„Ich bin nicht die Anderen- aber ich bin nicht anders, als die Anderen.“

Wiederholtes Plingkonzert, gestern Nachmittag.

Ich schrieb über Twitter mit einer Leserin des Blogs, die mir schrieb, dass sie sich mit Kommentaren bei persönlichen Einträgen zurückhält, weil sie nicht durch das Erzählen eigener Erfahrungen vermitteln möchte: „Hey, ich kenne das auch alles- aber irgendwie doch nicht so, nur anders- aber es ist irgendwie so gleich und …“.

Ich finde es immer schön, wenn jemand hier kommentiert und gerade auch, wenn jemand seine eigenen Erfahrungen und Empfindungen teilt bzw. das für sich so kann und möchte.

In dem Reiter „über dieses Blog“ steht ein wichtiger Satz drin, der mir zu Beginn den Anreiz für das Blog gab.
„Das Leben mit DIS wird meiner Meinung nach von den (Massen)Medien unnötig aufgehyped, verzerrt und gleichsam falsch, wie fast alle Themen rund um (die Gesichter, die Folgen und Ursachen von) Gewalt, aufgenommen.“
Ich hatte damals vernünftige Literatur und Medien gesucht, um jemandem in meiner Umgebung meine Wahrnehmung und Schwierigkeiten darzustellen. Außer Sachbücher konnte ich ihm nichts geben und selbst bei der Auswahl musste ich noch viele Abstriche machen.

Gab man damals „multiple Persönlichkeit“ bei Google ein, landete man bei „Höllenleben“, medizinischem Kauderwelsch, reißerischen Zeitungsartikeln und Links zu Foren, die nicht öffentlich lesbar sind.
Das Bild, das sich ergab, war einfach nicht das, was ich vermitteln wollte: Die Fachwelt streitet und zweifelt (was damals schon nicht mehr ganz stimmte!), die Presse sucht die Story und die Betroffenen verschanzen sich aus Angst um Leib und Leben „müssen sie ja auch, kommen ja alle aus einem Kult“ (O-Ton des Menschen damals).

Heute ist die „dissoziative Identitätsstörung“ als komplexe Traumafolgestörung bekannt und sowohl im DSM 5 als auch im ICD 10 anerkannt. (Im Gegensatz zu so opferverhöhnender Bedeckmantelei, wie das „False Memory-Syndrome“). Heißt: Wenn einem heute ein Arzt sagt, so etwas wie multiple Persönlichkeiten gäbe es nicht, kann Mensch davon ausgehen, dass es sich um einen Arzt handelt, der nicht fortgebildet ist oder ein Interesse daran hat, Gewalt und seine Folgen zu negieren.

Die Presse und auch das Fernsehen, wird allzu oft dafür bezahlt, eine Story zu liefern. Wichtig ist, was gesehen wird- nicht das, was gehört und an Informationen aufgenommen wird. Gesucht wird die Andersartigkeit- nicht die Gleichheit. So begegnete mir auch schon die Aussage, für mehr Authentizität, sei es notwendig Aufnahmen vom Betroffenen an Tatorten zu zeigen.
Die Irre daran wird leider oft übersehen.
Wenn man einen Film über DIS macht, macht man einen Film über die Gegenwart. Filmt man den Betroffenen an Orten, an denen er in der Vergangenheit gequält wurde, provoziert man beim Zuschauer die Notwendigkeit, sich diese Qualen vorzustellen in dem er sich den Betroffenen als Kind vorstellt und den leeren vermodernden Keller in möbliert und mit Tapete an den Wänden. So entsteht ein anderes Bild, als die Wirklichkeit. Es ist ergo nicht kongruent mit dem, was der betroffene Mensch tatsächlich erlebt hat.
Außerdem gibt es den Effekt, dass nicht das Leben mit den Folgen davon im Kopf bleibt, sondern das Grauen allein. Das ist total basal- wir alle wissen, dass uns negative Dinge eher im Gedächtnis bleiben, als neutrale oder positive.

Doch wenn ein Film starke Gefühle erzeugt, die „hängen bleiben“, gilt er als gut. Egal, ob das, was gezeigt wird stimmt (grausamer oder weniger grausam, als im Kopf des Zuschauers entstanden). Umso schlimmer  finde ich es, wenn ich von einer „packenden Dokumentation über eine multiple Persönlichkeit“ höre. Eine Dokumentation bildet ab- sie ist in der Regel sachlich und informativ- nicht „packend“.
Eine Reportage hingegen, hat einen anderen Rahmen, oder ein Portrait. Sie soll „packend“ sein, damit sie verkauft wird.

Ich bin keine Journalistin, habe aber eine grobe Ahnung vom Auftrag der journalistischen Ethik und der Verantwortung, die man trägt, wenn man über etwas schreibt, das in manchen Bereichen stellvertretend veröffentlicht wird. Man unterstreicht die allgemeinen Gemeinsamkeiten und zeichnet die individuelle Ausprägung als so individuell, wie sie ist.

Es ist bekannt, dass alle Menschen dissoziieren. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Unser Gehirn funktioniert in der Hinsicht ganz basal gleich.
Es ist bekannt, dass jeder Mensch, im Laufe seines Lebens das Verhalten anderer Menschen studiert und introjeziert. Das ist Teil der menschlichen Entwicklung und evolutionär bewährt. Beobachten, bewerten, imitieren. Ebenfalls ganz basal gleich.
Es ist bekannt, dass Schmerz schmerzt und vermieden werden will.
Und es ist bekannt, dass jeder Mensch subjektiv bewertet und verschieden (re-) agiert.

Mehr braucht es eigentlich nicht zu wissen, wenn man vernünftig über etwas schreiben will, was bei sich selbst los ist und von anderen Menschen verstanden werden soll.
Ich sitze hier und mache das große: „YES!“, wenn mir jemand ohne DIS schreibt, er kenne dies und das von sich und gehe damit so und so um. Weil es mir zeigt, dass er die Gleichheit für sich wahrgenommen hat und meine individuelle Wahrnehmung als solche von sich abgrenzen kann.
Für mich bietet sich dann die Chance zu beobachten, zu bewerten und vielleicht zu imitieren. Heißt, einen neuen vielleicht hilfreichen Umgang mit Dingen zu lernen.

Ein großes schlimmes Ding an Traumafolgestörungen ist die Einsamkeit. Das Gefühl aufgrund seiner Erfahrungen- die man selbst ganz allein erfuhr, über die man nicht sprechen will/ kann/ darf- ; dem subjektiven Leiden darunter und der persönlichen Reaktion/Kompensation in Bezug darauf „anders zu sein, als die Anderen“. Ungleich zu sein.

Mir sind schon Menschen begegnet, die diese Ungleichheit für sich wichtig finden, gleichzeitig jedoch verzweifelt sind, über ihre Einsamkeit.
Das Gefühl besonders zu sein, ist ja auch ein Schönes. Man hebt sich ab, spürt seine Individualität sehr deutlich. Ist von anderen Menschen abgetrennt.
Wenn ich etwas Besonderes erschaffe, habe ich natürlich auch den Wunsch, dass es als so besonders wahrgenommen wird, wie ich es empfinde. So wie hier mein Blog. Er ist Freiheitspraxis deluxe mit Glitzersteinchen drauf. Jeden Tag aufs Neue. Ich gebe mir viel Mühe beim Schreiben und Suchen von Themen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich dann unter den Artikeln die Bilder von anderen BloggerInnen sehe, denen der Artikel gefällt. Oder wenn meine Statistik Beulen bekommt, weil es Artikel gibt, die von vielen Menschen gelesen werden. Oder wenn ich viele Rückmeldungen bekomme, die Dank, Verständnis und Lob ausdrücken. Hach!
Ich bin aber nicht der Typ, der gern von anderen Menschen abgegrenzt ist.

Für mich bedeutet „anders sein“ von je her direkte Gefühle von existenzieller Bedrohung. Als Kind gab es die Notwendigkeit von Gleichheit mit den Menschen, von denen ich abhängig war, um nicht zu sterben. Als Jugendliche gab es die Notwendigkeit von Verhaltenskongruenz, um nicht von Heim zu Heim, von Klinik zu Klinik abgeschoben zu werden und heute, als Erwachsene, suche ich die Kongruenz, um mich, wie andere Menschen auch, selbst zu versorgen und meine Bedürfnisse zu befriedigen.

Gleichheit bedeutet für mich Sicherheit auf vielen Ebenen.
Werde ich hervorgehoben, als „anders“ dargestellt, spüre ich direkt den Drang, meine Gleichheit mit anderen Menschen auf allen Ebenen, neben dem „Besonderen“ zu unterstreichen.
Neulich kam eine Email von jemandem, der schrieb, ich sei jemand ganz Besonderes, weil ich hier schreibe. Ich schickte ihm den Link zu WordPress.com und antwortete: „Meld dich an, machs dir nett und du „bist“ auch so besonders.486908_web_R_K_by_sokaeiko_pixelio.de Danke, dass du mein Schreiben, als besonders empfindest. Aber mein Sein, ist es nicht.“. 

Ich habe eine dissoziative Identitätsstruktur. Nehme mich und die Umwelt anders wahr, als andere Menschen. Trotzdem bin ich ein Mensch, wie sie auch.

Das so zu fühlen ist für mich immer wieder wichtig und schön. Vor allem, wenn meine Umwelt mir dabei hilft.

vom Selbst- sein und der Wahrnehmung des eigenen Selbst- seins

Wer wir sind, erfahren wir nicht, wenn wir wissen zu wem oder was wir uns zuordnen.
Wir erfahren nur, was wir können.

Als wir die Therapie anfingen war es das Grundthema: „Bin ich eigentlich?“
Erst einmal spüren und bei allen von uns klar zu bekommen, dass wir wirklich existieren.
Ein Mensch sind. Was Menschen können, dürfen, sollen, müssen und wo, wie, wann sie das können, dürfen, sollen und müssen.
Ganz basal. Absolut niedrig und fern von Wertung, Bedeutung und Erwartung.

Es ging in unserer Erziehung und auch späteren Sozialisierung viel darum Etwas oder ein Jemand zu sein- nicht darum, wie es ist zu sein. Wie sich dies anfühlt oder wie die subjektive Bewertung dessen war. Es gab in unserem Leben ein Sozialkonstrukt, dass nach körperlicher Reife und Eignung zu diversen Handlungen gestaffelt war. War man 3 Jahre alt, war man etwas (oder jemand) anderes als jemand (oder etwas) der (das) 33 Jahre alt war. Vom Etwas zum Jemand und vom Jemand zum Sein zu werden, war das erklärte Ziel von allem was uns begegnete.

Die eigene Existenz- das ganz ureigene (So-) Sein wie man ist, spielte dabei keine bzw. eine untergeordnete Rolle, als etwas, das defizitär ist und zu formen gilt. Das ist das Gift im Problemkreis der Seelenmörder, Sekten und sektuöser Gemeinschaften: Man ist nicht „Mensch, der nach XY lebt und denkt“, man ist „das was man lebt und denkt“. Man ist „die Gruppe/ der Guru/ der destruktive Partner etc. „.
Es gibt keine akzeptierte und respektierte Grenze zwischen sich als Mensch mit ureigenem Sein und dem was auf einen einwirkt.

Das ist in vielerlei Hinsicht gut, wie ich das jetzt nach der Lektüre von dem Buch „Der Feind im Innern“ von Michaela Huber aufgenommen habe. Wenn man, wie der Täter/ Anführer/ dominante Part oder dessen „Lehre“ entsprechend in seiner Umgebung ist, findet dieser eine Gleichheit und keinen Widerstand, der von ihm gebrochen werden kann/ muss.
Gleichheit schützt. „Gleich und gleich gesellt sich gern“, sagt man nicht ohne Grund.

Wir Menschen sind soziale Wesen. In unseren Zellkernen steckt das tiefe Wissen, dass wir ohne andere Menschen um uns herum, niedrige bis gar keine Chancen haben, unser Leben zu entsprechend unserer Grundbedürfnisse zu gestalten, zu schützen und am Ende sogar weitergeben zu können.

Das Problem dabei ist, dass man eben wie jemand anders agieren kann, doch niemals derjenige sein kann. Selbst Klone haben ein eigenes Sein- obwohl sie gleichen biologischen Anlagen haben. Die Seele- das ureigene Sein ist immer einzigartig.

Es gibt diesen Begriffknoten ums „Sein“.
An der Frage: „Wer bist du?“, kann ich es gut darstellen.
Die meisten Menschen antworten reflexhaft mit: „Ich bin Farfalla Regenbogen“. Nicht: „Ich bin ein Mensch, dessen Körper Farfalla Regenbogen genannt wird.“ (Ich bin mein Sein mit diesen und jenen Eigenschaften, die sich in einem Körper, genannt Farfalla Regenbogen, bündeln.)

Haarspalterei? Vielleicht.
Doch bei Menschen mit Selbstunsicherheit kann so eine Differenzierung eine Hilfe sein, wie für mich auch.
Wer bin ich, was macht mich aus, was bewirke ich?

Der Schlag unter die Gürtellinie ist in so einer Phase: „Ich bin ein Nichts im Universum- ich bin egal, ich hinterlasse nichts, bewege nichts…“. Es ist ein Tiefschlag, weil er einen größeren Denkrahmen impliziert, als er eigentlich verwendet und gebraucht wird. Es wird ein Mangel an Demut, am Wissen um die eigene Begrenztheit im großen Lauf der Dinge impliziert.
Mir wird fix mal Größenwahn unterstellt, wenn ich sage, ich möchte etwas verändern, möchte grundlegende Veränderungen schaffen, möchte gesellschaftlichen Wandel anstoßen. Als würde ich von der ganzen Menschheit oder der Welt sprechen. Dabei spreche ich von meinem kleinen Dunstkreis oder auch ganz allein mir und meinem Miteinander im Alltag.
Was interessiert mich das Universum, wenn es mein kleines „Bullergeddo“ ist, in dem ich lebe und das auf mich einwirkt? Ich muss mich nicht um die ganze Welt kümmern, denn es ist nicht die ganze Welt, die mit mir zu tun hat.

Und überhaupt muss ich dafür erst einmal wissen, wer ich bin. Wie mein Sein ist, wie es wirkt, was für Eigenschaften da sind und wie ich sie im Rahmen meiner biologischen, sozialen, kulturellen und ökomischen Bedingungen nutzen kann. Wo fange ich an und wo höre ich auf?
Wir sind also beim Thema Abgrenzung, Selbstreflektion und Selbstwirksamkeit.

Ich bin bedingt selbstreflektiert. Entweder nutze ich mein Tagebuch als Ursache-Wirkungs-Protokoll, oder meine Mitmenschen bzw. ihre Reaktionen auf mein Einwirken auf sie.
Aufgrund meiner dissoziativen Störungen, kann ich nicht alles, was mittels meines Körpers von meinem Sein transportiert wird, wahrnehmen. Heißt: Ich bin blind für manche Dinge und merke es nicht, wenn es keine für mich wahrnehmbare Wirkung im Außen hat. Etwa, weil ich den sozialen Kontext nicht erlebe, oder weil es darüber keine Aufzeichnung im Tagebuch gibt. Das macht mich selbstunsicher und es ist schwer eine ganzheitliche Einschätzung meiner Fähigkeiten und Eigenschaften bezüglich meines Seins (hier: Selbsts) zu erfahren.

Und das ist es, was die DIS auch mit so komplex macht: Ich weiß, was ich als Innen in diesem Gesamtmenschen kann und tue das auch. Doch ich weiß nicht, was ich als Ganzmensch für alle anderen Menschen wahrnehmbar kann und tue.

Der eine lernt eine C. Rosenblatt kennen und erlebt jemanden, der Hände schütteln, lächeln, sich sachlich und schlicht ausdrücken kann. Der Nächste lernt eine H. kennen, die auf Ausstellungen geht und sich auf die Schulter klopft, wenn sie es schafft sich für ein Kleidungsstück zu entscheiden. Wieder jemand anderes lernt eine E. kennen, die ihn anrotzt, wieso bei Werkstück XY der Schraubendreher Größe 8 bei einer Schraube die auf Größe 6 ausgelegt ist, verwendet wird und so weiter und so weiter.
Sie alle wissen, was sie können und tun dies- doch sie könnten, rein theoretisch, auch jeweils die anderen Dinge. Sie nehmen sie aber nicht bewusst (assoziativ) wahr oder als etwas, dass nicht zu ihrem Gesamtsein gehört.

Wir sind jetzt, nach langer Zeit in Therapie, so weit zu wissen- rein rational-, wo die Eigenschaften und Fähigkeiten insgesamt da sind. Also ich weiß, dass dieser Körper fähig zu Dingen wie schreiben, denken, handwerken, soziale Interaktion etc. ist, hänge aber an dem Punkt, an dem es sich nachwievor nicht so anfühlt, als gehöre dies zu meinem Sein. Zu meinem Selbst- so- sein wie ich als „Gesamtsein“ in einem Menschen bin.
Für mich ist es nachwievor Innen A, B, C, das dies kann.

Dazu gehören auch Positionierungen in sozialen, religiösen oder kulturellen Bezügen.
Ich weiß, dass viele bei uns nach dem jüdischen Kalender leben, würde dennoch von mir selbst nicht sagen „Ich bin Jüdin“. Genauso wenig wie ich sagen würde, ich sei Handwerkerin, Schriftstellerin, Lesbe oder Philosophin.

Ich brauche es ganz basal, um mir meiner selbst sicher zu sein: Ich bin ein Mensch- der Rest sind optionale Etikettierungen, die ich mir später vielleicht als mir zugehörig annehme oder auch nicht.
Mein Sein wird davon nicht berührt, keine dieser Beschreibungen haben etwas mit mir zu tun und das wäre nicht anders, wenn ich sie nennen würde. Mich also irgendwo so vorstellte: Hallo ich heiße XY und bin Handwerkerin.

Ich wäre es nicht, nur weil ich es sage und die Fähigkeiten in meinem Körper inne habe, dieses Etikett zurecht mit mir herumzutragen. Es würde nicht sagen wer ich bin- es würde sich nur anders anfühlen mit dieser Selbstbeschreibung von Menschen angenommen zu werden.

Ich glaube, dass es sehr viel mehr Mut und Selbstsicherheit braucht, als man meinen könnte, auf Etiketten und Zugehörigkeitsbeschreibungen zu verzichten.

Es ist einfach leichter, wenn man für vieles von sich selbst blind ist, sich in Kreisen zu bewegen, die ausschließlich auf den direkt abruf- und reproduzierbaren Fähigkeiten basieren. Zum Beispiel eben auch in zum Beispiel sektuösen Gemeinschaften zu leben, die einem genau vermitteln, wer man ist und was man kann (zu können hat). Dort ist das alles klar und der Rest ist irrelevant.
Deshalb hier auch noch mal der Einschub: Es ist hilfreich eine Therapie zu beginnen, selbst wenn man noch in Täterkontakten steckt! Woher zum Geier soll man sonst erfahren, was noch für Fähigkeiten und Eigenschaften in einem stecken, als die die erforderlich sind, um in Gewaltbeziehungen zu überleben?!
Es ist egal, ob sie auch gleich nutzbar sind- das Erfahren selbst macht den Unterschied und erschafft eine Wahlmöglichkeit, die vorher nicht erfahrbar war. Welche dann wiederum irgendwann soweit wachsen kann, dass sie hilfreich ist, bei der Lösung aus solchen destruktiven Kreisen.

„Vom So-Sein, welches einem hilft zu überleben und funktional zu sein, zur Entdeckung des Gesamtselbst- seins“, so hab ich mir die „Abgrenzungskurse“ in div. Kliniken erklärt.
„Suchen Sie sich hier im Raum den Platz, an dem sie sich am Besten fühlen… Was gibt ihnen dieser Platz und woran merken Sie das? … Wo im Alltag haben Sie noch so einen Platz? … Wann suchen Sie ihn auf- können Sie ihn aufsuchen oder ist es der Wäscheablageplatz ihres Mitbewohners?“… Was können Sie tun, um diesen guten Platz für sich zu sichern?“.
Klingt alles total leicht, oder?
Ich stand in diesem Raum und dachte nur: „Orrr weiß ich doch nicht! Ist doch auch egal- so hier platsch, ich bin hier um meine Aufgabe zu erfüllen und peng. Haken hinter und weiter im Text.“.

Ich hatte keine Ahnung, wie sich ein Sicherheitsgefühl anfühlt, weil ich mich selbst nicht gefühlt habe. Durch die Übungen allein habe, ich das auch nicht entwickelt- aber dieser Anstoß mich das mal zu fragen und zu merken, dass ich da einen blinden Fleck habe, der mir hinderlich sein kann, war hilfreich. Ich fragte mich das später immer wieder mal und entknotete meine inneren Fühler, um sie über mein Selbst gleiten zu lassen. Ob sich etwas gut oder schlecht anfühlt, kann ja nur von dort kommen.

Alles was ich dabei so fühlte und spürte war damals noch schwammig (und ist es in manchen Bereichen nachwievor), doch es bekam so eine Grenze. Ich tastete ja mein Sein ab- nicht das eines anderen Menschen. Zu lernen, dass Gefühle und Gedanken nicht deckungsgleich sind und auch nur selten deckungsgleich sein können, war für mich der erste Schritt. 91004_web_R_K_B_by_Michael.O_pixelio.de
So und so fühlt sich XY für mich allein an und löst XY in mir allein aus. Egal, wie es jemand anderes nennt, bewertet oder von mir verlangt. Ich bin ich selbst und das Gegenüber ist das Gegenüber selbst- auch wenn es Aspekte der Gleichheit gibt- wir sind nicht kongruent.

So löste sich an manchen Stellen auch das spontane „mit dem Gegenüber verschmelzen und ihn in der Wahrnehmung einer Gleichheit wiegen, damit er mir nichts tut“ auf. Je deutlicher ich erfahre, was ich kann, um zu überprüfen ob mir reale Gefahr droht oder um klar zu haben, was im Miteinander erlaubt ist und was nicht, desto sicherer werde ich mir in Bezug auf mich selbst. 

Mich zum jetzigen Zeitpunkt einer Gruppe anzuschließen, würde mich dabei behindern. Ich weiß ganz genau, dass ich ganz und gar verschmelzen würde, oder mindestens Gefahr laufen würde, das zu tun. Die anderen Innens würden wieder unterdrückt und schlechter versorgt. Ich würde vermutlich auch wieder aufhören Selbstfürsorge zu betreiben und nicht merken, wenn es uns als Gesamtselbst schlecht geht.

Sich abzugrenzen, wirkt egozentrisch- es ist auch egozentrisch. Doch daran ist nichts Schlimmes- auch wenn der Begriff oft negativ konnotiert ist. Genauso wie es als negativ oder arrogant gilt, sich mit seinem Sein irgendwo kategorisiert wissen zu wollen, wenn es sich für einen selbst nicht stimmig anfühlt.

Im Grunde aber halte ich es für mutig und aufrecht.
Für mich ist es ein Marker von Selbstbestimmung und damit wiederum, gerade bei Menschen die zwischenmenschliche Gewalt erfuhren, ein Teil der Heilung davon.

Menschen mit („geistiger“) Behinderung und Diskriminierungslotto

Ich hatte gerade Besuch der zum kollektivem Anfall von Tischplattenzerstörung mittels Kopf aufrief.
Grund für die Aufregung: Diskriminierung im Vorbeigehen, noch während man sich mit der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen auseinandersetzte (schlimmstes Autsch dabei: in einer Gruppe von Menschen die irgendwann mit der Aufgabe der Inklusion von Menschen mit Behinderungen betraut sein wird)
Auslösender Satz: „Ach bei geistig Behinderten ist die Sache mit dem Geschlecht ja nicht so wichtig, weil die ja eh keine Sexualität leben bzw. Kinder bekommen.“
Ruf in die Reihen jener mit etwas mehr Awareness, als ein Stück Toast: Ihr dürft jetzt von den Wänden wieder runterkommen- schlimmer gehts immer- wird es aber heute nicht.
Wo man hier anfangen soll, ohne sich zu verzetteln und möglichst noch einen Augenöffner zu reichen…
Hm, ich probiers mal mit der Begrifflichkeit.
„Behinderte“ ist in meinen Augen das reduzierenste Nomen, welches für die Benennung von Menschen mit Behinderungen derzeit immer noch verwendet wird. Es ist ein defizitzentriertes Wort, dass den Kern der Bedeutung unterschlägt. Es verschweigt, dass man von einem Menschen- einem lebenden, fühlenden Wesen spricht.

Lebende fühlende Wesen haben eines gemeinsam: sie wollen alle leben und (die meisten) sind von Natur aus in der Lage dieses Leben mittels Sexualität weiter zugeben.
Dies tun sie entsprechend ihrer genetischen Codierung als männliche, weibliche oder auch hermaphrodite (bei Menschen: intersexuelle) Parts.

Und zack: haben wir was im Zentrum?
Einen Menschen, der weiblich oder männlich oder intersexuell ist- ergo einem Geschlecht
(ja ich fasse auch die Zweigeschlechtlichkeit als eigenes auf) angehört und ergo berechtigt ist, dies mit allen Problemstellungen drum herum anerkannt zu bekommen.
Warum gerade dies so wichtig ist?
Jede dritte Frau* (biologisch als weiblich klassifizierter Mensch) erfährt in ihrem Leben sexuelle Gewalt auf irgendeinem Punkt in dessen breitem Spektrum. Das Risiko dafür ist höher, liegt eine Behinderung vor.
Für das Risiko dem Männer* (biologisch als männlich klassifizierte Menschen) ausgesetzt sind, fand ich keine aktuelleren Zahlen,als jene die die sich bei
gegen-missbrauch.de finden lassen. Ein Eintrag übrigens der sich für alle lohnt, die Zahlen zum Thema „sexuelle Misshandlung + Menschen mit Behinderungen“ suchen, genauso wie die PDF von Werner Brill aus dem 90 er Jahren.
Warum noch?
Mir persönlich erscheint es wie Relikt aus der NS- Diktatur (auch, weil ich mich mit dem Umgang mit Menschen mit Behinderung vor den 30 er Jahren noch nicht auseinandergesetzt habe- da Schmerzgrenze bereits erreicht), doch noch immer wird Menschen mit („geistigen“) Behinderungen keine eigene Identität einfach so zugestanden. Schon gar nicht ein reifes- ausgeklügeltes inneres Universum wie alle „anderen“ Menschen eines in sich tragen. Schauen sie mal in den nächsten Artikel über eine Wohngruppe von Menschen mit Down-Syndrom- was meinen sie: Haben diese Menschen wohl auch Nachnamen? Haben Sie den Eindruck, wenn Sie so einen Artikel lesen, dass es um Menschen geht, die komplexe Gefühlsverflechtungen in sich tragen und mehr im Kopf haben, als den Lieblingssportverein?

Menschen, die auch lieben können?254467_web_R_K_B_by_Stephanie  Hofschlaeger_pixelio.de

Menschen, die auch körperliche Liebe leben?
Menschen, die wissen, wie man körperliche Liebe lebt?

Menschen, die vielleicht auch mal aufgeklärt werden müssen, damit ein einvernehmlicher, sicherer und auch befriedigender Umgang damit gefunden werden kann?
Menschen die sich vielleicht auch ab und an mal fragen: „Hm- ich finde die Anke ja ganz schön und toll, aber dürfen Mädchen und Mädchen eigentlich…?“ ?

Menschen, die ganz genau die gleichen Verwirrungen im Bezug auf sich und ihre Geschlechtszugehörigkeit (sowohl biologisch als auch sozial!) verspüren können?
Menschen sind Menschen und jeder Einzelne ist fähig im Rahmen seiner Fähigkeiten bzw. Möglichkeiten menschliches zu tun, zu denken, zu fühlen.
Die Zeiten in denen man Menschen mit geistiger Behinderung einfach mal eben so eine Kastration unterjubelt sind dem Himmel (und all den engagierten Fürsprechern dieser Menschen) sei Dank vorbei. Das Thema „(„geistige“) Behinderung und Sexualität“ kommt endlich auf den Tisch und da hat es auch drauf zu bleiben!

Wir sprechen von Menschen, die die gleichen Rechte haben, wie alle Menschen ohne Behinderungen (zumindest in weiten Teilen und auf dem Papier- denn machen wir uns nichts vor: wirklich NUTZEN können viele so abhängige Menschen ihre Rechte nur, wenn sie wirklich gute Fürsprecher und ein barrierefreies Umfeld haben- und daran mangelt es ungeheuer!).
In dem Satz ist übrigens noch eine fiese Verstrickung drin: der Zusammenhang zwischen dem Körpergeschlecht und dem Ergebnis der Fortpflanzung. Tut mir leid den Einen oder Anderen von seiner rosa Wolke zu holen, aber wer von den beiden Eltern wird der Teil sein, der sich um das Kind unter Umständen auch allein (bzw. dann im Rahmen einer speziellen Betreuung o.Ä.) kümmern werden muss, wenn das andere Elter sich trennt?
Auch unter Menschen mit Behinderungen gibt es Sorgerechtsstreits und zack befinden wir uns in einem Sumpf aus sexistischer, ableistischer und struktureller Diskriminierung par excellance. Und wer wird verlieren? Es ist immer der mehrfach diskriminierte Mensch und da im Diskriminierungslotto nachwievor die Gewinner weiblich (bzw. als solche klassifizierte Menschen) sind, ist auch hier „die Sache mit dem Geschlecht“ extrem wichtig!

Und nun einmal meine Sprachknall-Preisfrage:
Würde man nicht immer von „Behinderten“ sprechen- wäre ihnen die Menschlichkeit der Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die hier aufgeführten Punkte, auch so abhanden gekommen?

#unsichtbar

Heute ist der Weltfrauentag. Frauenkampftag.
Die Taz möchte die Unsichtbaren zeigen.

Auf Twitter zwitscherte sie folgende Fragen:
„Was bedeutet es, übersehen zu werden? Ist das für euch Schutz oder Ignoranz? Antwortet uns zum
#Weltfrauentag unter #unsichtbar.“
„Manchmal ist es besser, „unsichtbar“ zu sein. Welche Erfahrungen habt ihr damit? Eure Verschleierungstaktiken am
#Weltfrauentag: #unsichtbar

Meine Fähigkeit mich 140 Zeichen kurz zu fassen ist begrenzt, doch diese Fragen zu beantworten halte ich für wichtig.
Ich habe bemerkt, dass ich nie unsichtbar war. Oder wirklich übersehbar.
Eigentlich, und das fällt mir gerade jetzt auf, wo ich mich etwas näher mit dem Zeitpunkt meiner Befreiung und meiner Biographie überhaupt befasse, war es nie so, dass ich- wir als Einsmensch unauffällig, übersehbar, übergehbar oder ignorierbar waren oder agiert haben.
Wenn die Menschen in unserer Umgebung gewollt hätten, zu wollen gekonnt und gedurft hätten; wenn sie Macht gehabt hätten, hätten sie uns und die Gewalt an uns (und den anderen Mitbetroffenen) sehen und beenden können.

Unsere „Verschleierungstechnik“ war und ist bis heute, die strukturelle Dissoziation.
Praktikum in der Zimmererwerkstatt, BauCamp im Handwerksbildungszentrum, männliche Kunden, die eine Vogelvoliere in Auftrag geben, einkaufen im Baumarkt… badabumms taucht ein fast klischeehaft männliches Innen auf, dass niemand auf die Idee kommt, der Körper könnte weiblich sein. Dass niemand auch nur im Entferntesten glaubt, vor ihm stünde ein Mensch dessen Körper Gewaltorgien und systematische Folter überlebt hat.
Hundesitting, Haustierhalterberatung, Pflegestelle… zack, tauchen Innens auf, die freundlich zugewandt, sachlich offen und neutral eine Verbindung aufzubauen helfen zwischen Mensch und Tier. Niemand käme auch nur auf die Idee, durch welche Qualen es zu dieser Fähigkeit gekommen ist. Was für grässliche Bilder und Gefühle hinter den Augen dieses Menschen toben, während diese Arbeit getan wird.
Diese und viele andere kleinere und größere Alltagssituationen, lösen einen stetigen Wechsel von Innens aus. Jedes Innen steht auf seine Art, wie eine Schutzmauer vor einem tiefen Elend und macht es nach außen hin unsichtbar. Aus Selbstschutz. Um selbst nichts von dem Elend zu spüren oder gar zu wissen. Um nach außen hin perfekt angepasst zu sein, an jene Gesellschaft, die ebenfalls ihre Schutzmauern hat.

Es ist eine Verschleierung, die nicht gezielt und geplant ist. Erst wenn sie angewendet wird, fällt auf, dass es auch dabei um eine Art Überleben geht.
Ein Bestehen in einer Welt, in der nur jene bestehen, die möglichst weit von ihrem Schmerz entfernt sind. Die möglichst kalt und angepasst sind. In der jene ohne Schlenker im Lebenslauf, ohne Falte im Jackett, ohne Makel im Lächeln, eine reellere Chance auf einen Arbeitsplatz, der sie finanziell absichert, haben, als jene, bei denen das nicht so ist.
Unsere Gesellschaft- unser Miteinander macht unsichtbar, weil Unsichtbarkeit heute ein Garant für finanzielles- und damit auch soziales und am Ende direkt biologisches Überleben ist.
Sind unsere Körper so dünn, dass sie fast unsichtbar sind, gelten wir als schön und stark, was wiederum Eigenschaften sind, mit der man zu einer Absicherung kommen kann.
Ist unsere Meinung so gleich wie die der Gruppe, dass sie in der Masse unsichtbar wird, können wir uns des Schutzes selbiger sicher sein und so wiederum unsere Chancen auf ein Überleben sichern.
Geben wir uns selbst auf und werden zum ausführenden Organ jener, die über unsere Absicherung verfügen, werden wir überleben.

Nein, wir waren kein Kind, dass man leicht übergehen konnte. Keck, gewitzt, arrogant, sportlich, musisch begabt, extrovertiert.
Kein Wettkampf wurde ausgelassen, kein Turnier, kein Wettbewerb, kein Konzert je abgesagt. „Schau was ich kann!“ brüllten wir in die Reihen des Publikums und stärkten unseren Selbstschutz mit ihrem Applaus- dem Gradmesser der Beachtung, der Wertschätzung, des Maßes an Sicherheit durch erbrachte Leistung.
Niemals brüllten wir gleichsam in die Gesichter der Lehrer, Betreuer, Freunde, Ärzte, Eltern von Freunden, Nachbarn-  den Bekannten und Verwandten ins Gesicht: „Sieh, was mir gerade Schreckliches passiert! Sieh, wie ich und die anderen Kinder zerstört werden! Sieh… mich

Unsichtbarkeit hat zwei Seiten. Jene, die nicht sichtbar macht und jene die Sichtbarkeit gefährlich macht.
Was geschieht mit männlichen Menschen die hässliche Dinge sichtbar machen?
Denen wird in aller Regel zu ihrem Mut gratuliert, da sie eine Minderheit stellen.

Was geschieht mit weiblichen Menschen die hässliche Dinge sichtbar machen?
Denen wird in aller Regel nicht einmal zweifelsfrei geglaubt.

Was geschieht mit männlichen Menschen, denen hässliche Dinge passiert sind und sich sichtbar machen?
Was geschieht mit weiblichen Menschen, denen hässliche Dinge passiert sind und sich sichtbar machen?
Ihnen passiert genau das Gleiche. Sie machen sich auf eine Art angreifbar, die ihr direktes Leben auf mindestens einer Ebene bedroht.

Einen wirklichen Schutz erfährt nur, wer geschützt wird.
Vom Gesetz und dessen gleichberechtigter Anwendung; vom sozialen Umfeld; von seiner Fähigkeit sich blitzschnell auch wieder unsichtbar machen zu können und das System für sich zu nutzen.
Und wer hat dabei bis heute die besseren Chancen?
Der männliche Mensch.

Ja, heute in der Frauentag. Der Frauenkampftag.
Der Frauensichtbarmachtag.

Doch, was für Frauen genau, hast du heute schon gesehen?342533_web_R_B_by_onkel jo_pixelio.de
Hast du die Frau im Frauenhaus gesehen?
Hast du die Frau, die eine andere Frau liebt gesehen?
Hast du die Frau unterm Hiab gesehen?
Hast du die Frau, die sich als Mann fühlt gesehen?
Hast du die Frau im Asylantenheim gesehen?
Hast du die Frau im Rollstuhl gesehen?
Hast du die Frau gesehen, die jetzt noch ein Kind ist?

Hast du die Frau hinter der Schutzmauer gesehen?

Oder nicht doch eher das makellose Lächeln auf einem Werbeplakat, das dir sagt, dass es heute 50% Rabatt auf Schuhe gibt?

nicht das Gleiche- nur bei allen Frauen gleich

Es ist nicht vergleichbar.
Nein überhaupt nicht.

Das hier nennt man medizinische Hilfe.
Nicht Gewalt.

Es schreit im Kopf.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Es tut weh und es gibt keine Alternative.
Ohnmächtig fühlend und nicht in der Lage sich zu äussern oder zu flüchten.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Man wird gedemütigt.
Doch es ist nicht das Gleiche.

Uns wird das Leben gerettet
und dabei, aus Versehen, die Seele erschüttert.

Das ist nicht das Gleiche, denn andere bestimmen, was gleich ist und was nicht.

Wir waren nur beim Arzt
nicht bei einem Vergewaltiger.

Es war nur Verhelfgewaltigung.
Nichts worüber man klagen sollte.

Das erleben ja jeden Tag viele Frauen.159177_web_R_K_by_Dieter Kreikemeier_pixelio.de
Das ist ja nichts Besonderes.

Was lässt du dir das auch bieten?
Geh doch woanders hin!
Wehr dich doch!
Es ist doch nicht das Gleiche!

Eine Art #Aufschrei
Immerhin

einen Tag später, nach 30km Flucht

der bestmögliche Mensch

Der bessere Mensch

Es ist es nicht interessant, wie wir uns selbst gegenseitig schon mit der Formulierung abwerten? Wer oder was definiert, wer ein schlechter oder guter und wer ein besserer oder schlechterer Mensch ist? Ist es das, was er tut oder das, was er lässt? Macht uns eine bestimmte Meinung besser als andere? Macht uns ein Weltbild oder die Auffassung von selbiger zu einem besseren Menschen?

Warum reicht uns Menschen nicht, die Annahme, dass jeder Mensch der bestmögliche Mensch ist?
Warum müssen wir immer ein Wertgefälle erzwingen, wo gar keines nötig ist?

Ich hatte mal einen Artikel darüber geschrieben, dass ich denke, dass wir Menschen es uns eigentlich leicht machen sollten und uns eine gewisse Art “Tiersein” zugestehen sollen.
Unser Hund ist immer der bestmögliche Hund für uns. Sie ist immer die Tollste- ganz egal ob sie sich schon zum 3ten 4ten oder eine Millionsten Mal in Dreck gewälzt hat, mir den x-ten dicken Knüppel auf die Füße wirft oder einfach immer noch kein Schmusehund ist. Wir wissen, dass sie tut was sie tut, weil sie es tun kann und nicht, weil sie sich besser oder schlechter stellen will.
Genauso wie wir Menschen im Grunde auch nur tun was wir tun, weil wir es können.

Aber immer wieder müssen wir uns aufwerten, Unterschiede noch unterschiedlicher machen, um unsere Individualität nochmal und nochmal zu unterstreichen. Ohne uns zu überlegen- uns bewusst zu machen, was genau wir damit tun und was wir unter Umständen mit diesem Verhalten nähren.

Neulich sind wir mit NakNak* durch den Wald gegangen und es raste uns ein Sportradler entgegen. Kopfhörer auf den Ohren, Kippe um Mundwinkel, bergab durch den Wald. Ich sah NakNak* schon seinen Rädern und rief sie ran, nahm sie an die Seite, hielt sie fest. Der Radler stoppte und schaute mich an. Ich winkte ihm zu, er könne uns nun gefahrlos überholen (als wäre NakNak* oder ich die Gefahr- nicht er in seiner stumpf-rücksichtslosen Art durchs Naturschutzgebiet zu donnern). Er aber blieb oben und schrie (!) mich an, ob ich mir denn jetzt wie ein besserer Mensch vorkäme.
Ich war erschreckt, sagte nichts, ließ NakNak* laufen und ging weiter. Dachte aber: Hm, ich kam mir zuvorkommend, mich selbst und meinen Hund schützend, feige und defensiv vor- aber wie ein “besserer Mensch”? Er hatte doch nicht seine Biologie verändert, oder?

Wann fühle ich mich besser vor als andere?
Nie. Ich fühle mich nachwievor immer schlechter, wertloser, widerlich anderen gegenüber.
Wann wird mir gesagt, ich sei besser als andere?
Wenn ich einen Wettbewerb mittels einer meiner Fähigkeiten gewonnen oder im Wettstreit mit jemandem war und mittels einer mir eigenen Handlung siegte.
Wann bin ich ein besserer Mensch? Wann und in welchem Kontext kann ich mir besser in meinem Menschsein vorkommen?
Immer dann wenn ein Maßstab zu meinem Gunsten angelegt wird.
Also… zum Beispiel bin ich ein besserer Mensch als mein Hund. Oder mein Laptop. Ich bin ein besserer Mensch, als ein Skelett. Und so weiter.
Aber wenn ein anderer Mensch neben mir steht… Er ist einer- ich bin einer. Homo Sapiens Sapiens. Beide gleich. Hier verbietet sich jeder Vergleich- jede Wertung ist hier fehl am Platz.

Unsere Existenz ist in jedem Fall gleich- immer. Und unser Sein ist ganz grundsätzlich immer “menschlich”.  Unser Verhalten kann schwanken, unsere Empfindungen und unsere Werte ebenso- aber sie alle können nur so weit schwanken wie es unser Sein- das Menschsein- zulässt. Wir Menschen können uns noch so sehr verhalten wie die Tiere- wir werden nie aufhören ein Mensch zu sein. Und wir werden im Vergleich der Tierischkeit immer abstinken gegen echte Tiere.

In der Philosophie des Humanismus geht man soweit, dass man davon ausgeht, dass Menschen in ihrer Menschlichkeit einen Rang erreichen könnten. So seien es „Taten der Güte”  (Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Menschenliebe und Mitgefühl) die Menschen zu besseren Menschen machten. Als unmenschlich gilt wem andere Menschen egal in ihrem Sein und Leiden sind. Auch diese Philosophen erzwangen einen Dualismus, obwohl sie doch- gerade sie!- , sich doch mit dem Menschen auseinandersetzten und dies als etwas typisch Menschliches hätten erkennen sollen! Kein Tier macht so was! Und Pflanzen auch nicht.
Kein Mensch ist fähig zu Unmenschlichkeit. Keiner!

Man kann sich verhalten, als wäre man keiner. Man kann so tun, als sei man keiner. Aber grundsätzlich ist jeder Mensch menschlich.

Und egal was ein Mensch sagt, ob er sich überheblich darstellt, oder arrogant ausdrückt; ob er sich egoistisch verhält, raffgierig, unbarmherzig, sadistisch oder offen brutal; ob er mordet oder unglaublich viele Kinder zeugt; ob er Tiere oder andere Menschen quält oder liebevollen Respekt, Menschenliebe und Solidarität lebt… er ist immer “Mensch”.
Jeder Mensch ist immer der bestmögliche Mensch.

Ich pfeife darauf, ein besserer Mensch sein zu wollen- bin aber unglaublich verletzt wenn mir jemand unterstellt, ich würde mich als ein “besserer Mensch” aufgrund einer Meinung, meiner Fähigkeiten oder meiner Taten betrachten.

Der Punkt an dem ich es mir (uns) erlaubte, mich als Mensch überhaupt anzunehmen und so mir selbst zu erlauben, dass ich einen Platz in der menschlichen Großgesamtheit einnehme, war der größte Frevel, der mutig brutalste Schritt zur Heilung, den wir bisher genommen haben.
Ich bin zutiefst dankbar dafür, dass wir uns inzwischen wenigstens das ohne Wertedualismus und ohne Tausch im Innen zugestehen können.

Ich bin froh, dass ich unter meine Avatarbeschreibung schreiben kann: “Ich bin ein Mensch”.
Denn für mich galt das lange nicht.
Ich sah mich in meinem Sein wie ein grundlegend schlechtes DING. Ein Es. Ein Objekt. Es wollte mir nicht in den Kopf, dass Menschen eben auch absolut brutal, empathielos und sadistisch gegenüber Menschen sein können. Dass man, um solche Qualen zu erleben, kein Objekt für andere sein muss.

Indem ich meine Gefühle und Gedanken als die eines Menschen annahm, nahm ich auch alles unmenschliche Verhalten von mir und anderen Menschen an. Und als ich das tat, wurde mir eine Wertung und damit eine stetige Quelle von Verletzungen gleichgültig.

Man kann jede Biologisierung für menschliches Verhalten ablehnen, weil sie Dinge ausschließt, die wichtig sind. In Punkto Menschlichkeit aber, sollte sie ganz dringend wieder Einzug finden und getrennt werden von sozialbezüglichen Wertigkeiten.

Alles andere ist die Abwertung der Grundlage unseres Seins als Menschen in dieser Welt.
Wir sind in der Lage auch wertschätzend und liebevoll, rücksichtsvoll und nächstenlieb miteinander umzugehen, ohne besser oder schlechter zu gelten oder gelten zu wollen.