Weltautismustag #4

Der vierte Weltautismustag mit dem Wissen um den eigenen Autismus.

Was kann ich dazu schreiben. Eigentlich nichts. Wir sind nicht nur autistisch. Ich denke, dass an so einem Tag nur die sprechen sollten, die ausschließlich das sind. Autist_innen.
Ich weiß, woher ich diesen Gedanken habe und weiß, dass ich ihn nicht haben muss. Er ist trotzdem da und wirkt. Dieser Text ist ein Versuch daran vorbei zu kommen.
Denn es ist unser „nicht ausschließlich autistisch“-sein, das die Diagnose so lange verunmöglicht hat und es auch heute noch erschwert, als auch autistische Person verstanden und anerkannt zu werden.

Es gibt enorm große Schnittmengen zwischen Autismus und dissoziativen Störungen (aufgrund traumatischer Erfahrungen). Sich auf gleich zwei so umfassenden Spektren verorten zu wollen, ist eine Herausforderung und nachwievor sind wir damit (gefühlt) völlig allein.

Durch unsere schulische Ausbildung haben wir viel Raum, uns damit auseinanderzusetzen, worin unsere Lern.Be.hinderungen und unsere Kompensationsstärken liegen. Wir haben gelernt, dass wir eine Stärke für Details und Analysen hochkomplexer Zusammenhänge haben, gleichzeitig jedoch Schwierigkeiten so schnell Verbindungen herzustellen – und beizubehalten – wie in der Schule und auch manchmal im Alltag erforderlich.

Wir bewegen uns geistig wie sozial nie im großen Ganzen – sondern immer im präzise durchanalysierten und scharf beobachteten Moment. Wir können darin mehr aufnehmen als andere Menschen, viele Verläufe und Möglichkeiten gleichzeitig berechnen, abwägen, einordnen, können sie aber oft nicht als das kommunizieren, was hinter unseren Analyseergebnissen (und entsprechendem  Re_Agieren) steht.
Wir können sehr gut schreiben und gut sprechen, etwas für andere Menschen verständlich zu sagen jedoch, raucht uns sehr schnell, sehr tiefgreifend aus.
Wir sind konsequent wie eine Guillotine im freien Fall, wenn wir uns etwas vorgenommen haben und gleichzeitig ohne jede Struktur, was ebenjene Vorhaben bzw. ihre Umsetzung angeht.

Die Gegensätzlichkeiten und Widersprüche in unserer Interaktion und Kommunikation sind in einer Linie mit der Art, wie wir gestrickt sind und das ist eine merkwürdig guttuende Erkenntnis.
Wir sind “geistig behindert” und gleichzeitig hochbegabt. Kriegen nichts auf die Kette und haben gleichzeitig das Potenzial sogar mehr zu können bzw. zu schaffen, als viele andere Menschen.
Wir sind eine Person, ein Einsmensch, und gleichzeitig viele. Viele Seelen, viele Leben, in einem Körper.leben.

(Diese) Gleichzeitigkeit mitzudenken, zu erleben und zu empfinden ist, was uns ausmacht.
Ob das eine rein autistische Geschichte ist, wissen wir nicht. Die Dinge, die wir in den letzten Jahren über Autismus gelesen haben, befassten sich nicht bzw. wenn, dann eher am Rande mit solchen Aspekten.
Meistens ging es um autistische Kinder. Um autistische Kinder in der Schule, im Defizit, im Zentrum der Angst vor sozialem und ökonomischen Abstieg der Eltern. Es ging um neuere Studien zur genetischen Grundlage des Autismus, um mögliche Risikofaktoren während Schwangerschaft, Geburt und frühster Kindheit.

Zur Lage und Lebensqualität komplex traumatisierter Autist_innen oder autistischer Menschen, die komplex traumatisiert wurden, haben wir noch immer keine Veröffentlichung gefunden. Keine, außer unserer eigenen, von denen wir bis heute nicht so recht wissen, ob sie nachvollziehbar, sinnig, ~wertvoll, konstruktiv für irgendetwas oder irgendwen nutzbar sind.

Am Weltautismustag wird in Amerika nachwievor die (von Autist_innen scharf kritisierte) Organisation “Autismspeaks” beworben, die ein Puzzleteil als Logo hat. Die Ironie ist groß. Sagt man doch auch über Leute, die viele sind, sie wären innerlich ein Haufen auseinandergerupfter Teile, die zusammen ein Ganzes ergeben.
In unserem vierten Jahr mit Autismusdiagnose und dem inzwischen siebzehnten Jahr DIS-Diagnose denken wir beides gleichzeitig in uns und fühlen uns damit isoliert. Weggerupft.

Wir sehen nachwievor keine Inklusion von autistischen Menschen in der Traumaforschung und von anerkannt traumatisierten Menschen in der Autismusforschung.
Wir sehen nicht, dass sich Traumaspezialist_innen für die Neurodivergenz und ihre Auswirkungen auf das Gelingen oder Nichtgelingen von Traumatherapie interessieren. Sich fort- und weiterbilden, sich dazu entscheiden, anzunehmen, dass auch behinderte* Menschen von Traumatherapie profitieren können, wenn man es ihnen ermöglicht.
Wir sehen nicht, dass der institutionellen Pflege und Versorgung von autistischen Menschen die Idee von Selbstermächtigung innewohnt. Sehen noch bei viel zu wenigen Menschen das Bewusstsein dafür, dass man bei bestimmten Heil-, Hilfe- und Förderungs.be.handlungen das Potenzial einer grundfesten Traumatisierung autistischer Menschen mitbedenken muss.

Wir sehen nur einen Haufen Puzzlestücke, die sich hier und da um einzelne Aspekte klumpen, die letztlich nicht den Menschen dienen, um die es geht.
Und wissen auch in diesem vierten Jahr der Auseinandersetzung nicht, ob mehr Awareness das Einzige ist, das gebraucht wird, um das zu verändern.

die Reibe, die Schule, die Selbst_Verletzung

Es gab Reibekuchen. Das Reiberaspelding steht neben der Spüle. Bereit abgewaschen und wieder in die letzte Ecke gestellt zu werden. Weit weg. Aus dem Blick. Aus dem Sinn.
Als meine Narben noch hart waren, hatte ich beim Rüberstreichen manchmal gedacht, dass ich sie mal als Reiberaspel benutzen könnte. Oder als Waschbrett. Waschbrettbauch, Waschbrettarme, Wäsche würde nie ein Problem für mich sein.
Heute sitze ich in der Küche und denke darüber nach, ob ich mir den Traumascheiß runterratschen könnte, wie das Außen einer Karotte.

Wir sind seit mehr als einer Woche zu Hause. Alleine. Wir haben zu oft weder gesprochen, noch in Worten gedacht. Nicht mal beim Schreiben ehrlich gesagt.
Es tut uns nicht gut. Nicht so. Das alleinsam sein, obwohl man in der Schule sein oder wenigstens etwas für die Schule tun müsste. Wir würden mehr für die Schule machen, müssten wir nicht mehr dahin. Komisch, aber isso.

Heute sind wir in der Schule verabredet, um zur Schule zu gehen, aber keine Schule zu haben. Nur lernen. Keine Schule. Das geht. Glaub ich. Die Starre ist noch nicht wieder da. Ich habe keine Angst, fühle mich nur bedrängt. Unsicher, weil ich nicht weiß, was ich erwarten kann. Neben dem, was ich erwarten muss und mir schon beim Gedanken daran die Überforderungsübelkeit in den Bauch rauschen lässt.

Hätt ich eine Mutti würd ich sie fragen, ob sie mit mir kommt. Mir die Hand hält, mir das Gefühl gibt sicher zu sein. Ganz generisch. Hab ich aber nicht. Nicht mehr und eh nie so. Wär meine Mutter hier, wüsste von all dem, sie würde sagen “Nu komm.” oder “Nu mach” und ihren Kopf in einer vagen Bewegung durch die Luft schwenken wie so ein Weihrauchdings in der katholischen Kirche.

Ich weiß nicht mal wovor ich Angst habe. Niemand da sieht mich so jung und nichtig, hilflos, ohnmächtig, wie ich mich fühle. Sie sehen mich als Erwachsene und gehen entsprechend mit mir um. Sie wissen nicht, dass sie mich damit überfordern. Nicht, weil ich in Wahrheit ein Kind bin, sondern weil mich von einem Kind in vielen Dingen nur das Alter unterscheidet.

Wie oft habe ich mich früher nach solchen Schulverquerungen verletzt, um mich selbst davon zu überzeugen, wie wirklich schwach, verletzbar, grundfest unsicher ich tatsächlich bin. Wie wirklich unerträglich die Dissonanz, die Inkongruenz zwischen dem ist, wie ich auf andere Menschen wirke und dem, wie ich bin.
Komisch, wie ich heute vor allem diese Gefühle von Verletzlichkeit und profunder Eigentlichgarnichtsicherheit aus mir rausschneiden will.

9 Uhr 22. Der Heizungsmensch war da. Die Wohnung wird wieder warm.
In einer halben Stunde muss ich los.
Die Reibe bleibt wo sie ist.

Autismus, Trauma, Kommunikation #7 oder: Drogen und Psycho(trauma)therapie

Die taz hat am 2. Februar einen Text zu Drogen, speziell Halluzinogenen, in der Psychotherapie veröffentlicht, den wir mit großem Interesse gelesen haben.
In dem Text wird auf die Geschichte der Stoffe, die Behandlungserfolge und –risiken eingegangen und aufgezeigt, dass die Forschung weitergeht. Klein und spezifisch, aber immerhin.

Für uns persönlich ist klar, dass wir konkret diese Art der Drogen nicht nehmen können, ohne mit Scheiße rechnen zu müssen. Wir haben vor, während und nach Gewalterfahrungen Medikamente/Drogen/Zeug bekommen, die uns heute die Einordnung und Erinnerung der Erfahrung als lineares Geschehen, das real vielleicht so – vielleicht aber auch anders – total erschwert.

Hier meinen wir auch nicht nur illegalisierte Drogen. Schon stärkere Schmerzmittel als Ibuprofen erschwerten damals die Einordnung, wie schlimm es denn nun wirklich war. Es hat ja gar nicht mal so weh getan – eigentlich hat sich alles irgendwie dumpf angefühlt? – hm – war das denn jetzt Gewalt, wenns weder weh getan hat noch eindeutig schlimm war?

Als Jugendliche_r und junge_r Erwachsene_r haben wir eine Dauermedikation mit Tranquilizern und Antidepressiva gehabt. Die Gewalterfahrungen, die wir in der Zeit gemacht haben, sind alle mehr oder weniger dumpf verwattet im Nebel. Auch, weil wir zu der Zeit Drogen/Zeug/Medikamente geschenkt gekriegt und auch auch genommen haben. Weniger, weil wir wussten, dass wir damit gar nicht mal so merken würden, was mit uns passiert, sondern, weil es zu dem Zeitpunkt schon die Routine war. Also ein Teil der Gewalterfahrungs-/Traumakette und einfach dazugehört hat.

Körperlich und psychisch abhängig, waren wir in der ganzen Zeit jedoch nur von zwei Dingen: Tavor und Zopiclon.
Medikamente, die uns jahrelang verschrieben wurden, um mit den Traumafolgen besser umgehen zu können, weil es keine andere Option gab. Die hätte nämlich 24/7 und 1:1 unterstützte Reorientierung bei intensiver stationärer Traumatherapie mit weiterführender Arbeit in familienähnlichem sozialem Gefüge im Anschluss sein müssen. Aber woher nehmen, wenn von nirgends gegeben?

Trotzdem haben wir schon öfter darüber nachgedacht, dass wir manchmal bekifft in unserer Therapie weiter kommen würden als jetzt. Nicht, weil es uns irgendwie verbessern würde. Eher, weil wir bekifft weniger gehemmt sind und uns das Sprechen erheblich leichter fällt. Die paar Male, die wir gekifft haben, war zu Sprechen und Dinge zu sagen, nicht das bewusste Handeln, als das wir es im Alltag erleben, sondern mehr das, was wir unter “intuitives Interagieren/Kommunizieren” verstehen.

Wir hatten auf THC nie Fressflashs, Lachattacken oder – aber das kommt ja eh erst bei längerem Konsum – diese spezifische Kiffdumpfheit, bei der man nicht mehr von Dingen, Menschen oder Momenten emotional erreicht wird. Wir waren auch nie “breit” oder so. Wir waren einfach nur enthemmt, entkrampft und hatten einen normalen Muskeltonus – waren also noch nicht mal “entspannt”, sondern einfach “mittel” – um es zu bemühen: Ja, “normal”.

Durch eine Therapeut_innenbrille könnte man sich fragen, ob wir uns denn nicht sicher fühlen in der Therapie mit unserer Therapeutin. Ob wir denn bei ihr nicht richtig im Hier und Jetzt orientiert sind, weil das ja einzig das Ding dabei sein kann, dass wir gehemmt sind, über Dinge zu sprechen. So sehr, dass wir manchmal denken, bekifft zu sein würde helfen, das zu überwinden.

Dem können wir nur sagen, dass wir durchaus entspannt sind in der Therapie. Für unsere Verhältnisse mega entspannt, denn wir können da sitzen, können da zuhören, mitdenken, in uns reinfühlen, uns reflektieren und mehr oder weniger konstant auch verbal äußern. Für uns ist das das Maximum an Entspannung und Chill, den wir mit anderen Menschen im Raum, in relativer Nähe erreichen können.
Schon, dass wir bei der Therapeutin, die wir jetzt haben, nicht immer wieder selbstschädigendes Stimming brauchen, um arbeiten zu können, deutet auf unsere Entspannung hin.

Entspannung ist aber nicht das Gleiche wie Enthemmung.
Und Vertrauen ist auch nicht alles, was Hemmungen abbaut bzw. auflöst.

Was uns in der Therapie hemmt sind viele Dinge gleichzeitig. Klar, manches ist total nachvollziehbar. Scham zum Beispiel. Glaubenssätze, die man so für sich hat, so weit weg von der ‘Normalität’ und dem Außen, dass man sich fürchtet, dass sie lächerlich, unverständlich, peinlich oder für die Therapeutin ängstigend sein können.
Oder auch einfach, die zuweilen absolut bizarre Krassheit des Erlebten an sich. Klar, ist da eine Hemmung damit rauszukommen.

Für uns steht das aber noch nicht mal im Vordergrund.
Für uns geht es mehr darum diesen Sprung zu machen vom Inneren zum Äußeren. Also von etwas, das wir mehr oder weniger gut fühlen, greifen und als uns zugehörig erleben können, zu etwas, das wir nach außen geben. Denn weil da noch jemand anderes draufgucken und selbst benennen kann, wird es für uns total schnell zu etwas, das wir nicht mehr benennen und mit uns selbst verbinden können.

Dazu muss man verstehen: Wir erarbeiten uns das, was in uns vorgeht. Um zu wissen, was wir fühlen, müssen wir ein zwei Schritte mehr machen als “fühlen und benennen”. Um zu wissen, was wir denken, glauben, meinen, müssen wir auch mehr machen, als uns mit etwas zu befassen und das mit unseren Werten abzugleichen.
Zum einen müssen wir dissoziative Brüche umgehen oder verbinden – zum anderen müssen wir unsere exekutive Dysfunktion und Alexithymie kompensieren.

Das bedeutet, dass wir Dinge, die wir erinnern oder über Erinnerungen fühlen, erst einmal bewusst als solche identifizieren müssen.
Da ist die Traumaebene, in der dazu gehört, dass wir Rosenblätter zum Beispiel oft eher denken, brutale Scheiße geträumt zu haben, weil wir diese Traumata nicht erinnern und erst merken, dass es eine Erinnerung ist, wenn nach und nach noch mehr Stücke davon einfallen, obwohl man wach ist.
Dazu gehört die Dissoziation, die oft die zur Erfahrung gehörenden Gefühle (und Innens) von uns abtrennt. Das führt dann dazu, dass wir manchmal nur die Bilder oder nur die Gedanken oder nur die Gefühle wahrnehmen, aber keinen sinnhaften Kontext bzw. ein lineares Erleben daraus ablesen können.

Da ist die Ebene der Alexithymie, die dazu führt, dass wir viel Zeit der Auseinandersetzung und des Prozessierens brauchen, um Gefühle von Körpergefühlen getrennt zu ordnen, mit uns in Verbindung zu bringen und dann mit Worten abzugleichen – um dann noch immer nicht sicher darin zu sein, ob die Worte, die für uns allein im Inneren passend sind auch nach Außen passend im Sinne von verständlich oder nachvollziehbar sind.
Was zu erkennen für uns enorm schwierig ist, denn die meisten Menschen (und unsere Therapeutin ist einer) sind von uns was ihre Gefühle angeht, kaum zu lesen. Wir erschließen uns die Gefühle von anderen Menschen durch Überlegungen zu ihrer Wahrscheinlichkeit im Kontext mit dem, was wir sicher von ihnen ablesen können. Auch wieder ein bewusster, zielgerichteter Prozess, der manchmal auch beeinflusst von traumabedingten Annahmen, Ideen, Ängsten passiert und also doppelt passieren muss, um die Orientierung in Zeit und Raum zu gewährleisten und der Realität zu entsprechen.

Und da ist die Ebene der exekutiven Dysfunktion, die genau das – alle diese Prozesse – als überfordernd, überflutend, überreizend im schlimmsten, als enorm anstrengend und fordernd im üblichen Fall empfinden lässt.
Auf der Ebene brauchen wir klare Strukturen, permanente Ein_Ordnungshilfen und ein Ziel bzw. einen Sinn am Ende. Wir müssen wissen und bewusst gehalten bekommen, wofür was zu fühlen und zu benennen relevant und wichtig ist. Wir müssen wissen, worüber wir in der Therapie zum Beispiel sprechen und innerhalb welcher Struktur.

Den meisten Menschen ist das viel zu kalt, unemotional und beengt. Deshalb unterstützen die wenigsten uns darin. Das bedeutet für uns einen ganzen Organisations- und Ordnungskosmos in unserem Kopf, der allein bei und für uns passiert. Auch in der Therapie.
Das ist nicht schlimm oder falsch – es ist einfach so und für uns etwas, das uns in manchen Bereichen sehr hemmt.

Denn da die Ordnung nicht im Außen ist, muss sie in uns erhalten bleiben – auch dann, wenn wir uns eigentlich Traumainhalten widmen und daran arbeiten wollen. Was aber wiederum häufig mit unkontrollierbaren (reflexhaften) Gefühlstürmen, Bilderfluten oder plötzlich auftauchenden Gedanken und Innens einhergeht und damit genau das erschwert bis verunmöglicht, was uns halbwegs ‘normal’ erscheinen lässt.

Wenn wir hier von Ordnung und Organisation sprechen, meinen wir niemals eine Kategorisierung in gut oder schlecht, angemessen oder unangemessen. Auch ein gern genommenes Missverständnis aufgrund unserer Traumatisierung. Wir machen das nicht, um uns in traumabedingte Anpassungsleistungen zu zwingen. Wir machen das, um die ganz banale, profane, basale Alltagslage auf die Reihe zu kriegen.
Um sowas zu merken und benennen zu können wie “Ich habe Spaß am Malen”, “Ich mag Flausch, das fühlt sich gut an für mich”, “Hier, wo ich sitze, fühle mich mich gut. Ich fühle mich hier gut, weil sich dieses und jenes gut für mich anfühlt.”, “Ich fühle mich überfordert von der Aufgabe XY. Ich fühle mich überfordert, weil X und Y für mich nicht übersichtlich und verständlich sind.”

Die Notwendigkeit das so machen zu müssen, hatten wir schon immer und wir haben sie verstärkt, seit wir uns in sozialen Kontexten bewegen, in denen man auf die Gefühle anderer Menschen Rücksicht nimmt, sie von einander wissen will, soll, muss, kann und darf. In der Herkunftsfamilie war das nie Thema. Außer irgendeine Missachtung war zufällig Auslöser für Gewalt – aber die Auslöser waren in dieser Familie eh nie übersichtlich vorhersehbar oder abwendbar für uns, also ist das nicht sonderlich ins Gewicht gefallen.
Und wir haben die Notwendigkeit verstärkt seit wir in Therapie sind. In Gesprächstherapie, wo es Dreh- und Angelpunkt ist, Gefühle zu benennen, in Kontext zu setzen und zu prüfen. In unserem Fall darauf zu prüfen, ob sie von traumabedingten Reflexen herrühren oder nicht.

Phu.
Langer Schwall der Erklärung. Vielleicht hätte ichs auch kürzer aufschreiben können. Zum Beispiel so:

Was uns hemmt ist unsere Art zu funktionieren. Sie ermöglicht uns einerseits, überhaupt in die Therapie gehen und arbeiten zu können – andererseits bedeutet genau das, dass wir nie so dysfunktional wie wir eigentlich sind, in der Therapie sind und damit auch nie wirklich an den Punkt kommen, wo Innens und damit auch deren Traumainhalte oder –erinnerungen, die wir nicht quasi ins Außenfunktionale reingeordnet und benannt bekommen, wenigstens benannt werden können.
Das ist kein “Uh wir wollen uns nicht peinlich machen und die Kontrolle nicht verlieren” Eiertanz, den wir an anderen Stellen so oft hatten und manchmal noch haben.
Das ist ein “Da ist was – ich weiß nicht was – ich kann nicht absehen, was das bedeutet – ich weiß überhaupt gar nichts dazu – wir lassen das so wie es ist”-Krampf, der uns immer wieder von uns selbst trennt.

Bekifft haben wir diese Trennungsgefühle nicht. Weder zu dem, was wir sagen, noch zu dem was wir nicht sagen können. Ähnlich wie unsere Bedarfsneuroleptika (von denen man ja bis heute auch nicht weiß, wie genau sie wirken btw) kleistert uns die Droge emotional zusammen. Unsere Dissoziationsneigung vor Überforderungsgefühlen durch Emotionen und die Notwendigkeit sich damit zu befassen, ist weniger stark ausgeprägt in dem Zustand.
Schon deshalb würden wir uns mehr Forschung zu Drogen und ihren Wirkungen auf neuroatypische (sprich depressive, suchterkrankte, schizophrene, traumatisierte, autistische, * ) Menschen sehr wünschen.

Zum einen, weil wir natürlich gern eine informierte Entscheidung zu Pro und Contras einer solchen Therapieunterstützung treffen würden, zum anderen jedoch auch, weil wir denken: The Fuck ja – man hat sich schon beim Ausdenken der verschiedenen Therapieformen keine bzw. kaum Gedanken über die kognitiven Vorleistungen, die Patient_innen machen müssen, um Behandlungssettings und ihren Anforderungen zu entsprechen, gemacht, dann kann man sich doch wohl jetzt mal Gedanken darüber machen, warum Drogen zusätzlich zur üblichen Therapie manchen Leuten helfen und manchen nicht. Von mir aus auch in Korrelation dazu, wie gut eben jene zusätzliche Therapieform ist oder auch nicht.

In dem Artikel der taz werden die Drogen als Mittel zu schnellerem Zugang zum Unbewussten und generell als etwas beschrieben, das möglicherweise eine (Trauma-) Therapie beschleunigen – oder vielleicht sogar unnötig machen kann.
Halten wir für einen Trugschluss.
Einfach schon, weil alles immer therapeutisch im Sinne von “verändernd” wirkt. Ob das nun eine wöchentliche Sitzung in einer psychologischen Praxis ist oder eine bestimmte Routine, die man verändert, weil sich das grad irgendwie so ergibt.

“Therapie” ist nicht ausschließlich psychotherapeutische Heilungsarbeit oder medizinische Behandlung mit dem Ziel der Verbesserung eines wie auch immer gelagerten Zustands.
”Therapie” ist auch, wenn man sich allein oder mit anderen zusammen über etwas auseinandersetzt, das dann so mittel viel hilft oder nur einen kleinen Aspekt anders sehen lässt. “Therapie” ist auch baden gehen, wenn man dreckig ist, weil man dreckig ist und sauber sein möchte.

Um im Bild zu bleiben: Ich denke, wenn Leute sagen, dass sie glauben ein Schwamm oder eine Seife könnte ihnen helfen schneller/anders/besser/gezielter sauber zu werden, dann sollten sie lieber einen Schwamm oder eine Seife erhalten über die man schon viel geforscht hat, als sich viele Jahre mit Wasser behelfen zu müssen. Oder Wasser und einer Imagination von einem Schwamm.

In diesem Sinne: yeay Forschung zu Drogen als unterstützendes Mittel in der Psycho(trauma-)therapie!

25 und 26

Ich sollte nicht davon erzählen. Besonders jetzt nicht, wo wir bald ein Buch veröffentlichen und schon jetzt mehr Menschen deshalb auf diese Seite kommen.
Ich sollte sowas nicht erwähnen. Nicht hier.
Ich sollte an meinem Image arbeiten. Mir mal langsam eins machen, das über den Zufallsgenerator der Perzeption und dem Glücksspiel der Rezeption hinausgeht. Ein Bild von mir, von uns, das zeigbar ist. Sympathisch, nett, interessant, angenehm. So wie man Menschen einfach gerner hat.

Trotz aller Beschäftigung damit, verstehe ich nicht so richtig, wofür so etwas gut sein soll. Image. Gutes Image durch Bildpräsentation.
Das ist nicht die Realität. Das ist nicht echt, aber unheimlich anstrengend. Das ist wie die Erschöpfung nach 6 Stunden Sims 3 mit 8 Familienmitgliedern, davon 6 Kleinkinder und Babys: viel Zeit, viel Kraft – für nix außer den Moment.
Vielleicht ist der Moment sehr wichtig, okay. Aber danach kommen auch noch Momente. Und im Gegensatz zu den Pixeln, denen ich Namen gebe, um sie in eine Geschichte zu verwickeln, bin ich ja auch noch viele Jahre da. Auch nach dem Moment.

Ich sollte nicht erzählen, wie ich in der Schule einen Mitschüler angeschrien hab, dass er sich in sein dummes Knie ficken soll. Weil er ein überheblicher weißer linker Mackerdude ist, dessen verdrogtes Hirn seine Arroganz in unerträgliche Ausmaße verstärkt und, der einfach nur zum Nerven in die Schule kommt.
Ich sollte vielleicht mehr Fokus auf meinen Notenabsturz in dem Fach legen, seit dem Lehrerwechsel, dem absolut ungünstigen Stundenplan. Vielleicht anschaulicher machen, was für ein Alptraum sein absolut sinnbefreites und zuweilen menschenverachtendes Gelaber während des Unterrichts in_jedem_einzelnen_Fach_ für meine Kraftressourcen ist. Vielleicht darüber schreiben, wie es ist, um 5 Uhr morgens aufzustehen, um keine 3 Stunden später alles und jeden wie auf blanke Nervenenden auftreffend wahrzunehmen und an nichts anderes mehr denken zu können als an das, was die Leute jedes Mal sagen: Bleib ruhig – Entspann dich – Reg dich nicht auf – und früher reingeprügelt haben: HIER WIRD NICHT GEHEULT

Es ist eine beschissene Situation, denn Aggression wird so oft entschuldigt, dass auch das als Entschuldigung gelesen werden würde. Dabei gibt es daran nichts zu entschuldigen. Wir haben keine Schuld auf uns geladen. Wir haben ihm gesagt, was er hören wollte – haben auf seine Forderung, ihm ins Gesicht zu sagen, was wir denken, reagiert. Dass diese Wahrheit gewaltvoll und aggressiv ist, liegt in der Natur der Wahrheit. Wahrheit ist nicht zart flauschig und lieb. In der Regel ist Wahrheit brutal, schmerzhaft und abstoßend. Sicher hätten wir eine prosozialere Performance machen können, aber was ist das für ein Anspruch vor dem, was ich in dem Moment überhaupt noch leisten konnte. Mal abgesehen davon, wollen wir mit ihm möglichst überhaupt nicht sozial sein.

Ich war froh, nicht vor ihm und der ganzen Klasse geheult zu haben. War froh nicht schon 20 Minuten vorher vor lauter Frust- und Ohnmachtsgefühlen geheult zu haben. Wenigstens eine Weile dem folgen zu können, was mir früher wie heute als einziges regelmäßig reingedrückt wird: ruhig bleiben, als wär nichts von dem, was da in mir vorgeht real, schmerzhaft oder so unaushaltbar wie es am Ende nun einmal doch ist.

Wir sind kein Mensch, der bei jeder sozialen Belastung gleich anfängt Leute anzubrüllen oder überhaupt aggressiv auftritt. Wir sind auch nicht absolut unfähig, mit Stress und Belastung umzugehen. Oder mit Leuten, die wir nicht mögen. Oder mit Leuten wie ihm.
Es sind diese mehrfach beschissenen Ohnmachtslagen in Kombination mit Schmerzen, die keine Aussicht auf Lösung oder Ende haben.
Es sind Situationen, die in ihrer Struktur unserer Traumatisierung so extrem ähnlich sind.

Ein Stundenplan, der nicht zu ändern ist, Lehrer_innen, die hilflos und also handlungsunfähig sind und alle Verantwortung und Aushalteparolen der Welt auf uns abladen. Ein Begleitermensch, der seit Monaten nicht erreichbar ist. Absprachen und Hilfen, die mit dem Weggang der alten Klassenlehrerin nicht mehr eingehalten bzw. gegeben werden. Das Gefühl von allen reingelegt und verlassen worden zu sein, obwohl wir allen gesagt haben, dass wir das alleine nicht schaffen. Obwohl wir verdammt nochmal wirklich alles, darunter auch Dinge, die an unserem Würdegefühl gekratzt haben, gemacht haben, damit das alle begreifen. Damit genau das nicht passiert.

Und dann der Schmerz.
Für den sind wir allein verantwortlich. Wir müssten früher gehen, öfter nicht da sein, Situation nicht er_leben, um ihn so ertragen zu können, dass wir immer lieb, ruhig und artig sein können. Wir müssten weniger leben, um ihn nicht zu spüren. Oder ein weniger schmerzverursachendes Umfeld haben.
Man hat uns schon oft vorgeworfen uns zu oft zu verkriechen, im eigenen Kleinklein zu bleiben. Oft, weil man nicht so recht glauben kann, das Geräusche, Sprechen, Interagieren auch Schmerzen verursachen kann. Und meistens, weil man die Verbindung zwischen Schmerzen, die wir heute haben und dem Schmerzgedächtnis für Schmerzempfinden aus lebensbedrohlichen Gewalterfahrungen früher in unserem Leben, nicht so recht begreifen kann.

Ich erwähne den Schmerz, weil ich denke, dass das etwas ist, das die meisten Leute nachvollziehen können. Alle hatten mal krasse Zahn-Kopf-Glieder-Körperschmerzen in ihrem Leben. Alle wissen, wie man dann drauf ist. Alle wissen, wie viel zu viel in so einem Moment so ein “Psst!-Nu bleib ma ruhig”- Anspruch ist. Nicht, weil man ein böser Mensch ist oder irgendetwas in einem selbst als Person macht, dass man in diesem Zustand “böses” tut, sondern, weil das eine Möglichkeit von vielen ist. Unser Spektrum reicht von Dissoziation zu absolutem Hyperfokus zu psychosomatischen Phänomenen wie vorübergehender Blind- und/oder Taubheit zu Sprechunfähigkeit zu Anschreien bzw. Rausschreien, was ist. Die meisten dieser Reaktionen kriegen die Menschen um uns herum nicht einmal mit. Und das ist ja der ganze Witz.

Jemand, die_r leidet ohne Ende, Hoffnung und Kraft – aber in sich selbst implodiert und “unsichtbar dysfunktional” ist, wird nie für “böse” gehalten oder für unsozial oder was weiß ich. Solche Leute werden für fähig gehalten mit Stress umzugehen. Ihre Anwesenheit gilt als angenehm, weil nicht störend, da auf Störung hinweisend.
Wer davon abweicht, ist der letzte Arsch, nicht ganz dicht, Täter_in, Aggressor_in, störend und die Person, der man mit aller Macht sagen muss, dass sie doch bitte ruhig sein soll. Unabhängig davon wie ruhig sich die Person sonst verhält. Die Ruhe zu der eine Person fähig ist, wird immer wieder unsichtbar vor ihrer Lautstärke.

Ich frag mich, ob das nicht auch so eine Form der Imagemachung ist. So ganz alltäglich.
Du lernst einmal jemanden kennen und hast vielleicht insgesamt 5 Tage mit der Person verbracht, aber wenn sie dann in den letzten gemeinsamen 2 Stunden etwas macht, was anders ist, dann behälst du sie als so anders in Erinnerung. Dein Bild von ihr verändert sich dahingehend und das wars dann. Nie wieder wirst du die Person so sehen wie vorher. Viel mehr wirst du dein früheres Bild von der Person als Illusion oder Lüge abtun, anstatt dich der Realität zu stellen, in der Menschen einfach mehr sind als das Bild, das du dir von ihnen gemacht hast. Und vielleicht sogar weiter trägst., wenn du so ein Mensch bist, der anderen Leuten keine eigenen Bilder erlaubt oder erlauben oder zumuten will. Als ginge dich das irgendetwas an.

Mein Leben hat diese Realität.
Das Zerfallen und ganz klassische Opferding voller Leiden und Not und das Explodieren, das so oft Täter_innen zugeordnet wird, obwohl es ein ganz genauso reales Opferding ist. In den Diagnosekriterien der PTBS wird das unter “Reizbarkeit” verwurstet. Es gehört dazu. Ist eine Dimension wie die Dissoziation, der heutige Schmerz als Trigger für früheren Schmerz und so viel mehr.

Ich  weiß, ich sollte hier von gar nicht schreiben. Denn Mehrdimensionalität, Komplexität ist schwer. Schwerer als ein Abziehbild in 2D.
Aber mein, unser Leben ist schwer. Ist komplex.
Weil es real ist. Weil wir real sind.

24

In dem Fach mit ~dem~ Lehrer wird es eine 3 zum Halbjahresende. Meinen Frust darüber merke ich, wie durch dickes Eis. Ich bin müde. Hatte gestern einen Durchfall-Bauch- und Magenschmerztag mit viel liegen, etwas arbeiten, etwas dissen. Heute morgen kam ich zur Schule und dachte nur: Der kann mich nicht mal, so sehr will ich mir die Probleme mit ihm egal sein lassen.
Es soll mich nicht berühren. Nicht so. Nicht dafür. Es ist so egal.
Er wird es einfach nicht mehr raffen. Ich behalte meine Kraft.

“… Das, was du da hast … diese ~Krankheit ..?” Ich bin eiskalt. Es berührt mich nicht. Es trifft mich. Ich bin kalt kalt kalt. An meinen Rändern stapeln sich die Eiskristalle zu langen spitzen Stacheln, um die Entfernung zwischen ihm und mir zu füllen. “Behinderung” denke ich. “Sag doch einfach Behinderung, meine Fresse, das ist kein böses Wort, bedeutet nichts schlechtes, ist nicht ansteckend. Nenn es einfach beim Namen.”

Nichts. Ich lasse das wegplätschern. Ist egal. So egal.

Die Lehrerin in dem Fach hat mir heute gesagt, dass wir die praktische Prüfung von 6 Stunden in einem Rutsch, in 2 Teile von je 3 Stunden aufteilen. Enthinderung. Wunderbar.
Nachteilsausgleich, was bist du für ne geile Scheiße.

21

“Nichts macht mich produktiver als die 5 Minuten vor der Deadline.” Das steht sinngemäß auf einer Karte, die ich neulich bei Twitter geteilt hab und könnte eigentlich auch in Bewerbungen von mir zu lesen sein.
Ganz so schlimm ist es dann aber doch nicht. Nicht immer.
Eigentlich immer nur, wenns drauf ankommt.
Auf mich. Alleine. Für irgendjemand anderen oder ein bestimmtes Ergebnis.

Dann verliere ich nämlich den Überblick, schaffe es nicht mehr, mich zu sortieren. Das überflutet mich, dann krieg ich Angst und dann… naja dann arbeite ich viel an Projekten, die weder Geld einbringen, noch irgendwas (für die Zukunft) bedeuten. Oder spiele Sims 3. Oder habe eine super aufgeräumte Wohnung mit top zusammengelegter Wäsche, staubgewischten Oberflächen und einer Küche, die bereit für eine Nierentransplantation ist.

Währenddessen gehts mir schlecht, denn ich weiß, ich sollte das nicht tun. Ich sollte arbeiten. Sollte etwas schaffen. Doch selbst wenn ich mich dann dran setze, ist mein Kopf leer, der Überblick kommt nicht zurück, die Fähigkeit, überhaupt eine Idee zu entwickeln, wo man wie anfangen könnte, ist einfach nicht da. Mit anderen Menschen über diese Arbeit zu sprechen, hilft mir dann oft auch nicht. Denn die meisten Leute wissen nicht, was ich da mache. Sie wissen nicht, worum es geht, verstehen nicht, was mir fehlt, um erklären oder einfach anfangen zu können.

Wenns richtig schlimm ist, kann ich in der Zeit nicht sprechen. Also “kann” kann ich nicht sprechen.
Mein Mund funktioniert, aber es kommt nichts raus, weil nichts auf der Wort-Aussprech-Abschussrampe liegt. Meistens dann wegen Lieferschwierigkeiten, manchmal aber auch weil die Sinn-Wort-Produktion erheblich erschwert ist. Das ist der Scheiße-Jackpot jeder Auftragsphase. Heute aber auch das Signal für mich, an dem ich weiß: Ich muss meinen Auftrag klären, muss mir sagen lassen – mir richtig Schritt für Schritt sagen lassen, was von mir erwartet wird.
Was zu wann zu machen ist, was wie sein soll, weshalb was wie geplant ist und so weiter. So, als wäre ich bei der Auftragsvergabe nicht da gewesen und hätte keine Ahnung.

Das hilft mir dann meistens. Alles nochmal hören, jeden Schritt aufschreiben können, fehlende Stücke ergänzen. Und dann wird meistens klar, weshalb ich in die Leere gerutscht bin: Unverständnisse oder Mehrdeutigkeiten
Gerade in meiner Ausbildung, in der es viel die Beschreibung von Gestaltung geht, passiert mir das immer wieder.
Ich kann nicht viel damit anfangen, wenn in einem Auftrag zum Beispiel steht: “Die Broschüre soll Jugendliche ansprechen”, denn ich kann die Broschüre nur gestalten, nicht aber ihr Sprechen beibringen. Ich weiß natürlich auch, dass damit andere Dinge gemeint sind – ich weiß aber auch, dass es eine Fülle von anderen Dingen bedeutet, die damit gemeint sind. Ja, und auf welche soll ich jetzt dabei achten? Fragezeichen. Leere. Keine Ahnung. Denn es gibt Millionen von Jugendliche und unzählige Arten der Ansprache, die in ihnen Interesse auslöst. Woher soll ich wissen, welche die richtige ist?

Viele Leute, mit denen ich über diese Problematik gesprochen habe, beschreiben ihr Entscheidungsverfahren mehr oder weniger als Sprung ins kalte Wasser. Sie würden einfach drauf los machen. Und irgendwie wär das dann auch schon immer gut.
Das würd ich auch gern können. Einfach so drauflos machen können, ohne Vorüberlegung oder Idee, wie es aussehen soll am Ende.

Am Wochenende hatte ich einige Konzepte für die Schule zu schreiben. Eins für eine Broschur, eins für einen Film zum Thema Sucht und eins für einen Auftrag über das Design einer Verpackung. Deadline: heute bzw. Mittwoch
Folgerichtig habe ich eine Sims 3 – Großfamilie entstehen lassen, hab meine Wohnung auf Vordermann gebracht und war so oft draußen, wie es mein Erkältungskreislauf mitgemacht hat. Ein Konzept habe ich an dem Wochenende geschafft. Das, was am Mittwoch fällig ist.

Gestern Abend, mittlerweise im Frieden damit, die reguläre Deadline nicht zu schaffen, habe ich mich dann gefragt, ob Prokastination für mich eine Form des Umgangs mit der exekutiven Dysfunktion ist. Also nicht “aufschieben” im üblicherweise gemeinten Sinne, sondern eher “wegschieben, damit nötige Prozesse Platz haben können”. Denn ja, ich hatte den Druck, dass ich etwas tun müsste, ich hatte aber auch das Gefühl, dass ich mich während meiner Quatschhandlungen trotzdem noch damit auseinandersetze, wie ich was machen könnte. Hier und da – völlig random – sprenkelten sich Ideen ein, die mir dann heute in der Schule dabei halfen, meinen Ideen und Plänen genug Struktur zu geben, um sie selbstständig weiterführen zu können.

Ich bin fristgerecht fertig geworden. Habe einfach irgendwas gemacht. Bin in Wasser gesprungen, über das ich mir genug Gedanken machen konnte. So viel, wie in der gegebenen Zeit eben möglich war. Bin ich damit zufrieden?
Nein. Denn es ist Produktivität, die ich damit bewiesen habe. Nicht Qualität, die ich geliefert habe.

Für manche Menschen ist der Anspruch zu hoch. Auch viele in meiner Klasse lassen diesen Aspekt irgendwann sausen, weil es letztlich nur noch darum geht, etwas abzugeben, um eine 6 zu verhindern. Ich finde das nicht gut und denke mir, dass das doch auch nicht ist, worum es bei unseren Arbeitsaufträgen geht. Andererseits wollen die Arbeitsaufträge auch nicht wissen, wie viele mögliche Optionen man zur Umsetzung sieht. Sie fordern eine Option, ohne für mich klar zu sagen, welche. Das ist ganz schön schwierig.

Ich bin gespannt darauf, wie es später mal in einem beruflichen Setting läuft.
Bisher konnten wir immer alles einfach besprechen und besprechen und bereden bis wirklich alles klar war. Aber was ist, wenn wir mal einfach nur liefern sollen? Wenn wir einfach nur produzieren sollen und die Qualität vorausgesetzt wird.

Fragezeichen.
Angst.
Überflutung.
Zukunftsgedanken-Angst-Kreisel.

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Ein Aspekt, der in solchen Situationen auch immer wieder untergeht ist, weshalb wir überhaupt ständig so ein Kanarienvogel werden. Es gibt Menschen, die uns immer wieder antragen, dann doch einfach nichts zu sagen. Und es gibt Menschen, die glauben, dass wir dann immer etwas sagen, weil wir so mutig und stark sind. Oder weil wir ein bisschen Stunk machen wollen. Weil wir Regeln ablehnen und generell keine Autorität anerkennen wollen.

Alles Quatsch und tragisch schlimme Missachtung dessen, was wirklich bei uns vorgeht.

Würden wir keine Verantwortung tragen müssen (aka Würden wir zu anderen Zeiten leben), würden wir keinerlei direkten Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen. Selbst dann nicht, wenn wir sehr krank wären oder in irgendeiner anderen Not.

Wir gehen zur Schule, weil wir müssen. Weil man sich die Grundversorgung in unserer Gesellschaft erarbeiten und also verdienen muss. Wir waren in Betreuung, weil wir mussten. Weil man Verantwortung für sich und die eigene Bürokratie begleitet erlernen muss, will man zukünftige Entwicklungen selbst schaffen. Wir haben erste Freund_innenschaften geknüpft, weil wir mussten. Wir brauchten Leute, die bemerkt hätten, wenn man uns wie immer wieder angedroht, getötet hätte.

Heute haben wir Freund_innen, die damit zurecht kommen, überwiegend über dieses Blog, Twitter und Messenger mit uns in Kontakt zu sein. Indirekt also. Sehr selten und meist sehr konkret über eine Sache verbunden auch direkt.

Was uns in unseren heutigen Menschenkontakten immer wieder zum Verhängnis wird ist, dass wir aufrichtig daran interessiert sind die Dinge zu tun, die uns aneinander binden. Wir gehen nicht zur Schule, weil man uns zwingt und dann sitzen wir da unsere Zeit ab und alles ist uns egal. Wir gehen dahin, weil wir gezwungen sind, mit etwas da raus zu gehen. Und um das zu kriegen, müssen wir Lehrer_innen gut zuhören, ihren Anweisungen folgen und in uns so transformieren, dass wir am Ende auch kriegen können, was wir wollen. Den Abschluss.
Wir hören ihnen also zu. Wir sind also aufrichtig daran interessiert, was sie uns sagen. Und wir machen auch wirklich so gut wir können das, was sie uns sagen.

Das ist an sich schon mal irritierend für die meisten Berufschullehrer_innen. So hohe Eigenmotivation und Interesse an der Sache erleben sie nicht oft. Bei manchen habe ich auch den Eindruck, dass sie überhaupt keinen Umgang damit haben, einfach so anerkannt zu sein als jemand, die_r etwas beibringen kann und also auch soll. Dass sie wirklich und echt einfach so anerkannt werden – auch ohne soziales Rumgebuckel, Geschleime oder andere soziale Täuschungsmanvöver – und angesprochen werden wie Leute, an die man ganz selbstverständlich auch Dinge wie bessere, konkretere Erklärungen abverlangt, gerade, weil das ihr Job ist.

Einerseits ist das total traurig und andererseits total normalisiert.
Eine der üblichen Alltagsdissonanzen, die wir wir bis heute nicht verstehen. Status wird über Fähigkeit und Funktion definiert, aber Funktion und Fähigkeit zu fordern, gerade, weil das so ist, ist falsch, gilt als stark und mutig, frech, machtkritisch … manchmal aber auch als naiv und zu belächeln.

Wir kommen über dieses Nichtverstehen nicht hinweg. Vor allem nicht, weil das so besteht und es niemanden stört bzw. von niemandem sonst auch als Dissonanz eingeordnet wird.

Wir geraten immer wieder in solche Momente, weil wir zu spät merken, dass wir wieder mitten drin sind.
Das Klinikding vor inzwischen bald 3 Jahren war so ein Ding. Sehr viele Probleme mit Lehrer_innen, Behördenpersonen und ehemalig als Freund_innen und Gemögte eingeordnete Personen gehen darauf zurück.
Darauf, dass wir sie und ihre Funktionen, ihre Rollen und alles, was sie uns sagen – dass wir unsere gemeinsame Verbindung so ernst nehmen, wie wir denken, dass man sie ernstnehmen muss und also nicht einfach sagen darf: “Ja ok mir egal/Ja ok will ne Autorität sein, obwohl sie_r sagt sie_r will ne Partner_in sein – scheiß egal/Ja ach scheiß was drauf, sind halt Lehrer_innen/Chefs_innen, is halt scheiß Schule/Arbeit…”.

Unser Fehler ist einfach diese Verbindung einzugehen und aufrichtig in dieser Verbindung zu sein.
Wir machen das nie halb oder nur ein bisschen oder mit Intensionen, die wir dann nicht offen aussprechen, weil man dann vielleicht nicht mehr mit uns verbunden sein will. Wenn wir Kontakte eingehen, dann gehen wir richtig rein.

Heute denke ich, dass wir aufgrund dieser Eigenschaft auch nur in den Ausstieg und die Ablösung von der Familie*° gehen konnten. Wir können Dissonanzen nicht ausblenden und weil wir gleichzeitig so sehr in Verbindung mit Menschen gehen, sagen wir ihnen auch, wenn so eine Dissonanz da ist. Nicht, weil wir so hammer mutig sind oder immer Kraft für die Konsequenzen haben, sondern, weil die Dissonanz da ist und es keine geben sollte, wenn alles richtig läuft. Beziehungsweise, alles richtig ist. Und dass alles richtig ist bzw. richtig läuft: das sollte in einer Beziehung/Verbindung doch im Interesse aller sein, sonst hätte sie keinen Sinn. Jedenfalls nicht für uns.

Wir benennen Dissonanzen/Unlogiken/Unstimmigkeiten, weil es solche Dissonanzen sind, die uns quälen, absorbieren und bis heute spalten, wenn wir alleine damit sein müssen. Und, weil wir einfach unser Leben lang genau damit immer allein sind.
Auch dann, und das ist, was uns regelmäßig in depressive Einbrüche bringt, wenn wir anderen Menschen davon erzählen und sie versuchen zu verstehen. In der Regel verstehen sie nämlich nicht oder kommunizieren uns ihr Verständnis immer wieder so, dass wir zu dem Schluss kommen, sie verstünden gar nichts und für uns eine weitere Runde soziale Flauschigkeit für andere Leute eingeläutet wird, damit sie ihre Intension für genug gewertschätzt empfinden plus Alleinigkeit mit dem, worum es eigentlich geht.

Das ist Spaltung. Das ist eine Dissonanz in uns. Denn nach außen flauschen wir, damit wenigstens eine Person okay aus der Situation kommt und nach innen leiden wir und prozessieren etwas, was niemand versteht, niemand sieht und niemand als anstrengende Nebenherarbeit im Alltag mitdenkt.
Wenn wir sagen, dass uns soziale Interaktion über alle Maße anstrengt, dann liegt das auch an genau solchen Nebenherprozessen, die Kapazitäten für Einfühlen, Mitdenken, Sprechen, passende Mimik und Gestik machen, Sinnbilder und Memes erkennen und decodieren, Kontakt zum Eigenen behalten, rauben.

Und wofür das alles?
Ganz runtergedampft und alle soziale Konnotation rausgestrichen: Um in einer Welt zu überleben, die so ist, wie die, in der wir gerade leben.

In früheren Menschenszeiten wären wir ein_e Einzelgänger_in geworden, sobald wir uns die groben Basics zum Überleben angeeignet hätten. Wir brauchen andere Menschen nicht, um uns draußen in der Natur/Wildnis sicher zu fühlen. Wir brauchen andere Menschen nicht, um uns selbst zu spüren. Irgendwie funktionieren wir an der Stelle einfach anders und spüren genauso sicher, dass dieser Wahrnehmung keine traumabedingte Begründung hintersteht.
Wir hassen Menschen nicht. Wir misstrauen ihnen in der Regel, wenn sie auf uns zukommen und so tun, als würden sie uns niemals schaden können oder wollen. Wir sind in dem Misstrauen bestätigt, wenn sie die Möglichkeit, dass das irgendwann, warum auch immer, mal der Fall sein könnte, vehement abstreiten. Aber das ist nicht der Grund weshalb wir von uns annehmen, eigentlich als Einzelgänger_in glücklicher, entspannter, ungespaltener zu sein.

Wir müssten einfach keine Dissoanz mehr ertragen. Und wir müssten damit nicht mehr allein sein, obwohl die Chance auf Mehrsamkeit scheinbar so so so nah ist. Wir würden unsere Dinge machen und wenn wir etwas außerhalb von uns wünschen, dann würden wir es aufschreiben.

Es gäbe keine Verbindungen mit Sollbruchstelle am gegenseitigen Verstehen mehr. Kein “So-tun-als-ob-man sie eigentlich-in-Wahrheit-ja-auch-umgehen-kann-wenn-man-nur… “

Wir wären in Kongruenz mit unserer inneren Aufrichtigkeit über den Kontakt mit anderen Menschen.
Und ja, nein, das sind wir im Moment nicht und waren es noch nie.
Einfach, weil wir in heutigen Menschenzeiten leben und wir uns dafür entschieden haben. Für die Verbindung dazu. Für das Leben. Unser Leben.

Vielleicht hätten wir das nicht machen sollen. Aber jetzt ist es so und vielleicht ist das einfach die Aufgabe, die wir haben. Mit allen Konsequenzen für uns und die Menschen in unserem Leben.

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“Mach dir nicht so viele Gedanken.”, “Mach dir keinen Stress.”, “Reg dich nicht darüber auf.”.
Das sind die Dinge, die uns Menschen zu dem Problem mit dem Lehrer sagen. Und generell zu vielen, den meisten der Probleme, die wir im Leben sehen. Beruf, Zukunft, Lebensausrichtung, die Ordnung unserer Dinge und Handlungen.

So etwas macht einen Schmerz, der immer wieder neu weh tut einerseits und andererseits kaum richtig “echter Schmerz” im Sinne einer emotionalen Verwundung ist. Es ist eher eine, die!, schmerzliche Erinnerung daran, wo die Grenzen zu anderen Leuten verlaufen. Sie verlaufen für uns genau dort, wo Leute annehmen, wir würden uns Gedanken zu Dingen machen, wie man Kuchen backt oder sich selbst eine Frisur macht: zielgerichtet, eine Absicht verfolgend, vielleicht, weil man etwas anderes gerade weder will noch kann oder mag.

Unser Ausdruck von Stress über Dinge entsteht in der Regel erst dann, wenn wir durch die Kommunikation unserer Gedanken zu Dingen als etwas, das frei wählbar und vermutlich die Folge von Vermeidung anderer Optionen sei, merken, dass wir allein mit dem Problem sind. Sicher nicht, weil die Menschen sich dafür entscheiden uns damit allein zu lassen. In der Regel wollen sie ja alle das Beste für uns. Sie sind uns zugewandt und sehen, dass es uns nicht gut geht. Aber sie verstehen uns nicht. Und, sie sehen die Dissonanz zwischen dem, was sie an uns herantragen und dem, was sie sich für uns wünschen nicht. Auch damit sind wir meistens allein.

Wir sind nicht gut in der Lösung von zwischenmenschlichen Problemen. Wir wissen das. Wir merken das. Wir leben schon einige Jahre mit dieser Unfähigkeit und trotz vieler Hilfsmittel und Krücken, die für die andere Partei in der Regel ermöglicht, gute Lösungen zu finden, bleiben wir oft mit dem Wissen zurück, dass wir ein Problem lösen, bei dem wir nichts weiter als ein Kanarienvogel in der Kohlenmine waren.

Wir geraten nie „einfach nur so“ in Schwierigkeiten. Wir zeigen sie auf und werden deshalb als die Problemursache verortet. Schlicht deshalb, weil wir unsere Gedanken nicht „machen“, sondern sie durch all die Fragezeichen und Unstimmigkeiten in der Zwischenmenschlichkeit und der Unmöglichkeit, die Zukunft vorherzusehen, zwangsläufig entstehen.

In ultra autoriären Kontexten hatten wir nie Probleme damit. Darin hatten wir unsere Gedanken und die Spaltung zwischen innen und außen. Wir haben nicht gesagt, was wir denken, haben nie geäußert, was wir uns fragen. Wir haben gehört und gefolgt und am Ende war das Ende. Es gab keine Zukunft, es gab ein Ziel, das ein weiteres Ende sein würde, über das weder nachzudenken, nachzufragen oder sich zu sorgen erlaubt nötig möglich war.

In Momenten wie dem, in dem unsere Therapeutin aus der Sache mit dem Lehrer zum Beispiel etwas macht, das in uns begründet ist; unser Klassenlehrer, dem wir von der Sache erzählten, weil er sagte, wir sollten bei Problemen immer sofort zu ihm kommen und davon erzählen, uns sagt, wir sollen uns weder aufregen noch sorgen; der Begleitermensch schon wieder nicht erreichbar ist, obwohl er uns zugesichert hatte, dass wir in der Schulzeit nicht allein mit solchen Situationen sein müssten,

da ist der Wunsch nach so einem ultra autoritären Kontext wieder da
und ich kann’s verstehen
ja, sogar nachfühlen.

Nicht, weil die Aussicht auf die globale Unterwerfung und Lossagung solcher Problemlagen so toll ist, sondern, weil es weder die real entstehenden zwischenmenschlichen Probleme, noch den Schmerz der Alleinigkeit damit, noch das Spüren der weiterreichenden Konsequenzen dieses Schmerzes gibt.

Es geht ja nicht nur um dieses eine Problem. Sondern auch um die, die da noch kommen werden. Es geht auch darum, immer Kraft für sowas bereit haben zu müssen und niemals vergessen zu dürfen, dass das ein Kraftvorrat ist, der dazu da ist, immer einsetzbar zu sein – egal, wie anstrengend der ganze Rest ist.

Es geht auch um das Gefühl der Isolation. Es gibt Menschen, die mit unserer Selbstbezogenheit wenig mehr als Pathologisierung und Negativbewertung anfangen können. Die meisten brauchen entweder lange oder schaffen es nie zu verstehen, dass wir uns nicht wie sie oder die meisten Leute, über andere Menschen oder die Interaktion mit ihnen spüren. Wir also keinen Wert für uns darin sehen, mit ihnen zu tun zu haben, sondern darin, was konkret wir mit ihnen zu tun haben. Um das etwas näher zu erklären, ein Beispiel.

Eine Person mit der wir befreundet sind, fragt uns, ob wir mit ihr Zeit verbringen. Sagen wir, wir machen eine kleine Radtour. Wir werden uns gut fühlen, weil wir radfahren und sie auch. Weil wir beide das Gleiche tun und einander erzählen können, wie es für uns war. Uns macht daran glücklich, dass wir Rad gefahren sind und, dass wir beide die gleiche Erfahrung gemacht haben und, dass wir einander davon erzählen können. Auch wenn die andere Person es vielleicht nicht so toll fand, so steht für uns nicht das im Vordergrund, sondern die Schönheit der Kongruenz, über die wir uns verbinden können. Wir sind dann nicht glücklich, weil eben genau diese Person da war. Oder weil wir besondere Momente miteinander erlebt haben. Die Gleichheit der Handlung (die planbar, machbar, schaffbar war) erfüllt uns mit Zufriedenheit.

Übertragen auf soziale Problemlagen, wie dem mit dem Lehrer, ist für uns irrelevant, wie er sich fühlt, wenn wir uns schlecht fühlen. Für uns ist seine emotionale oder soziale Bewertung der Situation auch egal. Wir brauchen für uns auch nicht zu wissen, wie es ihm geht, denn uns geht es um das Ergebnis seiner Handlung bzw. einen faktisch existenten Umstand.
Beschäftigen werden wir uns in den nächsten Tagen aber vor allem damit, ihm das klar zu machen, ohne, dass er sich tödlich beleidigt oder missachtet fühlt. Und erst dann können wir vielleicht eventuell zu dem kommen, was für uns eigentlich relevant ist. Ein Problem, das wir nur durch achtsame und sachbezogene, also sehr konkrete, Kommunikation lösen und in der Zukunft verhindern können. Obwohl Schulalltag um uns herum ist, obwohl es für ihn irrelevant ist, obwohl es unbezahlte Mehrarbeit für ihn ist und obwohl es eine Veränderung in seiner Kommunikation bedeutet, von der erst einmal nur wir etwas haben (aber später könnte sich herausstellen, dass alle etwas davon haben – auch er).

Was in der Reihenfolge einfach kräftezehrend für uns ist und auch wieder ganz eigene Unfairheiten mit sich bringt. Denn ihm wird niemand sagen, er solle sich nicht aufregen, sich Gedanken machen, keinen Stress damit haben.
Ihn wird man eher noch bedauern, jemanden wie mich unterrichten zu müssen, obwohl man als Lehrer_in doch so gar nicht darauf vorbereitet wird. Ihm würde man eher noch das Fehlen von eigenen Gedanken dazu entschuldigen, denn, wie hätte er denn je darauf kommen sollen. Niemand würde ihm sagen, er solle sich keinen Stress damit machen, weil man weiß: Er hat eh schon genug unverhinderbaren Stress, weil Lehrer_in zu sein, einfach als stressreicher Job mit enorm vielen Aufgaben gedacht und akzeptiert wird. Und sollte er sich doch Gedanken und Stress machen, dann wird ihm das als Merkmal guten Lehrerseins angetan – nicht als unnötige Selbstsabotage oder Merkmal einer Pathologie der Psyche, wie bei uns.

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„Was passiert, wenn der neue Lehrer nicht das gleiche Autismus-Briefing kriegt, wie die anderen Lehrer?
Richtig – er unterstellt Täuschung und Lüge für eine bessere Note, wenn man auf Kommunikationsprobleme und Missverständnisse hindeutet, die zu schlechten Noten führen.

Das macht so viele Gefühle gleichzeitig in mir, dass ich obendrauf noch frustriert über mich bin, die_r diese ganzen Gefühle hat und nicht abstellen kann.
Und dann klopfts an der Tür und der ganze Selbsthass steht wieder da.

Und die Müdigkeit. Die auch. Schon in so einer Art vorauseilendem Gehorsam, weil klar ist, wer das klären muss, klar ist, wer wieder länger bleiben, mehr reden, mehr erklären muss.
Und das wofür?

Fundstücke #67

Das Jahr geht zu Ende und es fühlt sich nicht danach an.
Alles ist anders, neu, komisch, schön, anstrengend. 2018 hat viel mit sich gebracht. Vieles verändert. Auch mich. Uns.
Wir hatten zu wenig Zeit für uns allein, mit uns allein, um alles zu integrieren, alles zu er.fassen und zu halten. Und vielleicht ist das die Essenz von Reichtum.

Das nächste Jahr steht bereits zur Hälfte fest und so beruhigend wie das ist, so sehr setzt es uns unter Druck.
Es ist keine Planung, die uns strukturiert und vorbereitet, um weniger Angst zu haben. Es ist der Versuch zu greifen, was da kommt. Das ist etwas anderes als sonst und so schwer zu kommunizieren in seiner gesamten Belastung.

Wir bemühen uns darum glücklich zu sein, dankbar, demütig und merken doch: Glück und Zufriedenheit ist Arbeit und irgendwann ist man einfach müde. Denn Energie ist begrenzt und wir ziehen unsere Kraft nicht aus Glück und Zufriedenheit, sondern aus Schlaf, guter Ernährung, Sport, Alleinzeit, der Möglichkeit zu schreiben, um sich selbst zu verstehen, zu verorten, zu spüren.

Das müssen wir 2019 wieder mehr machen. Egal wie egoistisch das wirkt, egal, wer sich das anders wünscht und warum.
Das ist auch eine Erkenntnis, die bestätigt. Wir sind nicht selbstbezogen, weil wir daraus einen sozialen Vorteil haben. Wir sind es, weil es für uns der Weg zu anderen Menschen und dem Leben selbst ist.

Ich glaube, dass das etwas ist, das wir den Menschen in unserem Leben zumuten müssen. Glaube, dass wir uns in einem Zutrauen üben müssen, in dem wir annehmen, dass die Menschen uns vertrauen. Was merkwürdig ist, denn das haben wir noch nie gemacht: Geglaubt, dass man uns glaubt; darauf vertraut, dass man uns vertraut.

Mal sehen wie das wird.
Im Jahr 2019.