der Unterschied – #AutismAcceptanceMonth

Mein autistisches Geschwist hatte im Kindergartenalter den gleichen Kopfumfang wie ich als Grundschulkind. Damals als kurioser Befund von der Kinderärztin und als Beweis meiner Dämlichkeit von den Eltern behandelt, weiß ich heute, dass Autismus mit neuronaler Hyperkonnektivität einhergehen kann. Es werden sehr viel mehr Verbindungen hergestellt und weniger schnell wieder verworfen. [1]
Ein Biomarker ist das jedoch nicht. Eher eine weitere Theorie auf der Forschungsreise zum Ursprung von Autismus. [2]

Als erwachsene autistische Person kann ich diesem Ziel der Forschung nur wenig abgewinnen. Die Ursache von etwas zu finden, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, dient lediglich dem Erkenntnisgewinn zur Verhinderung von Wiederholung in der Zukunft. In Bezug auf autistische Menschen bedeutet dies Eugenik. Die Verhinderung von autistischem Leben.
Mich interessiert viel mehr, was autistische Menschen von nicht-autistischen Menschen unterscheidet, um mein Leben unter überwiegend nicht-autistischen Menschen gut zu gestalten. Verstehe ich mich, so denke ich, verstehe ich andere Menschen besser. Um mich zu verstehen muss ich auch mein Autistischsein verstehen.
Und was ich bisher verstanden habe ist, dass ich mich kaum im Was unterscheide, im Wie jedoch erheblich.

Ich kann sehr viel von dem, was neurotypische und nicht-autistische Menschen können. Kann mein Verhalten so gut anpassen, dass ich kaum noch ein Kriterium aus dem DSM oder den ICD erfülle und mein Innenleben so gut von mir dissoziieren, dass ich so gut wie nichts darüber sagen oder fühlen oder bewusst begreifen kann, wie mich was wann warum belastet oder behindert.
Mein maskiertes Leben ist de facto ein neurotypisch funktionierendes. Ein Modus des Was, ein Modus der Funktion durch Nachahmung, Spiegelung, Anpassung.

Mein Wie jedoch ist anders. Autistisch eben.
Der Umstand, wie ich Dinge wie Interaktion und Kommunikation, meine Orientierung in verschiedenen Kontexten herstelle, ist nicht wie bei neurotypisch entwickelten Menschen und auch nicht wie bei nicht-autistisch neurodivergenten Menschen.
Manchmal fühle ich mich sehr einsam in meinem Wie, weil es nur durch Abgrenzung sichtbar wird. Ich merke, dass meine Art der Beobachtung und Herleitung manchen Menschen sehr unheimlich ist – sie sich objektifiziert oder entmenschlicht, oft sogar persönlich abgelehnt fühlen, wenn ich mich so authentisch zeige, wie ich bin. Sobald ich mich authentisch zeige, wird die Grenze sichtbar, die ich meistens stillschweigend kompensiere, um Gefühle nicht zu verletzen, die ich selbst nie habe und in der Regel auch überhaupt erst dann nachvollziehen kann, wenn ich mich ganz verlasse.

Problematisiert wird oft nur das. Der Umstand, dass autistische Menschen oft einsam unter vielen neurotypischen Menschen sind, wenn sie sich gut maskieren und in vielen Bereichen sehr angepasst funktionieren können – oder dass autistische Menschen sehr viele (neurotypische) Menschen und ihre Kapazitäten an sich binden, wenn (weil) sie nicht gut maskieren (können) und/oder in vielen Bereichen nicht angepasst funktionieren (können).
Deshalb gibt es die Diagnose „Autismus“ – ein Substantiv, ein Ding, ein Was – und viel Expertise rund um Anpassungstrainings Therapien, aber keine allgemeine Akzeptanz des Wie von autistischen Menschen. Keinen Willen zur Ver_Bindung, keine Bereitschaft sich für andere Wege und Ansichten zum Was des Lebens und Miteinanders zu öffnen.

Für mich ist das der Unterschied zum Er_Leben nicht-autistischer Menschen.
Mein Wie wird als ein Was behandelt.

 

[1] Askham, Angie. (2021). Synaptic overgrowth, hyperconnectivity may define autism subtype. Spectrum. 10.53053/QQHB1099. 
[2] The connectivity theory of autism, explained (Link zu Spectrum News)

man muss nicht glauben, um zu helfen

Ich bin vorhin über die Türschwelle zum Multiland im Internet gestolpert und mitten in eine Welt geplumpst, in der mein Risiko an Hirndiabetis zu erkranken um Faktor 100 erhöht wurde.

Die versierten SucherInnen werden sie kennen, diese Seiten auf denen über Multiple „aufgeklärt“ wird. Jaja, ich  meine die, mit den wackelnden Gifs von weinenden Engeln, den Webringfackeln und den verniedlichenden Begriffen.
Ich sehe die Bildchen und denke: Kitsch. Sehe „Webring“ und denke: Angst vor der Offline-Welt. Lese so Dinge wie: „Innie“, „Multi“, „Darki“ und denke an Vermittlungsseiten von Tierheimhunden.

Da ist erst mal keine Wertung drin (auch wenn meine Assoziation dazu im Allgemeinen negativ konnotiert werden). Ich versuche trotzdem die Seiten zu lesen und würdige, die Arbeit die dahinter steht. Der Wunsch der Auseinandersetzung mit dem Thema, ist bei mir ja auch vorhanden.
Aber ich versuche mich in LeserInnen hineinzuversetzen, die selbst keine DIS haben und aus einem bestimmten Grund Informationen zum Thema gesucht haben und in Folge dessen schlage ich vor solche Seiten die Hände überm Kopf zusammen.
Wenn ich so eine Seite durch habe, glaube ich selber nicht mehr an dissoziative Identitäten oder satanistische Kulte und das finde ich schlimm.

Schlimm deshalb, weil ich noch immer von HelferInnen und Hilfseinrichtungen höre, die „nicht an „solche Sachen“ glauben“. In den letzten Nebensatz hätte ich noch viel mehr Gänsefüße setzen müssen.
Vielleicht so: nicht an „solche“ „Sachen“ „glauben“.

„solche“? Welche?
„Sachen“? Welche Objekte -tote Gegenstände- werden im Zusammenhang mit DIS und destruktiven Kulten benannt?
„glauben“ Wer verlangt Glauben, wenn es die Ratio ist, die angesprochen wird?

Wir sprechen von einer Dynamik der Macht und Ohnmacht, der Gewalt und des Überlebens, wenn wir von Menschen in destruktiven Gruppierungen sprechen. Etwas, woran man nicht glauben muss, um zu wissen, dass es das gibt, weil wir alle Ähnliches in anderen Rahmen gleichsam erleben. Stichwort Bürokratie, Kapitalismus, Rassismus… der Weihnachtsmann.
In allen Zusammenhängen wird uns eine Struktur aufgedrückt, die die Welt oder Aspekte in ihr erklärt und definiert. Es liegt bei uns, ob wir danach leben wollen oder nicht.
Kinder glauben nicht an den Weihnachtsmann- sie glauben, daran, dass ihre Eltern ihnen die Wahrheit sagen, wenn sie ihnen erzählen, dass er die Geschenke unter den Baum legt. Sie hören auf es zu glauben, wenn sie so reif und frei sind, ihre Eltern zu hinterfragen oder beim Geschenkekauf „erwischen“ oder oder oder

Ja, ich habe wenig Verständnis dafür, wenn mir erwachsene HelferInnen erzählen wollen, dass sie nicht an (rituelle Gewalt in) destruktive(n) Kulte(n) glauben, weil ihnen das so entfernt vorkommt. Oder sie sich das einfach nicht vorstellen können.
Liebe HelferInnen:
Niemand verlangt eine genaue Vorstellung der Gewalt- bitte- schützen sie ihr Gehirn vor solchen Bildern! Sie werden falsch sein, weil Sie sie nicht erfahren haben.
Transponieren sie einfach nur die Fakten: Da ist ein Mensch, der viel Einfluss auf andere Menschen ausübt, in dem er ihnen die Welt definiert und ihnen ihre Identität abspricht. Sie zur Nummer macht, ihnen biologische, soziale, psychische Andersartigkeit zuschreibt und dies in eine Struktur einbettet. Einfach, weil er es kann und will.Vielleicht eigene Bedürfnisse befriedigt, in dem er die Grundbedürfnisse anderer Menschen ausbeutet.
Fertig. Da haben sie, was sie nicht glauben wollen.
Sie erfahren, das Gleiche jeden Tag. Nein?
Wie viele Nummern sind sie? Steuernummer, Versicherungsnummer, Kundennummer…
Wie viele Begriffe gibts für sie? Das N- Wort? Das Wort, dass ihr berufliches Wirken bezeichnet? Ihre Diagnose(n)? Das Wort, das ihren Familienstatus benennt?
Es ist das Gleiche. Das gleiche Muster, der gleiche Einfluss auf das, wer sie sind und was sie an Macht dadurch zugesprochen oder aberkannt bekommen.

Nur die Gewalt und die geistige Auslegung ist anders.
Bei ritueller/ ritualisierter Gewalt in destruktiven Gruppierungen, hat man es mit einem globalen Angriff auf die Menschen zu tun. Sie werden auf allen Ebenen verletzt, die es gibt. Auf der körperlichen, sozialen, psychischen, ökonomischen und der spirituellen Ebene. (Etwas, das ein religiös fanatischer Partner übrigens auch kann! Üben wir doch gleich mal das Transponieren…)

Oft höre ich Zweifel darüber, wie „das denn alles möglich sein soll“, „wie „sowas“ denn unbemerkt bleiben kann, von Außenstehenden, der Polizei usw.“ oder auch das vielgebrachte Argument der Zweifler: „Es müsste zig Leichen geben…“.

Es ist einfach etwas monströs „Schlechtes“ zu tun oder völlig legal zu planen.
Achtung Transponierungsalarm: „Prism“, Wasserprivatisierung, gentechnisch verändertes Saatgut, Steueroasen, das Brechen des Willens von Menschen in geschlossenen Einrichtungen, sexuelle Misshandlung in Kirchen und anderen Einrichtungen… soll ich weiter machen?

Menschen suchen Erklärungen und nehmen nur allzu oft unhinterfragt alles an, was ihnen geboten wird, wenn es etwas ist, das für sie greifbar (transponierbar) ist.
Wenn ich Verletzungen hatte und von jemandem darauf angesprochen wurde, sagte ich etwas von Unfällen, von einer Prügelei oder Selbstverletzung. Die meisten Menschen, haben mir geglaubt und nie wieder nachgefragt.
Und die Menschen, die nachgefragt haben, haben es spätestens nach Kenntnis der Wahrheit bereut. Nicht, weil die Wahrheit so schrecklich war, sondern, weil ihnen klar wurde, wie sehr an ihnen gezweifelt werden würde, würden sie dies mit anderen Menschen teilen. Ihnen wurde klar, was für einen Aufwand sie betreiben müssen, um mit jemandem darüber zu sprechen, ohne wegen der Annahme meiner Geschichte belächelt, angezweifelt oder offen verhöhnt zu werden.

Dazu kam, dass ich selbst nur gegenüber jenen die Wahrheit sagte, von denen ich annahm, einen Schutz vor der Strafe, die ich von der Gruppierung zu erwarten hatte, erhalten zu können.
Ich gehörte jemandem, der mir ein Schweigen und den absoluten Gehorsam aufgezwungen hatte. So wie allen anderen Menschen, die involviert waren, auch.

Wer schweigt, sagt nichts. Wer schweigen muss, um am Leben zu bleiben, erst Recht.
Spuren zu verwischen ist nicht besonders schwer. Was bereits für nur wenige Menschen sichtbar ist, kann leicht auch gänzlich schwinden gemacht werden.
Das kennt doch jeder, der mal unbeobachtet Äpfel geklaut hat. Schnell aufessen und niemand wird je davon erfahren.

Ich verstehe, dass unfassbar schlimme Gewalt unfassbar im Sinne von unbegreiflich ist.
Und ich verstehe, dass die Folgen, die vor allem in den Überlebenden absolut subjektive Muster entstehen lassen, nie übertragbar sind. Eine Objektivierung dessen, wird immer etwas übrig lassen, was Zweifel aufgrund von Unvergleichlichkeit mit der eigenen Wahrnehmung stehen lässt.
Doch die Folgen im Betroffenen selbst gänzlich verstehen zu wollen ist nicht nötig, wenn man sich mit der Ursache befassen muss oder will.

Das ist mein Kritikpunkt.
Wenn eine Website dafür sorgen will, destruktive Kulte und Sekten zu erklären, dann reicht ein kurzer Hinweis auf die Folgen. Wenn eine Website über die Folgen allein aufklären will, ist es nicht förderlich über die Ursachen (in diesem Fall die explizite Darstellung der Gewalt) zu schreiben.
Das Eine bedingt das Andere, natürlich. (Und will man die Gesamtdynamik erklären, dann lohnt eine Darstellung beider Seiten) Doch das Eine ist vielfältig übertragbar- das Andere nicht.
Das Eine, hat das Potenzial einen weiteren Überlebenden (Betroffenen) zu produzieren. Stichwort: PTBS-Symptome bei HelferInnen von traumatisierten Menschen.
Das Andere könnte zum Tod des Überlebenden führen bzw. dafür sorgen, dass weitere Menschen in die Gruppierung eingebracht werden oder außerhalb dessen Gewalt erfahren.

HelferInnen oder auch Menschen, die mit der Betreuung von Menschen mit diesem Hintergrund, beauftragt sind, haben nicht die Pflicht, an den Hintergrund zu glauben. Sie müssen nicht davon überzeugt sein, all die Gewalt als „echt“ einzustufen.
Doch sie sind definitiv dazu verpflichtet, ihren Klienten mit allen Problemen, die ihm durch die Folgen der Gewalt entstanden sind, als „echt“ anzunehmen und sie zu unterstützen, diese zu lösen oder mit ihnen ein Leben zu führen, das sie mindestens nicht umbringt. Um dies „gut“ zu tun und schwerwiegende Fehler zu vermeiden, ist eine Kenntnis über den Hintergrund hilfreich- keine Frage. Aber das Leiden und die Probleme, liegen in den Schwierigkeiten der Überlebenden und stehen im Vordergrund.

Auch in der Hilfe kann man transponieren ohne Ende.
Es muss nicht heißen: „Oh wei, oh wei- ein Mensch mit DIS- der braucht eine Sonderbehandlung!“. Es reicht zu sagen: „Ein Mensch dem Gewalt angetan wurde/ der kein Vertrauen leichtfertig annimmt/ der noch immer Angst hat/ der Hilfe braucht, um in ein Leben ohne Gewalt zu finden.“.

Es ist völlig egal, welche Profession man hat. Es ist völlig egal, in welcher Funktion man sich für ihn einsetzt.
Das Wichtigste ist ihn anzunehmen, wie er ist. Ihn ernst zunehmen. Ihm beizustehen. Hilfe ist Begleitung in der Gegenwart. Ehrlich, offen, gewaltfrei, menschlich. Egal, wie nah oder fern. Egal, wie überzeugt man selbst ist von dem, was dem Klienten passiert ist.

Die besten Helferinnen, die mich begleitet haben, waren jene, die das getan haben und noch immer tun.
Manchen habe ich nie die Gewalt erzählt, manchen gegenüber erwähne ich „Überschriften“. Doch nur meiner Anwältin und meinen Therapeutinnen gegenüber, habe ich jemals wirklich erinnerte Gewaltserlebnisse geschildert.
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Sie alle aber waren und sind hilfreich, weil sie da sind. Weil sie mich mit allem Guten und Schlechten an und in mir ernstnehmen und mir ihre Hände reichen, wenn ich sie brauche.
Ich weiß nicht, wie viel sie glauben, woran sie zweifeln, was sie denken oder gedacht haben, als sie von meiner DIS und dem was sie verursacht hat erfuhren. Und das ist mir auch egal. Sie sind da- hier und heute- und das ist alles, was ich je gebraucht habe.

Und…
es ist so oft, so wahnsinnig viel mehr, als ich mir je zu wünschen erlaubt habe.

zum internationalen Tag gegen Homophobie

Vor 23 Jahren wurde Homosexualität als Krankheit offiziell gestrichen- Homophobie bzw. Gewalt aus Gründen der Ablehnung von Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben und Sexualität leben, hingegen noch immer nicht.
Der 17.5. ist der Tag an dem darauf aufmerksam gemacht wird.

Homophobie ist eine seltsame Sache.
Einmal wird der Begriff oft und gerne falsch verwendet. Woran das liegt, weiß ich nicht- wo er überhaupt herkommt auch nicht. Aber der Begriff der Homophobie selbst, sagt mir Folgendes:
Angst vorm Gleichen.
Nicht: Angst davor, das gleiche Geschlecht zu lieben bzw. von jemandem mit dem gleichen Geschlecht geliebt zu werden oder: Angst davor, mit Homosexualität konfrontiert zu werden.
Hier gibt es also eine Begriffsbaustelle, der sich bereits einige Menschen angenommen haben und schlicht von „Gewalt gegen Schwule und Lesben“ sprechen und schreiben.

Dann haben wir noch eine weitere Baustelle: die Differenzierung zwischen Homosexualität und gleichgeschlechtlich gelebter Liebe.
Sex geht ohne Liebe- das weiß jeder.
Liebe geht immer und überall. In Bezug auf jedes Geschlecht.
Ich lese derzeit aber immer wieder von „mehr Rechte für Homosexuelle“ oder von „den Homosexuellen“.

Ich für mich, habe da eine Trennung, weil Sexualität ein Handeln impliziert. Etwas, das man planen, also kontrollieren kann. Liebe ist etwas, dass einen überkommt. Ganz und gar. Wenn man liebt, liebt man- da gibt es keine bewusste Entscheidung und Kontrolle über diese Empfindungen gibt es nicht.

Diese Vermischung der Begriffe überall führt, so denke ich mir das, dazu, dass manche Menschen Schwulen und Lesben unterstellen ihr Leben (mit ihrer Liebe drin) komplett frei entschieden hätten. Sie könntens ja auch lassen. Könnten doch einfach auch einfach mit ihrem sexuellen Gegenpart leben und wären dann „normal“.
„Störrische Narren- lasst die Spielerei- kommt zur Vernunft*!“

Ich wittere da eine Phobie. Aber keine Phobie, die sich auf die Gleichheit bezieht, sondern eine Phobie, die sich um das, was einem selbst fremd ist, dreht.

Etwas interessantes an dieser Art Phobie ist, dass sie ausschließlich mit zunehmendem Wissen passiert.
Ich hatte mal einen Menschen an meiner Seite, der mich lange kannte und auch mochte. Ich verliebte mich in ihn und irgendwann war ich mutig genug, das auch zu vermitteln.
Der Mensch wandte sich sofort von mir ab und agierte auf Alltagsgewaltniveau mir gegenüber. Plötzlich kamen Worte wie „deine Neigung“ auf. Dass ich einfach nur verliebt war- einfach nur einen liebevollen Impuls in Bezug auf den Menschen in seiner Gesamtheit verspürte und dies vermittelte, davon war gar keine Rede. Der Mensch fasste meine Gefühle als eine Entscheidung auf- stellte meine Gefühle auf eine Ebene mit meinem Handeln- und übersah dabei, dass ich noch überhaupt gar nicht gehandelt, sondern nur gefühlt hatte!

Liebe zu Menschen mit dem gleichen Geschlecht ist unsichtbar. Sie ist nur in den Menschen selbst drin und das ist für Menschen, denen diese Art der Liebe von sich selbst fremd ist, schwer aushaltbar. Für sie ist es ein Kontrollverlust und vielleicht mit Gefühlen von Ohnmacht verbunden. Manche Menschen können das gewaltfrei kommunizieren- manche jedoch nicht. Sie müssen diese Menschen abwerten, ihnen eine „Mehrebenenandersartigkeit“ (biologisch, psychisch, sozial) unterstellen, um diese -in erster Linie vor sich selbst!- zu rechtfertigen.

Lange haben sich diese Menschen dazu sogar ganze Machtinstrumente zu Nutze gemacht bzw. machen können. So zum Beispiel die klinische Medizin (darin enthalten: die Psychiatrie), ja sogar die Staatsmacht bzw. dessen Instrumente der Rechtsprechung (z.B. § 175 StGB bis 1994).

Dinge die uns Menschen fremd sind, bezeichnen wir als „das Andere“. Es ist anders als das, was wir von uns selbst kennen, anders als das, was wir selbst tun. So verstehe ich grundsätzlich das viel praktizierte „Othering“ von Menschen, die selbst weder Homosexualität noch gleichgeschlechtliche Liebe ausleben.
In Bezug auf die Gewalt, die von sich abgrenzende Menschen, gegen Schwule und Lesben ausüben ist es, meiner Meinung nach, nichts als Angst und der Wunsch andere Menschen zu kontrollieren. Weniger beängstigend zu machen, in dem sie eine Angleichung erzwingen wollen. Dies geht natürlich ganz erheblich leichter, wenn man emotionale Impulse auf eine Stufe mit (sexuellen) Handlungen stellt. Genährt wird dies, meiner Meinung nach, durch unhinterfragtes Weitertragen von Gedankengut anderer ablehnender Menschen und eben auch, durch die immer wieder betonierte Begrifflichkeitsverwischung.
Einem Beharren auf dem eigenen Erleben, als normhaft. Als sei die Norm der Status Quo, der ein friedliches Miteinander ermögliche und nicht die Akzeptanz, Toleranz und Respektierung von Menschen in ihrer Gesamtheit im Grundsatz.

Ich, für mich, lehne Antiparolen ab.
Halte es für unsinnig zu sagen: „Ich bin gegen Homophobie. Bin dagegen, das Menschen Gewalt gegen Menschen ausüben, die anders fühlen (und auch Sexualität anders leben) als ich.“ Es ist wieder ein „Othering“ und ein verbalisierter Ausdruck der eigenen Norm- nicht das Hinterfragen selbiger, was meiner Ansicht nach, gleichsam notwendig ist, um Gewalt aus dem menschlichen Miteinander zu bringen.
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Ich sage lieber, dass Liebe, Liebe ist und bleibt. Unerzwingbar, unkontrollierbar- und auch lebbar- in all ihren Formen. Dieses Leben muss im gegenseitigen Einverständnis gelebt werden dürfen und von allen Menschen gleich akzeptiert werden- egal, ob man sie von sich selbst kennt oder nicht.

Wir Menschen lieben, weil wir es können. Völlig gleich warum. Völlig gleich wen.
Dies als grundsätzliche Haltung zu etablieren sollte, meiner Meinung nach, der erste Schritt sein, wenn wir etwas gegen Gewalt aus Gründen der Ablehnung verhindern bzw. beenden wollen.

ein paar behinderte Gedanken zu Menschen mit Behinderungen und Behinderungen an sich

Morgen haben wir einen Termin in der Abendschule.
Es geht darum sich vorzustellen, seine Bewerbung, seine letzten Zeugnisse und Unterlagen zur Person abzugeben. Es wird darum gehen zu schauen, ob wir dort sein können, was wir für Unterstützung bekommen können, was für Anforderungen gestellt werden.
Ich bin schon angekritzt darüber, nicht einfach nur meine Unterlagen dorthin schicken zu können und dann nur noch auf einen Anmeldebestätigung warten zu müssen.
Aber wir fallen aus den Aufnahmekriterien heraus, also bleibt uns keine andere Wahl.
Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung und 2 Jahre Arbeit, sowie Arbeit oder ein zu versorgendes Familienmitglied nebenbei.
Tja, damit können wir leider nicht dienen- und wenn wir es könnten, würden wir uns sicher nicht noch mal 3 Jahre Abendschule geben.

Ich fand mich richtig gut in dem Telefonat mit der Sekretärin. Ich war sachlich, logisch und nicht defensiv.
Ich sagte, ich hätte gerne einen Termin mit dem Schulleiter, um abzuklären ob und wenn ja was für Möglichkeiten es für mich gibt, auch mit meiner Schwerbehinderung (Bumms! Ich habe das Wort gesagt!) teilnehmen zu können und wie die Lage in Bezug auf Unterstützung von Seiten der Schule aussieht.
Die Sekretärin gab mir einen Termin und stellte dann die Preisfrage: „Darf ich Sie fragen- sitzen Sie im Rollstuhl?“. Ich antwortete, das sie mich natürlich fragen darf und, dass ich nicht im Rollstuhl sitze.
(Btw: Was ist das bitte für eine Sprachführung?! Den Rest des Tages fragte ich mich, ob sie mich nur fragen wollte, ob ich einen Rollstuhl benutze oder, ob sie mich fragen wollte, mich etwas zu fragen zu dürfen und dann die Frage nach der Behinderung stellte, und ob ich nun richtig reagiert hatte oder nicht.)

Es ist eine kleine Episode. Total normal und nicht schlimm.
Aber wieder kreiseln in meinem Kopf viele Gedanken wüst hin und her.
Da ist zum Beispiel der Gedanke zum „Standartbehinderten“ in der breiten Masse.
Ich bin mir nicht sicher, aber viele Menschen auf die ich so treffe, oder gerade so in Bezug auf normierende Bürokratie, wie jetzt zum Beispiel in der Verwaltung der Schule, scheint es die Verknüpfung: Schwerbehinderung= das Plakat von „Aktion Mensch“ zu geben.
Schwerbehinderung, das heißt, Rollstuhl, Blindenführhund, Gebärdensprache, eine futuristische Prothese oder die spezifische Physiognomik von Menschen mit Down-Syndrom. Schwerbehinderung das heißt: „Himmel wie kommt der Mensch bloß klar?! Der muss ja total viele Sachen im Alltag anders machen. Der braucht ja richtig viel Hilfe, weil er was nicht kann, was sein Körper (und hier biologistisch eingeflochten der „Geist“ wie der derzeit einzig ausmessbare Intellekt falsch benannt wird bei „geistiger Behinderung“) ihm verweigert.“
Schwerbehinderung heißt auch: „Boa guck mal, was der Mensch TROTZDEM (nicht etwa MIT) kann.“ Heißt auch: Aussagen von den betreffenden Menschen „Ich leide nicht unter meiner Behinderung- ich leide darunter, wie meine Umwelt mit mir umgeht.“. Heißt immer und immer und immer: anders als „DIE ANDEREN“.

Nun ist es so, dass man, wenn man länger als 6 Monate an der gleichen Sache erkrankt ist, als chronisch krank gilt. Und damit ebenso als schwerbehindert.
Und Peng!- steht man vor einer Gruppe von Menschen mit Behinderungen die sogar „anders als die anderen Schwerbehinderten“ ist.
So wie ich.

Für mich ist es eine Bombenhürde zu diesem Termin zu gehen. So bombig, dass ich den Termin höchstwahrscheinlich nicht einmal erinnere. Der Besuch der Schule ist für ich eine Ansammlung von Barrieren, die nicht weggeräumt werden können (und um Himmels Willen auch nicht sollen), um mir den Zugang zu erleichtern. An mein reflexhaftes Umschalten auf Todesangst und in der Folge anpassendes Dissoziieren, kann man weder Rampe, noch Bildtafel, noch Audiomitteilung, noch leichte Sprache dran stellen, um sie (wenigstens in Teilen) zu kompensieren. Ich kompensiere ja selbst bereits in der Situation und breche erst nach einer Überbeanspruchung dieser Fähigkeit zusammen und werde handlungsunfähig. Erst dann kann ich Unterstützung erhalten.
Ich kann sehr gut verstehen, warum es dann schwer fällt, mich als „jemand mit grünem Ausweis“ wahrzunehmen. Wir turnen in der Schule rum, sind produktiv, motiviert, engagiert, geistig fit, aktiv und zuverlässig… bis ich vielleicht das Pech habe, von einem Lehrer in zwei Fächern gleichzeitig unterrichtet zu werden. Bis Mitschüler versuchen außerhalb des Unterrichtes mit mir Kontakt zu haben. Bis es eine Hausarbeit oder ein Projekt über einen Zeitraum wie die Ferien gibt. Bis es außerhalb des Schulkontextes eine so schwere Krise gibt, dass die Somatik sogar bei den Schulgängern ankommt. Also bis zu ziemlich genau dem Zeitpunkt in dem unser Kompensationsmodus zur Kompensation des Gesamtzustandes werden muss.
Es ist gut, wenn ich zum Beispiel jetzt in der Schule einen Menschen habe, dem ich das so erkläre und mit dem ich Absprachen treffe, die mich davor bewahren, mich vor Lehrkräften auch noch erklären zu müssen oder indem sie mich nicht rausschmeißen, weil ich dauernd fehle, mir den Stoff nach Hause bringen oder ein Pauschalattest für Fehlzeiten akzeptieren und mir Gelegenheit geben Tests nachzuholen.
Doch mit der Kompensation der Behinderung selbst bleibe ich auf eine Art allein, die unsichtbar und der als Krankheit bezeichnete Zustand ist. Man sieht sie von außen nicht, man merkt sie mir nur an, wenn man drauf achtet und sogar ich selbst kann dies erst formulieren, wenn ich nicht mehr mehr genau dort in der Schule sitze, sondern hier bei mir zu Hause. Dann nämlich, wenn ich hier sitze und halbgeist-kopfig Hausaufgaben zu erledigen versuche, die ich nicht verstehe und einen Tag nachzuvollziehen versuche, den ich nicht gelebt habe.

Ich könnte nun auch sagen: „Ja ich leide ja nicht unter meiner Behinderung- meine Umwelt geht nur falsch mit mir um“. Das stimmt ja aber nicht. Meine Umwelt geht total richtig und entsprechend mit meinem Verhalten und Wirken mit mir um. Was kann denn meine Umwelt dafür, wenn mein Gehirn nicht für diese Normalität ausgerüstet ist und mein Verhalten und Wirken eben nicht mit MIR(in jedem meiner Zustände) zusammen passiert?
Meine Umwelt hat gar keine andere Chance als für mich unpassend zu sein und ich bin dankbar dafür. Doch das ist etwas das konträr zur stetigen Forderung steht, Barrieren für Menschen mit Behinderung abzuschaffen. Meine Barriere bin in erster Linie mein Erleben meiner selbst (und meiner Umwelt) und erst dann die ungünstigen Normen und Bestimmungen außen.
Wir könnten ja auch das Abitur im Fernlehrgang machen. Ich bin aber abhängig davon in diesen „Schulgängerzustand“ zu geraten, um Zugriff auf das Schulwissen der Abendrealschule und der Schulen zu erhalten. Ich bin also abhängig davon „unter meiner Behinderung zu leiden“, weil ich sonst gar nicht erst die Chance auf Bildung und damit dann später vielleicht ein Studium und noch später vielleicht einen Beruf und damit dann endlich Unabhängigkeit habe.P5310032

Ich stelle mir viele Fragen rund um die Themen der Menschen mit Behinderung und fühle mich dabei behindert.
Da sind die Normen der Leistungsgesellschaft und da die Kritik und die Änderungswünsche derer, die ihnen nicht entsprechen können.
Da ist der Nutzen von pränataler Diagnostik und da die 95% der Fälle von Abtreibung der Föten mit nachgewiesener Wuchsrichtung jenseits der Norm.
Da ist der Ruf nach Inklusion und da das Unterstreichen (müssen) von Andersartigkeit.
Da ist das Leiden und da die Verneinung eines solchen.
Da ist das Versprechen mehr für Menschen mit Behinderung zu tun und da die Förderung von Werkstätten in denen des schlechte Bezahlung und keine Aufstiegschancen gibt.
Da gibt es die Entwicklung von bionischen Prothesen und da die strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, die dafür sorgt, dass sie nie genug Geld für genau diese Prothesen haben werden.
Da gibt es den Beruf des Inklusionshelfers und da aber die Ablehnung von Bewerbern darauf, die selbst einen grünen Ausweis haben. (Boa! Ich hab mich so so so sehr darüber geärgert!)

Manchmal bin ich froh darum, dass wir mit vielen Menschen „anderer Wuchsrichtung“ zusammen gelebt und mit ihnen zusammen gearbeitet haben. Auch wenn wir natürlich keine globale Ahnung von ihrer Lebensrealität haben, haben wir so doch das Bewusstsein, dass die Menschen mit Behinderungen sind- nicht „Behinderte“.
Doch komme ich nicht umhin mich doch noch anders zu fühlen.
Ich bin bis jetzt die einzige Multiple, die ich kenne, die sich diese Störung als Schwerbehinderung hat anerkennen lassen.
Ich hätte es auch anders machen können. Aber in einem Anflug von politischem Trotz war es wichtig für uns gewesen, zu unterstreichen, dass die erlebte Gewalt so schwer war, dass die Folgen heute uns so sehr beeinträchtigen, wie das Fehlen einer körperlichen Fähigkeit.

Es war gut und richtig das zu tun. Wir lassen uns in der Hinsicht nichts anderes mehr sagen, weil es für uns bedeutet hätte, wieder etwas unsichtbar zu machen, wenn wir das nicht getan hätten.
Aber es war auch das Übernehmen einer Aufgabe, die ich mit allen Menschen mit Behinderung teile: Das Eingestehen und Vermitteln meiner (hochprivaten) Probleme an Menschen die genau dieses oben benannte Bewusstsein nicht unbedingt auch haben.
Eine Aufgabe, an der ich, als Innen in diesem Einsmensch hier, genau wegen dieser Probleme scheitern werde.