es ist Hartz 4

Ich habe mir in dieser Woche viele Gedanken um Hartz 4 und Hartz fear und Armut in der heutigen Zeit gemacht.

Erst war da der Artikel vom Besuch der Musik- und Kunstschule, dann der Artikel von Jasna. Dann mein Termin am Montag bei meiner Jobcentersachbearbeiterin für die aktiven Leistungen. Dann heute Nachmittag der Brief mit der Zahlungsaufforderung über 770€ vom Jobcenter.

Es ist der 23. Januar und ich habe noch 20€ auf meinem Girokonto.
27 € in meinem Flattraccount. Etwa 10 € in Pfandflaschen unter der Spüle. Meine Spendendose für gemeinnützige Organisationen sieht nach etwa 8 € aus.

Januar ist Bahncardmonat – 62€, ist Jugendherbergenbeitragsmonat ~30€, ist der übliche StromHeizungTelefonInternetmonat ~100€ , war der Monat mit Fahrkosten vorstrecken – 43€, war mein Monat mit 389€ von dem ~154 € übrig blieben und 100€ zur privaten Schuldentilgung überwiesen wurden.
Und dann kam die Anfrage für einen Vortrag im März. Honorar ja, Fahrtkosten selbst tragen. Mach ich dann zusammen mit den anderen vorgestreckten Fahrtkosten im Februar – oh wait … ich hab noch gar keinen Bescheid vom Jobcenter über die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung über den 31.1.2015 hinaus.

Ich habe das Gefühl, dass es egal ist, was wir tun, um diesem Hartz-Wahnsinn zu entkommen. Und das habe ich nicht nur, weil mein Flattr-Schatz so mickrig ist oder sich nur eine Person gefunden hat, die unsere Arbeit monatlich unterstützen kann/will/mag, sondern, weil ich merke und in Kontexte setzen kann, wie sehr biegsam mein Wert und der Wert meiner Arbeit ist. Auch meiner Arbeitskraft.

Am Montag saß ich bei meiner Sachbearbeiterin für die aktiven Leistungen im Jobcenter.
Sie sagte, ihre Hilfe für mich einen Ausbildungsplatz zur Grafikdesigner_In/Illustrator_In in Teilzeit zu finden, sähe so aus, dass sie mir zusichern kann, dass der Betrieb, der mich ausbildet, nur 100€ Gehalt an mich zahlen muss. Wär ja auch bequemer. Ich bekäme ja dann noch Hartz 4.
Mit dieser Information laufe ich jetzt seit Montagmittag herum und habe noch nicht ein Mal darüber geweint. Obwohl ich diesen typischen Weindruck im Kopf habe. Obwohl ich weiß, dass jede andere Person an meiner Stelle weinen würde.
Gibt so kleine Würdeinseln, die man bis aufs UnterderHaut dann doch verteidigt.
Ich schiebe das weg und ziehe mir das Vorstudium an der Kunstschule vor Augen. Das ist flexibel, die Innens, denen diese Arbeit liegt, fühlen sich dort gut.
Obwohl sie belächelt werden, abgeschätzt und bewertet.

Was wir da machen, hat nur für uns Wert. Und die, die mit uns sind. Also ihr Leser_innen. So ihr uns denn nicht doch nur lest, um euch besser zu fühlen, uns zu überwachen oder euch an uns zu messen. Das kann man nie wissen und vielleicht kann mir dieser Gedanke auch verziehen werden, denn letztlich spüre ich nur wenige von euch.

Ich bemühe mich darum an Geld zu kommen und immer wenn ich welches bekomme, ist es im Grunde schon aufgefressen, bevor es wirklich da ist.
Manche Menschen denken, ich hätte für die Vorträge im letzten Jahr viel Geld bekommen.
Und vergessen sich zu fragen, was mich die ordentliche passende und angemessene Kleidung, die Fahrten, die Arbeitszeit, die Unterbringung, die Teilnahmegebühren wohl gekostet haben. Armut sei nicht vereinbar mit einem Smartphone, einem Laptop, den Kontakten, die ich pflege, denkt es in diesen Köpfen.
Ich könnte nun ein Bild  von Kindern, die an Typhus sterben, weil sie kein sauberes Wasser, aber Markenkleidung und Handys haben, einfügen.

Ich würde so manchen Menschen gerne das Preisschild an ihrem Lebensstil zeigen.
Den Gegenwert, den ich ihnen für ihre Chancen und Optionen auszahlen würde, wäre das möglich.
Letztlich habe ich vielleicht gar kein Problem mit dem wenigen Geld. Vielleicht geht es einfach nur um realistische Aussichten. Um Chancen, die ich so nutzen kann, dass sie mich autonomer machen und nur leider einfach gar nicht da sind. Weil ausverkauft.

Hartz 4 bedeutet nicht “keine Arbeit”.
Hartz 4 bedeutet auch nicht “kein Geld”
Hartz 4 bedeutet “Existenzminimum”.
Hartz 4 bedeutet “kann nicht ohne Hilfe”.
Hartz 4 gibt es, um Armut zu verwalten.

Ich sitze auf dem Entwurf für ein Büchlein. Fällt mir gerade ein.
“Könnt ich ja mal fertig machen”, denke ich. Und dann sitze ich wieder vor diesem Softwareproblem und erinnere mich, dass ich um das zu lösen, den Account bei Patreon eingerichtet habe.
“Und was ist, wenn das Buch dann fertig ist?”, frage ich mich. Und erinnere mich an das Gespräch mit der Verlegerin. Kleine Zielgruppe, von Mediziner_Innen und
Psycholog_Innen dominiert. Es wird gewertschätzt werden – keine Frage.
das andere Ende der SchnurEs wird sich halt nur nicht verkaufen.

Ach…

Es ist nicht hoffnungslos.
Eigentlich ist es nur völlig egal, wie es mir damit geht.

Und mir gehts ja eigentlich gut.
Ich hab mir Tusche und ein Skizzenbuch gekauft.
Wenn ich erst mal einen Beruf gelernt hab…!

Chancen

Es sind ganz junge Füße, die mich durch die kalte Dunkelheit zu dieser Musik- und Kunstschule tragen. Ich merke das an dem Schwung im Schritt. An der Musik in meinen Ohren. An diesem ganz zarten Glimmen unterm Sternum. An dieser Fragenschleife: “Und dann darf ich das lernen? Also so richtig lernen? Und dann darf ich da was machen? Und dann ist das richtig echt? Und dann…”. An den großen Augen, deren Iris mich fast verschlucken.

Wir bekommen über 80% Rabatt, weil wir von Grundsicherung leben. Der Kurs geht, wenn alles klappt, 12 Monate. Am Ende könnten wir eine Mappe haben. So eine Richtige. Nicht so eine peinliche: “Ach nett, Sie machen also kleine süße Zeichnungen in ihrer Freizeit.” – Mappe, wie wir sie jetzt haben.
Es ist eine Chance.
Wenn sie uns vom Jobcenter als solche anerkannt wird und davor bewahrt, Bewerbungstrainings oder andere Maßnahmen machen zu müssen. Denn arbeitsfähig in dem Sinne sind wir inzwischen wieder. Maximal 4 Stunden am Tag – davon 3 am Stück. Die 4 te geht für den Weg hin und zurück drauf.
Die 4 Stunden, die uns noch zur “normalen Arbeitsfähigkeit” fehlen, die brauchen wir dann zu Hause, um die vorangegangenen 20 Stunden zu be.greifen, in den Mund zu stecken und nochmal zu essen.

Ist halt so. Wir haben die 50% im Schwerbehindertenausweis nicht, weil das Foto von 2004 darin so schön ist.
2004 da hatte das Innen, das sich zwischen die Mütter und Klein.Kinder setzte, um im Schulgewusel anzukommen und die Lautstärke mit den Haarspitzen zu erfühlen, das letzte Mal über eine Zukunft als um des Begreifens Willen lernende Person nachgedacht.
Jetzt krabbeln ihm Kinder mit Kekskrümeln auf den Kullerbäuchen um die Füße herum und könnten aus ihm selbst gekommen sein.

Der Leiter des Kunstbereichs ist nicht sehr angetan von den Zeichnungen. Er mag so gern lieber abstrakte Kunst, dass er uns markiert, wann die Kurse für figürliches Zeichnen sind. Das Innen zittert. Drückt sich die Wunschäußerung raus, alle Kurse des Angebots einmal zu probieren. Er reagiert nicht. Springt auf ehemalige Schüler_Innen zu, die zu Besuch kommen.
Der Leiter der Fotografiekurse kommt an den Tisch. Auf dem Bildschirm ist unser Fotoblog zu sehen.
Das Kinderinnen, das die Fotos macht, schiebt sich zaghaft zwischen das junge Innen, mich, den Schatten der Anderen und das Heute, das plötzlich so viele Gesterns gleichzeitig ist.

“Die Motive sind mir zu lieblich, aber dein Auge ist gut. Die Aufteilung, die Gestaltung, die Farben. Sehr gut. Du hast das drauf. Oh hier die Langzeitbelichtung – sehr sehr schön …” Er scrollt und ich frage das Kinderinnen, ob ich ihn etwas fragen soll. Oder, ob es ihm etwas zu den Fotos sagen möchte. Ob es Fragen zu seinem Kurs hat. Ob es den probieren möchte. Ich frage das mit der Generalschlüsselfrage: “Ist er ein Mensch*?” alles gleichzeitig und mein kleines Herz nickt eifrig. “Hier – niemand macht sich die Mühe so nah an die Wasseroberfläche zu gehen, um so etwas zu fotografieren- das ist sehr gut”, sagt er und erzählt dann, das man sich Kameras ausleihen kann, um bestimmte Dinge zu probieren. Manches von dem, was unsere Kompaktautomatikknipse nicht kann.

Das kleine Herz zappelt unter meinen Federn umher und strampelt sich heraus. Steht mit offenem Mund hinter den Augen und fuchtelt mit den Armen. Meine Wörter legen sich um seine Bewegung und klumpen aus dem Uns heraus. Der Leiter des Fotokurses hört zu. Schaut auf die Fotos. In unser Gesicht. Lächelt seine Augen zu einer dicken Linie zwischen vielen kleinen.

Dann verabschieden wir uns von ihm und folgen dem Kunstleiter durch die Ateliers.
Unser Schritt ist eckig geworden.
Wir sehen junge Menschen. Teenager. Kunst, die uns gnadenlos die Inspiration ins Hirn pumpt und an etwas zerrt, dem immer – dem seit mehr als 13 Jahren ein “hätte” oder “wäre” oder “wenn” vorausgeht.

Ich erinnere, was eines der anderen Herzen in der Therapiestunde aus sich herausstachelte: “Wenn ich nur länger durchgehalten hätte. Wenn ich nicht krank geworden wäre.”, und einfach nicht weiß, dass es in dieser Welt des Heute damit sagt: “Wenn ich die Gewalt, den Schmerz, die Qual, die Not, die Folter, die Ausbeutung nur länger durchgehalten hätte. Wenn ich keine (psychiatrische) Hilfe bekommen hätte.”.
Ich weiß: Es hat auch Recht.
Auf eine dieser perversen Arten, wie sie nur das Leben hervorbringen kann, hat es recht. Wenn wir nur bis zum Abitur durchgehalten hätten. Wir hatten die Chance singen, tanzen, Kunst machen und vieles mehr zu lernen. Wir hätten so viel mehr lernen können als das Notwendigste für Überleben und Realschulabschluss.

Wir kennen diese “Eigentlich wollen wir ja keine Elite sein”- Gymnasiumattitüde, die dann doch Markenkleidung trägt und Privat- oder Kursunterricht, wie den, den wir hier gerade mit unserer Besichtigung stören, erhalten kann. Neben Schüler_Innennachhilfe und Taschengeld, um am Wochenende ins Kino zu gehen.
Wir haben nicht dort reinpassen können und mussten das auch nie.
Aber da war die Chance.
Und wir haben sie nicht genutzt.
Warum auch immer.
Egal wie nachvollziehbar die Entscheidung war, wegzugehen und einen anderen Weg zu wählen.
Die Chance blieb ungenutzt und sie wird nie wiederkommen.

Unser Rundgang endet in einem Raum, in dem die Kurse für figürliches Zeichnen stattfinden. Es gibt einen Leuchttisch und die roten Haare des Innens lecken ihre Hitze bereits wieder in alle Richtungen. Mit einem Leuchttisch, kann es Trickfilmbilder besser zeichnen.
Wir fühlen uns durch den Raum, in dem viele Teenager sitzen, miteinander reden und uns verstohlen anschauen.
Mein Blick fällt auf das Grafiktablett eines der jungen Menschen dort.

Das Teil kostet neu über 800€. Frau Rosenblatt sabbert das Gerät seit der ersten Version durch das Internet an und fühlt jedes Mal den Schmerz des Wissens, dass es mehr kostet als das, was sie zum Leben vom Staat erhält. Weil das ihr Leben in einem Monat kosten darf.
Und dann liegt es einfach da.
Achtlos neben Wassergläsern abgelegt und mit Aufklebern verziert.
Es kostet so viel wie 100 Monate Kunstkurs für eine Hartz 4 Behinderte mit Splitter-Ich.
Würde der Kurs soviel kosten, wie es der Staat für Bildungsausgaben unter Hartz 4 vorsieht: 533 Monate.

Es liegt dort rum und würde es aufstehen und uns sagen: “Siehste- das haste nu davon!” – es wäre nur logisch.

Im Flur vor dem Raum liegt eine braune Labradorhündin und schläft mit dem Gesicht zwischen den Pfoten.
Wir tauschen Floskeln mit dem Kunstleiter und torkeln mit unseren Eindrücken im Kopf in die Kälte hinein.

Ich denke an den Artikel zum 10 jährigen Bestehen der Hartz 4 Gesetze, den wir uns seit Wochen aus dem Herzen rausschreiben wollen und daran, dass so viele Menschen von unserer Armut erfahren und dennoch denken, es hätte für uns jemals ein
“vor Hartz 4” gegeben. Ein “vor der Armut”. Ein “bevor es alles schwierig wurde”. Oder zumindest so mit uns sprechen.
Vielleicht, weil es so normal ist, dass jede_r mal ein “Früher war alles besser” hatte.

Wir hatten das nicht.
Wir hatten nur Chancen.
Und die haben wir nicht genutzt.

Weil wir statt auf ein Über.Morgen hinzuleben, ein Heute erkämpfen mussten.

Wir haben kein greifbares “wenn es vorbei ist”. Keine realistische Vorstellung, wie das Morgen nach dem Überleben, nach der Armut, wie das Ende des Hoffens erreicht werden kann. Wir wissen nur: das Bedürfnis der Therapeutin, der Welt, den Augen, die auf uns drauf schauen zu sagen, dass es in unserem Leben eine strukturell produzierte und aufrecht gehaltene Todesangst gibt, die für andere Menschen einfach nur “Hartz 4” heißt – das wird morgen wieder überlebt sein.

Genau wie alle Gewalt, Schmerz, Qual, Not, Folter und Ausbeutung, die wir überlebt haben bis wir 21 Jahre alt waren.

 

 

zurück drehen

Es ist die Zeit im Jahr, in der viel zurück und vor die eigenen Füße geschaut wird.
So drehe auch ich mich um und schaue durch die Finger vor meinen Augen.

2014 hat mich aufgeschlitzt, in den Seilen hängen und ausbluten lassen.
Herzblut, Wutblut, Mutblut.
Und mein Herz, das hat sich elektrisieren lassen. Hat mich hoppelnd von Akt zu Akt getragen und kleine Blüten in den Lauf der Dinge getropft. 

Ich habe gelernt, dass Lebens- und Seinskonstellationen wie meine extrem selten sind.
Was weh tut.
Herzen zer.springen lässt.
Fakt ist.

Ich habe gelernt, dass Menschen, die das Neue und Außergewöhnliche suchen, in aller Regel die Suche nach sich selbst scheuen und Neues erst akzeptieren, wenn sie eine Wunschversion von sich selbst darin erkennen können. Möchten.

2014 war das Jahr, in dem ich lernte, dass Macht immer korrumpiert. Auch Menschen, die ich “Gemögte” nannte.

Ich habe gelernt, dass ich in meiner Art über die DIS (dissoziative Identitätsstruktur) zu sprechen, streckenweise noch sehr allein bin. Zu politisch. Zu komplex. Zu abgehoben. Zu unkonkret. Zu unopferig. Zu unprofessionell. Zu viel Internet.
Ich habe gelernt, dass es leicht ist zu sagen, dass etwas “zu …” ist, wenn man sich selbst zu gemacht hat.

Anfang 2014 traf ich Menschen, die zur Traumafachtagung “Wir sind Viele” kamen, um sich von der Diagnose überzeugen zu lassen. Menschen, die davon überzeugt waren, dass es ja gar nicht so (schlimm) sein kann, wie es geschildert wird. Menschen, die davon überzeugt sind zu wissen, wie es ist, weil sie Menschen kennen und behandeln, die ihnen sagen, wie es für sie ist.
Für mich war die Teilnahme wichtig und ich bin nachwievor dankbar um diese Eindrücke und Einsicht in diesen kleinen Teil der Auseinandersetzung mit den Folgen, die so massive und zielgerichtete Gewalt auch haben kann.
Ohne Unterstützer_Innen, die ungenannt bleiben wollen, hätte ich weder die Tagungsgebühr, noch die Übernachtung, noch die Fahrt stemmen können.  

Eigentlich ist der Mai mein Monat.
Ich feiere Lebenstag, stärke und ermutige mich. Bündle mich für den Sommer, in dem es oft viel zu entdecken und erleben gibt.

Diesen Sommer habe ich damit verbracht mein Herz zusammenzuhalten, tapfer zu bleiben und mich nicht beirren zu lassen.
Irgendwo darinnen wurden wir eine 28 Jahre alte Person. Frau mit Sonderzeichen *.

Wir fingen an zu filmen und hörten auf, unsere Fotos als eigentherapeutisches Überbleibsel zu betrachten.
Die Verjährungsfrist für eine mögliche Strafanzeige wegen der Gewalt, die mich zu vielen machte, lief ab. Der Antrag auf Opferentschädigung rückte ins Nie. SonnenuntergangWalchensee
Das zehnte Jahr Hartz 4 begann. Ich verschuldete mich und erfuhr davon erst Monate später.
Unsere Therapeutin zog mit der Praxis um und wir hielten unseren ersten Workshop zur Sprachführung über Gewalt.

Ich fotografierte am Veranstaltungsort den schönsten Sonnenuntergang in diesem Jahr und schickte ihn mit meinem letzten Datenvolumen an die Person, die mir auch in diesem Jahr ein Leuchtturm war.

Wie viel Angst wir in der Zeit ausgehalten und getragen haben, konnten wir nicht formulieren. Wozu auch.
Am Ende zählt, was bleibt und das war im September dann ein Video von unserem Vortrag zur Sprachführung über Gewalt. Ich wollte ihn untertiteln und dann fiel mir auf, dass in dem Vortrag viele Stunden schwieriger Arbeit.szeit, Fahrtkosten, ein Kongressticket und die Aufgabe meiner Unanguckbarkeit gesteckt haben, die nicht honoriert bzw. erstattet wurden.
Wer Untertitel braucht, kann mich als Referentin* in einer Veranstaltung buchen (lassen), bei der direkt übersetzt wird.

Im Oktober zog ich aus, zu erfahren, wie das Böse in mir aussieht.
Nach Ereignissen im Jahresbeginn erschien es nötig darüber Klarheit zu bekommen.
Ich zog aus das Monster im Schwarz des Inmitten von mir zu finden und fand Teenagerinnens, die mehrfach den eigenen Suizid überleben mussten. Misshandelte, gequälte, verzweifelte, sprachlose, unfassbar verletzte Seelenstückchen, für die sich niemand interessierte, der für dieses Interesse nicht auch bezahlt wurde.

Ich fand die Wut und ich sah, dass sie gut war.
Nicht verantwortlich für die Signale auf die sie entsteht.

Im November zog unsere Therapeutin erneut um und wir bereiteten uns auf unseren ersten Vortrag zu ritueller Gewalt und einzelnen Punkten des Ausstiegs aus zielgerichteter Gewalt durch Personengruppen vor.
Inzwischen liegt eine vernünftige Aufzeichnung dazu vor. Die Kraft und der Mut, sich den Rückmeldungen derer zu stellen, die sich mit dem Thema aus einer anderen Perspektive als meiner befassen, nicht.
2014 ist das Jahr, in dem ich und mein komplett selbst hochgewuchtetes Tun mehr bewertet und beguckt wurde, als Haut über empfindlichen Stellen nachwachsen konnte.

Als Belohnung fürs Durch- und Aushalten fuhren wir 3 Tage nach Berlin.
Besuchten Menschen und Herzen. Erinnerten uns an die Relevanz dessen, was “Freiheit” heißt. Lernten, dass Kinder Übungs- und Gewöhnungssache sind. Erkannten, dass Berlin Mitte ein Stadtteil ist, in dem Todes.Angst und Bedrohung zum Lebensgefühl gehört, wie bei uns das provinzielle Flair, das denkt es sei von Welt.
Wir besuchten ein Konzert und betrauerten den leeren Platz neben uns genauso wie das klaffende Loch, das Gemochte und Gemögte Monate wie Jahre vorher in uns hineingerissen haben.

Kurz darauf kam die Möglichkeit den Zukunftskongress “Inklusion 2025” zu besuchen.
Es entstand der erste Artikel, der komplett gesponsert wurde und doch typisch Rosenblatt war, so wie der längste Artikel des Blog von Vielen.
Diese Tage waren rückblickend betrachtet das letzte Aufglühen.
Ein bisschen der letzte Versuch zu hören: Es gibt auch für dich Zukunft. Autonomie. Einen Platz in diesem System. In dieser Welt.

Ich habe gelernt, dass Inklusion für viele Menschen ein Geschäftszweig ist. Eine Art sich selbst und sein Agieren zu labeln. Ich habe gelernt, dass ich von Menschen, die selbst nicht behindert werden, nichts erwarten darf, ohne Verletzungen zu erleben, die nicht bewortbar sind, ohne Egos zu verletzen und Macht zu thematisieren.

Was mir in 2014 passiert ist, war das Moment, in dem ich deutlich wie nie zuvor gespürt habe, dass meine Zeit abgelaufen ist. Dass meine Zeit von Hilfen, wie ich sie brauche, vorbei ist.
Irgendwie bin ich zu einer Frau Rosenblatt geworden, die schon alles geschafft hat. Die ihren Weg schon gehen wird. Die schon irgendwie zurecht kommen wird. Die ein Netzwerkmensch, eine Macherin ist. Eine Frau Rosenblatt, die immer will und niemals braucht.

Ich habe gelernt, dass ich meine Bedürftigkeit ver.substantivieren muss und nicht kann.

Ich habe verstanden, dass Content im Internet kurz und heftig sein muss, um geteilt und gelesen zu werden und das einfach nicht meine Art Inhalte zu produzieren ist.
Jetzt in dieser Schwebezeit des Jahres komme ich an die Erkenntnis, dass wir im ganzen Jahr 2014 immer das Beste getan haben, was wir konnten. Immer das Beste von dem gegeben haben, was wir geben konnten.

“Ich bin auch noch da, wenn alle anderen weg sind”, ist der Satz dazu, der langsam beginnt, mich zu beruhigen und zu stärken.

Ich möchte vieles und ein paar Jemande in diesem Jahr zurücklassen.
Liegen, fallen, stehen lassen.

Sie und es nicht mittragen, wenn ich mich nach vorn drehe.

der Zukunftskongress “Inklusion 2025”– ein Rückblick mit neuen Selbst.Ansichten

Ich könnte jetzt einen Artikel schreiben, der hübsch in ein kleines Kästchen passt: “vom 2. bis 3. Dezember fand der Zukunftskongress “Inklusion 2025” ausgerichtet von der “Aktion Mensch” in Berlin statt. Etwa 450 Personen trafen einander und diskutierten. Alles war toll.”

So bin ich aber nicht.
Und jetzt mag ich schreiben: “und genau das ist wichtig.”.

Mein Viel(e)-Sein ist okay. Nicht okay ist, dass es keinen üblichen Platz hat. Weder in der Gesellschaft ™ noch in den Strukturen, die diese Gesellschaft nutzt, um sich selbst zu organisieren.
In den Tagen des 2. und 3. Dezembers sind in mir so ziemliche alle Konflikte, die sich in den letzten Jahren rund um meine Hochbegabung, die DIS, die Gewalterfahrungen, die Lern- und Arbeitsk.r.ämpfe und auch meine Zukunftsängste immer wieder gebildet haben, einmal durchgerauscht.
Da waren Momente von Angst, von Ärger, von Verzweiflung, Hoffnung, Heilung, von Verstehen und Begreifen. Für ein Kästchen ist das zu viel. Ein Kästchen würde abschneiden. Ein weiteres Kästchen mit Informationen, die in jeder Zeitung und auch manchen anderen Webseiten und Blogs stehen, braucht diese Bewegung zu einer inklusiven Gesellschaft einfach auch nicht.

Ich werde nun also wieder ein rosenblattsches Megaepos schreiben. Raum einnehmen.
Nach den zwei Tagen und all den Begegnungen mit Menschen, von denen manche für Zeiteinheiten der Widmung bezahlt werden, hat sich meine Haltung zu negativen Äußerungen darüber noch einmal mehr verändert.
Zum Einen dahin, dass ich mich weniger für den Raum, den ich mit mir als Körper, Geist und Seele.n bilde, noch für den Raum, den ich genau damit – mit meinem Körper, meinem Denken, meinem Seele.n.-Sein – einnehme, entschuldigen will.
Ich habe gemerkt, dass mir die Kraft, die ich permanent für eine Entschuldigung meines Da.Seins aufbringe, fehlt, wenn ich respektvoll, nährend, warm, offen, freundlich, annehmend und einander haltend mit Menschen umgehen möchte. Außerdem habe ich gespürt, dass diese Entschuldigung, dieses mein so vielfach, so tiefgreifend eingewurzeltes Schuldgefühl für meine bloßes Existenz, für den Rest der Welt kontextlos erscheint.

// Ich kann es nicht anders tun, als ich es tue, deshalb tue ich es, wie ich es tue.
Und das ist okay. //

Zum Anderen will ich mich noch häufiger daran erinnern, dass Widmung passiert, wie Leben einfach so passiert.

// Es kommt wie es kommt, es ist wie es ist und es muss nie mehr sein, als das. //

Der Kongress beginnt für mich damit, meinen ersten: “Aaaaah – die kenn ich von YouTube!!!” – Moment zu haben, als ich erst Kübra und später auch Christian, die für die “junge Aktion Mensch” seit 3 Monaten Webshows moderieren, in denen sie jungen Menschen Inklusion vorleben möchten, treffe.
Ich mag nicht alles an der Sendung, bin aber mit meiner Behinderung und meinem Alter wohl auch einfach nicht mitgemeint.  Christian erzählte mir, dass sie vornehmlich versuchen Berührungsängste abzubauen und junge Menschen grundsätzlich erst einmal für das Thema “Miteinander” und “Gesellschaft” zu begeistern.
Warum das mit teils opferfeindlicher Sprache (wie in der aktuellen Webshow zum Thema Mut der Fall ist) und für Menschen mit seelischer Behinderung (die einfach bis heute immer wieder mit “Verrücktheit” gleichgesetzt wird) schmerzlichen Bemerkungen, passieren muss, scheint daran zu liegen, dass “man einfach nicht alles rausnehmen und ja auch nicht mit dem Zeigefinger kommen kann”.

// Autsch.
Darf man Tipps und Ideen einreichen, wie der Zeigefinger ausbleibt und trotzdem solche Wörter und Phrasen nicht mehr vorkommen?//

Dann gibt es bis zur Eröffnung viel Kaffee und das erste Gespräch mit einem Menschen, der Unternehmen darin unterstützt, sich mit der Thematik der Teilhabe von Menschen mit Behinderung auseinanderzusetzen. Sehr spannend und erfreulich. Ich dachte, es gäbe gar niemanden, der das an genau dieser Schnittstelle tut.

// Davon sollten mehr Menschen (und Unternehmen) erfahren. //
In meinem Kopf lege ich einen Faden aus und binde ihm den Menschen an den Schnürsenkel.

Nach der Eröffnung: Professor Jonathan Kaufmann, Denker und Berater in den USA.
Er beginnt damit, dass er seine Behinderung als Geschenk oder auch Gabe empfindet und diese ihm eine ganz einzigartige Perspektive bietet. Er beschreibt, was für ein Potenzial im Leben mit Behinderung läge und wie außergewöhnlich das sei.
Und irgendwann hören seine Worte auf in mir und auf meinen ganzen hochpotenten und doch wertlosen Ichs herumzutrampeln. Nicht, weil sie in ihrem “Yeay – Kapitalismus geht für alle Menschen!” aufhören, sondern, weil ich anfange seine Perspektive stehen zu lassen.

// Ich lasse sie stehen. Unterstütze sie nicht. Ich lasse diese Perspektive einfach nur stehen.
Vielleicht im Geldregen. Aber allein. Für sich. //

Nach ihm spricht Professorin Elisabeth Wacker (TU München Diversitätssoziologie – you why i loved her?! ^^) , die viele gute Sätze formulierte als sie ein “Kursbuch Inklusion” aufbaute.
Sie beschreibt Inklusion als Ziel einer Reise und mir fiel zum ersten Mal auf, dass ich ein Wort falsch benutze.

// Inklusion sollte kein Verb haben. Inklusion wird gelebt – nicht “gemacht”. //

Die “interaktive Kurzpause”, von der ich annahm, sie hätte etwas damit zu tun, das man sich in der Warteschlange vor der Toilette unterhält, bis es weitergeht, füllte die Theaterwerkstatt Bethel mit der Darbietung der “Be.Bots”. Es spielten Menschen mit Behinderungen mit und das hat mir gut gefallen. Was sie dort gespielt haben, hat mir nicht gefallen. Vielleicht, weil ich den Witz nicht verstanden habe.

//Menschenausstellungen. Keine Pointe.
Oder doch? //

Und dann ploppten die Flügel meines Gehirns durch meine Schädeldecke und flirrten in dem großen viereckigen Saal umher, an dessen Decke blaue und grüne Sterne geleuchtet wurden.
Ich dachte an die “
Traumdisco” in Berlin und daran, dass der demographische Wandel, von dem vorne auf der Bühne die Rede war, nicht der demographische Wandel ist, der mich beschäftigt.

// Wer wird sich 2025 kümmern, weil er sich kümmert und eben nicht, weil er dafür bezahlt wird?//

Es gibt Mittagessen und es guckt mich komisch an.
Natürlich.
Es ist gelb und scharf, ist durcheinander gewürfelt und heißt trotzdem nicht “Salat” oder “Müsli”.
Der Salat war kein Salat sondern “Essen das komisch guckt und “Salat” heißt, weil es jemand dran geschrieben hat”. Ich hapse, drücke und schlucke so schnell es geht.
An meinem Tisch sitzen Menschen, die einen Film machen möchten.
Sie fanden “
Gold – du kannst mehr, als du denkst” ganz prima.

//Ich schlucke auch alles, was ich zu dem Film noch sagen möchte, direkt mit einem Puppentässchen Kaffee herunter.
Übrig bleiben viele gute Wünsche für ein Gelingen und Erfolg.
Ich weiß, wie viel Arbeit “Filme machen” bedeutet.//

Nach einer inhaltlichen Einführung geht es in die Themenpanels.
Ich habe mir das Panel “Gesellschaftliche Entwicklung und soziale Verantwortung” ausgesucht und twittere, was ich noch twittern kann, bevor mein Handy mit einem letzten Aufbegehren des Vibrationsalarms den Akkutod stirbt.
Um von mir tot Geglaubtes, geht es auch im Panel. Jeannette Gusko von
Change.org gab einen kurzen Input über das Potenzial von Onlinepetitionen als Bestandteil von Öffentlichkeitskampagnen.
Laut ihren Erfahrungen gibt es nachwievor die Chance über eine Petition auch zu erreichen, was man erreichen möchte. Allerdings nur, wenn daneben noch jede Menge andere Vernetzung und Unterstützung von Verbündeten steht.

// Ich denke an die #idpet und daran, dass die CDU unser Land quasi im Alleingang regiert.
Und schlucke erneut.
Mit Stellvertreter_Innen “neutraler” Plattformen kann man nicht politisch diskutieren. Neutralität ist apolitisch.//

Der Philosoph, Künstler und Kurator Günther Friesinger aus Wien, trägt eine schwarze Kapuzenjacke und ich kann ihn leider nicht fragen, ob er zufällig auch Twitterer ist. ^^
Er versucht und das Internet begreiflich zu machen, indem er uns alle Daumencatchen lässt und dabei miteinander verbindet.

//LOL//

Theoretischer wird es dann wieder mit der Vorstellung der explorativen Studie, die Professorin Dr. Berit Sandberg mit ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter_In vorstellt.
Es geht um die Motivation zu ehrenamtlichem Engagement von Menschen mit Behinderungen. Größte Faktoren: Arbeitslosigkeit und der Wunsch, der Gesellschaft etwas (zurück)zugeben.

// Ich erinnere mich an die “Plattform Inklusion” meiner Stadt und die scheelen Blicke, die mit meiner Nachfrage einhergingen, ob Ehrenämter als die Jobs der Zukunft für Menschen mit Behinderungen betrachtet werden. Aushilfen, die freiwillig und unentgeltlich tun, was sonst vom Jobcenter geschickte Minijobber tun – ja kann denn ein Unternehmerherzchen davor zurückschrecken?//

Studien wie diese sind wichtig.
Ich wünsche der Professorin, dass sie es schafft eine größere Studie zu dem Thema auf die Beine zu stellen.
Sie könnte dazu beitragen, das Vorurteil von einzig betüddelten Menschen mit Behinderungen zu brechen und in ein Bild von auch aktiven Menschen, die mit einer Behinderung leben zu verwandeln.

// Wenn sie es aus dem ewigen Kreislauf im Elfenbeinturm “Wissenschaft” herausschafft.//

In Erinnerung bleibt (weil mit ganzen vielen Geistesherzchen überschüttet) mir auch Dr. Mark Terkessidis, von dem ich nicht einen Satz behalten habe – aber alle Energie, die er in seine Sicht des Themas brachte.

//Geistesherzchen Geistesherzchen Geistesherzchen //

Am Abend treffe ich einen Menschen vom Verein “Menschen helfen Menschen in und um Berlin e.V.” welcher komplett ohne öffentliche Zuschüsse arbeitet und sich nur mit Spenden und ehrenamtlichen Helfer_Innen hält. Die Liste der Tätigkeiten dieses Vereins im Flyer hat mich umgehauen.
Wenn ihr noch ein klitzekleines Scherflein zum Spenden habt – da ist es gut aufgehoben.

//Werden wir es schaffen unser Nachwachshaus* aufzubauen und genauso hartnäckig bei der Sache bleiben können?//

Ich lasse mich von dem Berliner Abend zurück zu meinem Schlafplatz schieben.
Zweifel schlagen über meinem Kopf zusammen und alles Runtergeschluckte drückt sich an meinen Augäpfeln vorbei nach draußen.

Ich kann zu selten sagen, dass mich die Unsichtbarkeit meiner Behinderung als solche bewegt. Ich kann zu selten sagen, dass es mich stört, wie oft apolitisch und vertreter_Innenzentriert Diskussionen zum Thema Inklusion und Teilhabe aller Menschen funktionieren. Ich muss meine Abhängigkeit von anderen Menschen zu oft als Hilfebedürftigkeit bezeichnen. Ich bekomme öfter zu hören, ich müsse mich bewegen und etwas tun, als Fragen danach, wie meine Bewegungen und Projekte unterstützt werden könnten, damit sie überhaupt als solche bemerkt werden. Man kann keine Prothese an mich klemmen. Dass ich viele geworden bin, ist die Prothese, die zu entwickeln ich gezwungen war. Man kann mich nicht mehr gebrauchen und verwerten. Inmitten der Realität, in der wir uns heute befinden, ist meine Behinderung weder Sprungbrett für tolle Perspektiven, noch ist die Tatsache eine Person, die mit einer Behinderung lebt zu sein eine Qualifikation.
Was heute zählt, sind Entwicklungsmöglichkeiten, die sich mit kapitalistischen Strukturen vereinbaren lassen. Vielarmige Krausköpfe wie meiner, die obendrauf nicht einmal kontinuierlich an sind, weil so ziemlich alle Schrauben locker sind, die sind vielleicht noch als Objekte wichtig, wenn es um Lückenforschung geht.

// Wie wichtig Lücken sind, merkt man heute nur noch wenn die Leertaste am MacBook spinnt oder man einen Parkplatz in der Innenstadt sucht//

Ich weine und ekle mich vor dem Geräusch, das mir dabei aus dem Mund kommt.
Ich kann niemanden anrufen. Es ist ja schon alles gesagt. Ich sage seit Jahren kaum etwas anderes als das, was ich jetzt sagen würde. Es würde mich trösten, läge eine Hand auf meiner und sagte jemand: “Es gibt ein Morgen.” und es würde mich zerfetzen, läge eine Hand auf meiner, während mir jemand sagt: “Es gibt ein Morgen.”.
Als ich in die Nacht spüre, höre ich hinter mir Federn rascheln.
Etwas streichelt mein Herz in den Schlaf.

Am Morgen dusche ich die Trümmer des Abends von mir und zeichne kleine Dankegrüße.
Ich gehe mit neuer Kraft in den zweiten Tag des Kongresses. Jeder Schritt von mir zieht ein zartes Federstreichen nach sich.

Wir hören Anja Förster, die querdenken als Business betreibt. Sie erzählt von Fehlern, vor denen Angst zu haben Kraft raubt und die Geschichte von den Blumen in der Wüste, die bestimmte Bedingungen brauchen um zu blühen. Kennen wir schon aus dem schönen Mixtape von KapuzenAuf.

// Warum müssen es eigentlich immer die Blumen sein, die in der Story als lohnenswert erscheinen? Die Fähigkeit lange in der Erde ruhen zu können, ohne seine Potenz zu verlieren, ist ebenfalls ziemlich cool. Kakteen sind verdammt cool. Wüsten sind wichtige Bestandteile unserer Natur. Wüsten als Orte [Räume], sind Konsequenzen aus Folgen von Anpassungen an Gegebenheiten.//

Dinge anders machen zu wollen, finde ich aber gut. Schade, dass es mit dem bewährten “Motivations- Trau dich mal” einher gehen muss, bei einer Veranstaltung, die zu besuchen für viele Personen aus ganz unterschiedlichen Gründen, schon mit sehr viel “Trau dich mal” verbunden ist.
Aber wer weiß, vielleicht war dieser Input ja bei irgendjemandem das Quäntchen Wasser, das gebraucht wurde.

Und dann kam eine “steife Brise” auf – das Improvisationstheater “Steife Brise” um genau zu sein.
Ich kann nicht gut beschreiben, was sie gespielt haben – nur so viel: es hatte damit zu tun, dass das Publikum Wörter einbrachte, die in eine Szene eingeflossen sind und am Ende gab es “Weini” den Weihnachtsmann, der seine Frau an den Metzger verloren hatte und “Stefan”, den Elfen.

//so cool – einfach loslegen und spontane Ideen umsetzen – Fehler sind erlaubt//

Für den zweiten Tag habe ich das Themenpanel “Bildungschancen und Lebensweggestaltung” gewählt und twittere, so viel ich kann.

Dr. Siegfried Saerberg erzählt von der Kunstausstellung “artblind”, die von ihm für den Verein Blinde und Kunst e. V kuratiert wurde. Künstler_Innen, die mit Sehbehinderungen oder Blindheit leben, erfreuen mich. Meine Kunst war bisher eher etwas, das ich jetzt viel mache, weil ich nicht, weiß, wie sich die Funktion meines linken Auges im Alter auswirken wird. Ich profitiere bereits jetzt sehr von digitalen Möglichkeiten der Gestaltung, wenn es um Nachbesserungen oder Arbeiten mit bestimmen Mitteln geht. Aber die Haptik von Materialien ist für mich auch wichtig. Es hat mich ermutigt, zu hören, dass es Menschen gibt, die ihre Kunst nicht nur auf die visuelle Wahrnehmung auslegend machen und dann auch ausstellen.
Wir hören eine Audio Transkription zu einem Bild und werden darüber mit zwei Bildern beschenkt. Das eine entsteht beim Zuhören, das andere beim Sehen. Beides zusammen vermischt sich zu einem runden Subjekt (ja- nicht: Objekt, wie das sonst gerne bei Kunst passiert) in mir drin. Unter der Bildbeschreibung ist Musik, am Ende gibt es Worte zur Aussage des Bildes vom Künstler selbst.

//Schön, dass wir Zeit haben, um uns zu widmen.//

Es spricht Jun. – Prof. Dr. Ingo Bosse über die Medialisierung des Lernens und welche Probleme sich dabei zeigen. Es fehlen ordentliche Lehrmittel und Ausbildungen zum Lehren der Nutzung dieser Mittel.
Ich denke an Dr. Terkessidis und die Parallelwelten, die Rasse, Klasse und Alter voneinander wegspalten.
Ich denke an die Person, die mir im März bei der Tagung “Wir sind Viele” sagte: “Hoffentlich reichen meine technischen Fähigkeiten, Ihr Blog im Internet zu finden.”.
Ich denke daran, dass viele Unternehmer_Innen Facebook für das Internet halten, sich anmelden, Gelder in die Plattform bringen und die Nutzung für Non-Profit oder gemeinnützige Unternehmen und Privatpersonen ad absurdum führen.

//Facebook wird im nächsten Jahr auch ausgeloggte Nutzer_Innen in ihrem Surfverhalten ausspionieren.//

Um Mediennutzung und Einbindung in den Unterricht geht es im Vortrag von Norbert Schröder, der in seiner Schule Jugendliche, die mit körperlichen und Lernbehinderungen leben, unterrichtet. Sie machen Videotutorials zur Nutzung der Gerätschaften, die sie in ihrer Ausbildung verwenden und erstellen so quasi die Lehrmittel der nachkommenden Schüler_Innen – die wiederum die Lehrmittel der vorhergehenden Schüler_Innengeneration überarbeiten oder verbessern.
Eine Idee, die in ihrer Umsetzung mit einem Video gezeigt wurde, das sehr professionell wirkte und komplett von den Schüler_Innen selbst gemacht wurde.

Es folgen Worte von Prof. Dr. Olaf Burow zur Erkennung und Förderung individueller Potenziale, die in der Folge vom Journalist Erik Albrecht in einen Kontext mit Bildung als Lebensbausatzelement erneut auftauchen und von Prof. Dr. Hinz und Ines Boban (tolle Menschen! da flogen wieder Geistesherzchen- beide sitzen im Institut für Rehabilitationspädagogik der Universität Halle-Wittenberg) in einen Kontext des hinterfragbar kapitalistischen Wertes “Bildung” und “Entwicklung” gestellt werden.
Für mich entsteht ein angenehmes Knäul aus losen Fäden, festen Strängen und Mustern, die in der darauf folgenden Diskussion noch ergänzt werden.

// Unser sogenanntes Informationszeitalter instrumentalisiert Bildung vom Begreifen weg. Es wird weniger gelernt, als gebildet. Unsere Bildungssysteme führen zu Abzieh.Bildern, die wir in unsere Stickeralben kleben. Wer das schönste Album vorzeigt, bekommt die Möglichkeit weitere Sticker zu erwerben, um am Ende, das unvorhersehbar, unsicher und von wirtschaftlichem Denken und Taktieren Dritter abhängig ist, ein Einkommen zu haben. Das nicht sicher ist.
Nichts ist sicher und deshalb wünscht man sich eine “Kultur des Vertrauens”. Wir, ich bin Teil der Generation Y. Um mich herum, hätte die Welt schon zwei Mal massiv zerstört werden können. Tschernobyl, Fukushima. Es gab und gibt so viele Kriege und sie kommen alle zunehmend unausweichlich nah, denn jeder Monitor wird zum Fenster in die Nachbarschaft von Menschen, die mit dem Grauen Tür an Tür, oder Hütte an Zelt leben müssen.
Ich denke an transgenerationale und durch unsere technischen Möglichkeiten auch transnationale oder vielleicht besser gesagt: transmediale (Psycho)Traumatisierungen und daran, dass niemand Vertrauen von Menschen lernen kann, die in einer Zeit aufwachsen, in der nichts und niemand wirklich bedingungslos vertrauenswürdig ist, weil einfach nichts und niemand so sicher und kontinuierlich ist, wie der Lauf der Dinge selbst.
Ich sage zum ersten Mal in meinem Leben: “Ich bin hochbegabt – leider.”, vor anderen Menschen und bringe mein Bildungsdrama in einen Kontext von Klasse, als Diskriminierungsachse. Am Ende traue ich mich, meinen Wunsch nach stärkerer Etablierung der Langeweile als Quelle von Kreativität und Sozialität zu äußern.
Ich bin stolz auf mich und spüre, dass meine Worte auch willkommen sind. Es fühlt sich so unfassbar großartig an. //

Das Mittagessen guckt nicht komisch. Es gibt Tomatensuppe, rote Grütze mit Vanillesoße und klitzekleine Süßigkeiten. Der Cateringservice “Lebenswelten” ist übrigens integrativ – es arbeiten auch Menschen mit Behinderung dort. Ich führe wieder ein interessantes Tischgespräch und lerne später eine Mitbegründerin des Vereins “Wild:lachs für alle e.V.” kennen.

//Eine Mutwelle in Richtung Nachwachshaus*//

und dann treffe ich Mareice Kaiser und Raul Krauthausen.
Sie sitzt neben mir im Publikum und wir klatschen Raul auf der Bühne zu, der in der Talkrunde “Inklusion 2025 – Realistisches Gesellschaftsmodell oder Utopie?”, direkt mit wichtigen Punkten
loslegt.
Er sagt: “Überhaupt schon Utopie in dem Kontext Inklusion zu erwähnen, öffnet zu viel Platz für Bedenkenträger.”.
Raul wird als einzige Person geduzt und das ärgert mich. Er hat doch einen schönen Nachnamen, wie alle anderen auf dem Podium auch.

//Inklusion ist das Ergebnis einer emanzipatorischen Bewegung. Emanzipatorische Bewegungen sind wichtig. Man erreicht sie nicht mit Quoten – schon gar nicht mit Quoten wie einer von 30% für Frauen.
Dass diese Emanzipation schwierig ist, wenn Unternehmen und Politik erst auf Druck handeln, und immer wieder mit Optionenhonig um die Vorstand- und Vertreteregos gelockt werden müssen, was wiederum getan wird, weil Abhängigkeiten zu Hilfebedarf umbenannt werden, ist nach dieser Veranstaltung für mich sehr deutlich geworden.

Natürlich können Unternehmer_Innen ihr Konzept nicht von jetzt auf gleich umstellen. “Never touch a running system” – ist in der Wirtschaftslage, die wir nun einmal jetzt haben, wichtig und es doch anzutouchen ist mit einem Mut und einem Grad an Etablierung innerhalb von Systemen von bestimmten rassischen, klassistischen, age-istischen, sexistischen und vielen anderen *istischen Achsen, verbunden, das nicht alle Unternehmen vorweisen können und/oder auch nicht bewusst haben.
Seit dem Zukunftsdialog 2012 habe ich bereits mit verschiedenen Menschen, die aus Unternehmen jeder Schicht kommen, gesprochen und oft – sehr oft – fehlt tatsächlich ein Bewusstsein nach unten, weil der Fokus immer wieder auf dem Bewusstsein und den Vergleich nach oben liegt. Liegen muss, weil ein Überleben daran hängt. Es gibt diese Überlebensmuster auf jeder Ebene und ich erlebe es als wichtig, sie anzuerkennen, bevor kritische Forderungen gestellt werden, die mit Druck einhergehen.
Trotzdem bin ich natürlich nicht objektiv und immer wieder wütend, wie vor sehr großen Unternehmen seit Jahren argumentiert wird, dass Menschen, die mit Behinderungen leben, ein Gewinn seien. Dass es sich wirtschaftlich lohnt oder lohnen muss – je nach Argumentationsstandpunkt – auch Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben teilhaben zu lassen oder auch: Menschen in ihrem Arbeitsleben und Er.Schaffen nicht zu behindern. Es widert mich an.
Es triggert Erinnern in mir an, weil ich schon so oft gekauft wurde. Es macht und hält mich “psychisch krank”, weil ich als Mensch mit diversen Eigenschaften nie ohne Verwertungslogik zu folgen betrachtet werde, wenn es darum geht, was von mir kommt. Ich kann das immer wieder in mir aufkommende Bild von Sklavenmärkten und Menschenausstellungen nicht unterdrücken. Ich komme nicht dagegen an, immer wieder an Menschenhandel zu denken.

Viele technische Neuerungen kommen auf den Markt, wie die “Lorm Hand”, die es Menschen mit Seh – und Hörbehinderung ermöglicht, auch digital zu kommunizieren. Unsere rasend schnelle technische Entwicklung wird uns greifbar und im direkten Erleben des Alltags in der Zukunft emanzipieren – von anderen Menschen. Deren direkte physische Präsenz wird dann nämlich nicht mehr wie heute gebraucht. Gleichzeitig müssen diese Hilfsmittel produziert und erdacht werden. Warum es noch so viel Argumentation “Pro Teilhabe” genau daran geben muss – warum Menschen ihre altunwürdigen Denkmuster aus Ökonomie und “hat sich schon immer™ so bewährt” nicht verlassen und erst vom Querdenken überzeugt werden müssen, ist mir unverständlich.
Vielleicht habe ich zu viele Visionen.  Vielleicht hören aber auch noch einfach viel zu viele Menschen Sätze wie: “mit Visionen macht man keine Politik” und erleben es zu selten, wie darauf jemand antwortet “Aber ohne Vision, keine Mission”, wie es Raul Krauthausen tat.

Vielleicht ist es aber doch genau diese meine Sicht, die Professor Kaufmann zu Beginn der Veranstaltung meinte, als er sagte: “das Leben mit einer Behinderung bietet andere Perspektiven”.
Meine Gewalterfahrungen haben mich in einer Art zur Anpassung gezwungen, wie sie nicht vielen Menschen passiert. Die Art, wie ich die Welt und ihre Akteure wahrnehme, in mir verarbeite und mit ihnen interagiere folgt keinem Muster, das einen Bonus zur Folge hat.
Ich lebe, dass ich lebe.
Ich tue, dass ich tue.

und, dass das so ist und, dass es okay ist, dass es so ist; dass ich nicht jeden K.r.ampf ums Mehr und Besser mitmachen muss, um mir wünschen zu dürfen mit anderen Menschen warm, offen, freundlich, respektvoll, nährend und einander haltend in Kontakt zu sein,

das habe ich so bewusst, wie auf der Fahrt nach Hause durch das Dezemberdunkel noch nie gehabt.//

Vielen Dank an die Aktion Mensch, die mir mit ihrer Blogparade zu einem Kongressticket verhalf, der Mädchenmannschaft e.V. , der Redaktion von „Weird„, meinen sichtbaren, wie unsichtbaren Patroni und Gemögten, die mir alle zusammen diesen Artikel ermöglicht haben. Ohne euch hätte es nicht geklappt- vielen vielen Dank!

shades of Inklusion 2

Integriert wird das Fremde. Inkludiert wird das Gleiche.
Ist Inklusion deshalb im Ergebnis Gleichmacherei? Nein.

Aber ein Akt in dem Normen und Ansprüche nur bis zu einem bestimmten Punkt hinterfragt und verändert werden kann, ist es doch, weil Gleichheit zu definieren etwas mit Macht zu tun hat, die in unserer Gesellschaft in aller Regel von denen, die noch ein bisschen gleicher sind, inne ist.
Ich habe ein wachsendes #Mimimi mit der Inklusionsdebatte, das sich auf gerade diese Machtaspekte bezieht und versuche das mal zu artikulieren.

Da ist zum Einen der Umstand, dass ablierte (“gesunde”, “fähige” – (be) herrschende) Personen, die von ihnen diskriminierten Personen fragen, was denn passieren müsste. “Was sollen wir denn machen, damit ihr partizipieren könnt? Was sollen wir denn machen, damit ihr nicht mehr diskriminiert seid?”.
Das erlebe ich für mich immer wieder schwierig, weil ich mehr oder weniger bewusst damit erwachsen geworden bin “krank” und “unfähig (zur Selbstbeherrschung – ergo unfähig zur Macht)” zu sein bzw. so zu gelten und eben nicht zu partizipieren.
Ich habe gelernt zu fragen, zu bitten – den Moment, in dem sich betteln noch lohnen könnte, zu spüren. Mein Gefühl für Würde und Respekt ist abgehobelt.
Und dann kommt jemand und fragt, was denn schöner wäre und wie man das hinbekommen kann. Jemand wie Günther Jauch schiebt dem dann noch ein “ohne, dass die anderen Menschen davon gestört werden oder sich zu etwas gezwungen fühlen” hinterher.

Ich nehme oft wahr, dass solche Fragen oft gar nicht wirklich an mich gerichtet sind, sondern, eine Art Auftakt darstellen, sich der grundlegend nötigen gesamtgesellschaftlichen Veränderung zu entziehen, indem ich zu einem Imperativ mit Schwerbehindertenplakette gemacht werde, dem “man” (“alle Anderen ™ ”) nachkommen soll, was wiederum auf eine Mehrheitsgesellschaft verwirrend wirken muss. Diese Gesellschaft ist es nämlich gewöhnt, dass Mehrheiten bestimmen, was wie zu betrachten ist und diese die Aufgabe haben die Minderheiten ™ mitzudenken – nicht aber mit-machen-zu lassen.
Das bekommen nämlich ablierte Menschen immer auf den Lernzettel: “Denk auch mal an die Anderen”, “Gib den Armen, rette die Schwachen…”, “Hilf Omis über die Straße…”, “Kranke und Behinderte können nix DAFÜR…” und so weiter und so weiter.

Am Ende steht da immer: “Wenn jemand etwas nicht kann, dann heißt es, etwas auszugleichen – baue Rampen und Brücken, zerstöre Barrieren (damit du denen, die es dann noch nicht schaffen, so zu sein, wie du, sagen kannst, sie würden sich nicht genug anstrengen)”.
Es geht mir an der Stelle darum, dass zum Einen die Gleichheit künstlich hergestellt wird, statt diese ohne jeden Zusatzstoff (wie eben Hilfsmittel oder Befähigungsmaßnahmen allgemein) anzunehmen und zum Anderen, dass dabei unangetastet bleibt, wann und wo die Gleichheit beginnt und wer diese definiert.

Ich merke das bei mir an Stellen, an denen ich denke, ich wäre inkludiert, wenn ich auch arbeiten gehen würde, wenn ich verschiedene Reaktionen von mir nicht mehr im Voraus erahnen und entsprechend der Gegebenheiten in den Lauf der Dinge flechten müsste – und eben nicht, dass allein schon der Gedanke, dass ich in etwas – in eine Masse, eine Personengruppe, die ich als Gruppe wahrnehme, während sie mich als Einzelfallperson betrachtet – hineingepflanzt und an sie  in meinem Werden und Sein angeglichen, werden möchte, ein Marker dafür ist, dass wir eigentlich noch immer von Integration sprechen, wenn auch einen Schritt weiter.
Quasi als Integration 2.0 – Behinderung intersektional (auf den Achsen Klasse und Befähigung im Bezug zur Wirtschaftlichkeit/Rentabilität in Abhängigkeit von Kosten und Nutzen).

– gleich gehts weiter… –

euer komisches Berlin – Teil 4

und am Ende: Dis.kurs, Dis.kussion, Dis_Tanz inmitten meiner  DIS – sonanz

Der leere Platz neben mir im Konzert, das fast schlechte Gewissen beim Nach-Mit-Nebenherdenken feministischer und vielleicht auch allgemein emanzipatorischer Auseinander-Verschieb- Neube- Setzungen und dieser seit Samstag anhaltende Schrei in meinem Kopf.

Es tut mir gut, mich auszusprechen und merke das ganz deutlich, als ich Kaffee, der komisch guckt, aus einer Eulentasse trinke und auch meinen emanzipatorischen Bauch über den Rock hängen lasse.
Feminist_Innen und Personen wie ich, die den Begriff “Feminismus” verwenden, um ihre emanzipatorischen Überlegungen einzurahmen, wir dürfen uns nicht uneinig sein, dürfen uns nicht verkrachen, erleben unsere Diskurse immer wieder als Gräben und Spalten bewortet und bewertet, von Personen, die oftmals gar nicht beteiligt sind oder “anti” aus Prinzip und Selbstzweck sind.

Und wenn der Graben einmal da ist, dann passiert Geschichtsschreibung im Mauschelflüstern und nach einer Art Tiefenscan der Positionierung der Person mit der man spricht.
Ich fühle mich immer wieder sehr privilegiert, wenn es reicht, dass ich in der grundsätzlichen Strömung solidarisch bin und keine Positionierung vornehmen möchte. Wenn akzeptiert wird, dass ich netzfeministische Geschichte weder gänzlich kenne, noch an einen linearen Verlauf der selben glaube.
Wenn mein ständiges Dazwischen – oder manchmal auch Danebenstehen nicht als defizitärer Zustand betrachtet wird, sondern als Ist- Zustand #ausGründen , die nichts mit einer Wahl von mir zu tun haben.

Es ist dann am Ende nur mein Wunsch nach Harmonie und Ein-s-igkeit, die mich wünschen lässt, dass ich mit allen meinen lieben, klugen, engagierten Bubbleherzmenschfeminist_Innen an so einem Tisch sitzen kann, auch um vielleicht meine eigenen inneren Diskurse zu vereinen. Wenn ich dann aber wiederum bedenke, dass ich damit wieder ein Machtgefälle aufmache und neuerlich #ausGründen zu #inAbgründen mache, das ja aber genau kritisiere und nicht will … und aber… und …
ach… dann ist es, wie es ist und ich bleibe in meiner Dankbarkeit dafür, innerhalb dieser Diskurse meiner Ich- Struktur folgen zu dürfen und eben viele zu sein und mit vielen zu sein. Nebeneinander.

Dankbarkeit und noch einmal erweiterte Annahme von Grenzen, Spalten und Ab.Gründen
das habe ich, in meine Jacke gekuschelt auf einer Platzreservierungsinsel im Zug nach Hause, auf meinem Schoß gehabt.

Dass ich diese Reise machen konnte, hatte so viel mit anderen Menschen und ihrer Bereitschaft mich finanziell zu unterstützen zu tragen, wo ich nicht laufen kann, zu tun, dass mein Danke seinen Kopf in Wolken betten kann, während direkt daneben Risse bis an sensible Teile meines Innen klaffen, weil es eben doch nicht nur schön ist, immer wieder diejenige zu sein, die ohne Bei-Neben-Mithilfe nicht vorwärts kommen kann.

Am Montag fahren wir wieder nach Berlin.
Dann geht es um Inklusion.
Lustig, in einer Stadt, die so lange zerschnitten und gespalten war, darüber nachzudenken.
Zum Schreien komisch, dass ich mein Zerfaserrissenimplodiertsein auch dorthin trage.

 

Ende

euer komisches Berlin – Teil 3

Und: Geschichte
und Geschichten, die passieren, sind und wirken. Und bleiben. Auch wenn sie unbewortet, unverw-ortet sind, sein müssen, sein sollen.

Dann steht man Mittags vor dem Rest Berliner Mauer neben einer Tourist_Innengruppe und denkt noch flüchtig:“Oh, ich sollte … Äh, ja, was eigentlich?“ und dann vergeht ein Tag mit Glitzer, Hoppeln in der U-Bahn und wunderbarer Konzertmusik und man taumelt wegen Fassungslosigkeit vor all dem Schönen, ins Begreifen von massivem Hunger.

Ich kenne Hunger anders, als einige andere Menschen.
Auch das eine Geschichte, die ohne Anfang ist, doch bis heute wirkt. Sie macht mir Essen, das komisch guckt. Sie macht Essen, das ich nicht darf, nicht kann. Nur riechen, aber nicht schmecken, nur schlucken, aber nicht kauen; Essen, das ich anlecken, aber nicht verarbeiten kann.
Sie macht, dass ich ab einem Erregungslevel bedürfnislos werde und mir einen Timer stellen muss, der mich penetrant an das Bewusstsein herantreibt, dass mein Körper Aufnahme- und Ausscheidebedürfnisse hat, denen nachzukommen in Ordnung ist.

Und am Ende ist es nach Mitternacht und ein Mac Flurry Eis ist das einzige Lebensmittel, das tragbar erscheint. Aushaltbar vor kleinen blinkenden Lichtern am Leipziger Platz. Inmitten eines Dort, wo mal Geschichte um Freiheit gemacht wurde.

Als die Mauer fiel, war ich 3 und mein winziges Stückchen DDR- Erinnerungen haben bereits diesen Erzählschleim verschiedener fremder Zungen auf sich gehabt, als ich sie aufnehmen konnte.
Und heute, da gibts 25 Jahre dicken Erzählschleim von Flucht und Unterdrückung, von Not und Kampf, vom Mauerfall und ständiger Ausreise aus Versehen.
Davon, wie meine jungen Eltern, wie meine Großeltern, wie die vietnamesischen Mitmenschen in der Nachbarschaft meiner Großtante damals, die Mauer und ihren Fall erlebten, werde ich wohl nicht mehr erfahren.

Vielleicht mag ich diese Geschichten auch nicht erfahren, denn, was ist die Freiheit meiner Eltern, meiner Großeltern, der damaligen Bevölkerung der DDR, denn heute?

Ich spiele Seiltanz auf der Mauerlinie, lutsche das flüssige Karamell von meinen Fingern und hüpfe ohne Halt und Rahmen durch die Nacht. Zum ersten Mal in den 3 Berlintagen habe ich keine Angst, sondern ein Gefühl bitterer Wut, das sich in die Absurdität meiner Freiheitspraxis „am Leben bleiben“ schlängelt.

Oh, ich sollte doch…
nicht so einen Scheiß mit meiner Freiheit machen. Sollte doch, Freiheit nicht mit Überlegenheit verwechseln. Mit Macht schützen- nicht verqueren.
Ich sollte doch…
Freiheit nicht mit Grenzenlosigkeit verwechseln.

Oh, ich sollte doch, nicht glauben, dass die Freiheit, die ich lebe, die Freiheit ist, die unterdrückte Personen forderten und bis heute fordern.

Es halb 2 Uhr morgens und selbst in Berlin ebbt die Wucht zu einem dumpfen Dröhnen aus der Ferne um mich herum ab.
Im Hotel läuft eine amerikanische Serie auf einem Fernseher, den niemand beachtet. Vor der Tür steht ein roter Trabbi zur Dekoration.

Oh, ich wollte doch Trabbi fahren, wenn ich groß bin.

euer komisches Berlin – Teil 2

Und es ist Angst, die an die Innenwände meines Körpers schwappt, wie ein Fluss, der seit immer und vor allem da war.

Mein Gehirn rotzt mir diese beißende Kinderangst hinters Gesicht und reitet auf dem polterstolperndem Puls im Hals davon. Manchmal neben jemandem her, der durch dieses Betonland joggt und dabei aussieht, wie eine Mahnung vor Labelverselbstung.

Es ist, dass es anfängt weh zu tun, weil es eben nicht weh tut, sondern eine quälende Schleife aus Wucht und schwehlendem Viel ist, die kein Ende nimmt.

Ich bin nicht dünnhäutig, ich bin randvoll mit Adrenalin und andere Menschen mit mir. Es geht ums Überleben, wenn man sich von A nach B bewegt, weil man sich von A nach B bewegt.

Berlin ist rücksichtslos und „dit is Berlin“.
Es ist, dass Rücksichtslosigkeit unter Häute kriecht und Wurzeln nach außen treibt.
Dass Barrieren sind, die machen, dass Menschen hilfloser im Inmitten stehen, als sie müssten und am Ende ausgeliefert sind.

Die Bahnansagen sind kaum zu verstehen und auf den Monitoren läuft Quatschfernsehen. Wo ich wohne, werden dort Umsteigemöglichkeiten, Fahrtverlauf und Uhrzeit angezeigt. Wo ich wohne, kann ich es mir leisten vor lauter Angst zu vergessen, wo und wann ich bin.

Hier wird man gefressen und dit is halt Berlin.

euer komisches Berlin – Teil 1

Es ist, dass mein Hund nicht da ist und ich dem Punkerhund dabei zusehe, wie er einen Kinderschuh hinter seinem taumelnden Menschen herträgt.
Offenbar ist so ein Kinderschuh kein Grund zu schauen, welcher Fuß nun ungeschützt ist. Bin ich die Einzige, die einzelne Schuhe auf der Straße beunruhigend findet?

Es ist eine novembergraubunte Masse, die sich an mir reibt, ohne mich zu berühren.
Es ist nicht schön, es ist nicht hässlich.
Es ist vermutlich einfach Berlin. Kreuzberg.
Fahrradskelette, die an Laternen hängen, die wiederum einen Pelz aus Aufklebern, Flyern und Plakaten am Leib flattern haben.
Graffiti, schrabbeliges Schmuckflickwerk, Tourist_Innen, die Aufkleber an Häuserwänden, auf Mülltonnen stehend photographieren, ohne das müde Gesicht, im Schaufenster darunter, zu beachten.

Und wenn ein Weg bekannt ist, dann ist es nur noch laut und viel und Wucht und Schrei.
Es ist so viel, dass man selbst auch gut gar nicht sein muss.
Wenn man nichts sagt, wird man zur Lücke im Viel. Ein Loch im Lärm, das Stille ausblutet.

Vielleicht wird man hier ein Jemand aus Selbstresterhaltungsschutz. Verhält sich laut, um die Stummstilllöcher der Wortlosen und Toten mit sich selbst auszufüllen.

Es wird nicht dunkel.
Nicht einmal die Nacht hat ihr übliches Dunkeltiefweitschwarz an, wenn sie über Berlin wacht.
Hier riecht es nicht nach Stadt, Land, Fluß, Wald oder Wiese. Es stinkt nach Mensch und Zivilisation. Und manchmal nach Leben, das sich in Essensdüfte hineinkringelt.

Ich schlafe in einer Höhle und bin.
Ich bin da und merke das am Sein des Ummichherum, das mich einfach lässt. Atmen, essen, sprechen, spielen.

Sein.
In Berlin.
Dieser,
vielleicht,
furchterregend lauten
Viel-Wucht.