„Ausbildung inklusive“, Episode 7: „von Schüler_innenschwund und bewusstem Lernen“

“Seit Beginn des Schuljahres haben wir 4 Schüler_innen verloren.”, leitet unsere Klassenlehrerin ein Gespräch über Fehlzeiten, Entschuldigungsformularien und mögliche Konsequenzen  ein.
Es klingt, als wären wir im Krieg, oder unsere Klasse ein nicht sorgfältig beladenes Vehikel, das auf der Fahrt zum Abschluss, mal hier und mal da etwas verloren hat.
Abgelenkt von dem Häufchen falsch sortierter Wörter, sitze ich dort und bleibe auf Abstand mit meiner Angst vor den eigenen Fehlzeiten und ihren Aus_Wirkungen.

Es sind nicht viele. Schon gar nicht unentschuldigte. Aber doch – ich fehle häufig und damit fehlt mir Unterrichtstoff.
Mir fehlt die Inhaltwiederholungszeit, die Zeit zur Anwendung und Übung bereits bekannter Inhalte. Mir fehlen die Wortketten der Lehrer_innen, die sie im Unterricht auslegen und später von mir auf Test- und Klausurenzettel kopiert haben wollen.

Wenn ich lerne, dann tue ich es anders als in Seminaren zu Lernstrategien vorgeschlagen. Wenn ich mir Stoff selbst aneigne, dann tue ich das auf eine schwer mit dem Unterricht in der Schule in Einklang zu bringende Art.
Ich lerne nicht auswendig, ich lerne nicht intuitiv – mir “passiert” das Lernen neuer Inhalte nicht.
Und das ist von weitreichender Konsequenz dafür, wie ich vom Unterricht profitieren kann.

Diese Woche fand ich einen guten Vergleich dafür, wie es für mich ist – das Lernen, das Sprechen, die Interaktion mit anderen Menschen und so manches einander missverstehen.
Es war in einem Moment, in dem meine Englischlehrerin mich entstressen wollte, nachdem ich 2 Wochen gefehlt hatte. Sie sagte etwas, das schon die Deutschlehrerin und viele andere Menschen, die meine Texte lesen, zuvor oft gesagt hatten: “Du hast so ein gutes Sprachgefühl…(mach dir mal keine Sorgen um deine Noten im Unterricht)”.

Das Problem: Ich habe kein gutes Sprachgefühl – ich habe ein gutes Gefühl für Muster und Systematik

Für mich funktioniert Sprache wie eine schier unendlich große Steinsammlung.
Lesen und Gespräche anderer Menschen anzuhören, ist für mich wie Steine sammeln.
Es gibt schöne Steine, es gibt scharfkantige. Es gibt Brocken, es gibt Kiesel. Es gibt Steinlawinen, es gibt Schotterflächen.

Das Schreiben von Texten ist meine Art der Sortage. Mein eigenes Muster – manchmal auch das Herzeigen meiner eigenen Steinsammlung.
Manchmal bin ich mutig und spiele mit Rhythmus und Metaphern und lege Worte aus bis zu 5 verschiedenen Sammlungen zu einem mehr oder weniger harmonischen, schönen, passenden Bild zusammen.
So blogge ich. So schreibe ich Phantasiegeschichten, Gedichte und Texte, die in anderen Menschen ganze Panoramen entstehen lassen.

Doch für mich sind es Steine.
Also: konkrete Gegenstände. Werkzeuge. Hilfsmittel.

Menschen mit echtem* Sprachgefühl und intuitivem Spracherwerb können diesen Aspekt vielleicht in Teilen nachvollziehen – würden daneben aber vermutlich immer auch sagen: “Ja, aber Worte sind doch auch noch SO VIEL mehr!”.
Dieses “so viel mehr” habe ich bis heute nicht gänzlich erfasst. Wohl aber, habe ich eine Sammlung von Worten aus den Versuchen anderer Menschen, die mir genau das zu vermitteln versuchten.

Worte und Sprache sind für mich auch nicht gekoppelt an Stimme und Körper (einzige Ausnahme: Gesang und Poetry Slams)
Natürlich höre ich Betonungen und Zwischentöne – natürlich registriere ich Gesten und Gebärden – aber die Worte dazwischen werden schwer aufnehmbar für mich, wenn ich sie auch mit einsammle.

Dass die Wortwahl von Menschen auch von ihrer Klassenzugehörigkeit und ihrer sozialen Umwelt bestimmt wird – dass es Kontexte mit ganz eigener Sprachkonstruktion gibt, war für mich eine der größten Entdeckungen in den letzten Jahren.
Die Architektur der Lüge, des Witzes, der Spannung, der Vermittlung verschiedener Standpunkte und Kontexte – für mich passiert sie immer davon losgelöst.
Ich kann akademisch sprechen und schreiben, weil ich aus meiner Sammlung von akademisch sprechenden und schreibenden Menschen schöpfe – nicht, weil ich umgeben von Akademiker_innen eine akademische Ausbildung erfahren habe.

Wenn ich mit solchen Menschen zu tun habe, wähle ich diese Sammlung, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie so am wenigsten anstrengend für mich mit mir kommunizieren – nicht, weil ich diese Art der Sprache für richtig, wichtig, gut befinde oder mich selbst über meinen eigentlichen Status erhöhen will.
Jedoch sagen Menschen einander genau das auch, wenn sie auf diese Art miteinander sprechen.
Ein Umstand, den ich in seiner Bedeutung für mich und die Art wie ich verstanden und als Person bewertet werde, tatsächlich erst vor wenigen Jahren wirklich begriff.

Und an dieser Stelle wird Unterricht für mich schwierig.
Schulunterricht sollte eine sachliche Informationsvermittlung sein – ist es aber nicht.
“Natürlich nicht!”, sagt der neurotypische Mensch. “Das wär ja stinklangweilig!”.
Menschen, die nicht von Gebärden und Gesten, von Beispielen aus einem anderen Lebensbereich (für mich: aus einer anderen Sammlung), Nebengeräuschen jeder Art und dem Druck, den es eben macht, wenn man weiß, dass alles Gesagte verstanden und später unter Beweis gestellt werden muss, abgelenkt werden, haben in der Folge so enorm viel mehr Raum für Langeweile, dass diese in ihrem Auftreten nur logisch erscheint.

So entwickeln sich die Lehrmethoden auch immer mehr zu Gruppen- und Projektarbeiten, zu Unterricht zum Anfassen, zu Mediennutzungseinheiten und an unserer Schule auch: weg von Hausaufgaben.
Es wird immer schwieriger für meine Mitschüler_innen mir nach einer Stunde zu sagen, was sie gelernt haben – denn sie haben sehr viel gemacht und das Lernen ist ihnen dabei unbewusst passiert.

Als ich zur Grundschule ging (im Ostdeutschland der 90er Jahre), kam ich immer mit Hausaufgaben aus der Schule.
So hatte ich jeden Nachmittag einen Anlass, die über den Schultag an mich geklammerten Wörtersammlungen  loszulassen und zu sortieren. So konnte ich lernen, welche Worte wohin (zu welchem Lehrer (und damit: zu welchem Fach, welcher Tageszeit, welchem gewünschten Verhalten)) gehören und so hatte ich eine Chance mir herzuleiten, welche Sammlung welches Ding bzw. welchen Kontext beschreibt und damit eine Chance darauf, den Transfer zur Anwendung zu schaffen – obwohl um mich herum gequatscht, geraschelt, verwirrendes Zeug getan wurde.

Heute merke ich, wie wichtig so sortierte Sammlungen für mich sind. Habe ich keine, oder ist die, die ich habe, nicht auf dem neusten Stand, habe ich keinerlei Möglichkeit zu verstehen, was wir wieso wozu gerade tun, was ich selbst tun soll, was von mir erwartet wird, welche Worte und Inhalte relevant sind.
So fange ich an wahllos nach allem zu grapschen, was ich finde – was jedoch bei Gruppen- und Projektarbeiten zum Beispiel, zu 95% keinerlei Hinweise für mich enthält, welche Sammlung jetzt heranzuziehen ist.
Und das ist unheimlich anstrengend.

Ich komme durch diesen Energieverlust schnell in Stress, reagiere darauf mit Dissoziation und verliere dadurch Zeit (Stichwort: dissoziative Amnesie, andere Menschen erleben so etwas, nach schweren Autounfällen oder Momenten der akuten Lebensgefahr – you get the idea of my Stresslevel an der Stelle).
Mein Persönlichkeits-Zustand verändert sich. Alles in mir schaltet auf hart sein, festhalten, durchhalten, aktiv nach allem greifen was fassbar ist – für Lehrer_innen sieht das aus wie “aktive Mitarbeit” und Himmel!, was hab ich für ein Glück, dass das in die Noten mit einfließt.

Doch meine “aktive Mitarbeit” ist ein Kampf um Verstehen und Begreifen. Es ist ein bewusstes Handeln, das nur deshalb aktiv wirkt, weil meine Art zu lernen eine aktive im Sinne von: “sehr bewusste” ist. Und das lernen Lehrer_innen für Regelschulen nicht als übliche Form des Lernens im Unterricht – sondern als Form der Prüfungsvorbereitung oder der Hausaufgaben, wenn die Schüler_innen sich bewusst und in Eigenregie mit dem Stoff beschäftigen oder als Verhalten von stark intrinsisch motivierten Schüler_innen. Also als etwas, das eher wenig mit den Lehrenden oder den Fähig- und Fertigkeiten der Schüler_innen bzw. deren Lernverhaltenskonstruktion zu tun hat.

Der Begleitermensch zitiert in unseren Gesprächen über die Schule häufig aus internationalen Studien, die sagen, dass autistische Schüler_innen mindestens den doppelten Energieaufwand haben, um zu lernen.
Ich kann mir nicht vorstellen, was von meinem Lernen anders sein müsste, damit Schule an sich nur noch halb so anstrengend für mich ist, wie jetzt.

Manchmal denke ich, wenn meine Angst nicht mehr so stark wäre, würde es sicher leichter. Manchmal denke ich, wenn ich weniger verwirrt wäre, wäre es leichter. Und immer öfter merke ich, dass es schon viel erleichtern würde, würden Schein und Sein nicht erst über Inkongruenz als zwei eigenständige Dinge betrachtet. Es gibt viele Dinge, die Menschen unbewusst und intuitiv machen. Doch das heißt nicht, dass sie nicht auch bewusst und gezielt gemacht werden können. (Gleiches gilt anders herum.)

Ich kann mich seit Beginn der Berufsausbildung immer häufiger als jemand wahrnehmen, die_r Menschen irritiert, weil der Einsatz bzw. das Aus_Wirken von bewusstem und unbewusstem Re_Agieren teilweise grundlegend anders passiert. Und während ich keinen Schmerz daran habe, mich zum Zwecke des Verstandenwerdens auch zu erklären, gibt es durchaus die Momente, in denen Menschen durch diese Erklärungen merken, wie wenig aktiv, bewusst, kontrolliert und vielleicht: selbstbestimmt im Sinn von “das mache ich mit Absicht aus diesen und jenen Gründen”, sie in ihrem ganz üblichen Funktionieren sind.

Manchen tut das weh. Manche sind irritiert und doch auch fasziniert von dieser Entdeckung eigener Ränder. Und manche reagieren mit nebulöser Furcht aus Überforderungsgefühlen heraus.

Doch immer geht es weiter. Gnadenlos schnarrt der Klingelton aus dem Lautsprecher im Klassenraum. Unbarmherzig drängeln Lehrplan, Schulbürokratie und Bildungspolitik unser aller Lebensrealität durch das Stück gemeinsamen Laufs der Dinge.

Und manchmal verliert man dabei Schüler_innen.

“Ausbildung inklusive”, Episode 6 – die erste Halbzeit

Und da ist es also: das erste Halbjahreszeugnis seit 2008

Wir sind zufrieden mit den Ergebnissen, wissen aber auch, wo wir ein „sehr gut“ hätten erreichen können, wenn wir seltener gefehlt hätten.
Wie das immer so ist.

Mir ist bei der Gelegenheit eingefallen, dass wir darüber schreiben wollten, was uns im Moment gut hilft, in der Schule zu sein und zu arbeiten.

1.  NakNak*.
Es gibt nach wie vor jeden Tag Situationen, in denen wir gerade so am Nervenzusammenbruch entlang schlittern, weil einfach alles zu laut, zu viel, sehr kraftintensiv ist. Sie hält uns sehr in der Waage in diesen Momenten. Manchmal, weil wir sie anfassen und auf dem Schoß haben können, manchmal, weil ihre Anwesenheit eine Verantwortungsübernahme von uns erfordert, die sehr stabil in uns verankert ist. Es gab bisher nur einmal die Situation, dass ich jemand anderes bitten musste sie zu halten. Das war kurz vor einem Anfall in der Pausenhalle.

2. der individuell angepasste Gehörschutz.
Wir hätten uns schon viel viel früher trauen sollen, uns so etwas zu wünschen und zu besorgen – diese Ohrstöpsel helfen uns so sehr!

Zu Beginn des Schuljahrs haben wir noch auf die Variante zurückgegriffen mit der wir Bus- und Bahnfahrten geschafft haben, nämlich die In-Ear-Kopfhörer, manchmal mit Musik drauf, meistens ohne. Nach kurzer Zeit in der Schule jedoch zeigten sie sich als wenig nützlich und wir gingen zu „Kind“ um uns beraten zu lassen. Dort kauften wir ein Paar „Party Plugs“ von Alpine, die gut geschützt haben, jedoch nach zwei, drei Stunden immer wieder aus den Ohren rutschten.
Danach stiegen wir um auf den angepassten Gehörschutz.
Das bedeutete, dass ein Abdruck von den Gehörgängen genommen werden musste, was nicht wehgetan hat, aber wirklich unausweichlich unangenehm war.

Zuerst wird ein kleines Stück Schwamm oder Watte an einem Faden sehr tief in den Gehörgang eingeführt und darauf kommt die Abdruckmasse, bis sie ausgehärtet ist.

die Masse im Ohr

ein hellblaues Stück Kunststoff mit gelbem Schwammstückchen drauf
der Kunststoffabdruck von unserem Gehörgang

 

Aus diesem Abdruck werden die Otoplastiken gefertigt.
Man kann sie wie wir in einer Farbe bekommen, oder durchsichtig. Eingefügt werden unterschiedlich starke Filter. Es gibt auch welche mit denen man schwimmen gehen kann.

 

grüne Otoplastiken von hinten
die fertigen Stücke von hinten

 

grüne Otoplastik von der Seite
die fertigen Stücke von der Seite

 

Unsere filtern PC- und Beamerrauschen, Leuchtstoffröhren-, Maus- und Tastaturgeräusche, Jackenraschel- und Papierraschelgeräusche zu 90 bis 100 % weg, aber auch herannahende Schritte, ruhige, leise Stimmen und andere subtile Geräusche in dem Frequenzbereich. Alles Dinge, auf die sich üblicherweise unsere Aufmerksamkeit richtet, um die Selbstorientierung zu ermöglichen. Man kann sich also vielleicht schon denken, dass die Umstellung und Gewöhnungszeit alles andere als einfach für uns war.
Normale zimmerlaute Gespräche werden nur etwas gedämpft.

In der ersten Woche gab es eine große Überforderung, aber schon in der Woche darauf war sie nur noch mittelgroß. Inzwischen schwankt sie zwischen leicht bis mittel, denn auch für NakNak* funktionieren wir durch den Hörschutz anders als sonst. Auch sie muss neu mit uns ins Teamwork hineinfinden.

Den Hörschutz tragen wir am Tag zwischen 6 und 8 Stunden am Stück. Länger sollte man ihn nicht tragen und länger könnten wir es auch nicht ertragen. Sie sind zwar angenehm im Tragegefühl, jedoch ist da auch immer ein wenig Unterdruck, der sie an ihrem Platz hält und nach einer Weile auch ein leichtes Dauerunbehagen am/im Kopf.

Im Unterricht ermöglichen sie uns eine völlig neue, gute Konzentration im Klassenzimmer.
Wir schaffen inzwischen sogar auch schriftliche Aufgaben, obwohl/während andere Schüler_innen da sind quatschen. Diese Woche hat sogar eine Einzelarbeit geklappt, während die anderen in Gruppen gearbeitet haben. Alles Dinge, die uns früher völlig leergesaugt haben und unheimlich viel Nacharbeiten erforderten.

3. die Absprachen, die wir mit den Lehrer_innen treffen konnten.

Wir dürfen zum Beispiel 5 Minuten früher gehen und später kommen, um Kruschelphasen zu überspringen, in denen alle Mitlernenden gleichzeitig in ihren Taschen kramen, Bänke rücken und Ähnliches.

Da wir den Religionsunterricht abgewählt haben, haben wir eine Freistunde, die wir für uns allein in einem Raum gestalten können. Das ist bisher immer eine perfekte „so richtig in Arbeitsschwung komm“-Stunde für uns gewesen, weil uns niemand gestört hat und wir uns die Aufgaben je nach Bedarf überlegen konnten. Bei Problemen können wir andere Lehrer_innen im Haus ansprechen. Bisher hatten wir aber nie Probleme – wir sind da ja schließlich allein 😉

Alle Absprachen hat uns die Klassenlehrerin sogar noch laminiert und gegeben, falls wir eine Vertretungsstunde haben und die Person noch nicht Bescheid weiß.

4.  der neue Arbeitsplatz, den wir uns in den Ferien gebaut hatten.

Inzwischen haben wir viel darüber verstanden, wie Orientierung, Konzentration und Lernen für uns besser funktioniert.
Also haben wir uns von unserem „für jede Tätigkeit einen anderen Tisch“-Modell verabschiedet und einen Platz für 4 Tätigkeiten eingerichtet.

Der Arbeitsplatz besteht jetzt aus einer Küchenarbeitsplatte (2x1m) und einem Regal mit mehreren Fächern. Da wir jetzt alles mit unserem Zeug befüllt haben und Notizen mit unseren Daten überall hängen, hier mal nur eine Skizze:

Skizze des Regal mit vielen Fächern und des Schreibtischs
der neue Arbeitsbereich

 

Für uns funktioniert es prima, jedoch auch nicht fehlerlos.
Da wir unsere Ordner nach Tagen sortieren, sind veränderte Stundenpläne oder andere Außerplanmäßigkeiten ein Problem.
Das sind sie sowieso schon immer, aber das System kann nichts machen, dass es leichter fällt. Deshalb werden wir unsere Ordner ab diesem Halbjahr nicht mehr nach den Wochentagen ordnen.

Und: an belasteten Tagen können wir den Platz gar nicht nutzen, weil er uns überreizt.
Einer der Gründe, weshalb wir jetzt noch froh sind, nicht gleich alle anderen Tische abgegeben zu haben.

5. YouTube.

  • Der großartige Kanal “How to ADHD” von Jessica, die neben vielen Videos über und zu ADHS, auch eine sehr hilfreiche Playlist zum Thema Selbstorganisation hat
  • Der inzwischen schon über YouTube hinaus bekannte Mathe-Kanal von Daniel Jung
  • viele verschiedene Videos von User_innen zu Funktionen von InDesign, Photoshop und Illustrator

und die englischsprachigen Kanäle, die wir uns als ganz übliche tägliche Sprachübung jeden Tag zur Entspannung ansehen,
zum Beispiel:
ask a mortician (Themenkreis Bestattungskultur, selbstbestimmte Trauer, deathpositivity)
trich journal (Themenkreis Trichotillomanie)
the art of photography (Themenkreis Fotografie als Kunst)
exploring alternatives (Themenkreis tiny houses und andere alternative Wohnformen)
Polly Samuel (aka „Donna Williams“, Autismus, Asperger und verschiedene Divergenzen. Da sie bald an Krebs versterben wird, aktuell viel Liebe, Leben, Innigkeit.)

6.  unsere Helfer_innen und Unterstützer_innen.

Ohne euch und euren Zuspruch würden wir manche Tage nicht schaffen und aus manchen Tagen nicht so heil herauskommen, wie wir es im letzten halben Jahr geschafft haben.

Danke euch <3

 

 

* Die ersten Episoden „Ausbildung inklusive“ findest du hier
Eine Audioversion dieses Textes können wir derzeit nicht leisten.
Wir danken für dein Verständnis.

die dritte Arbeit

Am Ende des Halbjahres stelle ich wieder fest, dass wir es wirklich brauchen.
Das Schreiben, das Bloggen, das sich hier sammeln und finden.

Seit der Therapietermin nicht mehr die Hauptarbeitszeit ist, fasern wir wieder weiter auseinander.
Das ist wie auf einer Eisscholle wegzudriften oder langsam von einer hereinkommenden Flut umflossen zu werden.
Ich sitze nicht hier und merke in ein zwei Stunden: “So jetzt werde ich dissoziiert und jemand anderes.”. So ist es nicht. So war es auch noch nie.
Es ist viel mehr so, dass ich alles tue, was ich eben tue und mich eine Irritation dazu bringt zu bemerken, dass viel Zeit ohne mein aktives, bewusstes Dazutun vergangen ist.

Seit die Schule ist, merke ich es an neuen Schmerzen, die mir am Ende nur die Option lassen ins Bett zu gehen.
Da sind Rückenschmerzen vom unpassenden Schulmobiliar auf denen von der Bettsituation im Moment. Da ist der Schulbuckel über dem Stachelpanzerbuckel eines Innens, das flirrend zwischen Trauer und Angst in den Schulalltag gebunden ist.
Und Erschöpfung. Die Art Erschöpfung, die man hören kann, weil die milchsauren Muskeln unter der Haut aufquietschen.

Am Nachmittag schlafen wir. Am Abend ist manchmal noch genug wach da, um Emails zu lesen oder zu beantworten. Manchmal reicht es sogar für ein Essen und eine Serie.
Zum Bloggen reicht es nie.

Seit dem Klinikdings letztes Jahr denke ich oft, dass wir hier in Wahrheit doch nur selbstdarstellerischen Scheiß machen. Killefit ohne jede Konsistenz. Gedöns das weder anstrengend noch konstruktiv, wertvoll oder wichtig ist. Ich denke, dass es uns doch leicht fallen muss, unanstrengend sein muss, schließlich schreiben wir das Blog von Vielen schon seit 2008.

Inzwischen merke ich, wie es unsere Therapiearbeit ist. Auch ist. Es ist Therapiearbeit. Es ist, was uns liegt. Vielleicht: was das Talent ist, das uns eint.
Der Sprachknall und das Wort als Ist um alles Sein.
Es ist unsere dritte Arbeit.
Obwohl es keinen Auftrag gibt.

Ab sofort schreiben wir morgens. Zwischen Kaffee 1 und Hetzdusche, Hetzaniehen, Hetzkaffee 2 und Schulweg hetzantreten.

die erste Woche nach den Ferien oder: Was alle verstehen

Ich wollte diesen Artikel gerade  mit: “Es gibt nicht viele Momente, in denen mir bewusst ist, dass ich es in der Schule zu 90% mit Menschen zu tun habe, die bis zu 15 Jahre jünger sind als ich.” einleiten und bemerkte, wie unsinnig diese Aussage ist, wenn ich doch ein paar Absätze später erzählen will, dass ich sie schon wieder angemeckert habe.

Aber ich muss ein bisschen ausholen. Eine Woche weit muss ich ausholen. Mir einen diffusverwolkten Lautklumpen auf die Werkbank donnern und die Wortfeile zücken. (Vielleicht stellen sie sich jetzt ein Werkstattgeräusch vor – das verstärkt den Effekt meiner hier hingeschriebenen Bilder)

Es ist die erste Woche nach den Ferien gewesen. Alle waren mehr oder weniger voll von zu teilenden Geschichten – der Abstand hatte sich verringert – Grenzen und Fassungen aufgeweicht. Nicht nur in unserer Klasse, die sich so viel zu erzählen hatte, dass die 15 Minuten der Unterrichtspausen und die vielen anderen Minuten des Tages, an denen kein Unterricht passiert, nicht reichten.

In den letzten 5 Tagen gab es keine Pause für uns in der Schule. Einmal gab es eine für NakNak* – das war am Donnerstag als wir 8 Stunden hatten und in der Mittagspause in den Wald gegangen sind. Ansonsten huschten wir durch die Schulflure auf der Suche nach einer Ecke ohne Hall und Durchgangsverkehr, um uns über den Tages- und Arbeitsabläufe zu versichern, Testinhalte durchzugehen und etwas zu essen.
Auf den Schulhof zu gehen ist jetzt schwierig. Kalt und nass findet unsere Blase in der Regel scheiße. Da wir uns auf selbige und ihre Signale nicht zuverlässig verlassen können, wäre draußen zu sitzen jetzt zwar erheblich ruhiger, aber im Nachhinein vielleicht das Letzte, was wir brauchen.
So gingen wir also durch die Schulflure, wie alle anderen Schüler_innen auch.

Und wurden angeguckt und begafft.
Wir kennen das und merken trotzdem, wie es uns zertriggert, wenn das passiert. Wir wissen alles darüber, warum Menschen das tun und dass das nichts mit uns zu tun hat – jatta jatta – es ist trotzdem schwierig für uns, damit umzugehen. Denn immer wieder aufs Neue passiert das. Als würde diese Schule jeden Tag neue Schüler bilden, wie der Körper seine roten Blutkörperchen.

In dieser Woche wurde NakNak* hinter mir her angelockt, angefasst, gestreichelt. Wir wurden angepfiffen, um die Aufmerksamkeit des Hundes auf sich zu ziehen. Und auch hier: Wir wissen, warum Menschen das tun. Wir wissen, wie normal solche Grenzüberschreitungen unter Menschen sind. Und trotzdem machen sie mich unheimlich wütend, unfassbar traurig und letztlich: müde –  müde für andere Menschen.
Diese Menschen. Die nicht verstehen, wenn es ihnen niemand sagt und erklärt. Die einfach noch so jung und spontan, unbedacht und an manchen Stellen anders gereift sind, als ich.

NakNak* hat in ihrer Ausbildung gelernt, sich nicht ablenken zu lassen. Das ist jetzt etwa 5 Jahre und viele Millionen beschissen gelaufener Grenzüberschreitungen her. Sie funktioniert nicht mehr ganz genauso wie damals und wir wissen das. Wir trainieren jeden Tag und verlieren das nie aus den Augen – und doch. Jede Zeit unter Menschen, die nicht mit ihr und uns im Training sind, grätscht uns mit ihrer Normalität in ebenjenes Training rein.

Um so ärgerlicher wird es für uns, wenn wir dann in solchen Situationen dezidiert ausgegrenzt werden – NakNak* jedoch nicht.
Ja ups- da passiert Ausgrenzung. Wir werden nicht etwa angesprochen, ob der Hund gestreichelt werden darf. Warum wir mit dem Hund da sind. Was “Assistenzhund” bedeutet. Häufig wird sich nicht einmal unser Gesicht angeschaut. Wir sind nur der kopf(seele-geist)lose Körper zu dem, worauf die Aufschrift auf der Decke dieses niedlichen Assistenzhundes hindeutet. Wir sind die Hülle um das Fremde, das Unheimliche, das irrational Aversive. Der Hund ist okay. Der ist ja nur ein Hund.

Am Mittwoch stand ich morgens in der vollen Bahn mitten im Gang und wartete darauf, dass der Platz für behinderte Menschen frei wurde. Ich hielt mich mit beiden Händen in Balance an den Haltestangen über meinem Kopf. Währenddessen griff ein neben mir sitzender Mensch meinen Oberschenkel streifend an mir vorbei, um die vor mir sitzende NakNak* zu streicheln. Das Gesicht weich und selig lächelnd.
Wie hätte ich da reinboxen können?

Es war diesem Menschen nicht klar, dass seine Berührung etwas in mir an Situationen in Todesängsten erinnerte. Wahrscheinlich hatte er sie nicht einmal bemerkt, denn mich hatte er von dem Hund wegdissoziiert. Abgespalten und weggemacht.

Keine drei Stunden später ging ich durch einen Flur an einem Schülergrüppchen vorbei aus der sich ein Schüler löste und NakNak* im Vorbeigehen zu streicheln versuchte.

Am Donnerstagmorgen wartete ich zusammen mit Schüler_innen meiner Klasse vor einem Raum auf die Lehrerin. Aus einer der Schülergruppen um uns schallten Pfiffe zu uns. Übliche Lockpiffe, die ich für mich durch den Raumhall des Flurs nicht orten konnte. Ich wurde unruhig – NakNak* wurde unruhig. Noch ein Pfiff. Und noch einer. Inzwischen schauten uns alle Umstehenden an. Ich verlor die Beherrschung und rief in irgendeine Richtung: “Hör auf mit dem Scheiß!”. Antwortendes Lachen aus der Halle.
Trigger Trigger Trigger
Wir hätten gehen sollen. Hätten gehen können.

Alle hätten das verstanden.
Aber genau das ist das Problem.

Alle verstehen, wie problematisch so ein Verhalten für uns ist – doch genauso verstehen alle, warum dieses Verhalten passiert.
Und alle geben sie mir an die Hand, dass ich mich damit abfinden soll, weil es ja nicht zu ändern ist. Sie geben mir das Problem in die Hand.
Ich – wir sind die Person, die sich damit arrangieren soll, dass Menschen auf das beste Hilfsmittel, das unter Anderem dabei hilft, in Kontakt mit Menschen zu gehen und zu bleiben, so reagieren, dass ich am liebsten nie wieder mit Menschen zu haben haben will.

Wir wollen nicht jedes Mal alles von uns und unseren Problemen preisgeben müssen, um Menschen zu erklären, was ein Assistenzhund ist und was NakNak* genau tut.
Wir wollen unsere Grenzen sowohl als Mensch, als auch als Mensch-Assistenzhund-Team gewahrt erfahren dürfen, ohne uns auf eine Art zu öffnen, die für andere Menschen vor Fremden nie in frage käme. Es ist unser gutes Recht das einzufordern – selbst vor jenen, die meinen, weil wir offen zugänglich ins Internet schreiben, würden wir doch genau so etwas ganz toll finden!

Wir können nichts dafür, dass die Umgebung, in der wir uns bewegen (wollen) müssen so gemacht ist, dass wir am Besten mit einer hundischen Assistenz an der Seite darin funktionieren. Wir können nichts dafür, dass die Lebensumgebungen der selbsternannten “Normalen” oder “Nichtbehinderten” so frei von Menschen sind, die behindert sind und/oder werden, dass wir einen seltenen Anblick bieten.

Wir können nichts für all die Hindernisse zwischen den auftauchenden Fragen an uns als behinderte Person und dem Mut, sie auch zu stellen.
Wir sind nicht verpflichtet, die Kompensation unserer Behinderungen zu erklären. Wir sind nur verpflichtet die Kompensationsmöglichkeiten für andere Menschen nicht mit unseren Kompensationsmitteln- und wegen einzuschränken.

Es ist – und ja jetzt lasse ich mich hinreißen, man möge es mir verzeihen – ein verdammt netter Service und manchmal auch das undankbarste Ehrenamt, dass wir jeden Tag neu versuchen, freundlich, offen, besonnen und ruhig auf Menschen zuzugehen, für die wir fremd und beunruhigende Gefühle auslösend wirken.
Dieser  Aspekt wird nicht oft benannt in der Inklusionsblase – das scheißnette Immerlieb und Dauergelächel, dass sich für manche behinderte Menschen zu Recht wie ein viel zu enges Kostüm anfühlt und doch immer wieder nötig und wichtig ist.

Denn klar: für uns fühlt es sich immer gleich an, wenn sich irgendwelche Menschen irgendeinen dieser Makro-Mikro-Megafails an uns und unserer Menschenwürde erlaubt – doch es sind eben doch immer wieder andere Menschen. Mit anderen Hintergründen, mit eigenen Geschichten und Arten zu er_leben.

Das macht die Anstrengung nicht geringer. Das macht es nicht weniger frustrierend. Doch es ist wichtig.
Menschen, die mit uns umgehen, zu sehen und als eigene Individuen anzuerkennen, ist vielleicht nicht direkt funktional in dem Sinne, dass es etwas für uns macht, doch es ist wichtig für das, was wir diesen Menschen entgegenbringen: Respekt und den Raum gemeinsam mit uns zu sein, wie sie sind – nicht wie wir sie haben wollen und vielleicht auch manchmal brauchen.

Ich habe heute – nach einem Test, einer frustrierend anstrengend verwirrenden Unterrichtseinheit “Kommunikation” und zwei weiteren Pausen, in denen NakNak* und ich angegafft wurden, unseren Lehrer bequatscht, einen angekündigten Test doch heute bitte nicht mehr zu schreiben und stattdessen nochmal lieber die Aufzeichnungen durchzugehen und Erklärungen zu bekommen.
Das tat ich für mich (die auf dem letzten Loch pfiff und den Test, wegen vieler Fehlzeiten schlicht versemmelt hätte) und die Klasse, die sich in den letzten Tagen noch versuchte gegenseitig zu helfen, es jedoch nicht schaffte, weil niemand wirklich verstanden hatte, worum es ging.
Der Lehrer ließ sich drauf ein, die Schüler fanden es gut und schafften es sogar, sich einen ganzen Teil der Stunde nicht wie eine umgekehrte Stille Post – Filiale zu verhalten.

Bis ein neues Arbeitsblatt ausgeteilt wurde.

Nach 3 Minuten erinnerte ich mich daran, dass sie erst 15, 16, 17 … sind. Nach 5 Minuten sagte ich mir, dass der Lehrer bestimmt – ganz bestimmt bitte gleich was sagt. Nach 10 Minuten brüllte ich sie an. Fragte sie, ob sie überhaupt merken, wie unfair sie sich gerade mir gegenüber verhalten.
Ja und plötzlich konnte der Lehrer etwas sagen. Plötzlich konnte es still sein.
Die Stunde wurde beendet – ich hatte weder den Arbeitsauftrag noch die Wege zur Bearbeitung mitbekommen. Die Klasse tobte aus dem Gebäude – ich brauchte noch 20 Minuten obendrauf.

Ich weiß alles das, was man mir spontan dazu sagen will, um zu verstehen, was da passiert ist. Ich will aber keine spontan gesagten Zumirschiebephrasen mehr über solche Situationen. Ich will nicht verstehen müssen, was da passiert ist.
Manchmal – und gerade nach so einer Woche – will ich, dass mich jemand fragt, ob der Krach, das Viel der Klasse schlimm weh getan hat. Ob ich damit umgehen kann. Ob ich okay bin. Wie ich es in mein Bild von uns verarbeite, einen Overload nach dem anderen nicht wegkompensieren zu können.

Dann will ich, dass mir jemand sagt, ob ich mich verständlich ausgedrückt oder alles komplett falsch gemacht habe. Weil: laut sein und meckern, ist ja auch irgendwie nicht “normal” (und wieso genau das eigentlich alle™ so normal finden – ich werde das wahrscheinlich nie verstehen!)

Ich hätte gern anerkannt, dass ich nicht 24/7 als vermittelnde Auf- oder Erklärer_in oder Öffentlichkeitsarbeiter_in unterwegs bin, sondern immer nur dann, wenn ich das auch leisten kann.

Wenn wir in der Schule sind, sind wir privat unterwegs.
Da brauchen wir selbst Hilfe.
Jedoch nicht, weil wir andere/mehr Behinderungen kompensieren müssen, als andere oder, trotz unseres höheren Alters, sondern, weil wir nicht alleine dort sind.

Alleine muss man nur dann alles schaffen, wenn man alleine ist.
Wir sind nicht mehr alleine.
Wir sind Schüler_in.
Zusammen mit den über 20 Schüler_innen in unserer Klasse.
Zusammen mit den über 1000 Schüler_innen an der Schule.

Es kann nicht nur unsere Aufgabe sein, zu verstehen und zu akzeptieren, was da passiert, nur weil es uns (scheinbar) allein behindert und weh tut.

ping ping ping

Ich hatte gerade einen Ping- Moment und ja, der hat etwas damit zu tun, dass wir uns im Februar – wie alle anderen Menschen auch – um einen Ausbildungsplatz in einem Berufskolleg bewerben können.

[Hier ist ist ein bisschen Platz für ihre Mitfreude.
Das Konfetti dann bitte morgen früh selber wegfegen. Danke. ]

Mein Ping kam von der Erkenntnis, dass es in dem Gespräch gerade nicht einen Moment darum ging, dass wir viele sind und Traumafolgen und Gewalt und all der Horrorschwabbel, den wir in den ganzen letzten Jahren nie ganz aus Vorstellungen unserer Person jeder Art heraushalten konnten.
Wir mussten bis jetzt noch keinen Lebenslauf vorzeigen und standen nicht vor der Frage: “Und wie kam das, dass Sie ihren Realschulabschluß mit 4 Jahren Verspätung gemacht haben?” und auch nicht vor der Frage: “Warum haben sie weder Praktika noch Jobs gehabt, die Würdigungszettel zur Folge hatten?”.

Das Ping ist: “Privatsphäre im direkten Kontakt”.
Das Ping ist: “Oh wait – ich musste mich gerade nicht komplett entblößen, um mich zu erklären, um wiederum eine Chance wie alle anderen Menschen auch zu bekommen.”
Das Ping ist: “Es ging um die Sache und uns hier und jetzt und heute und nichts weiter.”

Da uns die meisten Menschen schriftlich erleben, gibt es oft auch die Annahme wir wären im analogen Kontakt gleichermaßen eloquent, offensiv und laut. Wenn wir einen Lauf haben und uns in bekannten Gefilden mit bekannten Menschen befinden, sind wir das auch.
In 95% der anderen Umgebungen des Alltags sind wir das nicht. Zum Einen, weil wir nur selten in anderen Gefilden des Alltags sind und zum Anderen, weil es Kraft zieht eloquent, offensiv und laut zu sein.

Die wenigsten Menschen haben im Bild von uns, dass man uns immer eher vorwerfen könnte nur uns selbst zu beachten oder nur um uns selbst zu kreisen, als dass man uns als jemanden bezeichnen könnte, der sich überwiegend mit sich befasst, um anderen Menschen irgendwas zu beweisen oder vor ihnen irgendwas darzustellen. Außenwirkung ist so etwas, das ziemlich weit neben uns steht und nur dann Thema wird, wenn klar ist, dass wir angeguckt werden.
Üblicherweise geikeln wir also immer ein bisschen awkward und so wie wir halt immer so geikeln, wenn wir uns mit unseren Wahrnehmungen befassen herum und kriegen dafür dann entsprechende Rückmeldungen oder Bewertungen unserer Gesamtperson, wenn wir nicht merken, dass wir angeguckt werden oder schlicht keine Kraft oder allgemeine Kapazität dafür haben einem “angeguckt werden” entsprechend zu agieren.

Mein Ping-Moment ist deshalb so groß, weil mir gerade aufgefallen ist, dass keine Bewertung passiert ist – obwohl wir angeguckt wurden und einfach so auf uns und das, was wir wollen bezogen waren, wie wir das in 95% unseres Alltags sind. Neben den reaktiv aufgebrachten Kraftschüben, als es darum ging zu vermitteln, was wir uns zu lernen wünschen und was wir brauchen, um das dort zu können.
Es ging um eine Ebene von “die Rosenblätter und die Welt”, in der wir als Rosenblätter – also als Füllung eines Einsmenschen – weder versteckt noch bewortet sein mussten und das war grandios.
Überraschend grandios, denn in den letzten Jahren seit der Diagnosestellung ging es bei so ziemlich allem, was wir brauchten und wollten darum, dass wir ein special Mensch sind, weil wir ein Einsmensch mit Füllung und Problemen sind. Da ging es darum, dass wir das Problem sind und man ein Umfeld stricken muss, das das aushalten kann. Will. Sich held_innenhaft/selbstlos/menschenfreundlich/altruistisch bereit erklärt uns auszuhalten und zu unterrichten/betreuen/behandeln.

Außer in Bezug auf unsere Therapeutin. Der sind wir nämlich ähnlich egozentrisch und offensiv in die Praxis getorkelt, wie wir in den letzten Jahren Bewerbungen um Ausbildungsplätze abgeschickt haben.

Es ist jetzt natürlich nicht die Art Privatsphäre gewesen, die andere Menschen hätten haben können. Jetzt sind wir da zwar nicht als Person, die von Straftäter_innen psychisch und physisch kaputt gespielt wurde bekannt, aber als Person, die Krampfanfälle hat, Autistin ist und deshalb auf ihre Assistenzhündin angewiesen ist.
Das bedeutet schon, dass von uns eine große Portion dessen, was zu uns gehört schon bekannt und offen für alle ist, aber es ist eine Portion, die weniger nah an dem ist, was uns zu einem uns hat werden lassen.
Das ist ziemlich entlastend ehrlich gesagt und lässt mich ein bisschen hoffen, dass die Spaltung zwischen Schule und Alltag vielleicht ein bisschen mehr zusammen kommt, weil die Schule dann auch Alltag ist.

Alltag ist, wo es nicht ums viele sein geht.
Ums viele sein geht es in der Therapie, im Blog, im Podcast, in Gesprächen mit anderen Menschen, die viele sind oder diese begleiten, weil es dort um uns und unsere Er-Lebensrealität – und –Erfahrungen geht.

Es gibt “Berufsmultis”, die von morgens bis abends nichts und niemand weiter sind und sein können, als jemand, der viele ist. Wir haben solche Zeiten auch gehabt und fanden das wichtig, weil es um uns herum niemand wichtig fand und uns damit hat immer wieder so unwichtig werden lassen, dass wir keinen Schutz, keine Unterstützung und auch keine sichere Versorgung hatten.
Niemand ist “Berufsmulti”, weil si_er sich das überlegt hat. Sowas ist eine Art Überlebensmechanismus – aber kein Alltag.
Was uns damals getrieben hat war die Idee, dass, wenn alle Menschen wissen was viele sein ist, es nicht mehr so furchtbar anstrengend sein würde, die eigenen Wünsche und Bedürftigkeiten verstanden, anerkannt und gewährt zu bekommen.
Man muss sich vorstellen, was für eine hohe Selbstaufgabe dort passiert, wenn das Erste, was ein Mensch, der viele ist, über sich sagt ist, dass er viele ist/multipel ist/eine DIS hat. Das ist die quasi ultimative Aufgabe von Selbstschutz und Privatsphäre, nur um so etwas wabbelig ungreifbares wie Verstehen zu erhalten.
Die wenigsten “Berufsmultis”, die ich kenne, werden verstanden und erhalten entsprechende Hilfen. Und das ist ein Problem.

Ich freue mich deshalb sehr auf eine Bewerbung um einen Schul- und Lernalltag, der es uns ermöglichen kann auch als etwas von außen Strukturierendes dazu beizutragen, dass wir nicht immer zwischen “Blogartikel schreiben”, “Emails mit Betreff “viele sein” beantworten”, “Podcast zum viele sein machen” und “Kunstschule und Fotografie” als Einziges, was nichts damit zu tun hat zu pendeln und dazwischen so kleine Inseln freischippen zu müssen, in denen es um Selbst-Wahrnehmung und Selbst-Regulierung gehen kann.
Klar hören wir damit nicht auf – wir machen hier ja nichts, was wir nicht selbst auch wollen und gut und wichtig finden, aber ach … wir haben halt nicht jeden Tag Kunstschule und so vergehen oft Tage, die dann thematisch sehr oft nur “viele sein” (oder related Sozialpolitik oder related andere Bereiche) sind, obwohl wir selbst gar nicht mehr diese Anerkennungsnot nach außen haben.

Um den Faden zum Ende zu bringen – da war ein Ping und zwar ein “Privilegien-Ping”.
– Ich bin gerade so gut aufgestellt, dass ich es schaffe einen empfindlichen Teil von mir und meinem Leben zu schützen, ohne dafür etwas aufgeben zu müssen.
– Ich bin gerade so gut versorgt, dass mir nichts verloren geht, werden mir bestimmte Dinge nicht gewährt.
– Ich bin gerade von so hilfreichen Menschen umgeben, dass ich selbst für mich und meine Bedürfnisse sprechen kann, ohne, dass das zu 100% perfekt gut gehen muss, sonst “verkackt für immer und immer und ewig”.

(Auch so ein Privilegien-Ping: Da gibt es, wenn man angenommen wird, ein Gespräch zu dem auch viele Eltern kommen. Bevor es im Innen heulen konnte, weil wir keine Eltern haben, die wir dabei haben wollen würden, kamen die Ideen, wen man darum bitten könnte mitzukommen. Auch ein Arghneinichwillnichtsoabhängigsein-Ping – aber naja – erst mal angenommen werden, dann können wir noch genug über unsere Abhängigkeitsissues abzappeln)

Naja.
Jetzt hats ganz schön viel gepingt.

Am Ende das Durchatmen und wissen: Wir können uns bewerben wie alle anderen Menschen auch. Assistenzhund und andere Bedarfe sind kein Ablehnungsgrund. Zum ersten Mal nach über 150 Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz geht es nur darum, was wir können.

Trickfilmgrafik, ein Mensch und ein Hund tanzen lächelnd vor hellblauem Grund

Lieber P.

Bitte sag mir nie wieder, ich würde mich selbst behindert machen. Bitte sag mir nie wieder, ich würde mich selbst komisch machen.
Ich bitte dich nicht aus Gründen einer political correctness darum, sondern, weil mich diese dummen Worte von dir verletzen und dich zu einem Kontakt machen, der unerträglich ist.

Du verstehst wohl nicht, warum Menschen verletzende Dinge, wie auch das N-Wort nicht hören wollen. Weshalb sonst habe ich es an deiner Seite so oft gehört, wie noch nie neben anderen Menschen? ‚Politisch korrekt‘ ist wohl ein Witzchen für dich. Oder eine Randnotiz, an die man sich erinnert, wenn man mit den Betroffenen zu tun hat.
Eine Handlungsempfehlung. Keine Bitte darum, nicht gedemütigt, entwertet, verletzt zu werden. Kein Hinweis auf deine Privilegien als weißer Mann in unserer Gesellschaft.

Ich erinnere mich an deine Schilderung aus dem Buch eines Künstlers, dessen Beobachtung über die alltäglichen Anstrengungen und Kämpfe behinderter Menschen du so bemerkenswert findest. Und ich weiß, dass ich dir sagte, wie erbärmlich es ist, wenn Menschen, die sich nicht als behindert erleben, sich staunend daneben stellen, wie Menschen kämpfen können, um ihr tägliches Leben in irgendeiner Form zu gestalten.
Erbärmlich ist es, weil es so viel mehr Optionen gibt, den täglichen Kämpfen von Personen zu begegnen.
Weil es keine Wahl ist zu kämpfen, wenn man behindert ist und wird, sondern eine verdammt noch mal zwingende Notwendigkeit, sich selbst vor Verletzung, Unterdrückung und Ausbeutung zu schützen. Weil es sonst schlicht niemand tut. Kein Interesse da ist. Kein Bemerken passiert. Keine Anerkennung von einem Schmerz, der ist, auch, wenn er von niemandem sonst erlebt wird, geschieht.

Du und das Kunst-LK- Mädchen, ihr beide sitzt da mit eurem privilegiertem Leben hinter euch und sagt mir, ich würde mich selbst behindert machen, wenn ich offen aufzeige, dass Dinge für mich nicht sind, wie für euch.
Manchmal denke ich in solchen Momenten, ich würde irgendetwas falsch machen, wenn ich zeige: “Hallo – das hier ist ein Kampf für mich. Ich bin behindert. Ich versuche hier wie ihr zu partizipieren und kann doch nicht, was ihr könnt.“. Ich merke wohl, wie Menschen, wie du und dieses Mädchen, dieser Künstler, D. und wie sie alle in unserem Kurs sitzen, denken, ich würde immer nur über mich sprechen, wenn ich das Wort mit B sage.

Eine Behinderung im Leben zu haben, gilt als etwas Persönliches und nicht als etwas, das alle betrifft. Auch dann, wenn es nur eine Person ist, die damit lebt.
Nie bezieht ihr meinen Kampf auf euch, unseren Umgang miteinander, unsere gemeinsame Sprache, unsere jeweiligen Sozialisierungen, unsere spezifischen Lebenserfahrungen, den Kontext, die Räume, die Themen und die Arbeiten, die wir produzieren und begutachten, sondern immer auf mich.
Wenn ich Probleme habe, soll ich was sagen. Soll ich wissen, ich kann immer kommen.
Das Ding ist – einen Scheiß kann ich. Einen Scheiß lohnt es sich die Kraft dafür aufzubringen, ein Problem an euch heranzutragen, weil ihr vor jeder Unterstützungsüberlegung verlangt ein Problem zu verstehen, dass ihr selbst nie hattet, nie habt, nie haben werdet. Weil ihr von mir eine Barrierefreiheit in der Kommunikation verlangt, die ihr als übertrieben, political correctness-Spielerei, übermäßig raumeinnehmend benennen würdet, wenn ich sie von euch einfordere.

Als ich D. sagte, ich habe Krampfanfälle, hat er mich gefragt, was er dagegen tun soll.
Dabei war mein einleitender Satz: “Gibt es einen Ruheraum in der Schule? Gibt es einen Raum, in dem man sich in Ruhe aufhalten kann – das hilft mir beim Umgang mit den Krampfanfällen.”
Ich merke den Schlag ins Gesicht noch heute, wann immer ich mir die Rumpelkammer angucke, die er mir angeboten hat. Du weißt schon – der Raum, der immer vollgestellt ist mit den Bilderrahmen, den Kunstsachen zum Trocknen, dem lose hingeworfenem Werkzeug und dem Boden, der eben dann und wann mal gefegt wird. Was glaubst du, wie sich das auf meine Angst vor einem Krampfanfall in der Schule so auswirkt, wenn ich weiß: „Da muss ich rein, wenn ich merke, dass ich die Kontrolle über meinen Körper verliere.“? Hoch bis unters Dach, jemanden vorher noch bitten den Raum aufzuschließen, dann hinfallen. Vielleicht mit dem Gesicht auf eine vergessene Reißzwecke auf dem Boden oder mit einer Faust in die Glasplatte eines Bilderrahmens neben mir.

Er kommt sich hilflos vor, weil er aus meinen Worten viel mehr Mitverantwortung gedeutet hat, als da jemals drin war.
Er sagte mir, ich würde mich selbst komisch machen, wenn ich Menschen sage, dass ich nicht alles immer überall mitmachen kann, weil ich meine Behinderung mitdenken muss.
Heimlich hoffe ich auf einen Moment, in dem er mal ein alter Mann ist, der eine Inkontinenz immer mitdenken muss und selbst anfangen muss sich zu überlegen, was er wie wann wie oft und wie lange (spontan) mitmachen kann. Und natürlich wünsche ich ihm irgendein ignorantes Arschloch in seinem Leben, das ihm sagt, er würde sich selbst komisch machen, wenn er es schafft seine Scham zu überwinden und jemandem anvertraut, dass er da ein Problem mitbedenken muss, das er nicht beeinflussen kann.
Echt – ich hoffe, ihm wird irgendein peinliches, möglichst ungeeignetes Kleidungsstück für den Notfall angeboten. Und ich hoffe – einfach, weil ich auch nicht frei davon bin in Gedanken gewaltvoll und gemein zu sein – er pisst sich dann in die Hosen und das an einem gerade so irgendwie halbwegs passendem Ort.
Ich hoffe, ihm wird irgendwann klar, wie das für mich war nach einem Anfall im Schulklo zu liegen und zu wissen: “Keine einzige Person hier wird mir helfen. Keine Person hier wird das verstehen. Ich bin allein. Ich bin hilflos. Ich habe nichts unter Kontrolle.”.

Ich habe dir erzählt, dass ich seit der Autismusdiagnose merke, wie viele faule Kompromisse ich jeden Tag eingegangen bin.
Ich habe dir keine Bespiele gegeben, weil ich noch nicht so weit war. Inzwischen habe ich einige.

– ich werde es mir nicht mehr annehmen, wenn mir Menschen sagen, ich würde Dinge fehlinterpretieren und Personen, deren Worte mich verletzen und demütigen würden sicher etwas anderes gemeint haben
– ich werde es mir nicht mehr annehmen, wenn Menschen mir sagen, ich sei spitzfindig und viel zu differenziert
– ich werde es mir nicht mehr annehmen, wenn Menschen mir sagen, mein Anspruch an respektvolles Miteinander sei zu hoch
– ich werde es mir nicht mehr annehmen, wenn Menschen nicht reflektieren, dass sie mich missverstehen und/oder schlicht ignorantes Verhalten an sich zu legitimieren versuchen mit Sätzen wie: “Ja aber früher hat man das immer so gesagt/gemacht/gedacht …” oder “Ja ja haha politisch korrekt müsste man ja sagen … aber naja – wir sind hier ja nicht so.”

Weißt du – was ist, wenn Menschen mich doch immer wieder verletzen und es schlicht nicht merken, weil es sie einen Scheiß interessieren darf, welche Wirkung ihre Worte haben (könnten)?
Gestern hast du mir gesagt, das sei ein gesellschaftliches Problem. Und nicht mitbedacht, dass jede Einzelperson ein Teil dieser Gesellschaft ist. Dass Gesellschaft immer genau dort beginnt, wo ein Mensch auf einen anderen trifft. Verdammt – es ist normal und im Grundgesetz für jede Person als Recht verankert, dass man nicht verletzt und gedemütigt wird. Auch dann, wenn die Person das nicht wollte. Mein Schmerz ist nicht über die Intension des Gegenübers zu definieren, sondern darüber, wie sehr er mich quält.

Ich weiß, “die Gesellschaft” mag das gern so tun. Deshalb haben wir so eine hohe Dunkelziffer von Menschen, die misshandelt werden. Weil immer alle sagen: “Er hat es ja nicht so gemeint.” Weil selbst viele Täter_innen sich sagen: “Oh – ups – das wollte ich nicht.” Und weil es noch immer hilfreich in Sachen juristischen Strafmaßes ist zu sagen, man hätte gedacht für die geschädigte Person würde die Tat nicht so schlimm sein.
Das nennt man übrigens Gewaltkultur und ist Kackscheiße, weil es den Opfern/den geschädigten/unterdrückten/minorisierten Personen sagt: “Dein Schmerz/dein Schaden ist egal, weil die Person, die dir wehgetan hat, diesen Schmerz nicht mitbedacht bzw. billigend in Kauf genommen hat.”

Nehmen wir an, es sei mein Autismus, der mich spitzfindig macht. Der mir nicht erlaubt über Details und einzelne Worte mit ihren spezifischen Bedeutungen hinwegsehen zu können. Nehmen wir an, mein Gehirn funktioniert so sinnbasiert, dass ich alle Schulkameras an dem Geräusch unterscheiden kann, das ihr Innenleben macht, wenn man die Einstellungen ändert. Nehmen wir an, meine Art auf Respekt und Gerechtigkeit zu achten, hätten etwas damit zu tun, dass ich in nicht ausbalancierten Situationen in Panik gerate, weil ich den Überblick und sämtliche Sicherheitsgefühle verliere und darüber in Erinnerungen an meine 21 Jahre andauernden Gewalterfahrungen getriggert werde.
Nehmen wir an, meine Interpretation der Situation hätten eine Basis, die die Mehrheit der Menschen um mich herum schlicht niemals hatte und niemals haben wird, weil Autismus eine neurologische Entwicklungsform zugrunde liegen hat.

Nehmen wir an, ich würde keine Wahl darüber treffen, was ich wann wie wahrnehmen würde.
Da würde jedes “Nu sei mal nicht so…” ein richtig großer Tritt in die Fresse sein, richtig?

Was ich wählen kann ist, wie sichtbar ich meine Wahrnehmung mache. Das heißt, von wem ich mich am Ende eventuell absichtlich ins Gesicht treten lassen würde, weil es schlicht so unterschiedliche Wahrnehmungsbefähigungen gibt.
Ich erwarte nicht, dass Menschen verstehen, was “es ist zu laut” für einen überbordend furchtbaren Schmerz für mich bedeuten kann. Ich erwarte nicht, dass Menschen Dinge für mich verändern, damit ich leichter und mit weniger Kraftaufwand am Leben teilhaben darf. Auch am gesellschaftlichen.
Aber ich erwarte, dass ich nicht auch noch dabei ausgelacht, in meiner Wahrnehmung und Einschätzungsfertigkeit in frage gestellt oder allgemein als “mich selbst behindert machend” bezeichnet werde, wenn ich versuche, das Leben für mich aushaltbarer/barrierenärmer/weniger einsam/respektvoller/generell lebenswerter zu gestalten.

Es sind nicht die Hilfsmittel, die man benutzt, die einen zu einer behinderten Person machen, lieber P.. Es ist die Behinderung durch Gesellschaft, Umwelt, Lauf der Dinge, die Personen behindern und/oder behindert machen.

Vielleicht kennst du aber auch das soziale Modell von Behinderungen nicht. Okay – kein Problem.
Wie gut, dass ich von Hartz 4 zu leben versuche, wie ein Großteil der schwerbehinderten Menschen in Deutschland, die in der Regel weit davon entfernt sind, sich dafür entschieden zu haben weder eine Berufsausbildung noch einen ordentlich bezahlten Job zu haben. Daran kann man es gut erklären.

Hartz 4 behindert mich, weil es nur dazu da ist, eine errechnete grundlegende Versorgung von Menschen ohne Einkommen sicherzustellen.
Und sonst nichts. Hartz 4 lässt einem Menschen keinen Raum sich einen so glatten Habitus anzueignen, wie ihn das Kunst-LK-Mädchen gestern schon an sich hatte. Oder wie ihn D. hat. Hartz 4 lässt nicht zu, dass man sich für eine Karriere so viele Fort-und Ausbildungen finanziert, wie man sie brauchen würde. Erst recht nicht, wenn es um Fort- und Ausbildungen geht, die Menschen mit Behinderungen/Behinderte mitdenken.
Man kommt darunter nicht vom Fleck. Hartz 4 ist nicht gemacht für eine Verweildauer über ein oder zwei Jahre hinaus. Die Realität sagt dagegen, dass die durchschnittliche Verweildauer inzwischen bei sieben Jahren ist. Und auch, dass die Schuldenlast von Hartz 4-Abhängigen mit jedem Jahr des Bezuges steigt.

Du erinnerst dich sicher an mein bitteres Jubiläum von 10 Jahren in Hartz 4.

Es ist kein Stock im Arsch oder unbegründete Angst, wenn ich mir jeden größeren und kostenrelevanten Schritt in meinem Leben 2, 3, 4, 5, 6 Mal überlege und dann doch verwerfe.
Hartz 4 ist eine Barriere. Strukturell gewollt. Gesellschaftlich benutzt, um sich selbst immer wieder darüber zu motivieren sich anzustrengen, mehr Leistung, mehr Geld, mehr Sicherheit selbst zu produzieren. Ich kann mich nicht entscheiden, davon einfach nicht mehr abhängig zu sein. Ich kann nicht mehr Leistung, mehr Geld, mehr Sicherheit produzieren. Ich kann es nicht, weil der Raum für Menschen wie mich, der das ermöglichen könnte, noch nicht erschaffen ist.

Weil es so viel leichter ist zu sagen, man müsse nur wollen und sich irgendein Negativbeispiel vor Augen halten.

Apropos Negativbeispiel.
Wo kommt eigentlich dein Denken her, meine Behinderung als irrelevant zu betrachten, sei Inklusion?
Seit ich dich als Menschen mit Fußspitzen in meinem Leben in meinem Artikel “Für mich bist du nicht behindert” beschrieb, denke ich darüber nach, was das eigentlich für ein Gedankendreh ist, weil es mich so sehr fasziniert, wie unbedingt bestimmte Sichtweisen immer und immer eine Bestätigung von sich selbst produzieren wollen.

Ich weiß nicht, ob es da, wie über so manche Medien transportiert, um Berührungsängste – also Ängste an sich – geht oder schlicht darum, die eigene Ignoranz zu legitimieren, aus Sorge dafür so verachtet zu werden, wie es angemessen sein würde.

Aber vielleicht schaue ich auch einfach selbst nochmal genau auf Ignoranz und Sichtbarkeit von behinderten Menschen beziehungsweise Behinderten. By the way ja – manche Menschen, und ich zähle mich dazu, nennen sich selbst “Behinderte” und inkludieren damit ihr Sein als ausgegrenzte und eben auf verschiedenen Ebenen behinderte Person in die Selbstbezeichnung. Das geht nicht allen Menschen so, deshalb mache ich so viele Wörter und spreche sowohl von Menschen mit Behinderungen, als auch von Behinderten. Das tut mir nicht weh. Im Gegenteil, es erfreut mich zu wissen, das beide Bezeichnungen dafür sorgen, dass ich selbst weniger ausgrenzend spreche.
Ich freue mich zu merken, dass ich meine Sprache so gestalten kann, dass weniger Menschen verletzt werden, während ich sie sichtbar zu machen versuche.

Es freut mich überhaupt Menschen mit meiner Sprache und über meine Handlungen im Alltag sichtbar zu machen.
Ich versuche mir immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, was meine grundlegenden Annahmen über die Kontexte, in denen ich mich bewege, sind. Das tue ich nicht, weil ich ein blütenreiner Gutmensch bin, sondern, weil ich mich innerhalb der Kontexte, in denen ich mich bewege, auf möglichst barrierenarme Art bewegen will und zwar für alle Menschen, die ihn mit mir teilen.
Weil ich das gut finde. Weil es beruhigend ist. Weil ich weiß, wie wenig Stress das bedeutet und darüber, wie gering mein Risiko für einen Krampfanfall, Overload oder dissoziative Symptome wird.

Ich kann nur dann gute und zutreffende Annahmen über einen Kontext haben, wenn ich alles, was in diesem Kontext ist, sehe im Sinne von “bewusst habe”.  Ich kann nur dann ein Klima von Respekt, Rücksicht und Akzeptanz gestalten, wenn ich nicht verlange, dass bestimmte Dinge versteckt und unsichtbar sind.

Du hast mich gefragt, warum ich an dem Berufskolleg, in dem ich mich für eine Ausbildung bewerben möchte, zuerst gefragt habe, wie barrierenarm die Schule für mich ist. Es sei doch sinnvoller gewesen erst meine Arbeiten zu zeigen.
Noch heute frage ich mich ernsthaft, wie man davon ausgehen kann, es sei nicht relevant vor einer konkreten Planung eines so großen Schrittes zu prüfen, wie gut oder schlecht man eine Chance zu nutzen in der Lage sein wird. Was glaubst du, wie das für mich ist, in einem Raum mit >15 Personen zu sitzen, eine unübersichtlich schwammige Sprache dekodieren zu müssen, um neue Inhalte zu begreifen und daneben vielleicht noch zu wissen: “Okay, meine Assistenzhündin kann nicht hier sein – ich werde also erst kurz vor knapp (oder auch gar nicht) merken, wann ich einen Krampfanfall habe/ich werde allein mit Panikattacken/Flashbacks/dissoziativer Symptomatik/Overloads zurecht kommen müssen (und natürlich so, dass niemand sonst von den auch nach außen sichtbaren Aspekten meiner Behinderung belästigt wird)”.

Ich bin 29 Jahre alt und weiß glücklicherweise bereits, dass es zu meinen Menschenrechten gehört (aus)gebildet zu werden.
Ich weiß zum Glück, dass es mich nicht verunsichern muss, wenn Menschen wie du nicht begreifen, dass Bildung für mich etwas ist, das ich mir zu 100% ab- und zusichern lassen muss – und zwar von denen, die verpflichtet sind sie mir zukommen zu lassen, weil es ansonsten niemanden interessiert, ob und wenn ja, wie ich aus all den strukturellen Abhängigkeitsverhältnissen herauskomme.

Du weißt ja, dass ich nicht zu den Glücklichen gehöre, die eine liebevolle und engagierte Familie in ihrem Leben haben.
Seit ich 15 bin lebe ich in staatlicher Fürsorge und diese deckt das physische Überleben einer Person ab. Nicht auch noch die Entdeckung und Entfaltung von individuellem Potenzial. Und erst recht eröffnet sie nicht so simple Dinge, wie einen Landeplatz für die Momente, in denen man doch nochmal auf Rückenstärkung und bedingungslose Fürsprache angewiesen ist.
Frag mal das Kunst-LK-Mädchen, wer sie so unterstützt. Fragen wir im nächsten Kurs doch einfach mal die Teilnehmenden, warum sie es sich leisten können, dauernd zu fehlen.

Hast du dich eigentlich nie gefragt, warum ich nie fehle? Warum ich auch 5 Tage nach einem selbst verhinderten Suizidversuch in deiner Klasse stehe und alles Wissen, das du mit uns Schüler_innen teilst, aufsauge wie Wüstensand?

Einmal in der Woche kratze ich so schonungslos wie es andere Menschen sich wohl eher nicht antun würden, all meine Kraft zusammen und zerre meinen Arsch in diese Schule. Einmal in der Woche setze ich mich Menschenkontakten aus, die mich fordern bis überfordern. Einmal in der Woche öffne ich mich und versuche mich zurechtzufinden in einem Umfeld, das Lebensrealitäten wie meine weder kennt noch als normal und üblich wie die eigene betrachtet.

Einmal in der Woche verlasse ich meine Wohnung, meine Routine, meine Sicherheiten und berühre euren Kosmos, der nichts Besseres zu tun hat, als mich zu verletzen, neugierig, verwirrt, fragend und gleichzeitig ignorant vor meinem Abkämpfen um Teilhabe und Miteinander zu stehen und irgendwann – vielleicht, wenns dann in einem Gespräch um Menschen wie mich geht – daraus eine Anekdote für den nächsten Kurs, die nächste Unterhaltung über den Lauf der Dinge zu machen.

Einmal in der Woche habe ich 3 Stunden, in denen ich etwas haben darf, das mich befriedigt und satt macht: Ein Moment, in dem ich Dinge erfahren darf. Ein Moment, in dem ich Dinge auch mal nicht wissen darf und Fehler dazu gehören, ohne mich konkret zu bedrohen.
Ein Moment, in dem ich zum Teil einer physischen Gruppe werde.

Es ist so unfassbar traurig und ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft, dass es für mich (und Menschen mit Behinderungen bzw. Behinderte allgemein) überhaupt so ein großes Ding ist, einmal in der Woche (für viele passiert es noch seltener!) unter Menschen zu kommen, die sie weder pflegen noch medizinisch/therapeutisch/bürokratisch behandeln.
Einmal in der Woche aus einer intrinsischen Motivation heraus Orte aufzusuchen, die ihnen zustehen, aber häufig genug verwehrt bleiben, weil sämtliche mögliche Barrieren schlicht nicht mitbedacht werden, von denen, die sie zur Verfügung stellen und/oder mitgestalten.

Und das, wo Deutschland doch so ein Vorreiter in Sachen Integration, Inklusion und Miteinander sein will.

Weißt du P. – du bist nur mein Lehrer. Das weiß ich. Es kann dir völlig egal sein, was wer aus dem Kurs mitnimmt und wer sich wie fühlt, während si_er da sitzt.
Ich weiß aber, dass du nicht so bist. Du bist einer dieser Menschen, die durchaus reflektieren können, wann sie etwas tun, das scheiße ist.
Du bist einer dieser wenigen Leute, mit denen ich gut gemeinsam in einem Raum sein kann.
Das ist eines dieser Dinge, die mich daran hindern mir das Leben zu nehmen.
Immer wieder sind es für mich aushaltbare Menschen, die mir versprechen mir etwas beizubringen, das mir wichtig ist und die Option immer immer immer lernen zu können.

Menschen mit meinen Gewalterfahrungen haben ein vier Mal höheres Risiko sich zu suizidieren.
Was glaubst du, wie lange würde das wohl dauern, bis jemand merkt, dass ich tot vom Dachsparren herunterhänge?

Richtig – mindestens eine Woche würde das dauern. Weil jede_r weiß, dass ich nie fehle. Weil alle Menschen, denen ich sage, dass ich traumatisiert, behindert und einsam bin, wissen, dass der Donnerstag der Tag ist, an dem ich die Welt berühre. Weil alle wissen, dass der Donnerstag der Tag ist, der mir so wichtig ist, weil ich dann zur Therapie gehe, in der Hoffnung das Geschehene zu verarbeiten und meine Versuche des Umgangs damit zu reflektieren und, weil ich mich zu dir in den Kurs setze, um zu lernen, wie ich die unglaubliche Schönheit und allumfassende Perfektion dieser Welt in Fotos festhalten kann, um sie zu teilen.

Menschen, denen bewusst ist, wie meine Einsamkeit zustande kommt und was alles damit zu tun hat, sagen mir nicht, ich sei selbst daran schuld, wenn ich so selten das Haus verlasse.
Menschen, die ein Bewusstsein darum haben, dass sie immer irgendwo hingehen und etwas tun, wenn sie das Haus verlassen, raten mir nicht “Einfach mal mehr unter Leute zu gehen”.

Menschen, die mich als die Behinderte sehen, die ich bin, fragen sich, wo ich denn eigentlich überhaupt wirklich gut und ohne einen großen Haufen fauler Kompromisse partizipieren könnte. Oder, wo ich mich willkommen und angenommen fühle. Manche fragen mich sogar, ob ich mich wohl gefühlt habe und was man verbessern könnte. Zu einem nächsten Mal, bei dem man mich gern wiedersehen würde. Weil es okay/bereichernd/schön/spannend/interessant war. Mit mir. Dabei. Mittendrin. Mit allem, was ich kann und nicht kann. Mit allem, was ich wahrnehme und wie ich es wahrnehme.

Lieber P., den ich wirklich sehr schätze, ich traue dir zu, dass du das auch kannst.
Ich traue dir zu, dass du verstehen kannst, wie groß und wie berechtigt meine Verletzung vor dem Hintergrund, den ich habe, ist.
Am Ende bitte ich dich erneut Rücksicht auf mich zu nehmen, nicht aus Gründen einer Korrektheit, die nur allzu oft verlacht wird, sondern, weil du mich nicht verletzen möchtest, wie du nicht von anderen Menschen verletzt werden möchtest.

Bis nächsten Donnerstag.
Mit vielen Grüßen,

Hannah

das Gespräch

Was ich immer wieder auch spannend finde – und ja tatsächlich auf die Art spannend, wie sie zum Streichen eines langen weißen Bartes Anlass gäbe, besäße ich einen solchen – ist die Art Beschämung oder auch peinlich berührt seins von Menschen, denen ich von meiner Behinderung erzähle, mit der Intension gemeinsam zu einem Umgang zu kommen, der weder für mich erniedrigend und schlicht nicht hinnehmbar ist (wie etwa die Notwendigkeit sich auf den Boden eines Schulklos legen zu müssen, weil sich auf die Schnelle kein anderer Ort finden lässt, an dem es einem einigermaßen privat grottenschlecht gehen kann) noch für andere Personen mit Überforderung oder auch dem Eindruck verbunden ist, irgendwie benachteiligt oder gestört zu werden.

Dass ich mit dem Lehrer, dessen Verhalten am Vortag massiv dazu beigetragen hatte, nicht zu sagen: “Äh – du ich kriege gleich einen Krampfanfall – wo ist bitte ein ruhiger Raum/eine stille Ecke/ eine Möglichkeit das hier nicht zu einem riesen Ding werden zu lassen?” , noch nicht gleich reden konnte, war mir klar. Vielleicht, werde ich das erst nächste Woche können, oder in zwei Monaten. Mir ist das erst einmal egal, weil ich weder den Lehrer noch den Kurs im Moment als etwas erlebe, das ich akut wirklich brauche. (Letztlich brauche ich ihn natürlich doch, weil meine Mappe auch solche Sachen, wie die, die wir da machen können, braucht.)
Wichtig war mir einen “Verbündeten” zu finden, dem ich sagen kann: “Hör mal – ich lebe mit diesen Krampfanfällen und ich brauche einen Landeplatz, an den ich gehen kann, wenn ich merke, dass einer anrauscht und ich brauche eine Person, die davon weiß, damit es im Fall, dass ich es mal nicht mehr dorthin schaffe – ja sorry diese Möglichkeit gibts auch – jemanden gibt, der anderen Leuten sagen kann, was los ist.”
Ich habe also versucht eine Ver-Bindung herzustellen und ich glaube, wie schwer so etwas Personen fällt, denen genau das immer wieder zum (lebensbedrohlichen) Verhängnis wurde, kann man sich ein bisschen vorstellen.

Ich habe mir am Abend nochmal durchgelesen, was das schlaue Buch zu gewaltfreier* Kommunikation so rät, habe im Internet nach Texten und Foreneinträgen gesucht, in denen es darum geht, mit Menschen, die nicht mit der gleichen Behinderung wie man selbst leben, über solche Dinge zu reden.
Selbstverständlich habe ich das noch am gleichen Abend gemacht, obwohl mir jeder Muskel wehgetan hat und ich eigentlich Dinge wie menschliche Nähe und Wärme, Trost und das Gefühl von aufgehoben und nicht verlassen sein, gebraucht hätte.
Aber hey, man kann ja nicht alles haben. Das Leben hart und die Welt ist kalt – nach 8 Jahren Herzischaukeln im Kuschelparadies ohne Lohnarbeit oder Bildungsmaßnahmen unter anderen Menschen, darf man sich auch nicht so verhätscheln. (Ja – mein Kopf denkt solche Sachen wirklich, lacht sich aber gleichzeitig auch aus dafür, weil klar ist, was das für ein Schwachfug ist)

Die Hannah Rosenblatt von vor 8 Jahren, hätte nicht wieder in die Schule gehen können. Sie hätte vielleicht im Sekretariat angerufen, den Bildungsvertrag gekündigt und sich auf unbestimmte Zeit mit Dingen wie hungern, fressen, sich aufschneiden, Medikamente überdosieren oder 24/7 Deals mit Täter_Innen eingelassen und sehr wahrscheinlich an keiner Stelle etwas von ihren Gefühlen und Gedanken abgestellt.
Die Hannah Rosenblatt von vor 8 Jahren hätte schlicht keine gehabt.

Heute weiß ich, wie auch politisch mein Re-Agieren in solchen Situationen ist. Für mich ist es keine persönliche Agenda, die sich um meine Flauschgefühle dreht, wenn ich an einen Ort gehe, an dem ich mich einige Zeit am Tag bewege und schaue, wie dieser mit meiner Behinderung nutzbar ist.
Zu einer persönlichen Sache gemacht, erlebte ich aber meine Formulierung dessen, als ich dann vor dem Leiter des Fachbereichs stand und ihm zuhörte.
Ich weiß jetzt nach ein paar Gesprächen und Austauschen und auch eigener Reflektion, dass ich alles richtig gemacht habe, aber vor einer Person stand, die mir zum Einen nicht den gleichen Respekt entgegenbringt, wie ich ihr und zum Anderen, vermutlich noch nie bewusst und aktiv mit der Behinderung eines anderen Menschen umgegangen ist, weil sie es nie musste.

Ich stand in diesem Büro, gestählt aus tausend Gesprächen dieser Art in der Jugendhilfe, den Hilfen für junge Erwachsene, der Psychiatrie, jeder – wirklich jeder – “Diskussion” im Internet und dieser etwa 25 Jahre ältere Mann fängt an, mir eine Vermeidungstanzrevue vorzumachen, die den Titel “ein Kessel Buntes” sehr gut tragen könnte.
Erst die Leugnung eines Problems über Derailing, dann der Apell an mich “dramatisier mal nicht”, dann die Individualisierung des Leidens unter der Situation, dann der oberpeinliche Versuch mir ein Vorbild und Role-Model zu sein “ich würde an deiner Stelle…” und dabei zu vergessen, dass ich diejenige mit den Anfällen bin und nicht er, dann kommt der Höhepunkt über den Versuch mich mit völlig unangebrachten Komplimenten zum Schweigen zu bringen “Hannah du hast Talent und du bist ein toller Mensch – echt jetzt”, die ich – 10 Jahre Psychotherapie olé! – mit einem schlichten “Ja, weiß ich, danke.” beantwortete, was er dann wiederrum scheiße finden musste, damit er mich darauf hin als borniert in die Situation stellen kann und seinen Vermeidungstanz mit einem lösungsbefreitem Schweigevorhang beenden konnte.

Ich glaube, es war ihm peinlich und wirklich unangenehm sich von mir angesprochen zu sehen. Vielleicht hätte ich ihn noch mehr flauschen müssen in der Situation, aber ehrlich gesagt halte ich es für falsch, mir solche Dinge, wie einen ruhigen sauberen Ort zum Krampfen bzw. zum gegen das Krampfen anarbeiten und ein Miteinander in dem meine Behinderung wenigstens bekannt ist, quasi zu erschleichen oder zu ermanipulieren. Mal abgesehen davon, dass einfach nicht gut darin bin, Menschen zu manipulieren oder “mir zurecht zu biegen” oder sowas. 

Es ärgert mich, dass das Gespräch so gelaufen ist, wie es gelaufen ist, weil ich jetzt zwar weiß, dass es einen ruhigen Raum gibt, aber noch immer keinen Notfallkontakt unter der Lehrer_Innenschaft habe und also im Fall des Falls immer noch genug Kraft und (neurologische) Fähigkeit haben muss, um Personen, die keine Ahnung haben und vor denen ich vielleicht in dem Moment auch ein bisschen Angst habe oder so, zu sagen: “Bitte schließ mir den Raum auf, ich darf da sein.”.
Ich fühle mich allein gelassen mit etwas, das nicht nur mit mir allein zu tun hat, aber nur so betrachtet werden will.

Und ich kann das verstehen.
Wenn man mit Menschen mit Behinderungen immer wieder so umgeht, als sei das Leben mit einer Behinderung eine Privatsache, die ganz eigentlich ergo im öffentlichen Leben keine Rede wert sein darf, dann sind solche Haltungen wie von dem Fachbereichsleiter logisch und üblich.
Ich habe gemerkt, dass ich ihn mit meiner Festigkeit im Thema irritiere und überfordere. Dass ihn meine Forderung nach Würdigung meiner Gefühle von auch Demütigung und nach einem Umgang mit solchen Situationen, der ihn mit einbezieht, auch erschreckt, weil plötzlich Grenzen (Barrieren) für ihn sichtbar wurden, die lange nicht sichtbar waren.
Deshalb habe ich ihn letztlich auch in Ruhe gelassen, obwohl ich genau weiß, dass es nur einen Krampfanfall die Treppen runter dauert, bis er seinen Bezug zu meiner Behinderung unumgänglich fühlt, weil ihm dann nämlich Versicherung und Schulleitung aufs Dach steigen und Schuld ein Thema wird, das dann wieder zu mir wandern muss und letztlich wieder für mich einen Bildungsweg verunmöglicht.

Ich bin 28 Jahre alt und dort, weil das die einzige zeitlich flexible Vorbildungsoption für mich ist um meinen Lebenslauf aufzumotzen, um mich irgendwo zu bewerben, wo man mich am Ende mit 100€ im Monat entlohnt, wo andere Menschen etwa 1.200€ erhalten.
Mein Leben ist kein Ding in dem ich mir den flauschigsten Ort für mich suchen kann, weil es ja so wahnsinnig viele Optionen gibt.

Ich weiß, dass ich von Menschen, die ihr Leben lang nie so massive Abhängigkeiten gefühlt haben, wie ich, nicht erwarten kann zu verstehen, wie groß der Druck für mich ist, mich zurecht zu finden und freiwillig am Leben zu bleiben.
Aber ich weiß auch, dass es keine falsche Forderung an diese Menschen ist, meine Behinderung als Teil eines gemeinsam verlebten Tagesgeschehens zu sehen, die einen bestimmten Umgang miteinander erfordert.

Wie es jetzt weiter geht, weiß ich noch nicht.
Aber das weiß ich im Moment ja sowieso in Bezug auf nichts in meinem Leben und vielleicht muss ich das jetzt einfach aushalten.
Das Leben ist hart und die Welt ist kalt.

K.r.ämpfe

Es ist eine Autoritätsperson, die ihr etwas beibringen soll.
Sie möchte das. Fragt an dem Kloß im Hals vorbei. Wird losgeschickt. Ohne Zielangabe. Um der Erfahrung Willen. Natürlich. Wozu auch sagen, was auf sie zu kommt? Wozu auch vorbereiten – das Leben fragt auch nicht.
Die schwarze klebrige Farbe schwemmt Ekel hoch. Sie soll sie auf der Platte verteilen, mit Gaze in die Rillen drücken und vom Rest abwischen. Sie reibt und schiebt gegen das Erbrechen an. Ist still, wie die Jugendlichen um sie herum.
Es redet ein Junge im Kumpelton. Unter Kumpels ekelhaftes Zeugs anfassen, nicht wissen worum es geht – irgendwo wird nach Wörtern gejagt, um Luft gekämpft.
“Oh G’tt heute wurde so viel um irgendwas zum Festhalten, um Klarheit, um ein Später gekämpft.”. Die Welten krachen kreischend ineinander.

Es wird immer mehr ekelerregende klebrige Schwärze. Sie schaut hoch. Sieht in ein leeres Gesicht, das sie betrachtet. Erschrickt. Macht ihr verqueres Lächelgesicht. Reibt weiter. Die Autorität guckt. “Ich glaub, ich hab zu viel Farbe genommen – kann ich was tun, um…?” – “Ja ist gut, dass du zuviel genommen hast- das ist ne Erfahrung. Ohne gehts nicht.” umgeht er ihre Frage. Sie reibt. Kann sich wieder nicht durchsetzen.
Der Lehrer geht durch den Raum und redet von der Wichtigkeit von Fehlern. Alle wissen, dass es um sie geht. Niemand sagt etwas. Niemand sagt ihr etwas.

Sie steht auf. Sucht den Wasserhahn. Er steht vor ihr, breitet die Arme aus, versperrt ihr den Weg. “Nee jetzt nich Hände waschen, mach doch weiter – das ist doch…”

“Ja blöd ist das. Total blöd. So blöd. Ich bin so blöd. Ja ich bin so blöd. Ich bin so blöd, dass ich dachte, du bringst mir was bei. Ich bin so blöd. Wieso bin ich immer so blöd. Wieso gehe ich auch hier hin?”. Sie sagt: “N… kann nich.”.
Im Inmitten hat es zu schreien angefangen. Ein erster Krampf in der linken Hand bahnt sich seinen Weg.

Sie zieht sich an. Zittert, haspelt, stolpert mit ihren Lauten durch den Raum. Will was sagen und kann nur wurtscheln. Ein Kumpeljunge lacht. Ein zweiter stimmt ein. Kein Beistand. Keine Beruhigung. Kein Raum. Keine Luft. “Wieso bin ich so blöd Wieso bin ich immer so blöd Wieso bin ich hier hingegangen Wieso hab ich was gesagt”

Ein Zucken, das im Krampf endet. Lichtblitze. Rauschen im Kopf.
Wieso bin ich so blöd Ich habe vergessen, nach einem ruhigen Raum zu fragen Ich habe vergessen, mir einen Notfallkontakt unter den Lehrer_Innen zu besorgen Ich habe vergessen, mir ein Netz für solche Fälle zu machen Ich habe vergessen, nicht nur okay gefunden werden zu wollen

Ich habe vergessen, jemandem von meiner Behinderung zu erzählen
Ich habe vergessen mein Lernumfeld barrierenärmer für mich zu machen
Ich wollte hier nichts von “diesem DAS DA” haben

und liege kurze Zeit später auf dem Boden eines stinkenden Schulkos.
Hoffe, dass niemand – keines der gefühlten tausend Kinder und Jugendlichen, die im Schulgebäude herumlaufen – reinkommt und mich so sieht.

Ich weine ein bisschen, schaue der anderen beim Erdungstwittern zu, bemerke, wie andere überlegen, ob sie einfach in einen anderen Kurs gehen. Höre Gedanken zu einem Projekt, zu einer Gemochten, die wie ein weißes Rauschen schon den ganzen Tag begleiten. Das Inmitten ist still. Weint statt mir weiter. In meinem Innen herrscht Ebbe mit Springsinflut.
Die Erde dreht sich weiter.
Das unwillkürliche Zucken bleibt.
“Ich muss endlich einen Termin bei diesem special Neurologen machen”, raunzt es neben mir. Jemand wechselt Strumpfhose und Unterwäsche. Tastet den Kopf ab. Es ist so eine erbärmliche Krisenroutine. Oder erbarmungswürdig. So richtig weiß ich nicht, was ich dazu fühle.

Der Lehrer ist so einer, der sich vielleicht entschuldigt, aber nicht nachfragt, was schwierig ist. Er ist einer, der gesagt bekommen will und nicht begreift, was für ein Umfeld manches zu Sagendes braucht. Vielleicht lieber von Empfindlich- und Befindlichkeiten ausgeht, als von echten, komplexen Problemen, die auch irgendwie mit ihm, seiner sozialen Rolle, seinem Status zu tun haben, obwohl es mein Körper, mein Gehirn, mein einfach von Traumata schief und krumm verwurschteltes Ich ist, das quer schießt.

Als ich nach Hause gehe, höre ich Jugendliche einander “voll behindert” an den Kopf werfen.

Die Welt guckt komisch und die Erde dreht sich weiter.
Und heute nachittag werde ich ein Gespräch einleiten mit “Es tut mir leid, dass ich gestern aus dem Kontakt gegangen bin. Ich hätte dir sagen müssen, dass …”

Nichtbehinderte Menschen finden es meistens geil, wenn die Menschen, die Rücksicht auf ihre Behinderungen einfordern, so reden, als hätten sie eigentlich überhaupt nichts damit zu tun.
Als wären sie kein Teil der Barrieren.
Kein Teil des Lebens mit Behinderung eines anderen Menschen.

Sie finden es geil, wenn die Leute, die ein Problem haben, sich alleine drum kümmern. Sie finden es geil, weil sie dann denken können “Ach, dieses Inklusionsding ist ja total einfach.”. Sie findens geil, wenn sie nichts weiter wissen müssen. Sie findens geil, wenn die Behinderung etwas ist, was sie nicht stört.
Eigentlich wollen die meisten nur wissen, was sie potenziell stören könnte an meiner Behinderung.
Sie wissen ja nicht, dass ich weiß, dass ihnen das Herz einmal durchs Hosenbein rutscht, wenn ich irgendwo nahe einer der Altbautreppen hinfalle und einen Krampfanfall habe. Sie wissen ja nicht, wie das ist, kleinen Kindern zu erklären, “was die Frau da hatte”. Sie wissen ja nicht, wie mich Sanitäter_Innen und so ein Massenauflauf nach einem Anfall nur noch mehr stresst und meine Sprache ganz weg geht. Sie haben ja keine Vorstellung davon, was für eine innere Hölle Krankenhäuser in mir aufmachen. Sie wissen ja nicht, dass ich kein flexibles Notfallnetz mehr habe.

Beziehungsweise: Ich weiß, dass ich nicht davon ausgehen kann, dass sie es wissen.
Die Mehrheit der Menschen lebt eben nicht mit dissoziativen Krampfanfällen nach komplexer Traumatisierung.

Die Mehrheit kann einfach mal losziehen und ihre Erfahrungen machen.

über die Schwere, die dazu kommt

Ich hatte beim Lesen unserer Einträge gestern einen „glory Moment“- ein kleines „Pling“ sozusagen, dass mit meiner Giftsuppe zu tun hat.

Ich habe schon immer ein BÄÄÄM neben mir stehen, das mir zu jeder Gelegenheit sagt: „Du bist dumm, wie Bohnenstroh“, und ein Unverständnis meiner Umgebung als Beweis dafür nimmt, genau auch wie die Tatsache weder Abitur, noch Studium oder Arbeit vorweisen zu können. Laut dem BÄÄÄM alles Dinge die nicht so wären, wäre ich nicht dumm.

Es hat mir geholfen meinen Intelligenzquotienten zu wissen, denn so konnte ich die Differenzierung zwischen „Dummheit“ und „Unbildung“ vornehmen. Das Testergebnis sagte mir, dass ich hochbegabt bin- ergo nicht unfähig Bildung zu erfahren.
Es sagte mir aber auch, dass ich zu den 2% der Menschen gehöre, die so ein breites Spektrum zur Aufnahme und Verknüpfung von Informationen verwenden, dass es für andere Menschen zu viel sein kann, um mir zu folgen, wenn sie ein etwas schmaleres Spektrum nutzen.

Damals hat es mich ein wenig erleichtert und mir geholfen, weniger ungeduldig und auch dominant gegenüber meinen Mitmenschen zu agieren. Meine Bereitschaft meine Gedanken zu erklären und nachvollziehbarer zu machen, wuchs proportional zum Sinken meiner Bereitschaft Kontakte zu pflegen, bei denen ich dies tatsächlich auch tun muss.

Menschen, die selbst ungeduldig sind, nehmen sich nicht die Zeit mir zuzuhören. Menschen, die von ihrem Denken hochgradig überzeugt sind und sich darin stabil fühlen, stellen weniger gern andere Aspekte daneben oder integrieren sie. Und dann gibt es natürlich auch die Menschen, die meine Massen, so wie ich sie transportiere, auch wirklich einfach nicht aufnehmen können, egal wie gut oder schlecht sie erkläre.

Es kostet uns Kraft mit Menschen zu interagieren. Da spielen die Folgen der Gewalt hinein und wirken noch zusätzlich als Klotz am Bein. So ist bei uns eine Dynamik entstanden, in der es viel ums „schwer sein“, „zu viel sein“, „zu anstrengend sein“, „eine Belastung darstellen“ geht.
Manche Innens erleben es so, wie es das Eine in „die Einladung zur Klassenfahrt Teil 2“ beschrieb und manche so, wie ich es jetzt versuche zu erklären.

Ich habe nicht viel von der Schulzeit erlebt, aber das was ich erlebte, passt ganz genau in die typischen Problembereiche für Menschen mit Hochbegabung.
Einmal hielt ich ein Referat im Geschichtsunterricht und die Lehrerin kommentierte ihn mit: „Zu lang, am Thema vorbei, Note 3.“. Es ging um die Ständegesellschaft um die Jahrhundertwende.
Sie wollte eine platte Darstellung der Stände, mit ein paar Fotos aus dem Internet und dem Fazit: „Jo, war ne schlimme Zeit- ist ja aber zum Glück vorbei.“.
Ich lieferte eine Entwicklungsgeschichte der Stände, die Faktoren die zum langen Überleben dieser Gesellschaft führten, die Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft, sowie einen Vergleich zur heutigen Klassengesellschaft und dessen Auswirkungen auf unser Leben.

Als ich für das Referat recherchierte, drängten sich mir diese Dinge auf und ich fand sie alle wichtig. Ich dachte, mein Schlussplädoyer („Hallo- es hat sich nichts verändert- wir nennen es nur anders“) sei nachvollziehbarer, wenn ich das auch alles gleich mit reinnehme.
Ich denke bis heute, dass das so war- es war ein gutes Referat. Nicht nur, weil ich so viel mehr Zeit dafür aufgebracht hatte, sondern weil es umfassender war, als die tabellarische Darstellung die meine Mitschüler vorzeigten.

Der Auftrag war klar formuliert: „Informiere dich über die Ständegesellschaft um 1900 und vergleiche sie mit der Gesellschaft von heute.“.
Der implizierte Auftrag war aber: „Gib wieder, was ich dir schon mal gesagt habe- nicht, was du selbst denkst und herausfindest.“.

Sag mir was ich dir zeige- nicht das, was du siehst.
Damit kann ich das Problem gut beschreiben. Das ist es was mir so oft begegnet und mich scheitern lässt. Ich kann nur wiedergeben, was ich sehe und das ist viel. Das ist mehr, als das, was viele andere Menschen sehen und mir zeigen.

In der Wissenschaft ist es leicht kompensierbar, denn die Wissenschaft ist suchend. Sie will ein breites Spektrum um die Wahrheit zu finden; um breit anwendbare Gesetze und Funktionen zu erstellen.
Die soziale Interaktion hingegen ist meistens gewillt Bestätigung zu finden. Sie ist darauf angewiesen Muster zu haben und diese zu wiederholen. Man sucht die Gleichheit und kreist in ihr. Muster mit anderem Etikett, lassen sich manchmal mit einbringen, doch je mehr Muster hinzukommen, desto schwerer erscheinen sie vereinbar. 351578_web_R_B_by_Oliver Haja_pixelio.de

Ich habe das mal mit einem Mandalastapel verglichen. In der Wissenschaft sagt man: „Wooohoo geil- so viele Schnittpunkte passen übereinander- lasst uns das „Intersektionalität“ nennen und damit arbeiten.“. Im Miteinander sagt man mir: „Das ist mir zu hoch- das Reden mit dir, ist mir zu anstrengend- geh weg oder machs anders.“.

Wir haben heute ein Kontaktnetz, dass wir relativ flexibel dosieren können.
Da gibt es hochgebildete Menschen, die uns am Privileg „Bildung“ teilhaben lassen, unsere Vielheit aushalten und sich den Punkten widmen, die sie erfassen können. Alle zusammen in einer Person zu haben wäre ein Nirwana für uns. Aus kleinen Spezialbuden würde ein Laden werden, der alles hat.

Doch natürlich gibt es das nicht und inzwischen haben wir auch aufgehört so jemanden zu suchen. Wir sind froh und dankbar um jeden der uns als ein Mensch der Viele ist und viel sieht, nimmt, wie wir sind und wertvoll findet, was wir zeigen- egal, ob es ganz erfassbar ist oder nicht.
Wir haben Menschen gefunden, die suchend oder mindestens motiviert zur Suche sind. Sie sind offen und erkennen auch soziale Intersektionalität als etwas Bereicherndes an- nicht als etwas Schweres, dass man vermeiden muss, um sein Gefühl von Stabilität zu erhalten.

Sie sind so ein wertvolles Gegengewicht zu dem sozialen Gift aus Ablehnung und Ignoranz, die allein unser Sein, als Ursache einer Belastung an sich betrachtete und uns damit immer wieder vermittelte falsch zu sein. So falsch eben wie Bohnenstroh, statt Bohnenfrucht in einer Mahlzeit.

Es ist ein Topf mit Düngersuppe und immer wenn wir sie treffen gelangt ein Tropfen davon zu uns.
Wir werden nicht leichter zu tragen und der Wunsch nach Vereinfachung von allem geht deshalb nicht weg. Aber sie machen es uns leichter schwer zu sein.

Und es vielleicht irgendwann auch mal selbst richtig und gut zu finden.