brachial sein üben

Und in den Worten an die Psychotherapeut_innen, die Autist_innen behandeln steht: “Nehmen Sie ihre Klient_in ruhig wörtlich” und hätte ich nicht ein längst leer geweintes Menschenköpfchen würde ich auch diese Seite volltropfen.

“Weil kann man nicht ändern diese scheiß was sie sagen ist unser Leben. Für uns ist wichtig, dass sie wissen und nicht vergessen, wir leben mit Furcht und Angst, mit Überforderung und Erinnern. Immer wenn wir sagen und versichern davon (egal wer, egal wie) sie machen ein Thema und reden eine Ebene davon.  Aber das ist nicht alles. Das ist nicht fertig und wird nicht fertig. Man kann nicht verstehen was man MACHEN soll oder könnte, wenn sie sagen nur „Sie fühlen…“, „Sie denken…“.
Merken sie nicht Unterschied von Verständnis und jemanden verstehen lassen?
Sie lassen uns nicht verstehen. Sie lassen uns verstanden.
Da wo wir stehen lassen sie uns und sagen: „Ich habe Verständnis für sie.“
Das ist schön jemand hat etwas für uns – aber es ist egal für was ist und wo wir stehen“

Wir räumen in der Wohnung herum und schmeißen Dinge weg.
Es gibt zuviel Zeug in unserer Wohnung, in unserem Leben, das uns anstarrt und uns suggeriert,  es gäbe eine Wahrheit, die unserem Erleben und Äußern widerspricht.
Wir werden aber nicht mehr in eine weiterführende Schule gehen. Wir werden aber keine Kinder bekommen, denen wir unsere mitgenommene Baby Born Puppe vererben werden. Wir werden aber H. nie wieder als Gemögte haben. Wir werden aber keine Klassenkamerad_innen aus der Heimatstadt mehr treffen. Wir werden aber nie wieder Klavier spielen. Wir werden aber nie Gitarre spielen lernen. Wir werden aber keine geklebten Puzzles an die Wand hängen. Wir werden aber nie die Fähigkeit bekommen unsere früheren Kunsttherapiesachen zu besprechen. Wir werden aber nie wieder unter 55kg wiegen.

Wir dachten, dass man das so macht. Dass es nicht genug ist, wenn wir die Dinge tun, die wir tun, weil wir sie tun wollen und können. Immer muss irgendwo ein verborgener Wunsch sein – irgendwo muss eine versteckte allumfassende Wahrheit sein, die wir nur nicht mitkriegen, weil wir nicht ganz dicht sind. Oder sie nicht kennen sollen. Weil frühere Gewaltopfer haben sowas.
Wir haben soviel Zeug aufgehoben von dem wir dachten, es wäre später vielleicht mal wichtig.

“Als Option doch gut zu wissen, weil man weiß ja nie und in Wahrheit möchte man es doch auch. In Wahrheit geht man doch davon aus, dass es ein Morgen und ein sicheres Bald gibt und man sich dafür alle Optionen offen halten will.
Du denkst jetzt es ist sinnentleerter Mist, weil du dich jetzt halt aus dem Leben, der Welt, dem Allem rausgerissen und entfremdet fühlst – aber in Wahrheit… aber in ein paar Jahren…”.

In Wahrheit bleibt es sinnentleerter Mist, weil er das schon damals war und man auf eine Wahrheit wartet, die nicht die eigene ist.

Wir werden nie eine Wohnung haben, die wir zum Wohnen benutzen, bis wir nicht verstanden haben, was “Wohnen” eigentlich ist.
Ich habe die besten Ideen, wenn ich mich verletze. Vielleicht weil ich mich in dem Moment auf vielen Ebenen berühre und dabei so roh bin, wie das Innen, das unserer Therapeutin geschrieben hat.

Und sie denken vielleicht ist Traumadummheit weil man will nach Hause ans Meer wo man freie Blick hat und nicht wie hier überall Berg und eng und laut und Leute die ungefragt anreden. Sie denken vielleicht ist Traumadummheit man will ein Baby sein, das erlaubt gar nichts muss oder soll und trotzdem nicht sterben muss – aber vielleicht sind wir nie eigentlich weiter gewachsen als Baby und später einfach eine dressierte Äffchen geworden.
Vielleicht sie haben vergessen, Innens sind Kunststückchen für dass man nicht stirbt.

Menschen machen Wahrheiten, wo sie kein Wissen haben.
Sie wissen nicht, dass wir sie nicht verstehen.
Deshalb glauben sie uns nicht.

Wir üben brachial sein.
Die brachiale Veräußerung, die vor 13 Jahren noch in einer Fünfpunktfixierung und Diazepamspritzen endete.

Autismus und DIS #4

Es gibt diese Tage von denen man nicht weiß, dass es Tage sind. Dieses Sein voll Reiz und Reaktion, ohne irgendeine Dimension, die ihre Hand austreckt und vor dem Ertrinken bewahrt.
Wenn man den Absprung aus dem intrusivem Erleben in die Orientierung hinein nicht geschafft hat, sondern von Impuls zu Impuls springt und froh ist, wenn man einen Fetzen seines Intellekts sieht und sich ver_stehend erlebt.

Wir müssen sortieren. Vor der Flut des Innen und Außen stehen wir. Sind seltsam unberührt, doch Schreie fühlend, die aus dem Inmitten quellen, dringen und drängen wollen.
Man kann nichts damit anfangen, weiß keine Reaktion und am Ende ist der Impuls egal, obwohl er macht, das man kopflos getrieben wird.

Während die einen noch vor dem Wort “Autismus” stehen, als sei es ein Kleid, in das hineinzuschlüpfen, man sich errechnen muss, obwohl die Zahlen im Kopf weh tun, ruft es im Innen nach einer höheren Instanz, die anleitet und beruhigt. Sicherheit, Entlastung schafft.
Andere lauern auf ihren Moment an ihren Projekten zu arbeiten – um ihr Ende finden und genießen zu können, um sich von der helldunkelbunten Masse  des Inneren lösen zu können, die stiert und starrt und dumpf pulsend versucht das eigene Sein möglichst wenig fühlen.

Es ist der Gedanke, die Verheißung, die Idee, ein Sein – ein Sosein zu haben, das nicht impliziert ein So-tun-als-ob-Spiel zu spielen, damit man überleben kann.
Die Idee, dass kein Innen mehr so tun müsste, als wäre es wie die, mit denen sie es zu tun haben. Die Verheißung, aufhören zu können diese eine Kluft zu überbrücken zu versuchen und trotzdem noch zu sein.
Das ist ein Maß an Orientierung, im Hier und Heute, das wir nicht kennen.
Das wir nicht sortieren können, weil es zu viel bedeutet.
Es bedeutet nicht nur anzuerkennen: mein Innenalter, entspricht nicht dem Körperalter; mein Selbst ist von einem fragmentierten Ich (vielen ichs) umgeben und definiert oder “ES und DAS DA ist vorbei” – es bedeutet auch: Die Kluft ist wirklich und das Spiel “So tun, als ob sie überwindbar sei”/ “So tun, als ob sie nicht da wäre”, könnte jetzt aufhören. Ist vielleicht schon vorbei und wartet darauf, dass auch wir aufhören.

Es bedeutet Gespräche für andere genauso anstrengend wie für uns zu machen.
Indem wir aufhören so zu tun, als würden wir wissen, was das gegenüber meint. Indem wir schweigen, wenn eine Antwort von uns bedeuten würde, sie wäre unbefriedigend eingedampft für uns – aber bereichernd und inspirierend für andere. Indem wir äußern, wann wir verwirrt sind, uns gestört, bedroht, unberührt fühlen.

Es bedeutet Alltagsgewalt an uns zu unterlassen und uns in der Folge nicht mehr zu Konventionen zu zwingen, die uns unsinnig und schmerzend erscheinen.
Es bedeutet zuzulassen, dass das Konzept von innerer und äußerer Sicherheit, die Gewalt an uns bedeutet, die wir wahrnehmen doch bis heute nicht nach außen getragen haben, weil die Norm es nicht gern hat, normativ genannt zu werden.
Es bedeutet Selbstfürsorge als so schwer und überfordernd sichtbar zu machen, wie wir sie erleben.

Es bedeutet ein Zugeständnis an die Alleinigkeit, den Autismus als Lebensform, vor dem man sich verschlossen hat, weil unsere Gesellschaft die Alleinigkeit mit Einsamkeit, mit Asozialität und darüber mit Anormalität verbunden hat und so tut, als wären Kluften, wie die über deren Überwindung wir uns schon unser ganzes Leben lang aufrauchen,  schlicht inexistent, weil nur wir sie spüren.

Es bedeutet ein Zugeständnis an den Unterschied zwischen der Einsamkeit der Opfer und derer, die Opfer waren und der Einsamkeit, die sich aus Inkompatibilität und Lügen_leben ergibt.
Es bedeutet die Anerkennung einer Isolation, die beides ist: Entlastung und Auslieferung

Es bedeutet: Dinge werden sich verändern.

danach

“Hm, wollte ich am Ende eigentlich nicht eher fragen, ob sie uns jetzt anders sieht?”, frage ich mich und betrachte das rote Ampelfigürchen auf der anderen Straßenseite.  “Vor allens hast du vergessn zu fragen, ob sie uns jetz trotzden noch gern hat”, denkt es durch meinen Hinterkopf hindurch.

Die Ampel schaltet, ich zupfe ihm am Denken. Er stößt das Rad an und rollt über die Straße.
Während er und sein Begleiter sich bemühen, nicht im warmen Gegenwind zu versinken, drehe ich mich um.
“Das habe ich nicht vergessen. Die Frage ist irrelevant.”. Das Mädchen schüttelt den Kopf. “Stimmt nich.”, schiebt es hervor, “Es ists megaobersuperwichtig!”.

“Äh ja.”, ein Innen mit gekräuselter Stirn stützt sich auf den Kopf des Kinderinnens und wackelt mit seinen Fingern vor dessen Augen herum.  “Voll wichtig. Ph. Voll peinlich!”. Es fuchtelt mit den Armen durch meine Konzentration und ich merke, wie sich meine Ränder auflösen.

Ich verlasse die beiden und setze mich in den Fahrradkorb.
Der Wind streichelt mich und einen Moment lang bin ich gar nicht da.

Wir warten erneut vor einer Ampel und ich denke an Abendbrotgespräche.
Meine Mutter fragte, wie es im Kindergarten war. Mein Geschwist konnte nichts erzählen. Später verstand sie, dass es erzählen konnte, was es zu essen gab, wenn sie es aufzählte.
“Kartoffeln, Reis, Nudeln oder Suppe? Gemüse oder Fleisch? Pudding, Jogurt oder Obst?”.
Ich weiß nicht mehr, was ich auf die Frage antwortete. Ob sie mir gestellt wurde.

Ich denke darüber nach, ob das Erinnern daran, etwas verändern würde. Denke, dass es vielleicht diese Dinge sind, die Menschen, wenn sie in einer Familie erwachsen werden, einfach wissen, weil sie manche Geschichten und Begebenheiten immer wieder mal hören.

Was ich am Klarsten von dem, was ich in meinen Eltern bewegt habe, erinnere ist:
1) die Frage, ob mir klar ist, was ich ihnen mit meiner “Krankheit” antue
2) “Wir wussten ja nicht, ob wir dich am nächsten Morgen tot im Bett finden würden”

Er streckt die Hand aus, um sie durch einen Busch, dessen belaubte Äste auf den Weg ragen, gleiten zu lassen.

Ich glaube, meine Eltern sind sehr hilflose Menschen gewesen. Vielleicht sind sie es heute weniger, weil die Probleme, bei denen sie Hilfe – gute umfängliche Hilfe – gebraucht hätten, von ihnen wegkompensiert sind.

Die Kleine baumelt kopfüber in meine Gedanken hinein.
”Kannst ruhig weinen, wenn du willst. Is oke.”. Sie schaut einem Reiher hinterher, der über uns hinweg durch die Luft gleitet.

Ich überlege und merke, dass ich nicht weinen will.
Ich will eine Familie. Eine äußere Mehrsamkeit  zum erwachsen werden. Zum Aushalten des Umstandes erwachsen zu sein und doch noch immer weiter zu wachsen.

“Du willsts, dass dich jemand auch gern hat und bei dir is, ne?”, sie piekst mit ihrem Finger auf meinen Kopf und setzt sich dann neben mich.
Wir halten unsere Gesichter in den Fahrtwind und hören seinem wohligen Brummen zu.

“Bisschen is das schon wie Familie, wenn man weiß, da sinds welche Leute draußen, die haben einen gern.”. Sie hebt eine Augenbraue und öffnet sich vor mir, bis ich ihr Herz sehen kann.

“Wenn du willst, frage ich sie nächste Woche, ob sie uns trotzdem noch gern hat.”.
Sie lächelt und hält mir ihre Hand hin.

Aufräumen

Manchmal ist Aufräumen eine Option.
Leben, das bedeutet ein wogendes Meer und irgendwo sammelt sich immer etwas, das man Treibgut nennt, doch heimlich als wichtige Schätze behandelt.

Ein, zwei Notenblätter hier, ein zwei Kompositionen da.
Ein Übungsheft fürs Piano, eins für die Gitarre.
Ich habe nie ein Instrument gespielt.
Aber.

Ein noch nicht entwickelter Farbfilm auf einer Spule. 4 Fototaschen mit Daten zwischen 1995 und 2002.
Eingefangene Bildergeschichten aus einem fernen, fremden Leben.
Man muss sie behalten, weil ihr Verlust das Herz zerreißen würde.
Auch, wenn man sie nie öffnet.
Weil.

Die Hände werden rau und staubklebrig.
Kopien, Flyer, Berichte, liebe Grüße an E.
Alle falsch adressiert.
Außer der kleine Schlüsselanhängerbär.
Der ist von Oma.

“Packst du unsere Sachen?”, fragt sie und zupft an meinem linken Sehnerv.
Sie legt den Kopf schief. “Willst du weglaufen?”.

“Nein.”, antworte ich, “Ich erleichtere uns nur ein bisschen”.

Wir stehen zur Trauerfeier vor den Mülltonnen und stellen uns vor, wie der feine Nieselregen das Weinen ist, zu dem ich im Moment nicht komme.

Aufräumen ist eine Option, wenn ein Neuanfang nicht geht.

Autismus und DIS #2

Während mir der Schweiß an den Schläfen herunterrann, hörte ich dem Psychologen zu, der mir Zahlen sagte und diese in einen Zusammenhang setze.
Die Erde drehte sich, mein Herz klapperte im Brustkorb und in meinem Hinterkopf saß ein Typ mit einer 4-saitigen Gitarre.
Mein Heuschnupfenmittel und der von einem Hitzegewitter in der Nacht verursachte Schlafmangel, hielten mich gedämpft umherschwebend in der Mitte des Da und alles war in Ordnung.

Beziehungsweise hätte in Ordnung sein können, denn eigentlich ist nichts mehr in Ordnung seit gestern morgen.
Seit gestern morgen weiß ich, dass die Ergebnisse der Fragebögen und des Interviews auf ein Vorliegen von Störungen auf dem autistischen Spektrum zeigen.

Asperger-Syndrom, Asperger-Autismus, Autismus, ASS – ein Wesenszug, eine neurologisch spezifische Entwicklung, die anders ist als bei anderen Menschen – eine Behinderung, eine Krankheit… So richtig eindeutig ist für mich eigentlich gar nichts im Moment.

Es verwirrt mich nachwievor, dass ich meine Reizfilter- Kommunikations- und Interaktionsprobleme schilderte und dann psychologische Testfragebögen ausfüllen musste, um das eventuelle Vorliegen einer neurologischen Entwicklungsform zu überprüfen.
Die Schwierigkeiten erscheinen mir einfach nicht seelisch – obwohl es auch noch keine Antwort auf die Frage gibt, was “die Seele” in unserem Fall eigentlich ist.
Vielleicht müssten wir uns fragen, wer von uns “die Seele” ist. Oder war.

Ich bin versucht, dem Impuls in mir zu folgen, der mich anbrüllt, wie dumm es war den Test zu machen, denn ich hätte mir ja denken können, dass das Ergebnis positiv sein würde, weil _jeder_ Test auf A-Normalität – jeder Beklopptenscan an mir nur positiv sein _kann_.

Daneben äuge ich mich selbst argwöhnisch an und frage mich, ob ich diesem Impuls vielleicht nur deshalb folgen möchte, weil noch kein anderer da ist, auf den ich wirklich klar komme.
Und daneben frage ich mich, was mit mir nicht stimmt, weil doch jetzt eigentlich nur bestätigt ist, was uns schon lange immer im Kopf schwirrte: das Gefühl anders zu sein – auch anders anders als andere, die anders sind.

Und neben mir steht dieses hämisch abfällige Lächeln, dass mich nach dem “Und jetzt” fragt, auf das ich keine Antwort habe, weil der Psychologe mir keine geben konnte.

Ganz eigentlich hatten wir ja nur geschaut, ob es Möglichkeiten zur Förderung von hochbegabten Erwachsenen gibt, die einfach irgendwie so komisch sind, dass sie nicht dauerhaft mit anderen Menschen umgehen können.
Und dann war da dieser Blogartikel und das What the fuck?!-Moment, in dem wir einander anschauten und dachten: “Wären wir nicht viele – wären wir vielleicht diese Person.” und dann stand dort einfach der Begriff des Autismus im Raum und passte zu so vielen Aspekten, die sich einfach, trotzdem allem irgendwie doch nie “verwachsen” und “fertig entwickelt” haben.

Es gibt kein “Und jetzt” für uns.
Die Diagnose steht, genau wie die Hochbegabung und die DIS, auf unserem Zettel und bedeutet rein gar nichts, wenn wir niemanden finden, der uns glaubt, dass es etwas für uns bedeutet.

Scheinbar werden in unserer Welt weder Hochbegabte noch Autist_innen je älter als 18 Jahre, leben außerhalb von ihren Herkunftsfamilien (in Armut und außerhalb akademisch/wissenschaftlicher Kontexte) und brauchen dann noch Unterstützungen, die nicht auf eine Anpassung ans Außen abzielen, sondern auf eine Linderung des Leidensdrucks.

Seit gestern denke ich darüber nach, ob ich vielleicht ein bisschen weinen möchte, weil ich glaube, dass ich mich bemitleide.
Ich denke, dass ich mir wirklich leid tue, weil ich alleine bin mit etwas, dass ich noch weniger teilen kann als das, was uns hat viele werden lassen.

Und gleichzeitig denke ich: “Ey, wir teilen das schon so lange mit – wir sagen doch schon immer immer immer wieder, dass wir die Menschen einfach nicht verstehen. Dass wir an manchen Tagen absolut keine Haut haben und das nichts mit Traumareaktionen zu tun hat, sondern irgendwie einfach mit etwas was halt irgendwie einfach nur so DA ist. Dass da manche Dinge einfach anders sind. Anders anders einfach.”

Nur, dass ich das als Teilen einer Lebensrealität verstehe und der Rest der Welt als Mahnmal an die Schlechtigkeit und Abgründe der Gesellschaft, als Imperativ oder aufrüttelndes Irgendwas – oder schlicht als Blog mit Message, das der Menschen Horizont erweitern soll, ist halt auch da.
Ist einfach als ganz grundlegendes Missverstehen da und nicht zu ändern oder zu berichtigen, weil ich einfach nicht verstanden werde.
Weil das einfach so ist und für niemanden außer mich ein Problem ist.

Ich hatte gehofft, ich könnte Dinge erfahren wie “Wie macht man, dass Menschen aushaltbarer sind?” oder “Wie macht man, dass man verstanden wird?” oder – total profan: “Wie macht man, dass Essen, Situationen, Szenen mit Menschen drin nicht komisch gucken?”. Vielleicht hab ich das Wissen darum irgendwie als Belohnungsleckerchen nach den schwierigen Fragebögenfragen, an mich gedacht und bin nur traurig, dass ich in diesem Denken enttäuscht wurde.

Ich weiß es nicht.

viele sein?

~ Fortsetzung ~

Eigentlich ist die Fragestellung “Bei mir wurde eine DIS diagnostiziert – was jetzt?” wichtig und gut. Leider wird sie selten so offen und breit gestellt, dass es Raum zum Austausch außerhalb bestimmter äußerer Rahmen geben kann.

Ich habe die Frage selbst erst gestellt, als die Diagnose an mir erneut gestellt wurde – und zwar der Therapeutin, die sie gestellt hatte.
Und heute frage ich mich: Wieso habe ich damals eigentlich nur die Therapeutin danach gefragt und nicht mich selbst oder mein Innenleben? Oder andere Menschen mit der Diagnose?
War ich eine von denen, die frag- und klaglos hinter Medizin und Psychologie her trottete und froh war, keine eigene Haltung haben zu müssen?
Hm, ich glaube schon an manchen Stellen und in Anbetracht der Tatsache, wie ich damals um mein Überleben kämpfen musste, ist es für mich heute auch so eingeordnet, dass ich mir das  vergeben kann.

Ich merkte, dass mir Antipsychotika, verhaltenstherapeutische Ansätze nicht halfen. Verloren hatte ich auf dem Weg bis zur Prüfung der DIS-Diagnose, aber schon die Instanz, die wirklich durchgehend ein wohl- bis mit-mir-mitwollendes Auge auf mich hätte haben können: meine Familie, meine Freunde, ein soziales Umfeld, das mich hat aufwachsen und entwickeln sehen. Niemand hätte für mich mit überprüfen können, ob das was da eigentlich in den 4 Jahren vorher passiert war, irgendwie vielleicht doch positive Auswirkungen hatte, die ich selbst nicht sehen konnte.

Was ich hatte, war mein Empfinden von: “Ey egal, was ich habe – eine Schizophrenie, eine Psychose oder eine Borderline-problematik, habe ich nicht.” und als die Diagnose der DIS bestätigt war, ich 12 Wochen lang in einem Umfeld war, in dem ich wirkliche Entlastungen erfahren konnte, war es mir am Ende auch egal, wie es hieß, was da in mir drin passiert.
Ich war froh darum, dass es einen Ort gab, in ich über J. und K. und C. und C. und all die anderen reden konnte, ohne, dass mir mein Bezug zur Realität aberkannt wurde. Ich war froh, dass mir endlich geglaubt wurde, dass es noch Gewalt in meinem Leben gab.

Heute und gerade in der Netzbubble zu Traumafolgeproblemen erlebe ich es so, dass es Menschen gibt, die mehr oder weniger Beweise für die DIS im Gegenüber sehen wollen und verlangen, dass niemandem fälschlicherweise diese Diagnose gestellt wird. So kann man die soziale Umgebung der Selbsthilfe-Austauschforen und –gruppen und was es nicht alles gibt, für sich kontrollieren und das kann wichtig sein.
Es wird aber an der Stelle problematisch, wenn man mitbeachtet, wie unterschiedlich die DIS an unterschiedlichen Menschen aussehen kann und auch, wenn man sich anschaut, wie schwammig bis fließend die Übergänge zu weniger ausgestanzten Formen komplexer dissoziativer Traumafolgeprobleme sind.
Und auch: dass Falschdiagnosen üblich sind. Es gibt keine Diagnose und auch sonst nichts im Leben, bei dem es nicht zu Fehlern kommen kann.

Für mich ist es am Ende tatsächlich egal, ob jemand mit einer tertiären DIS oder einer leichten DDNOS vor mir steht und mich fragt, ob ich zufällig von einer Klinik weiß, in der Traumafolgeprobleme der Seele gut, sorgfältig und im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde achtsam, behandelt werden. Wer bin ich denn, erst mal eine Diagnose abzufragen oder zu argwöhnen, die Person wolle es sich im rosaroten DIS-Wunderland gemütlich machen?

Und überhaupt – wo ist denn eigentlich dieses rosa Wunderland für Menschen mit DIS?
Und wo sind denn bitte all die Vorteile, die sich da so angeblich erschlichen werden wollen, mit einer vielleicht sogar gefakten DIS?

Was ich sehe ist oft gezuckerte Ohnmacht, stellvertretende Wut, und ansonsten nicht als Mehrsamkeit.
Ja, vielleicht ist Mehrsamkeit toll und vielleicht ist das Ziel des Netzeskapismus von DIS-Faker_innen nichts weiter als das. Vielleicht sind DIS-Fakes nichts weiter als richtig traurige einsame Würstchen, die einfach ein zwei drei Mal am Tag den Kopf getätschelt haben wollen und hören müssen, dass sie toll sind und das Beste tun, was sie können.

Das Ding ist: ich will an manchen Tagen auch nur das. Und manchmal will ich auch monatelang nur das. Und ich will das – wie all die DIS-Fakes wahrscheinlich auch: aus Gründen.
Unsere Gesellschaft ist so brutal miteinander und die Welt da draußen ist so verdammt hart für so verdammt viele Leute – aber Hauptsache nur die Menschen mit ner echten DIS oder mit einer echt nachweisbaren Opferschaft im Hintergrund dürfen darunter leiden?! Gehts noch?
Na klar ist es scheiße, wenn sich Mitgefühl über Lüge und Betrug erschlichen wird, aber woher sollen Menschen wissen, dass sie sich auch ehrlich an andere Menschen mit einen Wunsch nach Mitgefühl und ja, vielleicht auch Mitleid und stellvertretend geäußerte Wut, wenden können, wenn es eine Erlaubtheitsskala für Leiden oder Not jeder Art gibt?

Ein Punkt der in den DIS-Diagnosenkampfolympics nämlich auch übersehen wird, ist der Zweifel.
Bin ich wirklich viele oder ist das alles unecht? Bin ich krank? Bilde ich mir das ein? Ist die Diagnose richtig oder falsch? Was bedeutet das jetzt eigentlich – es hat sich doch gar nichts verändert? Ich bin nicht so wie andere, die von sich sagen, dass sie viele sind – bin ich also nicht viele? Wenn ich “ja” zur Diagnose sage, sage ich dann automatisch auch “brutale Missbrauchsfamilie”, “satanistische Drogenmenschenhandelweltverschwörungssekte” und – das Schlimmste: “wehr-schutz-hilfloses kindliches verlassenes missbrauchtes zerstörtes OPFER” ?

So eine Diagnose wird einem nicht mit einem Ordnungssystem gegeben und das letzte, was in einer guten Traumatherapie passiert ist, dass die Behandler_innen daher kommen und ihren Diagnostizierten sagen: “So, also sie haben eine DIS, weil XY und wenn sie jetzt diesen “Ja, ich habe die Diagnose in mein Krankheitenstickeralbum aufgenommen”- Bogen unterschreiben, bekommen sie einen Gutschein für 3 mal täglich Kopftätscheln, einmal in der Woche dürfen sie ins Flauschbällebad für Missbrauchsopfer und einmal 50 Minuten Mitleid im Rahmen der ambulanten Psychotherapie.”.

Der Zweifel an der DIS-Diagnose ist eigentlich das, was die gesamte Diagnosefindung ad absurdum führen kann und nicht selten zu existenziellen Krisen führt. Wenn man bedenkt, dass es für viele Betroffene von zum Beispiel komplexer Traumatisierung durch nahe Familienangehörige, existenziell wichtig ist, das eigene Bewusstsein für sich selbst, sein Sein und Selbst abzuspalten, muss es zwangläufig nicht nur schwer, sondern auch bedrohlich sein, über zum Beispiel eine Diagnose, die das eigene Sein und Selbst benennt (oder dies versucht) an eine Überbrückung dieser Spaltung herangeführt zu werden.

Es gibt Menschen (like me), die verbringen viel Zeit  damit, vor dieser Überbrückung zum Selbst-Bewusstsein herumzuspringen, weil sie das starke Empfinden von Bedrohung haben. Das Letzte, was dann hilft, sind Leute, in deren Gruppe man gekommen ist, um sich zu versichern, oder zu hören, wie es Menschen geht, die diese Brücke genommen haben, die dann erst mal einen Beweis für etwas haben wollen, wovon man sich selbst erst einmal für sich selbst versichern und ja, vielleicht auch überzeugen muss.
Man kann Dinge, die man selbst nicht wirklich an sich überprüft hat, von sich weisen, als wären sie nicht da.

Auch deshalb sage ich den Menschen, die diese Diagnose erhalten haben, aber zweifeln und hadern und vor der Brücke umher schleichen bis hopsen, bis sich ein Lager davor aufgebaut haben, dass sie ruhig rüber gehen können.
Weil sie nur gewinnen können und zwar: die Chance, selbst zu überprüfen, ob es passt oder nicht.

Manche Menschen brauchen Unterstützung bei dieser Überprüfung, manche müssen nur wissen, dass es ihnen nicht allein so geht. Manche brauchen im Außen jemanden, di:er ihnen sagt, dass sie bleiben, egal ob die Diagnose und all ihre möglichen Implikationen “echt” sind oder nicht. Und manche Menschen brauchen immer wieder die Erinnerung daran, dass es sich bei Diagnosen immer nur um den Versuch handelt, etwas zu erfassen un nicht um eine allmächtige Ordnung der Welt.
Und diese Unterstützung kann drei mal tägliches Kopftätscheln erfordern. Es kann bedeuten, dass Menschen erfahren müssen, was es bedeutet einen Umgang damit zu haben einmal zum Opfer von Gewalt gemacht worden zu sein.

Auf keinen Fall bedeutet es, dass man seine Not als frisch diagnostizierter, verunsicherter und belasteter Mensch vor anderen potenziell Unterstützenden beweisen muss. Zumindest nicht für mich.

~ Fortsetzung folgt ~

Leben, lernen, Viele sein 2.0

“Du hast doch hier … Foto – Wasser und so Schnecken und Zeugs .. Foto…”, hatte er gesagt, “Willste die nicht auch mit ausstellen?”, hatte er gefragt.
Und Frau Rosenblatt stand da und “antwortete”: “Öh, wurschtel wurschtel blasülz schwallawurschtel…, ja ….?” und die Erde drehte sich weiter.

Es heißt, man lerne für das Leben in der Schule.
In Wahrheit lernen wir gerade eine Facette von Leben, die für uns ganz lange verloren geglaubt war und jetzt auf eine Entfernung herangerückt ist, aus der wir sie betrachten, aber auch erspüren können, wenn wir das möchten. Das sind Dinge wie Anerkennung von Menschen, die weder mit uns befreundet sind, noch einen (staatlich) verordneten Gedeihauftrag an uns haben, noch nur auf uns konzentriert sind. Das sind aber auch Dinge wie, Individualität als nicht störend sondern allgemein bereichernd in einer Gruppe zu erfahren.
Das sind Erklärungen zu Fehlern, die man gemacht hat, um der Erklärung willen. Nicht zur Vermeidung einer Wiederholung oder um einen Status zu belegen.

So funktioniert das Leben nicht. Schon gar nicht unseres. Aber diese kleine Facette davon gibt es und sie funktioniert so. Und wir dürfen sie leben.

Ich merke, dass es mir im Moment sehr gut tut, mal wieder Kontakt mit Menschen zu haben, in dem es nicht um mich geht oder darum, was in der Welt fehlt oder schwierig ist oder sich verändern sollte. Und ich merke, dass es mir gut tut, Hannah Rosenblatt, die gerne fotografiert und rumkunstet und wurschtelt und ein klitzebisschen verquer ist, zu sein und nicht die Hannah Rosenblatt, die sich im Internet öffentlich zu Gewalt, ihren Formen und Traumafolgen äußert und für politischen Opferschutz einsetzt.

Ich muss nicht straight sein, ich muss mich nicht zusammenreißen auf Emails, die mich von oben herab in meiner inzwischen 7 Jahre lange andauernden völlig autonomen öffentlichen Arbeit zu Trauma und Gewalt, zurechtweisen wollen, nicht zu antworten. Ich brauche mich nicht zu verteidigen, sondern kann tun, was ich eben tue, ohne, dass ich als Konkurrenz oder potenzielle Aufmerksamkeits-Twitterfame-oder “Multiszenenbekanntheits” – Diebin gelte.
Es tut mir gut, einmal Dinge zu tun, die nicht auf einen (vermeintlichen) Status zurückfallen.

Was ich tue ist
dramatische Taschentücher zu zeichnen und als Illustration auf einem Blatt miteinander zu verbinden

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dramatische Kompositionen in Plastikfolien zu ritzen, die später als Tiefdruckplatte verwendet werden

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Gerätschaften zu benutzen, die wir vorher noch nie benutzen konnten

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zu lernen, wie wir mit unseren Gerätschaften auch arbeiten können
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zu versuchen die kleine, fast ganz erwachsene Eule und das Eulenelter, zum Leben zu erwecken

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und  ganz bewusst zu lernen, dass, wenn wir, nach einem langen Tag des Lernens und Erfüllung spüren, einen Sonnenuntergang sehen, das einfach nur bedeutet, dass wir nach Hause gehen, wo uns außer NakNak*s Wiedersehensfreude und Abendbrotshunger, nichts erwartet, was uns genau diesen Tag aus dem Bewusstsein schwemmt.

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Neben all dem Schönen und vielleicht auch durch all den Raum für Kreation und Produktion, brechen Bodenplatten unter uns auf.
Wir verlieren (Therapie-) Zeit, fremdeln mit dem Uns, das wir schon so lange leben, erinnern, statt zu schlafen, zweifeln und k.r.ämpfen.
Wir lernen “die Anderen” kennen.

Zeitzaubertricks oder: Re-Orientierung mit symbolischen Handlungen

BlattgerüstWir haben Plätzchen gebacken und die Küche dabei einmal auf links gedreht.
Ich sitze auf meiner Eckbank und meine Gedanken gleiten frei herum. Bald ist Chanukkah und ich freue mich auf die Besuche, die ich machen kann. Und aufs Essen. Am meisten aufs Essen.
Und die Kinder und ihre Eltern. Und dieses watteweiche Beieinander, dass sich durch die Vorbereitungen und das Leben schiebt.

Ich mache einen Restehaufen und erinnere mich an einen Moment, in dem ich vergessen hatte, den Müll wegzubringen. Die Erinnerung ist einfach da und hat keinen Bezug zu dem, was ich jetzt tue. Mir wird schwindelig und dieser säuerliche Geschmack, der aus geheimen Nischen neben dem hinteren Teil meiner Zunge kommt, fließt mir in den Mund.
Ich reiße das Fenster auf und lasse die kalte Luft von Draußen in mein Gesicht springen. Atmen, Erden. Frontallappen in Bewegung halten.
Was jetzt?

Ich bringe den Müll jetzt raus.
Hinter mir wabert das Innen, das sich damals noch im Flug durch die Luft wunderte, wie das Elter es überhaupt hatte so einfach hochheben können und mir bis heute sein Gefühl des “Whuaaahahahahahaaaas is denn daahahahahahahaaas?!” um die Ränder schwappen lässt. Es ist so ein ganz entrücktes Lachen, ohne Häme und Ziel.

Ich fragte es, ob es das Heute fühlen kann.
Lachen.
Ich merke es als Impuls mich zu übergeben und warte bis sich der Krampf um das Zwerchfell etwas lockert. Atme und denke kurz daran, gegen die Mülltonne zu treten.
“Kannst du mich fühlen?”
Lachen. Ein flattrig fliegendes Gefühl und Bilderfetzen.
”Du hast vergessen den Müll wegzubringen. Wäre gut, wenn du’s dann jetzt mal machen würdest… Bitte.”.

Es ist still und neblig im Innen. Außen hoppelt NakNak* im Garten herum.
Ich fühle das Innen und ein Innen, das neben ihm klebt. Denke daran, dass ich vielleicht nie ganz erfahren werde, was damals passiert ist. Aber ich fühle auch ganz deutlich, dass ich diesen Müll genau jetzt in den Müll, der hätte würde wäre wenn, damals irgendwann vielleicht 1996? oder 1997? oder noch später?, in den großen Tonnen vor dem Plattenbauring seinen Platz gefunden haben sollte, verwandeln kann.
Ich kann das, gerade, weil ich keine Ahnung habe, was genau damals war und für das Innen genau die Blase aus “es ist genau jetzt nicht, wie es für dich war” bilde, die es braucht, um in meine Hand zu gleiten und das Plastik der Tüten unter den Fingerspitzen zu fühlen.
Endlich etwas anderes zu fühlen als die Absurdität des Fliegens auf eine Wand zu.

“Ist okay. Eine Tüte ist ein gelber Sack und einer ist voll mit Buntmüll.”.
Stille.
Mir ist schlecht, aber ich fühle mich stark. Solche symbolischen Zeitzauberkunststücke habe ich schon öfter probiert und selbst wenn es jetzt kippt, ist NakNak* noch da. Sie sitzt neben mir auf dem Asphalt und schaut uns zu.
Es wuchtet den Buntmüll hoch und automatisch greift meine zweite Hand zum Knoten und versucht ihn zu lösen.

“Das brauchst du nicht. Ist genug da.”.
Zaudern drückt sich durch meinen Ekel, aber die Tüte bleibt geschlossen.

Und landet in der Mülltonne. Es patscht mit der Hand oben auf den Deckel, wie auf den Rücken eines Pferdes.
Fängt an zu zittern.
Es ist ein Zaubertrick und ich weiß das. Ich weiß nicht warum, aber manchmal legt sich solche Symbolik im Heute, auf den Fakt des Gestern und bringt ihn irgendwie in eine Form und eine Struktur. Und dann wird es von einem DAS DA ohne Ende, ohne oben und unten, zu einem “Moment, der war mit Eigenschaften“, der besser neben anderen Momenten stehen kann.

“Ist das mein Hund?”, fragt es und flirrt wie Bildrauschen.
”Jupp. Das ist NakNak*. Guck mal, was sie kann…. “

getriggert

und manchmal erscheint es mir, dass die Welt wie ein Strom aus blubberndem Eiter kopf-über mich hinweg schleimt

dann eröffne ich einen Abszess in meinem Denken und ziehe ein sorgfältig beschriftetes Zettelchen heraus

Derealisation
Depersonalisation
Dissoziation
Reorientierung
Erwachsen mündig autonom

und dann halte ich ihn hoch und versuche mich wie Poseidon, Zeus oder wenigstens König Triton zu fühlen und Kraft meines Wissens die Situation zu beherrschen

In Wahrheit schwenke ich ein weißes Fähnchen aus Papier

ein Montag

Geisterhaar “Ich habe einen Drive- G’tt sei dank. Dann ist dieses übelste aller PMS-Dinger ever vielleicht morgen schon durch.”, dachte sie und kämmte die nassen Haare.
”Duschen ohne weinen. Auch schon länger her.
Gehört das zu “Wie Sie existieren”?”.

Dem dumpfen Branden im Hinterkopf lauschend, schreibt sie lächelnde Emails, füllt Überweisungträger aus.
Telefoniert mit dem Betreuungsgericht.
“Nächste Woche noch mal anrufen”, kritzelt sie als Gesprächsnotiz an die Innenseite ihrer Gedanken.

Die nassen Lockwelldellen wirbeln im frischen Sommerwind, als sie zur Sparkasse geht. “Ich könnte ja auch mal wieder in die Bücherei gehen… Nadia und Charlott lesen so coole Sachen und ich immer nur Arbeitszeugs.”. Der dicke Stapel Kontoauszüge gemahnt ihrer Schlampigkeit.
“Du kannst echt nicht mit Geld umgehen.” knirscht es in ihrem Kopf. Enttäuscht. Muttienttäuscht.
– “Mir hat nie jemand beigebracht, wie “man” mit Geld umgeht”, schickt sie zurück. Enttäuscht. Tochterenttäuscht.

on another love …
all my teeeears…

la la lalaaaa

on another love…

Sie macht Fotos.
“Wie Ihr Existieren aussieht” hatte die Therapeutin gesagt. “Machen sie mal Fotos davon” und sie hatte abgewiegelt.
Unser Hartz 4 – Palast mit Kellerleben drin, nein so wie er ist, zeigen wir ihn nicht.
Aber das Existieren vielleicht. Irgendwie, wenn Fotos so etwas transportieren können.

Ein neues Regal haben wir. Ein blaues hohes Regal von dem zugemüllten Schrotthaufen auf dem Dachboden nebenan. Alle Mal- und Kunstkrempelsachen sind dort jetzt drin und das Arbeitszimmer evolutioniert sich langsam zum Wohnzimmer.
Vielleicht wird es aber auch eine Art Gebärmutter.

Dort war noch kein Fremder drin, der keine Erlaubnis dazu hatte.

Auf dem Herd kocht ein Gulasch. Szegediner Gulasch ohne stopfige Kartoffeln gibts heute.
Wir wollen ab jetzt einmal in der Woche richtig echt kochen. Nicht “essen machen” und damit Glutamatsuppe oder andere gesundheitsschädliche Dinge meinen.
Mal sehen, wie lange das klappt.

Heute hatten wir PMS- Wonderwomenstiefel an.
Morgen arbeiten wir an unseren Projekten weiter.

I wanna cry and I wanna love
but all my tears have been used up
On another love, another love,
All my tears have been used up