am Fenster sitzen

Es gab zu Hause diese großen Platten als Straßen, die mit einer dicken Teerwurst an den Rändern zusammengekittet waren. Wenn es sehr heiß war klebten manchmal Schlieren von dem Zeug am Schuh.319280_web_R_K_B_by_knipseline_pixelio.de

In mir herrschen gerade hochgekochte Celsionen. Meine Platten schmelzen auseinander, sind keine Straße mehr. Ich kann nichts tun, sie treiben auf meinem magmatischen Kernschmelzenwabbel herum, wie die Kalkplättchen auf dem alten Wasserkocherwasser.
Ich wachse, steuere direkt auf einen Knall zu- und weiß doch, dass er nicht kommen wird. Er kommt nie dann, wenn er eigentlich passen würde. So jetzt zum Beispiel.
Eigentlich haben wir uns schon zu viel Selbstzerstörung genommen. Wir hätten uns Manches mal erhalten sollen. Seit Tagen will ich mir eine Kippe nach der anderen in den Hals drücken, zum Beispiel.

Ach das war so schön… damals
Im Wintergarten des Notdienstes für Kinder und Jugendliche, die nicht zu Hause sein können. Da hab ich gesessen, konnte Zeitung lesen, rausgucken, Kaffee trinken und Eine nach der Anderen rauchen. Keiner hat mir wehgetan und wenn ich gewollt hätte, hätte ichs jemand erzählen können. Aber ich wollte nicht. Ich hatte Schiss und es hat eh und sowieso noch voll wehgetan.

Und heute?
Rauche ich nicht mehr. Klucke den ganzen Tag am Fenster und gucke in den Himmel. Tu so, als ob ich im Wintergarten säße. Heute bin ich eine Erwachsene und keiner sagt mir mehr, dass ich einfach losreden kann, wenn ich will. Heute bin ich nicht mehr so verletzt und blute nicht mehr. Das ist als wäre es unsichtbar. Unter den immer mickriger werdenden Platten versteckt. Geschützt und gleichzeitig ausgesperrt.

Damals, in dem Wintergarten, hab ich die Bilder aus der Fensterluke im Dach gepustet. Heute gibts nichts mehr zu pusten. Ich müsste eine ganze Filmreihe auspusten. Für einmal kurz Rausatmen reicht meine Luft nicht.

Fällt eigentlich niemandem auf, dass alle über Vergewaltigung oder Missbrauch reden oder schreiben, aber keiner sagt was das ist? Dass, jeder helfen will, aber keiner einfach sagt, dass er sich hinsetzt und man einfach losreden kann, egal, ob man sich an dem Bilderfilmband verschluckt oder es ein bisschen ratterig aushusten muss? Und egal, wie lange das dauert? Sie sagen es ist schlimm und Unrecht und man soll nicht schweigen, aber gleichzeitig machen sie alles fürs unsichtbar halten mit Schweigen.

Manchmal denke ich auch, dass ich das Kotzen auf Kommando vielleicht auch nicht hätte verlernen sollen. Ich glaub so ein Knall wäre jetzt gut. Ein Bilderbandkotzen auf Kommando nur von mir. Einfach so raus ohne, dass ein anderer das vorher stoppen kann.
Vielleicht das Ganze, was heiß ist, rausspucken, damit das Magmawabbel am Rand kalt wird und zu einem neuen Panzerplattenschutzgehäuse wird.

Voll bekloppt nur zu wünschen. Das ist genauso schlau, wie am Fenster sitzen und nicht rauchen. Oder genauso schlau wie die da, wo man anrufen und angeblich einfach losreden kann. Lügnerleute.
Pustekuchen.
Bilderband-nicht-raus-puste-und-innerlich-verkokel-Kuchen.

Vielleicht ändere ich meinen Namen in Merapi Rosenblatt.

der Stromausfall

Es begann mit einem sanften Aufwachen, frei-seeligem Herumgleiten, sich noch mal nach links und nochmal nach rechts rollen und mit einer gewissen Selbstermutigung den Tag zu starten. Tja… und dann stimmten weder die Kaffeemaschine noch der Wasserkocher ihr allmorgendliches Rausch- Röchel- Prustkonzert an.

Stromausfall in einzelnen Wohnungen.

Zuerst gibt es einen Aufprall auf die Oberfläche, welcher sich in Gedanken rund um die Ursache des Problems drehen: Rechnungen bezahlt? Mahnungen nicht erhalten, Rechtsanwältin lange nicht gesprochen- gab es eine Wartungsankündigung? Manipulation von einem Innen am Stromkasten?
Der erste Ring nach Klärung dieser Fragen, sind die Konsequenzen die sich in verschiedenen Ebenen fortpflanzen: Im Keller steht der Tiefkühlschrank mit NakNak*s Fleisch und Futtertieren- wie lange ist der schon ohne Strom gewesen?
Der Akku des Mobiltelefons war leer… [Keinen Mucks will ich hören, sonst…]
Der Bauch gurgelte seine Morgenmelodie… [Du bekommst nichts mehr, du…]
Langsam schlug sich die Kälte ihre Steigeisen in die Haut, da die Heizung ebenfalls von Strom abhängig ist… [Runter mit dir!]

Zum Glück hatten wir vorerst noch die Sonnenscheibe, dunstig aber erkennbar, vor Augen und den Schlüssel zur Wohnung von Mensch XY.
Kaffee kochen, Milch wärmen, Handy aufladen, Katze streicheln. Kontakt zu Mensch XY herstellen.

Zurück in die eisige Wohnung, von Hund mit großen Bedürfnis nach Körperkontakt begrüßt, wohlwissend, dass noch so einiges mehr auf dem Plan stand, als lediglich Ängste und immer wieder aufwallende Erinnerungs-Paniks- (Nach)Schmerzwellen wegzuschieben bzw. “sich hin zu orientieren”.  Dann plötzlich hustet der Kühlschrank und kühlt wieder.
[Aaaaah- Guck- ist schon wieder alles gut. War nur ein Stromausfall. Vielleicht ein Punkerelektron oder so…]
Wie in einer Slidingszene im Film (unterlegt mit Musik von Enya) wird sich angezogen und gleichzeitig beruhigt, reorierentiert und gehalten.
Laptop an, Kaffee und Kakao daneben, Blog und Internet begucken- in der Gegenwart festtackern. Dann in die Stadt, Hartz und GEZ beglücken, Ticket kaufen, Reiniger kaufen…es beginnt der übliche Alltagsreigen der Innens, um sich unter fremden Menschenmassen, greller Beleuchtung, viel zu direkter Ansprache und allgemeiner Angst zurecht zu finden- alles mit dem nachwievor untergründigen Enya-Smoothie im Seelentonhintergrund.

Wieder zuhause: eiskalt, wieder kein Strom mehr.
Fest entschlossen dem anschwellenden Panikwust im Nacken keinen Platz zu lassen, in die Sportsachen und raus mit dem freudigen Hund. WegLaufen.
Als es dämmert zurück, um festzustellen: Strom ist noch immer weg.
Und: die Sonne geht unter. [Hab ich dich!]

[Nein, wir sitzen nicht in der Falle, ja das ist unsere ganz eigene sichere Wohnung, wir sind groß, guck- nix los, nur still und kalt- gar nix los, nein wir können nur niemanden anrufen, weil wir nicht genug Geld diesen Monat fürs Handy haben, ja wir sind ein armes Leut, aber wir sind frei- das macht uns sehr reich… ja Strom ist weg, wegen einem Punkerelektron das sich mit den Stadtwerken anlegt, Nee nee guck mal ist echt nur unsere Wohnung…
Federrascheln, summende Melodien, Tränen, die das gleichzeitig aufstampfende BÄÄÄM umspülen und doch nicht heraustreten.]

Es herrscht Ausnahmezustand. Eine Unterbrechung des normalen Alltags ist schwierig genug zu verkraften (in diesem Fall der ewige Papiermist rund um die Neubeantragung des Hartz4, nach unüblichem Morgen), doch dazu noch eine läufige Hündin (und die dazugehörenden Momente im Park oder Wald) und ein Stromausfall…nach innen wirkt das bei uns immer ein bisschen Tschernobylartig: Erst wills keiner wahrhaben, dann die große Panik- aber nicht alle wissen direkt drüber Bescheid, weil ne Mauer im Weg ist.
Für uns werden solche Umstände auch immer erst als “Störfall” einsortiert und erst, wenn’s zu spät ist als der GAU, der es ist.

Irgendwo zwischen den späten 80er und den frühen 90er Jahren herumschwirren, geistig zu wabern und nie genau sagen zu können, wo man eigentlich gerade ist.  Zwischendrin SMS und Anrufe von Mensch XY, die wie ein Anker in den Angstsee hineinklatschten, auf das sich dran festhält, was zum “sich festhalten” in der Lage ist.
Dann doch die Entscheidung Kerzen anzumachen. Heller die Ängste nie leuchten. Über allem schwebend das zynische Rosenblatt mit der Frage, obs nun gut oder schlecht ist, die Erleichterung über das Licht und gleichzeitig die einschießende Kerzenassoziation mit dazu gehörendem Körpergefühl zu spüren. Als das zu quälend wird, entscheidet man sich für die Dunkelheit.

Und nun- am Morgen danach- die Erkenntnis, dass nicht einmal wirklich dieses Erinnerungschaos wirklich das Schlimme- der GAU- war, sondern das Warten auf Erlösung!

Unten wurde die Straße operiert mit Baggern und Lötkolben, die Menschen von den Stadtwerken rabotteten gewichtig schreitend, ab und an auf ihre Geräte schauend, herum… eine Stimmung wie bei einer Krankenhausgeburt (da gucken auch alle nur noch auf die Geräte und nicht auf die Leute die es betrifft) und wir wartend, hilflos, ohnmächtig, einer höheren Macht ausgeliefert, die allein in der Lage zu geben ist, was wir brauchen, um einen Zustand zu beenden, der wirklich schmerzt.

Oft genug ist es die Frontfrau, die immer wieder die Dringlichkeit diverser Nötigkeiten missachtet und bagatellisiert. Doch in Momenten wie diesen ist es die ganze Welt, die durch ihren normalen Weiterlauf, ihr Schweigen, ihre Nichtresonanz zu einer Wiederholung in unserem Empfinden beiträgt. Es ist ein Gefühl, wie es jeder kennt, dem mal etwas Schlimmes passiert ist. Man steht scheinbar allein inmitten einer grauen Masse und ruft in de Welt: “Wieso drehst du dich einfach weiter? Hallo?! Halt an- es ist doch grad was Schlimmes…!”

Früher hat niemand auf Schreie reagiert- niemand kam um zu helfen wenn’s weh tat oder verstand die Sprache der Schreie bzw. ihre Bedeutung. Und bis heute wird in solchen Zeiten dieses Rufen… dieses bettelnde Flehen darum, dass “ES” bitte aufhört- oder wenigstens jemand kommt und macht, dass “ES” aufhört, angetriggert. 100360_web_R_K_by_Andreas Lochmann_pixelio.de
Es ist längst nicht so laut und offen, wie die Frontfrau es immer wahrzunehmen scheint.

Jahrelanges Schreien macht heiser und lähmt.

Dieses Kind saß in unserer Wohnung und schrie sich die Seelen aus dem Leib heraus- ohne, dass es auch nur ein menschliches Ohr hätte hören können; ohne, dass auch nur eine dieser herausgebrüllten Seelen in der Lage gewesen wäre etwas zu tun, was seine Qual beendet.

Es dauerte bis etwa 23.30 Uhr, bis die Operation an offener Leitung beendet, der Kühlschrank hustete, die Lampe aufstrahlte und der Schrei erstarb, weil plötzlich wieder ein Licht durch das Schlüsselloch drang, durch das es sein Leben lang in die Welt starrt.

the day after

Willkommen im Chaos!

Verbrachten wir die Silvesternacht erstmals mehr oder weniger einander bewusst und immer wieder schwankend zwischen dem fest und dem eher halbechten Wissen, dass wir in einer sicheren Umgebung und weit weit über die 90er Jahre hinaus am Fenster stehen und wunderbaren Farbenspielen zuschauen können; so wirr stehe ich nun im Tag danach in einem Gleichnis von Innen und Außen.

Draußen sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa. Abgebrannte Knallkörper, tote Raketen und leere Flaschen an jeder Ecke. Vielleicht klingt das schräg, aber es tröstet mich im Moment, dass es Außen ganz offen unordentlich aussieht. Nicht versteckt in Mülltonnen oder hinter Wohnungstüren oder der Kleidung.

Mensch XY meint, wir würden mit der Umwelt verschmelzen. Uns unsichtbar machen. Hm, ehrlich gesagt kann ich das nachwievor nicht so einfach hinnehmen, denn dass das nicht klappt ist offensichtlich. Ich finde mich immer zu auffällig- durchsichtig- stets “auf”- nackt…
Als ich neulich da in der Straßenbahnunterführung stand, merkte ich sehr wohl wie viele Blicke auf mir landeten, nachdem ich es nicht schaffte meinen Zopf unter der Mütze zu einzurollen. Wenige waren das nicht. Ich kann mir immerhin endlich vor Augen halten, dass es am spektakulären Zopf liegt (und vielleicht an der Angst von mir gleich einen Wachturm oder eine Bibel unter die Nase gehalten zu bekommen) und nicht an der Stickerei auf meiner Stirn: “Mit mir kannst du machen was du willst- du wärst nicht der Erste. Bedien dich ruhig”. Trotzdem. Auffällig ist es. Weit entfernt von verschmolzen und getarnt sein.

Ich bin froh darum mein Chaos hinter meinem Tarnanzug verstauen zu können und bald (wenn ich fertig bin) in einer Wohnung zu wohnen, die ebenfalls alles hinter Schranktüren, Regalvorhängen und Ordnungssystem versteckt, was mich im Chaos versinken lassen könnte. Was mich die Kontrolle über mich verlieren lassen könnte. Was mich mein inneres Chaos nicht nur sehen sondern auch fühlen lassen könnte. Was mich davon enthebt darüber Kontrolle zu haben, wie viel außenstehende Menschen über mich erfahren (was ich selbst nicht einmal weiß).

Doch jetzt gerade ist die 50 Stunden “wach”-Grenze bereits wieder überschritten, meine Ängste den morgigen Tag nicht ordentlich zu nutzen (Hartz und GEZ wollen Zettel sehen, ein Ticket muss gekauft werden und die läufige NakNak* braucht eine andere Route als sonst) wachsen schon wieder wie die Pilze in den Himmel.

Es ist ein Wunderlandsgefühl. Ich stand vorhin vor dem Kleiderschrank und war unfähig etwas “C. Rosenblatt-iges” auszusuchen, weil ich mich riesengroß fett und überdimensional sah, um dann, als ich mich auszog, um unter die Dusche zu gehen, zu schrumpfen und mich winzig klein und zerbrechlich in einem viel zu großen Bad zu fühlen. Plötzlich ist es so, dass ich denke, dass ich die Interaktion mit NakNak* wie ein Gespräch empfinde und ganz genau spüre, wie mein eigenes Fell zu stinken 525735_web_R_K_B_by_Martin Wegner_pixelio.debeginnt. Ich greife, über die Schande des Durstgefühls hinweg, nach einem Glas Wasser, um festzustellen, dass es schon leer viel zu schwer für mich ist und ich es fallen lasse, um dann wiederum meine Muskeln unter der Haut wachsen zu sehen und die Scherben aufzulesen.

Ich fühle mich inkonsistent fest. Chaotisch.

Trage ein Herrenhemd in Größe 56 zu einem Rock mit Rüschen am Saum. Eine Strumpfhose, die von Hello Kitty- Socken an den Füßen gehalten wird. Mein Zopf ist eng an die Kopfhaut geflochten und unter einem elastischen Loopschal versteckt. Erinnerungen tropfen in meine Augen. Gleichsam unkontrolliert tropft es aus ihnen heraus.

Bin ich froh, dass es regnet.
Und, dass alle anderen Menschen und die Umwelt draußen auch so aussehen.

So bin ich in meinem Chaos gleich mit Ihnen. Wenigstens auf diese Art getarnt….

müde

Es ist der dritte Tag in Folge ohne Schlaf.
Es ist der Punkt an dem ich Halluzinationen in der Sichtperipherie habe, mein Kopf auf eine dysfunktional verstümmelte Kurzstreckenwahrnehmung eingestellt ist.234247_web_R_K_by_Sarmakant_pixelio.de

Langsam über den Tag verteilt spüre ich Sandkörner in den Gelenken, die sich mit jedem Schritt vermehren. Wie Brause prickelt es unter meiner Haut und ab und an keimt die Idee in mir auf, dass es sich dabei um Insekten handelt. Am Abend höre ich dann das Aufquietschen meiner übersäuerten Muskeln und das kratzende Geräusch, welches meine Augenlider verursachen, wenn sie sich über die brennend tränenden Augäpfel zu schieben versuchen.

Ich versuche es wirklich. Ich will nicht jammern und rumheulen. Ich will nicht schwächeln und in diesen Moloch aus Selbstmitleid und Trauer verfallen.

In solchen Zeiten merke ich dann aber doch, dass ich versucht bin, nach einer Mami zu weinen- obwohl ich zeitgleich kindlich-erwachsen spüre und denke, dass keine kommen wird. Weil keine da ist. Weil ich keine habe. Weil die, die es gibt nie kommt. Weil ich ganz eigentlich auch gar nicht will, dass sie kommt, weil sie…
Weil ich eine Mami will- nicht meine Mutter.

Dieses Jahr ist es das erste Jahr in dem es keine Post um die entsprechende Zeit gab.
Keine Aufforderung. Kein Zeichen. Nichts.
Nun also nicht einmal mehr eine pseudoreligiöse Bestimmung?
Es ist wundergut- fantasischlimm und stellt den Mixer an, der sich in das Impulsgelee versenkt und alles so durchpflügt, dass ein uneinheitliches Bitterbunt in mir herumschwappt.
[Meine Mutti hat mich nicht mehr lieb.-BÄÄÄM–  Ja ne ist klar- die Olle hat dich nie lieb gehabt, begreifst du das denn nicht?!- BÄÄÄM BÄÄÄM BÄÄÄM- Hey heißt das, dass wir jetzt noch ein bisschen freier sind?- Sie wollen sicher, dass wir uns melden. Das hätten wir schon längst tun sollen. Vielleicht denken, sie, dass wir tot sind und sie trauern um uns?- BÄÄÄM BÄÄÄM- Mutti soll nicht traurig sein. Ich sollte anrufen und sagen…-Sag mal spinnst du jetzt komplett?! Wir sind nicht bis hierhin gekommen, damit du Leuten entgegen gehst, vor denen wir weggelaufen sind!- Ich bin mutterseelen allein. Mutterverlassen. Verlassen… verlassen…. verlassen _ Eine Tür knallt_  BÄÄÄM BÄÄÄM BÄÄÄM]

Ich habe mich in einer Nacht im Schlafanzug und ohne Schuhe, etwa 10km entfernt von meiner Wohnung wiedergefunden. Nach einer Flucht, wie ich denke.
Ich hatte so eine Angst vor einem ausbrechendem Feuer, dass ich mich nicht getraut habe, den Haustürschlüssel so verpackt mit Anweisungen wie es meine Therapeutin vorgeschlagen hatte, in meiner Wohnung liegen zu haben.
Ich habe wirklich Angst vor Verletzungen in so einem Zustand, Angst um Sookie, Angst um mich, Angst davor irgendwann von jemandem aufgegriffen zu werden, Angst einmal irgendwo aufzutauchen von wo ich den Heimweg nicht so einfach wiederfinde.
Angst davor zu wissen, wovor ich meine so weglaufen zu müssen.
Ich habe Angst vor Angst zu sterben.

Ich esse, nehme zu und schaue “Anxiety” dabei zu, wie sie sich mit den BÄÄÄMs vereint. Wie sie gemeinsam an der Klinge wetzen, über die sie mich springen lassen wollen, während ich Schokolade, Chips, Säfte, Zucker und allgemein ungesundes Zeug, in Massen in mich hineinschaufle, um mich mit dem Schmerz des überfüllten Bauches zu strafen und doch gleichzeitig auch auf Ebenen zu sättigen, die selbst die wertvollste Köstlichkeit nie erreichen wird.

Voilà!
Der wohl misslungenste Versuch einer Houdini-Schülerin sich aus dem kopfeigenen Selbstzerstörungs- und Ängstenetz zu befreien!
Nicht nur noch tiefer verheddert, sondern gleich noch ein paar Fesseln mehr angelegt.
Hat wohl nicht genug geschlafen!
Versagerin.
Und jetzt fängt sie auch noch an zu heulen!

von Weltuntergängen und anderen Feiertagen

Der Weltuntergang hat uns auch beschäftigt.
Und Religion. Und Pseudoreligion.
Und Atheismus. Und Pseudoatheismus.
Und unsere Angst haben wir nebenbei auch beguckt.
Aber da gibts kein Pseudo.

War schräg.
Auf einmal- keiner weiß woher- geisterten überall und überall Omen, dunkle Zeichen, Channelingsergebnisse, Geister und große neblige Mächte, zusammen mit atheistisch motivierter Religions- und Kirchenverachtung, wissenschaftlichen Analyseergnissen und lapidarem Schwarzätzhumor in einem groteskten Massentanz wie bei Disney, vor unseren Augen durch die Medien. 

Und unsere inneren Augen hatten große Pupillen.
Plötzlich drehte sich nicht nur unsere innere Welt um diesen einen Tag, sondern auch noch die Äussere. Und das auch noch auf die gleiche Art wie hier bei uns im Innen bis dato!

Die jährlichen Sonnenwendfeiertage sind in unserem inneren Weltbild verankert- auch wenn der pseudoreligiöse Inhalt dazu, alles andere als eindeutig zu benennen ist und mir das bis heute nicht schlüssig ist. Ich habe aufgehört diesen Teil der an uns verübten Gewalt im Ganzen verstehen zu wollen. Es ist uns schlicht (noch) nicht möglich nachzuvollziehen worum es ging und wieviel “echter Pseudomist” geschah und wieviel davon einfach besser verkaufbares “Thema” von Gewalt und Folterdokumentation war.
Wir leben heute einen individuellen-hilfreich-kaputtmach-(pseudo)religiösen Mischmasch aus Altem, Neuem, Gutem und Schlechtem (aber notwendigem). Alles hat seine Geschichte, seine Berechtigung und damit seinen Platz. Es herrscht der Konsens, dass wir erst verstehen und dann bewerten wollen. So kommen wir uns am Wenigsten ins Gehege und schaffen eine neutrale Basis.

Das Ganze sah dann am Tag des vorhergesagten Weltuntergangs und der Wintersonnenwende etwa so aus: 
Da gibts eine ganze Batterie von Innens, die wie ein verschrecktes Häschen in der Ecke hockt und wartet/ hofft/ fast umkommt vor Angst/ in den Startlöchern herumhibbelt, auf das die Nachricht zu uns kommt, die ihrer Meinung nach garantiert und echt wirklich immer kommt und ins Laufen kommt, was ihrer Meinung nach immer echt und wirklich und auf jeden Fall kommt. (Was seit Jahren nicht mehr geschiet, sie aber nicht mitkriegen, da sie als Anteil dieser Persönlichkeitsstruktur schlicht getrennt vom Alltagsbewusstsein sind).

Dann sind da die knackharten Alltagsinnens, die mit diesem ganzen Kram mal so gar nichts zu tun haben und sich eigentlich nur über heftige Schmerzen und ab und an aufwallendes Weinbedürfnis wundern und sich die ganze Schose rational und weltlich wissenschaftlich darlegen. Sie schauen nicht nach links und nicht nach rechts, dümpeln sicher und stumpf durch den Tag. Haben aber immerhin schon klar, keine Verachtung mehr ins Innen zubringen, wenn es um (Todes-)Ängste und Todeserwartung geht und achten so gut es ihnen möglich ist, auf reale Bedrohungen von aussen, um sofort Schutzmaßnahmen einzuleiten.

Und dann sind da die Innens die so dazwischen stehen. Die sich ihre guten Inseln gesichert haben schon als der Körper noch ganz klein war. Die ihre eigenen Erklärungen vom Funktionieren der Welt und der Seele haben. Es sind so die Innens, die sehen, wie die Natur Sonne ausatmet, die an Chanukka nicht nur “eine Kerze anzünden”, sondern Lichter in die Welt und an die “schon inordnungingen Stellen in der Welt und in die Leutmenschen dadrin” bringen. Die einfach für sich völlig klar im Glauben sind- komplett unabhängig von religiöser oder weltlicher Bedeckmantelung.
Sie wissen einfach, dass es ein Morgen gibt. Immer.

Durch den Umstand, dass überall aussen etwa gleiche “Lager” zu sehen waren, wie wir sie innen haben, haben wir zum ersten Mal in den ganzen Jahren direkt sehen können, was uns helfen kann über ganz allgemein alte- schwere- (pseudo)religiöse Feiertage (Yom Kippur ist auch nicht ohne für uns) zu kommen und gut für uns zu sorgen.

– Wertneutralität- keine Verachtung oder Hohn gegenüber jedwedem Gedankengut
– Offenheit für einander
– Angstmachendes benennen und sich gegenseitig zeigen was davon heute und was früher war, Alltagsinnens festen Handlungsrahmen für selbiges zeigen
– Ängste annehmen- nicht dämpfen oder kleinreden ganz allgemein
– Pläne für die Tage danach machen
– einen oder mehrere Kontaktknotenpunkte nach aussen haben (sich zum telefonieren und einfach “Blabla machen” verabreden)
– sich von aussen nicht ins Innenleben bzw. das Glaubens-Religions-Peseudoreligionskonstrukt reden lassen (bzw. eher “drüber reden”, als es zu erklären oder rechtfertigen)
[ba- ich erkenne hier ein Muster bei uns *Augenroll* haha]
– Schmerzmittel, Taschentücher und (allgemein akzeptierte) Nahrung im Haus haben

Hab ich schonmal erwähnt, dass wir dankbar für die Gnade der späten Geburt sind?
Wie lange hätte uns das eine Therapeutin oder irgendwelche schlaue Literatur erzählen können, ohne, dass wir die Notwendigkeit so wirklich mal aufgezeigt bekommen hätten?

So, durch den Weltuntergangshype, haben wir mit angesehen, wie es sich auswirkt wenn Atheisten, Religionsverächter und missachtende Rede auf (todes)ängstliche Menschen treffen. Und wie wertvoll die Menschen, die einfach wissen, dass es immer ein “Morgen” gibt, sind für solche Szenarien.

Schon irgendwie interessant zu sehen, dass man einen im Aussen gewünschten Umgang miteinander nicht hinkriegt- aber auf jeden Fall irgendwie doch bei sich selbst.

Danke liebe Mayas… wer weiß wie es gekommen wäre, wenn ihr euch um noch ein paar Jahre mehr verrechnet hättet und wir nie davon erfahren hätten?

Was will es sagen, wenn es allen etwas sagt und es alle schon wissen?

Manchmal denke ich immernoch, dass meine Art zu sprechen und mich auszudrücken missverständlich ist. Ziemlich sogar.
Eigentlich ist es fast schon ein Projekt für mich heraus zu finden, wie man so gestrickt sein muss, um mich in bestimmter Hinsicht misszuverstehen. Nicht nur mit meiner Wortsprache.

Anlass für diesen Gedanken war unsere letzte Therapiestunde.
Es ist in der Regel so, dass ich meine ersten Sätze dort, in der ganzen Zeit zwischen den Stunden gebügelt, gestärkt und zurechtgelegt habe.
Sie liegen mir hübsch sortiert auf der Zunge und im Kopf.
Ich brauche keine Angst vor einem Schweigen haben, während dem mich jemand direkt anschaut.
Die Schrittfolge für mein Vermeidungstänzchen sitzt. Meine Rede stützt meine Schutzblase um mich herum und ja- ich brauche keine Angst haben, dass… nein- eigentlich kann ich nicht einmal der Angst einen Namen geben.
Mir ist es völlig klar- ich will nur bitte nicht dissoziieren. Ich weiß, dass das mein Problem ist. Dass ich eine übermäßige Angst vor Erinnerungen habe, die immer wieder hoch kommen, wenn ich an etwas denke, etwas tue, etwas betrachte, eine Situation erlebe.
Jedes Mal habe ich Angst und schütze mich mit der Dissoziation, die mein Gehirn in traumatischen Situationen so gut eingeübt hat, dass es heute auf alles wie eine solche reagiert.

Die Therapeutin fragte, was genau ich denn so “mitkriege” und ich sagte: “Immer so die Mitte, glaube ich.”
Ich fing an nachzudenken und dann- rutschte ich aus. Schrittfolge verpasst. Der Walzer zog ohne mich weiter.  Ein riesengroßer dunkler Ahnungsdonner schob sich auf mich zu. Ich habe nicht hingeschauen können- ein Schmerz von dort heraus zerriss mich.
Ich versuchte wirklich angestrengt und innerlich schon völlig überfordert noch ein paar Schritte aus meinem Programm “In die Realität mit Mathematik” und verlor den Rest der Stunde.

Wir haben wieder überzogen. [BÄÄÄM]
Und die Therapeutin legte ihre Zettel ineinander und sagte, dass sie sich fragt, was ihr dieser Schmerz sagen soll. Ob ihr jemand etwas sagen will.

Und ich saß da und dachte: Was soll es ihnen denn sagen, wenn es einfach so sagt?
Ich dachte, wie absurd es ist, dass ich vor einer Erinnerung flüchte, die mich gerade mal so erwischt auf der körperlich-somatischen Ebene- sie aber meint, der Schmerz sei ein Kommunikationsversuch.
Für mich ist die Botschaft von Schmerz völlig klar. Schmerz steht da und brüllt in seinem neongelben Sein: Schmerz!
Fertig.

Aber viele Therapeuten lernen anscheinend ganz viel zu interpretieren. Ganz viel zu deuten.
Als würde das, was die Klienten sagen und das was sie von sich aus heraus lassen, nicht auch für sich selbst sprechen und stehen können.
Gerade bei mir (allgemein Menschen mit DIS oder auch DDNOS) sieht man das doch sogar eigentlich sehr deutlich.
Ich bin “weg”, wenn der Schmerz zu groß, die Ahnung, die Erinnerung zu nah an mich heran kommt. Und wer ist dann da? Eine Seite von mir- mein Ich in einem Zustand, der näher dran ist. Der auch etwas sagen kann. Der auch für sich stehen und sprechen kann.
Man braucht nicht zu fragen: “Was hat das jetzt zu bedeuten”.
Man kann einfach fragen: “Warum hast du Schmerzen? Kannst du merken, dass es eine Erinnerung ist und kein echter Schmerz?”
Das ist zumindest was ich machen würde, wäre ich in der Lage meine Innens so wahrzunehmen, wie Aussenstehende. Allein, die Tatsache, dass dort Innens sind, macht doch klar, dass es sich um ein Hasch mich- Spiel zwischen mir und meinem Erinnerungssortierungsversuchsgeplagtem Gehirn handelt. Und nicht darum, dass ich nicht merke, wie ich vor meinen Konflikten weglaufe und das unbewusst ausdrücke und unbemerkt kommuniziere.

Wenn mir aber meine Therapeutin so gegenüber sitzt und mich fragt, was es zu bedeuten hat, fange ich an mir zu zweifeln. An meiner Sprache und meinen Worten.
Und was nehme ich mir für die nächste Stunde vor?
Extra Stärke, extra Bügeleisenhitze, extra scharfe Wortfalten, die ich mir in die Zunge und den Kopf stampfe, damit ich auch ja nicht meine Schrittfolge im Vermeidungswalzer verpasse.

Immerhin- ich tue es nicht mehr unüberlegt und reflexhaft. Ich habe den Mechanismus klar, der zu meinen Zweifeln geführt hat und kann auch das kommunizieren.
Vielleicht so, dass die Therapeutin mir vormacht, dass ich nicht alles sagen können muss, um zu kommunizieren, wovor ich mich zu erinnern fürchte.

Haben wir richtig gewünscht

Eigentlich ist es gar nicht so anders.
Eigentlich ist es nur anders anders.

Ich denke, gerade im Bezug auf die multiple Persönlichkeit(sstörung), wie DIS früher hieß, kann man die Macht der Sprache sehr schön fest machen. Man kann sehen, was für einen Einfluss Worte auf unsere Vorstellungen und daraus hervorgehende Einstellungen und auch Umgangsformen haben.

Ich lese immer wieder in Büchern von Betroffenen, auf Homepages oder auch in Blogs, wie sie sich abmühen Worte zu finden, die ihr Gefühl beschreibt und möglichst nah an etwas kommt, was beim Gegenüber ein möglichst nachvollziehbares Bild entstehen lässt.
Da wird dann davon gesprochen, multipel zu sein, sei wie in einer WG. Oder wie in einem großen Haus, wo man sich nicht so recht kennt. Oder man sei ein Team, dessen Mitglieder ganz unterschiedlich seien. Man sei eben eine Gruppe unterschiedlicher Menschen in einem Menschen.

Fakt ist, dass das nicht genau so ist.
Es ist ein subjektives Empfinden, dass meine Innens zu “Menschen mit Persönlichkeit” werden lässt. Ich finde es sehr witzig, dass ausgerechnet ein Disneyfilm, mir ein gutes Werkzeug in die Hand gibt, um es etwas Grundlegendes beim Multipelsein zu erklären.

Der Film heißt “Verwünscht” und zeigt, wie es einer Disneyfilm-fast-Prinzessin, einem Disneyprinzen [der Erste mit Namen im Disneyuniversum übrigens haha], einem Disneybackenhörnchen, einer bösen Stiefmutterhexe und ihrem devoten Lakaien ergeht, die in der Realität von New York landen und dort auf einen Vater mit seiner Tochter und dessen Fast-Verlobte treffen.

Von der eindimensionalen Welt in die 3D Welt. Von einer Welt in der man seine Gefühle singend und in absurden Tanzeinlagen mitteilt, Tiere sprechen können, und ein Wunsch- eine Aufgabe- ein Posten- ein Gefühl-  eine Sehnsucht- eine Angst oder auch reine Machtgier, alles zu sein scheinen, worum sich die Existenz der Figuren dreht.
Niemand fragt, warum die Stiefmutterhexe Angst um ihren Platz auf dem Thron hat, niemand denkt drüber nach, was das für ein Mädchen ist, dessen Freunde die Tiere des Waldes sind und vergeht in der Hoffnung auf der wahren Liebe Kuss. Es stellt niemand das kriecherische Dienen des Lakaien in Frage. Und wieso sich der Prinz ewig kämpfend- aber von Liebe singend gebärdet- hm darüber wundert sich im Disneyland nie jemand.
Dort ist es eben so. Dort passt es eben. Würde sich dort auch nur einer dieser Punkte verändern, würde sich dort alles verändern- und das nicht zum Besten aller.

Es ist bei meinen Innens genauso. In unserem früheren Leben bestand ihre Existenz in ausschließlich der Ausführung einer Funktion, dem Aushalten eines Gefühls(gemischs), dem Umgang mit einer einzigen (Körper)Empfindlichkeit (in jeweils einer bestimmten Situation) oder auch einer einzigen Art zu denken, zu bewerten, und wahrzunehmen.
Wäre dem nicht so gewesen, hätte sich alles verändert. Wir als Gesamtperson (wir als Disneyfilm) wären gestorben (ein Kassenflop geworden), wenn sie nicht so gewesen wären.

Und genau wie die Fast-Prinzessin im Film, hatten wir das Glück die andere Welt kennenzulernen.
Genauso erschreckt, verängstigt, verwundert, verwirrt und verletzt, weil wir uns direkt auch erstmal an einen Menschen wendeten der uns in seinem Sein vertrauter als andere erschien, klopften wir, ebenso wie dieses Mädchen, das durch die Stadt geschubst, vom Regen durchtränkt und von einem Bettler bestohlen, an ein Bild der Realität, die wir schon kannten. Voller verzweifelter Energie- aber doch unerschütterlich davon überzeugt, dass es dort der einzig richtige Platz ist. Und dort alles schöner sei.

Auch wir wurden gefunden, aufgefangen und so gerettet. Und auch wir werden an die Hand genommen und belehrt wie das Leben in dieser Welt so ist.
Nun ist es aber so, dass Eindimensionalität alles andere als kompatibel ist in einer 3D-Welt.
Es gibt eine Szene, die ziemlich gut unsere Frontfrau darstellt. Die Prinzessin ist wütend- aber wütend sind in Disneyland ausschliesslich die Bösen oder die Bockigen. Nie aber die Prinzessinnen- die sind vielleicht mal beleidigt oder schmollen.
Unsere Frontfrau ist nicht einmal das jemals von sich aus gewesen. Sie war immer einfach nur existent und so wenig “Sein” wie nur irgend möglich.
Die Prinzessin ballt die Fäuste, läuft auf und ab, redet lauter, deutlicher- stockt zwischendrin, weil ihr nicht sofort heraus will, was sie sagen will. Ihr Gesicht ist dunkler und der Mann sagt:
“Du bist wütend” und sie sagt: “Ja…. Ja! Hurra! Ich bin wütend”.

So ähnlich ergeht es uns (und aber am Meisten schon der Frontfrau), wenn wir einander berühren innerlich. Wenn wir ein Stückchen näher an uns heran kommen.
Oft ist nicht klar, was es für Gefühle, Gedanken, Intensionen sind, die innen arbeiten und herausquellen. Dann brauchen wir andere Menschen wie Mensch XY, unsere Gemögten und unsere Seelenfrau um eine Einordnung zu schaffen. Erstmal nur das. Denn wie diese Fast- Prinzessin, können wir die gesamte Wahrnehmung nicht direkt ganz aufnehmen. Die Dissoziation verhindert dies, um eine Überflutung und damit einen Zerfall zu verhindern.
Aber allein der Name auf diesem Aktenordner der Wahrnehmung innerer Prozesse, hilft bereits etwas grundsätzlich zu ordnen und als etwas von sich selbst und normal und als ganz basal in Ordnung zu empfinden. Schon dies bewirkt eine Veränderung. Schon das nimmt unglaublich viel Angst und damit weiteren Dissoziationsanlass.

Wie dieses Mädchen im Film lernen wir unterschiedliche Dimensionen kennen- und finden sie in Form der Innens in uns als Gesamtperson wieder. Wir lernen eine andere Art der Umgangsformen kennen, so wie die Prinzessin lernt, dass es nicht so läuft: Prinzessin wird gerettet, singt im Duett mit dem Prinzen und heiratet dann. Sondern dass es heißt: Sich kennenlernen, schauen was man an sich mag, was man am anderen mag, was man gern miteinander tut. Dass man Dates macht und sich verliebt. Dass ein einziger Kuss vom Prinzen noch lange nicht der wahren Liebe Kuss sein muss.

Unsere Frontfrau muss das auch so lernen. Wir müssen ihr Nichtssein mit uns verknüpfen, um überhaupt ein Gesamtbewusstsein darüber zu erlangen, was uns als Persönlichkeit im Ganzen gefällt und was nicht, was uns körperlich angenehm ist und was nicht und was uns, welche Gefühle verursacht und wie man mit ihnen gut umgeht.

Am Ende des Filmes ist es so, dass die böse Stiefmutterhexenfrau stirbt (obwohl wir wirklich gern gewusst hätten, warum sie ihren Thron nicht teilen wollte- aber am Ende hätte sie eh nicht mehr draufgepasst, weil sie sich in einen KingKong-Drachen verwandelt hat), die anderen Figuren bewerten sich neu und führen ein neues Leben, dass sie sehr erfüllt und glücklich macht.

Der Lakai öffnet sich für seine Wut und seine Verletzung durch die böse Stiefmutterhexe; das Backenhörnchen (das den ganzen Film über darunter leidet, nicht sprechen zu können, schreibt in der Disneywelt ein Buch darüber, die Fast- Prinzessin lebt mit dem Vater und seiner Tochter zusammen und macht, was sie gut kann: Nähen.
Hochinteressant fand ich, dass der Prinz in die Disneywelt zurückging- im Schlepptau die Fast-Verlobte des Vaters, die so glücklich mit einfach genau dieser einzigen Funktion- nämlich der der klischeehaft geliebten Königin, ist. Der es offenbar egal ist, dass Teile von ihr fehlen- oder vielleicht nicht gewünscht sind oder schlicht nicht vorkommen können.

Das finde ich deshalb so interessant, weil ich nicht mehr nachvollziehen kann, was so schön- so einfach-so erfüllen daran sein soll, nur noch eine Aufgabe zu erfüllen- ohne alles das, was es noch so gibt.

Tja… so kann ein Therapieerfolg auch aussehen:  Dass man plötzlich… beim Schreiben des 150sten Artikels seines Blogs merkt, dass man doch bereits sehr viel deutlicher „3D“ ist, als man es sich vorher je klar gemacht hat…

Edit auf Nachfrage:
Heißt im Klartext: multiple Persönlichkeiten sind keine Menschen mit vielen Persönlichkeiten in sich, sondern Menschen die Teile ihrer Identität bzw. die verschiedenen Seins-Zustände von sich als so fremd und getrennt von sich selbst wahrnehmen (und von aussen ebenfalls so wahrgenohmmen werden), als seien es andere Persönlichkeiten.
Jedes meines Innens ist in der Lage aktiv zu handeln- aber extrem eindimensional und „flach“- erst in Verbindung mit anderen Innens bekommt es eine Tiefe (und Höhe und Breite… eine Dimension, wie man sie gemeinhin mit Persönlichkeit assoziiert).

so richtig

“…Ach und- nicht vergessen: Du bist so richtig- ihr seid so richtig!…”
Es regnete und obwohl wir gerade nur ein kurzes Stückchen gelaufen waren waren, glänzte der Schirm schon vor Feuchtigkeit.
Mensch XY drehte sich nach meiner reflexhaften Antwort um und lief in den Abend hinein.
Ich stand im Hauseingang roch meine angesengten Nackenhaare.

[“Na für wen bist du richtig?”
”Nur für dich und immer und immer nur für dich”
„Hmmm”.]
Ich fühlte schier körperlich, wie sein Nicken die Hitze an mir herunterfliessen liess.

So manches Mal lasse ich mich dazu hinreißen diesem Schönen zu glauben. Dieser Bestätigung meiner Gedanken und meines So- Seins als Gesamtperson. Es sind solche Sätze, die spürbar gemochte Zwei-Mehrsamkeit und sogar der mutige Tanz währenddem ich ein Herz an meinem Ohr habe.
Sie sind Träume von einem schönen Morgen, Futter für die uns tragende Überidealisierung des Lebens auf das Wir hinleben und gleichzeitig der schlimmste Verrat.

Manchmal komme ich davon, indem ich eine falsche Realität nach innen leite.
“Es war nur ein Traum… nur ein Traum… nur ein schöner- ja ich weiß: verbotener Traum- bestraf mich dafür so zu träumen… ich habe aber nichts real getan… es war nur ein Traum…”.

Manchmal aber erreichen mich solche Worte komplett und stärken mich wirklich. Sie klären mich und helfen mir, mich zu positionieren- neu zu positionieren.
Mensch XY macht mich verrückt! Ver- Rückt. Ver-rückt meine Gedanken und Gefühle in Richtungen die ich nicht kenne, die neu sind, die schön sind, die spannend und aufregend und sooooo viel Leben sind.

Die BÄÄÄMs wollen auch leben. Aber sie haben eine andere Grundlage dazu als ich.
Wo ich nach dem Leben mit anderen Menschen strebe, Hund, Kind, Mensch und zusammenpassende Schlafanzüge will; wollen sie nur die Lebenskraft die ihrer Meinung nach aus Schmerz und Qualen geboren wird. Ohne wirklich eine Idee zu haben, was sie mit all dieser Lebenskraft dann anfangen wollen.
Ohne zu wissen, wie leer man von Leben ist, wenn man vergewaltigt und noch anders gequält wurde.

Sie sind so richtig. Was wissen sie denn Anderes? Haben sie mal ein schlagendes Herz gehört? Haben sie mal eine lebende, tröstende Hand gefühlt? Haben sie mal jemanden gehabt der sie annimmt, ohne ihre Loyalität zu verachten oder für sich in seinem Kämmerlein konträr zu bewerten und ohne, dass sie zusätzlich den Körper und die Kontrolle darüber, was mit ihm geschiet, abgeben mussten?

Wo ich so richtig bin, wenn ich mir die Augen ausweine, weil ich gefühlt nirgendwo Selbsthilfeaustausch finde, wo ich gehalten und in meiner Ansicht gestärkt werde, da ist auch die absolute Loyalität jener richtig, die mich genau für den Wunsch danach quälen und stellvertretend foltern.

Es fühlt sich seltsam an, die BÄÄÄMs so zu betrachten. Es ist eine neue, fremde, spannende, aufregende Position, ihnen zuzugestehen, dass ihr Handeln, Denken, Einfordern… all ihr Sein, auch richtig ist.
Genau wie ich es für zumindest diesen einen ge-XYpsilonten Menschen auf der Welt bin.

Erschütterungen

Jemand schrieb mir in einem Kommentar:
“ich bin immer wieder erschüttert, wenn ich deine texte lese.”
In einem spontanem Aufwall von: “Ach du je- der Arme!”, entschuldigte ich mich und schrieb, ich würde ja gar nicht erschüttern wollen mit meinen Artikeln.
Das stimmt aber eigentlich gar nicht.
Ja, doch- ich will erschüttern. Anstoßen. Impulse geben.
Nur die Grundfesten- die sollen bitte um Himmels Willen stehen bleiben bei meinen Lesern!
Mensch! Die werden doch noch gebraucht!

Ich will nicht, dass jemand nach dem Lesen meiner Artikel, weint und denkt, die Welt- die Menschen seien schlecht. Oder, dass sich jemand ohnmächtig und hilflos fühlt.

Während wir gestern so im Schneegeflimmer standen und die Flocken auf NakNak*s Fell betrachteten, habe ich darüber nachgedacht, wie ich besser ausdrücken könnte, dass es für uns normal war, Gewalt zu erleben. Und dass wir manchmal fast besser funktionieren würden, wäre das noch immer so.
Ich kam zu dem Schluss, dass es nicht besser geht. Ob noch nicht oder jemals, weiß ich natürlich nicht. Ich kann sowieso nicht beeinflussen, was und wieviel hier jemand versteht. Wieviele und welche Impulse aus meinen Worten die Herzen und Köpfe meiner Leser erreichen. Vielleicht kommt alles an und die Welt eines Menschen steht plötzlich Kopf- vielleicht kommen aber auch nur Fetzen an und ich muss mir grenzüberschreitende Kommentare hinter den Blogkulissen antun.
So wie die Flocken auf NakNak*s Fell landeten, werden meine Artikel- und ihre Inhalte landen und ankommen.

Und doch möchte ich auch andere Aspekte an der uns gegenüber ausgedrückten Erschütterung (und dazugehörenden Gefühle) nicht verschweigen. Meine Unfähigkeit damit angemessen umzugehen zum Beispiel.

Ich für mich, will es eigentlich gar nicht wissen, was andere fühlen, wenn sie meine Geschichte erfahren. Ich würde gerne erstmal selbst fühlen, was ich so fühle in Bezug darauf, bevor ich mich den Gefühlen anderer stelle.
Und da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Ich habe keine Gefühle dazu. Ich erinnere zu wenig und zu blitzlichtartig/ zusammenhanglos. Und das, was ich erinnere verängstigt mich zutiefst.

Wenn ich das in Bezug auf andere Dinge habe, dann gehe ich auf meine Gemögten zu und versuche meine Gefühle zu formulieren, in der Hoffnung, dass mir Worte und Rahmen gegeben werden. Zum Beispiel: Als NakNak* plötzlich fester Bestandteil unseres Lebens wurde, lernten wir eine heutige Gemögte kennen und waren froh an ihr unsere Gefühle und auch Unsicherheiten in weiten Teilen gespiegelt zu sehen.

So zu handeln ist einer der Züge die uns Menschen dazu befähigt Kultur und Sozialität zu erschaffen.
Und es ist genau das Verhalten das jemand zeigt, wenn er mir schreibt, was meine Texte, meine Erlebnisse, meine Vergangenheit und auch Teile meines Innenlebens, in ihm auslösen. Es ist der Versuch zu ordnen, sich zu positionieren, sich selbst am oder auch im Anderen zu erkennen.

In meinem Fall trifft aber leider der Blick auf einen fast blinden (Zerr-) Spiegel.
Ich bin für mein Erleben, mein Sein und meine Geschichte als Ganzes fast komplett blind. Zu spiegeln gibt es selten mehr als das Schweigen der dissoziativen Leere und die um sich beißend- schmerzende Masse die einfach so aus mir heraus- durch mich hindurch- um mich herum brandet, die eben diese kurze Erinnerungsblitzlichter darstellen.
Oder auch: die Normalität der Gewalt, die andere Innens hier ab und an durchblicken lassen.
Jemand von ihnen hinterliess mir Folgendes für diesen Artikel:

Liebe Menschen,
kennt ihr den Schmerz der durch die Haut flitzt, wenn ihr euch beim Nähen in den Finger stecht? Autsch-ne? Braucht man nicht öfter, richtig?
Habt ihr mal nen von oben bis unten tätowierten Menschen gefragt, ob “es denn nicht wehgetan hat”?
Wart ihr ihm gegenüber genauso erschüttert, als euch der Mensch sagte, dass es das nicht getan hat?

Es stimmt- was man immer wieder erlebt wird normal- nicht weiter aufregend- nicht weiter schlimm. Das Erleben einzelner Punkte rückt in den Hintergrund und verschmilzt zu einer grauen Eminenz. Vorallem wenn man von Ergebnis überzeugt ist. Bei dem volltätowierten Menschen ist es vielleicht die Kunst auf der Haut- in unserem Falle, war es das “noch immer am Leben sein”.
Und heute erst fangen wir an zu lernen, dass es Menschen gibt, die nicht so aufgewachsen sind; dass es Menschen gibt, die solche Taten als schlimm und Unrecht bewerten; dass es Menschen gibt, die uns für so wertvoll halten, dass sie regelrecht nach- mit- leiden, wenn sie erfahren, was wir durchgemacht haben.

Doch das ist der Punkt. Es ist ein “nach- mit- leiden”. Ein rückblickendes “Nach-leiden”. Mindestens ein nach(trägliches)-empfinden.
Was genau hat das für einen Zweck?
Es ist doch schon passiert. Wir haben doch schon fertig gelitten und die Situation ist vorbei. Nun ist es nicht mehr nötig (nach-) zu leiden und mir das zu sagen.
Ausserdem scheinen ja nicht alle von uns wirklich auch immer nur gelitten zu haben- irgendwas an diesem Leben gab es ganz offensichtlich immer, dass uns am Ende half weiter zu überleben.
Es wäre doch viel sinniger, ein Bedauern auszudrücken und den Impuls des Nachempfindens auf die Gegenwart zu übertragen.
Genauso wie die Impulse, die auf eine Erschütterung aufgrund von hier Gelesenem folgen, schlau genutzt werden könnten.

Es tickt dich an, wenn du von (sexualisierter) Gewalt hörst und liest?
Dann sag das laut und deutlich! Werde aktiv und  hilf zu verhindern, dass es weiter geschehen kann!
Es erschüttert dich, wie sehr erniedrigende Objektivierung (im Rahmen von Pseudoreligiösität, pseudopolitischer Auseinandersetzung, Misshandlung und Gefangenschaft) auf allen Ebenen in einem Menschen verankert bleiben kann, selbst, wenn sie nicht mehr erfahren wird?
Dann vergiss das nicht, wenn du das nächste Mal vor jemandem stehst, der dir seine Erfahrungen damit anvertraut!
Es macht dich wütend, wenn du liest, wie schwer es ist zu heilen und Hilfen und gerechten Ausgleich zu erhalten als Opfer von Gewalt?
Dann mach nicht den Fehler und krähe nach der Todesstrafe für die Täter, sondern für angemessene Opferhilfen!
Dein Kopf gibt dir keine Sicherheit im Umgang mit einem Menschen der soviel Gewalt erlebt hat?
Dann öffne doch mal die Klappe in deinem Herzen und folge den Impulsen die dort herauskommen ein Stückchen!

Das ist, was ich hier erreichen möchte.
Und das ist, wozu eure Grundfesten so dringend gebraucht werden!
Wenn ihr das nicht erlebt habt, habt ihr die Stütze, die uns fehlt. Dann ist genau dies der Teil, der zu uns hinreflektiert wird- den Zerrspiegel ebnet- die Oberfläche blank reibt- , wenn ihr uns eine Hand reicht.
Und das ist soviel wertvoller als alles Bedauern, Wüten, (stellvertretend) Trauern und auch (teils stellvertretende) Leiden mit dem Uns von früher.

Seid erschüttert und tragt die Erschütterung weiter!

nur wollen

„Wir können alles schaffen genau wie die toll
dressierten Affen wir müssen nur wollen
Wir können alles schaffen genau wie die
toll dressierten Affen wir müssen nur wollen
wir müssen nur wollen
wir müssen nur wollen
wir müssen nur wollen
wir müssen nur
(müssen nur)
müssen nur
wir müssen nur wollen…
(Wir sind Helden- aus: “Reklamation”)

Ach ja… die Nummer mit dem Wollen, die aufgedrückte Ausrede um Verantwortung zu verteilen,
die gemeine Art (sich) zu sagen, man sei selbst Schuld…
Phu es dauerte lange, bis wir aus dem Kreislauf raus waren und eins gleichmal vorweg- unsere damaligen Helfer waren dabei keine Hilfe.

ca. 3/4 bis etwas über 14 Jahre alt, “Wenn du es nicht anders willst…” – zerstörende Qualen

15 Jahre alt, Suizidversuch Nummer 9 [oder 10?- Man-Hallo?! Irgendwie war es doch immer das Gleiche], Einweisung in eine psychiatrische Krisenstation, schon wieder.
“Wenn du eine Veränderung wollen würdest, dann würdest du das nicht immer wieder machen.”

15 Jahre alt, Tick Tack- Therapeut, Suizidversuch Nummer 10 [oder 11 weiß der Geier], Rausschmiss aus der Wohngruppe: “Du willst dich ja nicht an die Absprachen halten.”

16 jahre alt, Diagnose Schizophrenie, Nebelwand aus Neuroleptika, Tranquilizern und Antidepressiva, Täterkontakte und Maschinenfunktion in Reinkultur:
“Du musst schon reden wollen, sonst muss ich denken, dass du die Hilfe hier nicht willst”

17 Jahre alt, Leben in der xten Wohngruppe, das xte nichtsagende Gesicht vor Augen,
“Du musst das hier auch wollen, sonst können wir nichts für dich tun”

Himmel wie wir wollten!!! Wollen wollten. Wollten, dass sie alle wollten!
Wie sehr wir in dieser Zeit hinter den Augen standen und aus allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln heraus geschriehen haben, dass wir wollen. Dass wir ein Ende wollen, dass wir Rettung wollen, dass wir Hilfe wollen, dass wir Erlösung von all dieser Qual wollen.

Aber wie das so ist… wenn der Dressierte versucht zu dressieren, kann das prima klappen- aber auch fürchterlich in die Hose gehen, wenn es sich um ein bereits anders dressiertes Tier handelt.
Sie haben es sich leicht gemacht. Sie haben uns gesagt, wir würden nicht wollen, um nicht anerkennen zu müssen, dass sie uns in jedem Fall nicht hätten helfen können. Egal wie sehr wie nach aussenhin deutlich erkennbar wollen würden. Egal was wir gemacht oder nicht (mehr) gemacht hätten- sie hätten uns weder retten, noch erlösen können.
Nur schützen und annehmen. Aber dafür gab es keinen Platz.

Jugendhilfeeinrichtungen sind Heime. Nachwievor. Es sind Gruppen in denen soviele Jugendliche wie möglich verschwinden, damit an anderer Stelle Handeln gezeigt werden kann. Was dann passiert, ist allen egal- ausser jenen die direkt beteiligt sind.
Wie absurd wenig Zeit es dort für die Bewohner gibt, wie abgegrenzt- teils abwertend und auch durch viele frustriend-ohnmächtig machende Momente- verhärmt die Betreuer dort sind; was für eine Verwahrung bis zur Vollährigkeit dort passiert…
“Was sollen wir denn machen, um ihnen zu helfen?- Die wollen ja nich!”
Die moderne Psychiatrie existiert nicht. Man nennt sie so, weil offensichtliche Folter dort auch endlich (weitestgehend) verboten ist. Der Rest ist gleich geblieben. Dort werden alle hingekarrt, für die es sonst nirgendwo genug soziale Anbindung und Nähe während der Krise gibt.  Was dann mit ihnen passiert bleibt lieber verschwiegen… [Ja… Märchen und Mythen alles was man so hört. Ist doch alles ganz anders…] und auch hier wird den Menschen gesagt, sie müssten zeigen, dass sie wollen, dann würde schon geholfen werden und alles würde gut werden. Und auch hier geht es darum an anderer Stelle ein Handeln vorschützen zu können.

Für uns ist es bis heute nicht wieder gut geworden, weil wir gezeigt haben, dass wir wollen.
Es ist besser geworden, als da jemand war, der einfach ganz selbstverständlich sagte:
“Ja aber natürlich wollen Sie! Das sehe ich doch jeden Tag, wenn Sie wieder hier in der Klinik ankommen!”
Rumms! Endlich! Da waren wir 18einhalb.
Ja! Der Mensch sah unsere Kämpfe und erkannte unsere Erfolge an. Es gab Ermutigung und stetiges Cheerleading, hier und da ein Hinweis auf Erfolge, die wir selbst nicht sahen, ab und an ein Schubs der half den Rücken aufzurichten.
Da war dann plötzlich ganz einfaches Vertrauen da hinein, dass wir schon alles tun, was nötig ist, um nicht zu sterben, andere Menschen oder uns selbst zu verletzen.
Und als wir das nicht genau sagen konnten, wurde gefragt, was uns helfen würde. Ganz einfach so.
Ganz offen und ohne den Unterton den der Satz  “Wenn du es nicht anders willst…” mitbringt.
Und mit dem festen Glauben, daran, dass es etwas gibt, das hilft.
Wir hatten immer den Eindruck, dass der Mensch immer etwas Helfendes wusste und es uns im Notfall sogar in die Hand drücken würde.

Wir mussten nie wieder beweisen, dass wir eine Veränderung, eine Heilung, ein Leben wollten.
Endlich hatten wir die Möglichkeit die Energie, die wir sonst für das Schreihen um Hilfe und das “sich Erklären” verwendet hatten, in Dinge zu bringen, die uns das Handwerkszeug dazu erschaffen liessen und nachwievor lassen.

Nein- man muss nicht nur wollen, um zu erreichen, was man will. Man braucht auch jemandem der einem genau das glaubt- egal wie wenig “Wollen” nach aussenhin sichtbar ist.

Als Helfer so fest an seine Klienten/ Patienten zu glauben allerdings, erfordert eine gewisse Art des Nicht-dressiert- seins. Die Helferinnen, die uns am besten unterstützten und teils nachwievor begleiten sind so. Sie erkennen das peitschenschwingende Männchen an, dass ihnen Finanzknüppel; unmögliche Strukturen bei der Arbeit etc. vor die Füße schmeißt, hopsen aber mehr oder weniger offen darüber hinweg und tun das, was sie wollen: Helfen- ohne Wenn und Aber.
Sie machen was von ihnen verlangt wird- aber sie tun es so, wie sie es für richtig und wichtig und sinnvoll halten. Ganz gleich was es für Unsicherheiten gibt oder was ein schlauer Lehrinhalt ihrer Ausbildung dazu sagt. Sie benutzen ihren Kopf, der auf ihrem starken breiten Rückgrat steckt.

“Solange es Ihnen hilft- mache ich das eben”

So ein Geschenk auszuhalten ist wieder eine andere Sache.
Aber es hilft zu wissen, dass es da ist und, dass man es nicht wollen muss, um es anzunehmen.