das Übliche

Schneckenhaus Gestern erschien in der SZ ein Artikel über eine neue Studie des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen bzw. deren Ergebnisse.

In meiner Timeline werden schon wieder Menschen (die als Frauen/weiblich und feministisch gelesen werden und diesen Artikel teilten, bzw. ihn kommentierten) von Menschen (die ich als Männer/männlich und hmhmhm lese) darüber belehrt, was Vergewaltigungen sind, welche Wahrheit ™ dahinter steht und ach [insert feminist bore out Maxigähn]
Same procedere as …

Ich will mich heute auch eher kurz fassen und den Artikel näher betrachten, weil ich beim Lesen plötzlich auftretende Konzentrationsstörungen hatte- muss am lauten Hamsterjodeln unter meinem Küchentisch gelegen haben.

Ich lese solche Artikel immer erst mal mit dem “Wie sieht die Berichterstattung über sexualisierte Gewalt aus?”- Auge und scanne die Texte danach ab, ob das Etikett für eine Straftat irgendwann auch einmal mit dem Inhaltsetikett “Gewalt” belegt wird.
Wird es das nicht, ist es für mich kein guter Artikel für mein “Ich bin selbst Überlebende von sexualisierter Gewalt”- Auge. Denn dann, kann ich mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass Sex(ualität) und Konsens mit hineingemischt werden und genau deshalb von einem hohen Triggerpotenzial für mich ausgehen, wenn ich mich emotional näher an den Text heran begebe.

So- da ihr den Artikel entweder schon selbst gelesen habt- oder lesen werdet, werde ich im Folgenden einfach mal auf schwierige Punkte davon einsteigen. Ich langweile mich inzwischen ja schon selbst mit meinem Dauergerante über die Medien ™.

Gleich zu Beginn der irrführende Satzteil “weil sich die Täter- Klientel verändert hat”.
Nope und äh Nope.
Zum Einen gibt es auch Täterinnen und zum Anderen ist es schon immer die gleiche Klientel. Da gibt es keine Veränderung- wohl aber (und das wird sogar im Text erwähnt!) die rechtlichen Möglichkeiten diese auch als TäterInnen anzuzeigen.
So, wie es dort steht, entsteht bereits im Untertitel der Eindruck, dass es neue Täter (Männer*) gäbe und eben deshalb weniger Verurteilungen nach Anzeigeerstattung passierten. Was nicht stimmt.

Weiter im Text und zack pladauz landen wir in der Consentfalle. “Er konnte ja gar nicht wissen, dass sie (nachdem er sie auf so ziemlichen allen Ebenen ohnmächtig hat werden lassen) nicht wollte.” und so weiter.
Erinnert ihr euch noch an
#ichhabenichtangezeigt und habt vielleicht in den letzten Tagen auch von #WhyIDidntReport gehört?
Ein nicht unerheblicher Teil der Menschen führt genau diese Diskussionen rund um Einverständnis an, denen sie sich nicht gewachsen fühlen.
Dabei ist der Leitsatz ganz einfach und auf jede Situation anwendbar: “Ja, heißt immer nur dann wirklich “Ja”, wenn ein “Nein”, gleichfalls in Ordnung wäre”.
Du weißt, dass du Gewalt erlebst, wenn dieser Satz nicht auf deine Situation anwendbar ist, denn dann ist deine Möglichkeit dich frei zu entscheiden, mindestens eingeschränkt und was dort läuft ist außerhalb von Konsens.
Die Tatsache, dass wir* da überhaupt so drauf pochen müssen, ist eigentlich schon erschreckend genug- dass sich von Gewalt betroffene Menschen, aber noch in diesem Fakt rechtfertigen müssen, ist ekelhaft, wie traurige Normalität.

Eine Studie der Marquette University bestätigt, dass sexualisierte Gewalt normal für Mädchen* sei.
Ich warte noch auf die Studie die Jungen fragt, ob sie sexualisierte Gewalt gleichfalls für normal halten, oder wirklich so derartig unreflektiert über die Übergriffigkeit mancher ihrer Handlungen sind, wie das gerne vorgeschoben wird.
Im Fall des in der SZ erschienen Sanitäters, kann man sich schon mal fragen, ob ihm denn wirklich und ehrlich nicht klar ist, was für eine Wirkung seine 20 Jahre mehr, seine Freiheiten als Erwachsener, seine Suiziddrohungen auf eine 16 Jährige hat.

Am Ende steht dort die Frage: Sind SexualstraftäterInnen vielleicht einfach dumm? Unwissend und eigentlich nur harmlose Kreaturen, die dann und wann in die viel zu intellektualisierte Welt gekrochen kommen und völlig überfordert sein MÜSSEN, um hier, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, mit jemandem Sex zu haben?

Diese Abwertung ist krass, oder? Letztlich stellen sich aber solche TäterInnen für mich immer wieder so dar: hirnlose Zombies, die “nur mal ordentlich…  und dann so zimperliches … kann ja keiner ahnen…”
Ich kenne keine/n einzige/n hirnlose StraftäterIn. Wohl aber Menschen, die niemals ein “Nein” zu hören bekommen, weil sie a) gar nicht erst danach fragen und/ oder b) nicht in der Machtposition sind, in der ein “Nein” das gleiche Gewicht, wie ein von ihm/ ihr vorausgesetztes und/ oder in jede Aktion hineingedeutetes “Ja” hat.

Wir brauchen uns nicht zu fragen, wieso denn bloß nun weniger TäterInnen verurteilt werden, wenn doch aber mehr angezeigt wird, wenn Gewalt ohne für alle Menschen gleich sichtbare, bezeugbare und für genau diese auch noch offen nichtkonsensual entstandene Schäden, nicht den gleichen soziokulturellen Stellenwert wie Gewalt mit (schweren) offenen Schäden in der Folgee, die bereits breit geächtet wird, hat.
Diese Studie hat im Grunde keinen weiteren Wert, als den, dass sie uns massiv vor Augen hält, dass wir eine offene Debatte zur Definition von Gewalt brauchen, die sich auf allen Ebenen in Änderungen niederschlägt.
Wir brauchen Konsens nicht neu zu definieren, weil TäterInnen dies so gerne als Grund für ihr Handeln angeben.
Wir brauchen eine klare, umfassende Definition von Gewalt, damit genau diese “Argumentation” nicht mehr möglich ist!

Weiter geht es im Text mit der ehemaligen Wetterkaulquappe.
Als hätte dieser Mensch nicht bereits genug Raum für seine Frauenverachtung bekommen, tauchen er und seine absurden Zitate, inzwischen bei so ziemlich jeder “Debatte” um Vergewaltigung und Justiz auf.
Dauerpräsenz der TäterInnen war ebenfalls hier und da Thema in den Meldungen unter oben genannten Hashtags.

Wo TäterInnen dauerpräsent sein dürfen, da sind Opfer unsichtbar ( = ungeschützt).
Durch die immer wiederkehrende Nennung von TäterInnennamen, Schilderung der Taten, subjektive Meinungsäußerungen zum Geschehen durch Dritte (völlig unbeteiligte Menschen!) und, was die Medien ™ auch gerne mal machen, die Portraitierungen von TäterInnen vor dem Hintergrund der “Warum – Frage”, geraten sowohl der Kern- nämlich das Unrecht- und auch das Opfer, völlig aus dem Fokus.

Ein Beispiel für die Unsichtbarkeit der Betroffenen haben wir bereits in dem Artikel. Der Name ist geändert. Es gibt nicht einmal ein Zitat von der jungen Frau. Wohl aber diesen einen Satz Marke “victim blaming” aus dem Urteil bezüglich dessen, was sie erlebte und eine Beschreibung eines Teils ihres Lebens nach den Ereignissen.
Das wars.
Ansonsten tauchen Betroffene nur noch als Opfer auf, über die dann der Kriminologe Christian Pfeiffer und die Oberstaatsanwältin Sabine Kräuter-Stockton sprechen. Semibeteiligte Dritte also.

Übrigens hat sich accalmie gestern schon das Interview mit Pfeiffer in den Kopf getan und bei der Mädchenmannschaft darüber geschrieben- meine Leseempfehlung, denn was Herr Pfeiffer da von sich gibt, ist zum Teil haarsträubend. Stichwort: 10% Falschbeschuldigungen (- laut Studie des LKA Bayern von 2005 liegt die Quote der nachweisbaren Falschbeschuldigungen bei 7,4 % und nach Angaben des “weißen Rings” sogar noch niedriger) und der Zaunpfahl in Richtung “Frauen sind anzeigewilliger als früher”.

Auch das ein Marker für schlechte Berichterstattung über (sexualisierte) Gewalt: falsche Zahlen, undurchsichtige Quellen und ein Standbein auf der Autorität derer, die man dort interviewt, geprägt von der subjektiven Sicht eines Menschen, der maximal entfernt ist von der Lebensrealität derer, über die er spricht.
So tauchen allein in diesem Artikel Männer* wiederholt in einem Übergewicht auf, obwohl es ein Thema ist, das überwiegend Frauen betrifft
(Männer* = Autor, Täter, Pfeiffer //  Frauen* = Opfer und Oberstaatsanwältin)
und dominieren zeitgleich durch Inhalt bzw. dessen Richtung
(Position der Männer*: Artikelschreiber = der, auf dessen Angaben wir uns verlassen da Quelle, Täter = aktiv, Pfeiffer = Autoritätsperson da von der Polizei bzw. Deutungsmächtiger der Zahlen //  Position der Frauen: Opfer = passiv und Oberstaatsanwältin = schwammige Positionierung, weil nur in 2 Sätzen auftauchend).

Am Ende dann noch der Klassiker: Sex(ualität) im Kontext mit Gewalt, ohne das Eine vom Anderen zu trennen.
Warum? Weil es Pfeiffer vormacht in seiner Formulierung – weil …? Er es nicht bewusst hat? Weil es verdammt nochmal immer noch nicht jedeR verstanden hat?

Accalmie schreibt in ihrem Artikel, dass man gar nicht weiß, wo man da anfangen soll.
Ich will
die Sprachführung verändern und dort anfangen- weiß aber auch, dass Sprache auch nur ein Mittel ist, um den Dingen, die einen umgeben einen Namen zu geben und damit das eigene Begreifen abzubilden.
Das heißt, wir* müssen das Verständnis von Sexualität und auch das Verständnis von Gewalt schärfen.

Wir* müssen an einen Punkt kommen, in dem Gewalt auch endlich “Gewalt” genannt wird und so wiederum ganz klar einzugrenzen ist, was das genau ist.

Doch so lange in den Medien ™ einzig und allein Machtverhältnisse perpetuiert werden, die genau davon leben, das eben genau das nicht passiert, so lange können wir diese auch nur als Negativbeispiel anbringen, so wie ich das hier, als Beispiel für Gegenöffentlichkeit und autonome Präsenz, tue.
Ich würde mir wünschen, dass wir uns nicht dem “
feminist bore out” beugen, über das Nadia, wie immer sehr geil geschrieben hat, und solche Berichterstattungen weiterhin mindestens als Fails kommentieren.

Ja, es ist immer wieder das Übliche.
Aber es ist eben immer wieder die gleiche zu Unrecht übliche Scheiße, die wir* weder hinnehmen müssen, noch sollten.

“Wir sind Viele” ~ Teil 6 ~

Immergrün Herbst 2008
“multiple Persönlichkeit… das ist doch dieses Ding mit den Satanisten. Bist du eine von denen?”, er schaute mich groß an.

Ich hatte keine Ahnung, wo ich mit dem Erklären anfangen sollte.
Also begann ich von meinem Leben zu schreiben. Damals noch in Form eines “Internet- Tagebuches”. Ich hatte zwei Follower und verwandte den Großteil meiner Kraft darauf, überhaupt dort hinein zu schreiben, das Geschriebene stehen zu lassen und nicht weiter darüber nachzudenken, was das, was ich schreibe irgendwo anders als bei meinem damaligen Freund bewirken könnte.
Die Beziehung endete, das Blog nicht.

Als ich Jahre später in einem anderen Kontext als Autorin des Blogs geoutet und dann wegen des multipel seins massiv verletzt und bloßgestellt wurde, löschte ich das alte Blog und nahm mir vor, besser aufzuklären.
Ich war fest davon überzeugt, dass mich keine/r der damals 15 verschiedenen AutorInnen der Hass- und Pöbelmails genau so auch angemacht hätten, hätten sie ein vernünftiges Verständnis von DIS und Gewalt, neben dem, was Filme wie “Höllenleben” und Bücher wie “Vater unser in der Hölle” hinterlassen können, wenn man sich ansonsten gar nicht mit der Thematik befasst.

Ich zog zu WordPress und krempelte die Ärmel hoch.
Wir schrieben 2012.

Wir sind Viele und schreiben in einem System, das ich nach der Lektüre des “Rhizom” im letzten Jahr auch endlich sicher benennen kann: das System der Vielheit.
Hier gilt nicht “Wie kriege ich meine Vielheit in ein System?” sondern: “die Vielheit ist das System”.
Das ist alles andere als einfach zu lesen- aber mein Leben wird eben nicht einfach gelebt und die Gewalt früher wurde auch nicht einfach überlebt. Und – Knüller – meine Lebensrealität ist kein Einzelfall.
Gewalt passiert vielen, Gewalt hat viele Formen, Gewalt hat vielfältige Folgen. Viele werden Viele, viele brauchen viel Hilfe und so vieles muss noch passieren, bis das auch wirklich möglich ist.
So wurde aus dem Wortspiel “ein Blog von Vielen” nicht nur ein Titel, sondern auch ein Leitbild, das so viel mehr bereits im Titel sagt, als es ein einzelner Artikel kann.

Wir schrieben also los und begannen nach und nach Ebenen hinzuzufügen und in den Strang des Blogs einzuflechten, um sowohl für uns herauszufinden, wie viele Innens ein Blog, ein Beschreiben, ein Erzählen über unsere Lebensrealität überhaupt verträgt und wo die meisten Reibungspunkte in der Auseinandersetzung sind. Irgendwann hatte unser Schreiben hier mehr Konsistenz, als ein Tagebuch und die Reichweite nahm zu.
Trotzdem ist der “Blog von Vielen” ein sogenannter Nischenblog.

Die Texte sind nichts, was ohne Mitdenken zu konsumieren ist und wir sind als Person niemand, den man sich einfach nehmen kann (um ihn in irgendeine Schublade zu stecken).
Nun ist es aber so, dass wir genau das doch eigentlich wollen: Verstanden werden und die eigenen Themen in die Welt hinaus tragen, um Diskussionen anzuregen, die am Ende vielleicht Blüten und Früchte in Veränderungen zu einem Umgang mit Gewalt treiben, die eine Überlebensgeschichte wie unsere, verhindert.

Als wir lasen, dass es bei der Tagung einen Workshop mit dem Titel “sadistische Gewalt in der Berichterstattung” geben würde, waren wir natürlich Feuer und Flamme
– und erst einmal enttäuscht, als sich herausstellte, dass es sich um einen Vortrag über Berichterstattung im Fernsehen und – badabumms – Satanismus* im Thema handelte.

Fernsehen funktioniert anders als das Bloggen.
Bloggen funktioniert ja auch anders, als Bücher schreiben und Bücher zu schreiben, ist auch wieder etwas anderes als Printmedien zu füllen. Bisher ist das Blog das einzige Medium, das ich kenne, in dem meine Vielheit nicht stört, sondern eher als Bereicherung wahrgenommen wird.
Aber, es hat schon seinen Grund, weshalb mir die LiteraturagentInnen alle durch die Bank zu einer Autobiographie raten werden, Filme über meine Lebensrealität alle etwa gleich aussehen würden und auch Zeitschriftenartikel mit dem Thema DIS alle fast gleich (unrund) wirken – es geht um Einfachheit.
Einfach gemacht = einfach verkauft = einfaches Bild in den Köpfen der Menschen = nicht einfache Themen und mit ihnen die Menschen, die Viele sind bleiben unsichtbar = Einfalt als Norm

Ich empfand den Workshop dann aber doch als interessant und auch hilfreich für mein Verständnis der Medien ™ zu denen ich mein Blog nicht zähle.
Die Referentin Claudia Fischer schilderte, wie es ihr gelang ein krasses Thema, wie das der rituellen Gewalt in die WDR Lokalzeit zu bringen.
Wir schauen schon seit inzwischen fast 10 Jahren kein Fernsehen mehr und wussten nicht, dass die Überlebende “Nickis” vom WDR nach der Ausstrahlung von “Höllenleben” begleitet wurde und immer wieder eine Berichterstattung passierte. Um so beeindruckender finde ich es, dass dieses Thema inmitten von Entenfamilie im Glück und Kuchenwettessen im Altersheim platziert wurde.

Es fasziniert mich, dass die Probleme in der Berichterstattung selbst; die Fragen um Jugendschutz; die Frage nach der Verantwortung für das, was man dort produziert; die Schwierigkeiten mit Ohnmacht an verschiedenen Stellen und auch die Problematik um die Rezeption des Publikums, ziemlich genau die Gleichen, wie bei mir sind- obwohl das Medium unterschiedlich ist.

Im Zuhören, dachte ich ein paar Mal, dass ich verdammt froh darum bin, alles hier in Eigenregie zu machen. Auch wenn es mich frustriert, dass ich für meine Arbeit nicht bezahlt werde, nicht von denen wahrgenommen werde, von denen ich mir das wünschen würde und so manches Mal hinter den Blogkulissen sitze und überfordert bin, weil einfach wirklich alles allein an mir/ uns hängt und auch getragen werden will.
Von ekelhaften Hassmails bis verzweifelten Hilferufen aus dem Ausland, ist schon alles in meinem Mailpostfach angekommen und ich habe weder immer den realen Beistand, der meine Tränen trocknet, noch die professionelle Ausbildung, die mich in meiner Reaktion auf die Not fremder Menschen versichert.
Aber ich muss meine Arbeit nicht von anderen absegnen lassen. Ob ich mitten in der Nacht veröffentliche oder mitten am Tag; egal, wo der Schwerpunkt des Textes liegt; ob eine direkte, indirekte oder nur schwach beleuchtete Intension erkennbar ist- oder überhaupt von mir assoziiert ist, oder nicht; ob ich Kommentare freischalte, lösche, bearbeite oder auch LeserInnenmails beantworte oder nicht: ich brauche das nur vor dem Gesetz, das für alle gleich gilt, zu rechtfertigen.
Meine LeserInnenschaft wird mir schon zurückmelden, ob sie etwas (ver)stört oder nicht und sei es mit einem dezenten Abwandern in Blogs anderer BloggerInnen.

Als ich mich in die Kantine setzte um zu Abend zu essen, tastete ich das Namensschild an meiner Brust erneut ab.
Hannah Rosenblatt

… freie …

Autorin

“Schmeckt schon süß, wa?”.
Wir grinsten uns an und bissen in unser Butterbrot.

das Buch “Weil es sagbar ist – Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit” von Carolin Emcke

DSC_0818 Carolin Emcke ist Journalistin. Seit 1998 bereist sie weltweit die Orte, die uns hier in Deutschland unter dem Begriff “Krisen”- „Kriegs-“ oder auch “Katastrophengebiet” geläufig sind.
Sie beschreibt Begegnungen, die sie dort hatte. Erzählt Geschichten, vom Geschichten erzählen. Erzählt die Geschichten, die ihr erzählt wurden weiter.

Nicht mehr.
Nicht weniger.

“Weil es sagbar ist” erschien Ende 2013 im S. Fischer Verlag.
Das Buch ist in einem Maß verdichtet und präzise differenziert, dass es schnell als “schwere Kost” wirkt, zeitgleich aber ganz klar nicht die Thematik als schwer erscheinen lässt.

Emckes Essays nennen Gewalt beim Namen und nehmen ihr so einen großen Anteil Schrecken, ohne ihre Schrecklichkeit zu verschweigen.
Sie sprechen vom Überleben und Überlebenden, ohne zu Opfern zu machen. Jedes Zitat, jedes in diesem Buch erwähnte Zeugnis erlittener Not, erscheint in einer Präsenz jenseits von Präsentation und hilft, das oft als unfassbar- unsagbar- Geltende als etwas zu begreifen, das nicht Nichts ist vor lauter Furchtbarkeit oder als im Nichts zu verschwinden verdammt ist, gerade, weil es durch die Entfernung der Lebensrealitäten von Überlebenden zu Ungeschlagenen, als so viel Unfassbares- Unvorstellbares- erscheint.

Es geht um Mitgefühl und mitleiden, um das Leiden als solches und darum, gelitten zu haben. Es geht um Nächstenliebe und die Liebe zu dem, was am Nächsten ist. Darum, diesen Zugang in sich zu haben um ihn zu anderen Lebewesen herstellen zu können.
Es geht um das Zuhören und Hören, was erzählt wird.
Es geht um Menschen, die aus der Welt herausgefallen sind und doch nicht im Nichts vergehen.

Als Autorin dieses Buches gelingt es Carolin Emcke die von ihr, sowohl in sich selbst als auch zu jenen, deren Geschichten sie aufschreibt, geschlagenen Brücken aufzuzeigen und in ihrer Entwicklung nachzuvollziehen.

Es ist ein Buch, welches so manch ein übergroß im Leben von Überlebenden schwebendes “ES” oder “DAS” sagbar macht, weil es die Mechanismen der Gewalt nicht nur greif- sondern auch begreifbar macht, indem es durchgängig sachlich und an den richtigen Stellen verschärft durch die Wahl des Objektivs abbildet.

Mein Schweigen war es, das mich zu diesem Buch trieb, hineinspringen und einen Halt an der Dichte seiner Worte finden ließ.
Wusste ich, die ich mir täglich Worte aus dem in Fetzen gerissenen Innen hervorquäle und hier sichtbar zu machen versuche, dass es etwas zu sagen gibt, so nähere ich mich nach der Lektüre des Buches, an ein Gefühl der Sicherheit an, dass auch mein “ES” und “ALLES DAS” sagbar sein könnte.

Es ist das erste Buch zum Thema, das mir dies ermöglicht hat.
Dafür danke ich und stelle fest, dass auch Dankbarkeit so schier unfassbar groß sein kann, wie alle Furchtbarkeit, die Leib und Leben in seiner Existenz bedroht.

#isjairre wie normal das ist!

farbeGestern trendete bei Twitter der Hashtag #isjairre unter welchem zur Diskriminierung von Menschen mit dem Label „psychisch krank“ getweetet wurde

Nun ja.

Außer einigen meiner eigenen Tweets konnte ich keine finden, die sich mit struktureller Diskriminierung befassten. Aber gut, wie will denn auch dieser systemimmanente Klops in 140 Zeichen gequetscht werden. Beginnt die Diskriminierung doch bereits im Labeling von „gesund“ und „krank“ / „irre“ und „nicht irre“.
Diese Schnapsidee von legitimiertem Othering durch Benennung und Kategorisierung der Defizite in dem, was „die Psychologie“ als Psyche bezeichnet.

Es ist bereits der Gang zum Psychiater oder Psychologen, der Gefahr schlechthin bedeutet. Nicht nur für Arbeitsplatz, Freundes- und Familienkreis, sondern auch für das eigene Selbstbild und daran gebunden der Selbstwert, sowie nicht zuletzt auch der eigenen Gesundheit in Gänze.

Die Diskriminierung des „Anderen“ hat die gleichen Traditionen wie Rassismus, Antisemitismus und sämtliche *-phobien. Deshalb schreibe ich jetzt keinen Artikel mehr dazu, wo das alles herkommt.
Wenn du, liebe/r LeserIn, etwas darüber erfahren möchtest, kannst du einfach mal „Irrenturm“ oder „Geschichte der Psychiatrie“ googlen.

Der Hashtag kann, meiner Meinung nach, nur eines zeigen: Es ist normal unnormal zu sein, denn die Norm ist nichts weiter als ein Rahmen dem gänzlich zu entsprechen niemandem gelingen kann, sobald ein rein defizitorientierter Blick auf ihn fällt.

Das ist es, was es mir persönlich auch schwer macht, mich von abfälligen Sprüchen oder dämlicher Wortwahl (in den Medien™ ) tatsächlich auch diskriminiert zu fühlen: Ich kann ihre Wortwahl und ihr Verhalten mir gegenüber genauso pathologisieren und entsprechend abwerten, wie sie es mit meiner tun.

Der wichtige Punkt für mich ist, dass ich bzw. die Wahrnehmung der Umwelt und mir, selbst pathologisiert wird, diese Pathologisierung (meint Verortung meiner selbst im medizinisch/psychologisch/ psychiatrischen Kontext) aber nicht dazu führt, dass ich tatsächlich auch im entsprechenden Kontext Hilfe bekomme, wie ich sie eigentlich bekommen müsste, wenn ich schon dieses Etikett aufs Shirt gepappt kriege.

Ich finde es zum Kotzen, dass heute sehr viele Menschen wissen, was eine Depression ist und auch was ein Herzinfarkt ist, doch, dass man eine Depression auch behandeln sollte, um das Risiko an, zum Beispiel, einem Herzinfarkt zu sterben reduzieren, nicht. (Literaturtipp: J. Bauer- Das Gedächtnis des Körpers)
Ich finde es zum Kotzen, dass es X- Kampagnen „gegen“ diverse Krankheiten gibt- aber nicht „für“ die Akzeptanz und Hilfe, wenn diese gewünscht ist.

Wieso dürfen PsychiaterInnen und PsychologInnen, von mir aus auch MedizinerInnen allgemein nicht streiken?! Sie hätten, entgegen verbreiteter Annahmen, allen Grund dazu!
Wieso dürfen Krankenkassen darüber in Wettstreit gehen, wer am Wirtschaftlichsten mit der Gesundheit ihrer Mitglieder spielt?
Wieso darf die Gesellschaft* wissen, wie breit das Spektrum menschlichen Empfindens- vielleicht auch Leidens ist, ohne wirklich zu erfahren, wie es hinter den Kulissen der Begriffe „Psychotherapie“ und „psychologische Hilfe/ Begleitung“ abgeht?
Wieso dürfen Pharmaunternehmen meinen Körper vergiften und mir dies als Hilfen verkaufen?!
Wieso darf die
Psychiatrie als Zwischenstation oder gar Endstation für ein Menschenleben als DIE Institution für Hilfen gelten, wenn dort bzw. in dem Zusammenhang damit, das Risiko für mich Gewalt zu erfahren so exorbitant viel höher ist, als sonst wo?!

Ich finde es zum Kotzen, dass ich vor diesem Hashtag stehe und gefühlte Milliarden Worte im Kopf habe und doch nur diesen popligen Artikel zusammengekratzt bekomme.

Es ist einfach zu normal irre zu sein.
Genauso normal, wie die Diskriminierung, die ich aufgrund meiner Irre erfahre.

Weil sich die Sprachführung über sexualisierte Gewalt verändern muss!

Wenn ich mich darüber aufrege, dass unsere großen (Print)Medien ständig das Wort „Pädophilie“ benutzen, dann hat das folgenden Grund:

Pädophilie meint wörtlich eine Wertschätzung, eine Hingabe, eine liebevolle Zuwendung zu Kindern- keine sexuelle Präferenz!
Eigentlich- wenn sich unsere Leitmedien vernünftig ausdrücken würden- wäre also jeder Mensch der Kinder eben nicht auf sexueller Ebene anziehend findet (und dies auf gewaltvolle Art eben auch ausdrückt- als Teil einer winzig kleinen TäterInnengruppe), ein pädophiler Mensch!

Jede/r KindergärtnerIn, jede Mutter, jeder Vater, jede/r KinderliederschreiberIn, jede/r KinderbuchautorIn- alle verdammt- alle Menschen, die Kinder tatsächlich liebevoll wertschätzen und sie nicht zerstören oder verletzen, sind im Grunde als „pädophil“ zu bezeichnen.

Die Zeitungen aber schreiben von Straftatbeständen! Sie meinen keine Menschen, die sich liebevoll und bewahrend um Kinder kümmern. Sie meinen Menschen, mit als krankhaft eingestufter Sexualpräferenz.
Sie meinen sogar sehr oft Menschen, die nicht einmal diese Sexualpräferenz haben, sondern schlicht das Machtgefühl über ein Kind mit Lust verwechseln.

Diese Menschen als „pädophil“ zu bezeichnen bedeutet, den TäterInnen- den GEWALTÄTERinneN- eine Selbstbezeichnung zuzugestehen, die sie nicht verdient haben. Die sprachlich verklärend und einfach falsch ist.
Es ist mir egal, ob „schon jeder weiß, was gemeint ist“.
Für mich als Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kindheit, heißt das: „Die Täter haben dich aus liebevoller Wertschätzung verletzt und zerstört.“

Das ist nicht wahr.

Wenn ich mich darüber aufrege, dass unsere großen (Print)Medien ständig den Begriff „sexueller Missbrauch“ verwenden, dann hat das folgende Gründe:

In dem Wort „Missbrauch“ steckt auch „Brauchen“, was eine Notwendigkeit- eine Not- ein Brauchen impliziert. Dieses Wort steht für mich in einem weiterentwickelten Denken, das mit dem alten Wort : „Notzucht“ einherging.
Gewalt hat keine Not, die etwas mit dem Menschen zu tun hat, der sie erfährt. Es gibt keine Not- kein notwendig unbedingt zu erfüllendes Bedürfnis, welches mit sexualisierter Gewalt befriedigt werden muss.

Für mich als Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kindheit, heißt das Wort: „Du musstest von TäterInnen benutzt werden, weil sie es gebraucht haben.“
Ich war und bin kein Objekt, dass zur Benutzung freigegeben ist, wie die Notbremse in der Straßenbahn!

Wenn ich mich darüber aufrege, dass unsere großen (Print)Medien ständig das Wort „Kinderpornographie“ verwenden, dann hat das folgenden Grund:

Pornographie ist ein Geschäft. Es gibt VertragspartnerInnen, die mündig sind, eigenverantwortliche Entscheidungen abschätzen und treffen können und nicht zuletzt bezahlt werden, für die Darstellung ihrer Körper bei sexuellen Handlungen.
Für Kinder gilt dies alles nicht.
Sie haben keine Wahl! 

Dieser Begriff suggeriert eine Entscheidung und Bezahlung dieser gequälten Kinder, die es de facto nicht gibt!

Wenn ich mich darüber aufrege, dass unsere großen (Print)Medien ständig Worte wie: „Sextourist“, „Sextäter“, „Sexbestie“, „Sexopfer“, „Kinderschänder“ und „Zwangsprostituierte“ verwenden, dann hat das folgenden Grund:

Sex = Sexualität (freie Wahl und Lust)
Vergewaltigung = Gewalt (keine Wahl und Verletzung)

Sogenannte „SextäterInnen“ sind GewalttäterInnen. Sie nicht so zu nennen, verdeckt die Gewalt und damit alle Not, die über die Betroffenen kommt!
Sogenannte „Sextouristen“ fahren in Länder, in denen Kinder und Jugendliche nicht geschützt sind und dort quasi wie Sonderangebote an GewalttäterInnen feilgeboten werden. Es ist Kinderhandel- Menschenhandel- das hat mit Sex nichts zu tun.
Sogenannte „Sexbestien“ sind besonders hinterhältige und/ oder brutale Straf/GewalttäterInnen. Sie zu Bestien zu machen, entmenschlicht sie. Dieser Begriff gestattet das Denken, es handle sich um eine Tat, die „von Sinnen“ geschah und damit außerhalb der Verantwortung bzw. Straffähigkeit des Täters bzw. der Täterin.
Sogenannte „Sexopfer“ sind eigentlich Gewaltopfer. Doch dieser Begriff wird so gut wie nie verwendet.

Sogenannte „Kinderschänder“ sind GewalttäterInnen. Sie bringen keine Schande über ein Kind- was für eine Schande überhaupt?! Was ist das für ein Denken, in dem Schande über grundlegend unschuldige Kinder gebracht werden kann?! Es ist der/die TäterIn selbst, wo Schande und Schändliches zu verorten sind!

Sogenannte „Zwangsprostituierte“ gibt es nicht. Entweder mensch wird zu etwas gezwungen (und erfährt so Gewalt) oder prostituiert sich (verkauft also eine Dienstleistung, die sexuelle Handlungen impliziert).

Wenn ich mich über die gesamte Sprachführung unserer großen Medien mit ihrem riesigen Einflussbereich aufrege, dann hat das folgenden Grund:

Sie bekommen Geld für jedes Wort, das sie in die Welt schicken.
Sie tragen Verantwortung für jedes Wort, das sie in die Welt und die Köpfe der Menschen schicken.
Sie haben eine Macht und nutzen sie nicht zum Wohle der Betroffenen, sondern immer wieder und wieder und wieder zum Wohle der TäterInnen.
Sie vermischen Sex und Gewalt. Sie implizieren Wahlmöglichkeiten. Sie betreiben offene Häme.
Und niemand haut ihnen dafür die Finger

Sie dürfen mich als Betroffene dieser Gewalt immer wieder über die Sprache denken lassen, eine Wahl gehabt zu haben. Dass ich mich nur hätte wehren zu müssen. Die Gewalt ja doch irgendwie schön gefunden haben zu müssen- schließlich geht es um Sexualität- nicht um Gewalt.
Sie sagen mir immer wieder, dass die TäterInnen die Gewalt an mir gebraucht haben und mich deshalb gezwungenermaßen- weil SIE keine Wahl hatten (nicht etwa ich!)- verletzten.

Das ist alles nicht wahr.
Es ist einfach nicht wahr.

Und wenn ich mich darüber aufrege, dann ist das legitim!
Wenn sich alle konkret Betroffenen darüber aufregen, dann ist das legitim!

Und wenn sich die Presse nicht verändert an dem Punkt, dann ist auch die Frage gestattet, wieso verdammt nochmal die Interessen und Gefühle der TäterInnen so verdammt viel wichtiger sind, als die der Betroffenen!

Ihr™ – ein Rant

Ich lese die Schlagzeilen und denke an Schläge.
Will zuschlagen.
Auf die Finger die „Pädophile“ statt „Pädokriminelle“ schreiben.
Auf dummdreiste Deppen, die so eine unnötige Debatte um Parteivergangenheiten zu etwas machen, das sich wieder auf den Rücken aller Betroffenen ergießt.

Ich will schreien, weil IHR™ so handelt.
Euch die Gefühle, die Gedanken, die Lebenswelten aller Betroffenen so was von verdammt nochmal scheißegal sind, dass ihr™ euch ins Fernsehen, vor JournalistInnen, eure Blogs und ja sogar eure Peergroup stellt und frank und frei den letzten Dreck erzählt.
Manche sind sogar so ekelhaft, dass sie sich ein Alibiopfer an die Seite stellen. „Ich bin ein Held- ich kenne ein Missbrauchsopfer. GUCKT WIE KAPUTT DIES LEBEN IST- DAS KOMMT WEIL WEGEN MISSBRAUCH!!!“

Das ist sowas von ekelhaft!

Ihr™ redet über Missbrauch und bezieht euch auf die 80iger Jahre. Auf eine sich damals gerade mal gründende Partei. Nein- ihr™ redet nicht von sexualisierter Gewalt. Nein, ihr™  redet nicht davon, dass das bis heute etwas ist, mit dem jedes vierte Kind Europa konfrontiert ist. Ihr™  redet nicht davon, dass die Folgen dieser Scheiße bis heute etwas sind, wofür mensch sich schämt. Dass diese Gewalt etwas ist, das euch die Wirtschaft komplett um die Ohren fliegen lassen wird, wenn ihr™ nicht endlich wirklich opfersolidarisch agiert! Ihr™ redet nicht davon, dass ihr™ JA GENAU IHR™ diejenigen seid, die nicht zuletzt auch dafür sorgen, dass diese Art der Gewalt nicht gesühnt und angemessen bestraft wird. Ihr™ versteckt euch hinter armseligen Hilfsfonds und Plakaten. Den millionsten Informationsbroschüren, die „sensibilisieren“ sollen. ÜBERRASCHUNG: Der Bedarf beginnt da, wo ihr™ Feierabend macht!

Und IHR™- ihr anderen Ihrs™- lernt es auch nicht, ne? Ihr™ Schwätzer und Worthülsenschmeißer, die ihr™ euch täglich in Zeitungen und Webseiten erbrecht. Von wem werdet ihr™ gegängelt, dass ihr™ eure Sprachführung nicht einziges Mal so haltet, dass nicht irgendwo diese Scheißmythen über Vergewaltigungen, sexuelle Misshandlungen und Kinderfolterungen aufrecht erhalten werden?!

Es heißt nicht Sextäter- es heißt: Gewalttäter
Es heißt nicht Pädophilie- es heißt Pädokriminalität
Es heißt nicht Kinderpornographie- es heißt Kinderfolterdokumentation
Es heißt nicht Kindersex- es heißt Vergewaltigung eines Kindes
Es heißt nicht sexueller Missbrauch- es heißt sexuelle Misshandlung
Es heißt nicht Kinderschänder- es heißt Gewalttäter

Kriegt ihr™ es denn nicht ein einziges Mal gebacken, das Thema der sexualisierten Gewalt im Gespräch mit der Öffentlichkeit zu haben, ohne die damals wie heute davon betroffenen Menschen erneut zu demütigen, auszubeuten, bloßzustellen, zu verletzen und letztlich doch wieder, in alledem, was ihre Not ausmacht, so verdammt allein und ohne echte Hilfen dastehen zu lassen?!

Ihr™ habt eine Macht.
Ihr™ habt eine Verantwortung.

Und ihr™ missbraucht während ihr™ misshandelt.
Ihr™ missbraucht ein Thema und misshandelt währenddessen wieder die Betroffenen.

Ohrfeigen und mit dem Gesicht an die Wand stellen will ich euch™ .

Schämen sollt ihr™ euch.

Und eurer™ Verantwortung nachkommen verdammt nochmal. Das ist euer™ Job!

von „Sybil“ und antiquierten Zweifeln

Wenn ich solche Tage habe wie vorgestern, wachsen nicht nur Krätzpickel auf meinen Gedanken. Auch die Zweifel an mir und allem was mich umgibt wachsen.

Irgendwann klopfen auch die Zweifel an der Richtigkeit der Diagnose- an der Idee der strukturellen Dissoziation als Folge schwerer Traumatisierungen- an. Ich spüre die BÄÄÄMs und die MittelBÄÄÄMs mehr, die Wünsche, dass alles ein riesiger Irrtum ist. Meine Geschichte auf irrer Einschätzung eines von Natur auf falsch funktionierenden Gehirns beruht, auf die einige meiner Therapeutinnen hereingefallen sind, weil sie mir geglaubt haben. Glauben mussten, weil sie in ihrer Freizeit nicht Agatha Christie spielen dürfen/ können/ wollen.

Vorgestern habe ich dann doch mal wieder „False Memory“ gegoogelt. Foren angeguckt, in denen Menschen davon berichten fälschlich der (sexuellen) Misshandlung angeklagt worden und einer (feministischen) Großverschwörung zum Opfer gefallen zu sein.
Irgendwann landete ich bei folgendem Video:

Ich habe letztes Jahr die Neuverfilmung von „Sybil“ gesehen und auch hier kommentiert.
Ich habe sogar das Buch „Sybil“ im Bücherregal stehen und gelesen. Damals hatte ich es als historischen Beleg für die Wahrnehmung der Frau* als „psychisch krank“ gelesen. Nicht bzw. nur am Rande, als ein Buch, in dem es um „eine multiple Persönlichkeit“ geht.

Mir war beim Lesen von Anfang an klar, dass die Traumaforschung und vor allem das Verständnis der menschlichen Psyche zur Zeit der Buchveröffentlichung und auch der psychiatrischen Behandlung „Sybils“ damals eine andere war, als heute.

Ich möchte im Folgenden das Video kommentieren. Dabei verwende ich das Wort „Frau“ und meine das soziale Geschlecht, der als biologisch weiblich gelabelten Menschen. Biologisch männliche Menschen mit dissoziativer Identitätsstruktur schließe ich hier vermutlich leider aus, wie es bis heute oft passiert, weil der in Prävalenzstudien erfasste Anteil der biologisch männlich Menschen mit DIS, sehr gering ist (auf einen männlichen Menschen kommen, nach meiner letzten Information, 7 weibliche Menschen mit dieser Diagnose).
Dies bitte ich zu entschuldigen und nicht als Versuch zu sehen, biologisch männliche Menschen mit DIS unsichtbar zu machen. Inoffizielle Zahlen gehen von einem höherem Anteil aus, sind aber nicht in Zahlen belegbar, weil sich männliche Menschen eher weniger oft in Psychotherapie begeben als weibliche- ein Umstand auf den ich später noch zu sprechen komme.

Debbie Nathan ist Journalistin- keine Psychiaterin oder Psychotherapeutin. Moderne Traumaforschung liegt ihr offenbar fern, offensichtlich genauso fern, wie die Reflektion ihrer eigenen Sexismen (was meint ein Bewusstsein über die frauen*verachtenden Wurzeln ihrer Überzeugungen).

Was ihr in den ersten Minuten gut gelingt, ist auf die Dramaturgie des Films und auch des Buchs hinzuweisen. Das ist etwas, das mir selbst auch aufgefallen war. Die „Story Sybil“ ist sehr einfach gestrickt: schlimme Geschichte macht Frau krank, sie erinnert sich erst nicht, dann doch und schwupp ist sie geheilt. So wird verkauft- aber keine Lebensrealität transportiert.

Die Rednerin unterlässt den Schluss zu einen fundamentalen Faktor, der ebenfalls zu Interesse an der „Story“ führt: eigene Identifikation bzw. Betroffenheit. So weißt sie darauf hin, dass der Film von einem Fünftel der amerikanischen Bevölkerung geschaut wurde, als wolle sie von einer Massenimpfung und nicht einem Informations- oder Kontaktbedürfnis mit dem Thema „Weiblichkeit/ Frausein und Gewalt“ sprechen. Einem Thema, dass in den 70 er Jahren „auf dem Tisch“ war- vornehmlich in feministisch orientierten Kreisen bzw. durch selbige (mit-) verursacht, in der breiteren Öffentlichkeit.

Dann kommt sie auf Shirley Mason zu sprechen, die Person, die später zu „Sybil“ wurde.
Sie sagt, sie hätte keine Hinweise darauf gefunden, dass Shirley als Kind die Symptomatik einer DIS hatte.
In Hinblick auf die DIS als funktionell sichernden Mechanismus erscheint das logisch. In meinen Büchern zum Thema „Trauma und Dissoziation“ wird die „Störung“ erst dann zur „Störung“, wenn die Struktur der Dissoziation dysfunktional ist. Das heißt, dass, bis zu dem Zeitpunkt, in dem das lebensstrukturgebundene Dissoziieren als notwendig eingeordnet wird, auch keine Störung durch selbige wahrgenommen werden. Weder von den Menschen selbst, noch von außen.
Da sich dieses Dissoziationsmuster gerade in der frühen Kindheit entwickelt bzw. genutzt wird, gehe ich persönlich also davon aus, dass in Shirleys Fall, sollte sie multipel gewesen sein, ergo auch keine Symptomatik wahrnehmbar gewesen sein kann.

Frau Nathan gibt auch an, dass sie keine Belege dafür gefunden habe, dass die Mutter Shirleys jemals schizophren oder psychotisch gewesen sei. Etwas, dass mich in Anbetracht der (brutalen) psychiatrischen Versorgung und der Stigmatisierung von psychischer Krankheit, gerade bei Frauen, zu der Zeit, ebenfalls nicht groß wundert.
Ebenso spricht auch die religiöse Lebensweise der Familie nicht dafür, dass überhaupt eine Offenheit für die Notwendigkeit einer professionellen Behandlung durch die Medizin vorlag. Sie waren Adventisten. Eine sektuöse Glaubensgemeinschaft, deren Lebensweise auf ein jederzeit eintretendes Armageddon ausgerichtet ist. Wie nah mag da der Schluss: „Nun ja- sie ist verrückt, aber G’tt hat sie so erschaffen und so wird er sie auch mitnehmen- wozu noch zum Arzt und verändern?“ liegen?

Sehr wohl spricht die abgeschlossene Lebensweise und auch die geistige Doktrin, die individuelle Neigungen im Bereich des Schöpferischen unterdrückt und ablehnt, für einen Nährboden von Gewalt an der Psyche an Menschen. Gerade bei Menschen, die so der Kunst zugeneigt sind wie Shirley. Frau Nathan bezeichnet ihre Lage mit „She was a troubled child“ und erhebt sich so über das subjektive Erleben des damaligen Kindes.

Dann kommt sie auf einen umfassenden Themenbereich: Hysterie
Beziehungsweise: die hysterische Frau, die „nur mal ordentlich durchgevögelt werden muss, damit sie wieder klar im Kopf ist“- Na? Welche (feministische) Bloggerin fühlt sich gerade an diverse Kommentare und Hassmails erinnert?
Sie beschreibt in dem Film einigermaßen vollständig, wie die Ideen und auch die psychiatrische Begegnung mit dem Cluster ausgesehen haben. Lässt aber hier einen wichtigen Faktor aus: die Ursachen für das, was früher als Hysterie im Kontext der Psychiatrie und Krankheitsverständnis bezeichnet wurde.

So kommt sie darauf zu sprechen, dass „Hysterikerinnen“ unter Verdacht standen immer wieder zu tun, was (vermeintlich) von ihnen erwartet wurde und von einer erhöhten Empfänglichkeit für Suggestionen gesprochen wurde. Heute würde man von „Anpassung/Unterwerfung vor einer (subjektiv empfundenen) Dominanz sprechen.

Dann beginnt sie eine thematische Schleife und beschreibt die Psychiaterin C. Wilbur (Shirleys Behandlerin) als eine Frau auf der Suche nach dem nächsten großen Ding, das ihr als Frau in einer von Männern dominierten Welt, einen Karriereschub im ersten und einen Egostreichler im Weiteren zusichert.

Das mag sein und kommt bis heute immer wieder vor, denn a) sind Frauen bis heute seltener in Führungspositionen als Männer und haben es schwerer, zum Beispiel in ihrer (Forschungs-) Arbeit, anerkannt zu werden (auch und vor allem, wenn es um Themenbereiche geht, die eine Relevanz für Frauen haben) und b) weil MedizinerInnen und (Psycho-) TherapeutInnen nun einmal Menschen sind. Menschen mit Ego, das ab und an hungrig ist.

[Es regt mich übrigens auf, mit was für einer Attitüde die Sprecherin das Video darbietet, auf dem zwei Mädchen offenbar dabei gefilmt werden, wie sie sich ihrem Arzt unterwerfen. Ganz offensichtlich hat sie kein bis wenig Gespür dafür, dass es sich um eine Form von dokumentierter Gewaltanwendung handelt.]

In Minute 14 erwähnt sie, dass Shirley Mason von Dr. Wilbur ein Buch über Dissoziation empfohlen bekommen habe, was diese als Anleitung zum „Multipel spielen“ benutzt haben soll. Hier legt sie also den Schluss nahe, Shirley habe zu diesem Zeitpunkt bereits die implizierte Anforderung ihrer späteren Behandlerin vorgelegt bekommen, die sie später dann „vorführt“.

Ich habe mal durch die Bücher, die ich hier von anderen Menschen mit DIS stehen habe, geblättert und überlegt, ob man sich daraus eine Anleitung zum „multipel spielen“ basteln kann.
Fazit: Kann man durchaus. Einer echten Diagnostik würde dies aber nicht standhalten können, denke ich. Schon gar nicht über längeren Zeitraum.

In der Zeit zu der Dr. Wilbur und Shirley Mason aufeinander trafen, gab es aber noch nicht den gleichen Forschungsstand und entsprechend ausgelegte Diagnostikinstrumente, wie heute.
Es kann also durchaus sein, dass die Auskleidung der Grundproblematik Shirleys in Form von „multipel spielen“ um einer Behandlerin zu gefallen, passiert ist.

Debbie Nathan selbst schmückt den damaligen Behandlungsstandart und Wissensstand der Nachkriegszeit aus, indem sie auf die gerade frisch populär gewordene Psychoanalyse und Drogen als Allheilmittel eingeht.
„Psyche“ war „in“- die Ursache für zum Beispiel „Hysterie“, geschweige denn die wahre Verbindung zu posttraumatisch bedingter Symptomatik (in Form von somatoformer Dissoziation, die damals- wie von der Rednerin selbst noch immer- als „hysterische Lähmung/Blindheit/Taubheit/Anfallsleiden“ bezeichnet wurden), hingegen nicht.

Posttraumatischer Stress von Soldaten nach dem zweiten Weltkrieg, war nicht etwa ein Problem, weil eine ganze Generation von Männern plötzlich pflegebedürftig, seelisch und körperlich verkrüppelt war, sondern, weil sie sich plötzlich „weibisch“/ „weiblich hysterisch“ verhielten!
Das ist bis heute ein Problem auf das männliche Menschen, meiner Meinung nach, zu Recht sagen können, dass auch sie unter Sexismus leiden.
Seelische Zustände, die auf das weibliche Geschlecht limitiert sind, dürfen Männern nicht passieren, weil sie sonst „keine echten Männer“ mehr und ergo genauso schwach/wertlos wie Frauen sind. Weil dies mit einem massiven Verlust von Macht/ Einfluss einher geht, haben sie in ihrer Rolle zu bleiben und nehmen dadurch Schaden. Was aber bis heute nicht dazu geführt hat Weiblichkeit oder mit Weiblichkeit Assoziiertes vielleicht mal weniger zu entwerten.

Dies und auch die Existenz dieses Sexismus in den Köpfen vieler Menschen in psychiatrisch/medizinischen Bereichen, sorgt dafür, dass es Männern weniger leicht fällt, sich in, zum Beispiel, psychotherapeutische Hände zu begeben und dort auch korrekt diagnostiziert zu werden. Die Schwelle zur Hilfe nach traumatischen Erlebnissen ist für männliche Menschen enorm hoch- nicht aber ausschließlich, weil es zu wenig Hilfen gibt, sondern weil diese Hilfe auf der gesellschaftlichen Ebene auf (vornehmlich weibliche) Schwäche/ Irre/ „Krankheit“ limitiert ist.

Die Ursache für Symptome außerhalb der PatientInnen zu suchen, ist erst seit wenigen Jahren „im Kommen“ nachdem sich die Rollenbilder der Männer und Frauen (im Schneckentempo zwar) verändern und zwar vollkommener, als zu der Zeit in der Shirley Mason und Dr. Wilbur miteinander arbeiteten.
In dieser Hinsicht finde ich den Ausflug in die Werbung der damaligen Alltagsdrogen („Mothers little helpers“), den die Sprecherin des Vortrages macht, ganz sinnvoll.

Debbie Nathan beschreibt die (aus heutiger Sicht) katastrophale psychotherapeutische Behandlung von Shirley. Sie bekam Drogen, Elektroshocks und wurde auch hypnotisiert, um ihren Problemen auf den Grund zu gehen. Alles Dinge, die heute in der Form nicht mehr angewendet werden. Was Debbie Nathan interessanterweise in ihrem Vortrag zu erwähnen unterlässt.
Hypnotherapeutische Verfahren gibt es, werden allerdings nicht zur Exploration erlebter Traumata angewendet. Ich habe nicht viel dazu gefunden, doch das, was ich fand, waren Beispiele zur Etablierung von Selbstfürsorge oder Selbststärkung nach traumatischen Erlebnissen.
Psychopharmaka (Drogen) werden ebenfalls noch heute eingesetzt, doch gleichsam nicht um „an ein Trauma heranzukommen“, sondern um den Patienten die Symptome zu erleichtern oder zu nehmen, die sich in der Folge von Traumatisierungen entwickelt haben können. Etwa Depressionen, Angststörungen, Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen, allgemeine Unruhe, sexuelle Dysfunktionen.
Elektroschocks sind ebenfalls noch nicht tot, finden in der Behandlung von Traumafolgestörungen hingegen keinen Platz mehr, sondern in der Behandlung von bipolaren Erkrankungen. Der Einsatz dessen wird scharf kritisiert. Zu Recht wie ich finde.

Die Rednerin geht im gesamten Vortrag übrigens nicht auf die genaue Diagnosebeschreibung der DIS ein. So zum Beispiel nicht auf eine der wichtigsten Voraussetzungen, die vorschreibt, dass eine psychophysische Erkrankung (wie zum Beispiel der Tumor im Gehirn) oder der Status nach Drogenkonsum ausgeschlossen sein muss.
Damit verleitet Frau Nathan die Zuhörerschaft zu glauben, dass dieses Vorgehen noch heute so ist und damit jeder Diagnose von DIS zu misstrauen ist.

Dann geht sie auf das Buch bzw. dessen Umstände ein.
Sie unterstreicht, die Fiktionalität, die benutzt wurde, um einen Bestseller zu kreieren, zwar mit der Erwähnung, welche positiven Auswirkungen dies auf die Behandlerin und die Autorin hatte, doch ohne explizit zu erwähnen, was für einen Verlust an Lebensqualität und Verstärkung der Abhängigkeit das Leben nach der Veröffentlichung für die Patientin Shirley Mason entstand.
Diese war durch die Behandlung zwischenzeitlich drogensüchtig und auch emotional abhängig von ihrer Therapeutin geworden und konnte sich offenbar erst mit ihrem Tod befreien, da sie sogar zusammengezogen sind.

Debbie Nathan gibt an, dass sie sich gefragt hat, warum diese Geschichte geglaubt wurde, als sie das Buch las und beginnt davon erzählen, was sich für die Frauen in den 70 er Jahren in Bezug auf ihre Lebensrealität verändert hätte. Sie könnten die Arbeit von Männern machen, Geburtenkontrolle praktizieren, Sex haben wann und mit wem sie wollten…
Sämtliche Abstriche, etwa das, was wir heute als „gläserne Decke zu leitenden Positionen“ bezeichnen und auch die Abwertung keine „richtige Frau“ zu sein in diesem Kontext, oder die Abwertung des Berufsstandes, der in der Folge von Frauen bekleidet wurde; die Abhängigkeit von der Erlaubnis des Mannes zur Geburtenkontrolle und wiederum die Abwertung der Frau durch selbige; genauso wie die verstärkte Etablierung der Frau, die nicht nicht mehr nur „immer Sex bekommen muss (um nicht hysterisch zu sein)“ sondern auch noch immer will (sonst würde sie ja nicht verhüten), was sich wiederum zur verstärkten Legitimierung von sexualisierter Gewalt ihnen gegenüber entwickelte, erwähnt Debbie Nathan mit keinem Wort.

Sie geht auch nicht darauf ein, was es für Betroffene von (sexualisierter) Gewalt mit ähnlicher Symptomatik bedeuten kann, wenn sie von einer Geschichte, die mit einer Heilung- einem Ende ihres Leidens handelt. Wenn da eine Geschichte auftaucht, in der sie sich in Teilen oder Gänze wiederfinden. Was für Hoffnungen entstehen und natürlich auch Kommunikationsbedürfnis plötzlich greifbar zu befriedigen erscheint.

Deshalb nur habe ich zum Beispiel Bücher von anderen Menschen mit DIS im Bücherregal stehen.
Die Botschaft wenigstens damit nicht allein zu sein. Eine (vielleicht im Hinterkopf dämmernde) Ursache aufgezeigt zu bekommen, die auch angenommen und nicht unter den Teppich gekehrt wird. Das Gefühl von Hoffnung auf ein Morgen, ohne diese Belastungen. Das ist unglaublich mächtig und anziehend, wenn man selbst vor sich steht und nichts als wirre, verängstigende Symptome an sich sieht und stets und ständig die Kontrolle über sich selbst verliert.
Sie erwähnt nicht, dass das Glauben an diese Geschichte der gleiche Mechanismus ist, der Menschen zu PsychiaterInnen oder PsychotherapeutInnen gehen lässt.
Da geht es um die Hoffnung auf ein Ende von dieser Qual.

Debbie Nathan führt aus, wie die Diagnose in den Achtzigern zur Modediagnose wurde und welche Blüten diese Massenbehandlung mit Drogen und Hypnose auf der Suche nach dem Trauma trieb.
Unter anderem verortet sie hier die, wie sie es nennt „satanic abuse panic“ in der Entstehung. Sie deklamiert sämtliche Äußerungen der PatientInnen als unter Drogen zusammenfantasiert- wiederum ohne zu erwähnen, wie die Traumatherapie von Menschen ganz allgemein heute aussieht.

Die Journalistin Nathan hängt sich in der Fragerunde am Ende des Vortrag so weit aus dem Fenster, dass es mir persönlich fast eine Freude ist, sie in mittels meines Wissens um die Strukturen, die zum DSM (in Deutschland des ICD) bzw. den Diagnosen darin führen, heraus fallen zu lassen.

So gibt sie an, dass im Diagnosekommitee der DIS, noch immer Menschen sitzen, die früher diese Diagnose „gebastelt“ und nachwievor die gleiche Überzeugung hätten, wie damals. Sie gibt an, keine Ahnung zu haben, wieso die Diagnose noch nicht herausgenommen wurde.
Mit keiner Silbe erwähnt sie die durchaus vorgenommenen Änderungen, den Einfluss der Traumaforschung, die heutigen Behandlungsstandarts und ebenfalls nicht das grundlegende Vorhandensein des Symptomclusters, das mit komplexer Traumatisierung einher geht.
Die Symptome sind ja da- auch wenn die Menschen keine Erinnerungen von sich geben. Dass es bei der Auflistung im DSM aber genau darum handelt- die Aufzeichnung von vorhandenen Mustern, die auch „Kopfsalat“ oder „Schweinebraten“ genannt werden könnten und nicht um eine Darstellung dessen, was „wahr“ im Sinne von Patienten gebundenen Fakten, ist, lässt sie unerwähnt.

Im Verlauf macht sie für mich sogar noch einen Salto aus dem Fenster, in dem sie die Aussage einer Feministin als Sprungbrett benutzt und „dem Feminismus“ die „Schuld“ an der Entstehung der Diagnose gibt.
Wenn ich sowas höre, habe ich immer so ein Bild im Kopf von einem wabbligen grünen Flubber, das ein F auf der Brust hat, und von Tür zu Tür geht und fühle mich an die Inquisition erinnert: „Die Hexe kam und hat mir den Kopf verwirrt- deshalb schlachtete ich mein einziges Hausschwein und ernährte meine Familie! Brennen soll sie und als Entschädigung will ich ihre 20 Hausschweine!“.

Sie postuliert einen Schaden durch die Diagnose an der Gesamtgesellschaft, der de facto zu keinem Zeitpunkt eingetreten ist. Immer wieder impliziert sie einen (sekundären) Krankheitsgewinn durch die Diagnose und die damit einhergehende Aufmerksamkeit.
Sie sagt, ihr wäre aufgefallen, dass PatientInnen zur „Prinzessin“ würden, sobald die Diagnose der DIS erhalten hätten. Nach bis zu 7 Jahren in denen diese Menschen von Arzt zu Arzt und von Klinik zu Klinik gewandert seien, sei dieses Gefühl doch wunderbar.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Nein.
Es stimmt, dass man mit anderen Diagnosen tatsächlich wie Müll behandelt wird. Meine eigene Behandlung unter der Diagnose „Schizophrenie“ und „Psychose“, war die Hölle. Aber nicht nur, weil mir gesagt wurde, ich würde für immer krank sein, oder weil die Medikamente zum Teil einfach nur furchtbare Wirkungen hatten, sondern, weil sie auf keiner Ebene heilsam wirkte!
Ich hätte das alles auf mich genommen, wenn es mir die Symptome genommen hätte. Würde auch heute liebend gern mit einer Diagnose herumlaufen, die mit Medikamenten eingestellt werden könnte. Nichts lieber als das- ehrlich! Warum wohl sonst, hätte ich mir solche Inhalte, wie diesen Film reingezogen, wenn nicht auf der Suche nach tragenden Gegenargumenten für meine Diagnose und alles, was sie impliziert?

Ich wäre lieber die Durchgeknallte die Medis schluckt, als ein Opfer von Gewalt.
Es gibt keinen- absolut keinen echten Gewinn durch das Labeling als Opfer. Schon gar nicht als Frau.

Ich war 16/17 als die Diagnose zum ersten Mal gestellt wurde und die Aufmerksamkeit, die ich damals bekam, fand ich furchtbar. Das war so eine Mischung aus Versuchskaninchen und Neuland. Sowohl für meine damalige Therapeutin als auch das Pflegeteam und die Klinik.
Ich musste mich nach 2 Jahren Kraut und Rübendiagnostik, ständige Lebensumbrüche und Entwurzelung ganz auf das verlassen, was mir meine Therapeutin sagte und hatte keine Möglichkeiten das mit irgendetwas abzugleichen, da ich geschlossen in einer Klinik untergebracht war und kein soziales Netz außerhalb hatte, das sich ernsthaft und global für mich interessierte.

Ich wollte einfach nur normal sein. Nicht zugeben, dass ich Amnesien hatte, fühlte mich immer wieder tief ertappt, wenn irgendeine Wahrnehmung, die ich zu verstecken versuchte benannt wurde. Versuchte immer wieder mich anzupassen und scheiterte mit Pauken und Trompeten, weil immer wieder etwas aufgedeckt wurde. Ich hatte vor wohlwollender Begegnung meiner Person genauso viel Angst, wie nicht wohlwollender. Kein toller Zustand, wie sich das Frau Nathan vorstellt.

Und mal von mir abgesehen- ich will gar nicht so genau wissen, was für Kämpfe meine damalige Therapeutin führen musste. Denn was in der Gesamtgesellschaft definitiv verankert ist, ist das Bild, das Debbie Nathan von Dr. Wilbur gezeichnet hat. Das Bild der gefrusteten machtgierigen Frau, die über Grenzen geht, um in einen exotischen Fall zu brillieren und anerkannt zu werden.
Das kommt mir noch viel schlimmer vor, als meine Schwierigkeiten zu der Zeit.
Da ist jemand der jemandem helfen will und ihm begegnet, vor einem Haufen Frage- und Ausrufezeichen steht, eine eventuell passende Diagnose findet und dann links und rechts abgewatscht wird, weil sie überhaupt in Betracht gezogen wird.

Obendrauf kommt noch das Mamiding, dass gerade weiblichen psychotherapeutisch arbeitenden Menschen ebenfalls immer wieder unterstellt wird. So wie es auch die Rednerin tut, in dem sie Dr. Wilbur unterstellt eine Mutter für Shirley sein zu wollen, weil ihre eigene eine vermeintlich brutale Person war.
Dass dies eine Sichtweise aus dem frühen 19 Jahrhundert ist, führt sie selbst aus- reflektiert dies aber nicht an sich selbst.
Es gibt solche TherapeutInnen, die diese Übertragung haben. Klar, auch das eine Erfahrung, die ich mehrmals gemacht habe (und genauso furchtbar fand, wie offene Missachtung). Doch heute wird eine eigene Psychotherapie von PsychotherapeutInnen verlangt, genauso wie regelmäßige Supervision der Menschen als Standard für gute Psychotherapiearbeit gilt, in der solche Übertragungen geklärt und wenn möglich aufgelöst werden. (Etwas, dass ich allen Menschen, die sich egal aus welchem Grund zu einer Psychotherapie entscheiden, nur raten kann: Fragen, ob regelmäßig Supervision in Anspruch genommen wird- ist das nicht der Fall: Haken hinter und jemand anderen suchen. Es gibt wenig, das giftiger ist, als unreflektierte oder stetig zur Reflektion aufgeforderte TherapeutInnen).

Abschließend ein paar Gedanken zu dem Vortrag.
Debbie Nathan hielt ihn im Jahre 2012. 20 Jahre nach dem Tod von Dr. Wilbur und 14 Jahre nach dem Tod von Shirley Mason und 24 Jahre nach dem Tod von Flora Schreiber. Schon ziemlich clever, drei toten (weiblichen) Menschen eine Verschwörung der Massen zu unterstellen. Widerrede oder Aufklärung ist nicht zu befürchten.
Noch einmal: der Vortrag war im Jahre 2012, einer Zeit in der die Begriffe „hysterische Lähmung/Blindheit/Taubheit“ abgelöst sind von den korrekteren Begriffen der Konversionsstörung oder auch somatoformen Dissoziation. Die „Hysterie“ als solche ist heute noch als „histrionische Persönlichkeitsstörung“ zu finden, die sich laut der Wikipedia auf „auffälliges“ bzw. „wirkungsorientiertes Verhalten“ bezieht- nicht auf psychophysische Statusveränderung oder Traumafolgen assoziierte Störungen.

Ich persönlich denke, dass das Buch „Sybil“, die Story, die ausgeschmückt wurde, um finanziellen und fachlich bezogene Positivreputation zu generieren, nicht als Dokumentation einer DIS und ihrer Behandlung herhalten kann. Damals wie heute kann sie das nicht.

Wofür sie aber nutzbar sein kann ist, darzustellen, wie moderne Psychotherapie und Traumatherapie im Speziellen heute nicht mehr praktiziert wird und praktiziert werden darf.
Gleichsam bietet alles, was mit dem Buch, dem Film, den Menschen Dr. Wilbur, Shirley Mason und auch Flora Schreiber heute, wie damals zu tun hat, ein Beispiel für die Geschichte der Frauen in der Gesellschaft und der Herrschaftsverhältnisse, die bis heute fundamental sind, als auch für die Geschichte der Psychiatrie bzw. der psychotherapeutischen Medizin.

Ich bin ehrlich gesagt immer wieder enttäuscht, wenn ich mich auf die Suche nach neuem aktuellen Zweifelfutter an der Diagnose begebe und dann nichts weiter als Perpetuierung von Frauenverachtung finde. Das Wiederholen von inzwischen mehrfach und streng wissenschaftlich widerlegten Aussagen vorfinde und dies immer wieder mit den gleichen Beispielen „bewiesen“ wird.

Offensichtlich hat sich die Traumaforschung aller Kritik gestellt und sich weiterentwickelt. Die (antifeministische) Liga der „False Memory“- Bewegung und der ZweiflerInnen an der Wahrheit von Gewalterlebnissen anderer Menschen im engsten sozialen Umfeld hingegen seit Mitte der 80 er Jahre nicht.

Schade.
Wird mir nicht mal die Selbstablehnung befriedigend und rund erleichtert, sondern nur auf dem ewigen Makel herumgeritten, eine Frau zu sein.
Same procedere as in every times. Sorry- aber das kann ich inzwischen alleine.

Und wie es männlichen Menschen mit DIS geht, wenn sie damit konfrontiert sind… die haben so gar keine Chance sich in dieser ZweiflerInnenkritik wiederzufinden, denn immer wird von Frauen als Opfern von Frauen und Männern als Menschen die eine DIS nur vorspielen, um Straftaten nicht verantworten zu müssen, gesprochen.
Immer wieder werden sie in die Rolle der im Kern krass hart brutalen Menschen gedrückt, die weder Schmerz noch Reue kennen.

Trauma ist ein Arschloch, das sich im Gegensatz zu unseren Herrschaftsverhältnissen, keinen Deut um das Geschlecht der Menschen kümmert, über die es hereinbricht. Wohl aber bricht am liebsten über jene, die in Machtverhältnissen weiter unten stehen, als andere herein.
Das Diskriminierungslotto, in dem Gewalt verlost wird, erwählt mit Vorliebe die auf irgendeiner Achse Unterdrückten. Und das sind mit Studien belegbar bis heute vornehmlich Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen, Arme, und als einer Rasse angehörig gelabelte Menschen.
Und jede Gewalt gebiert in irgendeiner Form ein Trauma, das mehr oder weniger schwerwiegende und gesellschaftlich schädigende Auswirkungen hat.

Wenn man also von einer gesellschaftlichen und kulturellen Auswirkung von „Sybil“ sprechen will, so sollte man anfangen über Gewalt und seine Dynamik zu sprechen und aufhören sich hinter antiquierter Frauenverachtung zu verstecken, die selbige negiert.

Überzeugt uns!- Uns?!

Ein junges frisches Sendungskonzept soll es sein- „die PolitikerInnen“ stellen sich den Fragen ihrer (jungen) WählerInnen im öffentlich rechtlichen Fernsehen, um sie von sich bzw. ihrer Partei zu überzeugen.
Am Ende steht „
Überzeugt uns!“.

Nun ja.
Grundsätzlich halte ich diese Idee für gut.
Schon
der Bürgerdialog, den Angela Merkel Anfang letzten Jahres startete, hatte eine alle Erwartungen übertreffende Resonanz zur Folge.
Ganz offensichtlich gibt es ein Interesse der Regierten, an der Art ihrer Vertretung. Ideen und Wünsche, die in die Politik getragen werden wollen und sollen.

Dem gegenüber steht eine niedrige Wahlbeteiligung.
Allgemeiner Tenor in der Presse: Politikmüdigkeit- vor allem bei den jungen Wahlberechtigen.
Gegenmittel der ARD: eine Sendung die gezielt JungwählerInnen anspricht.

„Sie wissen schon- diese jungen Leute die „fresh“, „tight“ und von diesem ominösen „SWAG“ sprechen“, so stelle ich es mir vor, wenn der Altherrensender ARD eine Sendung für junge Menschen konzipiert.
Es wird geduzt, wilde Schnittfolgen eingebracht, „Pop/Rock“-Musik eingespielt, Worte wie „verarscht“ in der Sendung gesagt, Twitter und Facebook eingebunden und diverse Showelemente eingebracht, wie zum Beispiel das Format „Speeddating“ in der die PolitikerInnen innerhalb von 15 Sekunden auf zum Teil sehr komplexe Fragen reagieren sollen.
Letzteres, meiner Meinung nach, ein Versuch der didaktischen Reduktion, die absolut unangebracht ist.

Doch kommen wir zur Sendung an sich.
Im Großen und Ganzen wurden die Themen: Arbeit und Mindestlohn, Rente und Zukunftsperspektive, Familie und Beruf sowie das Bündel rund um den Datenschutz im Internet aufgegriffen.

Ich möchte verdeutlichen, was die Sendung außen vor gelassen hat und mich (wie viele andere Menschen) weder von irgendetwas überzeugt noch überhaupt wirklich angesprochen hat.

Schon im ersten Teil geht es um einen jungen Mann der in Teilzeit arbeitet, obwohl er eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann.
Es geht nicht um eine Frau. Es geht nicht um einen Menschen ohne Berufsausbildung. Es geht nicht um einen Menschen mit Schwerbehinderung. Es geht nicht um einen Menschen mit Familie. Es geht nicht um einen Menschen der „ausländisch“ aussieht. Und es geht nicht um einen Menschen über 50. Es geht nicht um einen Menschen ohne familiären Rückhalt.

In der Diskussion wurde wieder das bequeme Ideal des minderbeschäftigten Menschen aus dem Niedriglohnsektor aufgegriffen und natürlich kamen dem entsprechende Phrasen aus der Politik, die genau die Menschen aus von mir als fehlend dargestellten Gruppen nicht ansprechen.

Da haben wir den Herrn Bahr (FDP) der dem jungen Mann rät, sich einfach woanders zu bewerben- oder die Branche zu wechseln „in die Pflege- da gibts sehr viele Vollzeitstellen und Ausbildungsplätze!“
Ja großartig Herr Bahr- der Mann hat bereits eine Berufsausbildung- was glauben Sie, verdient er Gutste denn so während der Ausbildung zum Kranken- oder Altenpfleger? Ist ihnen nicht aufgefallen, dass er dann noch weniger Geld zur Verfügung hat, als jetzt? Und, dass er selbst, wenn er dann in die Vollzeitbeschäftigung in diesem Bereich wechselt, so ziemlich genau die gleiche Summe am Ende des Monats auf dem Konto hat, wie jetzt- vor allem wenn er kein Mann- sondern eine Frau wäre?
(Die Tatsache, dass weibliche Menschen bis heute noch bis zu 22% weniger als männliche Menschen verdienen, brachte Frau Roth an, was mir gefiel.)

Mal abgesehen von der Eignung- vielleicht hat der Mensch einen schwachen Rücken, ist seelisch nicht belastbar genug, um sich mit alten und kranken Menschen auseinanderzusetzen. Vielleicht hat der Mensch bereits alle Hände voll damit zu tun, neben dem Beruf seine alten und kranken Verwandten zu pflegen, weil deren Rente eine Unterbringung im hochwertigen Pflegeheim nicht hergibt? Vielleicht hat er aber auch einfach keinen Bock auf einen Job, bei dem er sich mit 2 Aushilfen und einer Teilzeitkraft um eine ganze Station zu kümmern hat, bei der menschliche Zuwendung und seinen eigenen Körper schonende Arbeitsweise viel zu kurz kommen.
Vielleicht möchte er sich nicht ausbeuten lassen, nur um in Vollzeit arbeiten zu können.

Der Mindestlohn von 10€ für alle Sparten erschien mir lediglich von Gregor Gysi (die Linke) plausibel dargestellt. Obwohl auch die SPD Politikerin Schwesig schlüssig argumentierte, wobei ihre Forderung nach 8,50€ in Anbetracht der aktuellen Inflation bereits weniger stark erschien.

Nur eine Person aus dem Kreis der PolitikerInnen nahm überhaupt den Begriff der „Würde“ im Zusammenhang mit Arbeit in den Mund und das war Claudia Roth von den Grünen.

Ich fühlte mich gar nicht erst angesprochen von dem ganzen Thema, denn schon in den Grundlagen dafür bin ich ausgegrenzt und – obwohl es sich irgendwie falsch für mich anhört: diskriminiert. Der Zugang zu Berufsausbildungen in vielen Bereichen schließt Menschen mit Schwerbehinderungen oder eben auch weiblichen Geschlechtes aus. Da kann auch eine Frau Aigner mit ihrer Forderung nach einer besseren Mischung aus männlichen und weiblichen Menschen in allen Berufen kommen- das ist dem Großteil der handwerklichen Ausbildern egal und auch eine gesetzliche Vorschrift wird daran, so zumindest meine persönliche Einschätzung, nichts ändern.

Bei meinem letzten Praktikum, war ich die Beste. Aber auch die einzige Frau, die Einzige mit grünem Zettel und die Älteste. Darauf wird geachtet, weil darauf geachtet werden muss. Kaum ein kleinerer Betrieb kann sich Ausfälle oder größere Problemstellungen und Anpassungen daran leisten. Und die Größeren dürfen sich von dieser, meiner Meinung nach, sozialen Verantwortung auch Menschen mit Schwerbehinderungen einzustellen oder auszubilden, freikaufen oder in Werkstätten abschieben, wo zu empörend niedrigen Löhnen gearbeitet wird, ohne Aufstiegschancen in besser bezahlte Arbeitsverhältnisse.

Ebenfalls ausgelassen (und auch wieder nur von Frau Roth kurz eingebracht) sind junge Menschen ohne Schulabschluss. Arbeit für Menschen mit nichtdeutschem Pass, aber Hauptwohn- und Lebenssitz in Deutschland, kam überhaupt nicht vor.

Dann kam der Themenpunkt „Rente und Zukunftsperspektive im Hinblick auf den demographischen Wandel“.
Herr Bahr appellierte daran zu sparen. Privat natürlich.Das hat er ja auch gemacht. Damals… als es noch die Mark gab. Damals… als er noch Banker war. Damals… als er als nicht diskriminierter, gesunder, junger Mann in Lohn und Brot stand. Da hat er immer 20 Mark an die Seite gelegt. Das sollen sie jungen Menschen mal auch machen.
Auch hier sprach Gregor Gysi für einen großen Teil der deutschen Bevölkerung. Sparen kann man nur, wenn das Leben nicht bereits aus dem Sparen, etwa für Lebensmittel und Gesundheitsleistungen, besteht.

So wie mein Leben etwa. Wer Grundsicherung erhält, erhält Geld um seine Grundversorgung zu sichern. Für Extras und Kürschnörkel, wie eine frühzeitige private Rentenversicherung oder auch Lebensversicherung ist da schlicht kein Platz.
Wer noch nie gearbeitet hat- nie in die Arbeit hinein kommt, der hat sein Leben lang Angst vor einem kaputten Haushaltsgerät oder sogar einer Erkältung oder sonstigen Krankheit, die eine (Zu) Zahlung zur medikamentösen Therapie erfordert- da ist die Angst vor dem Alter nichts was abwendbar erscheint.

Wie eng die Arbeitsverhältnisse, und auch die Befähigung zur Arbeit, mit der Rente und eben auch dem demographischen Wandel zusammenhängt wurde mir da sehr deutlich. Und das lag sicher nicht nur an dem Kloß im Hals, der sich ausbreitete, als ich den PolitikerInnen dort im Fernsehen zusah.
Für mich persönlich klang das alles sehr nach: „Wer nichts macht/ nichts kann- der kriegt auch nichts. Weder um etwas zu machen, noch um etwas zu können.“.

Die Grundsicherung von überhaupt irgendeiner Arbeit für alle Menschen ist irgendwo auf dieser Argumentationsachterbahn liegen geblieben.
Schade. Genau das hätte mich und Menschen in meiner Situation angesprochen.

Der vorletzte Teil bezog sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dargestellt wurde eine Mutter, Vater, 2 Kinder- Familie. Weiß, sicher passdeutsch, beide im Beruf, sich akribisch auf die Stunde genau anpassen müssend auf Kindergartenöffnungszeiten und Schichtdienst.

Das ist schlimm- kein Thema.
Aber wäre es zu viel verlangt gewesen, ein alleinerziehendes Elter darzustellen, das genau den gleichen Kampf zu führen hat? Oder eine Familie in der ein Elternteil arbeitet und das andere nach der Elternzeit nicht wieder zurück in den Job kann und von Jobcentermaßnahme zu Jobcentermaßnahme tingelt und genau den gleichen Zampano mit den KiTa-Öffnungszeiten hat?

Auch hier wieder kein richtiger Anknüpfungspunkt für mich. Ich werde erst gar keine Elternschaft für mich planen, so lange ich keinen festen Job habe, der mich ernährt und das Potenzial hat noch einen kleinen Menschen mit zu ernähren und zu sichern. Immerhin erwähnte auch dies Herr Gysi und auch Frau Schwesig holte die das Betreuungsgeld hochlobende Frau Aigner auf den Boden der Tatsachen, in dem sie anmerkte, dass auch 100€ Betreuungsgeld nicht für die Bezahlung einer privaten Tagesmutter ausreicht.
Die sollte wohl auch in Teilzeit und zum Niedrigstlohn arbeiten, hm Herr Bahr? Frau Aigner? Herr Steinmaier? Dann würden 100€ wohl ausreichen?

Es wurde nicht zum Thema gemacht, dass sich auch die ArbeitgeberInnen anpassen müssen. Das war zum Beispiel eine Wortmeldung im Bürgerdialog, in der eine Frau schilderte, wie schwer es ihr von ihrem Arbeitgeber gemacht wird, nach der Elternzeit zurück zu kommen, weil sie durch die Kinder eben nicht mehr so flexibel ist, wie gefordert. Da kam die Politik mit dem Betreuungsgeld- kurzsichtig und unzureichend, wie man es nun bemerkt.

Soweit ich es mitbekommen habe, haben die ArbeitgeberInnen weder Auflagen dazu noch evtl. unterstützende finanzielle Möglichkeiten angeboten bekommen, die eine Veränderung dieser Stelle möglich machen. Etwa in Richtung Betriebskindergärten oder Schichtpläne, die mit den Kindergärten der ArbeitnehmerInnen zusammenpassen. Oder eben auch die selbstverständliche Weiterbeschäftigung nach Elternzeit oder anderen Unterbrechungen, wie längeren Ausfällen nach einer Krankheit. Es ist nachwievor möglich einen fadenscheinigen Kündigungsgrund anzugeben, der nicht anfechtbar ist.
Auch hier gibt es wieder jede Menge Freiraum, um sich vor sozialer Verantwortung zu drücken. Völlig legal und als weniger schlimm darstellbar durch die Einführung eines Betreuungsgeldes und der Möglichkeit die Pflege als Fachkräfte- bedürftigen Bereich hochzuhalten.

Aber nun zum letzten Themenpunkt, in dem sich der inoffizielle Twitterminister in meinem Augen absolut lächerlich machte.
Datenschutz. Prism. Facebook. Die Amerikaner, die unsere Daten auffangen und damit machen, was sie wollen.
Keiner wills gewusst haben. Herr Bahr hätte sich das nicht mal vorstellen können.
Aber „frei“ sei das Internet und so solle es bleiben.

Ich frage mich ja, in welchem Internet sich Herr Steinmaier so aufhält, denn da würde ich auch gern hin. So frei!
In meinem Internet ist nichts frei. Kostenlos zur Verfügung gestellt, ja- aber frei von Fremdbestimmung, nein.

Ich nutze im Internet verschiedene Dienste. Und sobald ich das tue, stimme ich sämtlichen Nutzungsbedingungen zu. Auch denen, die mir eigentlich nicht gefallen. Das hat etwas mit der Auswahl, den Zugangsmöglichkeiten und auch meinen Fähigkeiten zu tun.
Ich kann mir keinen eigenen Chat programmieren- also nutze ich Skype.
Ich kann mir keinen privaten Hochleistungsserver in den Keller stellen und dort meine Homepage oder Emailaccount einrichten- viel zu teuer und auch wieder eine Frage der Fähigkeiten- also nutze ich das, was sich als praktikabel und kostenlos darbietet. Und bezahle wieder mit meinen Daten.

Wer das Internet als frei bezeichnet, der vergisst, dass die Währung unserer Zeit „Information“ lautet. Gerade im Internet.
So betrachtet, tauchen sowohl Prism, als auch Tempora und Anbietermogule wie Google und Yahoo als Geldeintreiber auf. Völlig gerechtfertigt durch unsere Zustimmung und abhängig von den Gesetzen der Länder in denen die Server der Anbieter stehen.
Das worüber wir uns gerade aufregen, ist die Verwendung dieser Daten- nämlich gegen uns und das Grundrecht der Menschen dieses Landes. Wir haben ein Recht auf Privatsphäre- deshalb richten wir unsere Emails, SMS und Telefonanrufe an eine/n EmpfängerIn und nicht öffentlich zugänglich bei Facebook und Konsorten.

Die Verquickung dieser Anbieter und ihrer Dienste damit wurde leider nicht thematisiert.
Herr Steinmaier verlor sich sogar in der steilen These, die Justiz sei unabhängig, worüber ich im Hinblick darauf, dass kein Mensch (auch wenn er das nicht glaubt- die Justiz wird von Menschen gemacht) jemals unabhängig ist, wirklich nur sehr hart lachen kann.
Frau Roth hat es sehr drastisch formuliert und doch hat sie meine Zustimmung, wenn sie von einer Kernschmelze unserer Rechte spricht.

KernSCHMELZE- ja das Internet verschmilzt mit uns. Es verbindet viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Täglich werden wir Zeuge vom Leben anderer Menschen, sobald wir die gleichen Plattformen verwenden. Jeden Tag haben wir die Möglichkeit uns zusammen zu tun um Gutes, aber auch Schlechtes zu tun.
So wir denn einen Internetzugang und keine körperliche oder geistige Einschränkung haben, die uns daran hindert.

Das ist Internet ist kein Neuland- aber die Möglichkeiten einander zu schaden sind neu.
Darauf zu reagieren hat unsere Bundesregierung bis heute verpennt. Da waren andere schneller und umfassender und jetzt ist das Geschrei groß.

Ich will nicht verteidigen, dass wir ausspioniert werden. Auf keinen Fall- aber ich will es als so logische Folge betrachten, wie sie derzeit ist und was in der Sendung auch nur Gregor Gysi mit einem relevanten Lösungseinschub anmerkte.

Die Sendung an sich wird kaum einen 18 jährigen Erstwähler angesprochen haben- nicht einmal beim Thema „Internet und Datenschutz“. Da lehne ich mich jetzt vielleicht weit aus dem Fenster. Ich bin ja selbst schon über 25 und habe kaum eine Vorstellung davon, was diese jungen Menschen bewegt.
Was ich aber sehe ist, dass ein FreshTorge bei YouTube mehr (junge) AbonnentInnen hat, als diverse PolitikerInnen bei Twitter und Facebook.
Was ich weiß ist, dass viele junge Erwachsene, die sich gerade in einer Ausbildung befinden, nicht mehr mitten in der Woche um 22.30 Uhr ausgerechnet bei der ARD reinschalten, sondern entweder im Bett liegen oder sich eher seichte Inhalte zur Unterhaltung ansehen, statt sich komplexen sowohl angsteinflößenden wie wütend machenden Themen, die in einer platt herunter gebrochenen Diskussion auftauchen, zu widmen.

Was mich außerdem an der Sendung störte, ist die Doppelbelegung der CDU.
Bei der Wahl ist es nicht möglich sich zwischen CDU und CSU zu entscheiden. Sehr wohl aber sind auch noch andere Parteien wählbar, die überhaupt keinen Platz bekamen, obwohl auch sie zur Bundestagswahl antreten.
Das empfinde ich als eingeschränkte Darstellung aller Möglichkeiten, die die WählerInnen haben.
So betrachte ich die Sendung mit dem Abschluss, das nur bestimmte Parteien überhaupt in Betracht kommen sollen für junge Menschen und sich von diesen jungen Menschen auch nur Bestimmte angesprochen fühlen sollten.

Das ist nicht das „uns“ das angesprochen wurde. Und das ist auch nicht das, wovon viele (alle) Menschen überzeugt werden möchten.

Die Wahlen sind „frei“- das Wort in Anführungsstrichen, weil nicht alle Regierten über ihre Regierung wählen dürfen, was nicht mit meinem Verständnis von Demokratie d’accord geht- so sollte auch die Darstellung frei sein.

Also ARD- für einen ersten Versuch geht das gerade mal noch so durch.
Beim nächsten Mal (ich hoffe es gibt ein zweites Mal, denn die Idee an sich, halte ich für gut): mehr Diversität auf allen Ebenen, respektvolle Augenhöhe, eine Sendezeit zu der mehr Menschen wach und aufnahmebereit sind und bitte- so peinliche Sachen wie den Jugendsprachecheck oder Speeddating raus.

Die ErstwählerInnen sind jung- nicht dumm.

Werbung- eine Form von Gewalt

Einmal hatten wir fast „die Gluthitze“ dieses Jahr, doch nun knabbern die Nächte wieder mehr vom Tag weg. So langsam gleiten wir in den Spätsommer.
Nichtsdestotrotz finden sich hier und da noch immer die Urlaubsfotos von der scharfen Heidi Klum, der knackigen Gwen Stefani, den süßen Engeln von Victorias Secret und nicht zu vergessen dem unglaublich heißen David Beckham. Ein ganzes Menü!

Zum Fressen gern hat man sie- obwohl sie selbst von gefrosteten Weintrauben und Proteinshakes zu leben scheinen, um wie gewachste Früchte im Sortiment des Luxusbiokaufshauses von Klatsch und Tratsch zu erscheinen.
Ein Schelm, wer hier an Rotkäppchen und den großen bösen Wolf denkt; sich fragend, wie viel Nährwert diese Körper-Bilder wohl haben und wo diese ansetzen.

Irgendwann hatte ich mal getwittert, dass mir Unterwäschemodels sehr leid tun, weil sie immer „heiße Wäsche“ tragen müssen. Das müsse doch weh tun.
Sieht man die Hitze? Nö- was man sieht sind BHs, Schlüpfer, schwingende Babydolls und tief sitzende Boxershorts, die sich, vor allem im Sommer, wie Briefmarken auf Menschenfleischpaketen ausmachen.

Nein, ich will nicht darauf hinaus, dass zu wenig Natürlichkeit, zu wenig Speck, zu viele weiße* Menschenkörper, viel zu viel Sex(ualität) durch die Presse und Werbung wandert.
Mir ist die Sprache aufgefallen und es beschäftigt mich, dass viele Adjektive eine Nähe zu Nahrung oder Körperempfindungen haben, gerade wenn es um vermarktete Menschenkörper geht.

Vielleicht sind diese Worte wie eine Potenzpille eingesetzt?

Vor ein paar Jahren gab es Jogginghosen (für Frauen*) die über dem Po „juicy“ also „saftig“ stehen hatten.
Ein saftiger Po- in den Geschmacksrichtungen „Apfel“ oder „Birne“?
Oder nicht vielleicht doch eher saftig, wie die Konsistenz des Speichels der dem Betrachter aus dem Mund tropft?
Was genau meint die Bildunterschrift: „Ambrosio in heißem Bikini“ ? Warum ist der heiß?
Weil die Ohrfeige heiß brennen würde, würde mensch einfach zupacken? Oder, weil es heiß in der Unterhose wird?
Wo genau landet das „scharf“, das in fast jeder Fotostrecke von extrem unangezogenen Menschen auftaucht, bei uns?
Das scharfe Einatmen um seine Erregung zu unterdrücken oder die Würze im faden Alltagseindrucksbrei?

Wir Menschen essen um zu leben. Und leben um neues Leben zu produzieren. Oder eben nicht. Jede/r nach seinen Möglichkeiten oder Wünschen.

Sex ist eine Trieb-feder. Logisch also, dass die Werbung zu Sex-ismus greift.
Es geht um die Fortpflanzung, Lust, große Gefühle, also guckt mensch hin. Ich glaube, unsere Gehirne sind da alle mehr oder weniger gleich.
Doch ist es nötig?
Wer rennt mit einer Erektion in der Hose
zur nächsten Autoschrottpresse, zum Duschgel kaufen oder ruft gleich erst mal bei dem Aboservice einer Zeitung an?
Was passiert, wenn sich immer mehr Druck aufbaut, weil von allen Seiten starke Reize auf einen Menschen einwirken? Richtig- es gibt Stress und die Notwendigkeit zur Kompensation- vielleicht in Form von „Einkaufen“? Wenn schon nicht die beworbenen Güter, so doch Mittel und Möglichkeiten, diesem Körper- und/ oder Rollenbild zu entsprechen.

Stress ist ein Katalysator für viele physische Prozesse, bis in unsere Gene hinein.
Ja, unsere Gene. Die Dinger, die mittels Sexualität weitergegeben werden, wenn wir uns fortpflanzen.
Sind wir gestresst, werden Gene mittels Neurotransmittern an- oder abgeschaltet. Sind wir chronisch gestresst hat dies direkte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Sowohl physisch als auch psychisch.

Als Mittel dagegen werden aber nicht etwa: „Fernseher aus und Reizüberflutung meiden“, sondern wiederholt „Tu dir mal was Gutes- geh ins Kino oder shoppen- oder mach mal Urlaub, wie die sexy Klum“ angepriesen.
Introjektion und Selbstbesinnung könnte dazu führen, dass mensch das, was mensch als „sexy“, „knackig“, „heiß“, „süß“ – eben essbar (im Sinne von „konsumierbar“) dargestellt bekommt, enttarnt und ergo nicht mehr als passender Rezipient zur Verfügung steht.
Wer sich seiner (sexuellen) Präferenzen bewusst ist und nicht auf diese Art der Bebilderung anspringt, der muss eben über die Sprache noch dran glauben.
So werden Adjektive, die physische Empfindungen implizieren, zur Potenzpille. Vielleicht wie eine Art Zwangsviagra, das jede/r zu schlucken hat und mehr oder weniger stark darauf reagiert.

Die Einen mit (vielleicht nicht einmal bewusster) sexueller, die Anderen mit emotionaler Erregung. In diesem Bild wäre also die Kritik an sexistischer Werbung eine Art Nebenwirkung einer Zwangsmedikation.

In jedem Fall kann von „aggressiver Werbung“ gesprochen werden und das nicht nur wenn selbige sexistisch ist. An dieser Stelle beginnt Kapitalismuskritik, als Kritik an einer Form von Gewalt.
Neulich sah ich ein Plakat mit der Aufschrift: „Außenwerbung trifft.“.
Ich konnte, vor allem nach den sexistischen und auch
rassistischen Komplettangriffen der letzten Zeit, nur noch denken: „Oja- und wie sie trifft!“.

116203_web_R_by_Jörg Klemme, Hamburg_pixelio.deFür mich persönlich ist jede Werbung, die sich in Bild und Ton präsentiert schon zu viel.
Durch den toxischen Stress dem ich früher ausgesetzt war, haben sich jede Menge auch biologische Anpassungen entwickelt. Toxischer Stress ist „normal“, wenn man ein Trauma erlebt- erlebt man viele und hat ständig damit zu rechnen, erneut eines zu erleben, passt sich der Körper an.

Auch hier wieder der Bogen zu den Genen: Erleben Menschen Stress, wird eine von Genen gesteuerte Produktion von Stoffen angeregt, die neben den bekannten Fight-Flight-Freeze Optionen, auch Nervenzellen im Gehirn- genauer gesagt, dem Hippocampus, abtöten können. So erklärt sich auch der Masseverlust dieses Hirnbereiches bei Menschen, die als Kinder durchgehend miss-be-handelt und entsprechend traumatisiert wurden.

Um Reize aufnehmen und verarbeiten zu können, wird das Gehirn gebraucht. Und zwar möglichst funktional.
So ist, denke ich, meine Annahme, dass Werbung, in Form von immer aggressiverer Bildermast und Zwangsviagra in der Sprache dazu, eine Gewaltform ist.
Sie wird uns Menschen aufgedrückt und, weil sie uns nach und nach dabei das Gehirn kaputt macht, muss sie immer krasser werden, um überhaupt noch etwas in uns zu bewegen. Es ist ein Mittel, das erst über Nervenzellenleichen und dann über an chronischen Krankheiten gestorbenen Menschen steigt, um zu verkaufen. Stress im Übermaß beeinflusst auch das Immunsystem und entsprechend den Umgang selbigens mit Erkrankungen und sogar Zellwachstum- genau das macht das „Burn-Out-Syndrom“ übrigens auch tatsächlich zu einer realen Erkrankung und positive
soziale Pflege im Krankheitsfall so erfolgreich.

Ich schaue seit 5 Jahren kein Fernsehen mehr und selbst Filme und Serien nur in Maßen (heißt ein- zwei Sendungen am Tag á maximal 45 Minuten). Ich versuche mich der Werbung zu entziehen und habe dabei nur noch Erfolg, wenn ich entweder auf das Internet und den Gang vor die Tür verzichte.
Fällt es auf? Das ist ein „Häschen in der Grube“-Verhalten. Verstecken um geschützt zu sein, weil weg zu laufen keinen Zweck hat.

Das empfinde ich als Haft aus Schutzgründen.
Muss das sein?

Ich denke nicht.
Ich kaufe im Supermarkt, in der Drogerie oder im Bekleidungsgeschäft auch Güter, die nicht beworben sind. Da orientiere ich mich an dem, was sich mir direkt darbietet, was ich mir leisten kann und sich als passend herausstellt. Und das mache ich ganz freiwillig und einfach um mein Leben zu sichern.

Insofern könnte ein Punkt zur Veränderung vielleicht sein, klar zu machen, dass man in jedem Fall kauft- solange das Produkt gut ist und jede Werbung eine Überzeugungsgewaltanwendung darstellt.

So als erste Idee…