das gefräßige Monstrum

P1010238Paula Puzzlestücke und Riotmango haben zu Pseudo- Konsumkritik gerantschrieben und ich dachte einmal mehr darüber nach, was das Problem an Konsumkritik ist.

Selbst kritisiere ich weniger Konsum, als die Notwendigkeit bzw. die Unmöglichkeit von Nichtkonsum. Und vor allem- hey warum wird der Konsum kritisiert und nicht, was Konsum mit sich bringt und What about the capitalism?!
Für mich besteht das Problem „Konsum“ weniger in den Produkten, als in dem Kapital, das damit bewegt wird.
Natürlich bedeutet “mehr” von etwas immer “mehr”: Mehr Auswahl, mehr Müll, mehr Umweltbelastung, mehr Vielfalt, mehr Freude, mehr Möglichkeit, mehr Erbe an die nächste Generation – aber eben auch mehr Druck, diesen Status zu halten und auszubauen. Wo immer mehr ist, da wird auch immer mehr erwartet und je mehr Erwartung herrscht, desto größter ist die “Gefahr” der Enttäuschung.

Das Problem: das kapitalistische “Mehr” interessiert nur deshalb, was “weniger” ist, damit es sich anpassen und dann weiter ver-mehren kann.
Auch deshalb ist Verzicht in Gesellschaften, die auf Kapital beruhen, dieses sowohl in ihren Gütern als auch in sich selbst und ihren Fertig- und Fähigkeiten sehen und einzig damit wirtschaften, keine “gelebte Konsumkritik” sondern einzig eine Herausforderung, die sich maximal zu einer Stasis entwickeln kann- nicht aber zu einer Veränderung führen.

Ich bin nicht böse, wenn ich schreibe: Einzig, weil mehr gehen soll, wird sich aktuell auch auf Menschen die behindert werden und/oder chronisch krank sind und auch auf Menschen, die mit 67 Jahren noch kräftig und motiviert genug sind, konzentriert. Einzig das kapitalistische Interesse steht hinter Inklusionsdebatten und scheitert immer wieder grandios an genau der Stelle, an der klar wird: “Oh, wären da nicht diese und jene kapitalistisch begründeten Barrieren allein, dann lebten wir schon längst (wieder) inklusiv(er)”.

Kapitalismus ist nicht reflektiv- er ist einzig aussendend und sich seine Bahnen suchend (und Dank kapitalistisch sozialisierter Gesellschaften: auch immer wieder findend).

Ich habe einmal darüber nachgedacht, ob ich in der Schule jemals überhaupt andere Wirtschaftssysteme als die des Kapitalismus gelernt habe. Natürlich habe ich etwas über Tauschkultur und Selbstversorgung gelernt, habe aber auch schnell die Grenzen dieser Systeme begriffen. Sie funktionieren nur in kleinem Kreis, weil sie Entwicklungen entschleunigen und sehr viel mehr äußeren (unkontrollierbaren) Bedingungen unterworfen sind.

Einmal wollte ich gerne in die Gemeinschaft der Selbstversorgenden hineingehen und merkte aber schnell: Meine Krankheit* würde mich in Gemeinschaften zu einem Mitglied werden lassen, das öfter mitgetragen werden muss. Ein Umstand, der für mich mit Abhängigkeiten und damit Unfreiheit, gleich der, die ich in kapitalistischen Systemen lebe, einhergeht.
Allein mich selbst versorgend, würde ich spätestens im Winter oder Frühling abkacken und in der Folge nicht einmal mehr die Aussaat für die Sommerernten schaffen.
Das sagt mir: Menschen brauchen Solidargemeinschaften (was für mich persönlich den Begriff von „Familie“ übrigens auch noch einmal umgemodelt hat).

Solidarität ist allerdings ein Privileg, das nicht auf Zwang oder Notwendigkeit hin entsteht, sondern, weil man es sich leisten kann.
Leisten kann man sich in unseren bestehenden Gesellschaftssystemen immer erst dann etwas, wenn man ein Etwas oder ein Jemand ist (bzw. verkaufen kann oder könnte). Ergo inkludiert, in Lohnarbeit oder wirtschaftlicher Selbstständigkeit oder mindestens in Besitz von Fähig- und Fertigkeiten, die für egal welches System von Nutzen ist.
Das heißt, dass auch Solidargemeinschaften, die sich weit weit weit am Rand der Gesellschaft bewegen, immer doch an irgendeiner Stelle auf diesem Privileg basieren, dass sich mindestens eine Person in ihr immer noch anders entscheiden kann.

Es ist ein dem Kapitalismus verschuldetes Privileg auch auf den Kapitalismus verzichten zu können.
Die VerliererInnen* im Kapitalismus sind in aller Regel die GewinnerInnen* der Solidargemeinschaften, weil sie dort nur gewinnen können. Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Und wo alles etwas ist, da gelten andere Maßstäbe für die Begriffe “viel” oder “wenig”. Da ist das eigene Dasein, die eigene Präsenz etwas, das irrelevant für den Rest der Welt sein mag, doch gut, nahrhaft, wertig für die Gruppe, ihre Normen, Werte, ihre Kultur und damit ein Grundstoff, für den der Kapitalismus bis heute kein Substitut hat erfinden können.

Ich denke, dass es sich noch immer zu leicht gemacht wird und nur allzu gern letztlich doch der Kapitalismus das genutzte System ist, wenn es darum geht Dinge zu verändern, oder “kritisch” zu konsumieren.
Der Vegan- Bio- Ökoboom im Supermarkt ist ein Paradebeispiel. Dem folgen Fair Trade Kaffee und Schokolade und Biobaumwollshirts im Discounter, sowie Ökotrockenfutter für Heimtiere.
Man will weder giftverseuchte Kleidung, noch Hungerlöhne für die ProduzentInnen* bzw. LieferantInnen*, also kauft man etwas anderes oder verzichtet auf das Eine, um dann zum Anderen zu greifen. Die Frage, ob man als KonsumentIn*, der/die/* man nun einmal ist, weil man nun mal nicht mehr so lebt, als das man sich alles selbst machen und in Stand halten kann, überhaupt in der Position ist, die Dinge durch sein (Kauf)Verhalten zu verändern, kommt noch immer viel zu selten auf.

Wir leben derzeit in einem so ekelhaften Tauschsystem, das vielleicht auch gar nicht bewusst sein darf.
Jede/r* von uns ist KonsumentIn* und ProduzentIn* in einem und so bald die Fähigkeiten zur Produktion wegfallen, wird man selbst zum Werkstück, das verbessert und/ oder moduliert werden muss. “Lohnt” alles das nicht mehr, wird man zum Objekt der Pflegearbeit. Konsumieren tun wir aber alle und zwar die ganze Zeit und inzwischen über den ganzen Planeten verteilt. Wir tauschen permanent Fähigkeit und Existenz gegen Produkt und Status.
Moral und menschlicher Wert wird synonym mit Prüderie (Abwesenheit von Lust und Freude) und Zwang gedacht, was als verpönt gilt, obwohl auch das Leben ohne lebensbestimmende Moral seine gesellschaftlichen Zwänge produziert, die einzig über Konsum lösbar sind.

Die Lust unserer Kultur liegt im Wissen um Sicherheiten und direkt hinterdrein das allgemeine Wohlgefühl, das “satt”, “warm”, “allgemein angenehm” eben mit sich bringt.
Konsumkritik allein ist dumm und wie Paula schon schrieb: verkürzt.
Meiner Meinung nach, befindet sich der weiße Konsum an einem Punkt, an dem er sich alle, die er zuvor noch nicht vereinnahmt hat, jetzt fressen will, weil er denkt, er müsse dies tun.
Das beginnt bei dieser durchsichtigen Verwertungsinklusion und endet vermutlich noch lange nicht bei dem Unterricht in Kapitalismus für Menschen in so genannten “armen Ländern” in “unteren Schichten”, denn nichts anderes tut die sogenannte “wirtschaftliche Entwicklungshilfe” verschiedener weißer Hilfsorganisationen in Ländern wie zum Beispiel Indien, Indonesien, verschiedenen afrikanischen Staaten.

Kapitalismus kann und darf nicht denken: “So, jetzt haben wir genug.” Kapitalismus bedeutet “Hunger” und hat er früher einmal vielleicht tatsächlich Bäuche mit Nahrung gefüllt und füllt er heute vorrangig machtgierig aufgerissene Egos von eigentlich längst Satten.

Meiner Meinung nach, ist es wichtig sich klar zu machen, dass dieses gefräßige Monstrum genug gefressen hat und jemanden wie mich nicht haben muss, nur weil es jemanden, wie mich will.
Ich bin mit meinen Unfähigkeiten jetzt schon so lange so wertlos, so unverwertbar und einzig als Objekt nutzbar gewesen – es wird sich nichts verändern, wenn ich mich hergebe für etwas, von dem ich doch nichts habe. Und während ich das weiß und mich hoffentlich noch lange in klitzekleinen Solidargemeinschaften (und nicht zuletzt dem ,was wir hier als “sozial_staatliche Hilfe” bezeichnen) bewegen und halten kann/darf, bleibt vorerst nur zu hoffen, dass sich dieser Widerstand auch bei anderen Menschen in anderen Ländern, in anderen Kontexten, in anderen Gesellschaften regt und letztlich gewinnt.

Ich hoffe sehr, dass wir als Gesellschaft irgendwie und irgendwann an den Punkt kommen, an dem Dinge nicht erst dann wertvoll sind, wenn man sie reproduzieren und konsumieren kann, sondern, wenn sie schlicht da und nutzbar sind. An den Punkt an dem Menschenleben in ihrem Wert nicht an Status, Lebensumstand und Gestaltung gemessen werden, sondern vorrangig daran, was jeder einzelne Mensch in die Gemeinschaft einbringt, einfach weil es ihn gibt und, weil der Mensch tut, was er gut kann und auch können will.

vom Macht- “Ja” im “Nein”

aq Ich habe über Protest nachgedacht. Über Nicht- Zustimmung und seine Folgen.
Das Zusammenspiel von Ablehnung und Abgrenzung.

Ich habe dabei an die Verselbstständigungsphasen von Kindern und Jugendlichen gedacht und mir ist aufgefallen, dass es einen scheinbar stillen Satz gibt, der sagt: “Wo ein “Nein” ist muss ein “Ja” sein. (Man muss es nur finden, produzieren, erzwingen, Machtgewicht entsprechend drüber legen)”.

So werden dann Kinder die Treppen hoch getragen, weil das Hochgehen alleine zu viel Zeit in Anspruch nimmt (Macht des Erwachsenen zu definieren, was wie lange dauern kann oder soll oder darf – aus Erwachsenensicht, welche umfassender, erfahrungsreicher, in anderen Sicherungsdynamiken als die des Kindes entsteht vs. Wunsch des Kindes alleine (abgegrenzt vom Erwachsenen) die Treppe hochzugehen, Selbstbestimmung aus einer Sicht heraus, die sich auf Abgrenzungsprozesse und Selbstwahrnehmung bezieht)
und obendrauf kommt die Haltung, die mehr Bestätigung durch Machtposition erfährt: “Du sagst Nein zum Getragen werden – ich sage Ja zum endlich mal nach Hause kommen- das ist ja auch für dich besser/du willst es doch auch/ es ist wichtig/ nötig etc.”

Ich glaube, dass wir als Kinder viele dieser Dynamiken aufnehmen, unhinterfragt (lassen müssen) weitertragen und als Erwachsene in unsere Gesellschaft hinein installieren. Wir werden als Kinder (gerade auch als Kinder in einer Gesellschaft, die aus überwiegend Nichtkindern besteht) immer wieder damit konfrontiert, dass in jedem unserer “Neins”, immer mindestens im Außen ein “Ja” steckt. Und weil wir Menschen eigentlich alles per Gegenstück definieren, beziehen wir die Abwesenheit der Option eines Gegenstücks (bzw. die Anwesenheit beider Stücke nebeneinander) nicht ebenso ein.

Ich sehe darin viele Mitfaktoren für die Begünstigung zur Leugnung von Vergewaltigungskultur ja, irgendwie auch einer allgemeinen Gewaltkultur.
So werde ich als Eine, die radikal alle Dualismen als Gewalt(form) markiert, zur durchgeknallten Spinnerin, die ihre Erfahrungen nicht von der Realität abtrennt/ übertreibt/ Schwachsinn redet- nicht nur, weil ich als titelloses Gewaltopfer auf Hartz 4 und obendrein noch nicht cisgender, nicht heterosexuell und jüdisch; in meinen Neins, aufgrund meiner äußerlich weniger gestärkten Ansichten/Wahrnehmungen/ Überzeugungen, zu einem “Ja mit Sonderzeichen”.
Heißt: Mein “Nein” zu Gewalten wird gehört, aber zu einem “Ja, aber wenn…” verdreht.
So wird mir unterstellt, ich würde dieses oder jenes nicht mehr als Gewalt bezeichnen, wenn ich sie selbst ausüben könnte bzw. würde. Und auch mit diesem “Ja” in meinem “Nein” habe ich dann zu leben, weil es sich zwar um eine Hypothese handelt, durch die Markierung des mächtigeren (da gesicherteren) Menschen zu einem Fakt, der meine gesellschaftliche Position noch wieder eine Stufe weiter runterdrückt.
Dieser Mensch reagiert damit auf etwas, das er als Bedrohung vielleicht sogar Gewalt wahrnahm, weil die Option, dass ich diese Dinge nur so benenne- aber sie als Fakt allein nicht bewerte (also in einen weiteren Dualismus bringe), nicht gleichsam wie die Wahrscheinlichkeit einer Kritik (Nein mit Imperativkonnotation) in ihm war.

Ich habe darüber nachgedacht, dass ich mit meinem Artikel zu meiner Haltung zu Veganismus vor allem eines wollte: Nein sagen, um mich abzugrenzen.
Nicht nur von der Art des Protestes in Form von “etwas lassen”, sondern auch von der Schuld-Ekel-Moraldynamik, die manche VeganerInnen an mich herangetragen haben (bzw. wie ich sie bei PETA und anderen Organisation (nicht nur Tierschützer/retter/rechtlerInnenorganisationen) wahrnehme).
Ich erlebe Veganismus in meinem Umfeld allgemein als “nicht jüdisch”, “weiß”, “privilegiert” (nicht (nur) ökonomisch, sondern auch gesellschaftlich gesichert zu sein in seiner (christlichen) Moral von Leid und Erbarmen, so wie der Vorstellung des Menschen als Zentrum einer Präsens und Fähigkeit), “passiv aggressiv” und vor allem frei-willig.
Ich feiere alle VeganerInnen, VegetarierInnen und was es sonst noch alles gibt, die von sich sagen: “Ich mach das, weil ich das kann- obwohl (und/ oder, weil) ich auch anders könnte.”.

Es gibt also Aspekte, von denen ich mich abgrenze, weil ich die Übereinstimmungen, die da sind (mein Weiße sein, meine Haltung zu Leid und meine Vorstellung vom nichtohnmächtigen Menschen) nicht kritisch genug betrachtet sehe bzw. nicht ausreichend auf mich übertragen kann.
Ich fühle mich nun einmal nicht freiwillig vegan lebend geworden, wenn mir durch Schockfotos, Menschtiergleichmachung, moralischen Druck, Verbotedruck, Schuld- und Ekelgefühle eine Entscheidung gemacht wird.

Das heißt nicht, dass ich in diesen VeganerInnen schlechte Menschen sehe, ihren Lebensstil ablehne, ihr “Ja” zum Veganismus mit meinem “Nein” füllen und ersetzen will.
Ich gehe aus dem Dualismus raus und sage: Ihr ja – ich nein = wir sind existent

Mir ist in meinen Überlegungen die Parallele zu dem großartig prägnanten Satz von Oprah Winfrey aufgefallen:
“No” is a complete sentence

Unsere Gesellschaft ™ fußt darauf, alles erklären zu müssen und nur mittels Erklärtsein zu gemeinschaftlichem Konsens und darüber wiederum zu Gütern, wie (sozialen) Privilegien durch Sichtbarkeit und damit Gewichtung zu kommen.

Damit wäre dann auch der Trugschluss des “Opferprivilegs” [Hashtag: #survivorprivilege] geklärt- hier geht man(n) davon aus, dass es etwas bringen müsste, ein Opfer zu sein, weil Opfersein erklärt werden kann durch die (im Vergleich so erscheinende) Abwesenheit von Aktivität – ist es nicht erklärbar (beweisbar durch das Gegenstück bzw. Zeugen/Beweise dafür) ist es Erschleichung von Anerkennung durch Erklärung. Ergo das Privileg als Opfer (Unschuldige) anerkannt zu sein. Nicht gesehen wird, dass das “Opferprivileg” allein in der gesellschaftlich notwendigen Anerkennung/Sichtbarkeit/das als (zum) Opfer erklärt sein ist, das anderen nicht gleichsam markierten Opfern nicht vergönnt ist, begründet liegt. Ohne Gesellschaft, die Opferschaft erklärt/begründet/bewiesen haben will, gibt es kein “Opferprivileg”.
Es gilt der gleiche Leitsatz, wie in allen Diskriminierungsdebatten: „Wer diskriminiert ist, hat keine Privilegien.“

Ohne Dynamik von “erklären” und “auf Erklärung reagieren” gibt es keinen (bzw. weniger häufigen) Konsens.
Insofern war mein Artikel zu dem Thema eigentlich dumm in dem Sinne, dass ich mein eigenes Nein, vom Satz zur Erklärung habe werden lassen. Er war aber konform im Sinne dessen, was von der Gesellschaft ™ anerkannt wird, als Mittel, das zu Konsens führt.
Mir erschien es als aktiveres, massiveres Nein, als der Satz, weil dieser nicht zur gleichen Abgrenzung führte.

Ich wollte mich selbst als abgegrenzt von Veganismus erklären, indem ich meine Ablehnung begründete, statt wie sonst im Alltag, mein scheinbar nicht gleichsam gewichtiges “Nein” ohne “Ja” anzubringen.

Am Ende stellt sich heraus, dass eine Gesellschaft ™ bzw. Individuen, die ihr “Nein” ausschließlich bzw. überwiegend im Dualismus erleben (müssen), diesen Dualismus sowohl internalisieren (und in sich selbst ausschließlich Dualismen arbeiten, bzw. die Fähigkeit diese zu suchen, zu finden, zu produzieren… ) als auch nach außen übertragen. Letztlich um sich in der eigenen Wahrnehmung/Sicht/Überzeugung zu bestätigen und darin zu manövrieren.
Was que(e)rschießt, fliegt raus und wird auf dem äußeren Rand gehalten bzw. exkludiert.

So wird meiner Ansicht nach sowohl Vielfältigkeit in sich selbst, als auch außen um sich herum, nicht nur aktiv unterdrückt, sondern auch die Fähigkeit dazu Vielfältigkeit wahrzunehmen und anzuerkennen, ohne sofort in Handlungs/Bewertungs/Gewaltdynamiken zu geraten.

In diesen Kontext kann das “Nicht alle [… beliebige Gruppe einfügen…] Syndrom” in Diskriminierungsdebatten ebenfalls als ein Versuch zu mehr Vielfalt im Diskurs betrachtet werden, würde es nicht immer wieder zu Zwecken der Gewaltausübung im Sinne einer Unterdrückungsgeste aus Dualismen heraus auftreten.

So ist als vorläufiger Schluss in Bezug auf Abgrenzungsbemühungen und Protestgesten, wiederholt klar geworden, dass unsere Gesellschaft ™ nicht nur auf Dualismen basiert, sondern auch auf ihrer Sicherung durch Unterdrückung von Vielfalt und Neutralität.

Mir ist klar geworden, dass Oprahs Satz erst gelten kann, wenn “Nein” immer und überall, in Bezug auf alles und jeden auch komplett frei von “Ja” sein kann und darf.
Was das für mich selbst bedeutet, weiß ich noch nicht.
Doch ganz sicher erscheint mir meine innere mal mehr und mal weniger diffuse Viel_heit, als ein Weg heraus aus genau den Dualismen, die sie mir produziert haben.
Auch wenn das bedeutet, diesen allein gehen zu müssen.

viel Einfalt bei Maischberger

Gänseblümchen2 Gibt es eine Möglichkeit die 60er Jahre nachzuempfinden? Oh ja- einfach mal dem Ersten dabei zusehen, wie er versucht sich dem Thema sexueller Vielfalt anzunehmen.
Gestern Abend bei “Menschen bei Maischberger”, gab es wieder eine Gelegenheit dazu. Unter dem, zumindest übers Internet, heiß diskutierten Titel “Homosexualität auf dem Lehrplan- droht die “moralische Umerziehung”?” sprachen der offen schwule gesundheitspolitische Sprecher der CDU Jens Spahn, die Travestiekunstfigur “Olivia Jones”, die Autorin Hera Lind, die Journalistin Birgit Kelle und Hartmut Steeb, der Generalsekretär der “evangelische Allianz” miteinander.

Ich hab mir die Sendung angesehen und zwischen “arrgh” und “äääächtz” und “noooiiiin” und “Boa geh weg du…” einen schweren Seegang empfunden.

Klar, sind solche Sendungen nicht der Hebel, der die Welt aus den Angeln hebt und natürlich war es wieder so klar, dass der Altersdurchschnitt (immerhin sind wir im Ersten) irgendwo in der Mitte des Durchschnittsalters von Deutschland liegt und jaaaa, es war auch sehr klar, dass es wieder keine offen lebende Lesbe, kein Mensch mit Transidentität, kein offen A- oder Pansexuell positionierter Mensch dort aufs Sofa schafft; dass das Konzept der Queerness nicht genannt wird und ach… das strahlend reine weiß aller Gäste- ph selbstverständlich.
Es geht darum, ob sexuelle Vielfalt in der Schule als Teil der Norm vermittelt wird und das Fernsehen pickt sich das Stück Norm raus, was am Genehmsten ist.

Ich hab keine Lust diesen ganzen Dreck nochmal wiederzugeben- und ja- es ist Dreck. Auf vielen Ebenen und mit viel zu wenigen Stellen an denen ich zustimmend nicken konnte.
Travestie ist nicht Transidentität/ Transsexualität, sondern Kunst. Die freie Entscheidung eines Menschen ein anderes Geschlecht dramaturgisch aufzugreifen und umzusetzen. Der Auftritt von Olivia Jones, hat Menschen mit Transidentität eher geschadet als geholfen- so sinnig ihre Beiträge zur Diskussion auch waren.

Jens Spahn ist ein offen lebender Schwuler, der es sich leisten kann, offen schwul zu sein. Viele tausend andere können das nicht- er wird nie derjenige sein, der das nach außen vertritt.
Mal abgesehen davon ist lesbisches Leben noch einmal ein ganz anderes, als schwules.

Birgit Kelle rechtfertigt ihre verachtenswerte Ignoranz mit einer Wortklauberei um die Begriffe “Akzeptanz” und “Toleranz” und argumentiert nicht sauber recherchiert. Peinlich.

Hera Lind fragt sich, wieso sich alle so aufregen (und haut damit ebenfalls in die Schneise der gesellschaftlichen Ignoranz für all jene Menschen, deren Verbindung zu Menschen, die nicht heteronormativ leben/wahrnehmen, nicht die ihre ist). Unangebracht auf vielen Ebenen.

Hartmut Steeb schießt den Vogel ab und kräht nach dem Kindeswohl, kurz bevor er Homosexualität als unnatürlich degradiert.
Homophob.
Irgendwann wird die gesamte Debatte von ihm als “überdreht” bezeichnet und die Ehe zwischen Mann und Frau- ja sogar der Fortbestand der Menschheit als bedroht eingestuft, nachdem der Schluss gezogen wird, dass Identität nicht anerziehbar sei. (Das war dann der Punkt an dem ich als Zuschauerin die Absurdität der Argumentation als überdreht empfand).

Bei mir blieb so ein Ding hängen, das Frau Kelle gerissen hat- ich mein- sie hat eine Menge gesagt, an das güldene Facepalmen zu tackern sind, aber da war der Nebensatz: “Es ist mir doch egal (was für eine Sexualität jemand hat)”, den ich wirklich gerne fett markiert aufgegriffen gehabt hätte.

Denn nein- es ist eben nicht egal. Das ist ein verlogener Satz- denn wenn es ihr egal wäre, dann hätte sie nicht da gesessen.
Wenn es wirklich egal wäre, dann würde “Elternrecht” nicht bedroht gesehen werden, weil in der Schule dann nichts einschneidend Wichtiges vermittelt wird.
Wenn es wirklich allen (cis- sexuellen) Menschen da draußen egal wäre, wie sich andere Menschen wahrnehmen und ihr Leben gestalten, dann würden wir ganz anders miteinander leben.

Am Ende blieb der Konsens, dass die Debatte noch nicht zu Ende sei, worin ich zustimme.
Ich aber wünsche mir eine andere Art Debatte. Es geht um Identität- nicht darum, wie wer mit wem wo und wann Sex hat.
Es geht darum einander frei und wertschätzend zu begegnen. Das fehlt der Debatte meiner Meinung nach als gemeinsame Grundlage bzw. gemeinsames Anliegen. Mit dieser Maischbergersendung wurde vorallem transportiert, dass es okay ist, wenn Hass im Fernsehen verbreitet wird und sich Minderheiten gefälligst selbst zu schützen haben. Ein Fail deluxe.

Ich denke: So lange es Eltern gibt, die ihren Kindern nur eine ausgesuchte Norm präsentieren, die es verdient hat, frei und wertschätzend wahrgenommen zu werden, so lange besteht der Bedarf, dass Bildungseinrichtungen die Vermittlung des gesamten Normspektrums übernehmen. Genauso wie es wichtig ist, als BloggerIn, als JournalistIn, als AutorIn, als KünstlerIn… als Mensch von nebenan, das Spektrum der Norm aufzuzeigen, zu kultivieren und nicht zuletzt offen und frei zu leben, welche das Fernsehen mit solchen Sendungen ausgrenzt.

Solange “Vielfalt” kein Synonym für “Norm” ist, ist es eben nicht egal!

Ein guter Artikel zur Sendung erschien auch auf queer.de. Leseempfehlung!

von Schleim, Blut, Sex und lila Schmetterlingsplastikbindenverpackungen mit Freshnessgestank

MenskunstWir sind im Sommer weggefahren und waren erstmals seit einigen Jahren wieder auf Wegwerfmonatsbinden angewiesen und das Thema Menstruation(sartikel) kam auf.

Dann dachte ich, dass ich das Thema in meinem Blog nicht so wirklich aufgreifen kann- aber eigentlich sollte und ja auch wollte und ach… eigentlich geht es ja eh nur darum zu bluten und dafür blöde Produkte zu verwenden… alles drum rum ist ja nichts, was ich einfach mal so schreiben könnte… man weiß ja nie… Wenn das jemand liest!

Dann fiel mir, dass ich bereits einen Artikel darüber geschrieben habe, welche Machtgefühle ich in Bezug auf Aspekte meiner Sexualität erlebe und dachte, dass es eben doch mein Blog ist und Eigenmacht eben auch so aussehen kann, dass ich über die Renovierungszeit meines Uterus schreibe und alles was mir so drum rum auffällt.

Also. Ich schreibe jetzt was über Menstruationsartikel, das Bluten und was, für mich, sonst noch so dazu kommt.

Ich verwende Stoffbinden und versuche mich immer wieder im „freien Menstruieren„.
Ersteres ist nett zur Umwelt und meiner Scheidenflora und Letzteres bedient mein Kontrollbedürfnis, während es mich dazu bringt, mich bewusst mit meinem Körper auseinanderzusetzen und nicht die ganze Zeit des Blutens zu verdissen (meint: zu dissoziieren-
FAQ’s helfen).

Ich stand also im Sommer in der Drogerie und … naja… dachte ernsthaft darüber nach, die Reise abzusagen oder alternativ zu überlegen, wie viele Tage am Stück meine gebrauchten Stoffeinlagen in wie vielen Plastiktüten bleiben könnten, ohne, dass ich mich doch wieder vor meinem eigenen Blut ekelte, wenn ich wieder zu Hause und in Waschmaschinennähe wäre.

Es gibt inzwischen so absurd vermarktete Produkte, um das Menstruationsblut und ominöse andere Schleimig- und Flüssigkeiten aufzufangen, dass ich darüber nachdachte, darüber zu bloggen.
Ich kaufte ein lila Päckchen mit Schmetterlingen drauf.
Mein erstes selbst gekauftes Bindenpäckchen Mitte der 90 Jahre, war eins mit einer Ballerina drauf. Ich fand die Ballerina schön- die Binden da drin scheiße. Das waren welche, die sowohl am Slip als auch den Oberschenkeln klebten. Das fiel mir in dem Moment ein und ich musste gleich mal überprüfen, ob ich wieder so ein Modell erwischt hatte.

Sitzt ne Frau in der Bahnhaltestelle und macht ein Päckchen Binden auf…
Ups Stilbruch- verpackt wie die Kinderüberraschung für Mädchen, aber angucken ist erst allein aufm Klo okay. Hm. Interessant…

Folgende Informationen fand ich auf der Packung:
– ohne Duft, „Ultra Binden“, 4 Tropfen, die Bezeichnung „new Generation“, die Stückzahl, eine Entsorgungsanleitung (gelber Sack..!), eine Trageanleitung (mit Lageplan an einer Abbildung einer Binde), den Hinweis auf Latexfreiheit , einen Kreis in dem „Hautverträglichkeit dermatologisch getestet“ steht und eine Beschreibung der 5 Komponenten des Schutzes (Saugkern, Geruchschutz, Oberflächen- und Tragekomfort (denn wir* wissen ja: je komfortabler desto sicherer!) und Flexibilität).

Die Sache mit der Hautverträglichkeit interessierte mich als Erstes, denn nicht ohne Grund verwende ich Stoffbinden. Ich bin so oder so eine Dauerkandidatin für Infektionen und sonstige (Schleim-) Hautproblematiken im Intimbereich und sowohl Tamponverstopfung als auch Wegwerfbinden haben diese nie positiv beeinflusst.
An dieser Stelle auch ein Danke an meine Gewalterfahrungen, ohne euch wäre dies in dem Umfang und Ausmaß vielleicht nie möglich geworden.

Ich wollte wissen, worauf genau da dermatologisch getestet wurde und unter welchen Bedingungen. Was nützt mir denn das Wissen, dass die Dinger unter Laborbedingungen, wo so eine Binde vielleicht nur eine oder zwei Stunden auf der Haut eines gesunden Menschen verweilt, als „Hautverträglich“ eingeschätzt werden?
Wir sprechen hier von Produkten, die inzwischen fast komplett aus synthetischen Stoffen bestehen. Plastik in allen Verwandtschaftsgraden, versetzt mit Vitamin E und Seidenprotein, wie ich noch auf der Rückseite zum Oberflächenkomfort lesen konnte.

Wenn ich mein Gesicht für 2-3 Minuten in Klarsichtfolie wickle, still stehenbleibe und die Luft anhalte, würde ich auch von einer gewissen „Verträglichkeit“ im Abschluss sprechen können. Nicht aber, wenn ich das Gleiche bei einem Wettrennen über 2-3 Minuten tue.
Die Homepage des Herstellers schwieg dazu, gab aber das Testurteil der Stiftung Warentest an. Also rief ich bei der Servicehotline an.
Und dann rief ich dort noch mal an.
Und noch mal.
Und noch ein Mal, weil mir die Melodie der Warteschleife, aus der ich immer wieder flog, so gut gefiel.
Erreicht habe ich nichts (außer vielleicht genervte TelefonistInnen).
Ich fand einen interessanten
Artikel bei Ökotest.de und beließ es dann dabei- obwohl ich irgendwann dann doch mal beim Verbraucherschutz fragen will, ob Hersteller von- gerade solchen- Produkten, das überhaupt dürfen (vermutlich nicht… oder?).

Als Nächstes dachte ich über die Tropfen nach.
Ich bemühe mich ja schon, mich relativ bewusst damit zu befassen, wie viel da aus meinem Körper heraus kommt, doch die Menge in Relationen zu setzen erscheint mir schwierig mit nur einem Produkt. Netter Versuch der Kundenbindung- gleich mal zig Produkte für einen Lauf oder wie?!
Und dann: BOOM! Konnte ich überhaupt nicht mehr einschätzen, wie viel da kam. Alles weg. Verschwunden in diesen 2,5mm dicken Dingern. Egal wie oft oder weniger oft ich die Einlage wechselte, sah es immer gleich viel aus. Auch die Einschätzung, ob wir uns bei letzten Überresten am Ende der Menstruation befanden oder nicht, war kaum möglich: egal ob das Blut tiefrot oder geronnen und eher braun aussieht- die Plastikbinde machte daraus ein undefinierbar blutfarbiges „Mittendrin- Rot“.

Kann sein, dass das nicht vielen Menschen wichtig ist. Mir aber schon. Ich bin keine regelmäßig und vorhersehbare Regelbluterin. Auch hier wieder ein herzliches Dankenicken in Richtung Gewalterfahrungen: „Danke- auch dies etwas, das ihr direkt mit beeinflusst.“.
Meistens sind es bei mir nur zwei Tage oder drei. Wenn ich mehr als 4 Tage auslaufe, weiß ich, dass ich direkt kurz vorher an einem Problem oder Konflikt gekaut haben und alles angehalten muss. (Wie das noch aussehen kann hab ich
hier mal beschrieben) Die langen Phasen haben bei mir immer irgendwas damit zu tun, endlich loszulassen. Laufen- und eben auch aus-laufen zu lassen.
Wenn ich Stress, Ängste, Kummer oder Ärger habe, blute ich eben auch mal Monate lang gar nicht. Doch wenn es soweit ist, will ich wenigstens sehen und abschätzen können, wo ich gerade im Verlauf stehe.
Die Anfälligkeit biologisch in einen Stressmodus zu schalten, hat sich mein Körper von früher antrainiert, um mit einem Gewaltalltag umzugehen. Ergo habe ich dann doch auch relativ selten „Erdbeerwoche“ und fühle mich schon auch ein bisschen beklaut, wenn ich dann nicht so richtig alles davon auch wahrnehmen kann.

Apropos beklaut- wieso wollen die Hersteller eigentlich neben Würde durch Schmetterlings- und Blümchenlastige Verpackung auch noch Eigengeruch klauen und durch chemischen Kackscheiß ersetzen, der dann auch noch „Freshness“ genannt wird?!
Das Nuf hat neulich schon mal was darüber gebloggt und ebenfalls zum kollektiven Kopfschütteln aufgerufen.
Ich würde gern ja gerne mal noch eine Entwicklungsschlaufe hinzufügen:
Jetzt nennt sich dieser Gestank noch „Freshness“- bald könnte dieser Geruch auch nur noch für Menstruation gelten- ja quasi eine Limitierung passieren: „Na- nee- dieses Persil kann nicht mehr nach „Freshness“ riechen- so riecht schon die „rote Tante“!“.

Außerdem: wer schnüffelt denn bitte im Alltag im Schritt anderer Menschen, wenn er Körpergerüche ekelhaft findet?!
Mal ganz davon abgesehen, dass Blut erst ab einer gewissen Menge und einem gewissen Alter nach „Blut“ riecht. Was mensch riecht, wenn er sich eine Wegwerfbinde zum Wechseln vornimmt, sind Bakterien, die sich über warm- feuchten Stau in wenig belüfteter Gegend freuen und dies gleich mal mit Wachstum feiern. Ja und vielleicht noch mit einem Hauch von Blutgeruch, wenn es eben 5 vor 12 mit dem Bindentauschen ist.

Wenn mensch gesund ist, riecht der ganze Mensch halt nach Mensch. Auch sämtliche Ausflüsse, die by the way nicht nur da sind um in Binden und Slipeinlagen zu tropfen, sondern auch um die Gesundheit zu erhalten.
Als Infektionserfahrene kann ich am Geruch und der Konsistenz immer wieder perfekt abschätzen, wie der Stand ist. Riechts da nach „Mensch“ ist alles gut.
Würde ich oder meine Geliebte da plötzlich nach „Freshness“ riechen, würd ich mir Sorgen machen (müssen).

Eigentlich ist das Bluten nichts irgendwie Großes finde ich.
Aber irgendwie dann doch.
Ich mein-hallo! mensch blutet, ohne verletzt zu sein. Manchen tuts weh und manchen nicht. Manche Menschen sehen, dass sie bluten und denken: „Hurra- nicht schwanger!“ und manche Menschen denken: „Mee das wars dann jetzt die nächsten Tage.“. Bei manchen Menschen geht alles ganz alltäglich weiter und bei manchen ist in der Zeit absolutes Berührungsverbot.
Auch an sich selbst.

Es gibt inzwischen Tampons mit Applikator zu kaufen. Was sagt mensch dazu?
Ich hab erst mal „Umweltverschmutzung“ gesagt, denn diese Applikatoren bestehen wieder aus Plastik, was um die 1000 Jahre zur Verrottung braucht und ebenfalls den Wertstoffmüllberg vergrößert. Mal abgesehen davon, dass Tampons selbst ebenfalls alles andere als umweltfreundlich sind. Wer denkt, diese Dinger bestehen nur aus Watte irrt. Inzwischen finden sich in  Tampons ebenfalls Kunststoffe, Bleichmittelrückstände und Pestizide, die sich unglaublich viele Menschen vor ihren Muttermund schieben, wenn aus diesem Menstruationsblut austritt.

Dann dachte ich, dass so ein Applikator Selbstberührung verhindert und fragte mich, ob es einen echten Vorteil geben kann daran. Einen habe ich gefunden: Warzen und Co oder vielleicht allgemein Infektionskrankheiten, bei gleichzeitiger Problematik rund um die Handhygiene aufgrund von zum Beispiel aufgeklebten Fingernägelkrallen. Es gibt ja Menschen, die sich Macheten heranzüchten oder aufkleben lassen und das Ganze dann „Nail-Art“ nennen. So einen Swarovskicrystalfingernagel mit Blut zu versauen ist vielleicht wirklich nicht so fein. Aber eine Woche BlingBling auf dem Zeigefinger für 1000 Jahre Rottungsprozess?

Überhaupt Tampons und die Geschichte mit Ursache und Wirkung.
Ich habe gesehen, dass es inzwischen Tampons „mit Probiotik“ gibt. Probiotik meint den verkaufsfördernden Ersatz des Naturjogurtklassikers als Hausmittelhelfer gegen juckende Infektionen. Dass genau dies überhaupt erst nötig wird, weil Tampons und stets und ständige Einlagentragerei diese Infektionen wenn nicht auslösen so doch aber mindestens erheblich mittragen, steht weder auf der Packung, noch wird dieser Umstand so breit kommuniziert, wie es eigentlich nötig ist.

Selbst eine Gynäkologin hatte mich lediglich darauf hingewiesen, dass mein damals übermäßiges Sauberkeitsbemühen Schuld an immer wiederkehrenden Infektionen sei- nicht etwa die Unmöglichkeit von Schleimverteilung als Grundlage für Wachstum von positiven Kulturen.

Schleim ist nicht so gern gesehen.
Im Fall von Krankheiten kann ich das ja sogar verstehen, aber die Abwesenheit von Schleim bedeutet eben nicht auch die Abwesenheit von Krankheit. Wenn es um den Intimbereich geht, ist Schleim eigentlich das, wofür ein roter Teppich und Empfangsmusik bereitstehen sollte.
Es ist halt ein ziemlich gut geeichtes Zeug, wenn mensch sich unsicher ist, ob es gut um die Gesundheit steht; wo mensch sich in seinem Zyklus befindet; ob das, was man selbst oder der Mensch, der einen dort gerade berührt, tut eigentlich das ist, was wirklich Lust auf mehr macht.

Mir ist diese ganze seltsam verschobene Schutz- und Kontrollgeschichte in Sachen Menstruation und- naja- durch Slipeinlagen eben auch, vielleicht generell in Sachen „ein weibliches Genital besitzen“, irgendwie befremdlich.
Auf meiner Lilaschmetterlingspackung Binden steht: Idealer Wäscheschutz
Ich weiß nicht, was andere Menschen so für Unterwäsche tragen, wenn es etwas ist, das so unglaublich doll geschützt sein muss. Ich persönlich trage ja Schlüpfer in erster Linie um vor Dreck geschützt zu sein. Meinen Schutz zu schützen, erscheint mir da einfach irgendwie seltsam.
Und was ist eigentlich mit den Menschen, die keine Unterwäsche tragen?
Christina Aguilera hat (angeblich) mal frei menstruiert und die ganze Welt konnte es sehen.
Absicht? Zufall? Wars ihr peinlich?

Ich glaube, es geht auch viel um Scham vor der sich geschützt wird. Vielleicht auch rein praktisch halt den Umstand, das Blut nicht leicht rauswaschbar ist- trotzdem denke ich, dass sich viele Menschen eher für die Sichtbarkeit ihrer Menstruation- vielleicht auch durch den Wäscheschutz an sich schämen, als sich darüber zu ärgern, dass die Unterwäsche nicht wieder ganz die Farbe hat, wie vorher.
Ich hab drei Kategorien Unterwäsche: für meine Tage (rotbraun verfleckt und eng anliegend), für meine anderen Tage (irgendwie halt das was mensch sich so greift) und für geplante „Ich will Sex mit dir haben und dich mit dieser wunderschicken Verpackung darauf hinweisen- du weißt, dass ich diesen Fetzen niemals im Alltag anziehen würde und ich weiß das auch- also…“- Situationen.
Alle Stücke kann ich hygienisch auskochen und bisher hat sich kein Mensch, mit dem ich Sex hatte oder sonst wie intim war, dazu geäußert.

Letztlich gehts mir bei meinen Binden nicht um Unterwäscheschutz, sondern um Sicht- und Kleidungsschutz. Einen Zwölferpack Schlüpfer gibts an jeder Ecke- ein schöner Rock findet sich nicht so schnell und günstig.
Ich möchte überhaupt ja auch selbst entscheiden, wer sehen und wissen darf, dass ich gerade blute. In der Hinsicht danke ich dem modernen Sozialdiktat.

In dem Artikel „The shame of menstruation“ steht, dass es noch um 1900 für weibliche Menschen aus der Unterschicht normal war, auf den strohbedeckten Boden zu bluten, weil es von ihrer Fruchtbarkeit zeugte, was wiederum attraktiv für männliche Menschen sein sollte.
Für mich wirkt diese Praxis wie eine Ausstellung der Körperlichkeit vor anderen Menschen, quasi wie eine Art freiwillige Funktionsdarstellung im Sinne der damaligen Werte: „Wenn du mich heiratest, garantiere ich dir viele Kinder- guck, wie ich blute“.

Würde ich mir das auf ein Singleprofil oder Speeddating übertragen, könnte ich andere Menschen beim Schwimmen beobachten, was wiederum so lustig wäre, wie die Reaktionen der PassantInnen, als ich das Paket Binden in der Haltestelle öffnete und offen begutachtete.
Fruchtbarkeit wird irgendwie gar nicht mal mehr so an der Menstruation gemessen, oder? Wird heute überhaupt noch auf Fruchtbarkeit geachtet, wie damals? Wann in unserem Miteinander kommt der Punkt an dem über Fruchtbarkeit nachgedacht und gesprochen wird? Ist es noch cool fruchtbar zu sein?

Ich habe die These, dass die Scham rund um die Menstruation mit der Unsichtbarkeit einher ging.
Da wird etwas unsichtbar gemacht- vielleicht verheimlicht, dann muss es ja was Verbotenes/ Dreckiges/ Schlimmes sein. Und, dass die Menstruation eh etwas Schlimmes sein muss, beweisen ja schon diverse „Reinheits“-Mythen rund ums Bluten aus dem Uterus.
Dass es bei dem Verheimlichen darum ging, vielleicht trotz Menstruation seiner Arbeit nachzugehen, seine Fruchtbarkeit nicht fremdbewerten bzw. von Unbeteiligten einschätzen zu lassen, vielleicht auch um diverse religiös- kulturell verankerte Praktiken zu umgehen, muss laut „shame on the women“- Gesetzmäßigkeit mit Unglück und Schande und in der Folge: Scham belegt werden, damit es nicht zu bunt getrieben wird.

Dabei lädt heute gerade die Maschinerie rund um Damenhygieneprodukte, die inzwischen nicht mehr nur aus Binden, Tampons und Slipeinlagen bestehen, sondern auch noch aus Deos und Seifen speziell für Slipinhalte, dazu ein, unbedingt noch alles tun zu können, als würde mensch gar nicht menstruieren.
Das ist eine verwirrende Botschaft finde ich. Einerseits muss mensch sich sehr viel mit dem eigenen Körper und einigen Aspekten des Blutens befassen (diese Produkte wollen ja schon richtig angewendet werden)- andererseits wird es gehändelt, als sei es unwichtig (mensch kann ja noch alles tun), um dann aber doch wieder mit diesem Schamding belastet zu sein (es muss alles frisch und neutral riechen bzw. aussehen).

Außerdem stimmt es ja gar nicht, dass alle menstruierenden Menschen den gleichen Alltag haben, wie sonst. Manche haben sehr große Schmerzen und können dann gar nicht so unterwegs sein wie sonst.

Ich bins auch nicht. Bei aller Konzentration und Beherrschung über mich, ist das erste Bemerken meiner Regelblutung der Moment, in dem ich mich über Zeit und Raum, mein Erwachsen- und Unversehrtsein versichern muss. Ich muss am ersten Tag auch Schmerzmittel einnehmen, damit ich die Kontrolle halten kann- was aber nicht bedeutet, dass der Schmerz weg ist.
Der Druck und die Anspannung des Gewebes ist dann immer noch spürbar und das ist ein Gefühl, das mir mein Innenleben auf den Kopf stellt. So gehen da Schotten runter, was eben wiederum meine Produktivität nach außen auch erheblich mit beeinflusst.

Ich mache jetzt keine „Was hilft bei Menstruationsbeschwerden?“- Liste. Das haben sowohl Esme als auch Anna und viele andere Menschen schon oft getan.
Ich ziehe meine Socken aus und glitsche auf der Blutspur direkt zu einem verbindenden Element, das prima bei diesem Schmerz hilft: Orgasmen

Die nehme ich ganz gerne mal mit und wenn ich meine Tage habe noch ein Mal mehr. Ich weiß nicht genau warum es so gut hilft, wenn um die sich zusammenziehende Gebärmutter die Muskeln auch noch mal zusammenziehen, aber so ist es bei mir.
Manche Menschen halten Sex während der Menstruation für eklig. Manche menstruierenden Menschen wollen dann auch nicht angefasst werden.
Ich bin froh, dass das bei mir nicht so ist.

Das Einzige, worauf ich achten muss, ist nicht hinzugucken und auf penetrierende Praktiken zu verzichten, um keine Erinnerungsprozesse an erlebte Gewalt zu triggern. Wenn ich gerade eine Geliebte habe, die mit mir Sex hat, sage ich das auch so. Früher hab ichs nicht und hatte dann nicht mal was vom Sex, außer das blöde „knock- out“-Gefühl von früher nach Gewalterlebnissen. Und das Ganze neben der Erklärungsnot, wieso ich (ich sage meinen Geliebten nicht, dass ich multipel/ schwer traumatisiert bin. Dafür sind sie Geliebte- nicht Gemögte- andere Geschichte) geweint habe oder Ähnliches.

Ich habe festgestellt, dass es für mich nicht besonders sinnvoll ist auf einen Orgasmus hinzuarbeiten, wenn ich mich gerade scheiße finde oder richtige BÄÄÄMs in meiner Nähe wabern. Das wird meistens eher eine Selbstverletzungsarie und auch eine Geliebte habe ich dann nicht zur Hand (bin ja dann scheiße). Trotzdem ist ein vibrierendes Sexspielzeug dann wirklich praktisch und guttuend für mich. Einfach mal die Massagegeräte zur Massage des Unterleibs (nicht nur der Vulva) verwenden.

Übrigens habe ich inzwischen einen Mooncup im Haus, den ich bei Gelegenheit mal testen werde.
Bei diesem Produkt schlich ich ja ein bisschen herum, weil es Größenangaben gibt. S M und L  „Schade“, dachte ich, „Dass ich weder Maßband noch Spekulum noch finanzielle Ressourcen zum Kauf aller Größen zum Testen besitze“. Es ist ja nun doch ein Fremdkörper, den ich in meinen Körper einbringen muss, was ich halt nicht immer einfach mal so machen kann. Gibt halt Tage, da fühle ich mich zerstörter als an anderen.

Jetzt ist er da und kommt mit in mein Ressourcicum zur roten Welle fern von Daheim, wo ich eben nicht frei menstruieren und/ oder meine Stoffbinden verwenden kann.

Die lila Schmetterlingsplastikbindenpackung steht derweil in meinem Bad herum.
Vielleicht erwischt es mal unerwartet Besuch von mir und es wird eine gebraucht. Dann bin ich gerüstet.
Verrotten wirds ja frühestens in 1000 Jahren.

 

Bonusmaterial:
Ich hab zum Geburtstag ein Buch geschenkt bekommen, dass ich gerne weiter empfehle: „
Muschiland- Exkursion in eine kulturelle Intimzone“ von Ulrike Helmer. Darin sind neben angenehm leicht lesbaren Texten zu nicht immer leichten Aspekten, auch viele Literaturtipps und Verweise zu finden, was das Buch sehr wertvoll macht, wenn mensch sich (feministisch) mit dem Thema auseinandersetzen möchte.

Das „the period blog“  (englisch) mal durchzuschauen kann ich auch nur empfehlen. Leider wird es inzwischen wohl nicht mehr aktualisiert.

Ich hab das Thema „MenstruationsApp“ + „Gender“ nicht im Artikel erwähnt, weil ich meinen Zyklus weder von einer Maschine „berechnen“ lassen will, noch ein Smartphone besitze. Die Femgeeks haben sich aber schon mal damit befasst.
Meine „MenstruationsApp“ ist das Kalenderbuch „Alle meine Tage„, das sich für mich als am Besten geeignet herausgestellt hat.

Die rappende Gruppe „Hand Job Acamedy“ hat der Menstruation einen Song mit dem Titel „Shark Week“ gewidmet.

Allison von „Jew in the City“ erklärt in einem Video ausführlich die jüdische Mikvah.

Weitere Links und Literaturtipps zum Thema sind gern gesehen und werden in den Artikel übertragen.

Barbie™

MarsAttacksBarbieStell dir vor, es ist Kunst und keiner merkts.
Stell dir vor, du begegnest Sexismus gegen Männer.
Stell dir vor, du sollst mit Irrealität fürs Leben üben.
Stell dir vor, du kennst jemanden, der keinen Nachnamen hat.

Ich spreche von Barbie™ und von der Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ in Berlin.

Als wir ein kleines Mädchen waren, hatten wir keine Barbie™ und so wie ich das sehe, fanden wir das auch gar nicht so schlimm. Wir hatten eine BabyBorn™ und eine dieser gesichtslosen Waldorfpuppen zum Spielen, ansonsten jede Menge Lego und Fröbelbausteine von den Geschwistern.
Schminken, hübsch machen, erwachsen spielen, haben wir irgendwie übersprungen. Es ging gleich in die Sparte der Sprache und der Kunst und erst dann wurde Barbie™ für uns interessant. So etwa mit 12-13 Jahren, als auch Sailor Moon™ spannend wurde.
Damals war die Sparte „Barbie™“ allerdings bereits nicht mehr auf unsere biologische Altersgruppe ausgelegt. In dem Alter nach einer Barbie
zu verlangen, war deutlich spürbar nicht das, was die Klassenkameradinnen und auch die Erwachsenen für legitim hielten.
Ich weiß noch, dass meine Mutter vor mir stand und sagte, jetzt wo ich schon über ein Jahr menstruierte, sei das Spielen mit Puppen doch nun wirklich nicht mehr das, womit ich meine Zeit verbringen solle. Ich sei ja nun erwachsen und eine richtige Frau.

Dabei wollte ich nie mit der Puppe spielen.
Was hätte ich denn auch spielen sollen? Man spielt um soziale Interaktionsmuster einzuüben, Lebensrealitäten auszuprobieren, sich selbst und seine Umgebung frei zu positionieren- oder eben auch nicht.
Das Leben von Barbie™ entsprach (und entspricht) in nicht einem einzigen Punkt dem meinen, auch ihre Hobbies, Berufe und Neigungen waren (und sind) maximal von mir entfernt.
Ich wollte so eine Puppe haben, weil ich die Perfektion schön fand und es mich faszinierte wie glatt und flach ihr Leben ist. Es gibt nie Probleme, sie hat nie Angst, sie lächelt immer. Sie hat keine Persönlichkeit- sie hat nicht einmal einen Nachnamen- doch niemanden stört es. Es ist immer die perfekte Harmonie- Stasis die so tut, als sei die Dynamik.
Kunst eben.
Ich wollte sie nur angucken. So einen Ständer basteln, sie mir auf den Schreibtisch stellen und anschauen.

Damals gab es bereits die Sammlerbarbies. Besonders schön frisierte Puppen, mit echtem Metallschmuck und Kleidern die nicht aus Polyacryl, sondern aus Seide und Baumwolle bestehen.

Noch heute fasse ich persönlich Barbie™ und ihr ganzes Universum als Kunstform auf- nicht als Spielzeug.
Selbst vorhin, als ich für diesen Artikel ins Kaufhaus ging, spürte ich von den Kinderinnens nicht direkt den Wunsch mit den Puppen zu spielen, sondern nur sie zu berühren und anzugucken.
Auf meine Frage, warum sie nicht mit so einer Puppe spielen wollten, antworteten meine Kinderinnens O. (etwa 10 Jahre alt) und I. (etwa 7 Jahre alt): „Sie sieht so fein aus- so hübsch…“, kurze Pause, „und so wie eine Erwachsene. Weißt du, so wie gar nicht echt zum Spielen gemacht.“. Vorsichtiges Berühren der Packung. „Sie geht bestimmt schnell kaputt, wenn man spielt, dass sie Sport macht oder so.“.

Mir ist in dem Geschäft aufgefallen, dass Barbie™ ein verdammt teurer Spaß ist. Eine Puppe mit einem Set Kleidung und vielleicht 3-5 Zusatzteilen kostet fast 20€, ihre Fahrzeuge etwa 30- 60€, eine Ausstattung Möbel und Einrichtungsgegenstände etwa 18€- das 1,10m hohe Traumhaus schlappe 180€. Pinkes Plastik made in China, mit unverrückbaren Möbeln, einem Bett mit eingegossenem Bettzeug und aufgeklebtem Ausblick aus dem Fenster. Eine Berufebarbie habe ich gar nicht gefunden und festgestellt, dass die Hunde mit denen sie manchmal in den Park geht, kein Fell haben, sondern nur gegossene Plastikstruktur.

Barbie™ hat allerdings ziemlich coole Freunde. „Skipper“, „Chelsea“ und „Stacie“ fahren Jetski. Sie sind kleiner als Barbie™ und passen da auch drauf- Barbie™s Beine hingegen sind schon zu lang, um überhaupt die Steuerung zu erreichen. Soviel dann auch zur körperlichen Behinderung mit der Barbie™ so leben muss. Sie kann nicht einmal ihre Beine so weit spreizen, dass sie auf einem Pferd sitzen kann.

Ken, den Freund und ewig heiratenden Mann im Barbie™- Universum, habe ich auch gefunden. Und „Liam“, den ich so gar nicht einordnen konnte, weil er auch ein „Ken“ hätte sein können. Beide werden direkt mal zur männlichen Deko degradiert- was an sich interessant ist- passiert dies doch sonst eher den Frauen. Er hat kein Auto, kein Motorrad, nicht mal ein Fahrrad- ein Ken-Traumhaus gabs auch nicht. Einzig eine Ken-Puppe bei der man die Plastikhaare austauschen kann, wie bei Playmobilfiguren und ein Set Kleidung (sprich den Anzug zum Heiraten- statt des obligatorischen Surferoutfits) gibts für den einzigen Mann in Barbie™land.
Also liebe Männer, die ihr Probleme habt das Problem mit Sexismus zu verstehen: Stellt euch vor ihr wärt Ken
– und übertragt das bitte (vielleicht weniger totalitär) auf unsere Realität.

Die Konkurrenz hat mir besser gefallen.
Die Steffi Love™ von Simba, kann Kinder bekommen, hab ich als Kinderärztin, als Turnierreiterin, als Rennfahrerin und als Anwältin gefunden. Sie trägt auch mal lange Hosen, ihr Pferd hat Fell und ihr Freund Kevin hat eine bessere Garderobe. Außerdem ist sie bis zu 20% billiger und hat bunte Kleidung- der Pinkanteil ist ebenfalls da- doch nicht gleich hoch, wie bei Barbie™.

Heteronormativ sind beide. Genauso wie kapitalistisch und auch rassistisch. Freunde mit anderer Hautfarbe habe ich nicht gefunden- obwohl ich mich erinnere, dass eine meiner Klassenkameradinnen früher eine Puppe mit dunkler Haut hatte (klar total exotisiert mit pseudoafrikanischer Tradionstracht- aber immerhin).

Als die Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ in Berlin eröffnete, gab es Proteste. Viele AktivistInnen hatten sich versammelt und Kritik geäußert.
Ich habe nicht alle Artikel dazu gelesen, aber die meisten Stimmen bezogen sich auf die Illusion zu der Barbie™ verführt, auf die soziale Rolle, die sie lebt und naja, was genau die FEMEN-Frau sagen wollte, habe ich irgendwie nicht verstanden. Ich fands jedenfalls schade, dass sie sich gezwungen sah, sich auszuziehen und eine 20€ Puppe zu verbrennen- und das auch noch an einem Kreuz. Symbolik die wohl irgendwie nur die FEMEN selbst verstehen.

Natürlich ist es keine Realität die Barbie™ lebt. Natürlich ist das, was sie so tut, nichts weiter als (bereits fertige) Nahrung zu produzieren, Essen, Kleidung einkaufen, sich schön machen und Spaß haben. Es ist eine traumhafte- nicht reale Welt. Es ist etwas, das fern von Belastendem ist, eine Insel.
Ich finde es eigentlich- so ganz grundsätzlich- schön, wenn es etwas gibt, dass Kindern so eine Insel bereitstellt. Schade ist es aber, dass es bei Barbie™ viel um „Ich bin du“ geht, die Vermarktung allein auf kleine Mädchen ausgerichtet und damit tatsächlich limitierend ist.

Es ist ein klares Signal: Barbie™ und alles was damit zu tun hat, ist nur für Mädchen. Der logische Schluss ist, das für Mädchen genau das geeignet ist- für Jungen nicht. Als würden Jungen nicht auch gerne Kochen, Essen, Einkaufen und Spaß haben. Nicht auch die Farbe Pink mögen können und Glitzer meiden. Und- wenn man sich mal das derzeitige ausschließlich für Jungen bereitgestellte Angebot anguckt- als hätten sie kein Anrecht auf eine ruhige, harmonische Umgebung!
Jungen sind mit teilweise so krasser Gewalt durch Spielzeug (und auch Kleidungsaufdrucke) konfrontiert, dass ich mich ernsthaft frage, wie die Eltern und sonstigen Erwachsenen um sie herum, das kompensieren sollen- ein Gegengewicht herstellen können. Dass sie das müssen, steht für mich außer Frage. Kein Kind kann den ganzen Tag „kämpfen spielen“- irgendwann kämpft es tatsächlich, weil der Radius seiner Spielfiguren zu klein ist.
Das Gleiche haben wir bei der „Mädchensparte“. Irgendwann ist der Punkt erreicht an dem „so tun als ob“ mit Stellvertretern nicht mehr reicht- es muss sich selbst geschminkt werden, schick angezogen werden, mit Lebensmitteln herumgemacht werden.

Der Punkt meiner Kritik ist, dass das Ausagieren der Barbie™welt bei Mädchen wohlwollend betrachtet wird und sozial erwünscht bzw. mindestens akzeptiert wird. „Es könnte ja auch schlimmer sein“ mit einem strengen Seitenblick auf die Jungs, die sich gerade mal wieder prügeln, weil sie ihre Pillen nicht gekriegt haben.

Ich denke, dass Kinder spielen dürfen sollen, womit sie wollen- doch mit dem Spielzeug selbst keine Realitätsnähe vorgegaukelt bekommen sollten, wenn sie ganz ganz klar, keine Realität ist. Und vor allem sollten sie ihre Lebensrealität mit der ihrer Spielzeuge vermischen können, ohne zig Hilfsmittel des Herstellers dazu zu brauchen.

Meiner BabyBorn™puppe fehlen zwei Fußspitzen- irgendwann hab ich ihr wohl mal die Nägel geschnitten. Sie klappert, weil ich ihr mal, statt des Instantbreis, echte wohlbekömmliche Sandsuppe serviert habe. Sie kann nicht mehr „weinen“, weil sie mit mir im Meer gebadet hat und das Salzwasser die Löcher verstopfte. Sie ist also eigentlich irgendwie kaputt. Aber sie ist unsere Begleiterin bis heute, selbst in diesem Zustand. Ich konnte ihr auch Babysachen von echten Babys anziehen, konnte sie auch in meinem Bett schlafen lassen, konnte sie auch aufs echte Klo setzen.
Eine Barbie™puppe wäre in wenigen Wochen zum stets nachzufüllendem Schlund geworden. Barbie™ gibt es eben nur mit Barbie™ -Kleidung, Möbeln… ihrer Realität.

Und wo wir gerade bei der Realität sind- einen Kritikpunkt an der Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ habe ich noch. Sie ist gruselig!
„Das Nuf“ hat die Ausstellung (ne- man merkts doch eigentlich: Kunst wird „ausgestellt“- Realität wird „dargestellt“) besucht und ein Kurzvideo von Barbie™s Toilette gemacht.
Klick mich
ALTER!
Ich weiß ja nicht, wie sich Kinderköpfe den Umstand erklären, dass ihnen ein Delfin daraus entgegen guckt, aber ich muss dabei an eine Folge bei AkteX denken, in der aus einer öffentlichen Toilette lauter Ratten heraus kamen. Ich war damals 15 und doch hatte ich eine ganze Weile mit der Vorstellung zu kämpfen. Meine Beziehung zu Abwasserrohren war nie wieder die Alte…

Wie gehen die kleinen AusstellungsbesucherInnen (bitte bitte- sagt mir nicht, dass da gar keine Jungs hingehen) mit dem um, was sie dort sehen? Was entwickeln sich für Wünsche? Wie ist es für sie, lauter Plastikdinge zu sehen, die sie nicht anfassen dürfen? Es ist dort so viel hinter Glas und nicht erspürbar. Laut Homepage des Veranstalters ist das interaktivste eine Schlittenfahrt vor einem Bildschirm, ein paar Schminkplätze, ein Spiegel, ein elektronisches Klavier (das man doch kaum hören können wird, wenn die Bude voll ist) und wieder Computer an denen etwas gemacht werden kann. Gibts Barbies mit denen man spielen kann? Gibts wenigstens eine dieser Torten oder Cupcakes zum Essen?
Wenigsten eine Zuckerexperience muss es doch dort geben…

Hinter den Bildern

Da gibt es etwas, dem ich Raum geben will.
Nochmal, vielleicht ganz explizit hier und jetzt in einem eigenen Artikel und nicht eingeflochten in die Basis des Blogs.

Antikindesmissbrauchspropaganda.
Bei Facebook. Bei Twitter. Bei StudiVz. Bei MeinVz. Bei MySpace. In den Kommentarspalten unter Webartikeln. In den (Selbsthilfe-)Foren von und für Menschen, die als Kind (sexuelle) Gewalt erfahren haben.
Überall gibt es sie. Bilder von Kindern mit Verletzungen. Das Kind in der Ecke das den Kopf auf die Knie legt und sich einrollt. Die zerschlagene Puppe. Der zerfetzte Teddy. Die Kulleraugen mit Tränen drin. Das Kind aus Täterperspektive mit dem Schatten daneben.
„Stumme Schreie, der verletzten Kinderseele, die rote Tränen weint“
Oh man…

Ganz ehrlich? Ich sehe das und möchte kotzen.
Nicht, weil ich schlicht kein Freund von plakativem Zwangsbewusstmachen bin oder, weil mich manche der Darstellungen triggern sondern, weil ich Vorstellungen transportiert sehe, die teils maximal von der Realität abweichen und sich mir oft genug eher die ohnmächtige Hilflosigkeit der Ersteller in den Kopf drückt, als der herzliche Wunsch den Betroffenen zu helfen.
Ja, es sind stumme Schreie. Ja, es geht um Verletzungen. Und ja, manche Betroffenen, weinen auch „rote Tränen“- ritzen sich lieber die Haut auf, als zu weinen.
Es ist einThema das Sichtbarkeit braucht. Das Prävention erfordert. Es ist ein Thema bei dem es um Menschenleben geht und man muss ihm Raum geben.
Aber nicht so!

Gleich mal zu Beginn: „Kindesmissbrauch“ gibt es nicht. Wo es Missbrauch gibt- muss es einen richtigen Gebrauch geben. Menschen sind aber keine Gegenstände!
Gewöhnt euch dieses Scheißwort ab! Auch wenn ihr von „Kindesmisshandlung“ oder „sexualisierter Gewalt gegen Kinder“ sprecht, werden euch die Leute verstehen! Ja- es dauert etwas länger, bis man fertig gesprochen hat. Ja, es werden mehr Buchstaben gebraucht. Ja, man kann nicht mehr einfach so im laxen Rausch dahersprechen. Aber das Ergebnis ist eine klare Sprache und wenn es einen Bereich gibt, in dem Klarheit wichtig ist, dann ist es dieser.
Es darf keine Ausrede sein, dass „ja aber die ganzen Vereine und so, sich so nennen mit dem Wort drin“ oder auch, dass „ja aber in den Medien überall so geredet wird“.
Zum Einen: Nur, weil die Masse das Gleiche redet, heißt das nicht, dass sie Recht hat- gerade in Deutschland sollte uns das wohl klar sein. Oder ist das Wort „Schacherjude“ auch eines, das so richtig ist, weil es viele Jahre durch alle Medien ging und in aller Munde war?!
Und zum Anderen, sind die Medien nicht jene, die unsere Sprache bestimmen sollten- sie sollte sie abbilden, als beobachtender Zeuge- fertig! Wir sind die, die Zeitung machen- nicht andersherum!

Wenn ich mir diese Bildchen und Fotos ansehe, fällt mir ausserdem eine Art Darstellung auf, die einer Art Ideal entspricht. Es ist sauber, aufgeräumt, kalt auf der einen Seite (zum Beispiel das in die Zimmereckenwand gedrückte Kind, mit den Händen vor den Augen) und offen brutal zerstörerisch auf der Anderen (die zerschlagene Puppe).
Beides Dinge, die symoblisch sind und Dinge krass darstellen, die, an sich, nicht auf diese Art krass sind.

Sexuelle Misshandlung ist nicht sauber und gerade die Misshandlung, die über Jahr hinweg passiert, ist nicht immer offen zerstörerisch.
Was sauber ist, ist das Lächeln, dass die Opfer als Anpassung drüber schmieren. Was zerstört ist, sind nicht die materiellen Dinge und auch nicht ausschliesslich die Seele.

Und es findet eine gefährliche Darstellung von Kindern statt, die meiner Meinung nach, erst recht Täter anlockt und befriedigt. Gerade bei Facebookbildern ist mir das aufgefallen.
Süße kleine Mädchen in sachtem rosa- oder direkt gleich weißen Kleidchen, derartig ausleuchtet, dass ihre reine Unschuld, ein Gänseblümchen daneben, wie eine Schlampe aussehen lässt. Jungen mit glänzenden Lippen und großen Augen, in deren Winkel sich eine Träne befindet. Immer schön von oben nach unten fotographiert.
Ich mag es nicht weiter ausführen, aber wenn man sich vor Augen hält, dass es vielen Tätern gerade um kindliche Unschuld, Größe und Wehrlosigkeit geht, ist denke ich klar, worum es mir geht.

Weiterhin sehe ich eine große Gruppe ausgegrenzt, nämlich die heute erwachsenen Betroffenen.
Es wird sehr oft Kinderseelen gesprochen. Viele Vereine haben ihren Fokus auf der Prävention oder Aufklärung (gegenüber den Kindern). Nur sehr wenige setzen sich dafür ein, erwachsenen Betroffenen zu helfen. Ihnen zu helfen selbst nicht zum Täter zu werden oder ihnen bei der Suche nach einem Therapieplatz behilflich zu sein. Oder auch durch die ganzen Kämpfe, um die Therapie bis zur Heilung finanziert zu bekommen.

Wir leben leider nicht in einer Gesellschaft, in denen Tränen in Kinderaugen harte Herzen weich werden lässt. Wäre dem so, hätten Straftäter keinen Platz in unserer Mitte.
Was aber hier Herzen erweicht, Köpfe anspringen lässt und Hände ins Handeln zu treiben in der Lage ist, ist GELD.

Die Versorgung von Straftätern im Gefängnis. Die Therapie der Opfer. Die Verdienstausfälle von Betroffenen in der Blüte ihrer Jahre. Die Kosten für die Kompensation der körperlichen Folgeschäden von sexueller Misshandlung. Das ganze viele Geld, dass Hersteller und Verbreiter von (Kinder)Folterdokumention (Kinder“pornografie“- auch ein Wort, dass sich bitte endlich abgewöhnt werden soll!) einfahren und für sich behalten…

Genau das ist der Grund, weshalb mich diese Facebookbilder wütend machen.
Mir zeigen die Bilder, wie ohnmächtig und hilflos irgendjemand da draussen im Internet ist und wie sehr er sich wünscht, dass es aufhört. Dass es niemand anderem mehr passiert. Da steht dick und fett: „Bitte lasst uns friedlich und liebevoll miteinander umgehen. Kämpft dafür, dass nichts mehr passiert. Lasst uns die Täter alle kaputt machen- guckt doch, wie traurig und ängstlich dieses Kind ist, dem das passiert.“
Da steht nicht, dass misshandelte Kinder selten vor einem stehen und mit Kulleraugen versuchen ihr Leid zu vermitteln.
Da steht nicht, dass der prügelnde, schreiende, spuckende, einnässende, Drogen nehmende, klauende, lügende, hässliche, stinkende, schimpfende Mensch von 1,50m Körpergröße auch- genauso wie der völlig Unauffällige, derjenige sein kann, der ständig und ständig misshandelt wird.
Da steht nicht, dass die Kosten der Heilung aller, in der Folge von (sexueller) Misshandlung, erkrankten Menschen, in unserer Bundesrepublik, mehr kosten würde, als das, was die letzte Drohne gekostet hat.

Und da steht vorallem nicht, dass WIR ALLE diejenigen sind, die etwas verändern können. Nicht nur die Menschen, denen diese Art der Gewalt nicht angetan wurde, sondern alle!541602_web_R_by_Karl Dichtler_pixelio.de

Vielleicht klingt es blöd, aber an diesem Punkt stehe ich oft da und denke: Wir sind das Volk. Wieso tun nur immer wieder alle so, als sei das nicht so?
Niemand von uns sitzt dem ganzen Drama hilflos und ohnmächtig gegenüber, weil er es will- sondern, weil die Handlungsalternativen so beschränkt sind und sich niemand politisch so beschwert, wie er es privat tut .
Opferschutz gibt es derzeit nur nach Kriterienerfüllung und dann ist dieser auch noch lückenhaft. Entschädigungen gibt es nur nach Entblössung und Rechtfertigung der Opfer. An alles sind Bedingungen geknüpft, die maximal von Herz und emotionalem Hirn entfernt sind. Reglementiert von einem System in dem Geld mehr wert ist, als das zerstörte Innenleben von Menschen.
Doch statt am System zu rütteln, wird im Privaten gerüttelt und Verletzungen dadurch in Kauf genohmmen.

Ich lösche solche Bilder inzwischen rigoros aus meiner Facebooktimeline. Ich unterstütze keine Vereine mehr, die nicht mehr mir direkt helfen möchten oder zu können in der Lage sein wollen. Ich möchte das Private zu etwas Politischem machen, weil ich die Politik als das Organ betrachte, dass unser Privatleben beeinflusst, das es ist.

Ich will nicht, dass jemand von mir denkt, ich wäre ein Kind gewesen, das große Augen hatte und in der Ecke eines Kinderzimmers hockte.
Ich war ein Kind, das völlig normal großkotzig über den Schulhof gerannt ist. Ein Kind, das geklaut, gelogen, manipuliert, eingenässt und später sogar geprügelt hat.
Und heute sind wir eine Betroffene, die ihre schwarzen Momente hat. Eine von denen, die sich eben doch jeden Tag mindestens einmal erschreckt und irgendwie mit ihrer Todesangst zurecht kommen muss und überlegt, ob sie es schafft ihren Alltag und ihre Therapie zu überleben.
Aber ich bin auch  eine von denen, die sich nicht mehr ohnmächtig machen lassen will. Eine die Antworten findet und konsequent in der Durchsetzung von Veränderungen bleiben will.

Und wenn das bedeutet, dass ich Facebookbilder lösche und nicht weiterverteile, nicht öffentlich „Anti-Missbrauchs-Vereine“ unterstütze, dann ist das eben so.
Da steht etwas hinter. Mehr jedenfalls, als hinter diesen Bildern.

#unsichtbar

Heute ist der Weltfrauentag. Frauenkampftag.
Die Taz möchte die Unsichtbaren zeigen.

Auf Twitter zwitscherte sie folgende Fragen:
„Was bedeutet es, übersehen zu werden? Ist das für euch Schutz oder Ignoranz? Antwortet uns zum
#Weltfrauentag unter #unsichtbar.“
„Manchmal ist es besser, „unsichtbar“ zu sein. Welche Erfahrungen habt ihr damit? Eure Verschleierungstaktiken am
#Weltfrauentag: #unsichtbar

Meine Fähigkeit mich 140 Zeichen kurz zu fassen ist begrenzt, doch diese Fragen zu beantworten halte ich für wichtig.
Ich habe bemerkt, dass ich nie unsichtbar war. Oder wirklich übersehbar.
Eigentlich, und das fällt mir gerade jetzt auf, wo ich mich etwas näher mit dem Zeitpunkt meiner Befreiung und meiner Biographie überhaupt befasse, war es nie so, dass ich- wir als Einsmensch unauffällig, übersehbar, übergehbar oder ignorierbar waren oder agiert haben.
Wenn die Menschen in unserer Umgebung gewollt hätten, zu wollen gekonnt und gedurft hätten; wenn sie Macht gehabt hätten, hätten sie uns und die Gewalt an uns (und den anderen Mitbetroffenen) sehen und beenden können.

Unsere „Verschleierungstechnik“ war und ist bis heute, die strukturelle Dissoziation.
Praktikum in der Zimmererwerkstatt, BauCamp im Handwerksbildungszentrum, männliche Kunden, die eine Vogelvoliere in Auftrag geben, einkaufen im Baumarkt… badabumms taucht ein fast klischeehaft männliches Innen auf, dass niemand auf die Idee kommt, der Körper könnte weiblich sein. Dass niemand auch nur im Entferntesten glaubt, vor ihm stünde ein Mensch dessen Körper Gewaltorgien und systematische Folter überlebt hat.
Hundesitting, Haustierhalterberatung, Pflegestelle… zack, tauchen Innens auf, die freundlich zugewandt, sachlich offen und neutral eine Verbindung aufzubauen helfen zwischen Mensch und Tier. Niemand käme auch nur auf die Idee, durch welche Qualen es zu dieser Fähigkeit gekommen ist. Was für grässliche Bilder und Gefühle hinter den Augen dieses Menschen toben, während diese Arbeit getan wird.
Diese und viele andere kleinere und größere Alltagssituationen, lösen einen stetigen Wechsel von Innens aus. Jedes Innen steht auf seine Art, wie eine Schutzmauer vor einem tiefen Elend und macht es nach außen hin unsichtbar. Aus Selbstschutz. Um selbst nichts von dem Elend zu spüren oder gar zu wissen. Um nach außen hin perfekt angepasst zu sein, an jene Gesellschaft, die ebenfalls ihre Schutzmauern hat.

Es ist eine Verschleierung, die nicht gezielt und geplant ist. Erst wenn sie angewendet wird, fällt auf, dass es auch dabei um eine Art Überleben geht.
Ein Bestehen in einer Welt, in der nur jene bestehen, die möglichst weit von ihrem Schmerz entfernt sind. Die möglichst kalt und angepasst sind. In der jene ohne Schlenker im Lebenslauf, ohne Falte im Jackett, ohne Makel im Lächeln, eine reellere Chance auf einen Arbeitsplatz, der sie finanziell absichert, haben, als jene, bei denen das nicht so ist.
Unsere Gesellschaft- unser Miteinander macht unsichtbar, weil Unsichtbarkeit heute ein Garant für finanzielles- und damit auch soziales und am Ende direkt biologisches Überleben ist.
Sind unsere Körper so dünn, dass sie fast unsichtbar sind, gelten wir als schön und stark, was wiederum Eigenschaften sind, mit der man zu einer Absicherung kommen kann.
Ist unsere Meinung so gleich wie die der Gruppe, dass sie in der Masse unsichtbar wird, können wir uns des Schutzes selbiger sicher sein und so wiederum unsere Chancen auf ein Überleben sichern.
Geben wir uns selbst auf und werden zum ausführenden Organ jener, die über unsere Absicherung verfügen, werden wir überleben.

Nein, wir waren kein Kind, dass man leicht übergehen konnte. Keck, gewitzt, arrogant, sportlich, musisch begabt, extrovertiert.
Kein Wettkampf wurde ausgelassen, kein Turnier, kein Wettbewerb, kein Konzert je abgesagt. „Schau was ich kann!“ brüllten wir in die Reihen des Publikums und stärkten unseren Selbstschutz mit ihrem Applaus- dem Gradmesser der Beachtung, der Wertschätzung, des Maßes an Sicherheit durch erbrachte Leistung.
Niemals brüllten wir gleichsam in die Gesichter der Lehrer, Betreuer, Freunde, Ärzte, Eltern von Freunden, Nachbarn-  den Bekannten und Verwandten ins Gesicht: „Sieh, was mir gerade Schreckliches passiert! Sieh, wie ich und die anderen Kinder zerstört werden! Sieh… mich

Unsichtbarkeit hat zwei Seiten. Jene, die nicht sichtbar macht und jene die Sichtbarkeit gefährlich macht.
Was geschieht mit männlichen Menschen die hässliche Dinge sichtbar machen?
Denen wird in aller Regel zu ihrem Mut gratuliert, da sie eine Minderheit stellen.

Was geschieht mit weiblichen Menschen die hässliche Dinge sichtbar machen?
Denen wird in aller Regel nicht einmal zweifelsfrei geglaubt.

Was geschieht mit männlichen Menschen, denen hässliche Dinge passiert sind und sich sichtbar machen?
Was geschieht mit weiblichen Menschen, denen hässliche Dinge passiert sind und sich sichtbar machen?
Ihnen passiert genau das Gleiche. Sie machen sich auf eine Art angreifbar, die ihr direktes Leben auf mindestens einer Ebene bedroht.

Einen wirklichen Schutz erfährt nur, wer geschützt wird.
Vom Gesetz und dessen gleichberechtigter Anwendung; vom sozialen Umfeld; von seiner Fähigkeit sich blitzschnell auch wieder unsichtbar machen zu können und das System für sich zu nutzen.
Und wer hat dabei bis heute die besseren Chancen?
Der männliche Mensch.

Ja, heute in der Frauentag. Der Frauenkampftag.
Der Frauensichtbarmachtag.

Doch, was für Frauen genau, hast du heute schon gesehen?342533_web_R_B_by_onkel jo_pixelio.de
Hast du die Frau im Frauenhaus gesehen?
Hast du die Frau, die eine andere Frau liebt gesehen?
Hast du die Frau unterm Hiab gesehen?
Hast du die Frau, die sich als Mann fühlt gesehen?
Hast du die Frau im Asylantenheim gesehen?
Hast du die Frau im Rollstuhl gesehen?
Hast du die Frau gesehen, die jetzt noch ein Kind ist?

Hast du die Frau hinter der Schutzmauer gesehen?

Oder nicht doch eher das makellose Lächeln auf einem Werbeplakat, das dir sagt, dass es heute 50% Rabatt auf Schuhe gibt?

Opferrolle- mal wieder… diesmal mit Täterrolle und Mustern als Beilage

“Wenn du nicht aufhörst in der Vergangenheit herumzustochern, dann kannst du auch nie aus der Opferrolle raus… Weißt du, so bedient man Muster.”

Es knallte.
Innen natürlich.
Von innen kam allerdings auch eine Entgegnung, die ich hier unbedingt festtackern wollte:
“Es ist meine Vergangenheit, da kann ich soviel drin rumstochern, wie ich will.”

Ja, mein Innenleben ist manchmal schon so viele Schritte weiter als ich.
Ich lasse mir solche Sätze sagen, mich dann umfassend darüber aufklären, dass ich völlig falsch mit meinen Problemen umgehe und verbringe ein paar Tage oder Wochen damit, noch mehr als sonst meine Vergangenheit und ihre Ausläufer von mir fernzuhalten.
Also unterm Strich: Mich mir selbst mit meiner Lebensrealität vom Leib zu halten.
Um keine Muster zu bedienen.
Nicht in der Opferrolle zu verharren.

Dabei kräuseln sich sogar mir inzwischen die Innenseite der Gedärme, wenn ich den Begriff der Opferrolle so verschrägt benutzt sehe.

Nochmal für alle:

Der Begriff der Opferrolle beschreibt die Position eines Menschen in einer Situation. Nichts weiter.
X wird von Y gehauen, so ist X in diesem Moment in der Opferrolle. Punkt.

Geht X irgendwohin und sagt: “Ich kann dies nicht, ich kann das nicht, weil ich ein Opfer bin. Und ich werde das auch nie können, weil ich ja auch immer Opfer sein werde. Also: (hilf mir)- hab mich lieb- lass mir alles durchgehen- ich darf das, weil ich ja so ein dolles Opfer bin…”, kann man sagen, dass X auf einem OpferSTATUS pocht.
X verlangt eine (Sonder)Behandlung aufgrund seines Status als Opfer. Das kann gerechtfertigt sein oder auch nicht. Hat aber an sich nichts mit der Position (der Rolle) in der Gewaltsituation zu tun, sondern mit dem sozialen Miteinander und/ oder dem Leiden unter den Folgen dieser Situation.

Ich habe mich jetzt schon an ganz vielen Stellen darüber geärgert, dass kaum jemand diese Differenzierung vornimmt. Vorallem ärgert mich das bei den Menschen, die mit mir zu tun haben und mich sogar mehr oder weniger deutlich immer wieder von selbst darauf stoßen, was mir alles durch meine Gewalterfahrungen fehlt, (noch) verwehrt ist und auch tatsächlich eine Art Sonderbehandlung erforderlich macht.

Zum Beispiel mein inexistenzes Körpergefühl.
Zum Beispiel meine regelmäßigen Amnesien.
Zum Beispiel die Tatsache, dass ich meine Seinszustände als fremde Menschen wahrnehme. Zum Beispiel, dass ich eben schlicht nicht hinkomme mit 120 Stunden Psychotherapie.

Das sind alles Dinge auf die ich sehr gerne verzichten würde, denn sie bringen mich immer wieder in eine passive Position- in die Bettlerposition- in die “ausgeliefert sein”-Position. Egal, ob ich es will oder nicht. Egal, ob ich einen Opferstatus gegenüber den Menschen habe oder nicht.

Keiner, dem gerade ein Zahn unter örtlicher Betäubung bearbeitet wurde,kann einen Weitspuckwettbewerb gewinnen.
Keiner, der einen alkoholbedingten Filmriss hat, kann sich erinnern, was gewesen ist.
Keiner, der so aufgeregt ist, dass er “nicht mehr er selbst ist”, kann runterkommen, wenn ihm nichts und niemand dabei hilft.
Jeder der Hilfe braucht, braucht sie so lange bis er eben keine mehr braucht.

Ich aber “sollte besser mal nicht so darauf beharren. Weil wegen Opferrolle und so. Und ist ja eh alles schon vorbei. Das Leben muss ja weiter gehen. Das Leben ist ja nicht nur die Vergangenheit.”
Sobald ich versuche Kontrolle durch Aufklärung und Einbeziehung meiner Umgebung zu erreichen, mache ich mich angreifbar. Sobald ich jemandem sage, dass ich ein Opfer von Gewalt wurde und bis heute unter den Folgen leide und deshalb manche Dinge schlicht (noch) nicht kann, begebe ich mich auf eine Schneide.

Es kann sein, dass ich genau richtig behandelt und unterstützt werde- es kann aber genau so sein, dass ich zu hören bekomme: “Nu is aber Schluss- also ne- man kann es sich auch gemütlich machen in der Opferrolle”, weil mein Gegenüber- warum auch immer- gerade keine Kraft, Lust, Zeit, dafür hat, mich zu sehen und mir meine Probleme schlicht zuzugestehen.
Oder, weil es für denjenigen schlicht nicht aushaltbar ist, zu sehen, wie ich mich immer und immer wieder an den selben Dingen aufhänge und (noch) keine Veränderung schaffe.

Ich frage mich,  wo ist da das Problem genau das zu kommunizieren, statt mir unterzuschieben, ich könnte, wenn ich nur genug wollte? Mir also zu suggerieren, dass ich in jedem Fall, die Probleme die mich lähmen, auch ohne Hilfe angehen könnte.

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Und schon sind wir bei Mustern.
Ich habe den Eindruck in eine Rolle gedrückt zu werden, wenn mir jemand sagt, dass ich “es ja nun auch endlich gut sein lassen kann”. Nämlich in die Rolle des ewigen Störenfrieds oder der des sich widerrechtlich etwas Aneignenden oder des Menschen, der egozentrisch ist und einen Status ausnutzt, um beachtet oder geliebt zu werden.
Ganz ehrlich- jeder Status eignet sich dazu- nur nicht der des Opfers.
Als Opfer ist man immer klein, immer ausgeliefert und machtlos.

Und nur einem Opfer kann man solche Dinge überhaupt unterstellen. Das ist etwas, das gesellschaftlich breit akzeptiert und immer wieder untermauert wird. Unhinterfragt patriarchial gestützt.

Entsprechend kam ich später zu dem Schluss, dass ich in dem Moment, als mir dieser (ansonsten sehr liebe) Mensch diesen Satz sagte, in eine Täterrolle, begründet von meinem Opferstatus, gedrückt wurde.

Von seinem Muster nämlich:
“Zu schwer- zu schlimm- zu schmerzhaft” *flupp Vermeidungsblase zu*
“Schnell vermitteln: “Sie soll aufhören mir weh zu tun”- ich kann das nicht aushalten. Sie ist so eine Böse, wenn sie das macht- wenn sie mir das antut”.

Das stimmt auch. Ich sollte Rücksicht nehmen, so wie ich das von anderen Menschen verlange.
Und da ist ein Punkt, den ich mir annehme und den Satz aus dem Innen abändere:

“Es ist meine Vergangenheit, da kann ich soviel drin rum stochern wie ich will. – Aber ja: ich kann aufhören, das in deiner Gegenwart zu tun (bzw. versuchen dich von meinen Folgeproblemen fernzuhalten), wenn du mir sagst- oder ich den Eindruck habe, dass es dich verletzt oder nicht gut fühlen lässt.”

Die Folge ist dann aber auch, dass ich nicht mehr ganz da bin und etwas unsichtbar zu machen helfe.

Es ist ein Kritikpunkt von vielen Menschen, dass viele Menschen, die einmal zum Opfer von Gewalt wurden, diesen Umstand in ihr Selbstkonzept einbinden.
Applaus und Unterstützung bekommt, wer dies verleugnet und so tut, als wäre dieser Punkt  nichts weiter. Wenn man stark voran schreitet und dem Vergangenen ins Gesicht lacht. Oder dies zumindest will.

Doch ich merke inzwischen immer mehr, dass das etwas ist, dass kein Opfer für sich selbst tut.
Man gilt als schwach und als Täter [nämlich als diejenige, die böse böse böse (Schadenersatz- Verhaltensmodulations- Hilfs) Ansprüche stellt und damit die Menschen mit schmerzhaften Tatsachen konfrontiert, ohne dass sie sich wehren können (angeblich- denn ne- eigentlich wehren sie sich ja ganz gut!)] gleichzeitig, wenn man sein “Zum- Opfer- geworden- sein” öffentlich macht.

Es wird nicht angenohmmen, wie sehr man sich durch diese Öffentlichkeit ausliefert. Sich eigentlich schon wieder in eine Position begibt, die sehr viel leichter in eine Opferrolle kippen kann, als in eine tatsächliche Täterrolle.
Es wird nur angenohmmen, dass man, eventuell vielleicht, anderen unbetroffenen Menschen damit “schadet”, weil man sie (auch) konfrontiert.

Und das ist doch eigentlich pervers, oder? Seit wann und in welchen Kontexten genau ist es schädlich damit konfrontiert zu werden, dass Menschen mit Gewalterfahrungen, ihr Leben lang unter den Folgen leiden könnten? Teile ihres Selbstes immer Opfer sein könnten. Immer leiden könnten.

Eigentlich doch immer nur in den Kontexten, in denen die Vermeidungsblase derer verletzt werden könnte, die keine Verantwortung für die Umstände übernehmen wollen und auch nichts verändern wollen.
Sei es direkt oder indirekt.
Und sei es nur in dem Bezug, den betroffenen Menschen einfach nur zuzugestehen, dass es so ist, wie es ist, weil es eben so ist- und nicht weil man einen sozialen oder wirtschaftlich bereichernden Vorteil daraus zu ziehen versucht.

Wenn mir mein Opfersein soviele Vorteile verschaffen würde, wie ständig unterstellt, dann hätte ich keinen Grund selbiges als Grundlage für meine Kämpfe um Hilfen und Ausgleich zu verwenden. Ich bekäme sie einfach, könnte heilen (oder zumindest den entstandenen Schaden ausgleichen) und in das Leben “der Anderen” hineinwachsen…

Verantwortung, Schuld und was uns sonst noch so trennt

Eigentlich ist es doch eine ganz einfache Kette:
mir wurde Gewalt angetan —> ich erhielt etwas, dass ich ver- geben kann

Weshalb ich das gerade nicht tun kann, erklärte ich in dem Abschnitt der aufzeigte, dass die FolgenDavidPfister der zugefügten Gewalt von meiner Seele- meinem Sein- diesem blinkenden Kern der “uns” darstellt, bereits so aufgenommen wurde, dass jedes Vergeben hieße: “jemanden” von uns zu ver-geben. Im Sinne von “ein Innen weg- geben”.

Schnell entspinnen sich die Gedanken anderer Menschen auch um das Thema der Schuld und der Verantwortlichkeit von Menschen die zum Opfer (zwischenmenschlicher) Gewalt wurden.

Ja, gut.
Dann also die Themen Schuld und Verantwortlichkeit.

Gerade nach dem letzten Artikel hörte ich: “Nein- du hast keine Schuld gehabt- es war nicht deine Verantwortung.”
Was aber ist Verantwortung?
Entsprechend allgemein gültigen Wortdefinition, ist Verantwortung, eine Art Verpflichtung im Rahmen von geltenden (sozialen, kulturellen, moralischen, religiösen) Normen (die in Gesetzen festgehalten sind) zu interagieren. Es ist etwas, das wir Menschen uns gegenseitig aufdrücken, damit wir vernünftig miteinander leben können.

Das ist eine gute Idee wenn es darum geht, Schäden zu verhindern und Ansprüche auf Ausgleich und Gerechtigkeit definiert und geltend gemacht werden können.

Verantwortung ist keine flexible Pflicht. Sobald man sich in einem menschlichen Kontext mit einem Normenkonzept befindet, ist sie da. Man ist verantwortlich für alles was von einem ausgeht- wie für alles was zu- an einem herangetragen wird. Ganz grundlegend und immer und überall.
Es gibt nur genau einen Punkt an dem man trennen kann zwischen dem, was die eigene Verantwortung ist und dem, was die Verantwortung eines anderen Menschen ist. Und das ist der Punkt an dem etwas nicht mehr im eigenen Einfluss- Beeinflussungsbereich liegt.

Unsere (Staats-) Gesetzgebung nennt Kinder unmündig und stellt sie als besonders hilflos und schutzbedürftig dar. Das heißt: vor dem (Staats)Gesetz haben Kinder keine Verantwortung dafür zu tragen, wenn ihnen Gewalt angetan wird- da ihnen im Sinne der Gesetzgebung jede Möglichkeit zum Einfluss bzw. zur Beeinflussung fehlt.

Ich vermute, weil unsere demokratische Kultur das Konzept der Staatsmacht sehr hoch bewertet (da ihre Standbeine die Aufgabe haben, absolut neutral und ausschließlich den geltenden Gesetzen entsprechend zu agieren), heißt es heute sehr schnell, dass jemand eine Schuld trägt, weil er eine Verantwortung (entsprechend der staatsmächtlichen Normen) abgegeben hat oder einer hilflosen- (einer zu Einfluss unfähigen) Person übergeben hat.

Doch ist für mich- uns diese Überzeugung fern.
Sehr viel näher liegen uns die Felder der Verantwortung, auf die so bewusst scheinbar nur wenige noch Rücksicht nehmen, weil die Staatsmacht soviel Raum einnimmt.
(Pseudo)Religiöse (und damit schnell (sub)kulturelle) Normen und darin begründete Verantwortung wird (vor allem hier in Deutschland) meinem Empfinden nach verachtet- ja manchmal sogar missbilligt und jede weitere Pflicht, die man sich aus ihr heraus annimmt wird abgetan und teilweise sogar kriminalisiert.
Doch sie ist da. Und sie hat für viele Menschen unter Umständen genauso viel Gewicht wie die Staatsgewalt. (Stichwort “nicht integrationswillige Migranten”, Beschneidungsdebatte, Burkadebatte, das Kreuz im Klassenzimmer)

Wir sind mit einem Konzept aufgewachsen in dem unser Einfluss- unsere Möglichkeiten der Einflussnahme auf andere Menschen nicht als inexistent betrachtet wurde.

copy gnar.gn.funpic.deWir wuchsen mit dem Wissen und der Selbstverständlichkeit von Gewalt auf, weil sie in dem Kontext gerechtfertigt ist, aufgrund eben genau dieser Form der Selbstverantwortung und pseudoreligiöser Pflicht..

Wenn man etwas will, dann soll man es tun. Wenn man etwas nicht will, dann soll man es lassen.

Der Fall, dass man nicht will, dass etwas mit einem gemacht wird, ist schlicht nicht vorgesehen. Das gesamte Konstrukt ist darauf aufgebaut, dass jeder einen Schmerz oder einen Unwillen überwindet (und überwinden will) um stärker und damit wertvoller für alle zu werden.
Und das ist schon alles.

Alle Konflikte die sich darauf aufbauend entwickeln, sind begründet in dem Doppelleben das wir zu leben gezwungen waren (und es innerlich bis heute sind). In der einen Welt, der Welt in der Verantwortung mit potenzieller Schuld, Hand in Hand geht und Kinder vom Gesetz geschützt werden, können wir vieles was uns angetan wurde als definitiv unrecht betrachten und eine Unschuld im Sinne einer Unfähigkeit einer Einflussnahme, sowie all den Schmerz und die Demütigung annehmen. Das gilt zum Beispiel für alles was uns passiert ist, seit wir aus dem direkten Wohnumfeld der Täterkreise (also aus dem direkten pseudoreligösem Einfluss) heraus sind- nicht aber für das, was uns unter dem Deckmantelkonzept der Pseudoreligion angetan wurde, während wir direkt noch dort lebten. In jener anderen Welt hätten wir etwas verhindern können und haben es nicht getan.

Die vom Staat und auch der breiten Masse immer wieder unterstrichenen Trennung von Religion und Staat ist es zu verdanken, dass wir mit unserem Ansinnen diese Punkte irgendwie zu verbinden allein auf weiter Flur zu stehen scheinen.

Ich merke es, wenn ich auf der Suche nach Literatur zum Thema des geistigen Ausstiegs oder auch der spirituell-psychischen Selbstbestimmung bin. Ich merke es, wenn ich auf der Suche nach einem Konzept, einer Idee, einem Stichpunkt bin, der mir erlaubt meine eigene Verantwortung an der uns zugefügten Qual sowohl anzunehmen, als auch gleichzeitig als “Unrecht” zu bezeichnen.

Wir wollen (und können) nicht einfach unseren Kopf aufklappen und einmal feucht durchwischen, um dieses uns gleichsam zerstörende- wie aber auch haltende (Normen- und) Wertesystem abzubauen.
Oft stoßen wir damit auf Unverständnis, stürzen unter Umständen hilfreiche Phrasen, die sich jemand vorsagt, um mit seinen Gewalterfahrungen zurechtzukommen um, wenn ich sage, dass wir nicht vergeben oder wie nun hier, dass wir die grundlegende Verantwortung für das was uns passiert ist, nicht als inexistent oder zu Unrecht auf uns abgewälzt betrachten (können) bzw. beides gleichzeitig gesehen haben wollen.

Würde ich anfangen Tätern eine Verantwortung im Sinne der Gesetzgebung zuzuschreiben, würde ich ihnen eine Schuld aufdrücken, die sie aber im richtigeren Kontext (der ursächlich für die Handlung war) schlicht nicht haben. Ja, würde ich zu einem Richter gehen- der einzig dem juristischen Recht der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist- käme es zu einem Schuldspruch. Doch würde ich zu einem Richter gehen, der den Gesetzen jenes pseudoreligiösem Konstruktes entspricht, wäre meine Anklage ein Fall für einen Schuldspruch!

Ja, liebe ultra-Schlauen da draußen, es ist völlig klar, dass hier jemand schreibt, der einer Indoktrination unterworfen wurde und der Gedanke, dass diese Worte hier stehen, weil wir mit viel Angst dazu gebracht wurden, so zu denken und zu vertreten, ist verständlich.
Doch bedenken Sie bitte Eines: jemand der schlicht Täterkonzepte- und Inhalte repliziert, der sieht nicht beide Welten.

Wir haben eure Welt gesehen.
Wir sehen sie und wir wollen in ihr leben, wie alle anderen Menschen auch- doch… wo wir die Täter und die ganze Gewalt in uns haben und sie nie werden ver-weg-geben können, da haben wir auch ihre Werte und ihre Konzepte in uns.

Unser Ziel ist kein Zustand in dem wir von einer Freiheit dieser Inhalte sprechen.
Das Ziel ist ein Zustand der Integration, sowohl dessen was in mir ist- als auch mit dem was um mich herum ist.

P.S. So viele Parallelen: Ich denke: Ich möchte beides gelten lassen können. Ich möchte alles (da)sein lassen dürfen.
Und irgendwie ist es wieder auch das Thema: Ich möchte eine Erlaubnis für mein Sein- mein auch so viel(e) sein wie ich- wir eben sind.

von der richtig echten Prävention von (sexueller) Misshandlung an Kindern

Mich treibt schon seit einer ganze Weile etwas um.
Es geht um die Frage, ob mir der Missbrauchspräventionskram genutzt hätte oder nicht.

Klar, machen wir uns nichts vor, diese Frage ist nichts weiter als eine Variation des “kleinen Warum?´s”. Immer wieder die Frage, ob es etwas gegeben haben könnte, dass mich davor hätte bewahren können, so verletzt und ausgebeutet zu werden. Und selbstverständlich immer mit dem lauernden Paar Augen dahinter, ob ich denn vielleicht einfach doch alles gewollt habe und Chancen, die sich eröffneten einfach ungenutzt ließ, weil ich es ja doch irgendwie toll fand von jemandem besessen zu werden. Etwas Besonderes zu sein. Ein besonderes Geheimnis zu haben.
Ich habe diesen Zug in mir, diesen arroganten Geltungsdrang. So ein Innen, das es schön findet für andere wichtig zu sein, sogar ein richtiger Leader zu sein und (be)geachtet zu sein. Vielleicht war das ja früher schon so und ich hab das Leiden angenommen, weil ich das Ergebnis so toll fand?

>Dann aber fallen wir mir Bilder in den Schoß, stolpere ich über Briefe und werde urplötzlich von Gefühlen der absoluten Angst und apokalyptischen Schmerzes überschwemmt. Dann sitze ich mal in einer Therapiestunde und merke, wie verdammt schwer es fällt, dort zu sitzen und einfach nur angeguckt zu werden. Was für eine Scham, was für ein Gefühl von Nacktheit dann wütet.
Und plötzlich weiß ich dann, dass keine Führerpersönlichkeit auf der ganzen Welt so einen Preis zu zahlen bereit ist, für so ein kurzes Gefühl der Bestätigung.

Ich schrieb die Frage an mein Innen, ob mit uns als Kind über sexuelle Misshandlungen gesprochen wurde, über Sex mit Erwachsenen, über Privatsphäre, über “gute und schlechte Geheimnisse”, gab es eine Aufklärung? Wurden Kinderrechte in der Schule erklärt?
Eine Antwort war: Nein.
Eine Antwort war: Wann denn?
Und eine Antwort war: Es gab im Fernsehen mal die Serie “Die Rechte der Kinder” , die hab ich mal heimlich im Fernseher von F. geguckt.
Meine Antwort war: Ich habe erst mit 16 gelernt, wie Babys genau entstehen, nachdem mich jemand gezielt fragte, ob ich das wüsste.

Als das Thema in der Grundschule dran war, waren wir “krank”. Als das Thema am Gymnasium dran war, wurde ich in der Stunde “krank”. Freunde, Verbündete oder Pausenhofgespräche zum Thema gab es nicht (und wenn doch, dann schätze ich mal ganz frech, wird genau dieses Thema der Grund gewesen sein, weshalb es spätestens DANN keine Freunde mehr gab).
Heute gibt’s richtige Projektwochen für die Kinder in den Grundschulen. Ob die Kinder in der Zeit fehlen dürfen? Gibt es eine Teilnahme- eine Informationspflicht? Gibt es eine Pflicht für Eltern solche Informationen an ihr Kind dringen zu lassen?
Ich schaute mir die Hefte der deutschen BZgA zum Thema Aufklärung, Missbrauchsprävention und Verhütung an und plötzlich wurde mir klar, wieso selbst diese Hefte uns nicht hätten vernünftig aufklären und helfen können.

Zum einen die Art wie ich Zugang zu ihnen fand.
Heute klickt man sich durchs Internet und findet schnell viele Informationen. (Wobei schon hinterfragenswert ist, wie günstig dieser Kanal bei dem Thema ist.) Besser finde ich persönlich, aber nachwievor die Papierform für solche Themen. Man merkt, dass es echt ist. Dass es ein echtes Thema ist und wichtig genug, um nicht nur als Textbild im Internet herumzuschwirren.
Aber wo genau bekomme ich Zugang zu solchen Heften in der Realität?
In der Regel genau dort, wo ich mich hinwende, wenn es schon zu spät ist. Beim Gynäkologen, in der Frauenberatungsstelle, beim Psychologen oder Berater, beim Rechtsanwalt, beim Jugendamt, bei der BZgA, vielleicht noch in der Bücherei (wenn ich mich denn traue “sowas peinliches” öffentlich anzugucken) oder meinem Arzt.
Niemals habe ich einen Flyer vom Frauenhaus, dem Kindernotruf oder überhaupt einem Sebstbestimmungsrelevanten Thema  in einer KiTa rumfliegen sehen, nie im Supermarkt oder an einer Bushaltestelle einen Aushang mit Notrufnummern (wobei hier schon ab und an Aufkleber der Notrufe auftauchen, um dann 3 Wochen später von der Stadtreinigung abgekratzt zu werden). Auf Kinderspielplätzen sehe ich immer nur Schilder auf denen steht, was für die Kinder verboten ist- nie was dort für die Erwachsenen verboten ist! In der Uni wird man (wenn man es drauf anlegt) mit feministischen Pamphleten zugeknallt- aber die Basics bleiben verschwiegen (das ist ja eh so ein Problem des Feminismus: heute sollte man mindestens studiert haben, um den Diskussionen noch folgen zu können).
Unsere Lebensrealität hingegen war so abgeschlossen, dass wir nirgends ein solches Heft hätten lesen können (und was losgegangen wäre, wenn wir sowas zu Hause gehabt hätten… allein die Idee wird mir von meinem Gehirn mit einem Schauer über den Rücken quittiert).

Zum Anderen die Sprache.
Teile meines Innenlebens haben bis heute keine Bezeichnungen für alle Teile des Körpers. Oder sie haben welche die von Tätern stammen. Oder sie haben welche in einer anderen Sprache als Deutsch. Oder sie wissen gar nicht, dass sie diese Körperteile haben. Oder ihre Angst ist so groß, dass sie nie in der Lage sind Zugriff auf das Sprachzentrum zu haben. Oder sie begreifen den Körper grundsätzlich nicht als etwas, das zu ihnen gehört. Diese Teile meines Innenlebens aber lebten mein Leben als Kind.
Es gibt so eine Phase in der Grundschule in der die Worte “Po” ” Pimmel” “Möse” DER Renner sind und über die man sich rund und eckig lacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir diese Phase auch mitgenommen haben. Aber ob es einen Bezug zwischen sich und diesen Worten gab? Schaue ich genau hin, sehe ich genau wieder die Spaltung wie in allen anderen Bereichen auch.

Die gesamte Aufklärung um das Thema sexueller Misshandlung und körperlicher Gewalt allgemein, ist hochgradig abhängig von einem Bezug des Kindes zu seinem Körper, als etwas das ganz allein (zu) ihm gehört. Bei uns ist genau dieser Bezug schon im Kindergarten weg gewesen. Schon damals war klar, dass der Körper immer und immer genau dem gehört, der ihn sich nimmt. Egal, ob er fragt oder nicht. Egal, ob es eine Zustimmung auf irgendeiner Ebene gibt oder nicht.

Was Erwachsene sagen ist immer Gesetz. Für Kinder gibt es da keine Alternative. “Die Großen” haben immer recht und man darf sie nicht hinterfragen.
Und eigentlich ist genau das noch der allergrößte Haken, der sogar noch mit am Liebsten unter den Teppich gekehrt wird, wenn es darum geht zu überlegen was Kinder (und ganz eigentlich alle Menschen egal wie alt sie sind) vor Missbrauch und Gewalt schützt.
Das Nein von Kindern (und Menschen die schwächer als andere sind) gilt Nichts!
Wir hier in Deutschland kommen uns wer weiß wie kinderfreundlich vor, weil wir unseren Nachwuchs durch die Schule gängeln fördern und erst dann körperlich arbeiten lassen und nicht wie in Indonesien, Indien und Afrika schon mit 5-6-7 Jahren hinter den Webstuhl oder die Nähmaschine stellen. Wir halten uns für superfortschrittlich und gnädig erbarmend wenn wir Gesetze schaffen, die Kinder als besonders schützenswert und hilflos (unmündig) gelten lassen. Doch unseren Umgang und unsere Haltung hinterfragen wir nicht!

Wir erwarten von Kindern stumm, tumb, brav und stetig uns gefallend zu sein. Wir tun das nicht mehr im Jahrhundertwendestil, indem wir ganz offen verlangen von ihnen mit “Herr Vater und Frau Mutter” angesprochen zu werden oder hinnehmen, dass sie in der Schule für falsche Antworten und als unangemessen bezeichnetes Verhalten körperlich misshandelt werden. Aber ganz subtil vermitteln wir Erwachsenen unseren Kindern auf so ziemlichen allen ihnen wichtigen Ebenen, dass sie nichts zu bestimmen haben und ihre Sicht der Dinge nebensächlich ist.
Der Kosmos von Kindern ist klein aus unserer Sicht und das Bisschen das sie haben, müssen wir noch unsichtbar machen, weil das kleine Bisschen uns Teile unseres Alltags unbequem macht.

Schönes Beispiel das klassisch schreiende Kind im Supermarkt.
Das Kind (sagen wir, es ist 4 Jahre alt) am Ende des Tages: total übermüdet, wird in den so ziemlich stressigsten (weil reiz- vollsten) Bereich des Alltags mitgeschlürt, weil den Eltern eingefallen ist, dass sie “noch schnell mal” was einkaufen müssen. Für die Erwachsenen sind es 20 Minuten. Für das Kind STUNDEN, die es seinen Körper wach halten, Reize filtern, Wünsche zurückhalten und obendrauf noch “lieb” sein muss.
Was macht das Kind? Es ist natürlich nicht mehr “lieb”, natürlich fängt es an zu quengeln und rumzunerven. Was machen die (meisten) Eltern? Sie sagen dem Kind es soll still sein; aufhören so ein Theater zu machen (mir ist ehrlich gesagt egal, warum sie das tun- ich weiß aber, es gibt genug Eltern die das machen, weil es ihnen schlicht peinlich ist “wenn das Kind so einen Terror macht”).
Sie bürden dem Kind ein Verhalten auf, das nicht dem Ausdruck seiner Verfassung entspricht. Und oft genug auch eines, dass ihrer kindlichen Biologie widerspricht (Stichwort “Schlaflern”programme für Säuglinge und Kleinkinder).>

Sie verlangen von dem Kind unsichtbar und ohne Stimme zu sein.

Und Erwachsene verlangen diese Unsichtbarkeit und Stummheit ständig von Kindern. Kinderzimmer sind meiner Meinung nach auch gerne mal Unsichtbarmachkammern. “Geh in dein Zimmer und denk nach, was du getan hast”. Fernsehverbote- meiner Meinung nach die effektivste Methode das Kind aus dem Wohnzimmer zu verbannen (es wieder unsichtbar zu machen). “Stille Treppen”- ja geht’s denn bitte noch offener? In der Schule heißt es nicht nur in der Stunde “Psst!”, oft genug heißt es das auch noch auf dem Pflaster des Schulhofs.

Wer gegen (sexuelle) Kindesmisshandlung sein will, muss für guten Umgang mit Kindern sein.
Wer (sexuelle) Gewalt an Kindern verhindern will, muss die Ursachen sehen, anerkennen und sein Verhalten modulieren. Aber diese Bereitschaft gibt es nicht überall.
Man muss sich klar machen, wie oft man Kindern vermittelt ihre Wort hätten kein Gewicht. Und dann ist auch ganz offensichtlich, wieso viele Kinder nicht gleich sagen, wenn ihnen jemand weh tut.
Warum viele Kinder sehr leicht in ihren Wunschäusserungen zu manipulieren sind. Warum sich viele Kinder schnell „an Fremde binden” und sich von ihnen abhängig machen bzw. ihnen ihre Wünsche erfüllen wollen.

Es wird zum Beispiel gewünscht, dass Kinder wenig fremdeln bzw. konträr zu ihrer Natur: früh damit aufhören- am Allerbesten gar nicht erst damit anfangen.
Fremdeln stört beim Abgeben in die Krippe, weil es sich kaum eine Familie noch leisten kann (und es auch gar nicht mehr als Luxus betrachtet wird!) sein Kind bis es 3 Jahre alt ist zu Hause zu haben und mit den gleichaltrigen Nachbarskindern spielen zu lassen, während man selbst den Haushalt macht und Zeit mit ihm verbringt. Fremdeln stört wenn man ausgehen will „endlich mal 6 Wochen nach der Geburt”. Fremdeln stört immer, weil man Kinder immer und überall in ihrem Sein als störend betrachtet.
Weil man aber Kindern ihr Sein nicht austreiben kann, wird aberzogen, was verhindert sie woanders hinzugeben. In diesem Fall die biologisch sehr sinnvolle Furcht vor allen Menschen die nicht Mama und Papa sind.
Und das passiert oft so gründlich, dass ein Kind eine enge Bindung zu auch einem es missbrauchenden Babysitter aufbaut und ihm gefallen will. Und wer teilt schon gern ein Geheimnis mit Menschen, mit denen man weniger oft spielt, lacht, weint oder allgemein einfach beisammen ist?

Mir schießen jedes Mal die Tränen in die Augen, wenn ich merke, wie viel Macht Erwachsene über Kinder haben und es nicht merken, nicht wertschätzen und verächtlich schnauben, wenn man es ihnen sagt.
Lehrer, Kindergärtner, Krippenerzieher, Ausbilder, Betreuer in einer Einrichtung… jeder Erwachsene der 8 Stunden pro Tag mit einem Kind zusammen ist, dass er nicht selbst geboren oder gezeugt hat, verbringt ein Drittel des Tages mit ihm. Das ist unter Umständen genau das Drittel des Lebens eines Kindes, dass es in relativer Sicherheit und Freiheit lebt, wenn es zu Hause Gewalt erlebt. Und was passiert in diesem Drittel ständig und wiederkehrend?
PSSST
Sei unsichtbar und still, damit du ein normaler, leistungsstarker, gesellschaftsfähiger Mensch wirst!
Aber- wenn was ist, kannst du es ruhig sagen.
Ein Doublebind, wie ihn MisshandlerInnen ebenfalls gern einsetzen.

Woher zum Geier sollen Kinder so sicher wissen, wann sie etwas (aus)sagen dürfen und wann nicht?! Wann ihnen zugehört wird und wann nicht? Wieso sollen die Kinder das überhaupt wissen? Wieso müssen nicht wir Erwachsenen dafür sorgen, dass die Kinder jederzeit und immer und alles sagen dürfen und können was sie umtreibt- ohne groß nachzudenken?

Wieso verstecken wir uns hinter großen Präventionspaketen aus Plakaten, Ausmalbildern und Phrasen, wenn der Grundstein nämlich die offene Kommunikation und die sichere Bindung noch immer nicht gegeben ist? Nicht möglich ist, weil nicht finanzierbar und oft genug gesellschaftlich nicht als selbstverständlich anerkannt ist? Nicht einmal da, wo die Hilfe walten soll, wenn alles schon zu spät ist!

Wieso gibt es Schleifen gegen Kindesmisshandlung, aber keine Schleifen für den richtigen Umgang mit Kindern? Wieso gibt es Projektwochen für Kinder in denen sie im Rollenspiel mit anderen Kindern (! nicht Erwachsenen!) lernen “Nein” zu sagen, aber keine Projektwochen für Eltern, gratis zum Windelpaket von Pampers, in denen sie lernen, mit ihren Kindern genauso offen und rücksichtsvoll umzugehen, wie sie es sich im Umgang mit anderen Erwachsenen wünschen?

Wissen wir Erwachsenen überhaupt wie wir selbst behandelt werden wollen? Merken wir das überhaupt noch? Und wenn ja: Setzen wir das dann überhaupt durch?
Wie oft legt ein Vater sein Kind übers Knie, weil er selbst übers Knie gelegt wurde und ihm auf die Schnelle keine andere “Strafe” einfällt? (Für ein Verhalten, dass er nur deshalb als bestrafenswert einschätzt, weil er selbst es als “eine Strafe rechtfertigend” vorgesetzt bekam oder von der grauen Masse, die wir oft alle lapidar als “die Gesellschaft” bezeichnen, vorgeschrieben bekommt!)
Wie oft quälen Mütter ihre Töchter in Essstörungen, weil sie ihren eigenen Missbrauch mit Nahrungsmittelfixierung und strikter Kontrolle aller Lebensbereiche kompensieren, ohne es bewusst zu haben?

Es ist so schräg. Fast bin ich dankbar, dass mich meine Geschichte so derartig hat selbstgefährdend werden lassen, dass es unübersehbar wurde. Dass meine Not in seiner Sprache nicht mehr unsichtbar gemacht werden konnte.
Um zurecht zukommen muss ich mich stellen, mir bewusst machen, was welche Gefühle und Affekte in mir auslöst. Mir wird mit diesem Artikel sehr deutlich, was mir- uns früher sehr viel mehr geholfen hätte, als jede aufklärende Präventionsmaßnahme.

>Wir brauchen echte Philanthropie in starken eigenverantwortlichen Erwachsenen, die mutig sind und Kinder als Mitmenschen wie sie selbst sehen können und wollen.
Solche Menschen hatte ich einfach leider nicht in meiner Umgebung. Ich, als Kind, habe alle meine Energie in meine Zerstörung gebracht, weil es sich nicht gelohnt hätte, sie weiter an die Erwachsenen in meiner Umgebung zu richten.

Heute ist, im Zuge dieser schiefen Präventionierei, wenigstens das nicht mehr Tabuthema und damit dann doch schon ein kleiner Erfolg. Man weiß um die Folgen von (sexueller) Misshandlung.
So ist zwar das ursächliche Leiden nicht präventioniert, aber wenigstens ein bisschen der Tod dadurch.

Mehr als das was es mir half, hätte das derzeitige Präventions- und Aufklärungsmaterial also nie helfen können.
Ich hätte also auch mit vollem Zugang und vollem Sprachvermögen nicht wirklich mehr Chancen auf eine Rettung gehabt.