schlicht die falsche Hilfe.

Warum gibt es keine Telefonseelsorge für traumatisierte Menschen?
Warum werden die Menschen bei der Telefonseelsorge so schlecht auf solche Themen vorbereitet?
Warum sind sie Funktionen der öffentlichen und kostenlosen Beratungsmöglichkeiten so exakt auf: “Entweder sie kommen klar oder sie müssen in die Psychiatrie” ausgerichtet?

Warum sind denn alle so hilflos und gaukeln mir aber vor, sie wären es nicht?

Warum sitze ich hier jetzt allein in meiner Wohnung, hab Angst, fühl mich schlecht und keiner ist bei mir, wenn ich doch so groß bin und eigentlich alle Hilfe ranholen kann, die ich brauche? Ich muss doch nicht mehr allein sein. Ich kann doch jetzt für mich eintreten. Ich bin doch jetzt auch groß und mächtig!

Warum soll dann die einzige Hilfe ausgerechnet die sein, die mich klein und schwach macht?
Fühlen sich dann alle Helfer weniger hilflos?
Warum soll ich mich denn dafür opfern?

Ich hab euch doch nichts getan!

Sonnenscheintag 4 oder: Armut, Demut, Unmut

Wir haben den 16. des Monats und noch 22,43€ zur Verfügung.

Wir sind nicht drogensüchtig, haben kein Geld zum Fenster herausgeworfen und wurden auch nicht ausgeraubt. Wir haben einfach nur Rechnungen bezahlt und versucht auszusehen, wie ein normaler Mensch (was bedeutet: wir haben das Unsägliche getan und uns endlich Wäsche für 5 Tage in Größe 40 gekauft, statt immer noch weiter in Größe 48 herumzulaufen- zum unglaublichen frevelhaften Preis von 7,98€)

Tja, wat nu?

Entgegen der Meinung der Intelligenzbestien, die sich ihre Meinung zum Thema Hartz 4  mit Hilfe von RTL und Co zusammenschustern, ist es NICHT so, dass man als Mensch in so einer Situation wirklich und echt Hilfe bekommt die einfach und unkompliziert angenohmmen werden kann.

Zumindest nicht von uns. Ich habe jetzt einige Texte und Schilderungen zu dem Thema gelesen, aber noch niemand hat es aus der Sicht eines (früh)traumatisierten- allein stehenden- Menschen geschrieben. Also dann (man hilft ja wo man kann haha)

Was ist das Wichtigste? – Nahrung! (alles Andere hab ich ja schon bezahlt- deshalb ist ja nix mehr übrig)

Wo kann man Nahrung bekommen, wenn man sie nicht bezahlen kann? Bei der Armenspeisung. Weil es politisch korrekter ist, nennt man sie inzwischen “die Tafeln”, “der Lebensmittelkorb”, “der Tisch” und wer weiß wie  noch.

Okay. Alles klar- hier haben wir Problem und Lösung. Tadaaa!

So. Und jetzt komme ich mal mit meinen Problemen und allen laufenden Prozessen dazu.

Ich bin essgestört, leide unter dem Reizdarmsyndrom (ganz interessant: ca. 30% aller Reizdarmsyndrompatienten sind Missbrauchsopfer und die Mehrheit der Erkrankten sind Frauen… ), halte keine Menschenansammlungen aus, halte mich sowieso schon für den Dreck der noch unterm Abschaum aller anderen Menschen steht und bin durch die Unfähigkeit unseres Staates Kinder vernünftig vor Gewalt zu schützen und selbige als Erwachsene heilen zu lassen, arm und (zumindest derzeit) absolut ohne Perspektive, dass sich das schnell (je?!) ändert.

Grundsätzlich bin ich ein Freund davon verzehrbare Lebensmittel nicht einfach wegzuschmeißen und sie an jene kostenlos bzw. für reinen “Ranschaff/Zusammenraff und Verteil-Aufwandspreis” abzugeben, die sonst hungern müssten.

Aber ich komme mir vor wie ein Bittsteller. Und nicht wie jemand der keine direkte Schuld an seiner Not trägt und einfach davon profitiert, dass viel zu viel produziert wird.

Und es erinnert. Es ist ein Gleichnis “Du bist Dreck- Du bekommst nur Dreck- Du bekommst nur das was sonst keiner will und dafür hast du gefälligst dankbar zu sein- sonst musst du sterben (verhungern)”. Es ist das Gleiche. Es ist das Gleiche das Gleiche das Gleiche!

Und dabei soll und will ich doch richtig annehmen, dass ich mehr wert bin, als ich denke. Dieser Gedankengang begleitet mich also als Schleife. “Ich bin wertvoll ich bin wertvoll ich bin wertvoll- obwohl ich grad nicht wirklich so behandelt werde. Bitte Innenleben hör doch auf zu weinen. Es ist zwar das Gleiche- aber es gilt nicht als das Gleiche.” (Also- eigentlich verarsche ich mich, damit es nicht so weh tut.)

Kommen wir zur Verwaltung der Lebensmittelausgabe.

Hier läuft das so: Freitags um 10 Uhr werden Nummern verteilt (jaja wegen Datenschutz und so und weil ja jeder die gleiche Chance haben soll- nicht, dass der Erste das Beste bekommt und so weiter). Okay- kann man hinnehmen- wir sind in Deutschland- hier steht man auf Ordnung und verteilt dafür hübsch laminierte Karten mit einer Ziffer drauf.

Meine Ziffer beim letzten Mal war die 10. Und ich war total dankbar. Diese Dankbarkeit steigerte sich, als ich die Ziffer 132 bei einer Frau die dort ebenfalls wartete in der Hand aufblinken sah.

Um 13 Uhr beginnt die Ausgabe der Lebensmittel.

Solange sitzen viele der Menschen dort in der Kirche herum. (Gecheckt? In der Kirche. Für mich Horror. Schlicht und einfach. Allein die Panik (die noch nicht mal meine ist und die ich nur gedämpft durch zig innere Filter wahrnehme) dieses Gebäude zu betreten, ist etwas, dass mich normalerweise dazu brächte, gar nicht erst dort aufzutauchen. Allein dieser Umstand zieht unglaublich viel Kraft) Wir fahren dann immer nochmal wieder nach Hause (4km hin- 4km zurück bei jedem Wetter) um Kraft zu sparen und zu schöpfen- obwohl der Körper eigentlich nicht genug “Treibstoff” für zweimal 8km radeln und dann nachmittags noch die von NakNak* geforderten 7km laufen, bekommt.

Dann die Ausgabe. Inzwischen ist es richtig voll. Es wird gedrängelt und geredet, Einkauftrolleys und Bollerwagen nehmen noch zusätzlichen Platz weg. Alle Sprachen werden gesprochen- auch jene die mich triggert und direkt mal in einen Zustand jenseits von Gut und Böse befördert. Also stehe ich draussen herum, werde ein paar Mal fast umgerannt und krümme mich halb vor (alten) Schmerzen und spitze die Ohren um meine scheiß Nummer zu hören- die ich aber natürlich nicht höre- die Sprache die mich antriggert aber dafür um so besser.

Die Frau in der Ausgabe wird sich wohl gedacht haben: “Ach komm Scheiß auf Datenschutz- es muss vorwärts gehen” und schrieh meinen Namen über die Gespräche hinweg. Hmpf. Danke sehr.

Naja, also ich mich durchgekämpft. (Und ja: Ich hatte zwischen drin die Assoziation von mir im Camouflageanzug mitten in der Schlacht um Stalingrad bzw auch kurz von Aladin dem Meisterdieb der sich durch den Basar schlängelt)

Endlich angekommen bei der guten Frau. Ich habe zu dem Zeitpunkt schon den 4ten Tag in Folge nichts gegessen. Mir geht es richtig richtig dreckig und eigentlich ist zu diesem Zeitpunkt weder denken, noch mitdenken, noch planen, noch irgendwas anderes als das schiere Überleben wirklich möglich. Ich brauche, dass jetzt jemand einen Plan hat und weiß was er tut. Diesen Anspruch hat die Frau anscheinend leider nicht und zerrt mich von Station zu Station.

Vorbei an Bergen von Brot (das ich nicht mehr vertrage bei meinem Stresslevel in Kombination mit dem Reizdarm), an Kuuuuuchen (großes Heulen innen), an Nudeln (die ich auch nicht essen sollte- von denen ich aber doch ein Paket mitnehme, weil es sonst gar nichts Haltbareres zu geben scheint- was ich aber dann 4 Tage später bitter bereue, weil mich mein Bauch zu zerreissen droht) und dann zum Obst und Gemüse. Ich gehe hinaus mit

1 Paket Nudeln, 5 Möhren, 1 Blumenkohl, 3 Tomaten, 1 Gurke, 100gr Putenwurst, 1 Liter laktosefreier Milch (okay dafür war ich supermega oberdankbar- die ist so teuer), 1 Zitrone und 5 Kartoffeln.

Um um mehr zu bitten, bin ich zu diesem Zeitpunkt viel zu geschwächt (mal abgesehen davon ist hier für mich noch die Frage: Wann würde ICH jemals um Essen betteln? Wieder! Ich bzw. mein Innen kennt doch die Antwort längst: “Du bekommst nichts mehr!”. Mir tanzen Punkte vor den Augen, der Kopf dröhnt und Erinnerungen rütteln an ihren Käfigtüren. Mein Organismus belebt die alte Zeit wieder und niemand steht mir bei. Weder mein Geist, noch die Frau die mir doch an die Seite gestellt wurde, um mir zu helfen. Sieht sie denn nicht, wie wenig das ist?!

[Nein- das ist viel zu viel- du darfst das alles gar nicht haben! Ich krieg Ärger dafür! Legs weg- bitte gibts zurück!!!- Ja los legs zurück du fettes Schwein!- Du bist es nicht wert!- Ich bin es wert ich bin es wert ich bin es wert… ]

Ich sehe zu, dass ich verschwinde und komme irgendwie wieder nach Hause. Um mich dort angekommen ohrfeigen zu können. Wieder 7 Tage vor uns und praktisch nur für 2- vielleicht 3 Tage Essen zum satt werden. Und was machen wir? Wir denken, dass es uns nicht zusteht, doch noch die anderen Lebensmittelausgaben abzuklappern, um mehr abzugreifen. Wir strecken diese paar Sachen über 7 Tage hinweg. Und wundern uns dann, weshalb das System komplett in den reinen Überlebensmodus schaltet. Weshalb es uns so schlecht geht.

Jetzt gehts uns noch gut.  In 11 Tagen dürfen wir realistisch das Kindergeld erwarten. Heißt wir können pro Tag jetzt noch 2€ ausgeben um etwas zu essen zu kaufen. 1,60€ sind es, wenn wir Pech haben und das Geld erst am 29 sten bekommen. Von einer Ernährung die uns gut tut sind wir weit entfernt. Von Lebensumständen die uns heilen lassen könnten, fange ich gar nicht erst an zu reden.

Aber ich muss nicht zu dieser Armenspeisung gehen. Wenigstens in diesem Punkt darf und kann ich diesen Monat gut für mich sorgen.

[Wer weniger als umgerechnet 1,25$ pro Tag zum Leben hat, gilt als arm. 1,25$ sind 0,96484€. Man bin ich reich. Was stell ich mich eigentlich so an?]

Was Innenkinder sind

Innenkinder sind Leben.

Sie sind Kraft, sie sind Verletzung, sie sind Hoffnung, sie sind Verzweiflung.

Manche haben nie einen Himmel sehen dürfen. Manche hüpfen mit Schmetterlingen über eine Wiese. Manche schreihen noch immer. Manche sehen Dinge für die ich blind bin.

Manche haben keine Stimme. Manche quatschen den ganzen Tag- ohne etwas zu sagen.

Manche leben Gewalt. Manche retten dem Tode nahe Lebewesen.

Manche brauchen meine Flügel.

Manche sind meine Flügel.

Das

sind Innenkinder.

Kopf—>Schreibtisch

Wir sind auf der Suche nach einem ambulanten Psychotherapeuten.

Hach was macht das einen Spaß! Und wie schlau ich mir jedes Mal aufs Neue vorkomme!

Obwohl mein Innenleben zum Zerreißen gespannt ist und, während ich mit dem Therapeuten spreche, eigentlich schon direkt nach 2 Minuten vermeldet, ob wir wieder gehen können oder nicht, kann ich es dann doch nicht lassen meiner Neugier (und ja: inzwischen auch irgendwie meiner Verachtung- die will ja auch gefüttert werden) Freiraum zu gewähren.

So sitzen wir dann also da in einem Erstgespräch.

Vor mir sitzt eine Psychotherapeutin die geschätzt vielleicht 20 Kilogramm wiegt. “Wissen Sie, also mit Traumatisierungen kenne ich mich schon aus- aber mein Schwerpunkt liegt auf Essstörungen”- Jupp- das ist unübersehbar meine Liebe- aber WIESO ZUM GEIER HABEN SIE UNS DANN HIER JETZT 40 MINUTEN QUATSCHEN LASSEN UND UNS DAS GEFÜHL GEGEBEN EIN KLAPSENROUTINIER ZU SEIN?!

Kopf—> Schreibtisch

Die Nächste bitte! (Echt- es fühlt sich an wie “Therapeut to go”: Morgens einen, Mittags einen, abends Einen… kostenlos auf Kranke Kassenkarte)

Letzte Woche saß uns ein vertrocknetes Röslein gegenüber. “Ja, was führt Sie denn zu mir?”

Ich (innen): “Klappe jetzt – ja ich weiß das es defintiv NICHT diese Eiche rustikal Inneneinrichtung ist, die uns her zieht”

Ich (aussen): “Ich leide unter einer Traumafolgestörung, die mich einschränkt und verhindert, dass ich ein lebenwertes, gutes Leben führen kann. Das möchte ich ändern.” (zigmal vorm Spiegel geübt- weils so derartig nach Buch klingt…)

Sie (innen): *Grillenzirpen?

Sie (aussen): Ja hm. Was ist ihnen denn passiert?

Ich (innen): “NEIIIIIIN!!!! Ich verrate nix-ich verrate nix- ich verrate nix- alles gut. Alles okay- alles in Ordnung. Wir haben 2012- ich bin groß. Alles tutti. Ich mach das schon… phu phu… äh ähm… kann mal bitte einer das Geplärre abstellen?!”

Ich (aussen): “Das möchte ich hier so direkt bitte nicht besprechen, weil das hier ja ein Erstgespräch ist und sich durch das Sprechen darüber die dissoziative Symptomatik bemerkbar machen könnte und das Gespräch nicht mehr für mich nachvollziehbar sein könnte.”

Sie (innen): *Fröschequaken???

Sie (aussen): Aber sie haben doch gesagt sie hätten eine Traumafolgestörung? Was hat das denn mit Dissoziation zu tun?!

Kopf —> Schreibtisch

Nunja.

Es gibt ja auch noch welche mit Köpfchen. Mit : “Kopf runter senken und durch die Wand- Köpfchen” Das ist immer fast ein bisschen traurig, weil es solche Leute sind, die eigentlich genug Bockigkeit für die Gutachterschreiberei und für die  “ für den Patienten Kämpferei” in sich haben. Aber neiiiin! Solche Leute werden irgendwie immer grundsätzlich Verhaltentherapeut oder Coach für Sinnkrisen.

Da saß mir mal eine Therapeutin gegenüber (Was ist eigentlich aus dem seitlich halb schräg –nebeneinander Konzept geworden?!- Echt ich bin inzwischen echt zum “gleich erstmal hier alles umrücken”-Trampel mutiert. Stuhl ist schon schlimm genug und provoziert eigentlich schon direkt zu Anfang nen Halb-weg-Schuß- aber dann auch noch direkt gegenüber von jemand der fremd ist… ba! Geht nicht!) <— oh guck mal! Ein Therapieerfolg!!!

Naja- jedenfalls diese Super-knall-peng-mit- dem- Kopf- durch-die- Wand- Frau saß mir gegenüber und erzählte mir die Urschleimgeschichte rund um die ambulante Psychotherapie. “Gut “, dachte ich: “Weniger Platz für die überlange History über unseren Psychowerdegang- dann kanns ja auch gleich weiter gehen mit ihrer Arbeitsweise und ihrem Tätigkeitsschwerpunkt und dann warum ich hier bin”… ja…. 48Minuten später: “Ja- beim nächsten Mal erzählen Sie dann etwas von sich ja?!”

Kopf —> Schreibtisch

Neiin?! Jemand der mich fragt ob ich schon ambulante Therapieerfahrung hab, darf sich die Antwort auch gerne anhören?! (Die da übrigens ganz klar lautete “Ja, ich weiß, wie das Prozedere ist.”) Was ist wenn sie irgendwann mal fragt: “Und wenn ich ihnen zu nahe trete, dann sagen sie Stopp- ja?” und genau gleich reagiert?  Sorry- wir brauchen unsere Energie nicht dafür auf, darauf zu achten, dass der Therapeut seine rhetorischen Fragen nicht mit den ernst gemeinten verwechselt- aber fest davon überzeugt ist, das Richtige zu tun und uns noch das Gefühl gibt schräge Ansprüche zu haben oder übermäßig unangepasst zu sein. (Haha die Punk-Rosenblätter!)

Nett sind auch die kleinen niedlichen Pflänzchen (wo wir grad bei Punkrosenblättern sind…)

Sag mir mal bitte einer wie ernst das zu nehmen ist, wenn es ein Therapeut schafft in einem Gespräch (- in dem es nicht um Schlimmes geht!!!) mehr als 3 “Oh je”s, 2 “Ach G’tt”s und 4 “hmmmm” s unterzubringen!

Kopf —> Schreibtisch

Hach und jetzt komme ich in Fahrt:

“Ich bin in der Hinsicht sehr kompetent. Also ich hab schon viele schwierige Fälle erfolgreich behandeln können.” Fälle?! …. Bin ich etwa der erste MENSCH den sie trifft?!

Kopf —> Schreibtisch

“Ich habe bereits ein bisschen Erfahrung mit DIS machen können, aber ich muss ihnen leider sagen, das waren keine Guten…” Ach NEIN! Meine Erfahrungen mit DIS wollen sie gar nicht haben!

Kopf —> Schreibtisch (bereits mit Delle in Kopfform)

“Es tut mir leid ihnen sagen zu müssen, dass ich keine Menschen mit DIS behandle- das ist mir zu gefährlich mit dem organisierten Verbrechen.” Oh- herzlichen Dank für diese direkte Projektion ihrer Vorurteile auf mich!

Kopf —> Schreibtischplatte durchgebrochen

Heute wurde ich allerdings etwas gefragt, was mich aus dem Tritt brachte. “Können sie bei den ganzen Vorerfahrungen denn überhaupt noch eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen?” (Sie meinte das jetzt zwar als Therapiegrundlage was mich schon wieder —> Kopf —> Schreibtisch .. aber naja)

Tja… keine Ahnung. Und überhaupt- was heißt hier vertrauensvolle Beziehung? Wir vertrauen nicht. Wir trauen –zu! Dem einen mehr- dem anderen weniger. Mir wird ja auch nicht vertraut- ich vertrau mir ja nicht mal selbst! Wir haben noch nicht viel Gelegenheit gehabt zum Vertrauen lernen. Immer wenns kurz davor war in den Bereich des Möglichen zu rücken, mussten die Therapeuten gehen-doof werden- in Ungnade fallen oder die kranke Kasse hat nicht mehr gezahlt.

Bis jetzt gibts auch nur eine Kandiatin in unserem Therapeutencasting von der ich sagen würde, dass sie menschlich super gut zu uns passen würde. Aber diese hockt vermutlich gerade bei sich zu hause und macht

“Bin ich kompetent genug?” Kopf —> Schreibtisch

Für den Fall dass sie das hier mal lesen: Ja sind sie!

Selbst-Werte

Das mit dem Selbstwert ist so eine Sache.

Ob man etwas wertvoll findet, liegt im Auge des Betrachters und selten kann man Augäpfel eröffnen und herausfriemeln was einmal drin war.

Bei der Recherche für diesen Artikel habe ich einige Webseiten von Coachpsychologen und Psychotherapeuten durchgeblättert, um einen Anfang zu finden. Interessanterweise scheint gerade das Thema der eigenen Werte und des Selbst-Wertes eines zu sein, das viele Selbstfragebögen und Auswertungen erfordert.

Und klar- ich konnte es natürlich nicht lassen und hab schlicht einen gemacht.

Das Ergebnis: Ich halte mich für wertvoll (oder naja- zumindest reflektiert) genug, um mir das Ergebnis nicht anzugucken.

Weshalb ich das Thema aber eigentlich gewählt hatte war der lange Artikel “Security!…”.

Selbstwertgefühl, selbst-wert-er-leben spielen meiner Meinung nach ganz erheblich in den Selbstschutz mit hinein. Wer sich selbst furchtbar findet und es immer wieder gesagt bekommt (von innen oder schlimmer noch: von aussen), der wird sich nie als so wertvoll sehen, dass er es schafft sich nachhaltig gut um sich zu kümmern.

Nun ist das aber so mit den Werten- die bilden sich nicht von allein.Schon gar nicht neu und ersetzend. Man braucht ein Gegenüber zur Reflektion und Verbindung. Einen jemand der etwas als wertvoll vorlebt. Dinge als wertvoll darstellt. Jemand der im günstigsten Fall wertschätzend (und nicht nur wertend in verschiedene Richtungen) mit einem umgeht.

Wie einfach Werte vermittelt werden können sehen wir sehr schön dargestellt im Propagandafernsehen. Es reicht eine geistige Verbindung und Zack! tröpfeln sie von A nach B.

Bei uns ist diese Kiste mit den Werten wie das Schachspiel von Star Trek:

StarTrekSchach

nur was für echte Freaks und Menschen, die den Nerv dazu haben (naja- und die die das halt in sich tragen und entsprechend leider nicht soviel Entscheidungsfreiheit haben…)

Im Inneren gibt es verschiedene Werte und sie alle wollen vereint werden in unserem Leben. Und hier ist ein großer Bereich in dem nicht die Trennung von “früher” und “heute” vorrangig erscheint. Ich habe den Eindruck, dass ein “sich bewusst machen” schon zu einer tiefen Verunsicherung führt (aber hilft). In der Zeit als wir Ebene für Ebene abgedeckt haben bzw. mal ganz flüchtig kurz und auch jaaaa nicht genauer unter das Tuch gelinst haben, kam es teils zu Schockerlebnissen, teils aber auch zu einer Verwunderung und Freude, ob der Großartigkeit dessen was da alles bewahrt wurde.

Es ist schon verwirrend wenn die zarten Bande untereinander zu festen Steingebilden werden und sich heraus stellt, dass sowohl absolute Verachtung als auch totale Idealisierung ein und der selben Sache betreffend ganz gut nebeneinander stehen können. Es ist schräg und natürlich immer wieder Konfliktstoff- aber es geht! Wirklich!

Schwieriger ist es für uns die inneren Werte mit denen der Mehrheitsgesellschaft in Einklang zu bringen. Ich stelle immer wieder an uns fest, dass es einen Teil gibt der einfach fehlt. Oder besser gesagt, dass es einen Konstruktionsfehler gibt den man nicht durch ein paar Dübel links und rechts beheben kann. Wir sind so abgeschlossen aufgewachsen, dass Äusseres schnell als überfordernd (weil nicht in Gänze fassbar) erscheint. In den ersten Jahren… Himmel! Small Talk, Popkultur, Fernsehen, diese schräge Marken und Konsumwelt… Wir waren sowas wie ein Waldkind: völlig geblendet von Werten und Wichtigkeiten die uns sowohl fremd als auch komplett fern lagen (und nachwievor liegen- diese antikapitalistische Macke kommt nicht von ungefähr haha )

Über seine Werte definiert man in der Regel auch Teile seines Selbstes. Wir sind uns gegenüber noch oft so, wie wir es von klein auf angenohmmen (vorgelebt bekommen)  haben und wie sich eben Innens in Folge der Sozialisierung selbst entwickelten. (Deshalb finde ich es immer bescheuert, wenn jemand mir ein “niedriges Selbstwertgefühl” bescheinigen will. Ich bin nichts wert und weiß das auch. Das ist ein Fakt- kein Gefühl. Das kann mit einem Test oder hochpsychologisch wertvollem Fragebogen nicht erfasst werden- innere Wahrheit versus rein- bzw. draufgekipptes Äusseres… )

Was uns aus dieser (Ab)Wertigkeit hilft ist Bewusstsein. Bewusstwerden. Bewusst-gemacht-bekommen. Sprich: Therapie und Leben mit viel geistiger Verbindung und positive Leitung.

Wir haben lange gedacht, dass wir vielleicht irgendwie abartig sind oder so, weil wir zeitweise total gerne mit unserer Therapeutin zusammen waren. Aber inzwischen wissen wir, dass wir, gerade in den ersten Jahren so mit 15-16-17-18 gerade von den tollen Frauen die uns da begleitet haben soviel aufgesaugt haben, was man anders als mit schlichter Gemeinsamkeit gar nicht hätte einbringen können.

Wir hatten mal eine Therapeutin die mit uns zwei Mal durchs halbe Land gefahren ist. Mit dem Zug. Ich weiß gar nicht wie lange wir da unterwegs waren. 6-7 Stunden jeweils? Jedenfalls würd ich heute die Hände überm Kopf zusammenschlagen (“Argh! Es heißt DAS Therapeut! Die wohnen in ihrer Praxis/Klinik und stellen sich um 17.30 Uhr ab, um sich um 8.00Uhr wieder anzuschalten!”), aber damals war es eine super wichtige Erfahrung für ganz viele Impulse zu schauen wie normale Interaktion geht; wie unwichtig der eigene Wert (und für uns ja der vermeintlich “höhere Wert”) sein kann- und wie okay selbiges sein kann!

Man darf (obwohl man ein wertloses Stück Scheiße ist) eine Fahrkarte kaufen, Menschen fragen wo welches Gleis ist, einen Sitzplatz für sich beanspruchen etc etc etc Man darf sogar im Kino sein und laut lachen wenn was witzig ist! (Boooooaaa DIE traut sich ja was O.O … “Darf ich das auch?” –”Ja klar!” )

[Um so abartiger erscheinen mir gerade beim Lesen diese Eingrenzungen von Gewährung von therapeutischer Hilfe unter unmöglichen Vorgaben und die Finanzierungsunmöglichkeiten- wie sehr würden wir zum Beispiel jetzt gerade davon profitieren, wenn uns eine Helferin direkt beim Essen und in der Zeit danach die Hand halten würde? Wie viel leichter würde es uns fallen uns immer wieder unserer Daseinsberechtigung zu versichern, wenn wir jederzeit bzw. jeder-notwendigs-zeit jemanden fragen könnten?

Für uns ist Therapie auch sehr viel Nachsozialisierung- dafür gibts aber keinen Passus in Gesetzgebung oder so… Soviel dann auch zur individuellen Beurteilung der Patienten…]

Unsere Freundin ist nachwievor unser großer Gradmesser  im Aussen und –dem Himmel sei Dank!- unglaublich verständnislos gegenüber unserer gelebten und  (inneren) gegenseitigen Abwertung. Es reicht leider nachwievor nicht um wirklich alle Bereiche mal in einer Perspektive zu sehen und zu probieren, ob noch mehr Dinge “gehen”, obwohl man total wertlos ist (Zum Beispiel das große Ding mit dem “Glauben, dass man als Mensch grundsätzlich nicht wertlos sein kann”- irgendwie gilt das emotional immernoch nur für andere- niemals und unter keinen Umständen für uns. Oder das Ding rund ums Gemocht werden… oder das Ding ums große “Dürfen” … oy vey! still much to learn! )

Ich bin übrigens froh darum, dass wir Menschen überhaupt in der Lage sind uns Werte zu bilden. Es ist eine spannende Sache und bietet viel Möglicheit sich zu positionieren. Im besten Falle dort, wo es am angenehmsten für einen selbst ist.

Dort wo man es wert sein darf zu sein.

Täterkontakte, Selbstschutz, Ausstieg und persönliche Freiheit

Man wird multipel wenn man von Anfang an, immer wieder, massiver Gewalt ausgesetzt wird
– niemand hilft
– niemand tröstet
– niemand schützt
und niemand hilft das Erlebte zu verarbeiten.

Für viele Menschen mit DIS sieht der Weg zur Diagnose so aus:
Man lebt ein normales Leben, hat evtl. eine Familie gegründet, arbeitet gut und gerne in seinem Beruf, steht offenbar mit beiden Beinen im Leben. Bis “plötzlich” erste Symptome auftauchen.
Der Eine kann plötzlich nicht mehr schlafen, der Nächste merkt plötzlich: “Hä? Juli?! Ich saß doch gerade noch unterm Tannenbaum!”, wieder andere erleben von jetzt auf gleich eine Flut von Erinnerungen bzw. Bruchstücke davon.
Es gibt natürlich auch die Variante der “Betriebsirren” (also jemand, der schon sehr lange sehr falsch behandelt in einer Psychiatrie vor sich hin dämmert und nie eine Chance das Erlebte soweit weg zu drücken um ein normales Leben aufzubauen) oder der Frau, die IMMER irgendwas hat und JEDER unbedingt was davon haben muss.

Jedenfalls stellt sich irgendwann (dann endlich irgendwann beim richtigen Therapeuten/ der richtigen Klinik) die Frage nach Täterkontakten bzw allgemein der äusseren Lebensbedingungen in denen sich der schwertraumatisierte Mensch aufhält.

Manch eine Multiple ist mit einem Mann verheiratet der sie im Grunde genauso vergewaltigt und quält, wie es der eigene Vater damals tat. (Und “weil mans ja schon kennt” und entsprechend weiß was man tun muss- etwas, dass widerlicherweise sogar noch beruhigender wirken kann, als die Anwesenheit von einem Partner, der keine Gewalt ausübt- wird dieser Faktor als “normal” betrachtet von der Frau)

Manche Multiplen kommen tatsächlich aus dem organisierten Verbrechen und leben ein Leben zwischen Bankschalter und Sado-Maso-Dienstleistung (und die Alltags”personen” wissen das nicht einmal, denn sie funktionieren nachwievor, wie das Kind, dass sie früher einmal waren- und diejenigen, die die “Dienstleistung” ausführen kennen es nicht anders- haben evtl. noch nicht einmal irgendwann etwas anderes erlebt).

Der Weg dort hinaus- sei es aus einer gewaltätigen Ehe, einer sadistischen Gemeinschaft, einer sexuellen Ausbeutung durch Dritte oder auch schlicht der eigenen Familie ist kompliziert, schmerzhaft, gefährlich und natürlich in jedem Fall eine Belastung für alle Beteiligten. Aber: sie ist nötig um zu heilen. Es gibt keine Heilung, wenn immer und immer wieder die Seele eines Menschen erschüttert wird.

Man muss also a) erstmal merken, was da mit einem passiert.
Was glauben Sie wie schwer es sein kann so etwas zu bemerken, wenn man unter Umtänden nicht einmal sein eigenes Körpergeschlecht bemerken kann? Oder wenn man Schmerzen nicht bemerkt, oder wenn man ausserstande ist seine Umwelt wirklich richtig wahrzunehmen. Oder wenn man schlicht ein Leben führt, in dem die Erkenntnis von weiterführendem (oder auch früherem) Leiden dafür sorgen kann, dass der Mensch einfach nicht mehr leben könnte/ will/ SOLL?

dann muss man b) in der Lage sein (sich selbst so ernstnehmen/ sich selbst gegenüber so fürsorglich sein- bzw sich selbiges überhaupt erst einmal zugestehen/ zu erlauben) dieses Elend  (das man als solches auch erkennen/ anerkennen muss) zu beenden.Ganz für sich und vor sich allein. Jemand der denkt er wäre es nicht wert anders behandelt zu werden, jemand der eine Alternative nie kennenlernen durfte (oder kann, weil er von Psychiatrie zu Psychiatrie gereicht wird), jemand der das was passiert, als richtig, als identitätsstiftend, als Teil einer Arbeit an “Höherem” empfindet und sich über die Gewalt definiert (und damit bestätigt, beruhigt und nährt) wird sich hüten einem Therapeuten, Arzt, Sozialarbeiter und was es nicht alles gibt, um den Hals zu fallen und sofort mit dem Ausstieg/ Abbruch beginnen.

und letztlich muss man c) genau überlegen wie, wann und mit wem der Ausstieg bzw der Kontaktabbruch passieren kann.
Hier ist es fundamental, dass der Klient den Weg bestimmt- nicht der Helfer! Um diese Aufgabe zu schaffen braucht es ein Maß an Selbsttrost, Selbstfürsorge, Mut und innerer Kraft, dass von aussen nicht “reingeschüttet werden kann”. Es braucht ein sicheres, starkes, flexibles, soziales Netz und: Gewaltfreiheit als erstrebenswertes (und auch “den Schmerz wertes”) Ziel.

Wir haben inzwischen einige Therapeuten kennengelernt und damit einige verschiedene Herangehensweisen.

Es gab eine Therapeutin, die sich wie eine Löwin vor uns stellte und Menschen aus unseren Zusammenhängen auf den Kopf zu sagte, dass sie den Kontakt verhindert, weil sie erkannt hat, dass sie Täter an uns geworden sind und wir nicht in der Lage waren uns allein vor ihnen zu schützen. Gut- damals waren wir noch minderjährig und waren allgemein eher überfordert mit dem, was hinter unseren Problemen stand. Aber es gibt auch Therapeuten, die sowas machen, wenn der Klient erwachsen ist. In so einem Fall handelt der Therapeut nur nach aussen hilfreich. Sowas wirkt in der Regel wie ein Stück Brotpapier: durchscheinend und nur einmal nutzbar, denn der Rücken der hier breit gemacht wird ist der der Therapeutin- nicht der des Menschen der sich um seinen Schutz bemühen muss. (Ich lasse hier jetzt einfach mal noch die div. Abhängigkeiten und Übertragungen raus die mit sowas einher gehen- es  gibt nämlich oft genug auch “Innenpersonen”, die so einem Therapeuten derartig dankbar sind, dass sie sich bis aufs Äusserste ans Messer liefern würden um so eine Aktion zu vergelten. Oder diejenigen, die das mal so gar nicht wie die Therapeutin sehen…) Hier will der Therapeut in erster Linie (vielleicht auch nur sich selbst) zeigen, dass er nicht hilflos ist und sich wehren kann und seinen Klienten “retten/schützen/bewahren” kann.

Dann gibts noch die: “Sie müssen da sofort raus, sonst…(Therapieende, Beziehungsende, Lebensende…)”- Leute. Ende Ende Ende “Oh Himmel! Wir werden alle steeeerben!!!! Die Welt wird untergehen und wir werden alle nicht mehr sein.”

Sowas finde ich persönlich immer etwas albern und dumm. Natürlich ist Gewalt schlimm. Gewalt zerstört, prägt und krankt. Aber: sie ist überlebbar. Es fühlt sich nie so an. Es dauert immer endlos (im Gefühl). Es ist immer verheerend und schrecklich. Aber: sie wurde überlebt und sie wird es von vielen in der Phase noch immer überlebt. Manchmal muss man das Geschehen so runterbrechen auf diesen einen Satz, sonst wird man noch verrückt von der Angst dieser Leute. Ich weiß nicht wie sich bei manchen Menschen so eine überschießende Panik entwickelt.  (Obwohl naja: alle Therapeuten/ Helfer, die ich mal kennenlernte und die so waren, hatten selbst teils erhebliche eigene Traumata erlebt oder waren allgemein immer total schnell eine “Einheit mit uns” (hatten also im Punkt der professionellen Distanz komplett versagt). Auf jeden Fall vergessen diese Menschen immer eines: nämlich dass es sich bei ihrem Klienten um ein Wesen mit eigenem Denk- und Handlungspotenzial handelt. Dass es Ressourcen gibt. Dass es eine Eigenverantwortlichkeit gibt. Dass diese Klienten leben und dass sie überhaupt zur Therapie/Begleitung erscheinen! (Ich verstehe nicht wie sowas vergessen werden kann: Wie kann der  wohl größte/ “frevelhafteste”/ mutigste/ schonungsloseste/ eigenverantwortlichste Schritt den der Multiple bis zu dem Zeitpunkt jemals gemacht hat- nämlich den sich Hilfe zu holen, obwohl er nie Hilfe erhalten hat (also ein Verhalten, dass sich bis dato nie als “richtig” oder (mit angenehmer) Konsequenz beladen erwiesen hat), einfach vergessen werden? Wie passiert es, dass diese Tatsache nicht erstmal in aller Ruhe gewürdigt und als positive Ressource “festgetackert” wird?

Meiner Meinung nach, schürt so ein Verhalten von Helfern grundsätzlich die Abhängigkeit des Klienten und untergräbt bzw verhindert von vornherein die Entwicklung des “Für sich selbst eintreten”-Könnens. Wir haben uns phasenweise auch total auf solchen Menschen ausgeruht (teils erwische ich sogar nachwievor “Innenpersonen” die das tun bzw. zu tun gedenken). Aber sowas macht klein (“Ich bin zu klein/ zu schwach/ zu ohnmächtig/ zu hilflos/ zu krank, um XY zu tun”- das ist ein Phrasencocktail von früher: “Ich bin zu klein um mich zu wehren”; “Ich bin zu schwach um zu schreihen”; “Ich bin ohnmächtig und kann gar nichts tun”; “Ich bin hilflos und kann nichts ändern”; “Ich bin zu krank um ein Opfer zu sein (ich bin schon immer so) “ Das sind innere Wahrheiten, die nichts in der Gegenwart zu suchen haben- Helfer ganz allgemein, sollten ihre Klienten in der Trennung von Früher und Heute unterstützen- nicht ihnen das Gefühl geben, dass diese Wahrheiten nachwievor gelten (müssen- sonst wäre es ja nicht so wie es ist).

Die nächste Variante der Ausstiegsbegleitung ist das Vorgehen nach Lehrbuch. (Wobei- ich mir nicht vorstellen kann, dass das was ich gleich beschreibe wirklich irgendwo genau so steht).     Kein Telefon, kein Handy, kein Internet, keine Post, keine eigene Wohnung, kein eigenes Konto, ausschliesslich eigenes Eigentum (also keine Geschenke oder so) keine Kontakte ausser therapeutisch wertvolle; dann klappt das schon mit dem Ausstieg.

Über sowas kann man eigentlich mal herzlich lachen. So ein Vorgehen ist lebensfern und abhängigkeitsschürend. Es kann hilfreich sein abgeschottet zu sein, wenn massives Stalking, offene Bedrohnung und direkte Gefährdung von Leib und Leben vorliegen. Logisch. Als ERSTLÖSUNG kann es wirklich gut sein, sich erstmal zu fangen, zu sortieren (evtl. mit dem Therapeuten) und Boden unter die Füße zu bekommen. Daran gibts nichts zu rütteln. Aber: es gibt Menschen, die meinen für Menschen aus dem organisierten Verbrechen oder sadistischen Gruppierungen sei dies die einzig wahre Möglichkeit einen Abbruch bzw. Ausstieg durchzuhalten und zu schaffen. (Quasi das Eremitendasein als einzige Möglichkeit sich zu befreien)

Wir haben so eine Phase gehabt. Wir lebten bei einer Freundin und hatten nichts eigenes mehr. Weder mussten wir uns um die Lebenssituation noch um die Seelensituation kümmern. Für 2 Wochen war das wirklich gut und hilfreich. Wir hatten keine sichere Alternative woanders- aber gesucht haben wir auch keine. Nach den 2 Wochen kam die große Depression. So umfassend, dass sogar kleinste körperliche Bewegungen Schmerzen auslösten. Eine weitere Fessel an die Abhängigkeit.
Als es aufwärts ging (nach 4 oder 5 Monaten) waren wir soweit, dass wir uns der Freundin in genau der gleichen Art und Weise verpflichtet fühlten wie den Tätern. Und das bedeutet: auf Gedeih und Verderb.

Nun hatten wir das Glück, dass unsere Freundin nicht doof ist und niemals in irgendeiner Form von unserem Leid profitiert hat. Dass sie einfach nur nicht weggucken wollte. Aber wir hätten auch Pech haben können und uns an jemand anderen binden können. Wo würden wir dann heute stehen? Wir wären eine Art Haustier mit nichts anderem als Lebensrealität als dem was in der Wohnung bzw. im direkten Umfeld selbiger möglich ist. Und vermutlich würde unsere Freundin inzwischen ausgebrannt und unglücklich sein.  Der Preis der Freiheit? Mit nichten!

Das Coole an Freiheit ist, dass sie kostenlos sein muss um als solche zu gelten.

Die letzte Möglichkeit für äussere Sicherheit (durch Kontaktabbruch/ Ausstieg) zu sorgen ist auch die, die uns bisher am Besten geholfen hat, da sie umfassend ist.
Langsam, rational begründet, allein auf uns und unsere Fähigkeiten aufbauend und flexibel.

Es gab bei uns eine Zwinge aus äusseren und inneren Faktoren die immer wieder zu Täterkontakten führten. Da wir einige äussere Faktoren nicht ändern konnten (Ämter bzw. die gesetzlichen Regelungen drum rum und die direkte Abhängigkeit von staatlichen Leistungen etwa) war klar, dass der veränderbare Schenkel dieser Zwinge nur wir selbst sein können.

Wir haben nach dem direkten Akt der Verfügbarkeitsverweigerung gegenüber der Täterschaft alles an Stabilierungsangeboten angenohmmen was sich uns bot. Von Klinikaufenthalten bis Beratungs/Stabilisierungsgesprächen in Beratungsstellen, einer psychotherapeutischen Begleitung und natürlich auch der Freundschaft zu zwei Menschen in unserem Umfeld. Wir haben uns versteckt, wurden entdeckt, haben uns versteckt, wurden entdeckt…. etc Bis wir wirtschaftlich am Ende waren und einfach auch klar wurde: Hallo- die bringen uns dazu immer wieder zu ihnen zu kommen- wir verhalten uns wie Marionetten, dabei gibt es keinen Hinweis darauf, dass auch nur eine der Drohungen wahrgemacht wird bzw wahr gemacht werden kann ohne “aufzufliegen”. Irgenwann drang diese Information zu genug von uns durch, dass wir aufhörten uns zu verstecken, zu verkriechen, Verantwortung bzw Versorgung von Schutzbedürfnissen auf andere zu übertragen. Wir hatten endlich bemerkt, dass wir uns durch die Angst anderer (“Die könnten euch überall kriegen”), völlig irrational zu verhalten begannen. Natürlich fuhren wir auch folgende Schleife: “Ja wenn sie uns überall kriegen können, dann gibt es gar keine Sicherheit- wir sind ausgeliefert für immer!”

Quatsch! Ja: es gibt nie 100%ige Sicherheit. Ja: Man kann immer gefunden werden aber Nein: Deshalb ist man aber nicht (schutzlos) ausgeliefert (wie früher)!

Wir sind inzwischen an einem Punkt an dem wir sagen: Es ist egal wie oft und in welcher Form Täter mit uns Kontakt aufnehmen- wichtig für unseren Schutz ist nicht, wie wir uns fühlen, sondern wie wir uns verhalten! Egal wie verunsichert wir sind, egal wie groß der Drang (eingefolterte Zwang), der Wunsch oder die Liebe zu den Tätern ist: das was zählt ist, wie wir handeln. (Natürlich spielt hier eins ins andere rein und so strikt wie die Trennung nun bei uns ist, war sie früher auch nie. Und ganz sicher ist das nicht der Topf am Ende des Regenbogens!). Wir haben noch nie mit täterloyalen Anteilen arbeiten können. Das war bisher nicht möglich und ich denke im Moment ist es auch genau gut so. Mit diesen Impulsen umzugehen erfordert denke ich sehr viel mehr inneren Zusammenhalt und der hat sich bei uns erst in den letzten paar Jahren entwickelt. Irgendwann werden wir es sicher aushalten können zu sehen, was geschehen ist und irgendwann werden wir sicher auch aus dem rational wahrgenohmmenen “XY ist ein Täter” ein gefühltes und angenohmmenes “XY ist ein Täter- ganz echt und wirklich” machen können.

Aber das steht für uns nicht an erster Stelle (was manche Therapeuten ganz fürchterlich finden- doch wie gesagt: Der Klient muss bestimmen was wieso und wann angegangen wird. Es bringt nichts wenn der Therapeut sehr viel (naürlich verständliche, nachvollziehbare und berechtigte) Angst hat, diese auf seinen Klienten überträgt und dieser versucht eine (aber nicht seine!) empfundene Angst zu beschwichtigen (zum Beispiel mit div. “Ausstiegsmanövern”)- aber mit den Folgen (z.B. massiven Suizidimpulsen, Panikattacken, Schlaflosigkeit etc.) nicht auch allein zurecht kommen kann. Die Therapie der Wahl bei Multiplen ist die ambulante Psychotherapie- wenn der Klient aber von Krise zu Krise taumelt, kann der Therapeut ihn nicht mehr auffangen. Die Arbeitsbeziehung leidet (“Meine Klientin saugt mich aus”; “Mein Therapeut hilft mir gar nicht“ (mehr)” ) und wo endet so eine Schose im Allgemeinen? Für beide nicht im Bereich des Befriedigenden. (Wir haben uns am Ende von sowas in der Intensivstation wiedergefunden- die Helferin musste sich wegen Burn Out in Behandlung begeben).

Anerkennen, nachdenken, hinfühlen und dann geplant und kleinschrittig handeln (lassen)- das war das was geholfen hat. Wir haben Freunde, die auch die Täter anerkennen- sich aber nicht einschüchtern lassen, haben therapeutischen Kontakt, der das genauso handhabt und haben so die Möglichkeit genau diese Einstellung bei uns selbst zu verfestigen.

Wir hatten immer als grundsätzliches Ziel, dass wir wissen wollen wie “Leben geht”. Nicht: “endlich Ruhe (vor Symptomen, Ängsten, der eigenen Geschichte) haben”. Entsprechend waren die Therapieziele eher die Integration von Alltags”personen” um am Leben mit anderen (unbelasteten) Menschen überhaupt erstmal teilnehmen zu können (und nicht permanent wie ein Kaninchen vor der Schlange zu hocken z.B. wenn einfach nur ein Passant nach der Uhrzeit fragt, die Kassiererin im Supermarkt den Lebensmittelpreis sagt, die Straßenbahn voll ist, der Lehrer jemanden an die Tafel bittet…).

Dieses Ziel hätten wir auch mit noch bestehendem Täterkontakt erreichen können. Aber so wie wir es jetzt gelöst haben ist es perfekt- für uns! Es ist innen klar, dass es kein Zurück mehr gibt- das warum, wieso, weshalb; das tiefe Gefühls-Identitätschaos dazu wird seinen Platz bekommen- aber erst wenn wir es auch komplett (er)tragen können.
Bei all dem haben uns immer mehr die Helfer und Therapeuten geholfen, die nicht retten wollen, sondern begleiten und damit helfen.

Ein paar Hinweise für Betroffene, die sich durch Ämterdschungel, emotionale Abhängigkeit, ökonomische Abhängigkeit, physische und psychische Abhängigkeiten nicht in der Lage sehen “einfach zu gehen”:

Es gibt den “weißen Ring e.V.” der Opfern von Kriminalität hilft- auf verschiedene Art und Weise. Dazu gibt es in fast jeder Stadt eine (psychologische) Frauenberatungsstelle. Hilfreich kann ein Gespräch mit einem Mitarbeiter schon allein deshalb sein, weil man sich schon damit signalisiert: “Ich kümmere mich jetzt um mich.” Völlig gleich ob dann direkt eine lebensverändernde Wende erreicht werden kann oder nicht: Irgendwo innen bemerkt irgendjemand oder irgendwas, dass sich gekümmert wird.

Anrufen, hingehen, gucken wie es sich anfühlt.
Erwarte keine Retter- erwarte Begleiter!

Weiterhin kann es hilfreich sein sich mit den Statuten rund um Hartz4, Integrations- und Eingliederungshilfen auseinander zu setzen. Oft genug wird der Datenschutz verletzt, Antragssteller beim Jobcenter auf Abläufe verwiesen, die in akuten Notsituationen nicht angezeigt sind (z.B. kann ein Antrag auf Hartz4 bzw. die Gründung einer eigenen Bedarfsgemeinschaft nach Trennung vom gewaltätigen Ehemann mündlich bzw. formlos und sogar ohne Termin erfolgen und entsprechend auch zügig eine Einmalzahlung zur Sicherung des Lebensunterhaltes) oder auch Hilfen nur gezahlt wenn eine Bindung zu dem Ort in dem man zur Zeit des Antrags lebt bestehen bleibt. Man braucht für diese Dinge wirklich starke Nerven und die hat man schlicht nicht immer. Ein Gang über eine gesetzliche Betreuung oder die Zusammenarbeit mit einem SozialARBEITER (keine Sozialpädagogen!) oder auch einem Sozialverband lohnt sich also immer. (Wir kennen sogar jemanden der mal sagte: „Teils war ich richtig dankbar einen Widerspruch nach dem anderen verfassen zu müssen und dem Amt so richtig in den Arsch treten zu müssen- es war ein guter Einstieg erstmal gegen das Amt zu rebellieren. Statt gleich mit den Tätern zu beginnen“)

Ich wünsche allen die heute noch Gewalt erleben müssen ihren persönlichen Moment. Den Moment in dem die Erkenntnis: “Das will ich nicht mehr!”, das erste Mal aufblinken und sich aufmachen kann von etwas in ihnen genährt zu werden. Um letztlich zu einer Kraft zu werden, die über viele emotionale Täler hinwegtragen kann.

Bis zu diesem super coolen Sonderangebot, dass es kostenlos und überall auf dieser Welt geben kann:

Freiheit

Das Gehirn ist keine Entschuldigung

Die Menschen, die mich (auch als uns) kennen, wissen, dass ich mich sehr für die Bewältigungs- und allgemeinen Verarbeitungsmethoden des menschlichen Gehirns interessiere.

Es gibt inzwischen viele (populär)wissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema und obwohl diese Herangehensweise vergleichsweise neu und ganz extrem reichhaltig an Möglichkeiten ist Erklärungen zu finden und Schlüsse zu ziehen erlebe ich es immer mehr so, als würde dieser Wissensschatz der sich hier vor uns Menschen zeigt als Blanko-Entschuldigung missbraucht werden.

Gewalt erlaubt keine Entschuldigung.

Opfersein erlaubt keine Entschuldigung.

Keine unserer Möglichkeiten zwingt Menschen dazu

a) Gewalt auszuüben

b) Gewalt zu negieren oder zu bagatellisieren

c) weiter zutragen

Ich frage mich, wenn die Folgen von Gewalt in der Öffenltichkeit, teils sogar vom Staat gefördert (z. B. durch direkte Gesetze, die Täter schützen und Opfer in Beweispflicht zwingen oder schlicht durch Schweigen und Nichtstun) immer wieder umerklärt werden, immer wieder neu entschuldigt werden, wie soll sich jemals etwas ändern?

Und wo kommt es her dieser Drang das Tun der Anderen immer wieder zu erklären mit etwas was scheinbar ausserhalb der Verantwortung und dem direkten Einfluss desjenigen liegt?

Warum wird auf die simple Frage: Warum hast du mir Gewalt angetan?  immer wieder ausgewichen?

Wieso müssen wir uns alles was uns Menschen in irgendeiner Form verletzt, einschränkt, bis zum Tod zeichnet so weit von weg abstrahieren, dass der Ursprung nicht mehr zu sehen ist? So sehr, dass einem jede Antwort wie nichtiges BLABLA erscheint.

Sind wir so feige geworden?

Es doch noch nicht lange her, da die Köpfe der Feinde weithin sichtbar an den Stadtmauern aufgespießt wurden. So eine Botschaft ist grausam, wie der Mord selbst. Sie ist unmissverständlich- sowohl was den Grund angeht (“die sind in unsere Stadt gekommen und waren nicht willkommen”) als auch die Strafe (“wir haben sie umgebracht und ihre Gesichter verkünden, dass ihre Freunde nicht willkommen sind”).

Wieso hat sich aber ausgerechnet die Perversität der Hexenverfolgung (oder wie sie nenne “die erste öffentliche Folter aus Frauenhass, genannt “Inquitision”) diese Option des Folterns und Quälens und des auferlegten Schweigens darüber, erhalten?

Die Antwort auf solche Fragen gibt uns unser Gehirn nicht.

Solche Antworten müssen wir (Opfer)  in uns selbst finden. Und das meistens noch wie jemand der auf Schatzsuche ist und dies geheim halten muss.

Es gibt Verbündete- ja: Die Therapeutin die einen begleiten und die wie ein gelehrter Professor gelten kann bis zum (in dieser Methaper) Tode (ausserhalb dieser Methaper: bis die Krankenkasse nicht mehr zahlt und auch nicht mehr zahlen muss weil der Gesetzgeber dieser miese gemeine Sack, dass so bestimmt hat).

Diese Suche tut ziemlich weh. Manchmal stößt man auf einen kleinen “Subwissens”-Schatz ( zum Beispiel Frauenverachtung und seine Geschichte) aber sehr viel häufiger stößt man doch wieder auf einen Sumpf. Einen Sumpf aus pseudowissenschaftlicher Erklärungswut und dem Märchenerzähler, der Geschichten erzählt  vom Gehirn welches Böses tut und dabei Spaß hat und welches aber auch nur so ist, weil es früher Opfer war.

Es macht mich unglaublich wütend.
Was soll dieser Hohn über die Opfer?! (Wieder: schön abstrahiert, damit ihn niemand als solchen erkennt, sondern voller Lob jenem Märchenerzähler zujubelt und noch mehr Geld für weitere Forschungen dieser Art zuschustert.)

Wo bleibt der Widerspruch?

Selbstgeburt/ Fusion/ Integration

Also entweder habe ich mich gerade selbstgeboren (im Traum) oder bei uns innen sind zwei zusammenge“wachsen“.
Ich bin nach dem Mittagessen eingeschlafen, was mir sonst nur in sehr anstrengenden Zeiten passiert und habe geträumt.
Es war sehr schön und ruhig. Hatte viel mit meinem Körper und meiner Seele zu tun. Aber auch mit (Ur)gewalt, Ohnmacht, Hilfe, Solidarität, Leben und Schutz.
Jetzt bin ich wach und fühle mich seltsam schwach und stark gleichzeitig.
Ein bisschen so als wäre ich gerade von einer langen schweren Reise zurück- könnte aber gleich sofort aufstehen und das Gleiche nochmal machen.
Innen summt es und mir fehlt eine Person die sonst immer in mittelbarer Entfernung von mir stand. Aber ich merke sie noch. Also weg ist sie nicht. Aber sie ist nicht mehr so da wie sonst.
Das ist gerade wirklich komisch hier alles.
Aber irgendwie doch auch passend zu dem Bild, dass ich im Traum gesehen habe. Es ist ein Motiv, dass ich auch von irgendwoher schon kenne. Ein Oval,in dessen Form ein großer Mensch um einen kleinen Menschen herum ist.
Eine künstlerische Sprache für „Leben“.

Monotrauma bei Menschen mit DIS

Ob es nun am Trauma um Edna liegt oder eine blöde Konstellation von Zufällen ist: unsere Kraft neigt sich dem Ende zu.
Heute morgen wurde NakNak* von der ausgewachsenen Boxerhündin der Nachbarin angegriffen. Nun sind wir fertig.
Vor ein paar Tagen war NakNak* bei dem Pferd, dass Edna getötet hat. Wir waren ausser uns.
Heute spürte ich zum ersten Mal ganz genau, wie Dissoziation bei uns funktioniert.
Das Ereignis passiert die anderen Innens sind von mir abgetrennt- was sich irgendwie, wie ein schnelles Garagentor anfühlte
und meine Gefühle sind weg
Ich frage mich, ob es doch stimmt, was mir vor langer Zeit geschrieben wurde. Ich habe keine eigenen Gefühle. Meine Emotionen werden von jemandem innen „freigegeben“ oder eben auch nicht. Ist es das, was mich jetzt gerade nichts hat fühlen lassen, als NakNak* schreihend am Boden lag?
Ich spüre, dass der Körper heftig reagiert. Dies ist schon der zweite Tag an dem ich nicht zur alten Dame kann, weil ich mit Übelkeit und Durchfall zu kämpfen habe.
Die Essstörung freut sich natürlich und nimmt wieder mehr Platz ein.
Was für mich enttäuschend ist: es gibt keine Informationen zum Thema des Monotrauma bei Menschen mit DIS.
Führt mich der Weg der Erkenntnis wieder nur durch das Innenleben? Ist das wieder etwas, das bei jedem anders ist?
Ich habe den Kontakt zu D. eingeschränkt. Ich bin auf dem Weg mich von ihm abzukapseln.
Er weiß nicht, was er machen kann. Ich weiß es auch nicht. Ich werde ihm gegenüber immer gleichgültiger und gereizt. Kommt es von mir oder von innen?
Ich bin mir überhaupt nicht mehr sicher, was ich bin.
War ich von Anfang an nur eine neutrale „Scheinperson“? Nein- dazu kann ich zuviel denken.
Draussen ist meine Nachbarin mit den beiden Hunden im Garten.
Wir wollten heute das Erbsenbeet umhacken. Es wäre schön gewesen, wenn NakNak* dabei auch hätte draussen sein können.

Menschsein


„Jeder individuelle Mensch trägt der Anlage und Bestimmung nach einen reinen idealischen Menschen in sich, mit dessen unveränderlicher Einheit in allen seinen Abwechslungen übereinzustimmen, die große Aufgabe seines Daseins ist“ (Schiller)

„In der natürlichen Ordnung sind alle Menschen gleich; ihre gemeinsame Berufung ist: Mensch zu sein. Wer dafür gut erzogen ist, kann jeden Beruf, der damit in Beziehung steht, nicht schlecht versehen. Ob mein Schüler Soldat, Priester oder Anwalt wird, ist mir einerlei. Vor der Berufswahl der Eltern bestimmt ihn die Natur zum Menschen. Leben ist ein Beruf, den ich ihn lehren will. Ich gebe zu, dass er, wenn er aus meinen Händen kommt, weder Anwalt noch Soldat noch Priester sein wird, sondern in erster Linie Mensch. Alles, was ein Mensch zu sein hat, wird er genau so sein wie jeder andere auch; und wenn das Schicksal ihn zwingt, seinen Platz zu wechseln, er wird immer an seinem Platz sein.“
(Aus: Jean-Jacques Rousseau: Émile oder Über die Erziehung, ‚Reclams Universal – Bibliothek‘)

Zum Menschsein gehört so viel.
Ich habe mich in der letzten Zeit oft damit befasst. Und musste feststellen, dass wir kein vernünftiges Selbstverständnis von uns als Mensch haben.
Wir sehen uns als „Anwesend“.
Tatsächlich sehen sich die meisten von uns eher adjektivisch, vielleicht noch partizipiell.
Einfach „da“ mit diversen Eigenschaften. Doch als Mensch in all seinen Facetten nicht.
Zu dem Thema kamen wir als wir uns einer Gruppe im System anzunähern versuchten.
Es ist eine Gruppe von traumatragenden Innenpersonen, die, wenn sie den Körper übernehmen (müssen bzw. früher mussten) in hundisches Verhalten verfallen. Wir bedienen uns der These, dass dies ihr Weg war, sich den Lebensumständen und den Anforderungen von Aussen anzupassen um unser Überleben zu sichern.
Im Innern „sehen“ wir sie als Tiere. Ob sie sich selbst so wahrnehmen wissen wir nicht.
Es ist doch die Frage, ob sie es können.
Kann ein Mensch sein Selbstverständnis verlieren?
Ist die Überzeugung Mensch zu sein ein Teil dessen, dass uns mit dem Aufwachsen mitgegeben wird? Oder sollte man von Wissen sprechen?
Wenn wir die Worte Menschenwürde, Menschenrechte, Menschlichkeit lesen, beziehen wir sie nicht auf uns. Wir haben keine Würde, keine Rechte und was Menschlichkeit ist, können wir für uns nur schwer definieren.
Betrachten wir die Körperbiologie so spricht man von der Gattung „Mensch“, Homo sapiens, mit den Primaten verwandt.
Da wir in diesem Körper- der uns, obwohl wir in ihm sind, so fremd vorkommt wie eine Kostümierung, durch das Leben trägt- stecken, erfüllen wir anscheinend schon alle Kriterien Mensch zu sein.
Doch betrachtet am Selbstverständnis sind wir lediglich existent. Genauso wie alles was uns umgibt.
Ich schrieb schon, dass wir versuchen U. das Leben nahe zubringen.
Unser Leben- das was wir als schlicht „hinnehmend“ annehmen und lediglich „anwesend“, „da“ zu meistern versuchen.
Die Frage stellt sich, ob es ein richtiges Selbstbild braucht, um das Leben als Mensch zu leben.
Wie dieses Selbstbild sein sollte bzw. in unserem Fall sein kann.
Wir haben viele verschiedene Arten zu leben überlebt.
Eingesperrt wie ein Tier unter Tieren.
In einem Haus mit allem Komfort doch mit Seelenmördern im Nebenzimmer.
In Psychiatrien, in denen Autonomie und eigenes Denken unterdrückt wurden.
Umgeben von wechselnden Ideologien und Machtdemonstrationen.
Und nun das hier.
Selbstständig, verantwortlich für Haustiere, mit Kontakten zu Menschen, die uns zur Seite stehen, uns nicht verletzen möchten und denen wir so gut wir können die Hand reichen.
Letztlich habe ich viel geschrieben, obwohl ich lediglich einen Punkt formulieren wollte:
Sind wir ein Mensch, obwohl wir uns nicht als einer verstehen?
Wenn es nach unserem Selbstverständnis geht, so sind wir nur existent.
Im Grunde die letzten pulsierenden Fasern einer Seele, die zerrissen und in alle Winde geworfen wurden.
Wieviel Mensch können wir noch sein?