monströs

Es gibt so viele Möglichkeiten, Menschen für den Rest des Lebens die Botschaft mitzugeben, dass sie es nicht verdient haben, Grundbedürfnisse erfüllt zubekommen, sobald sie etwas tun, was einen anderen Menschen verärgert/ ängstigt/ schmerzt/ bloßstellt/ nicht bestätigt.
Ein Grundbedürfnis ist der Kontakt zu anderen Menschen, zu Nähe, zu Wärme- dieses eine kleine Fünkchen, das um Mehrsamkeit versichert.

Egal, wie stark, wie mutig, wie autark und unabhängig das Handeln sein kann- das erste Geräusch von einem anderen Menschen, das sich an einen richtet und über das Dasein auf Erden in Zeiten und Sphären bewusst und versichert sein lässt,
– es ist ein verdammt großes Himmelreich in dem Zeppeline mit der Aufschrift: “Ja, du bist am Leben” herumfliegen, das Licht, das einem in die Augen schießt, irgendwas zwischen Glitzer und ätzender Säure ist und die Luft nach Freiheit schmeckt- egal, woraus sie besteht.

Es ist der Moment, in dem es die Chance auf einen Anfang gibt. Ein besseres; ein lieberes; ein artigeres; ein gleicheres Sein möglich ist. So eine Chance, sein Überleben durch Vollständigkeit der Optionen seine Grundbedürfnisse zu erfüllen noch sicherer zu machen.
Das Alte, Böse, das Monster, das man wegsperrte, von sich schob, mit dem Gesicht in die Zimmerecke stellte; auf die stille Treppe setzte; aus dem Klassenzimmer verwies; ins Gefängnis, in die Psychiatrie, ins Heim schickte, dem man jedes Gespräch, jede Klarheit, jedes (An-) Recht verweigerte- das ist ja weg.
Das bleibt da in seinem Käfig, als Kokonrest aus dem ein Schmetterling geschlüpft ist.

Als wir gestern im Gang des Ausweichzugs standen, in ein Abteil hinein starrten und den freien Platz darin nicht in Anspruch zu nehmen wagten, wurde mir klar, dass Isolation ein Sterben mit seinen 5 Phasen ist: Verleugnung, Wut, Verhandlung, Depression, Akzeptanz, und das auch noch viele Jahre später.

Am Ende ist so viel akzeptiert, dass alles okay ist, was nicht auch noch die Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung auf physischer Ebene eingrenzt.
So wird der Umstand ein Monster zu sein- auf immer und ewig- ohne Chance auf ein Sein als Schmetterling, zum Preis für ein physisches Überleben, das in einer unendlichen Schleife in Frage gestellt wird, durch die Befreiung noch vor Ende des Prozesses.

Genau deshalb meide ich Abhängigkeiten.
Genau deshalb ist meine mutigste Tat, mich an andere Menschen zu wenden und darauf zu verlassen, dass diese mir sagen, was ich tun kann/ darf/ soll/ muss, wenn ich es nicht weiß. Entweder, weil ich manche Dinge noch nie gemacht habe, oder weil mir (uns als Einsmensch) Lebenserfahrungsqualitäten fehlen.
Ich weiß, was ich machen muss, damit mir die Füße nicht weh tun- wie man sich stellen kann, wenn man tagelang irgendwo stehen muss. Ich weiß, wie man warm wird, wenns eisig ist; weiß, dass verhungern lange dauert; weiß, wie Durst in ganze, halbe und viertel Tropfen eingeteilt werden kann. Ich kann Dinge überleben, von denen andere Menschen hoffen, sie nicht einmal in Filmen sehen zu müssen.

Ich bin mit meiner Wut in die Freiheit gekommen.
Und jetzt fühlt es sich an, als hätte der Mensch, der mich fand ein Monster raus gelassen.
Ich kann nur Wut und Verhandeln.
Sowas will niemand und stößt es deshalb von sich.

Daran haben wir haben uns angepasst. Wir sind viele und können entsprechen.
Da sind Innens, die leugnen Bedürfnisse, akzeptieren alles und fragen ins Innen, ob sie so gefährlich sind, dass sie sterben sollten. Denken darüber nach, wie ein Sterben möglichst unauffällig und am Außen vorbei passieren kann- genauso, wie da Innens sind, die in Menschen immer “die Guten” sehen, die nett sind, sich kümmern, Klarheit um Umstände möglich machen.

Wir sind viele und genau deshalb bleibe ich wohl immer dieses Monster, das besser niemals raus gelassen worden wäre.

MonströsIch hab mich zu verpissen. Bin Affekt, bin bescheuert und nicht in der Lage Probleme zu erfassen- das einzige Problem ist ja, dass ich wütend bin. Schön mal beruhigen, dann kommt schon ein anderes Innen raus und man kann einsehen lassen, dass es ja gar kein Problem gibt- verhandeln hieße, etwas einzugestehen und ach- von wem ist das denn bitte abzuverlangen?

In meinem Innen gibt es mein Gefängnis noch.
Ich finds tröstlich, dass ich mich, wenigstens für mich allein, immer wieder einsperren und befreien kann.

Allein. Autark.
Monströs stark.

morgen vor einem Jahr

Drahtzaun2 Es gibt nicht viele Brücken, wo sie wohnt. Nicht viele, die passen.
Und nur eine, auf deren Mitte der Wind so pfeift, wie sie es mag. Mitten ins Gesicht, die Haare wild herumwirbelnd, ohne Stadtgestank mit sich zu tragen.

Der Regen platscht ihr auf die Lider, die Wangen, die Stirn.
“Morgen vor einem Jahr…”, raunt es an ihren verspannten Augenbrauen vorbei, “weißt du noch?”. Federn rascheln.

Sie lächelt durch das Gewisch vor ihren Augen und die wirbelnde Leere in ihrem Kopf. “Netzfeministisches Kampfbier… ja.”, sie haucht ein Lachen in die Windchen um sich herum. “Dass ja dann erst mal gar nix wurde, weil One Billion Rising und alles, mich hatte zerfallen lassen… Es war so furchtbar kalt”.

Sie wartet, bis die kleine Gruppe Menschen an ihr vorbei gelaufen ist.
Steigt über das Gitter.
Setzt sich in die Bepflanzung.
Zieht die Nase hoch.

“Diesmal habe ich eine wasserfeste Jacke. Und wasserfeste Schuhe.”, sie betrachtet den Satz und schmeißt ihn zurück die Tiefe, aus der er hochgequollen kam.

“Wir werden hingehen. Hm?”, sachtes Stubsen auf die Schulter.

Sie nickt stumm. Lässt sich beregnen.
Die linke Hand von der Eulenhandpuppe wärmen.
Auf die Straße, nur wenige Meter unter sich, starrend.

“Ja, ich geh hin. Zeig auf die Gewalt… die anderen passiert. Klar.”.

egalegalegal

Ich spürte wie sich meine Muskeln zusammenzogen und noch während ich nach meinen Taschentüchern suchte, klappte es mich in der Mitte zusammen und ich erbrach mich mitten im Niesen.
Ich hatte keine Zeit durchzuatmen. Wollte nur alles schnell noch erledigen, mit NakNak* rausgehen und dann ins Bett.
Die Therapiestunde, meine Gedanken, die Fetzen, die an meinem Bewusstsein entlang flogen, das ganze Kranksein aus mir heraus pusten. Ja, wenns geht, auch aus mir heraus erbrechen.

Ich bezahlte meine Rechnungen mit einem D-Zug-Scheuklappendenken von: „egalegalegal Ich brauche sowieso nichts- mir gehts gut- ich hab alles, was ich brauche- alleallealle können Geld haben, dass ich nicht hab- ist egalegalegal“ und stolperte durch die Stadt zu einer Gemögten.
Ging rein, spuckte meine reduzierten Sätze heraus. Ohne Tränen.

Ich ging in den kühlen Gegenwind und dachte an Schmiedekunst.
Betrachtete NakNak* dabei, wie sie sich in den  Wind stellte und ihre Nase wackeln ließ.

Jetzt mit der Erkältung wird mir mein Kämpfen bewusst. Mein Gegenankämpfen und mein zähes Nachlassen dabei.
Meine Kontextlosigkeit darin.

Meine Gemögte kam zu Besuch und bot an, doch nicht in der kalten Küche zu sitzen. Ich spürte, wie ich wieder zu zerlaufen begann. Wie ich mich anstrengte und doch nicht mehr im Kopf hatte als: “Ich habe kein Sofa.”.
Mit dem nächsten Niesen, tropfte ich in dicken roten Tropfen aus meinem Körper heraus.

Sie fragte mich, ob sie mich berühren dürfte; ob sie mir einen Waschlappen in den Nacken legen dürfte und ich dachte nur wirres ungeordnetes Zeug. Stand vor meinen Gedanken und Impulsen und wusste nicht, welcher der Passende war. Sie schaute mich an und ich wusste, dass sie gleich wieder einen dieser Sätze sagen würde, der mich in der Mitte zusammenklappt und irgendetwas aus mir heraus fallen lässt.
Statt sie reden zu lassen, nieste ich, hustete, krampfte. Vor meinem inneren Augen fuhr ich alle meine Panzerstacheln heraus und bohrte sie gnadenlos durch sie, durch mich, durch die Zeiten.
Irgendwie, durch diese ganze Welt.
Egalegalegal

Sie fragte meinen Namen mitten in mein allumfassendes Krampfkämpfen hinein und legte mir die kleine Wärmekisseneule an den Handrücken.
Sie sagte, ich bräuchte grad nicht so zu kämpfen, ich solle atmen und versuchen es zu lassen. Alles kommen und gehen lassen. Die Wärme fühlen und mich etwas entspannen.

Ich hatte mich in meinen Korbsessel gesetzt und drückte die Eule an meine Brust, lauschte dem Rauschen vom Kühlschrank neben mir und betrachte sie beim Schmusen mit Naknak* auf der Küchenbank. Sie fragte, ob es ginge und ich dachte nichts weiter als, dass es natürlich geht.
“Ich glaub, ich bin zu stark fürs schwach sein”, war dann alles, was mir rauskam.

Sie schaute mich ernsthaft an. Besorgt. Sterbezimmerblick.
Egalegalegal
Ich hielt meine Eule fest. Atmete.
Dachte an “Es wäre leichter, wenn das alles nicht wahr wäre.”, überlegte, ob es wahr werden könnte, wenn ich es für wahr nehmen würde- auch wenn es nicht wahr sei.

Und irgendwo am Rand meines Bewusstseins kroch ein Kind in ihren Schoß, ließ sich den Rücken kraulen und erzählte von Boo dem Eulenküken im Computer.

Fieberthesen

früchtedings

“Gebt mir die Macht, Fieber zu erzeugen, und ich heile euch alle Krankheiten!”
~ Parmenides von Elea, 540- 480 v. Chr.

1927 wurde der Nobelpreis für Medizin an den Psychiater Julius Wagner von Jauregg aus Wien verliehen. Grund dafür war die Entdeckung, dass Fieber positiv auf Depressionen einwirkt.
Etwa zeitgleich entdeckte der New Yorker Internist William Coley, dass manche Tumorerkrankungen zu heilen sind, wenn der Körper mit Fieber auf eine Kleinstmenge abgetöteter Bakterien reagiert.

Ich bin krank. So richtig schön mit sterbend fühlen, Lindenblütentee lecker finden und so.
Das war ich lange nicht mehr.
Um genau zu sein, hatte ich meinen letzten grippalen Infekt vor.. äh.. 4 Jahren? Oder waren es 5?
Und in den letzten Wochen, hoffte ich wirklich darauf, endlich richtig krank zu werden.

Ich habe eine Theorie und will bzw.. kann sie bereits jetzt in Teilen, anhand dieses Infektes überprüfen.

Grundlage für diese Theorie ist Mustererkennung.
Immer, wenn wir einen Schritt von den Tätern und ihrem System weg machen, knallt bei uns etwas durch und eine relativ gleiche Abfolge von Überzeugungen und Gedanken, Handlungszwängen und eben einer richtig fetten Sinnkrise paart sich mit einer allgemeinen Depression.
Im letzten halben Jahr bewegten wir uns weiter, öffneten uns weiter und machten neue Erfahrungen. Da ging es neben vielen neuen Handlungen auch um viele neue Empfindungen und Herangehensweisen bei Lösungsfindung bzw. Problemlösung. Und es ging/ geht um Bindungen.

Der Fakt, dass ich jetzt mit 39°C eigentlich lieber im Bett rumkullern und den Rotz in meinen Nebenhöhlen balancieren möchte, bestätigt mir schon mal Teil 1:
Die Möglichkeit in aller Ruhe krank werden zu dürfen.
Das ist zum Einen sehr gruselig, weil es bedeutet, dass wir uns auf unsere Menschen eingelassen haben. Oder ein Großteil. Oder genug Teil, um eben krank werden zu können.
Zum Anderen ist es aber gut, denn es markiert ein Abflauen von Misstrauen und dem Modus von: “Jetzt bloß keine Schwäche zeigen/ nicht schwach werden.”.

Ich weiß, dass ich meine letzte Erkältung irgendwann vor dem Unfalltod des Welpen, den wir ansehen mussten und irgendwann nach einer Heldinnentat unserer Gemögten hatten. Also irgendwann dann, als wir uns das letzte Mal sicher gebunden und selbstwirksam erlebt hatten.

Natürlich hatte ich zwischenzeitlich auch schon Fieber- ich habe nach jeder Therapiestunde welches.
Meine These sagt aber, dass es sich dabei nicht um ein Viren/Bakterienabtöt- und fressfieber handelt. Vielleicht bilde ich mir das ein- bitte- aber ich stelle mir das immer so vor, dass manche Kackscheiße Nervennetzwerke bildet und mein Posttherapiefieber genau daran herumnagt.

Laut TäterInnenentfernungsmuster kommt nach: Schmerzen, die mich niederstrecken (immerhin- zweiter Durchlauf und ich bin halbwegs mobil geblieben- beim ersten Mal kam ich nicht mal von Bett hoch) und Erinnerungsüberschwemmung (das ist diesmal krasser- ich bin aber heute Benzoclean- also vielleicht kommts mir nur deshalb krasser vor), das dringende Gefühl nur einem bestimmten Menschen glauben zu dürfen. (In derTäter?- Kontakt!- Reihe hatten wir schon darüber geschrieben)
Da ich keinen Kontakt mehr zu dem Menschen habe, gibts nichts, was er mir direkt zum Glauben sagen könnte. Und das ist ein im Moment sehr geiler Fakt, weils beim Enttarnen hilft. Alles was mir grad durch den Kopf kommt, kann nicht von diesem Menschen kommen und ist im Moment zumindest absehbar überprüfbar.

Meine Menschen kümmern sich und halten ihr Wort. Zum Beispiel meine Therapeutin, die heute morgen anrief; meine Rechtsanwältin die gestern Abend anrief und meine Gemögte, die uns jetzt grad mal in Ruhe lässt, wie besprochen. Direkt Reden kann ich zwar nicht mit ihnen- ich weiß aber, dass ichs auch nicht muss, um mich auszudrücken.
Sie sind alle greifbar- wie das gebundene Menschen halt so sind. Damit kriege ich den Großteil dunkelbunter Kopfbereichswahrheiten widerlegt
Wie biegsam die Definitionen um Werte sind, hab ich in den letzten Jahren auch oft genug erlebt. Also an der Stelle der Faktor: Ich bin nicht mehr 21 und hab inzwischen mal mehr erlebt als Kackscheiße classic, Kackscheiße Klinikstyle und Kackscheiße (Heim)Betreuungsverschiebung und alles andere um mich herum- hier und jetzt gerade- hab ich selbst gemacht. Es ist sicher, weil ich mir dabei schon auch immer was gedacht habe.

Kann sein, dass ich hier grad nur fiebrigen Wahn niederschreibe- aber der Rest meiner These baut darauf, dass ich mich mit steigendem körperlichen Wohlbefinden nach dem Infekt, auch seelisch besser fühle.
Im Moment ist es angenehm, dass das Gefühl von langsamen Sterben irgendwie auch mit dem körperlichen Schwächeding kongruiert. Ich muss nicht dagegen ankämpfen, sondern kann mich hinlegen und mir sagen: “Jupp, ist wie Sterben- das ist Fieber immer. Kein Grund Angst zu haben. Das geht vorbei…”. Fieber kennen viele (genug) von uns um auch in der Hinsicht zu wissen: “Das geht vorbei.” wogegen das (angebliche) Sterben bei Täterentfernung endlos ist und genau deshalb so schrecklich.

So.
Sie entschuldigen mich- ich muss mit dem Hund ums Eck und dann ein paar Infekterreger(Innen lol) töten.

P.S. Was ich in meiner These hab, hab ich vergessen aufzuschreiben- wieso hab ich eigentlich ne Kommentarfunktion, wenn ihr* so ne logischen Fehler für euch behaltet? Es geht mir drum zu überprüfen, ob wir die Spaltung, die uns damals im/ nach/ durch den ersten Durchlauf passiert ist, diesmal wiederholen, oder ob die Faktoren, die wir inzwischen angesammelt haben (siehe Lebenserfahrung, Therapieerfolge, aktuelle Beziehungen und auch das Kranksein jetzt) eine Wiederholung dessen verhindern.
Immerhin dokumentiere ich den ganzen Kram ja jetzt- das hab ich damals nicht gekonnt. Ich hatte nicht mal Worte im Kopf- geschweige denn die Kapazität mich zu reflektieren, wie jetzt.
Jetzt bin ich zwar ähnlich spracheingeschränkt- ich hab noch kein Wort rausgekriegt heute- aber ich bin nicht artikulationslos.
Das ist zwar kein hochtrabender Dingsdakrempel, aber ich bin bewusst. Das find ich schon mal wetvoll und wichtig- hat mir damals extrem gefehlt und fehlt mir ob einer Gesamtkontextuierung auch heute noch. Aber wenn ichs aufschreib, komme ich vielleicht irgendwann dahinter.

Multimythen Teil 4: Übermächte

Bläschen4klein Was nicht fehlen darf in der Vita der Mythenmultis meiner Mailingliste ist eine steife Brise Horrorfilm, vermischt mit irrationalem Gängstertum, dass sie jeweils wie einen Roboter immer wieder in ihre Hände laufen lässt.

Ne- klarer Fall: “Mythenmultis haben nie eine Chance, haben keinen eigenen Willen- ach gar nichts Eigenes- deshalb sind sie ja multipel geworden, um äh… naja das Eigene … äh äh… hm…   SATANISMUS!!!”

Ich schreibe hier im Blog nicht so viel über diesen Themenkreis “rituelle Gewalt”, “Satanismus” und “Programme”, weil ich die Verknüpfung zum Multipelsein damit als überpräsent empfinde, obwohl rituelle Gewalt als (hm- ernsthafte Frage: geht “Auslöser” an dieser Stelle?) für eine dissoziative Identitätsstörung bei “nur” 10% liegt, was sich mit meinen Kontakterfahrungen deckt. Der Großteil der Menschen mit DIS, die ich inzwischen direkt oder indirekt kennengelernt haben, erfuhren massive Gewalt auf allen Ebenen in erster Linie durch die eigene Familie (bzw.. als Substitut auftretende Menschen), brachiale inhumane Behandlung in medizinischen Kontexten und durch organisierte Ausbeutung.
Natürlich gibt es da Vermischungen und ein noch größerer Anteil der Multiplen (und ich zähle mich mit dazu) wissen es einfach nicht so genau, so dass sie sich kein Etikett auf die Umstände ihrer Störung*sentstehung kleben können oder wollen.

Amnesien sind schwer nachzuspielen oder zu überzeichnen, genauso, wie sie zu verbergen sind- insbesondere vor Menschen, die darauf achten, um ein Häkchen hinter Diagnosekriterien zu machen.
Amnesie bezeichnet einen Zustand von Unkenntnis. Unkenntnis über sich selbst entsteht in aller Regel durch Unbewusstsein.
Unbewusstsein markiert also entweder einen Zustand von fehlender Assoziation (also Dissoziation) oder einen Zustand von “noch nie drüber nachgedacht/ reflektiert/ zu Reflektion gebracht worden sein”, durch “noch nie danach gefragt worden sein”.
Das ist einer der Punkte, die dissoziative Störungen so schwer nachzuspielen oder korrekt zu spiegeln macht.
Gesucht wird das, was eben nicht da ist- nicht das, was fehlt. Es ist nicht die Anwesenheit von Fehlleistungen oder Fehlern, sondern deren Abwesenheit in Anbetracht des Fehlens von Grundinformationen.
Das ist eine andere Logik und genau deshalb so mythenüberladen, weil – ja, tut mir leid- es einfach doch eine gewisse intellektuelle Kapazität braucht, diesen Dreh zu machen. Wo Unerklärliches ist, da sind Mythen. Und wo ein Multimythos ist, wird vergessen, was eigentlich nicht gewusst werden kann.

So komme ich zu der Stelle an der ich mindestens verdutzt bin, wenn mir, zum Beispiel in besagter Mailingliste, Menschen schreiben, dass sie dieses und jenes erlebt haben, programmiert wurden und ja auch sowieso jede Nacht abgeholt werden und deshalb auch nichts tun können von dem, was ich ihnen von meinen Erfahrungen beim Abbruch von Täterkontakten berichte.
Es gibt dort zu viel Anwesenheit von Assoziation.

Es ist das Eine eine dissoziative Störung vorzutäuschen, wenn man denkt, das Umfeld würde einen als Menschen nur dann annehmen und vielleicht auch von echten TäterInnen und echtem Leiden befreien- das Andere ist zu perpetuieren, dass die DIS vor dem Hintergrund ritueller Gewalt zu einer absoluten Ohnmacht vor einer Übermacht führt.

Auch die Nutzung des (christlich fundierten) Framings um Satanismus und Okkultismus, destruktive Kulte und Sekten, als das absolut Böse und Verachtenswerte- durch und durch Ablehnensnötige, empfinde ich an der Stelle als manipulativ, um das Schlimme noch schlimmer und am Allerabsolutschlimmsten vor der Gesellschaft ™  ausweisen zu können. Als würde es nicht reichen, weniger außendimensionale Gewalt erfahren zu haben und in sich selbst mehrdimensionale Folgen zu spüren.

Deutschland ist eines der Länder, in denen die Zwangschristianisierung ein nicht unerhebliches Gewaltkapitel ist. Niemand kann sich hier freisprechen von einer Etablierung des Christentums als Normdominanz (siehe Christ-demokraten, gesetzliche Feiertage, Pseudotrennung von Kirche und Staat etc. etc. etc.). Ergo wundert es mich nicht, dass ich bis jetzt noch keinen Mythenmulti ohne rituellen Gewalthintergrund des Satanismus erlebt habe.
Welches Framing könnte sicherer sein, als eine breite Ablehnung satanistisch motivierter Gewalt in einem christlich genormten Umfeld?

Der Multimythos der omnipräsenten und übermächtigen TäterInnen hat natürlich einen wahren Kern.
Es ist ein wichtiger Teil von „man made- violence“, das Opfer genau das glauben zu lassen und mit diversen Mittel auch in dem Glauben zu halten. Nur sind diese Gesten in aller Regel weitaus weniger spektakulär, als es der Mythos vom überaus aktivem Täter, der alles Mögliche tut, um ein einziges (aus der Reihe getanztes) Opfer wieder ranzuholen erzählt.
Organisierte Gewalt funktioniert nur, wenn sie gut organisiert ist. Und gute Organisation baut auf minimalem Aufwand für maximalen Erfolg.
Und so lange das organisierte Verbrechen ™, seit Generationen etablierte Kulte und Sekten; genauso wie die einzelnen GewalttäterInnen in Privathaushalten oder Institutionen  noch darauf bauen können, das Berichte von  Überlebenden, individualisiert, heruntergespielt, einer wahnhaften Störung entspringend oder eben von einem Mythenmulti kommend betrachtet werden können- so lange können sie sich getrost zurücklehnen und im Zweifelsfall eben davon ausgehen, dass sich ihr Opfer selbst das Leben nimmt, weil ihm nicht geholfen wird, nicht geglaubt wird, weil es gelernt hat das tun, weil es keinen Fuß zu fassen schafft, ohne die Funktion des Opfers, weil es von (spiritueller) (Sinn-) Krise zu Krise taumelt etc. etc. etc.

Falls es bis jetzt noch niemandem aufgefallen ist: Jeder Multimythos basiert auf genau dieser Macht-Ohnmachtsdynamik und darauf, sich in gar keinem Fall daraus bewegen zu können. Kann es etwas geben, was näher an der Wiederholung einer Gewaltsituation liegt, als das? Stichwort: Traumaschema – Michaela Huber hat in ihrem Buch “Wege der Traumabehandlung” sehr ausführlich dazu geschrieben.

In meiner Mailingliste wird nicht einmal das thematisiert.
Dort krallt man sich an diesen Inhalten fest: Über- Macht (sehr böse, sehr entmenschlichend, sehr abzulehnen) vs.. Über- Ohnmacht (absolut unschuldig, absolut entmenschlicht (zumindest im Sinne von “alle programmierte Maschinen, sobald es drei Mal klingelt”), absolut anzunehmen <— übrigens auch etwas, das auf diesem christlichen Framing aufbaut: bedingungslose Nächstenliebe).

Ich will auf keinen Fall sagen, dass es das alles nicht gibt.
Jeder Mythos hat einen Kern. Doch meistens ist es der Subtext, um den es geht und der noch viel zu oft nicht gehört wird und mich auch immer wieder darin bestärkt, auch in Mythenmultis Opfer von Gewalt zu sehen und zu versuchen ihnen zu begegnen.

Selbst- Bilder

Es begann damit, dass die Therapeutin ihren Satz sagte. “Vielleicht ist es eigentlich kein Satz, sondern ein Sinnsubstitut. Ein Platzhalter, der hervorgeholt wird, weil er eigentlich eine Krücke über eine Eselsbrücke ist”, dachte ich.
Immer wieder diese Frage danach, wer die Verantwortung trägt.
Obwohl doch eine/r der VerantwortungsträgerInnen vor ihr saß.

Ich weiß, dass es bei den Bildern um Sichtbarkeit/ Klarheit geht. Vielleicht auch und immer mehr, seit die Themen konkreter werden, manche Dynamiken und auch Innens schärfer konturiert in klareren- logischen Kontexten wahrzunehmen sind. Die Logik der Mechanismen langsam logisch erscheint.
Ich weiß, dass es auch darum geht, zu sehen, dass es immer ein Körper ist.

Das Innen hatte sich fotografiert. Man sieht Wut und auch, wie offensiv und zeitgleich im Dunkeln zu bleiben bemüht es agiert. Es ist sichtbar.
Plötzlich erschien die Frage der Therapeutin nicht mehr kontextunabhängig, sondern nachvollziehbar. Auf den Fotos ist der Blick abgewendet, der Mund verschlossen, der Körper frei und dem Licht zugeneigt. Der Kopf ist zu, der Rest des Körpers bar jeder Verletzlichkeit.
Es gibt keinen äußeren Anhaltspunkt für das, was es für uns trägt.

Ich hatte mir einen großen Spiegel gewünscht und wollte sehen, was zu sehen ist.
Was heil geblieben ist. Was einen Wert hat. Wo keine Sollbruchreisslinien in meinen Hand-und Schulter, Hüft- und Fußgelenken sind, obwohl ich sie im Moment stetig knirschend oder grell aufreißend wahrnehme. Ich wollte sehen, wie es aussieht, wenn ich die Füße auf den Boden stelle. Ob ich meine Füße sehe.

Dann kam die Kunst als Möglichkeit Entlastung zu schaffen. Das Grafiktablet zog ein und mit ihm die Möglichkeit auch unter Schmerzen malen zu können, weil weniger Bewegung gebraucht wird.

Zwei andere Innens machten Fotos von sich. Das eine blitzt verschmitzt an der Kamera vorbei- so wie es immer an Menschen und ihren Augen, auch ihren künstlichen, vorbei blitzt. Das andere macht Quatsch. Kennt die Kamera genau, benutzt sie jeden Tag.
Und ich?

Die sich die ganze Zeit ansehen wollte; vielleicht sich sehen, in und an sich einen Wert sehen will; ein “das Leben wert sein” finden muss- Ich, die das “Sie wissen, sie wurden schwer missbraucht” mit sich in Verbindung zu bringen noch immer scheitert-
Ich schäme mich und halte dennoch gnadenlos drauf.

Ich wunderte mich, dass das Bild am Ende nicht unscharf war. Dass ich es ansehen konnte, nachdem ich wusste, dass ich mich gequält- mich verletzt hatte dafür.

Gestern Abend malte es dann jemand ab. Ich erinnere das Streichen des Stiftes, später auch der Finger über dem Tablet, so als würde ganz vorsichtig über meinen Kopf gestrichen. So als hätte ich mich berührt, obwohl nicht ich die Bewegung dazu ausführte.

Irgendwie war es ein Akt, ein Stück Nichtecht und doch real.
Als hätte das Innen, das mich malte mich gesehen. Nicht nur als das Foto, das dann doch eigentlich nur Haare zeigt, sondern ganz mich in meiner Scham, meinem Selbsthass, in all dem: “Ich will das, aber ich… ich bin so scheiße.”.

Es ist Kontakt.
eine Art Berührung, mit dem MirIchSelbstSein, mit der ich nicht gerechnet hatte.

Das da bin ich, wie ich etwas auf genau meine Art tun will und daran scheitere. Das bin ich, wie ich mich beim Scheitern, beim mich selbst hassen fotografiere, um im Nachhinein so etwas, wie ein Michzeigen und Michsehen möglich zu machen.

Selbst-Bild2

Ich verstehe jetzt, warum ich noch immer keinen großen Spiegel habe.

Multimythen Teil 1: “Wir können alle unterschiedlich krank sein”

BläschenverkleinertVor ein paar Wochen trug ich mich in eine Mailingliste von und für Menschen mit DIS ein.

Natürlich ist es das Internet. Natürlich weiß ich nie, was für ein Mensch mit welchen Intensionen am anderen Ende sitzt und Dinge ins Internet reinschreibt… lalilalialaaa
Mir war das egal.
Die örtliche Selbsthilfegruppe in real hat mich ausgeschlossen, mein Selbsthilfeforum hats auf vielen Ebenen durchgerüttelt und mein eigenes Forum stirbt seit Jahren einen mehr oder weniger quälenden Tod- nun denn- irgendwann muss auch ich mich irgendwo mal austauschen, ohne, dass Teile meines Kopfinneren einen Kontakt bereits okkupiert oder vergiftet haben.

Weshalb ich das schreibe ist, dass mir manche Themen gehäuft auftretend auffallen und ich mal in Ruhe aufschreiben will, was mir dazu einfällt.
Also dann.

Thema 1: “Wir können alle unterschiedlich krank sein.”

Manchmal, wenn ich so etwas lese, schwanke ich zwischen:
Hand-> Stirn
Buch “Grundlagen der (Mikro)Biologie/ Stressphysiologie/ Psychotraumatologie” –> Stirn des Menschen
und
“OrrrkönntihrmalaufhöreneuchsoblödeauszudrückenwassollenLeutedenkendiekeineAhnunghaben?!” mitten reinblöken

Ganz früher, als die Diagnose bei mir noch frisch war, hatte ich einen Text vor der Nase, in dem ein ähnlich unscharfer Nebensatz zu unterschiedlichen Krankheiten bei unterschiedlichen Innens stand.
Mir hat das damals richtig Angst gemacht.
Immerhin war ich gerade in der Pubertät- ALLES an diesem blöden Körper hatte sich dauernd irgendwie anders angefühlt- obwohl ich immer ich bin und niemals ein anderes Innen. Ich konnte und kann bis heute nur schwer artikulieren, wenn sich Körpergefühle verändern und vielen Innens geht das genauso.

Es gibt einen Grund, weshalb sich auch viel aus meinem Innenleben immer wieder so metaphorisch ausdrückt- meistens geht es darum, zu kompensieren, dass Worte/ Begriffe oder Empfindungsvergleiche fehlen.
Woher soll ich wissen, wie sich mein Kopf ohne Kopfschmerzen anfühlt, wenn ich das Gefühl dazu dissoziiere, ohne es zu merken bzw.. mir nie jemand die Chance gab Worte zu finden oder Bespiele zur Vergleichsfindung nannte?
Mein erstes Mal “eigene Kopfschmerzen”: ich dachte, ich hätte einen Tumor (= einen Fremdkörper) hinter “meinem Sehen” (meinem Sichtfeld = mein Kopf).
Ich hatte Schmerzen und aufgrund der Unsicherheit, ob der Lokalisation auch noch Angst (ohne es bewusst als “Angst” einzustufen)
„DingDingDingDing!“, macht das Triggerradar

Und genau an der Stelle hätte ich einen (man made trauma-) kompetenten Hausarzt gebraucht.
Der hätte nämlich auf Zack sein und meine Angstphysiologie auch als solche einstufen können- genauso wie meine Schwierigkeiten klare Angaben zu machen.
Und damit meine ich keine Unfähigkeit, auf die Frage: “Wo tuts weh?” antworten zu können, sondern meine Unfähigkeit vor einer Autoritätsperson klare Angaben über ein mich ängstiges Gefühl zu machen, das ich nicht anders als schwammig benennen konnte.
Triggerschwelle überstiegen- bäng- Wechsel- bäng Kopfschmerzen “weg”.
“Is nix Doc- ich weiß nicht mal wieso ich überhaupt gekommen bin. Schicke Krawatte, tolle neue Blume. Tschuldigung fürs Zeitfressen schönen Tag noch!”, lächeln beim Rausgehen.

Für meinen damaligen Arzt war ich (vermute ich) eine der Patientinnen, die aus psychischer Intension immer wieder zu ihm kam, ohne ernstlich etwas “zu haben” und immer wieder fast zu spät vorstellig wurde, wenn sie “richtig ernsthaft etwas hat”.
Es ist kein großes Können, eine Wundinfektion so richtig zu verschlüren, wenn einem die Stelle, an der sie sitzt, sowieso ständig und aus unterschiedlichen Gründen (die alle nichts mit Wunden zu tun haben) wehtut und am besten eh noch irgendwie peinlich/ Trauma belegt oder “einfach so” verdisst ist.
Das heißt auf einer Ebene aber auch, dass er Umgang von Innen zu Innen damit unterschiedlich ist.

Wir hatten letztes Jahr eine potenziell bedrohliche Infektion.
Fieber? Schmerzen? Irgendwelche Krankheitsgefühle?
Ich habe nichts davon gespürt und hätte ich es nicht gewusst, hätte ich jedem gesagt, dass ich nichts habe. Das heißt aber nicht, dass ich eine andere Krankheit hatte oder kein Fieber oder Schmerzen oder Schwäche. Es bedeutet nur, dass ich die Wahrnehmung dessen dissoziierte.
Andere Innens haben einen anderen Körperbezug und reagieren anders.
Sie sind aber auch anders gestrickt und interagieren anders mit ihrer Umwelt.

Sie spüren vielleicht Fieber und Schmerzen, können es aber nicht benennen, oder mit Viren, Bakterien oder einer Verletzung (von heute) in Verbindung bringen, oder mit Menschen interagieren, ohne sich zu unterwerfen o. Ä.
Sie fühlen die Schwäche und siechen vielleicht ewig vor sich hin, alleine, in unserer Wohnung, bis der nächste Termin ansteht, der wiederum für sich so einen Trigger hat, dass es Innens wie mich hochditscht, die den Körper schlicht nicht spüren.

Wir sind dann nicht unterschiedlich krank- wir nehmen nur unterschiedlich wahr, benennen unterschiedlich, haben unterschiedliche Strategien.

Heute, wo mein Körper den Zenit der Zwanziger überschritten hat und das mit der Pubertät vorbei ist, gibt es eine gewisse Kontinuität für mich was das Gefühl angeht.
Wenn ich dran denke und es mir gut geht, versuche ich zwischendurch mal meinen Körper zu fühlen, um mir ein Gespür für “gesund”/ “heil”/ “normal”/ “nicht akut” zu geben. Das klappt ganz gut- immerhin ist es auch eine Übung in “Assoziation statt Dissoziation”, neben “Konzentration statt Diffusion” und “Los-lassen statt Kontrolle”. (Zum Nachmachen: Anleitungen zu Autogenem Training umwandeln oder div.. Imaginationsübungen)

Es ist dieser Multimythos, der mich an diese Geschichte mit den “unterschiedlichen Krankheiten” stört.
”Der eine hat eine fiebrig eitrige Infektion- der andere nicht”
”Der eine hat Masern- der andere nicht”
”Der eine hat ein gebrochenes Bein- der andere nicht”

Keine Frage- irgendwie wird man schon zu der Formulierung gekommen sein und die Gefühle oder Gedanken des Moments- das jeweilige subjektive Empfinden dazu, will ich gar nicht absprechen. Wie oft ich völlig beschwerdefrei bei irgendeinem Arzt saß, um dann 2 Stunden später und kurz vor knapp von einem anderen Innen getragen in die Notaufnahme zu torkeln, beweist ja einfach auch, wie überzeugend die Vermittlung der subjektiven Wahrnehmung in alle Richtungen wirken kann.

Das Ding ist:
Eine Infektion ist eine Infektion
und ein Körper ist ein Körper
und ein psychophysischer Zustand ist ein psychophysischer Zustand

Wenn ein Keim auf eine offene Wunde trifft, wird von einer Infektion gesprochen und der Körper wird darauf reagieren- das tut jeder Körper und immer- es sei denn, er ist tot.
Wenn sich ein Körper in einem immunsupprimiertem Zustand befindet- etwa aufgrund einer Autoimmunerkrankung, (chronischem) (Trauma bedingtem) Stress (der, und das ist schon das ganze “Geheimnis” hinter dem Wechsel von Innens- bei uns einfach richtig schnell auszulösen ist) dann ist die Reaktion auf Infektionen natürlich auch unterschiedlich.
Nachgewiesen wurde bereits sogar klinisch, dass Stress einen  gewaltigen Hebel stellt, wenn es um das Immunsystem geht.

So heilen Wunden schlechter, wenn man die PatientInnen stresst und kann positiv auf die Genesung eingewirkt werden, wenn man die PatientInnen ausruhen lässt.

Stress ist für Menschen mit DIS/ Traumafolgestörungen allgemein etwas, das etwas komplexer ist als: “Boa heute war aber viel los.”
Ein Trauma geht mit toxischem Stress einher, an den sich angepasst wird und der – je öfter, je länger… etc.. nicht zu bewältigen/ verarbeiten ist und ergo auch immer wieder getriggert werden kann.
Als ich das erste Mal ein wissenschaftlicheres Buch über Traumafolgen las, empfand ich das noch unglaublich defizitär und war richtiggehend gekränkt, als ich mich da so als “Zustand” beschrieben sah. Doch es hat mir einfach viel erklärt und einen sehr viel logischeren Schlüssel zum Verständnis des Problems “krank sein”/ “etwas haben” gegeben, als diese seltsam waberige Formulierung: “Du bist viele- du bist nicht krank- aber jemand anders von dir.”.

Ich war auch krank- es ist auch mein Körper. Wenn Innen XY Fieberschwäche spürt, Schmerzen hat und nach Schonung bettelt, dann muss ich dem nachkommen und eben auch wissen, dass ich genau das nicht fühle, weil mein Gehirn gerade aus irgendeinem Grund so in den Stress(überlebens)modus geschaltet hat, dass ich überhaupt “da” bin.
Irgendwas ist dann gerade als gefährlich und von mir (über)lebbar und zwingend vor der Genesung von einer Krankheit zu erledigen, eingestuft.

Inzwischen habe ich mit meinen Übungen den Körper zu fühlen und auch dem Wissen darum, wie das Wechseln- zumindest in der wissenschaftlichen Theorie- funktioniert, die Klarheit: “Ah- in meinem Tagebuch steht irgendwas von krank und hier steht ich habe einen Termin.
Nee nee ist schon okay. Ja- alle anderen Menschen sind größer/ stärker/ besser/ haben Macht über mich und irgendwas in mir denkt, wir werden einen qualvollen Tod sterben müssen, wenn wir dem nicht nachkommen. So läuft das aber nicht mehr. Heute ist heute…”.
Ich verwende meine Überlebensstressanpassungskraft, die aus der Todesangst vor Nichtentsprechung herauskommt, nicht mehr in Entsprechung in solchen Momenten, sondern in den Umgang. Heißt also, statt mich stumpf und körperlos zu einem Termin zu begeben und den einfach irgendwie durchzuziehen (mich am Besten noch fertig zu machen, weil ich “irgendwie nicht in die Gänge komme”), rufe ich an und sage ab.
Krank ist krank.
Und nein- entgegen Krankenkassenhaltung und vorgegebenem Raum für Erkrankungen von ArbeitgeberInnen, gibt es kein echtes Limit fürs Krankseindürfen. Es hat auch nichts mit genetischer oder natürlicher Abartigkeit oder Schlechtigkeit oder Nichtswertigkeit zu tun. Oder damit dann auch gar nichts mehr können zu müssen oder dürfen, eben weil man ja “Krankenstatus” hat.
Diesen Reigen von Internalisierungen musste ich klar kriegen- muss ich bis heute immer wieder dekonstruieren in dem Moment. Aber als Dank, als Ergebnis merke ich nach einer Zeit selbst auch, wie das Körpergefühl dann ist und kriege mich selbst aus diesem Stresslevel heraus.

Klar, Krankgefühle sind nicht toll. Das sind nicht die Empfindungen, um die ich mich reiße. Aber sie sind Teil des Heilens.

Mit “wir sind alle unterschiedlich- also auch unterschiedlich krank”, wird getrennt und getrennt gehalten.
Das ist in meinen Augen nicht konstruktiv.
Eigentlich sollten wir Kranksein feiern, weil es uns beweist, dass wir weder tot noch so gestresst sind, dass unser Körper denkt, es ginge um Leben und Tod.

Ich denke manchmal, dass dieser Satz oder diese Trennung darin auch ein Ding von Selbstbetrug zur Selbstberuhigung ist.
“Jaja- ich weiß ein anderes Innen ist krank- aber guck mal wie stark ich bin- immer noch!- Ich bin nicht krank. Ich kann trotzdem dieses und jenes tun! Ich bin Supermulti- total kaputt aber immer noch leistungsfähig.”
Und das ist das Moment in dem sich meine Handinnenfläche mit meiner Stirn zum Abklatschen trifft. Denn es ist diese Art “Knapp daneben ist auch vorbei”, auf die eigentlich auch hingewiesen werden könnte.

Doch in meiner Mailingliste passiert das nicht.

Himmel und Boden

Irgendwann heute morgen sind die Schmerzen einen Schritt weiter gewachsen. Erst über sich, dann über mich hinaus.
Ich kann nicht sagen wo. Kann nicht sagen, was das für ein Schmerz ist.

Unser Hilfenetz greift nicht.

Es ist okay- ihr alle.
Ihr alle pfeift auf den letzten Löchern und euer Schmerz, eure Not, eure Hilflosigkeit und Ohnmacht vor dem was uns quält, kommt ohne Filter bei mir an.

Ich weiß, ihr lest mich hier- wenn nicht jetzt, dann irgendwann.
Ich weiß, ihr seid in Gedanken, in Gefühlen, mit Herzfasern bei mir und uns.
Das wickle ich mir auf eine Spule wie Zuckerwatte und esse davon. Langsam und bedächtig. Nicht alles auf einmal.

Ein kleines Herz- ihr kennt es alle- sagte etwas für uns Wichtiges und ich will es neben diesen Gefühlen von unfassbar furchtbarem Weh stehen gesehen haben.

Wir waren draußen.
Versicherten uns über den Boden, einander, das Leben, das Sein, den Hund.

BodenunterdenFüssen

Sie schaute an den roten Kämpfe_r_innenschuhen und NakNak*s Pfoten vorbei in den Himmel und sagte:
”Es ist auch wichtig, nicht das Stück Himmel über sich aus den Augen zu verlieren. Das ist bestimmt dieses mit “Kopf hoch” und so…”, während sie den Fotoapparat in die Luft hielt.

HimmelübermKopf

slice of “Psychiatrie und Anderssein”

Abgeplatzt2Vorhin träumte ich von “Nur für drei Tage”, “Wo dir geholfen wird”… von der Lüge, dem Verrat, dem Abschuss, der Konsequenz.
Dem Fallen in eine Welt ohne Mitsprache und ohne Relevanz.

Damals habe ich das Gesicht des Anderen erst erfasst, als sich die Welten des Drinnen und des Draußen vermischten.
Wenn wir, die wir drinnen waren, nach draußen gingen, um am Rest der Welt zu lecken.

Kegeln damals. Klassiker.
Bezeichnend.
Statt sich für einen Ausflug mit Luft und Weite zu entscheiden, entschied sich die Gruppe immer wieder für Hallen. Geschlossene Räume, die immer künstlich und auf das Wesentliche ausgeleuchtet waren: Kino und Kegeln.

Wir waren Teenager zwischen 12 und 17 Jahren und wussten trotzdem, dass wir nicht mehr nur innerhalb unserer kleinen Welt, die sich aus pubertärem Sein zusammenstückelte und von Tag zu Tag beklemmender wuchs, sondern auch im Außen ein Merkmal an uns haften hatten, das uns zu “denen” machte.
Hatten wir uns selbst etikettiert?
Habe ich mich selbst in eine Rolle begeben, um mich noch weiter von Menschen, die nicht erfassen, nicht begreifen, nicht einmal aufnehmen wollen, zu entfernen?

Erst vor ein paar Tagen ging es in einem Kontakt um die eigene Intelligenz und darum, dass diese sehr viel öfter Probleme im Zwischenmenschlichen verursacht, als ich es selbst erwähne oder sonst wie sichtbar mache.
Ich weiß, dass ich oft nicht verstanden wurde und nicht nur einmal aus Unsicherheit eingewiesen wurde.
Ich weiß, dass meine Dummheit in der Regel Ehrlichkeit und Werttreue ist. Immer wieder der Versuch Dinge, die von Dauer sind, erschaffen und leben zu wollen.

Jede Einweisung, jeder Umzug, jede neue Gruppe- ich kam um zu bleiben.

Wenn ich von Heim- oder Klinikzeit träume, dann dreht es sich am Ende immer um den Moment, in dem ich spüre, wie es durch mich hindurch und aus mir heraus rast.
Dieses ES mit hellen Blitzen im Kiefer, steinharten Muskeln und Sehnen, die sich wie Schlangen unter der Haut entlang bewegen.
Es geht um den Moment in dem dieses ES gepackt und auf den Boden geworfen und gestaucht wird. Knie durch die Oberschenkel gebohrt bekommt, die Schulterkugeln knirschen spürt.
Einen Namen hört, den es zu fressen gilt.

Es geht nie um das Danach mit blauen Flecken, den Blicken derer, die definierten, was war. Die sich selbst mir gegenüber nie entschuldigen mussten.
Obwohl sie mich verletzt haben, weil sie ES nicht verstanden.
Dieses Danach ist, wenn ich aufwache und in mein Heute zurückrutsche.

In meine dunkle Halle.
Wenn ich dann wie jetzt, am Fenster sitzen muss, um den Himmel durch meine Augen in mein Innen hineinzusaugen. Den Schmerz der Anspannung veratme und die Gefühle von Auslieferung und Ohnmacht säckchenweise verpacke.
Das Danach in dem die Jugendliche mit dem Riss in der Hose und den blauen Flecken vor mir steht und mich fragt, ob sie so gefährlich ist, dass sie besser sterben sollte.
Das Danach in dem die Jugendliche mit der gebrochenen Nase ihr Blut in meinen Mund tropfen lässt und flüstert: “Sie sind dumm. Alle sind sie so dumm.”.

Als es zum ersten Mal durchbrach und ich auf die Station zurück kam, legte mir eine Mitpatientin die Hand auf den Arm. Das war die einzige nicht hohle Geste bezüglich dessen. Die Schwestern redeten von Ursache und Wirkung, Recht und Ordnung. Irgendwas mit krank und selbst schuld, kam von der Psychologin.
Berührt hat mich aber die Hand einer, die mit mir im Anderssein verbunden war.

Ich erinnere, dass ich versucht habe mich einzupassen. Irgendwie einen Platz im Zwischenstück von Drinnen und Draußen zu finden.
Das geht in allen Einrichtungen nur über das Personal. Sie kommen um zu arbeiten. Sich ab- und alle Makel an den InsassInnen wegzuarbeiten.
Kontakt suchen, sich wie ein Seelenfresser an sie heranschleichen, klammern, Bekundungen des Gernhabens absondern, Humor kopieren, Werte spiegeln, Weltbilder bestätigen, sich erniedrigen, um bei ihnen ein Wohlgefühl zu vermitteln.

Bis man merkt, dass es nicht sie sind, die einen rauslassen. Dass nicht sie das System sind.

Es gab Experimente, an denen wir PatientInnen teilnehmen DURFTEN.
Vorlesungen, in denen wir PatientInnen uns zur Schau stellen DURFTEN.
Es hat sich niemand bemüht uns Jugendlichen etwas über Ethik zu erzählen. Über die Art der Moral, die Medizin auch verfolgen könnte.

Ich habe nie erfahren, worum es in dem Experiment, in dem ich kleine E-Schocks bekam, während ein EEG gezeichnet wurde, ging.
Genauso wenig, worum es in der Vorlesung ging, in der ich zu meinem Verhältnis zu meiner Familie und mir selbst befragt wurde.

Ich weiß aber noch, wie wichtig es mir war, das zu dürfen.
Vielleicht, weil es mich ganz kurz anders als die anderen im gemeinsamen kleinen Andersuniversum gemacht hat. Einfach nur durch die Tatsache an einem Punkt des schier statisch Monotonen etwas Besonderes zu erzählen zu haben.

Hier in diesem Blog gibt es viele Artikel, in denen ich versuche mich dem, was mir das System Psychiatrie angetan hat, anzunähern und zu verstehen.
Vielleicht versuche ich irgendwie auch noch immer zu verarbeiten und zu sortieren.
Was ich aber merke ist, dass ich es nicht mehr aus einem gleichsam wie damals ausgestanzten Anderssein heraus tue.

Ich bin keine Psychiatriepatientin mehr und auch keine Jugendliche.

Aber das ES ist noch immer da.
Die Möglichkeit von jetzt auf gleich wieder zur Insassin zu werden, besteht immer und jederzeit- egal wie sehr und mit welchen Bandagen ich mich zu wehren in der Lage sehe.

Ich denke heute nicht mehr, dass ein so behäbig nihilistisches System wie das der Psychiatrie nur verstehen muss.
Dass ich nur gut genug erklären muss.
Dass ich nur so schlicht wie möglich- geistig so reduziert wie nur irgendmöglich beanspruchen muss, um wieder freigelassen zu werden.

Ich denke heute, dass ich einfach nur nicht mehr in dunkle Hallen gehen sollte, wenn es darum geht mich zu äußern und mir ein Stück Leben in den Mund zu schieben.
Mich und vielleicht auch ES sichtbar zu machen.

Es geht darum zu zeigen, dass das System Psychiatrie beansprucht längst verstanden zu haben, während es zeitgleich einen unverstanden Menschen nach dem anderen in sich verwahrt und an irgendeiner Stelle gebrochen- wenn nicht zerstört- wieder zurück wirft.
In eine Gesellschaft, die dumm ist und erklärt haben will.

Aber keine Verantwortung tragen möchte.
Vor allem nicht für jene unter ihnen, die zurück sind und davon träumen, wie sie auf den Boden geworfen werden, um gestochen zu werden, um fixiert zu werden.