Skill Regression

Das klingt wie ein langsamer Prozess. Jeden Tag ein bisschen weniger Skill. Tatsächlich aber ist es jeden Tag ein weiterer Skill, eine weitere Fähig- oder Fertigkeit, die ich nicht mehr zuverlässig abrufen kann. Die mich einfach verlässt und vielleicht, vielleicht aber auch nicht, wiederkommt.

Dazu gehören sichtbare Dinge – ich fahre im Moment so Auto, als hätte ich erst eine Fahrstunde gehabt – die sich aus dem Verschwinden unsichtbarer Dinge ergeben – ich komme mit der Reizverarbeitung nicht hinterher. Kann meine sozialen und meine Verhaltens-Skripte weder schnell genug aussuchen, noch prüfen, noch sicher mit der aktuellen Kommunikation und Situation in Einklang bringen.
Ich bin im Moment überwiegend wieder auf dem Stand der selbstleeren Reflexantworten aus der allgemeinen Satzbausteinkiste, sobald ein bislang nicht näher definierter Punkt überschritten ist. Und wann der überschritten ist, entscheidet der Punkt von sich aus.
Wieder prozessiere ich die Situationen und Gespräche des Tages mit stundenlanger, manchmal tagelanger Verspätung.

Ich kann keine Probleme lösen, weil ich die geistige Zusammenstellung der dazugehörenden Komponenten und Möglichkeiten nicht hinbekomme. Stellt mir jemand eine Wie-Frage, leert sich mein Denken, statt dass sich das für mich eher übliche Gedankengebäude aufbaut, in dem ich mich sonst bewege. Je nach Dringlichkeit der Frage breitet sich die Leere bis ins Sprechenkönnen aus und ich komme nicht einmal mehr an meine Phrasenkiste heran. Da ist einfach nichts mehr.

Skill Regression kenne ich bisher nur aus massiven depressiven Episoden.
So empfinde ich mich aber gerade nicht. Ich fühle mich nicht erschöpft und auch nicht depressiv.
Eher verwirrt und ängstlich. Isoliert auch. Mir ist oft langweilig, aber meine offenen Arbeiten sind zu schwer.

Mein Auto ist schon seit Wochen in der Werkstatt. Schwimmen oder ausgedehnte Spaziergänge sind entsprechend abhängig davon, wie ich das Angebot meines Partners mich immer zu fahren, in Einklang bringen kann mit seinem Wunsch nach Ausschlafen und nicht lange auf ich warten müssen. Das ist eine Wie-Frage. Ich schaffe es nicht, sie zu lösen. Mein Partner gibt mir keine Vorgaben, um meine Freiheit nicht einzugrenzen. Also passiert gar nichts. Die Häute in unserem Haushalt sind zu dünn für Streit darüber, wie belastend Strukturlosigkeit für mich ist. Und jedem Streit folgt eine Wie-Frage.

Ich würde gern den Begleitermenschen kontaktieren. Aber mit dem bin ich im Konflikt, weil wir immer nur Kontakt haben, wenn es mir schlecht geht und es sich zunehmend, wie ein Mitleidskontakt anfühlt. Auch wenn er vielleicht keins empfindet. Für mich entsteht dennoch die immer empfangende Rolle und die möchte ich nicht haben.
Jetzt wäre es gut, wenn ich einfach nur empfangen müsste. Aber es würde auch diese Rolle stärken.
Wie-Frage von the horizon, also passiert gar nichts.

Ich versuche mich selber damit zu trösten, dass es noch nicht so schlimm ist, dass ich nicht ständig nach außen so zerfalle, wie ich es innerlich bin. Als die neue Fahrlehrerin zum Beispiel dachte, es wäre eine gute Idee mich mit einem anderen Auto als sonst üben zu lassen. Als die neue Fahrlehrerin in dem neuen Auto passiv-aggressiv auf ihre Enttäuschung über mein schlechtes Fahren reagierte. Als ich in der Fahrstunde eine Panikattacke bekam, weil ich tatsächlich schon vor mir sah, dass sie mir wehtun würde. Als mein Partner nach dieser Fahrstunde sagte, ich sollte es abhaken. Als ich nach Hause kam und Sookie tatsächlich immer noch tot war.

Es ist ein Trost, von dem ich weiß, dass er mich nicht wirklich tröstet, sondern nur versichert.
Aber hey – wenigstens das?