Stigma, Enigma und was Outings eben nicht schaffen

In meinem Traum kamen die Worte ganz flüssig und glatt. Sie strömten aus mir heraus und schmiegten sich perfekt an das Denken meines Gegenüber an. Das war ein Reden übers Nichtheterosein, NichtFischnichtFleischnichtSojabratling-schlicht nicht konsumier-vereinbar_t_barsein. Das war ein Reden, das genau gemacht hatte, wofür Sprache, Worte, Kommunikation da ist.
Das war ein Traum, dessen Schmerz mit dem Aufwachen kam und auf seine Art weniger als 100 nicht heilende Wunden beim Bluten begleitet.

Anfang der Woche gab es eine kurze Spitze von Steinmädchen um den Tumblr “Ich bin in Therapie”. In meinem privaten Umfeld habe ich mich als queer ~~~ lesbische Person geoutet, die aus Angst und Unwillen zur Rechtfertigung des eigenen Seins vor ebenfalls jüdischen Menschen nicht in eine nichtliberale Gemeinde konvertieren will.
Ich habe mich in der letzten Woche mehrfach als schwerbehinderte Person und mich vor mir selbst als überfordert, müde, kaputt, schwach, kämpfend und ungerächt geoutet.

Man sagt das immer so: “geoutet”, dabei komme ich eigentlich aus gar nichts raus, sondern nehme die Hände aus den Taschen und trage kurzärmlig; spreche offen und ehrlich, statt meine Füße zum Vermeidungstänzchen zu schwingen.
Ich verwende keine soziale Enigma mehr, um mit diesem verschlüsselt, verdrehten Ich bei irgendjemandem als normal* anzukommen.

Mein Eindruck ist, dass “die Alten”, die heute die 50 bis 60 hinter sich haben, die Flucht nach vorn gut überstanden haben. “Ich bin schwul/lesbisch/anders als andere und bin trotzdem toll/ das ist gut so/ hat jede/r* zu akzeptieren!”. “Jede/r ist wie er/sie ist und das muss man tolerieren.”, “Alle können machen, was sie wollen…”. Einige (viele? die, die ansonsten eh schon eher privilegiert sind?) haben trotz ganz viel “trotzdem” ihre Positionen in der Gesellschaft ™ erkämpft und es geschafft, sie sich nicht abtrotzen zu lassen.

Ich habe das Gefühl heute nicht vorne flüchten zu können, weil da dauernd schon irgendjemand steht und mir erzählt, was ich da gerade tue und wieso und was das _eigentlich_ bedeutet und für Folgen für die ganze Welt haben kann.

Ich sage zum Beispiel: “Hey hm, ich glaube nicht, dass ich es verkraften kann, mich mit anderen jüdischen Menschen über mein lesbisch queer irgendwas sein, als “Entscheidung gegen G’tt” zu unterhalten.” und die Reaktion ist: “Hey ja hm, kenn ich, aber Homosexualität…”
What the fuck?! Ich rede über mein Sein- meine Identität, mein Ich und nicht nur über meine Sexualität. Wieso bestimmst du mein Thema?
Jedes Mal- auch gerade, wenn ich meine Schwerbehinderung erwähne, wird von mir ein “Aber ich komme gut zurecht” erwartet. Ein “trotzdem ist mein Leben prima”.
Nein, das ist es nicht. Die ganze letzte Woche war für mich so anstrengend, so zehrend, so mürbend und schmerzhaft, von Peinlichkeiten und dem Gefühl einfach nie zu genügen bestimmt – wer zum [piep] würde nach so einer Woche auf eine Erwähnung von Hilfebedarf ein “Aber eigentlich ist alles toll” nachschieben?!

Ich habe bei diesem bescheuerten Anti- Stigma- Tumblr sofort daran gedacht, dass sich so einen Quatsch nur Menschen ausdenken können, die randomly mitstigmatisiert werden. Zum Beispiel PsychologInnen*, PsychotherapeutInnen* und MedizinerInnen*, die, weil sie den ganzen Tag mit “Kranken” und Irren zu tun haben, selbst als “irgendwie krank” und irre gelten.
Die brauchen die Entstigmatisierung der “Kranken” und Irren, damit sie es selbst schön gemütlich haben in ihrem Nest aus Deutungshoheiten und RetterInnen*keksen ans Bett.

Wer heute noch glaubt, dass Entstigmatisierung damit beginnt, dass sich Stigmatisierte, als stigmatisiert zu erkennen geben- Wer heute noch glaubt, dass das “sich selbst outen” und offen mit seinem Sein umgehen, zur Folge hat, hat nichts mehr verborgen bleibt, der irrt und hat seine eigene Enigma laufen.
Jemand, den man ausgrenzt, hat man ausgegrenzt – ihn also in eine andere Sprache übersetzt, ihn rassiert; ihn klassiert, darüber degradiert und diskriminiert. Zu glauben, jemand, der einem in einer als fremd markierten Sprache sagt: “Du stigmatisierst mich- lass das mal!” würde schon richtig verstanden werden, grenzt an ein Maß von Ignoranz, das sich nur erlauben kann, wer davon keinen Nachteil zu erwarten hat.

Ich hätte mit meinem Sein weniger- vielleicht auch gar keine Probleme, wenn es nicht immer wieder in Abgrenzung zu anderen Menschen bzw. einer (angeblichen) Mehrheit konstruiert würde.
Anti- Diskriminierung, Anti-Stigmatisierung funktioniert nicht über das Gleichheitsprinzip, nicht über Toleranz und Mehrheitlichkeitsymbolik, sondern darüber, schlicht nicht zu diskriminieren bzw. zu stigmatisieren.
Die Ausgegrenzten™ immer wieder dazu zu bringen bzw.. dazu bringen zu können, sich vor Menschen, die mittendrin sind, zu outen, sich zu öffnen ist ein Privilegmarker. Die Äußerung anderer Menschen darüber, schwul/lesbisch/queer/ “irgendwie anders als, das was die Mehrheit ist/tut” zu sein, zu einem Outing, einer Offenbarung – einem Ereignis, das für andere Menschen als jene, die es äußern passiert- zu machen, ist bereits ein Akt der Ausgrenzung.

Ich habe diese Gedanken auch oft, wenn ich mich als Opfer von organisierter Gewalt sichtbar mache.
Ständig ist da dieses Gefühl, dass es als Outing oder Geheimnis aufgefasst wird, weil mein Gegenüber noch nie oder nicht oft, oder tatsächlich nur im Geheimen mit anderen Opfern organisierter Gewalt zu tun hatte.
Als wären Mobbing, Stalking, jeder verdammte Shitstorm nicht auch eine Form (mob)organsierter Gewalt. Als sei Opferschaft etwas, das man nicht als Selbstbezeichnung haben kann und/oder nicht auch in gewisser Weise zum Selbstbild zugehörig empfinden kann.
Jeder Mensch ist schon einmal zu einem Opfer geworden. Jeder Mensch auf diesem Planeten unterliegt jeden Tag einer Macht/Kraft/ Gewalt, die über den eigenen Möglichkeiten liegt.
Man muss Opferschaft nicht zu einem extremen Paradiesvogel menschlicher Selbstpositionen machen. Sie ist – losgelöst von juristisch/staatsgewaltiger Machtsysteme-  so normal* wie TäterInnen*schaft.

Ich bin es leid mich gleich machen zu sollen.
Ich bin nicht gleich mit anderen Menschen und habe noch nie zwei genau gleiche Menschen getroffen.

Für mich bedeutet das in Bezug auf Antidiskriminierungsarbeit, wie auf Antistigmatisierungsarbeit, sich genau zu überlegen, was man eigentlich ansprechen will. Was sagt uns denn “Ich bin in Therapie”?
Da geht’s nicht darum seelisches Leiden als Norm zu markieren und Psychotherapie als Option damit umzugehen, was meiner Ansicht nach viel sinniger wäre- sondern darum, das Stigma ganz gezielt nicht im Kopf der Stigmatisierenden zu suchen. Was wiederum wem nutzt?

Eben.

Wer das Blut aus den Stigmata der Stigmatisierten schon nicht sehen kann, sehen will  und seinen Anteil an der Verletzung der Stigmatisierten immer und immer wieder verleugnen kann und darf, der ist nicht der richtige Mensch um über ein Ende dessen zu sprechen.
Ganz einfach.

kein Heterro Küsschen

RegenbogenflaggeIch glaube, ein Coming out like: “Ta daaa Ich liebe lesbisch*-dings irgendwas anderes als Heterro Küsschen” hatte ich nicht und inzwischen bin ich sogar ganz froh drum. Mein Leben ist inzwischen so offen, dass ich nicht versteckt sein muss.
In der letzten Zeit allerdings hatte ich einige ziemlich schräge Gespräche übers Lesbisch*sein.

Wobei- nein- eigentlich habe nur ich über das Lesbisch*sein gesprochen- die Menschen in den Gesprächen haben über Homosexualität gesprochen.
Vielleicht hab ich meine Minicomingouts in der Vergangenheit auch deshalb immer irgendwie nicht “echt” empfunden- irgendwie ging es immer nur um Sex. Als würde die Gestaltung meines Sexlebens allein das Label “lesbisch” bereits füllen.
Ich empfinde das nicht so, denn für sexuelle Lust und Befriedigung brauche ich nicht einmal einen anderen Menschen.

Ich habe meine Jugend in Kliniken und Jugendhilfeeinrichtungen verbracht. Im Alter zwischen zwischen 15 und 18 habe ich genau ein Mal masturbiert und wurde dabei auch noch erwischt. Privatsphäre gabs da eben nicht und meine Medis haben haben mir so oder so meine Libido und auch die Erregbarkeit gekillt. Trotzdem war ich damals bereits “lesbisch*-dings irgendwas anderes als Heterro Küsschen liebend” und wusste das auch. Ich hab mich zu der Zeit – obwohl ich exakt 0 Mal Sex und 0,5 Freundinnen hatte, für mich selbst sehr klar positioniert- obwohl ich für meine Umwelt als eine Art geschlechtsloses Neutrum gelten musste. Auch das ist Teil von Gewalt in Institutionen: die Sexualität und das sexuelle Begehren ist ein Tabu hoch zehn, obwohl gerade Menschen, die eben mehr als Heterro Küsschen lieben, das weitaus höhere Risiko haben in eben genau deshalb in Einrichtungen zu landen.

Und, weil die Sexualität von PatientInnen* so ein Tabu ist, ist meiner Meinung nach noch immer so einiges schief an der psychiatrisch/psychologischen Diagnostik und auch Behandlung, obwohl das Ausüben von homosexuellen Handlungen heute keine Diagnosenkatalogziffer mehr hat.

Nehmen wir an, dass ich mit 14 genau deshalb durchgetillt bin, weil ich merkte, dass diese meine erste Verliebung in meine Musiklehrerin mit dem Wunsch nach körperlicher Nähe einherging und dieser in meinem Kopf aber durch die sexualisierte Gewalt im Leben außerhalb der Schule belegt war.
Nehmen wir an, ich hätte gespürt, dass der gesamte Rest meines sozialen Umfelds ausschließlich heterosexuell und irgendwo zwischen cis und “mittel” geschlechtlich orientiert war.
Wie groß ist da die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Depression aufgrund von Lebensumständen, in denen weder mein Begehren noch meine queere (genderfluide) Selbstwahrnehmung Raum und Akzeptanz erfuhren, hatte (jetzt mal ganz davon ab, dass es niemandem gut geht, der durchgehend misshandelt wird)?
Ich erinnere mich nicht, je danach gefragt worden zu sein in diversen Aufnahmegesprächen und Kriseninterventionen. Ich wurde gefragt, ob ich einen Freund hätte oder gehabt hätte und mit ihm Sex gehabt hätte.
Ich sagte nein. Überraschung.

Mit 15 schluckte ich Antidepressiva. Mit 16 kamen Neuroleptika und Benzodiazepine dazu.
Mit Anfang 20 setzte ich alles ab. Woa hatte ich plötzlich Spaß mit diesem Dings zwischen meinen Beinen!
Es war niemals für irgendjemanden ein Problem oder eine Frage, dass ich weder sexuelle Gelüste hatte noch Erregung fühlte, noch tatsächlich fähig zum Orgasmus war. Natürlich steht das alles in den Nebenwirkungen dieser Mittel, aber niemand hatte je danach gefragt. Es war klar, dass ich sexualisierte Gewalt erlebte bzw. erlebt hatte. So sprachen wir auch nie über Sex und meine quasi chemische Kastration mitten in der Adoleszenz wurde nie zum Thema.

Irgendwie ist das auch eh so eine Art Themen-Magie: “Oh ehemaliges Opfer von sexualisierter Gewalt – lass uns lieber über Blümchen, Politik und Religion sprechen, als über Lust und Begehren.”.
Ein bisschen ist es dann doch noch immer so, dass viele Menschen denken, eine Vergewaltigung wäre “irgendwie was mit (hetero) Sex, aber irgendwie nur nicht ganz so freiwillig” oder aber denken, sexualisierte Gewalt würde Lustfähigkeitenzerstörung bedeuten.

So nehmen auch noch immer Menschen an, ich hätte meine Vorliebe für alles andere als Heterro Küsschen gewählt, weil mir Sex mit Männern zu viele Erinnerungen hochholt oder ich alle Männer für Gewalttäter halte. Nicht merkend, was da eigentlich für ein seltsames, Frauen als TäterInnen unsichtbar haltendes, Stigma mitwirkt und was mir alles an Differenzierungsfähigkeit abgesprochen wird.
Mal abgesehen davon: Hallo Heteras dieser Welt- warum habt ihr euch denn bitte für eure heterosexuellen Vorlieben entschieden? Wenn ich nachher Kuchen kaufen gehe, muss ich mir auch mal noch überlegen, wieso ich Kirschkuchen einfach lieber mag als Bienenstich und wann und warum ich mir das ausgerechnet so überlegt habe.

Ich finde Frauenkörper schöner, ich mag Frauenstimmen lieber, ich bin lieber von Frauen umgeben, mag die Kopfinhalte von Frauen lieber. Ich fühle mich unter Frauen wohler, selbst dann, wenn es ein Haufen gemeiner fieser Frauen ist. Das heißt nicht, dass ich Männer und Männer* hässlich, abstoßend, unangenehm und dumm finde. Da bewegt sich nur nicht das Gleiche in mir drin. Ich kann Männern nicht auf gleiche Art nah und verbunden sein, einfach, weil da dieses eine Fünkchen fehlt, dass ich bei Frauen und Frauen* gar nicht suchen muss.

Gestern habe ich eine zum orthodoxen Judentum konvertierende Frau kennengelernt.
Das sind mir ja Themenbereiche, in denen ich am liebsten über mein Lesbisch*-dings rede.
Nicht.
Nicht nur, dass ich hier mich hier in unserer Stadt gar nicht erst traue um Eingemeindung zu bitten, weil es sich nicht um eine reformierte oder liberale, sondern eine Einheitsgemeinde handelt (und ich mich ergo auch nicht „richtig jüdisch“ fühle) – sondern, weil gerade (tschuldigung) KonvertitInnen* wie die Frau, so so so sehr an den Worten, die uns über Jahrtausende hinweg durchgehend von Männern* übersetzt und interpretiert und weiter getragen wurden, hängen und noch so komisch anders nichtjüdisch (tschuldigung ich kanns nicht anders ausdrücken) rezipieren und ich Angst habe in meiner Konversion hier in diese Gemeinde hinein, genau nur noch davon umgeben und damit konfrontiert zu sein.
Und dann nur noch Dinge zu hören wie:  “G’tt spricht alle seine Geschöpfe als Männer an”. Ich konnte nicht anders als zu denken: “Orr und du glaubst echt G’tt weiß nicht, dass Männer und Frauen und Intermenschen und Transmenschen und irgendwie noch anders gewachsene und entwickelnde und blühende und sprießende Wesen geschaffen sind?” Ich fühle mich von G’tt als Teil der Schöpfung angesprochen. Fertig.
Die Frau fragte mich, ob ich glaube, dass G’tt mich so (lesbisch*) gemacht hat. Sie sagte, Homosexualität sei im Judentum verboten. Ich hab mich aufgespießt und schlecht gefühlt.

Ich verstehe nicht, wie man aus Religionen immer wieder ein Korsett aus Strafen und Verboten klöppeln kann. Mag sein, dass sich Menschen eingeengt fühlen; dass es ihnen wichtig ist, ihr Leben von Werten und Richtlinien, die sie selbst stecken und wahrnehmen zu führen; dass es ihnen pupsegal ist, was der Papst zu Kondomen meint und; dass religiöse Tradition und die damit einhergehende Kultur als steinzeitlich und realitätsfern empfunden werden. Ich habe inzwischen für mich gemerkt, dass in jeder Religion Platz für Zweifel und Selbstbestimmung ist. Manche Strömungen aus größeren Religionen sogar direkt davon profitieren und sich daraus entwickelt haben. Ich glaube nicht, dass wir sonst offen lesbische RabbinerInnen* oder BuddistInnen* im Maßanzug oder offen schwule christliche PredigerInnen* mit Ehemann hätten.

Letztlich geht es immer darum sein Leben mit so viel Befriedigung wie es nur geht zu leben. Das bedeutet neben körperlicher Befriedigung eben auch seelische und geistige Befriedigung und also folgte ich meinem “lesbisch*-dings irgendwas anderes als Heterro Küsschen” – Gelüst und fand was mein Herz begehrte. Was für eine Macht sollte mir solche Gelüste zu empfinden erlauben, mir aber verbieten ihnen zu folgen und fordern ihnen abzuschwören? G’tt, Schöpfung, Leben ist nicht sadistisch – Menschen, die religiöse Schriften übersetzten, interpretierten und lehrten hingegen des Öfteren.

Und wo wir gerade bei Sadismus und menschlicher Natur sind:
“Toleranz und Vielfalt = schwul dings äh lesbisch äh äh hm äh DINGS! und behindert auch! Hmmmm und „farbig“ und Migrationshintergrund!”

Ich bin nicht tolerant. Ich mag Toleranz nicht, weil Toleranz nicht bedeutet, die Dinge so wie sie sind anzunehmen und ein Leben mit ihnen zu gestalten, sondern in aller Regel, die Dinge so wie sind zu bewerten und dann gesellschaftlich konform zu missachten bzw. zu ignorieren.
Deshalb kriege ich auf CSDs die Krätze, die so unfassbar Toastbrotschwul sind und in einer Tour von Toleranz schwadronieren. Ja, als weißer Schwuler kann man sich durchaus hinstellen und mit wehenden Regenbogenflaggen an alleinerziehenden Lesben mit HIV in Mobbingkontexten vorbeischreiten. Kann manN tun. Kann manN aber eben auch als Hetepastete tun. Der Schwule kriegt aber weniger dafür vor den Bug, weil ihm sein Schwulsein synonym für “super tolerant” ausgelegt wird.

Die gleichen Diskriminierungs- und anderen Gewaltdynamiken, die sich in patriarchalen wie kapitalistischen Kontexten zeigen, verschwinden nicht durch den lauwarmen Einfluss der schwullesbischenalleswasandersalsheteroist- “Gruppe”. Fast mag ich sagen: “Im Gegenteil”, denn sie treffen mich viel schmerzhafter, wenn ich mich in dieser Gruppe” dem ausgesetzt fühle, weil ich naiverweise immer davon ausgehe, dass doch jede/r* ohne Hetenhintergrund sich genau damit auseinandersetzt oder auseinandergesetzt hat.  Aber nein- guck an- Nichthetesein schützt nicht vorm Arschloch sein. Auch eine Lektion auf die ich auch gerne verzichtet hätte.

Nichtheterosexualitäten und Nicht- oder noch ganz Anderssexualitäten zu tolerieren ändert nichts daran, dass die Erfüllung meines Kinderwunsches voraussichtlich eine der größten Kämpfe meiner Zukunft wird.
Bedeutet nicht, dass Gewalterfahrungen wegen der sexuellen Präferenz weniger werden oder gar ausbleiben.
Bedeutet nicht, dass mir und tausenden, Millionen anderen Menschen, in Frage gestellt wird, was für Heten nie auch nur einen Gedanken wert ist.
Bedeutet nicht, dass bestehende Diskriminierungen aufgelöst werden.
Toleranz ist ein Feigenblättchenbegriff, der exakt nur jene genug bekleidet, deren Nacktheit nur sie selbst schocken würde. Nämlich genau deshalb, weil sie erst auf diese Art nackt erkennen können, dass sie sich in nichts, aber auch gar nichts von den Menschen unterscheiden, deren Lebens- und Liebensweisen, sie sonst so gerne wegignorieren.

Es ist schon eine Weile her, dass ich mal wegen meinem lesbischen Begehren direkt blöd oder hasserfüllt angesprochen wurde.
Täglich fühle ich mich aber von dem was MedienmacherInnen* als lesbische Repräsentanz einsetzen, blöd und hasserfüllt angesprochen. Ich sehe ständig Bilder die lesbisches Leben auf die Sexualität runter reduzieren, Kultur absprechen und immer wieder an heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit orientiert sind.  Safer Sex für lesbische Frauen*? Kein Thema offenbar.
Jedes Outing eines Schwulen wird beklatscht – outet sich eine Lesbe, oder schlimmer noch!: “erhebt ihre Lebens- und Liebensform zur Normalität” gibts was auf die Pfoten. 

Und überhaupt kotzt mich an, dass jedes sexuelle Dings mit einem Menschen des gleichen Geschlechts gleich mit gleichgeschlechtlicher Liebe steht. Weil, because of NO.
Den “Kuss der wahren Liebe” den gibts nur bei Disney und den Kuss/ den Sex der ALLES bedeutet- oh heavens to betsy, wenns den gäbe, dann wäre unsere gesellschaftliche Haltung zu Sex eine ganz andere.

Das Label bedeutet für mich so viel mehr, als ich in den Medien ™ und manchmal auch von den schwullesbischenalleswasnichtheteroist*- Communitys so sehe.
Es ist ein Stück Identität. Ein Teil von mir als Einsmensch.
Eines, das, wie man sieht, viele Bereiche in meinem Leben neben all dem was da noch so drin ist berührt und manchmal auch belastet.

viel Einfalt bei Maischberger

Gänseblümchen2 Gibt es eine Möglichkeit die 60er Jahre nachzuempfinden? Oh ja- einfach mal dem Ersten dabei zusehen, wie er versucht sich dem Thema sexueller Vielfalt anzunehmen.
Gestern Abend bei “Menschen bei Maischberger”, gab es wieder eine Gelegenheit dazu. Unter dem, zumindest übers Internet, heiß diskutierten Titel “Homosexualität auf dem Lehrplan- droht die “moralische Umerziehung”?” sprachen der offen schwule gesundheitspolitische Sprecher der CDU Jens Spahn, die Travestiekunstfigur “Olivia Jones”, die Autorin Hera Lind, die Journalistin Birgit Kelle und Hartmut Steeb, der Generalsekretär der “evangelische Allianz” miteinander.

Ich hab mir die Sendung angesehen und zwischen “arrgh” und “äääächtz” und “noooiiiin” und “Boa geh weg du…” einen schweren Seegang empfunden.

Klar, sind solche Sendungen nicht der Hebel, der die Welt aus den Angeln hebt und natürlich war es wieder so klar, dass der Altersdurchschnitt (immerhin sind wir im Ersten) irgendwo in der Mitte des Durchschnittsalters von Deutschland liegt und jaaaa, es war auch sehr klar, dass es wieder keine offen lebende Lesbe, kein Mensch mit Transidentität, kein offen A- oder Pansexuell positionierter Mensch dort aufs Sofa schafft; dass das Konzept der Queerness nicht genannt wird und ach… das strahlend reine weiß aller Gäste- ph selbstverständlich.
Es geht darum, ob sexuelle Vielfalt in der Schule als Teil der Norm vermittelt wird und das Fernsehen pickt sich das Stück Norm raus, was am Genehmsten ist.

Ich hab keine Lust diesen ganzen Dreck nochmal wiederzugeben- und ja- es ist Dreck. Auf vielen Ebenen und mit viel zu wenigen Stellen an denen ich zustimmend nicken konnte.
Travestie ist nicht Transidentität/ Transsexualität, sondern Kunst. Die freie Entscheidung eines Menschen ein anderes Geschlecht dramaturgisch aufzugreifen und umzusetzen. Der Auftritt von Olivia Jones, hat Menschen mit Transidentität eher geschadet als geholfen- so sinnig ihre Beiträge zur Diskussion auch waren.

Jens Spahn ist ein offen lebender Schwuler, der es sich leisten kann, offen schwul zu sein. Viele tausend andere können das nicht- er wird nie derjenige sein, der das nach außen vertritt.
Mal abgesehen davon ist lesbisches Leben noch einmal ein ganz anderes, als schwules.

Birgit Kelle rechtfertigt ihre verachtenswerte Ignoranz mit einer Wortklauberei um die Begriffe “Akzeptanz” und “Toleranz” und argumentiert nicht sauber recherchiert. Peinlich.

Hera Lind fragt sich, wieso sich alle so aufregen (und haut damit ebenfalls in die Schneise der gesellschaftlichen Ignoranz für all jene Menschen, deren Verbindung zu Menschen, die nicht heteronormativ leben/wahrnehmen, nicht die ihre ist). Unangebracht auf vielen Ebenen.

Hartmut Steeb schießt den Vogel ab und kräht nach dem Kindeswohl, kurz bevor er Homosexualität als unnatürlich degradiert.
Homophob.
Irgendwann wird die gesamte Debatte von ihm als “überdreht” bezeichnet und die Ehe zwischen Mann und Frau- ja sogar der Fortbestand der Menschheit als bedroht eingestuft, nachdem der Schluss gezogen wird, dass Identität nicht anerziehbar sei. (Das war dann der Punkt an dem ich als Zuschauerin die Absurdität der Argumentation als überdreht empfand).

Bei mir blieb so ein Ding hängen, das Frau Kelle gerissen hat- ich mein- sie hat eine Menge gesagt, an das güldene Facepalmen zu tackern sind, aber da war der Nebensatz: “Es ist mir doch egal (was für eine Sexualität jemand hat)”, den ich wirklich gerne fett markiert aufgegriffen gehabt hätte.

Denn nein- es ist eben nicht egal. Das ist ein verlogener Satz- denn wenn es ihr egal wäre, dann hätte sie nicht da gesessen.
Wenn es wirklich egal wäre, dann würde “Elternrecht” nicht bedroht gesehen werden, weil in der Schule dann nichts einschneidend Wichtiges vermittelt wird.
Wenn es wirklich allen (cis- sexuellen) Menschen da draußen egal wäre, wie sich andere Menschen wahrnehmen und ihr Leben gestalten, dann würden wir ganz anders miteinander leben.

Am Ende blieb der Konsens, dass die Debatte noch nicht zu Ende sei, worin ich zustimme.
Ich aber wünsche mir eine andere Art Debatte. Es geht um Identität- nicht darum, wie wer mit wem wo und wann Sex hat.
Es geht darum einander frei und wertschätzend zu begegnen. Das fehlt der Debatte meiner Meinung nach als gemeinsame Grundlage bzw. gemeinsames Anliegen. Mit dieser Maischbergersendung wurde vorallem transportiert, dass es okay ist, wenn Hass im Fernsehen verbreitet wird und sich Minderheiten gefälligst selbst zu schützen haben. Ein Fail deluxe.

Ich denke: So lange es Eltern gibt, die ihren Kindern nur eine ausgesuchte Norm präsentieren, die es verdient hat, frei und wertschätzend wahrgenommen zu werden, so lange besteht der Bedarf, dass Bildungseinrichtungen die Vermittlung des gesamten Normspektrums übernehmen. Genauso wie es wichtig ist, als BloggerIn, als JournalistIn, als AutorIn, als KünstlerIn… als Mensch von nebenan, das Spektrum der Norm aufzuzeigen, zu kultivieren und nicht zuletzt offen und frei zu leben, welche das Fernsehen mit solchen Sendungen ausgrenzt.

Solange “Vielfalt” kein Synonym für “Norm” ist, ist es eben nicht egal!

Ein guter Artikel zur Sendung erschien auch auf queer.de. Leseempfehlung!

masculum-feminam humana

“Sag mal- wie ist das eigentlich für dich, wenn der Körper menstruiert?”
Toll- das hat man davon, wenn man Gemögten erlaubt, einfach zu fragen, wenn sie was fragen wollen…
Ich oute mich in diesem Artikel mal als das, was ich bin: ein Mann

Ich bin ein männlicher Anteil einer Psyche, die in einem biologisch weiblichen Körper steckt.
Was so paradox klingt, ist eigentlich total normal.
Und irgendwie logisch. Also immerhin haben alle Menschen auch Brustwarzen, weil die “biologische Entscheidung” zum Geschlecht des Menschen später, als die Anlage zu Brustwarzen kommt… und naja- wenn man davon ausgeht, dass Leben in erster Linie Metabolismus ist… dann  ist doch irgendwie auch logisch, dass alle Menschen auf dem ganzen Planeten schon von Natur aus auch männliche Anteile haben müssen. Denn für eine Entscheidung brauchts die Möglichkeit zu wählen.
Hm- Mist irgendwie klingt das nach einer Rechtfertigung für die Weigerung sich sämtliches Körperhaar abzusäbeln und schlunzige Jogginghosen zu Holzfällerhemden zu tragen. Aber das soll sie eigentlich nicht sein.
Ich nehme mich als Mann wahr, habe dieses Selbstbild von mir und werde auch von Menschen aussen  als Anteil “der mit von eher als männlich bezeichneten Eigenschaften behaftet ist” wahrgenohmmen. Also einfacher ausgedrückt: ich passe eher in das Bild, das man vom Klischeekerl hat, als von der Klischeetussi von dem ausgehend, was ich so mitbringe.

Eigentlich total interessant, wie ich so betrachtet werde und was mir so auch entgegen gebracht wird, wenn ich mich als männliches Innen zu erkennen gebe.
Irgendwie ist da ganz automatisch so eine Selbstverständlichkeit, dass ich voll der harte Kerl bin, mindestens ein Beschützer im System, ein Handwerker oder so- voll stark, frech und großmäulig. Vielleicht irgendwie auch ein Weiberheld oder so.
Aber das bin ich nicht. Ja es gibt bei uns auch männliche Innens, die so sind- aber es gibt auch weiblche Innens, die so sind!
Die Zugehörigkeit der Geschlechter läuft bei uns wirklich nur über so eine Gefühlsschiene. So nach dem Motto: “Ich fühle mich männlich, also bin ich männlich. Ich fühle mich weiblich, also bin ich weiblich. Ich fühle mich ungeschlechtlich, also bin ich ungeschlechtlich.” Jeder eben so wie er sich fühlt.

Kann ich den Körper einfach so annehmen? Nein- natürlich nicht.
Aber die weiblichen Innens können das auch nicht einfach so.
Wir haben inzwischen so ein Stadium des (mehr oder weniger zähneknirschenden) Hinnehmens erreicht und das ist schon ganz okay so. Vor vielen Jahren war ich noch ziemlich krass in Sachen Verleugnung und Unterdrückung der körperlichen Weiblichkeit. Aber nicht, weil ich sie als solche irgendwie schlimm fand oder triggernd oder so (so wie andere Innens bei uns), sondern weil ich doch irgendwie dieser äusseren Rollenkiste von Männlichkeit entsprechen wollte.
Ich hab mal überlegt, ob mir jemals ein Mensch so richtig direkt mal gesagt hätte “Ein Mann macht aber dies und das” oder “Jungs müssen dieses und jenes”- nee das ist nie passiert. Aber irgendwie kam schon öfter sowas wie “Für dich wird das ja kein Problem sein, ne?” oder “M- komm mal her- ich brauch ne starke Hand!”. So als wäre ich voll der starke Typ- was ich aber gar nicht bin- es gibt viel stärkere Innens bei uns. Und was mir alles Probleme bereitet, hab ich irgendwie dann nicht mehr so sagen können, wenn mir bei bestimmten Sachen so eingeschoben wurde, dass sie mir ja keine Probleme machen würden.
Das ist nie mit Absicht passiert, glaub ich. Aber es ist passiert und das finde ich irgendwie seltsam. Ich kenne mich mit solchen Genderfragen und Forschungsdingsizeugs nicht so aus und eigentlich find ichs auch total schräg, dass man sowas beforschen muss. Also einfach, weil ich mich frage was für einen Nutzen das bringt, aber naja… das kann man sich ja bei so einigen Sachen, die beforscht werden, fragen.
Für mich ist das nicht wichtig. Ich fänds eigentlich nur interessant wie sowas passiert. Also das man denkt, dass manche Eigenschaften oder so, typisch männlich und manche typisch weiblich sind.
Zum Beispiel unsere Kleidung.
Wir haben uns im Zuge von vermehrter Observanz, irgendwann zum Rauswurf aller Hosen (bis auf zwei Exemplare) entschieden und tragen nur noch Röcke. Am Anfang war es irgendwie so: “Hm- bin ich dann noch ein Mann, auch wenn ich so richtig traditionell weibliche Sachen trage?” -Ja klar! Die Frauen haben doch die ganzen Jahre vorher auch immer wieder Hosen getragen und waren trotzdem noch Frauen. Diese Kiste war ein für uns total runder und guter Schritt sich mit dem Körpergeschlecht- mit der Körperbiologie zu beschäftigen. Aber es gibt auch Menschen in unserem Umfeld, die mich schräg angucken und fragen, ob ich mich denn so wohl fühlen kann. Oder, ob ich mich nicht unterdrückt fühle. (Klar ist ja eh auch so- die bösen bösen Religionen, die unterdrücken die armen dummen Menschen ja nur und haben nix anderes zum Ziel als die Unterdrückung von Frauen mittels Regeln und Verdammnisdrohung… hm schon klar…) Ob ich mir nicht vorkomme, wie ein Mädchen. Ja- halloho?! haha

Oder auch so was Vorlieben und Sexualität betrifft.
Also klar- ich bin hetero und zufällig ist mein Körper weiblich. Also lebe ich für Aussenstehende eine lebische Liebe. Inzwischen ist es so, dass ich meinen Gefährtinnen nicht mehr sage, dass ich ein männlicher Anteil bin (zumindest nicht, wenn wir keine Beziehung, sondern einfach nur ein Techtelmechtel pflegen). Es macht sonst einfach keinen Spaß mehr und die meisten Gespräche drehen sich darum, wieso ich mich männlich fühle und was das im tieferen Sinn bedeutet und bla…
Immer wieder wird ab dann auch von mir mehr oder weniger erwartet, irgendwie auch besonders hart im Bett zu sein, oder irgendwie wird mir halt immer wieder untergeschoben, bestimmte Praktiken toll zu finden oder so. Nee- ist voll nicht so!
Ich finds schon irgendwie schön, für meine Freundin zu sorgen und so- so ein bisschen die Beschützer und Versorgernummer, ne (wieso die als so besonders männlich gilt, hätte ich ja auch gerne mal beforscht…). Aber das heißt nicht, dass ich den mir von der Biologie versagten Penis so dringend ersetzt haben muss. Wenn ich aber sage, dass ich mich als männlich wahrnehme und Frauen anziehend finde… ja… irgendwie scheint es diese Sachen dann immer gleich mitzubedeuten. Obwohl es genauso auch in der lesbischen Szene Frauen gibt, die eine männliche Position einnehmen.
Und obwohl es bei uns auch weibliche Innens gibt, die lesbisch lieben und ebenfalls eher in der als “eher männlich” dargestellten Vorliebenschiene agieren. Die werden aber nie so konfrontiert wie ich.

“Und wie entstehen männliche Innens? Wie bist du entstanden?”
Also wie genau ich entstanden bin, weiß ich selber nicht genau. Aber ich sag mal wie ich nicht entstanden bin:
Ich bin nicht aus dem innigen Wunsch heraus entstanden, jemandem zu gleichen oder weil dem Körper was passiert ist, “was nur Männern so passiert”. Ich hab mal ein Buch in der Hand gehabt, welches diese zweite These vertrat. Der Autor meinte damit die Vergewaltigung, die mit der Penetration des Anus einher geht. (Meine Güte- alle Menschen haben diese Einbahnstraße im Körper und können so vergewaltigt werden- wie hoch meint der Autor, ist die Quote von männlichen Innens/ States auf diesem Planeten?!)
Ich glaub, ich bin männlich, weil die Seele von Menschen von Natur aus männliche Anteile hat und wir durch die dissoziative Identitätsstruktur eben noch deutlicher und selbstständiger agieren können. So eben als die Anteile die jede Seele nun mal hat.

Ich fänds gut, wenn sich die Menschen alle so betrachten können würden.
Ich denk, dann würd ne Menge Vorurteilsblödsinn wegfallen. Und keiner würd mich mehr anders betrachten als vorher, nur weil ich ihm sage, zu welchem Geschlecht ich mich, ausgehend von meinem Empfinden, zuordne.

Und wie ist es nun für mich in einem weiblichen Körper zu stecken?
Also- naja…
ich hab ja keine Vergleichswerte, also würd ich mal sagen, es ist so wie in jedem anderen Körper auch. haha