Fundstücke #81 – der erste Autounfall

Es berührte mich nur vage. Traf mich auf der funktionellen Ebene nach dem Schock der Überraschung dem Schock.
Ich fuhr in die Straße hinein und mein rechter Außenspiegel fiel vom Auto. Aussteigen, anschauen, in die Halterung zurückdrücken, nach Hause fahren. Die vergessenen Leinen holen, die Hunderunde wie geplant fortsetzen. Das war am Freitag.
Am Montag kam es dann bei mir an: Streng genommen hatte ich meinen ersten Autounfall durch Nötigung. Mit den Hunden drin, auf einer Strecke, die ich nicht meiden kann, wenn ich Post-, Getränke- und Gartendinge zu erledigen habe.

Es ist eine Schnellstraße. Bis auf das Stück, das ich ebenfalls befahre. Denn das geht durch eine geschlossene Ortschaft, wo man höchstens 50 fahren darf. Was viele nicht machen. Vielleicht, weil es wirklich nur eine Ortschaft ist. Ein Dorf mit Ansätzen von versorgender Infrastruktur. Keine Häuserschlucht, keine Geschäfte, wie auf einer Schnur aufgezogen. Man ist in einer Minute durchgefahren. Auch wenn man nur 50 fährt.

Ich muss die Straße im Grunde nur schräg überqueren. Wenn ich auf sie drauffahre, sorge ich dafür, dass länger niemand hinter mir ist – zumindest so lange nicht, dass es locker möglich ist, von 120 auf die vorgeschriebenen 50 runterzubremsen.
So auch diesmal. Ich fuhr drauf, ordnete mich an der Mitte ein, um nach links abzubiegen und wartete ab, bis der Gegenverkehr vorbeigefahren sein würde. Im Rückspiegel sah ich ihn schon angerast kommen. Viel schneller als 50 km/h, sehr viel größer als ein üblicher PKW, sehr viel schwerer als die 560 kg, die mein Kunststoff-Auto hat.
Da habe ich bereits nichts mehr gedacht. Meine Aufmerksamkeit lag auf dem Rechtsabbieger auf der anderen Spur. Er war der letzte, der mich am Abbiegen – an der Flucht vor dem Raser – hinderte. Dann wackelte auch schon mein Auto. Der Raser hupte, das Geräusch machte mich kurz blind, bevor es mich endgültig aus mir herausriss. Ich folgte dem Rechtsabbieger in die Straße hinein, alle fuhren weiter, als wäre nichts gewesen. Da krachte der Spiegel ab.

„Ja, der wird ihn touchiert haben beim Vorbeifahren – das ist alles komplett abgerissen. Diese Gewinde hier sollten eigentlich da drin sein“, erklärte mir der Automechaniker gestern.
In mir entstand eine besondere Stille. Die, die so weit ist, weil man in einer Angst bestätigt wurde und aufhören kann, darüber nachzudenken. Nicht mehr mit unsichtbaren Eminenzen über die Realität des Geschehens ringen muss, den eigenen Körper aus der Starre lösen kann, die man hält, bis man ganz verstanden hat, dass man nicht mehr in Lebensgefahr ist.

Der Freund hatte sofort nach dem Kennzeichen des Rasers gefragt. Ich habe es mir nicht gemerkt. Was mir in Erinnerung geblieben ist, ist der Gedanke, dass es natürlich schon wieder jemand vom angrenzenden Kreis war, der hier viel zu schnell durchzog. Und dass es selbstverständlich schon wieder so einer mit SUV war. Denn das ist einfach meine Realität hier. Es sind immer die SUVs und immer die, die nur auf der Durchfahrt sind, die sich nicht verlässlich an die Regeln halten und langsamere Fahrzeuge wie meins abgenervt von der Fahrbahn pöbeln wollen.

Er hätte die Hunde und mich töten können. Unser Auto wäre von seinem zermalmt oder in den Gegenverkehr hineingeschleudert worden. Wir hätten keine Chance gehabt.

Wir sind nicht getötet worden. Unser Auto braucht nur einen neuen Außenspiegel. Es ist vorbei. Wir können nicht mehr tun, als wir getan haben. Die meisten Autofahrer benutzen ihr Auto nicht als Waffe.
Mein grundlegend dissoziativer Funktionsmodus hat mir geholfen, nach dem Unfall die Hunde zu versorgen, von dem Vorfall zu erzählen und den Trost des Freundes wahrzunehmen. Am Wochenende über ein schwieriges Thema zu referieren und die Kraft zu tanken, die die Realisierungs- und Wiederherstellungsarbeit erfordert.

Leben ist krass. Normalität hat viele Facetten.