ein anderes Problem am Märchen vom “funktional (multipel) sein”

Die Paulines schrieben einen Artikel dazu, wie schwierig es für sie ist, in ihrer inneren Zerrissenheit gesehen zu werden, wenn sie funktional wirken bzw. so eingeschätzt werden.

Für  uns gibt es diesen Konflikt in der Form nicht. Vielleicht, weil wir nie als funktional eingeschätzt werden, sondern eher als kompetent, kritisch unnahbar, wenig empfindlich. Kurz: “Total kaputt  – aber irgendwie läufts halt.”. Wie genau wir eingeschätzt werden, wissen wir aber nicht. Wir bekommen solche Rückmeldungen nicht – oder, wenn doch, dann so, dass wir sie nicht als solche wahrnehmen.  Vielleicht doch auch ein Segen, so ein Kommunikationsmurksi zu sein – wer weiß.

Anyway – das Thema “Mimimi immer bin ich so funktional – wie schlecht es mir geht, sieht niemand” taucht immer wieder mal auf und ich habe darauf immer wieder den gleichen Reaktionspfad: “Dann sag den Leuten, dass es dir schlecht geht und sei so funktional, wie du eben bist”.
Funktionalität ist für viele Viele ein Produkt ihrer Dissoziationsleistungen und nur selten ein Produkt dessen, was sie leisten, weil sie es leisten können. Manche sagen “trotz dem, wie es ihnen geht”, während wir von uns immer wieder sagen würden “weil es uns so geht, wie es uns geht”.

Wir werden produktiver, je schlechter es uns geht, weil wir uns strikter reglementieren, je schlechter es uns geht. Menschen, die nah an uns dran sind, merken das auch. Wir reden dann mehr von Tagesplänen, Essensplänen, Strukturen im Alltag und daran, wie viel Zeit wir für die soziale Interaktion mit ihnen freimachen.
Unsere Funktionalität erstreckt sich dann völlig auf den Selbsterhalt und den Erhalt der bestehenden Projekte, Vorhaben und Sozialkontakte.

Wenn es uns gut geht, dissoziieren wir häufiger die Anstrengung des Selbsterhalts und anderer Dinge und stecken mehr Kraft in den Ausbau und die Weiterentwicklung bestimmter Dinge. Eine Falle dabei: manchmal dissoziieren wir dabei auch, dass es so etwas wie ein “uns allen im Innen geht es super gut” noch gar nicht für uns gibt und provozieren damit am Ende schnell einen Bumerang, der uns in die Kniekehlen fliegt.

Unser Problem ist selten zu äußern, dass es uns nicht gut geht, wir in uns unklar sind und uns nicht stimmig mit dem Außen erleben – schwieriger ist für uns die Anerkennung unserer Art der Funktionalität. Für viele Menschen ist es keine Funktionalität sich selbst nicht umzubringen, weil eine akute Verzweiflungswelle nach der anderen von innen nach vorne rollt und man für eine Weile denkt, das würde nie wieder aufhören.  Genauso wenig, wie es zu Funktionalität gezählt wird, sich selbst auszuhalten.
Als funktional gilt man häufig für Dinge, die das Außen als innerhalb einer Funktionalität erkennbar markiert.
“Aha – die Person arbeitet und ist damit erfolgreich = die Person ist funktional”
”Aha – die Person ist in einer geschlossenen Einrichtung, weil sie sich selbst zerstört = die Person ist nicht funktional”

Neuer Kontext an der Stelle, der sich für uns aufgetan hat: “Aha – die Person hockt nicht schaukelnd in einer Ecke und zählt auf den Boden gefallene Streichhölzer mit einem Blick = hochfunktional autistisch = also eigentlich gar nicht autistisch = also eigentlich wie ich = dann kann ich ja das Gleiche von ihr abverlangen, wie ich von mir abverlangt erlebe”
im Vergleich zu: “Aha – die Person macht keine creepy Sachen wie in Kindersprache lispelnd in der U-Bahn zu sitzen oder durch einen anderen spektakulären Persönlichkeits/Innenwechsel auffällig zu wirken = sich hochfunktional dissoziierend/multipel = also eigentlich gar nicht unter Dissoziation leidend/nicht multipel = dann ist ja keine Rücksichtnahme/Mitbedenken, dieser Problematik erforderlich”

Der Punkt ist: häufig ist “funktional” zu sein als “problemfrei” zu sein internalisiert. Als “allen äußeren Ansprüchen gerecht werden zu können”.
Die Idee der Funktionalität bewegt sich folglich häufig auch reichlich nah an einem Punkt, an dem man sich aufgefordert fühlen kann, sich selbst völlig aufgeben zu müssen, um eine Entsprechungschance zu haben.

Deshalb pochen wir immer wieder darauf, dass Menschen mit uns sprechen, wenn wir gemeinsame Projekte starten oder sonst wie miteinander zu tun haben.
Wenn sie uns nicht sagen, was sie gerade können und was nicht – wenn sie uns verschweigen, was sie von uns erwarten, weil sie es von sich selbst auch erwarten – wenn sie ihre internalisierten Vorstellungen von Funktionalität auf eine Stufe mit Selbstaufgabe und maximaler Dissoziation eigener innerer Dynamiken und Konflikte stellen, dann werden wir zwangsläufig zu einem Instrument ihrer Selbstaufgabe und manchmal auch ihrer Reinszenierung von erlittener Gewalt.

Wir haben in den letzten Tagen erst wieder erfahren, wie soziotoxisch solche nicht barrierefrei kommunizierten Ideen von Fremdwahrnehmung und als notwendig eingeschätzte Funktionalitätsperformance wirken und wie wichtig es ist, sowas an sich zu reflektieren und darüber in Kontakt zu gehen.
Während wir denken, dass es wichtig ist, seine sozialen Kontakte auch dafür zu nutzen, sowas auch zu üben, um sie gut und regelmäßig weiter entwickeln zu lassen, merken wir, dass gerade Menschen, deren äußere Performance einer durch andere Instanzen definierten Funktionalität hochgradig existenziell eingestuft wird, einen Scheiß auf unseren Kontakt geben.
Anders formuliert: sie hängen die Funktionalität, die der Arbeitgeber, die Peergroup, die für diverse Dinge substanziell wichtig ist, höher als das, was wir ihnen bieten können. Ihr wisst schon – so Kleinigkeiten wie den Blick auf das Selbst, das vor eben diesem Arbeitsgeber und dieser Peergroup keinen Platz haben kann und die Anerkennung des täglichen Kampfs um Selbsterhalt und all das.

Wir glauben nicht, dass das absichtlich passiert. Soviel Gedankenfokus sind wir diesen Menschen nicht wert. Aber es passiert und wir merken, dass es häufig damit zu tun hat, dass es zu schön ist, um wahr zu sein. Um geglaubt und angenommen zu werden.
Wie kann das denn sein, dass jemand keine Vorwürfe macht, sondern wirklich nur sagen will, was gesagt wird? Geht ja gar nicht – MUSS eine Falle sein. MUSS eine Lüge sein. MUSS naiv und dumm sein. DARF also abgewertet und weggeschmissen werden (weil: übt man ja fleißig in der Therapie – Abgrenzung!11!!1)

Inzwischen versuchen wir, unsere Kontakte zu nach außen als funktional bezeichneten Menschen zu reduzieren bzw. auf genau dieser Ebene zu belassen: der Funktionalität, an der sie sich zumindest zweitweise gern festhalten, um sich darin zu bestärken, dass sie nicht wertlos, faul, dumm, krank, behindert und kaputt sind (,wie all jene, von denen sie sich so sehr abgrenzen müssen, vor lauter Angst, das könnte auf sie abfärben).

Und daneben versuchen wir mit unserem Selbstlob offen zu sein. Versuchen sichtbar zu machen, welche Leistungen für uns Leistungen sind und welches Funktionieren für uns Funktionalität ist.
Wir versuchen nicht nur zu sagen: “Ich bestimme selbst” – wir bestimmen und bewerten unser Wirken auch wirklich selbst.
Wie gesagt – vielleicht kriegen wir Fremdbeurteilungen einfach nicht mit, weil wir so schlecht darin sind, sowas aus dem Verhalten und unachtsamer (oder ausbleibender) Kommunikation anderer Menschen zu dekodieren und erfahren deshalb nicht die gleichen Verunsicherungsfaktoren, wie andere Menschen. Trotzdem ist ja von außen sichtbar, dass es grundsätzlich möglich ist das zu tun, ohne, dass einem der Himmel auf den Kopf fällt.

Nachwievor denke ich: Wenn man möchte, dass Dinge gesehen werden, dann muss man sie sichtbar machen. Und zwar so, dass andere Personen sie auch sehen können.

Ob das dann dazu führt, dass die Reaktion eintritt, die man sich wünscht oder für sich braucht, ist dann die nächste Frage. Auch darauf kann man sich nicht verlassen. Aber wenn man vor lauter Angst, es könnte eine falsche oder schwierig auszuhaltende Reaktion kommen, gleich die Sichtbarmachung des Problems oder einer Gesamtkonstitution ausbleiben lässt, dann ist das Problem nicht, dass Funktionalität als so viel toller gilt, sondern, dass nur die Funktionalität sichtbar gemacht wird.

was ‘unsere Leute’ wissen sollten

Und manchmal geht es gar nicht darum, wie dringend ich verstanden und gesehen werden möchte, sondern darum, dass ich das Moment verpasse, in dem ich meinen Impuls übergehe, zu akzeptieren, wie dringend mein gegenüber mich und das, was ich sichtbar mache, ein_fach, simpel und leicht braucht.

Unsere täglichen Über.Belastungen sind für mich so üblich, dass ich die Menschen vergesse, deren größte Nähe zu großen, komplexen Problemen, der Kontakt mit mir ist. Manchmal und mit zunehmendem Kontakt zu anderen Menschen mehr, vergesse ich, dass es für sie ein großer Schritt aus einem Kosmos, in dem grundlegend alles als okay, einigermaßen heil, ausreichend gesund und genügend sicher wahr.genommen wird, ist, mit uns in Kontakt zu kommen.

Früher hatte ich das noch bewusster als in der letzten Zeit und habe Menschen in der Folge gemieden oder mich ihrer Sphären entsprechend angepasst.
Heute merke ich an vielen Stellen, welche Folgen so eine “aber eigentlich ist ja grundlegend alles heil und okay” – Haltung hat und bin konfrontativer. Will nicht hinnehmen, wie sich der Großteil der Menschen vor der Auseinandersetzung mit durchaus und bereits in der eigenen privaten Praxis veränderbaren Problemen, scheut oder verschließt. Will nicht akzeptieren, wie viele Menschen sich für etablierte Floskeln entscheiden, auch und teilweise sogar obwohl sie wissen, welche Aussagen sie damit auch treffen, obwohl sie sie eigentlich ablehnen.
Ich will nicht akzeptieren, wie viele Missstände by the way im täglichen Lauf hingenommen werden, weil jede noch kleine Veränderung zur Zumutung mutiert. Zu diesem einen großen Schritt in einen Kosmos hinein, in dem die persönliche , als heil und okay wahrgenommene Grundlage, schlicht nicht mehr da ist bzw. durch die etablierten kulturellen Praxen als inexistent erscheinen.

Andererseits ist es für diese Menschen eben doch manchmal eine Zumutung. Eine Überforderung. Eine Belastung, die man nicht halten kann, auch, wenn man sich grundsätzlich dazu bereit erklärt hat, sie auf sich zu nehmen.
Ich verpasse das Moment schnell, weil ich schneller bin in der Erfassung und Verarbeitung all dessen, was ist. Bis Menschen verstanden haben, was ich alles mitbedenke und worauf meine Formulierung einer Problem- oder Konfliktlage basiert, bin ich schon längst in dem Prozess der Verarbeitung des Gefühls unverstanden, ungesehen zu sein. Und manchmal eben auch des Eindrucks, umgeben von Menschen zu sein, die einfach keinerlei Resonanzboden für eine gemeinsame  oder einander verstehende Kommunikation bieten, oder dem, von Menschen umgeben zu sein, die plump drauflos raten und von sich auf mich und uns schließen und das für Gegenseitigkeit halten.

Ich nehme mir oft vor langsamer zu machen. Atmen, denken, warten, Gedankenstopp.
Leider bedeutet “Gedankenstopp” bei mir noch immer “dissoziieren”, weil es denkt, wie es denken kann – egal, ob ich das bewusst halten will oder nicht.
Dabei ist der günstige Verlauf noch der, dass, wann immer ich mir sage: “Stopp ”, mein Denken die 100 Shades of “Stopp” mit all ihren Auswirkungen, eventuellen Bedeutungen in diversen (allen) Kontexten und Fragen, die sich an diesem Umstand generell entlang befinden (like: Müssen sich Tiere –> Reptilien –> [neurologischer Aufbau und erforschte Befähigungen von Reptilien] eigentlich auch in ihrer Verarbeitungsgeschwindigkeit stoppen oder verhindert ihre neurologische Befähigung dies?) bearbeitet.
Die ungünstige Variante ist, dass ich irgendwo an eine Gedankenstelle komme, die etwas Unverarbeitetes (also Traumainhalte) negativ angetriggert und mich komplett aus dem Kontakt reißt und das ist leider genau die Variante, die ich und wir am Tag mehrfach erleben.

Und ja, das bedeutet auch, dass ganz übliche Missverständnisse oder Momente, in denen man einander erst einmal auf eine Ebene bringen muss, bei uns Wechsel auslösen und damit sogar unmöglich machen, dass manche Innens (so wie ich) überhaupt je erleben, wie sich ein Konflikt oder eine schwierige Situation in eine Gegenseitigkeit oder ein thematisches Verbundensein auflösen.

Wenn man ein bisschen was übers Vielesein weiß, dann weiß man auch, dass wir Innens jeweils andere Fertig- und Fähigkeiten haben und oft auch von sich sagen: “Mein Leben ist ein ganz anderes als das der anderen.”. Vielleicht hilft meine Beschreibung solcher Kommunikationsprobleme und ihrer Folgen ein bisschen besser zu verstehen, wie es zu dieser Aussage kommt.
In meinem Kosmos gibt es Zillionen ungeklärter Konflikte, in denen ich nicht gesehen werde und mit dem Gefühl zurückbleibe, eine Lösung sei immer irre wichtig – aber nie von mir machbar, denn ich habe nie erlebt, wie sich etwas, das ich aufzeige, in gegenseitigem Verstehen löst.

Mein Kosmos ist damit auch grundlegend nicht heil und okay und auch: nicht veränderbar.
Denn auch diese Erfahrung fehlt mir. Ich bin immer wieder damit konfrontiert, dass Menschen sich dazu entscheiden diesen meinen Kosmos aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus zu betreten und wieder daraus zu verschwinden, aber mit mir zusammen einen gemeinsamen zu bilden funktioniert nicht.
Ich kann nicht einmal bewerten, wie das für mich ist, denn erfahren habe ich das noch nicht. Aber meine Vorstellung davon, wie es wäre gemeinsam zu sein, ist schön. Immerhin schön genug, dass ich diese Erfahrung gerne mal machen möchte.

Manchmal spüre ich die Anstrengung des Gegenübers und nehme mir vor, es in Ruhe zu lassen. Ich mache mich selbst weg und verschließe mich vor der Person. Dann gehe ich aus dem Kontakt und nehme den Konflikt mit. Ich ordne ihn mein Bild davon, wie die Welt und das Miteinander für mich funktioniert und vielleicht, durch die mir durchgehend bewussten Wiederholungen bestärkt, auch immer nur laufen kann.

Und will all diejenigen beißen, die mir erzählen, wie grundlegend okay und heil doch alles eigentlich ist.
Wenn sie beim nächsten Mal über mich stolpern.

Was sollen denn die Leute denken?

Wann immer ich auf Menschen treffe, passiert es, dass ich merke: da gibt es ein Paralleluniversum. Da gibt es ein Wertesystem, eine Einordnung dessen, was ich transportiere, eine Falle, in die ich hineintappe, egal wie zart, überlegt, vorsichtig, respektvoll, anerkennend, lieb und artig ich meine social awkward Elefantenfüße in den Kontakt halte.

Wann immer ich gegen eine falsche Einordnung angehe, gelte ich als “wehrhaft”, “aggressiv”, “störrisch”, “zickig”, “launisch”, “motzig”, “aufmüpfig”, “mutig”, “unbeugsam” oder ein anderes Innen als “monologisierend”, “intellektuell zu anspruchsvoll”, “haarspalterisch”, “kleinlich”, “anstrengend”, “viel” oder ein anderes Innen als “komisch”, “awkward”, “offensichtlich behindert”, “bedrückt”, “dissoziativ (bzw. als “sich in die Dissoziation flüchtend”), “unsozial”, “einzelgängerisch”.

Es hilft nicht und tröstet auch nicht zu wissen, dass andere Menschen meine Inhalte nicht “falsch” einordnen, sondern “anders (als ich)”. Im Gegenteil. Tatsächlich gibt es mir das Gefühl ohnmächtig und handlungsunfähig zu sein, denn was genau ich tun muss, damit Menschen mit mir gleichermaßen einordnen, was wir einander mitteilen, weiß ich nicht und wusste ich noch nie.
Was ich tue ist, dass ich immer wieder sage, dass nicht stimmt, wie mich andere Menschen einordnen. Und dann merke ich, dass die Menschen nicht verstehen, warum für mich wichtig ist, dass sie mich richtig einordnen.

99% aller Gespräche, die ich mit Menschen führe, haben etwas mit Hilfen und Unterstützung zu tun. Mit Zusammen.Arbeit und entsprechenden gegenseitigen Abhängigkeiten. Ich bin das Innen, das unsere Therapeutin als “starkes Innen, das den schwachen Innens helfen kann, weil es ja so stark (wehrhaft, aufmüpfig, mutig…) ist” eingeordnet hat.
Ich bin das Innen, vor dem andere Menschen sich fürchten oder Angst haben, weil ich es selten bis nie akzeptiere, wenn meine Probleme und Konflikte auf mich allein individualisiert werden und ich die Menschen in ihrem Anteil daran zur Mit.Verantwortung ziehe. Niemand mag mich, weil si_er sieht und versteht, wie Dinge und Momente auf mich wirken – die meisten nehmen mich hin, weil sie am Ende etwas davon haben und ich nicht das einzige Innen in diesem Einsmensch bin.

Die Konsequenz ist, dass ich überfordert und überladen werde. Immer wieder. Und damit auch immer wieder in Erinnern und Auftauchen im Alltag getriggert werde. Ich weiß nicht, was genau ich tun muss oder kann, um das zu unterbrechen. Denn, das was ich denke, was ich tun kann, tue ich. Mit inexistentem Erfolg.

Noch immer fragt die Therapeutin nach mir, wenn es einem Innen nicht sehr gut geht, ein Alltagsproblem zu klären ist oder die Idee da ist, dass es funktionales Re_Agieren braucht.
Noch immer sagen mir Menschen, ich würde Dinge falsch einordnen oder, wenn sie sich bemühen aus dem Wertungsbias rauszugehen, “anders” einordnen und “aber, eigentlich …”.

Am Ende merke ich immer öfter, wie ich in einem Kontakt stehe und Risse in mir selbst fühle, weil von all dem, was ich sage, genau nicht eingeordnet wird: “Hier gibt es ein Missverständnis. Hier gibt es ein gegenseitig falsches Einordnen. Stopp. Bitte Stopp.”.
Manchmal denke ich, dass das nicht gehört wird und manchmal merke ich, wie es als Dominanzgeste von mir eingeordnet wird, wenn ich es ganz platt durchziehe und nämlich ein Thema, eine Auseinandersetzung, einen Konflikt beende. “Aha, jetzt hab ich sie am Arsch – jetzt hat sie keinen Bock mehr zu reden. So Kindergarten, ey!”

Das sollen die Leute natürlich nicht von mir denken. Ich habe kein Interesse daran Recht zu haben, die Bestimmerin von allem zu sein oder, dass mir nur nach dem Sinn gesprochen wird. Solche Ebenen sind mir egal, weil sie für die Dinge, die mich und uns so allgemein beschäftigen keine Rolle spielen.
Sehr wohl aber spielen sie für andere Menschen eine Rolle, denn diese Ebenen bestimmen offensichtlich sehr maßgebend mit, wie was von wem eingeordnet wird.

Sitzt ein Huschi in der Therapie und sagt: “Stopp” oder verbröckelt unter einer Dissoziation, gilt es nicht als Akt des Versuchs die Situation (oder die Therapeutin dominierend) zu bestimmen (jedenfalls nicht bei unserer Therapeutin und auch nicht bei anderen Menschen in unserem Umfeld). Aber wenn ich das sage, als anscheinend normal funktionierendes Alltagsinnen, dann aber auf jeden Fall.
Mein Stopp gilt als ein anderes, als eines von einem anderen Innen und das hat nichts damit zu tun, dass ich selbst ein anderes Innen bin, als das andere. Wir werden nur jeweils anders eingeordnet. Und zwar von Außenstehenden.

Manchmal merke ich, wie ich in die getriggerte Schleife hineinkomme, in der ich nur denke: “Nein Stopp Ich will das nicht” und merke, wie ich überhaupt gar nichts weiter aufnehmen – gleichzeitig aber auch nicht herausbringen könnte.
Ich merke selbst, wie ich in so einem Moment nur darauf warte, dass es aufhört und meine Gefühle kompensiere, indem ich aktiv gegen die Einordnung des Gegenübers angehe. Ich weiß, dass ich in solchen Momenten will, dass die Leute hauptsächlich aufhören irgendwas von mir zu denken. Ich will weg sein – ich will raus aus ihrem be.denken sein – will verschwunden und unsichtbar sein – aber statt mich aufzulösen, werde ich immer fester ins Bewusstsein gekettet. Ich kriege meinen Durst, sehe diese eine Wand und merke, wie die Haut allein das Fleisch um mich herum zusammenhält. Und kann genau nichts dagegen tun oder sagen oder machen, dass ein anderer Mensch entsprechend seiner falschen Schlüsse einordnet, was mit mir ist und was bedeutet, was ich sage.

Ich merke, wie die Menschen in unserem Leben diese meine – ja Qual, ich will es nicht anders nennen, denn für mich ist es quälend und schrecklich – für einen Teil von uns halten und so einordnen. Für viele Menschen “bin ich halt so” oder “habe eben manchmal solche Momente, in denen es nervig und anstrengend ist mit uns zu tun zu haben”.
Für sie ist es nicht das Miterleben eines Flashbacks und schon gar keine Zeugenschaft meines Wiedererlebens einer Traumatisierung, die mich zur Folge hatte.

Und ja. Das ist bitter. Traurig. Schlimm. Ich empfinde mich unsichtbar in meinem Schmerz. Vielleicht auch ungehört in meinem Schmerz. Obwohl ich ihn äußere. Obwohl ich ihn nicht verberge. Obwohl ich transparent damit umgehe und immer wieder sage, was ich wie wahrnehme.
Aber ich tue es mit den falschen Botschaften. Auf meine Worte achtet man nicht. Worauf stattdessen geachtet wird, weiß ich nicht. Ich weiß nicht, was genau ich wie anders kommunizieren muss. Muss ich mehr lächeln? Muss ich bestimmte Handgesten machen? Muss ich meine Körperhaltung irgendwie anders machen? Muss ich die Tonlage meiner Stimme anders machen? Oder muss ich einfach nur nicht ich sein? Ist das das ganze Geheimnis? Dass man sich einfach nur verstellen muss und ein so-tu-als-ob-Spiel veranstaltet, damit die Leute denken, was man selbst denkt?

Ist das Geheimnis des Verstanden werdens dann am Ende nicht einfach nur Manipulation? Wie echt ist ein gegenseitiges Verstehen, wenn ich gemacht habe, dass jemand denkt, was ich denke?

Was würden die Leute denken, wenn ich ihnen sage, dass ich sie mittels bestimmter Veränderungen meiner Kommunikationskanäle dazu gebracht habe, mich zu verstehen? Wie berechtigt wäre dann meine Sicht auf mich als jemand, die kein Interesse daran hat, die Einordnungen anderer Menschen zu dominieren bzw. zu bestimmen?

Weltautismustag #1

In verschiedenen Städten gibt es heute Veranstaltungen, bei denen über Autismus aufgeklärt wird und Austauschmöglichkeiten bestehen.
Wer nicht hingeht, sind wir.

Wir sind nach inzwischen 10 Monaten mit der nachwievor neuen Diagnose eher überfordert und darum herum gewirrt, als klar, selbst-sicher und orientiert.
Ich weiß nicht, ob ich über uns sagen kannwill “Ich bin Autist_in” – weiß nicht, ob ich das, was die Diagnose benennt, als Teil von Identität betrachten kannwill.
Denn, well, was meint das denn in Bezug auf uns?
Unsere andere Diagnose heißt “dissoziative Identitätsstruktur” und jeder strukturelle Huckel auf der Identitätsplattform ist ein Innen, ein Teil des ES oder DAS DA, eine Energie, eine Seele.
Autismus ist mehr Strickmuster – Identitätseigenschaft vielleicht. Oder Seinseigenschaft. Vielleicht auch Wahrnehmungs-DNA.
Der Autismus macht vielleicht auch, wer oder was wir sind – ist aber nicht, wer oder was wir sind.

Wir sind noch immer mit dem Bitternis beschäftigt, wie so wahnsinnig viele kompetente Pädagog_innen, Psycholog_innen, Psychiater_innen und Mediziner_innen übersehen konnten, dass bei uns ein Autismus vorliegt.
Es ist dem Bitternis ähnlich, wie so viele Menschen die Gewalt in unserem Leben übersehen konnten.

In vielen anderen Szenarien, etwa, wenn wir ein absolut unauffälliges, weil gut angepasstes Menschenwesen gewesen wären, das viele Freunde hatte, ein geradliniges Leben in die 30er geführt hätten – okay okay dann: okay.
Aber nicht mit dem Wort- und Wissensschatz, den wir schon als Vorschulkind hatten. Nicht mit den Intelligenztestergebnissen. Nicht mit einem Geschwist, bei dem ein Autismus bereits diagnostiziert wurde. Nicht mit über x Berichten von x Psycholog_innen und x Klinikaufenthalten noch vor Erreichen der Volljährigkeit. Nicht bei den sozialen Problemen und dieser Art der Einsamkeit als einzig durchgängige Konstante. Nicht nach all den diagnostischen Stunts, die an uns vollführt wurden.

Zwischendurch bin ich froh darum, überwiegend die Bitterkeit zu fühlen und nicht den unfassbar weiten Abgrund aus Trauer und Verzweiflung, der darunter aufklafft. Die Bitterkeit schützt mich davor, von all diesen kleinen Erinnerungsfragmenten an eine Kindheit voller mehr oder weniger großer Miss- und Unverständnisse mit mehr oder weniger furchtbaren Konsequenzen, überflutet zu werden.
Sie schützt mich vor dem Gedanken: “Es hat sich nichts verändert.” und dem logischen Schluss “Es ist nicht vorbei” (—> alles was die Traumatherapie der letzten 13-14 Jahre sagt, ist falsch)

Seit der Diagnose erweitert sich unser Blick auf die Probleme von uns als Einsmensch. Erweitert sich das Bewusstsein darum, dass wir tatsächlich eine behinderte Person sind, obwohl unser Umfeld immer wieder auf unsere Fähig-und Fertigkeiten pocht, als würde ihr Vorhandensein einen Schutz davor bieten.

Eine Angewohnheit übrigens, die auch andere autistische Menschen haben und fleißig in Austausch und Diskurse jeder Art streuen. So endete dann auch unser Versuch, sich in einem Forum für Menschen mit Asperger-Syndrom auszutauschen. Leidvergleiche und Rechtfertigung vor anderen Menschen über die eigenen Empfindungen und Schwierigkeiten – das ist nichts, was uns hilft, die Diagnose als Wort für unsere Probleme anzunehmen, geschweige denn mit den Problemen umzugehen.

Überhaupt tue ich mich schwer mit der autistischen Netzblase.
Viele machen sich derzeit stark gegen eine “Therapie” mit dem Kürzel “ABA” und manche hetzen deshalb gegen kritisieren im Zuge dessen gerade den größten deutschen Förderer von Projekten für Menschen mit Behinderungen, die “Aktion Mensch”.
Daneben teilen einige ihre Erfahrungen und manche versuchen Autismus inkludierend Tipps und Tricks zur Selbst_Hilfe zu sammeln.
Die meisten konzentrieren sich nicht auf autistische Menschen als eigenständige Individuen, sondern als Teil einer Gruppe, die für die Argumentation hergenommen wird. Häufig geht es darum, nichtautistischen Menschen etwas über autistische Menschen zu erzählen und das “Aufklärung” zu nennen.
Selbstvertretung, um der Selbstvertretung für alle willen, erlebe ich als selten.

Ich kann an keiner Stelle des Diskurses partizipieren und rede mir ein, es auch gar nicht zu wollen, damit es nicht so schmerzlich ist.
Denn, was ich merke ist, dass diese Menschen keine Amnesien für sich und ihren Alltag haben. Manche dissoziieren auch – doch nicht in dem Umfang wie wir. Sie können sich und ihr Leben halbwegs zusammenhalten, während meines einfach durch mein Denken und Wahr.nehmen hindurchnebelt und halbseidene Fäden an verschiedenen Eckpunkten hängenbleiben.

Ich habe außerdem kein Interesse daran, ein_e Aufklärer_in zu sein – ich würde lieber Erklärer_in sein. Wenn überhaupt. Irgendwann. Vielleicht.

Derzeit fühle ich mich schuldig, wenn ich Fach.Bücher von bestimmten Menschen lese, weil diese auch ABA unterstützen oder zumindest nicht offen dagegen angehen. Ich fühle mich schuldig, wenn ich mich glücklich über unsere Hochbegabung schätze und merke, wie groß ihr Anteil an unseren Kompensationsfähigkeiten ist. Ich fühle mich unsolidarisch und schlecht, wenn ich Stereotypen und Vorurteile über autistische Menschen in meinem eigenen Kopf nicht jeden Tag und immer, sondern nur hier und da aktiv dekonstruiere. Ich schäme mich dafür, wann immer ich denke: “Ja, du bist eine special autistische Snowflake – ich kommentiere das jetzt hier mal nicht weiter”.

“Die autistische Community im Netz”™ ist mein persönliches Mich-schlecht-fühl-Erziehungs-ABA.
Ich habe noch keinen Platz für mich gefunden und denke, dass sich das vielleicht auch nicht ändert.

Zum Weltautismustag wünsche ich mir Eltern in die Zukunft, die sich trauen dürfen, ihre autistischen Kinder und das Leben mit ihnen, so zu nehmen, wie es kommt. Ich wünsche mir autistische Eltern, die mit ihren autistischen Kindern so leben dürfen, wie es für sie als Familie okay zu leben ist. Ich wünsche mir autistische Helfer_innen und Therapierende, die offen mit ihrem Sein umgehen dürfen. Ich wünsche mir die Möglichkeit die Diagnostik des Autismus von Psychopathologie zu emanzipieren und als üblichen Standard in die Kindesentwicklungsdokumentation zu integrieren. Ich wünsche mir die Installation von Hilfe-und Unterstützungsangeboten für autistische Menschen jeden Alters und jeden Fähig-und Fertigkeitenlevels.
Ich wünsche mir, dass Menschen klar wird, dass sie gewaltvoll agieren, wenn sie normative Ansprüche, in welcher Form auch immer, als zwangsläufig oder unabdingbar zu erfüllen, vertreten.

Als Letztes:  Es macht mich ungeheuer traurig anerkennen zu müssen, das bestimmte Dinge für uns vielleicht immer schwierig sein werden.
Ich möchte lernen mich vor dem Trost anderer Menschen vor diesem Umstand zu schützen. Ich möchte, dass es mich nicht mehr umwirft, wann immer Menschen versuchen mir zu sagen, wie sehr man sich an die unterschiedlichsten Herausforderungen gewöhnen kann, um sich und mich zu ermutigen oder zu trösten.

die kernigen Haferflocken

Inmitten all der Diagnosendebatten und Auseinandersetzungen wie facettenreich Autismus ist, direkt schräg neben den Auseinandersetzungen und Diagnosedebatten um die DIS, sitze ich vor uns und starrte auf den bunten Haufen neuer Aspekte, die sich scheinbar wie von selbst vermehren.

Die Kombination DIS und Autismus ergibt in der Googlesuche irgendwie nur unbefriedigenden Quatsch bis hanebüchenen Unsinn. In den meisten Büchern zu Autismus bemerke ich das Ausblenden der Lebenskontexte der betreffenden Personen. Die maximale Fokussierung auf Fähig- und Fertigkeiten. Individuelle Wuchsrichtungen aus einem nicht benannten, nicht erkannten, nicht erfassten Grund heraus.
In den meisten Büchern zu Traumafolgestörungen tauchen behinderte Menschen und ihre Fälle nicht auf.

Dazwischen klicken kleine Glieder von Assoziationsketten in meinem Kopf ineinander und verwandeln sich in “Herr Trigger”, der an den Regalen mit unseren noch nicht verarbeiteten Erfahrungen rüttelt und mich immer wieder in Flashbacks bringt.
Ich blende die Lebenskontexte ein, in denen wir uns befanden und ich komme immer wieder an Ideen unserer eigenen Beteiligung an der Gewalt an uns. Verstehe, was wir für andere Menschen immer wieder für ein schmerzlicher Dorn sein müssen, weil wir weniger verschnörkelt, weniger diffus, weniger abstrakt agieren und sind und gleichzeitig unempfindlicher an bestimmten Stellen.

Versuch mal jemanden über etwas zu demütigen, das dieser Person völlig egal ist. Und dann fragt dich so eine Person auch noch: “Ja, und?”, weil sie dich gar nicht versteht und du gar nicht verstehen kannst, wie man denn sowas nicht verstehen kann und folglich annimmst die Person will dich reizen. Will dich ärgern. Will dich dominieren.

Ich weiß, dass es bei der Gewalt an uns nie um uns ging, sondern immer um die Täter_innen und ihr infantil egozentrisches Denken.
Ich weiß, dass es in meiner Herkunftsfamilie* ein absurdes Gemisch aus Abwertung von Intellektualität und akademischer Welt mit Stolz auf die eigene Schläue gab. Es war nie wichtig super gut in der Schule zu sein – aber Dummheit überwinden zu müssen, war eine Art Pflicht.
Für mich ist Dummheit keine Unfähigkeit oder Unfertigkeit – für mich ist Dummheit, wie Schläue (oder Klugheit) ein soziales, wie zeitabhängiges Konstrukt. Schon immer. Deshalb spreche ich auch von “dummen Leuten” und stufe das nicht als ableistisch, sondern allgemein wertend ein.

In meiner Herkunftsfamilie* konnte eine Dummheit von mir nur auf eine Unfähigkeit der Erwachsenen deuten, mir nicht klar genug gemacht zu haben, dass ich irgendetwas können bzw. “endlich kapieren” muss oder soll.
Beachtet wurde meistens, was ich kann – nie, wie ich etwas gelernt habe. Denn das hätte zwangsläufig eine Reflektion des “Unterrichtes” bedeutet und tja. Naja.

Heute sitze ich vor Blogs von autistischen Menschen und denke: “Och, das hab ich nicht. Och bei mir ist das nicht so schlimm. Mich hats ja gut getroffen…”, während ich neben mir ein Innen stehen habe, das mich daran erinnert, wie ich das in den ersten 5 DIS-Diagnosejahren auch schon immer dachte. “Och Zeitverluste hab ich nicht. Och, bei mir ist das mit den dissoziativen Erlebensweisen nicht so schlimm. Ich hab dann wohl ne Luxus-DIS” und sich dann nach und nach eröffnete, dass ich unterm Strich vielleicht 10-20 Minuten des Tages wirklich gelebt habe und den Rest nie hinterfragte, weil der einfach nicht in meinem Fokus war.
Wenn man nicht weiß, dass man über Phasen des Tages nicht da ist, dann kann man auch nicht merken, dass man nicht da ist.
Es hat gedauert bis ich merkte, dass der Luxus meines Erlebens der DIS, die Amnesie für die Amnesie war, die mich davor bewahrte in hellerlichter Panik durch die Gegend zu rennen, weil ich nicht nur “Zeitverluste” sondern massive Er_Lebensverluste habe.

Heute will ich so eine Schleife nicht fahren. Dieses Jahr werden wir 30 Jahre alt.
Ich merke, dass es nachwievor darum geht, Wissen und Erfahrungen nachzuholen, die andere Menschen in meinem Alter schon längst gemacht haben und bewusst haben könnten, würden sie darüber nachdenken müssen, wie wir.
Letzte Woche habe ich gelernt, dass man selbst kontrollieren kann, wie und wann man zur Toilette geht. Nach gut, sagen wir, 27 Jahren komme ich auf die Idee, dass ein Zeit- und Aktivitätenbasierender Plan für Körperfunktionen vielleicht eine seltsame Konstruktion sein könnte. Zing – ein Autismusding, das so gar nicht in mein Bild von mir als “eigentlich in Wahrheit gar nicht so doll betroffen” passt.

Letztens dachte ich: “Hm, du benimmst dich voll autistisch wenn du jetzt schon wieder nur diese blütenzarten Haferflocken isst.” und kaufte die kernigen.
Sie sind furchtbar. Ich hasse sie. Es ist seit 4 Tagen ein Kampfkrampf sie nicht einfach in den Garten zu schütten “für die Vögel und Mäuse”.  Ich könnte es doch sein lassen. Aber… da sind die neuen Medis. Wir müssen einen Essplan haben, weil es an unserem Appetit und Hungergefühl manipuliert. Es muss Frühstück geben. Es gehen nur Haferflocken in Jogurt zum Frühstück – warum? Weil wir nicht viel Brot vertragen und weil ich ein Bild von einem Kellogg’s Fruit Loops Ballett in einer Schüssel mit Milch habe, das unaushaltbar disharmonisch mit dem Weingeräusch eines meiner Geschwister war. Und dahinter ein Erinnern an seinen Käfiggittern rüttelt.

Ich weiß bis heute nicht wo genau “Traumavermeidung” beginnt und wo die Notwendigkeit die Welt für mich auf eine Art sicher und okay zur Interaktion zu machen mit Plänen, Sortierungen und kategorischen Ordnungen, weil ich sie sonst gar nicht erst erfassen kann und sie mir aus ihren wirr bei mir landenden Fragmenten irgendwie spontan zurecht kampfkrampfen muss.
Ich will nicht mehr kämpfen und krampfen. Und doch merke ich wie ich das tue, während ich versuche meine komischen Vermeidungsschleifen genau nicht zu machen.

Früher habe ich mich ähnlich zurecht gewiesen, wenn ich gemerkt habe, dass ich angeblich “typisch multi” – mäßige Sachen gesagt habe. Jedes Mal, wenn ich auf eine Frage geantwortet habe: “Kommt drauf an, wen man von uns fragt”, hab ich mir innerlich die Hand auf den Mund gehalten und gedacht: “Orr – TU DOCH NICH SO – du hast doch keine Ahnung, dann halt die Klappe.”. Es war ein jahrelanger Kampfkrampf bis ich verstanden habe, dass meine Antwort nach vorne im Grunde doch sagt, was ich nur sagen konnte: “Keine Ahnung”.

Ich möchte das bitte abkürzen. Dieses sich selber verorten und zurecht finden und einsortieren. Ich merke, wie sehr es mich erschöpft. Und auch wie allein ich damit bin, weil beide Diagnosen immer wieder als so wahnsinnig individuell dargestellt werden, dass ich denke: “Hm, ok wieder nichts mit dem ich mich wirklich abgleichen kann. Wieder nichts woran entlang ich mich abgrenzen könnte, außer Klischees und Stereotypen.”.

[tl, dr: mimimimi]

Diagnosen und gewaltvolle Ausschlüsse

Es gibt gerade so eine Debatte darum, ob nur als Autist_in diagnostizierte Menschen an prominenter Stelle für Selbstbestimmung, Inklusion und Barrierefreiheit sprechen dürfen oder nicht und alles hängt sich an der Wichtigkeit einer Diagnose auf.

Ich habe bereits letztes Jahr in der Mädchenmannschaft geschrieben, dass Diagnosen Machtmittel, bzw. die Termini “Gesundheit” und “Krankheit” Machtbegriffe sind. Wer auch immer, wie auch immer Hilfe und Unterstützung sucht, braucht, möchte – fast egal, worum es geht! – braucht eine Diagnose. Wer gerade keinen entsprechenden Krankenversicherungsschutz hat, wer aus Gründen jeder Art keine Diagnostik aushalten kann (oder überhaupt auch gar nicht die Fähigkeiten dazu mitbringt  bzw. Kompensationsmöglichkeiten aktivieren kann – auch diagnostische Verfahren sind nicht barrierefrei!), wer zu Recht das Stigma durch eine medizinische/psychologische Diagnose scheut, wer mit negativen Folgen in Beruf, Familie, Lebenskontexten zu rechnen hat – wird sich im Zweifel immer gegen eine Diagnostik entscheiden.

Und das ist okay!
Sowas nennt man auch “Selbstschutz” oder “Selbstfürsorge” oder “Umgang mit Behinderungen”

Für mich lesen sich Teile der Debatte wie folgt: “Ja, aber wenn dieser Mensch da doch gar kein_e Autist_in ist und diese Dinge sagt – dann könnte ja jede_r kommen!”
Ich kenne das auch aus der “DIS-Bubble”: “Ja, aber wenn diese Person da gar keine DIS hat sondern “nur ne DDNOS” oder “nur eine komplexe PTBS” – dann darf die jetzt hier nicht über einen Mangel von guten Traumatherapeut_innen reden und sagen, dass Menschen, die Gewalt erfahren haben, schlecht behandelt werden.”

Für mich sind folgende Punkte in dieser Debatte wichtig:
1) wer warum worüber wo spricht ist wichtig, weil Sichtbarkeit für bestimmte Themen wichtig ist, um Antistigmatisierungsarbeit anzustoßen
2) wer warum worüber wo spricht, bestimmen in aller Regel die Personen, die die Macht haben darüber zu entscheiden
3) diese Macht begründet sich in aller Regel durch eine günstige Position auf den Diskriminierungsachsen: Klasse, ‘Rasse’, Alter, Geschlecht, Befähigung, Berechtigung
4) diese Positionen führen dazu, dass bestimmte Perspektiven auf eine Problemlage zur Norm erklärt werden und jede davon abweichende als “fremd”
5) das “Fremde” zu betrachten fällt aus dieser Position heraus am leichtesten, wenn sie die bekannte (als “normal” gelabelte) Perspektive günstig, positiv, angenehm, verwertbar, mit wenig Schmerz und Eigenbeteiligung ergänzt
6) so wird sich folglich auch immer wieder den Stimmen gewidmet, die diese Marker erfüllen
7) und so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass minorisierte, mehrfachdiskriminierte Personengruppen, die obendrauf auch noch eine unbequeme Botschaft mitbringen, hinten drüber fallen und unsichtbar bleiben

Konkret heißt das: übers Down-Syndrom werden noch eine ganze Weile nicht die Menschen mit Trisomie 21 sprechen, die keine Lautsprache beherrschen und zusätzlich auch körperlich anders entwickelt sind. Über Autismus werden noch eine ganze Weile Menschen sprechen, die sprechen können, die den Stress des öffentlich wahrgenommen werdens kompensieren können – und nicht die, die nonverbal sind und 24/7 Unterstützung und Pflege brauchen, um in die Lage zu kommen selbstbestimmte Äußerungen über sich selbst tätigen zu können – einfach nur, weil ihr Leben, ihr Er_Leben und die Realitäten in ihrem Leben als “zu fremd” von “den Zuschauenden/Zuhörenden/Kund_innen/ der Zielgruppe” eingestuft werden.

Und dieser Umstand passiert noch vor der Frage: “Gibt es eine fachärztliche/psychologische Diagnose?”.
Die Wahl der öffentlich sprechenden Personen hat herzlichst Nullkommanullnix damit zu tun wie “echt” bzw. wie “wahrhaftig” das Problem ist, worüber jemand im Fernsehen, in der Zeitung, im Radio spricht, sondern damit wie “echt” bzw. wie “wahrhaftig” die beteiligten Journalist_innen und der Sender den Fall und das Problem einschätzen.
Manche sind da sehr akribisch, weil ihnen bewusst ist, wie groß der entstehende Schaden sein könnte, viele sind es hingegen leider nicht. Und wenn man sich den Medienbetrieb anschaut, weiß man auch warum.

Ich verstehe den Wunsch, gerade in der deutschen Behindertenbewegung, nicht mehr von nicht genau gleich betroffenen oder wenigstens gleich diagnostizierten Menschen vertreten zu werden. Ich finde es ja auch nicht gerade prickelnd als Mensch mit DIS von Popkultur, Psychotherapeut_innen und 2-3 Einzelpersonen vertreten zu werden, deren Perspektive teils maximal von meiner entfernt und alles andere als an strukturellen und/oder gesamtgesellschaftlichen Veränderungen orientiert sind.
Aber gäbe es das nicht, wüsste ich nicht welche Felder noch fehlen in der Debatte. Gäbe es diese Fürsprache nicht, wäre es noch schwieriger für mich auf Gehör zu stoßen.

Für mich ist es relevant zu schauen, ob es sich um (selbstvertretende) Fürsprache oder “Stellvertretersprech” oder “Statt-der-betroffenen-Menschen-Sprech” handelt.
Daran orientiere ich mich in meiner Kritik.
Es gibt genug Menschen, die gute stabile Fürsprache leisten und die man immer wieder um Kollaborationen bitten kann, um das Thema sichtbar zu machen. Das ist gut und wichtig, weil es einander ergänzen kann und nicht jede_r Aktivist_in alles gleichzeitig immer in jeder Ansprache unterbringen kann.

Bei “Stellvertretersprech” und “Statt-der-betroffenen-Menschen-Sprech” hört der Spaß für mich auf. Ich will keine “Downie-Mutter” mehr im Fernsehen sehen, es sei denn sie spricht über sich und ihren persönlichen Weg als Mutter eines behinderten Kindes.  Ich will keine Sozialarbeiter_innen in der Zeitung lesen, die unbegleitete jugendliche Geflüchtete betreuen – es sei denn sie lassen eine flammende Rede über die empörenden Zwänge ihres Jobs vom Stapel oder sie sprechen über ihren persönlichen Weg an der Seite von Menschen, die auf sie angewiesen sind.

Eine Diagnose zu fordern klingt für mich nach einem Ausdruck des Wunsches ordentlich vertreten zu werden, wenn man überhaupt schon fremdvertreten werden muss. Und ehrlich gesagt erlebe ich das als peinlich, weil man genauso gut gleich sagen kann, dass man selbst bitte irgendwo mal sprechen möchte, weil man sich durch seine Diagnose als “echt” und “wahrhaft” erlebt.
Hier ist ein Link zur Speakerinnen*-Liste. Tragt euch ein (wenn ihr eine Frau* seid), gebt es weiter, netzwerkt, aktivistet – irgendwann gibt es dann vielleicht die Möglichkeit.

Eine Diagnose kann auch falsch-positiv sein. Eine Diagnose kann vielleicht aufgrund nur eines (warum auch immer temporär oder latent) fehlenden Merkmals nicht gestellt werden. Eine Diagnose ist das Produkt dessen, was ein anderer (meist privilegierterer) Mensch beobachtet und in Kästchen abhakt – was ist, wenn der mal nicht richtig guckt? Wenn der mal einen schlechten Tag hat?
Eine Diagnose ist das Produkt einer Abhängigkeitskette und am Ende vielleicht ein wissenschaftliches Glücksspiel, das im Fall des Falls dazu führt, dass eine autistische Person als nichtautistisch eingestuft wird – und keine Hilfe erfährt, weil es die, die diese Person braucht, nur für Autist_innen gibt – und keine Ausdrucksrechte in der autistischen Bubble erfährt, weil diese nur den Glücksspielgewinner_innen zugestanden werden.
Das ist Gewalt und das ist für mich einfach nur abstoßend.

Wer Hilfe und Unterstützung braucht, soll sie bekommen können. Wer etwas sagen möchte, das helfen könnte und wichtig ist und besonders Menschen mit einem bestimmten Phänotyp und Problemcluster betrifft, der macht Fürsprache und die ist wichtig. Auch dann, wenn die Person sagt: “Ich als selbstdiagnostizierte_r Autist_in, Schizophrene_r, Depressive_r, Mensch mit DIS/DDNOS/dissoziativen Störungen, Zwangshandelnde_r … persönlich empfinde dies und das und das und das als Problem und finde es wichtig, dass sich darum gekümmert wird.”

Vielleicht ist es dran sich zu überlegen, warum genau so wichtig ist, dass nur und ausschließlich eine Diagnose dazu führt, dass man einen anderen Menschen als sich selbst (mit Diagnose) in seinen Problemen ähnlich, anerkennt und ernstnimmt. Vielleicht macht man sich mal Gedanken darüber, wie man ohne gewaltvoll zu sein miteinander umgehen kann.

Keine 5 Senderminuten sind es wert, Menschen, die warum auch immer keine Diagnose, aber die (fast) gleichen Probleme haben, auszuschließen.
Keine.

schwusch

Ich hatte gestern einen Schwuschtag. Schwusch – in die Stadt – Schwusch – Nähmaschine und beglaubigtes Zeugnis  abholen – Schwusch Bewerbungsunterlagen fertig machen – Schwusch – jemand Fremdem helfen, indem ich den Mund aufmache und spreche – Schwusch in einem Stoffladen stehen.

Stoff ist teuer – das Projekt hat eine klare Kostengrenze insgesamt. Deshalb haben wir uns zu zehnt in den Körper gequetscht und versucht eine Entscheidung zu treffen. Da war die die gut rechnen kann, aber das nicht glaubt und deshalb immer wieder prüft, ob sie den Stoffbedarf richtig errechnet hat. Da war der, der letztlich am Besten weiß, mit welchem Soff wir alle gut zurecht kommen, dessen Finger über die Ballenkanten glitt. Das Jemand, dessen Modell des Projektes sich vor meinen Augen um die eigene Achse drehte. Die, deren Blicke über die Muster sprangen und die, die zwischen Hinteruns und mir hin und her abglichen, was okay sein könnte und was nicht – während zwei andere die Umgebung im Blick behielten.

Und dann landeten wir in etwas, das frappierende Ähnlichkeiten mit der Teeparty des verrückten Hutmachers hatte: die cis weibliche Handarbeitsbubble, in die man herzlich hineingezerrt wird, auch dann, wenn weder cis Frau ist, noch Tee mag noch sonst irgendwelche Kapazitäten hat.
“Wie finden Sie diese Kombination?”, fragte die Person am Kassentresen mich und hielt zwei wild bedruckte Baumwollstoffe aufeinander, die eine Person, deren linke Hand auf dem Kinderwagen neben ihr ruhte, während die rechte sich gerade von den Stoffen löste, anscheinend zu kaufen überlegte. “Für eine Jungs-Babyhose – ist das doch süß, oder?”.

Selbst, wenn ich allein* im Körper bin, wären das Fragen gewesen, die so ein Krack-Schwusch in mir auslösen, weil:
– wie soll ich etwas finden, was die Frau mir doch direkt vorführt? – wenn ich nichts suchen muss, kann ich auch nichts finden
– was geht es mich an, was wer wie kombinieren möchte? – Ich mache doch meine Sachen selber, gerade, weil ich selbst alles bestimmen kann
– was zum Henker zeichnet welchen Stoff denn bitte aus um als “gut für eine Jungs-Babyhose” zu sein?
und wieso sollen Babysachen immer süß sein? Und wie geht “süß” in Kombination mit aufgedruckten Baggern und Feuerwehrautos?

Ich stand da und sagte: “Hä?”.
Weil ich super kompatibel bin mit solchen Situationen und auch sonst ein glänzendes Beispiel für intelligente Konversation.

Die Person, die mich ansprach, redete nun schwallartig auf die Person am Kinderwagen ein und es begann ein ganz eigenartiges Ballett, das sich selbst in Konventionen versicherte, noch während es sich hart darum bemühte extrem unkonventionell zu sein. Das Baby begann zu weinen, erntete einen sexistischen Spruch nach einer Ungemachsvermutung der versorgenden Person, “Jungs kriegen ja auch schneller mal kalte Füße” und plötzlich ging es um mich, die “wohl auch mal Kinder haben wird, ODER?”

Ich, die erst zum zweiten Mal überhaupt ever in so einem Laden war und eine ganze Menge Energie überhaupt schon dafür aufgebracht hatte und jetzt völlig zerfasert im Innen war, stand da und wusste wieder nicht, was zu antworten ist.
Später sagte mir meine Gemögte, dass solche Phrasen als inkludierende Gesten zu verstehen sind: “Sie wollte dich am Gespräch beteiligen.”.
Aha.

Ich wuchtete einen Ballen von dem Stoff, der zuletzt für geeignet befunden wurde, auf den Tisch und sagte: “Erstmal hätte ich gerne 1,50 mal 90 hiervon.” und klopfte mir selbst auf die Schulter.

Ich ging, ohne die Frage beantwortet zu haben und fragte mich, wie es kommt, dass ein Kinderwunsch von als Frauen kategorisierten Menschen als so selbstverständlich gilt, dass man ihn sogar an völlig fremde Personen heranträgt.
Natürlich ist mir klar, dass dies kein Moment für eine ehrliche Antwort gewesen ist. Schon gar nicht in meinem Fall – aber ich fragte mich am Ende schon, wie man sogar Stoff und seine Auswahl mit mehr als den Dingen aufladen kann, wie den Fragen und Konflikten, denen wir uns gegenüber sahen.

Ich meine: da sind die Fragen um die Produktionsbedingungen des Stoffes, der Maschine und ihrer Anteile, da sind die Marker zur Nutzung des Stoffes selbst, da sind die Aspekte der Verarbeitung und die Praktikabilität des fertigen Stückes und dann die Kosten-Nutzen-Abwägung in Zusammenhang mit dem eigenen Budget … so viele Dinge über ich viel lieber mit einem_einer Fachverkäufer_in gesprochen hätte, um eine ordentliche Entscheidung zu treffen.  Doch dann entpuppt sich diese_r als Eintrittsbegleiter_in in ein Normenland, das mich nicht einmal kennt bzw. sich fragt, ob ich eigentlich überhaupt wirklich bin, wofür es mich hält.

Nächstes Mal gehen wir jedenfalls in einen anderen Laden.
Das war mir zu schwuschig.

einer dieser Tage

Und dann sind da diese Tage, in denen man nicht dazu kommt zu merken, wie schlimm sie sind, gerade weil sie so schlimm sind. Erst als man im Bett liegt und unter dem Gewicht seiner Decken zu sich kommt, entsteht der Raum zu der Erkenntnis, dass sich vielleicht einfach noch nicht genug verändert hat, um wirklich anders werden zu können.
Und mit dem Gedanken, dass man sich selbst vielleicht noch nicht genug geändert hat, um Dinge neu und anders anzugehen, fallen die Augen zu und es beginnt ein Zustand, in dem dieser Gedanke die Herrschaft hat. “Du bist nicht okay, wie du bist.”; “Du bist nicht genug”; “Du bist falsch”; “Du musst anders sein, um die Welt ™ zu verändern”. Da greift etwas in mich hinein, reißt an etwas herum, das nicht zu mir gehört, krempelt mich auf links und klemmt meinen Kopf in eine Zange, die sich im schweißnassen Aufwachen, als die Kante zwischen Bettkante und Kommode entpuppt.

Wir verließen die Praxis unserer Therapeutin und versuchten die losen Fetzen der Stunde noch aufzufangen. Neben mir stieß ein Innen die Füße auf den Boden und sagte: “Ich hab versucht ihr zu sagen, dass ich mir nicht mehr ranholen kann, wie wir denken konnten sich Hilfe ranzuholen wär’s wert weiterzuleben.”. Ich nahm ihm die Füße ab und verlagerte die Energie des Innens in Gehgeschwindigkeit. “Sie hats nicht kapiert. Nichts von dem, was du gesagt hast, hat sie kapiert, noch von dem, was ich gesagt hab.”. Neben uns lief eine Gruppe Schulkinder durch die Straße und die kalte Wind britzelte in den Augen.

Manche Therapiestunden tragen unerwartet dazu bei Brücken in Ecken des Innens zu fühlen, zu dem wir sonst keinen Kontakt haben. Das ist unvorbereitet und spontan. Und meistens hat es Folgen, die im Nachhinein schwer nachzuvollziehen sind. Da ist plötzlich ein Innen, das sonst eher als wabernde Eminenz die Therapie oder das, was wir äußern, beeinflusst, mit mir in einem Gefühl vereint, das ich in früheren Zeiten als unbewortbar erlebt habe. Und dann ist das Ergebnis wieder so eine von diesen Wahrheiten, die sind und an deren Ende wir uns als allein am Rand der Welt empfinden.

Obwohl wir doch alle Regeln befolgt haben. Obwohl wir doch getan haben, was wir tun sollten. Obwohl wir doch mitmachen.
Nur eben leider nicht verstanden werden.
Wir versuchen uns in kürzeren Sätzen. Weniger Monolog. Wir haben uns in der Krisenstation dazu entschieden dieses kurze Denken zu kopieren. Weil: “Neue Wege – neue Methoden”. Wir wollen nicht mehr die sein, die ewig lange redet, weil sie denkt, sie wäre dann besser verständlich. Wir hören immer öfter einfach mittendrin auf. Lassen es und ziehen uns raus, wenn wir merken: “Wir greifen hier schon wieder mehr als das Gegenüber in den Besteckkasten.”.

Und genau das haben wir uns für diesen Hilfezirkus auch vorgenommen.
Immer wenn wir merken: “Ah – du hast dir 2 Löffel eingeplant, weil du heute noch einkaufen musst, weil du noch duschen aushalten können willst und, weil du noch Kraft für positive Ressourcen haben willst – und greifst jetzt schon nach dem dritten Löffel, weil die Person dir gegenüber nicht versteht.”, hören wir auf.
Erinnern uns daran, dass das Gegenüber ja auch einen Besteckkasten hat und warten. Und wissen: wir können nur warten, weil uns Menschen immer wieder so glaubhaft wie nur möglich machen wollen, dass sie uns unterstützen wollen, wann immer wir sagen: “Ich kann das nicht” oder “Ich brauche dabei/dafür Unterstützung”.
Am Ende müssen wir die Menschen beim eigenen Wort nehmen und sie damit überraschen, dass ihre Beteuerungen bei uns nicht links rein und rechts wieder raus gerauscht sind. Oder mit unserer Bereitschaft, ihnen zu glauben und krasser noch: ihnen zu vertrauen und sich darauf zu verlassen, dass sie uns die Wahrheit gesagt haben.

Vielleicht gehören wir zu den Menschen, die sich nur zu anderen hinwenden können, wenn sie hinter sich deutlich spüren, dass die Alternative das Sterben oder auch das “nicht mehr sein” ist. Was – obwohl es sehr ähnlich gelesen wird – etwas anderes ist und damit zu tun hat, dass wir schwer traumatisiert wurden.
Wir haben keine Angst vorm tot sein – wir haben Angst vorm “nicht mehr sein”, denn das ist, was die Gewalt früher so oft mit uns gemacht hat und so viel unaushaltbarer ist, als tot zu sein. Die Toten sind tot. Sie sind eben nicht “nicht mehr”.

Gestern war ein Tag, an dem wir zwei Dinge gemerkt haben:
Erstens: ein kurzer Satz wie “Ich kann das nicht” reicht nicht. Auch dann, wenn das Gegenüber – in dem Fall die Therapeutin – weiß, worum es geht, was es mit uns macht, wie groß die Belastung ist, wie massiv der Trigger ist. Es reicht auch nicht diesen Satz logischer machen zu wollen, indem man seine Umgangsoption mitteilt, die impliziert, dass man selbst nicht involviert ist – weil man es nicht kann.

Zweitens: Menschen mitzuteilen, dass man sich aus Diskussionen herauszieht, weil sie einen ganz grundlegenden Punkt der Argumentation seit einem Jahr einfach nicht kapieren, bedeutet nicht, dass man daraus auch entlassen wird (weil man genau diesen Punkt halt nicht kapiert und ergo keinen Grund sieht, die sich herausziehende Person dann auch in Ruhe zu lassen)
So der Fall im Fotokurs nach der Therapie.

Es gab wieder eine dieser Diskussionen darum, was darf Kunst, was darf Satire, was darf der Fotograf (sic!) und wo sind die Grenzen.
Da sitze ich mit 4 weißen als Männer kategorisierten Menschen in einem Raum und erlebe live mit wie die Jungen von dem Alten lernen, dass man nicht auf Kritik achten muss. “Wer nicht lacht hats nicht kapiert” und “*istisch sind immer nur die anderen aus ganz persönlichen Gründen”.
Es ist abstoßend und schlimm. Für uns. Weil Grenzen aufgeweicht und Verletzungen legitimiert werden. Es wird in Kauf genommen Gefühle zu verletzen, um sich selbst als “nicht langweilig” und “edgy” definieren zu können. Als jemand “der ja nur einen Witz machen will”. Und eben nicht auch als jemand, der missachtet, ignoriert und verletzt, weil er es kann und darf und ihm keine verbindlichen Grenzen sichtbar und einzuhalten wichtig sind – selbst dann, wenn sie aufgezeigt werden.

Für uns ist der Fotokurs nicht nur ein Sprungbrett in eine mögliche Zukunft im kreativen Bereich und eine Ergänzung zu sowieso bestehenden Ressourcen und Fähigkeiten – es geht auch um unseren Willen zur Desensibilisierung von Menschen. Wir wissen, dass wir uns an sie gewöhnen müssen, viel soziales Zeug lernen müssen und auch auszuhalten lernen müssen. Neben allem was das Handwerk “analoge Fotografie” bedeutet und von uns zu lernen wichtig ist, sind dort eben auch Menschengeräusche, Menschenwörter, Menschengerüche, Menschen, die plötzlich und unvorhersehbare Dinge tun, sagen, wollen, verlangen. Menschen, die triggern. Menschen, die überfordern. Menschen, die einfach sind und zwar ganz direkt in unserem Umfeld.
Wir wissen, dass wir da was aushalten müssen.
Die Frage ist nur: Wie viel wovon und wozu?

Für uns ist es keine Option zu sagen: “So sind sie halt – die Männer, die Jungs, die Menschen, die Lehrer, die Schüler … die Anderen”, weil das einfach zu wenig ist. Dafür kostet uns der Unterricht zu viel Geld und zu viel Kraft für Kompensationsleistungen und Aufrechterhaltung der Funktionalität. Dafür geht es uns auch einfach zu sehr viel schlechter nach solchen Diskussionen als den anderen Teilnehmenden.
Und am Ende: Wie eklig wäre es, würden wir uns selbst dazu triezen zu lernen uns zu desensibilisieren, wenn anderen Menschen ganz direkt in unserem Umfeld Gewalt angetan wird bzw. solche Gewalt als legitim bezeichnet wird?
Das ist doch nicht, wie Menschenmiteinander aussehen soll. Das ist doch nicht, womit uns beworben wird, dass sich das Weiterleben lohnt.

Wir haben den Kurs eineinhalb Stunden vor Ende verlassen.
Ich habe mich geärgert, meinem Lehrer den Brief nie zu lesen gegeben zu haben, weil ich Angst davor hatte, er würde sich bloßgestellt fühlen und sowieso gar keine Auseinandersetzung mit seinen internalisierten *ismen wollen. Vielleicht: auch gar nicht leisten können, weil er nämlich auf viele Jahre schauen müsste, in denen er Menschen verletzt hat und dachte, das wäre okay, weil er ja ein okayer Mensch ist, der niemanden verletzten wollte.

Ich will nicht immer die sein, die Menschen Dinge zeigt, die sie übersehen und aus dem Bewusstsein streichen, weil sie das können und ich genau eben nicht. In dieser Rolle ist man nämlich immer wieder die, die im besonderen Maße davon abhängig ist, wertschätzend und anerkennend behandelt zu werden. Passiert das nicht, erlebe ich Verletzung, Verlust von Privilegien und zwar ganz konkret, ganz direkt.
Und genau auch nicht, weil ich das nicht anders verdient habe – sondern, weil solche Gegenüber keine anderen Optionen nutzen sich selbst zu versichern, als eben über solche “Strafen”.

Ich merke, dass wir keine Umgangsoptionen kennen, die solche Situationen und sozialen Konstellationen befriedigend für alle auflösen. Denn befriedigend wäre für diese Gruppe nur sich keine Gedanken machen zu müssen und einfach nur zu hören: “Du bist okay – ich habe etwas Falsches gedacht/gesagt/verlangt. Hier ein Keks.”
Ich habe aber nichts Falsches gesagt/gedacht/verlangt.  Ich habe einfach nur etwas gesagt/gedacht/verlangt, das sie nicht verstehen wollen, weil sie nicht müssen und das für den Rest der Welt völlig okay so ist.

Wir haben noch 6 Termine dort. Und erwachsen und konfliktlösungsorientiert wie ich bin, plane ich uns zu jedem dieser Termine in die Dunkelkammer einzusperren und mir maximal ein “Hallo – schließt du bitte auf?” und ein “Bis nächste Woche” rauszuwürgen.
Ja.
Ich bin echt toll konstruktiv und konsequent in unserem  Plan sich irgendwie mal so richtig mit Menschen auseinanderzusetzen.

[slow clap]

Gesprächstherapie

„Irgendwie ist sie ja schon cool!“, raunt die Feuerhaarige , die sich auf meinem Scheitel abstützt und durch meine Augen auf die Therapeutin schaut, die gerade sagte, es gäbe für sie keinerlei Grund den Antrag nicht endlich los zu schicken. „Guck dir das mal an“. Das Mädchen auf meinem Kopf patscht mit der flachen Hand auf mich und unterbricht mein leichtes Dämmern.

Ich mag dieses Thema nicht. Ich schäme mich nicht, aber es ist mir peinlich so über mich und uns zu reden. Ich tue, was ich immer tue, wenn der Blick auf mich und uns als Einsmensch so konkret ist und ich weiß, dass ich ihn mit allem, was ich sage, nur noch klarer, schärfer, gezielter mache: Ich sammle die Worte und legte sie extra langsam und bewusst vor mich. Wickle sie ein und gebe sie extra langsam in mein Denken hinein. Das beruhigt mich. Macht mich dämmern und wenig berührbar von diesem Blick.

Wie eine Quecksilberlache breitet sich die Stunde vor mir aus und während viele verschiedene Innens aus meinem Gesicht hervorbrechen um ihre Brocken und Bröckchen zu dem Thema in das Gespräch zu halten, wickelt sich mir eine Wörterkette um den Hals und zieht sich in ihrer Bewegung ins Außen immer weiter zu.
Ich bleibe sitzen. Stoße meine Fingerspitzen wie Widerhaken in den Rand der Dunkelbunten. Weiß, wie sie es nie zulassen würden, dass diese Kette das Außen berührt.

Meine Haut wird kalt. Ein Puls flattert wie ein Schmetterling unter der Haut an meinem Hals. Es rauscht als stünden wir in einem Sturm, doch kein Wind berührt mich.
Und dann ist es vorbei.
Ich schaue den Schuhen der Therapeutin in ihrem Auf und Ab zu. Frage mich, ob sie mich ansieht. Frage mich, was sie sieht. Frage mich, wie wirklich das ist, worüber wir sprechen.

„Sie haben den Antrag gelesen?“, ihre Stimme wankt der Therapeutin entgegen. Unschlüssig zwischen Erleichterung und unerwartetem Grund zur Angst. „Ja. Sollte ich das nicht?“, fragt sie.
Mir werden die Worte entrissen und die Löwin schleicht sich mit ihnen durchs hohe Gras, das in unserem Kopf raschelt und rauscht wie die Brandung unter einen hohen Felsklippe.
Sie müsste antworten „Nein, aber ja.“ doch sie beißt mit geschlossenen Augen in die Wortmassen und wirft sich damit zurück ins Gespräch.

Irgendwann habe ich mein Wort. „Unaufrichtig“.
Es schmiegt sich an meine Wange. Ist so nah, dass ich es selbst zu sein scheine. Ist soviel von mir, dass es fast schade ist, es in eine Kette hängen zu müssen, um es mit der Therapeutin zu teilen.
„Ich würde umknicken, wenn sie den Antrag ablehnen.“. Ich hebe die Hand und knicke sie nach hinten. „Ich könnte das nicht durchkämpfen, wenn …“, mir geht auf halben Weg die Kraft verloren und die andere findet vor meinen Füßen Platz. „Wenn die Krankenkasse irgendwas nicht zahlen würde oder sowas ähnliches – wäre das kein Ding. Da würden wir Kraft aufbringen können, weil Sie da ja auch mit dran hängen. Aber nur für uns allein und …“
Ihre Energie fühlt sich an wie ein Gerüst um mich herum. „Und ich habe doch kein Wissen, ob man sich auf Innenkinder verlassen kann. Es fühlt sich unaufrichtig an, etwas sagen und vertreten zu müssen, dessen man sich nicht sicher ist.“.

Ich fühle mich blutleer und lasse wieder los.
Mein Wort hängt in dem Raum wie ein Bleigewicht und ich nagle es fest. Ich habe keine Kraft mehr mich weiter zu beteiligen. Bin erschöpft und kann das Ziehen im Zwerchfell nicht weiter ausblenden.
Als wir die Praxis verlassen, fällt mir auf, dass die Therapeutin mit uns umgegangen ist wie sonst auch. Obwohl sie jetzt etwas über ES und DAS DA weiß. Und zwar von uns. Obwohl sie weiß, wie wacklig meine (unsere) Überzeugung, ob der Wahrhaftigkeit dessen ist.

Wir stopfen uns die Ohren mit Kopfhörern zu und drehen „Cello-Wars“ voll auf.
Tun so, als wären wir Raumschiffrennfahrer_innen, als wir uns durch die Weihnachtsmarktbesucher_innengruppen schlängeln, ohne die Ränderplatten der Fußgängerzone zu berühren und uns von den Lichtern blenden zu lassen.Von der Straßenbahn lassen wir aufnehmen und klettern durch die blonden Dreadlocks eines Skate-Menschen vor uns.

Als wir später im Bett liegen und dem Feenreigen über unserem Kopf in seinen Bewegungen folgen, seufzt das Mädchen mit dem Feuerhaar: „Das ist alles ganz schön krasser Scheiß, ey“.

einfach komplex

Es gab ein Moment von Erleichterung und Erlaubnis in diesem Gespräch mit dem Facharzt.

Erleichterung, weil er sagte: „Vereinfachung überfordert Sie.“.
Erlaubnis, weil er sagte: „Sie können nicht anders als komplex.“

Natürlich hatte er diese unsere empfundene Erlaubnis nicht intendiert. Niemand wird uns je erlauben uns aus dem Leben zu stehlen. Einfach aufzuhören und zu gehen.
Weil wir nicht anders können als komplex und doch nie die Kraft haben, in einer Welt, die es sich so einfach wie nur möglich machen willkannmuss, zurecht zu kommen.

Wir hatten nicht die Zeit diesen Aspekt zu vertiefen und das finde ich schade, weil undefiniert blieb, was „einfach“ meint und wo genau „komplex“ beginnt.
Ich habe darüber nachgedacht, was uns das Leben leichter bis aushaltbarer machen würde. Mir sind Dinge wie „einfach nie mehr reden müssen“, „nie (Uhr)Zeiten beachten müssen“, „einfach alles was weh tut nicht machen müssen“ und „einfach immer verwabern dürfen“ eingefallen und direkt kam die Frage auf, ob wir den Kontakt zu dem Menschen gerade dazu missgebrauchen uns aus dieser Welt des Müssens herauszuziehen.

Auf eine Art kommen wir in unseren Gesprächen oft an die Idee davon Dinge, die zu viel sind, obwohl man sie muss, einfach zu lassen. Weil es uns nicht zu einem bösen Mädchen schlechten Menschen macht schlimm ist. Und auf einer anderen Ebene wissen wir, dass es ein unausgesprochenes Ding in unserer Gesellschaft, Kultur, unserem ganzen Miteinander ist, dass es verboten ist, wenn jede_r macht, was ihr_ihm gerade akut oder langfristig gut tut.

Man redet gefälligst wenn jemand mit einem redet. Man kommt gefälligst pünktlich wenn man verabredet ist. In Wahrheit tut sowas Straßenbahn fahren, einkaufen, auf Beton laufen, auf glatten Polstern sitzen, das Öffnen und Schließen von Zugabteiltüren und Griesbrei essen auch nicht weh. Verwabern ist dissoziieren und dissoziieren ist böse böse böse Nein Nein Nein das darf man nicht (obwohl 100% aller Menschen es tun – immer – überall von Anfang bis Ende ihres Lebens).

Ich möchte auch ein einfaches Leben. Eins dem man die abstehenden Schnörkel und Verkomplizierungen wegschneiden kann, ohne, dass es danach freudlos und langweilig ist.
Und wenn wir das aber nicht können? Wenn es das einfach nicht gibt?

Und dann war da noch die Frage, ob wir vielleicht nur deshalb komplex können, weil wir komplex können müssen, wie wir das schon immer können mussten.
Wir leben im Informationszeitalter und während Phänomene wie das der „digitalen Demenz“ und der sozialen Dissoziation vermehrt in Erscheinung treten, erscheint es mir als eine Art Selbsterhalt im Sinne eines Versuches der Selbstbestimmung im Sinne von Selbstdefinition und -position, sich vieler Umstände bewusst zu machen und zu halten.

Die Welt ist doch nun einmal komplex. Leben ist komplex. Wie kann es denn sein, dass man zerbröselt, obwohl man sich dem entsprechend anpasst oder schon so geboren ist, dass man Komplexe eben gut aufnehmen und halten kann.
Ich hätte jetzt beinah geschrieben „Wieso ist es denn so falsch die Welt so komplex zu erleben wie sie ist?“ – aber es geht nicht um richtig oder falsch. Es geht um „einfach“ oder „komplex“.

Und wo genau ist eigentlich dieses Mittelmaß genannt „kompliziert aber bewegbar“?
Viele Menschen machen sich lustig oder halten es für ein beabsichtigtes Intellektuellengehabe, wenn ich auf ihre Worte reagiere einfach wie ich nun einmal reagiere. Und ja – ich nehme das wahr. Ich merke die Abwertung von Intellektualität und Präzision. Ich bemerke es, wenn jemand eine Motorsäge an meine so hart erarbeiten Worte legt, weil sie für ein unnütz verkomplizierendes Gestrüpp gehalten werden.
Ich merke das und werde auf eine Art selbst von dieser Motorsäge zerstückelt.

Da kommt mein Wunsch her einfach nie wieder reden zu müssen. Da kommt mein Wunsch her etwas sagen zu dürfen. Und ja ja JA für mich sind das zwei ganz grundverschiedene Arten der Kommunikation. Für mich bedeutet das eine so grundlegend andere Art mich mit Menschen in Kontakt zu begeben. Für mich würde das alles einfacher machen. Wirklich alles.
Aber wo ist denn der Ort an dem das sein kann? Wo ist mein „einfach“ okay, ohne es zu einem „komplex“ woanders zu machen?
Und wie etabliert man sich die Räume, in denen das so eine Routine sein kann, dass es einfach so passiert, ohne als etwas zwischen „einfach“ oder „komplex“ eingestuft zu werden?

Und was ist, wenn wir das einfach nicht schaffen, weil wir etwas, was es dazu braucht nicht können (und vielleicht nie können können werden)?

Eine ehemalige Gemögte hatte mal von einem Grabstein erzählt auf dem in etwa stand: „ihr Leben war Last und Mühe“. Ich will nicht, dass so etwas auf meinem Grabstein stehen müsste, weil es ehrlich wäre.
Mein Grabstein soll glitzern wenn es regnet und in Regenbogenfarben irisieren, wenn die Sonne scheint. Da soll stehen: „Endlich Feierabend!“ oder „Endlich ausschlafen!“.
Wenn ich sterbe, will ich wissen, dass ich alles sagen konnte, was mir wichtig zu sagen war. Wenn ich sterbe, will ich an dem Punkt sein, an dem ich auch sagen kann, dass sich meine Kämpfe gelohnt haben. Ich will zumindest verstanden haben, warum ich meine Kämpfe verloren habe und vielleicht auch nur verlieren konnte.

In der Nacht nach dem Gespräch lagen wir in unserem Käfig und hatten nichts mehr übrig als frustrierte Tränen über all die verlorenen Kämpfe, deren Niederlagen nie anerkannt waren, weil niemand unseren Kampf anerkannt hatte.

Nicht einmal wir selbst.