der Zukunftskongress “Inklusion 2025”– ein Rückblick mit neuen Selbst.Ansichten

Ich könnte jetzt einen Artikel schreiben, der hübsch in ein kleines Kästchen passt: “vom 2. bis 3. Dezember fand der Zukunftskongress “Inklusion 2025” ausgerichtet von der “Aktion Mensch” in Berlin statt. Etwa 450 Personen trafen einander und diskutierten. Alles war toll.”

So bin ich aber nicht.
Und jetzt mag ich schreiben: “und genau das ist wichtig.”.

Mein Viel(e)-Sein ist okay. Nicht okay ist, dass es keinen üblichen Platz hat. Weder in der Gesellschaft ™ noch in den Strukturen, die diese Gesellschaft nutzt, um sich selbst zu organisieren.
In den Tagen des 2. und 3. Dezembers sind in mir so ziemliche alle Konflikte, die sich in den letzten Jahren rund um meine Hochbegabung, die DIS, die Gewalterfahrungen, die Lern- und Arbeitsk.r.ämpfe und auch meine Zukunftsängste immer wieder gebildet haben, einmal durchgerauscht.
Da waren Momente von Angst, von Ärger, von Verzweiflung, Hoffnung, Heilung, von Verstehen und Begreifen. Für ein Kästchen ist das zu viel. Ein Kästchen würde abschneiden. Ein weiteres Kästchen mit Informationen, die in jeder Zeitung und auch manchen anderen Webseiten und Blogs stehen, braucht diese Bewegung zu einer inklusiven Gesellschaft einfach auch nicht.

Ich werde nun also wieder ein rosenblattsches Megaepos schreiben. Raum einnehmen.
Nach den zwei Tagen und all den Begegnungen mit Menschen, von denen manche für Zeiteinheiten der Widmung bezahlt werden, hat sich meine Haltung zu negativen Äußerungen darüber noch einmal mehr verändert.
Zum Einen dahin, dass ich mich weniger für den Raum, den ich mit mir als Körper, Geist und Seele.n bilde, noch für den Raum, den ich genau damit – mit meinem Körper, meinem Denken, meinem Seele.n.-Sein – einnehme, entschuldigen will.
Ich habe gemerkt, dass mir die Kraft, die ich permanent für eine Entschuldigung meines Da.Seins aufbringe, fehlt, wenn ich respektvoll, nährend, warm, offen, freundlich, annehmend und einander haltend mit Menschen umgehen möchte. Außerdem habe ich gespürt, dass diese Entschuldigung, dieses mein so vielfach, so tiefgreifend eingewurzeltes Schuldgefühl für meine bloßes Existenz, für den Rest der Welt kontextlos erscheint.

// Ich kann es nicht anders tun, als ich es tue, deshalb tue ich es, wie ich es tue.
Und das ist okay. //

Zum Anderen will ich mich noch häufiger daran erinnern, dass Widmung passiert, wie Leben einfach so passiert.

// Es kommt wie es kommt, es ist wie es ist und es muss nie mehr sein, als das. //

Der Kongress beginnt für mich damit, meinen ersten: “Aaaaah – die kenn ich von YouTube!!!” – Moment zu haben, als ich erst Kübra und später auch Christian, die für die “junge Aktion Mensch” seit 3 Monaten Webshows moderieren, in denen sie jungen Menschen Inklusion vorleben möchten, treffe.
Ich mag nicht alles an der Sendung, bin aber mit meiner Behinderung und meinem Alter wohl auch einfach nicht mitgemeint.  Christian erzählte mir, dass sie vornehmlich versuchen Berührungsängste abzubauen und junge Menschen grundsätzlich erst einmal für das Thema “Miteinander” und “Gesellschaft” zu begeistern.
Warum das mit teils opferfeindlicher Sprache (wie in der aktuellen Webshow zum Thema Mut der Fall ist) und für Menschen mit seelischer Behinderung (die einfach bis heute immer wieder mit “Verrücktheit” gleichgesetzt wird) schmerzlichen Bemerkungen, passieren muss, scheint daran zu liegen, dass “man einfach nicht alles rausnehmen und ja auch nicht mit dem Zeigefinger kommen kann”.

// Autsch.
Darf man Tipps und Ideen einreichen, wie der Zeigefinger ausbleibt und trotzdem solche Wörter und Phrasen nicht mehr vorkommen?//

Dann gibt es bis zur Eröffnung viel Kaffee und das erste Gespräch mit einem Menschen, der Unternehmen darin unterstützt, sich mit der Thematik der Teilhabe von Menschen mit Behinderung auseinanderzusetzen. Sehr spannend und erfreulich. Ich dachte, es gäbe gar niemanden, der das an genau dieser Schnittstelle tut.

// Davon sollten mehr Menschen (und Unternehmen) erfahren. //
In meinem Kopf lege ich einen Faden aus und binde ihm den Menschen an den Schnürsenkel.

Nach der Eröffnung: Professor Jonathan Kaufmann, Denker und Berater in den USA.
Er beginnt damit, dass er seine Behinderung als Geschenk oder auch Gabe empfindet und diese ihm eine ganz einzigartige Perspektive bietet. Er beschreibt, was für ein Potenzial im Leben mit Behinderung läge und wie außergewöhnlich das sei.
Und irgendwann hören seine Worte auf in mir und auf meinen ganzen hochpotenten und doch wertlosen Ichs herumzutrampeln. Nicht, weil sie in ihrem “Yeay – Kapitalismus geht für alle Menschen!” aufhören, sondern, weil ich anfange seine Perspektive stehen zu lassen.

// Ich lasse sie stehen. Unterstütze sie nicht. Ich lasse diese Perspektive einfach nur stehen.
Vielleicht im Geldregen. Aber allein. Für sich. //

Nach ihm spricht Professorin Elisabeth Wacker (TU München Diversitätssoziologie – you why i loved her?! ^^) , die viele gute Sätze formulierte als sie ein “Kursbuch Inklusion” aufbaute.
Sie beschreibt Inklusion als Ziel einer Reise und mir fiel zum ersten Mal auf, dass ich ein Wort falsch benutze.

// Inklusion sollte kein Verb haben. Inklusion wird gelebt – nicht “gemacht”. //

Die “interaktive Kurzpause”, von der ich annahm, sie hätte etwas damit zu tun, das man sich in der Warteschlange vor der Toilette unterhält, bis es weitergeht, füllte die Theaterwerkstatt Bethel mit der Darbietung der “Be.Bots”. Es spielten Menschen mit Behinderungen mit und das hat mir gut gefallen. Was sie dort gespielt haben, hat mir nicht gefallen. Vielleicht, weil ich den Witz nicht verstanden habe.

//Menschenausstellungen. Keine Pointe.
Oder doch? //

Und dann ploppten die Flügel meines Gehirns durch meine Schädeldecke und flirrten in dem großen viereckigen Saal umher, an dessen Decke blaue und grüne Sterne geleuchtet wurden.
Ich dachte an die “
Traumdisco” in Berlin und daran, dass der demographische Wandel, von dem vorne auf der Bühne die Rede war, nicht der demographische Wandel ist, der mich beschäftigt.

// Wer wird sich 2025 kümmern, weil er sich kümmert und eben nicht, weil er dafür bezahlt wird?//

Es gibt Mittagessen und es guckt mich komisch an.
Natürlich.
Es ist gelb und scharf, ist durcheinander gewürfelt und heißt trotzdem nicht “Salat” oder “Müsli”.
Der Salat war kein Salat sondern “Essen das komisch guckt und “Salat” heißt, weil es jemand dran geschrieben hat”. Ich hapse, drücke und schlucke so schnell es geht.
An meinem Tisch sitzen Menschen, die einen Film machen möchten.
Sie fanden “
Gold – du kannst mehr, als du denkst” ganz prima.

//Ich schlucke auch alles, was ich zu dem Film noch sagen möchte, direkt mit einem Puppentässchen Kaffee herunter.
Übrig bleiben viele gute Wünsche für ein Gelingen und Erfolg.
Ich weiß, wie viel Arbeit “Filme machen” bedeutet.//

Nach einer inhaltlichen Einführung geht es in die Themenpanels.
Ich habe mir das Panel “Gesellschaftliche Entwicklung und soziale Verantwortung” ausgesucht und twittere, was ich noch twittern kann, bevor mein Handy mit einem letzten Aufbegehren des Vibrationsalarms den Akkutod stirbt.
Um von mir tot Geglaubtes, geht es auch im Panel. Jeannette Gusko von
Change.org gab einen kurzen Input über das Potenzial von Onlinepetitionen als Bestandteil von Öffentlichkeitskampagnen.
Laut ihren Erfahrungen gibt es nachwievor die Chance über eine Petition auch zu erreichen, was man erreichen möchte. Allerdings nur, wenn daneben noch jede Menge andere Vernetzung und Unterstützung von Verbündeten steht.

// Ich denke an die #idpet und daran, dass die CDU unser Land quasi im Alleingang regiert.
Und schlucke erneut.
Mit Stellvertreter_Innen “neutraler” Plattformen kann man nicht politisch diskutieren. Neutralität ist apolitisch.//

Der Philosoph, Künstler und Kurator Günther Friesinger aus Wien, trägt eine schwarze Kapuzenjacke und ich kann ihn leider nicht fragen, ob er zufällig auch Twitterer ist. ^^
Er versucht und das Internet begreiflich zu machen, indem er uns alle Daumencatchen lässt und dabei miteinander verbindet.

//LOL//

Theoretischer wird es dann wieder mit der Vorstellung der explorativen Studie, die Professorin Dr. Berit Sandberg mit ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter_In vorstellt.
Es geht um die Motivation zu ehrenamtlichem Engagement von Menschen mit Behinderungen. Größte Faktoren: Arbeitslosigkeit und der Wunsch, der Gesellschaft etwas (zurück)zugeben.

// Ich erinnere mich an die “Plattform Inklusion” meiner Stadt und die scheelen Blicke, die mit meiner Nachfrage einhergingen, ob Ehrenämter als die Jobs der Zukunft für Menschen mit Behinderungen betrachtet werden. Aushilfen, die freiwillig und unentgeltlich tun, was sonst vom Jobcenter geschickte Minijobber tun – ja kann denn ein Unternehmerherzchen davor zurückschrecken?//

Studien wie diese sind wichtig.
Ich wünsche der Professorin, dass sie es schafft eine größere Studie zu dem Thema auf die Beine zu stellen.
Sie könnte dazu beitragen, das Vorurteil von einzig betüddelten Menschen mit Behinderungen zu brechen und in ein Bild von auch aktiven Menschen, die mit einer Behinderung leben zu verwandeln.

// Wenn sie es aus dem ewigen Kreislauf im Elfenbeinturm “Wissenschaft” herausschafft.//

In Erinnerung bleibt (weil mit ganzen vielen Geistesherzchen überschüttet) mir auch Dr. Mark Terkessidis, von dem ich nicht einen Satz behalten habe – aber alle Energie, die er in seine Sicht des Themas brachte.

//Geistesherzchen Geistesherzchen Geistesherzchen //

Am Abend treffe ich einen Menschen vom Verein “Menschen helfen Menschen in und um Berlin e.V.” welcher komplett ohne öffentliche Zuschüsse arbeitet und sich nur mit Spenden und ehrenamtlichen Helfer_Innen hält. Die Liste der Tätigkeiten dieses Vereins im Flyer hat mich umgehauen.
Wenn ihr noch ein klitzekleines Scherflein zum Spenden habt – da ist es gut aufgehoben.

//Werden wir es schaffen unser Nachwachshaus* aufzubauen und genauso hartnäckig bei der Sache bleiben können?//

Ich lasse mich von dem Berliner Abend zurück zu meinem Schlafplatz schieben.
Zweifel schlagen über meinem Kopf zusammen und alles Runtergeschluckte drückt sich an meinen Augäpfeln vorbei nach draußen.

Ich kann zu selten sagen, dass mich die Unsichtbarkeit meiner Behinderung als solche bewegt. Ich kann zu selten sagen, dass es mich stört, wie oft apolitisch und vertreter_Innenzentriert Diskussionen zum Thema Inklusion und Teilhabe aller Menschen funktionieren. Ich muss meine Abhängigkeit von anderen Menschen zu oft als Hilfebedürftigkeit bezeichnen. Ich bekomme öfter zu hören, ich müsse mich bewegen und etwas tun, als Fragen danach, wie meine Bewegungen und Projekte unterstützt werden könnten, damit sie überhaupt als solche bemerkt werden. Man kann keine Prothese an mich klemmen. Dass ich viele geworden bin, ist die Prothese, die zu entwickeln ich gezwungen war. Man kann mich nicht mehr gebrauchen und verwerten. Inmitten der Realität, in der wir uns heute befinden, ist meine Behinderung weder Sprungbrett für tolle Perspektiven, noch ist die Tatsache eine Person, die mit einer Behinderung lebt zu sein eine Qualifikation.
Was heute zählt, sind Entwicklungsmöglichkeiten, die sich mit kapitalistischen Strukturen vereinbaren lassen. Vielarmige Krausköpfe wie meiner, die obendrauf nicht einmal kontinuierlich an sind, weil so ziemlich alle Schrauben locker sind, die sind vielleicht noch als Objekte wichtig, wenn es um Lückenforschung geht.

// Wie wichtig Lücken sind, merkt man heute nur noch wenn die Leertaste am MacBook spinnt oder man einen Parkplatz in der Innenstadt sucht//

Ich weine und ekle mich vor dem Geräusch, das mir dabei aus dem Mund kommt.
Ich kann niemanden anrufen. Es ist ja schon alles gesagt. Ich sage seit Jahren kaum etwas anderes als das, was ich jetzt sagen würde. Es würde mich trösten, läge eine Hand auf meiner und sagte jemand: “Es gibt ein Morgen.” und es würde mich zerfetzen, läge eine Hand auf meiner, während mir jemand sagt: “Es gibt ein Morgen.”.
Als ich in die Nacht spüre, höre ich hinter mir Federn rascheln.
Etwas streichelt mein Herz in den Schlaf.

Am Morgen dusche ich die Trümmer des Abends von mir und zeichne kleine Dankegrüße.
Ich gehe mit neuer Kraft in den zweiten Tag des Kongresses. Jeder Schritt von mir zieht ein zartes Federstreichen nach sich.

Wir hören Anja Förster, die querdenken als Business betreibt. Sie erzählt von Fehlern, vor denen Angst zu haben Kraft raubt und die Geschichte von den Blumen in der Wüste, die bestimmte Bedingungen brauchen um zu blühen. Kennen wir schon aus dem schönen Mixtape von KapuzenAuf.

// Warum müssen es eigentlich immer die Blumen sein, die in der Story als lohnenswert erscheinen? Die Fähigkeit lange in der Erde ruhen zu können, ohne seine Potenz zu verlieren, ist ebenfalls ziemlich cool. Kakteen sind verdammt cool. Wüsten sind wichtige Bestandteile unserer Natur. Wüsten als Orte [Räume], sind Konsequenzen aus Folgen von Anpassungen an Gegebenheiten.//

Dinge anders machen zu wollen, finde ich aber gut. Schade, dass es mit dem bewährten “Motivations- Trau dich mal” einher gehen muss, bei einer Veranstaltung, die zu besuchen für viele Personen aus ganz unterschiedlichen Gründen, schon mit sehr viel “Trau dich mal” verbunden ist.
Aber wer weiß, vielleicht war dieser Input ja bei irgendjemandem das Quäntchen Wasser, das gebraucht wurde.

Und dann kam eine “steife Brise” auf – das Improvisationstheater “Steife Brise” um genau zu sein.
Ich kann nicht gut beschreiben, was sie gespielt haben – nur so viel: es hatte damit zu tun, dass das Publikum Wörter einbrachte, die in eine Szene eingeflossen sind und am Ende gab es “Weini” den Weihnachtsmann, der seine Frau an den Metzger verloren hatte und “Stefan”, den Elfen.

//so cool – einfach loslegen und spontane Ideen umsetzen – Fehler sind erlaubt//

Für den zweiten Tag habe ich das Themenpanel “Bildungschancen und Lebensweggestaltung” gewählt und twittere, so viel ich kann.

Dr. Siegfried Saerberg erzählt von der Kunstausstellung “artblind”, die von ihm für den Verein Blinde und Kunst e. V kuratiert wurde. Künstler_Innen, die mit Sehbehinderungen oder Blindheit leben, erfreuen mich. Meine Kunst war bisher eher etwas, das ich jetzt viel mache, weil ich nicht, weiß, wie sich die Funktion meines linken Auges im Alter auswirken wird. Ich profitiere bereits jetzt sehr von digitalen Möglichkeiten der Gestaltung, wenn es um Nachbesserungen oder Arbeiten mit bestimmen Mitteln geht. Aber die Haptik von Materialien ist für mich auch wichtig. Es hat mich ermutigt, zu hören, dass es Menschen gibt, die ihre Kunst nicht nur auf die visuelle Wahrnehmung auslegend machen und dann auch ausstellen.
Wir hören eine Audio Transkription zu einem Bild und werden darüber mit zwei Bildern beschenkt. Das eine entsteht beim Zuhören, das andere beim Sehen. Beides zusammen vermischt sich zu einem runden Subjekt (ja- nicht: Objekt, wie das sonst gerne bei Kunst passiert) in mir drin. Unter der Bildbeschreibung ist Musik, am Ende gibt es Worte zur Aussage des Bildes vom Künstler selbst.

//Schön, dass wir Zeit haben, um uns zu widmen.//

Es spricht Jun. – Prof. Dr. Ingo Bosse über die Medialisierung des Lernens und welche Probleme sich dabei zeigen. Es fehlen ordentliche Lehrmittel und Ausbildungen zum Lehren der Nutzung dieser Mittel.
Ich denke an Dr. Terkessidis und die Parallelwelten, die Rasse, Klasse und Alter voneinander wegspalten.
Ich denke an die Person, die mir im März bei der Tagung “Wir sind Viele” sagte: “Hoffentlich reichen meine technischen Fähigkeiten, Ihr Blog im Internet zu finden.”.
Ich denke daran, dass viele Unternehmer_Innen Facebook für das Internet halten, sich anmelden, Gelder in die Plattform bringen und die Nutzung für Non-Profit oder gemeinnützige Unternehmen und Privatpersonen ad absurdum führen.

//Facebook wird im nächsten Jahr auch ausgeloggte Nutzer_Innen in ihrem Surfverhalten ausspionieren.//

Um Mediennutzung und Einbindung in den Unterricht geht es im Vortrag von Norbert Schröder, der in seiner Schule Jugendliche, die mit körperlichen und Lernbehinderungen leben, unterrichtet. Sie machen Videotutorials zur Nutzung der Gerätschaften, die sie in ihrer Ausbildung verwenden und erstellen so quasi die Lehrmittel der nachkommenden Schüler_Innen – die wiederum die Lehrmittel der vorhergehenden Schüler_Innengeneration überarbeiten oder verbessern.
Eine Idee, die in ihrer Umsetzung mit einem Video gezeigt wurde, das sehr professionell wirkte und komplett von den Schüler_Innen selbst gemacht wurde.

Es folgen Worte von Prof. Dr. Olaf Burow zur Erkennung und Förderung individueller Potenziale, die in der Folge vom Journalist Erik Albrecht in einen Kontext mit Bildung als Lebensbausatzelement erneut auftauchen und von Prof. Dr. Hinz und Ines Boban (tolle Menschen! da flogen wieder Geistesherzchen- beide sitzen im Institut für Rehabilitationspädagogik der Universität Halle-Wittenberg) in einen Kontext des hinterfragbar kapitalistischen Wertes “Bildung” und “Entwicklung” gestellt werden.
Für mich entsteht ein angenehmes Knäul aus losen Fäden, festen Strängen und Mustern, die in der darauf folgenden Diskussion noch ergänzt werden.

// Unser sogenanntes Informationszeitalter instrumentalisiert Bildung vom Begreifen weg. Es wird weniger gelernt, als gebildet. Unsere Bildungssysteme führen zu Abzieh.Bildern, die wir in unsere Stickeralben kleben. Wer das schönste Album vorzeigt, bekommt die Möglichkeit weitere Sticker zu erwerben, um am Ende, das unvorhersehbar, unsicher und von wirtschaftlichem Denken und Taktieren Dritter abhängig ist, ein Einkommen zu haben. Das nicht sicher ist.
Nichts ist sicher und deshalb wünscht man sich eine “Kultur des Vertrauens”. Wir, ich bin Teil der Generation Y. Um mich herum, hätte die Welt schon zwei Mal massiv zerstört werden können. Tschernobyl, Fukushima. Es gab und gibt so viele Kriege und sie kommen alle zunehmend unausweichlich nah, denn jeder Monitor wird zum Fenster in die Nachbarschaft von Menschen, die mit dem Grauen Tür an Tür, oder Hütte an Zelt leben müssen.
Ich denke an transgenerationale und durch unsere technischen Möglichkeiten auch transnationale oder vielleicht besser gesagt: transmediale (Psycho)Traumatisierungen und daran, dass niemand Vertrauen von Menschen lernen kann, die in einer Zeit aufwachsen, in der nichts und niemand wirklich bedingungslos vertrauenswürdig ist, weil einfach nichts und niemand so sicher und kontinuierlich ist, wie der Lauf der Dinge selbst.
Ich sage zum ersten Mal in meinem Leben: “Ich bin hochbegabt – leider.”, vor anderen Menschen und bringe mein Bildungsdrama in einen Kontext von Klasse, als Diskriminierungsachse. Am Ende traue ich mich, meinen Wunsch nach stärkerer Etablierung der Langeweile als Quelle von Kreativität und Sozialität zu äußern.
Ich bin stolz auf mich und spüre, dass meine Worte auch willkommen sind. Es fühlt sich so unfassbar großartig an. //

Das Mittagessen guckt nicht komisch. Es gibt Tomatensuppe, rote Grütze mit Vanillesoße und klitzekleine Süßigkeiten. Der Cateringservice “Lebenswelten” ist übrigens integrativ – es arbeiten auch Menschen mit Behinderung dort. Ich führe wieder ein interessantes Tischgespräch und lerne später eine Mitbegründerin des Vereins “Wild:lachs für alle e.V.” kennen.

//Eine Mutwelle in Richtung Nachwachshaus*//

und dann treffe ich Mareice Kaiser und Raul Krauthausen.
Sie sitzt neben mir im Publikum und wir klatschen Raul auf der Bühne zu, der in der Talkrunde “Inklusion 2025 – Realistisches Gesellschaftsmodell oder Utopie?”, direkt mit wichtigen Punkten
loslegt.
Er sagt: “Überhaupt schon Utopie in dem Kontext Inklusion zu erwähnen, öffnet zu viel Platz für Bedenkenträger.”.
Raul wird als einzige Person geduzt und das ärgert mich. Er hat doch einen schönen Nachnamen, wie alle anderen auf dem Podium auch.

//Inklusion ist das Ergebnis einer emanzipatorischen Bewegung. Emanzipatorische Bewegungen sind wichtig. Man erreicht sie nicht mit Quoten – schon gar nicht mit Quoten wie einer von 30% für Frauen.
Dass diese Emanzipation schwierig ist, wenn Unternehmen und Politik erst auf Druck handeln, und immer wieder mit Optionenhonig um die Vorstand- und Vertreteregos gelockt werden müssen, was wiederum getan wird, weil Abhängigkeiten zu Hilfebedarf umbenannt werden, ist nach dieser Veranstaltung für mich sehr deutlich geworden.

Natürlich können Unternehmer_Innen ihr Konzept nicht von jetzt auf gleich umstellen. “Never touch a running system” – ist in der Wirtschaftslage, die wir nun einmal jetzt haben, wichtig und es doch anzutouchen ist mit einem Mut und einem Grad an Etablierung innerhalb von Systemen von bestimmten rassischen, klassistischen, age-istischen, sexistischen und vielen anderen *istischen Achsen, verbunden, das nicht alle Unternehmen vorweisen können und/oder auch nicht bewusst haben.
Seit dem Zukunftsdialog 2012 habe ich bereits mit verschiedenen Menschen, die aus Unternehmen jeder Schicht kommen, gesprochen und oft – sehr oft – fehlt tatsächlich ein Bewusstsein nach unten, weil der Fokus immer wieder auf dem Bewusstsein und den Vergleich nach oben liegt. Liegen muss, weil ein Überleben daran hängt. Es gibt diese Überlebensmuster auf jeder Ebene und ich erlebe es als wichtig, sie anzuerkennen, bevor kritische Forderungen gestellt werden, die mit Druck einhergehen.
Trotzdem bin ich natürlich nicht objektiv und immer wieder wütend, wie vor sehr großen Unternehmen seit Jahren argumentiert wird, dass Menschen, die mit Behinderungen leben, ein Gewinn seien. Dass es sich wirtschaftlich lohnt oder lohnen muss – je nach Argumentationsstandpunkt – auch Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben teilhaben zu lassen oder auch: Menschen in ihrem Arbeitsleben und Er.Schaffen nicht zu behindern. Es widert mich an.
Es triggert Erinnern in mir an, weil ich schon so oft gekauft wurde. Es macht und hält mich “psychisch krank”, weil ich als Mensch mit diversen Eigenschaften nie ohne Verwertungslogik zu folgen betrachtet werde, wenn es darum geht, was von mir kommt. Ich kann das immer wieder in mir aufkommende Bild von Sklavenmärkten und Menschenausstellungen nicht unterdrücken. Ich komme nicht dagegen an, immer wieder an Menschenhandel zu denken.

Viele technische Neuerungen kommen auf den Markt, wie die “Lorm Hand”, die es Menschen mit Seh – und Hörbehinderung ermöglicht, auch digital zu kommunizieren. Unsere rasend schnelle technische Entwicklung wird uns greifbar und im direkten Erleben des Alltags in der Zukunft emanzipieren – von anderen Menschen. Deren direkte physische Präsenz wird dann nämlich nicht mehr wie heute gebraucht. Gleichzeitig müssen diese Hilfsmittel produziert und erdacht werden. Warum es noch so viel Argumentation “Pro Teilhabe” genau daran geben muss – warum Menschen ihre altunwürdigen Denkmuster aus Ökonomie und “hat sich schon immer™ so bewährt” nicht verlassen und erst vom Querdenken überzeugt werden müssen, ist mir unverständlich.
Vielleicht habe ich zu viele Visionen.  Vielleicht hören aber auch noch einfach viel zu viele Menschen Sätze wie: “mit Visionen macht man keine Politik” und erleben es zu selten, wie darauf jemand antwortet “Aber ohne Vision, keine Mission”, wie es Raul Krauthausen tat.

Vielleicht ist es aber doch genau diese meine Sicht, die Professor Kaufmann zu Beginn der Veranstaltung meinte, als er sagte: “das Leben mit einer Behinderung bietet andere Perspektiven”.
Meine Gewalterfahrungen haben mich in einer Art zur Anpassung gezwungen, wie sie nicht vielen Menschen passiert. Die Art, wie ich die Welt und ihre Akteure wahrnehme, in mir verarbeite und mit ihnen interagiere folgt keinem Muster, das einen Bonus zur Folge hat.
Ich lebe, dass ich lebe.
Ich tue, dass ich tue.

und, dass das so ist und, dass es okay ist, dass es so ist; dass ich nicht jeden K.r.ampf ums Mehr und Besser mitmachen muss, um mir wünschen zu dürfen mit anderen Menschen warm, offen, freundlich, respektvoll, nährend und einander haltend in Kontakt zu sein,

das habe ich so bewusst, wie auf der Fahrt nach Hause durch das Dezemberdunkel noch nie gehabt.//

Vielen Dank an die Aktion Mensch, die mir mit ihrer Blogparade zu einem Kongressticket verhalf, der Mädchenmannschaft e.V. , der Redaktion von „Weird„, meinen sichtbaren, wie unsichtbaren Patroni und Gemögten, die mir alle zusammen diesen Artikel ermöglicht haben. Ohne euch hätte es nicht geklappt- vielen vielen Dank!

shades of Inklusion 4

Es heißt “Traumaintegration” und nicht “Traumainklusion”  und ich hatte einen dieser “BÄNG! etwas vom Problem “Trauma” verstanden” – Momente, in dem einem der Boden unter den Füßen wackelt.

Wie gesagt: Integriert wird das Fremde – Inkludiert das Gleiche
Wenn man von Traumatisierungen spricht, dann kommt man immer wieder in Erzählungen von sehr großen übermächtigen Ereignissen und Schmerzen und Verletzungen und Gefühlen.
Das ist zumindest, was ich oft sehe: Da geht es um “das Trauma Vergewaltigung” oder “das Trauma Krieg” und als Trauma wird nicht der Seins- oder Ist-Zustand nach einem solchen überlastenden, für die beteiligten Personen traumatisierenden Ereignissen, sondern das Ereignis selbst.

Und wenn man es so auffasst, ergibt der Begriff der Traumaintegration auch Sinn, denn oft werden diese Ereignisse als fremd/unüblich/unnormal markiert.

In der Medizin ist es aber das “nach dem Einschlag/der Verletzung/nach dem Ereignis”, das als Trauma bezeichnet wird. Was bleibt ist ein “Schleudertrauma”, ein “Schütteltrauma”, ein “dumpfes Trauma” und so weiter.
Dort ist der Fokus aus der Re-Aktion des Individuums auf das, was ihm von außen zugefügt wurde – von einem anderen belebten oder auch unbelebten Körper.

In den Kontexten, in denen ich mich mit meiner Traumatisierung auseinandersetze, passiert beides gleichzeitig. Manchmal gekoppelt und synonym verwendet. Manchmal bin ich eine traumatisierte Person, weil mir etwas passiert ist und manchmal wird meine Re-Aktion auf ein Ereignis als post-trauma-tisch verw-ortet.

Ich habe verstanden, dass mir Menschen (also mir gleiche Körper) ein Trauma “gemacht haben”, das mich (und sie) fremd machte.

Meine erfahrenen Traumata (Wunden und Verletzungen) brauche ich nicht integrieren – das haben sie bereits allein gemacht. Sie sind in mir drin, ob ich es will oder nicht. Meine Erfahrungen sind alle irgendwie in mir integriert – deshalb schrabbeln sie ja auch so hin und her in mir. Sie erfahren von mir keine Anerkennung als etwas, das mit mir zu tun hat. Sie werden von mir nicht absorbiert, weil ich ihren Körperbezug nicht anerkennen darf will soll kann. Sie werden von mir nicht inkludiert, weil sie immer wieder als fremd markiert werden.
Manchmal von mir, weil nicht “Ich, M. in dieser Hannah drin” etwas erfahren habe, sondern “die Anderen – das andere Fremde in mir – dieser ganze Kullerbunteknäuelhaufen Rosenblätter” und manchmal von Außen: von der Gesellschaft ™ , der Presse, der Hilfestellen, die meine Gewalterfahrungen in ihrer Schwere, ihrer Häufigkeit, ihren Kontexten, ihren Dynamiken und Folgen für mich als Objekt, das mitgetragen werden muss, an meiner Stelle bewertet, bewortet, definiert und wissenschaftlich befund(ier)et.

Inklusion kann erst beginnen, wenn man die Gleichheit anerkannt hat und sie dann in all ihren Facetten anerkennen und annehmen kann. Es ist der Schritt anzuerkennen, dass Gleichheit nichts mit Kongruenz zu tun hat, sondern mit Kompatibilität und Entwicklung, um der Entwicklung willen.

Wie gesagt: ich gehe nicht zur Psychotherapie um “normal” zu werden.
Ich habe kein Interesse daran Teil der Mehrheitsgesellschaft zu werden. Ich glaube nicht an das Konzept Gleichheitsgesellschaft. Ich glaube, an Mit- Neben und Beieinanders, in denen Macht eine Sache von Gemeinschaften ist, die in sich Entwicklungen, Leben und Lernen ermöglichen, um sich zu entwickeln, zu leben und zu lernen.
Ich glaube daran, dass Dinge konkret und gleich sein müssen, um sie in sich aufnehmen zu können.

Ich muss anerkennen, dass ich normal bin. Dass meine Gewalterfahrungen normal waren. Dass das Verhalten der Menschen, die an mir zu Täter_Innen wurden normal waren. Dass es eben doch nichts Fremdes ist oder jemals für mich war, zu erleben, was ich eben erlebt habe. Und das wiederum heißt, dass meine Umgebung damit aufhören muss, mich fremd zu machen, weil ich für sie Fremdes erfahren habe und endlich an den Punkt kommen muss, Gewalt und ihre Folgen als so üblich zu betrachten, dass sie bereits ein fest integrierter Bestandteil aller (wirklich ALLER) gesellschaftlichen Konventionen und Maßstäbe ist.
Erst dann bin ich nämlich weder ich, noch das, was in meiner Lebensrealität und meinem Innenleben herumschrabbelt, ein traumaassoziierter Fremd-Körper.
Dann kann die Traumainklusion beginnen.

– Geschafft –

shades of Inklusion 3

Viele Personen, die benachteiligt werden, wissen nichts von ihrer Benachteiligung, weil sie benachteiligt sind.
Viele Personen, die diskriminiert werden, können ihre Rechte nicht einklagen, weil sie diskriminiert sind.
Viele Personen wissen nicht, dass sie mit etwas leben, das andere Menschen “Behinderung” nennen.

Ich lebe mit einer komplexen Traumafolgestörung, die als “dissoziative Identitätsstörung” bezeichnet wird.
Meine Diagnose macht mit diesem Begriff einen Schirm auf, unter dem alles, was als nicht regelrecht in der Selbst- und Umweltwahrnehmung, sowie der (Stress-) Verarbeitungsmechanismen, gegenüber einem “objektiven” Querschnitt von Menschen, gilt.
Die Art, wie ich wahrnehme, kompensiere und re-agiere wird also in Abgrenzung zu Personen bewortet, die nicht mit einer DIS leben (aber vielleicht mit Wahrnehmungsweisen, die ein anderer Schirm erfassen würde). Das heißt, ohne die Menschen, die nicht mit einer DIS leben, gäbe es keinen Diagnoseschirm, der meine Wahrnehmung und Reizverarbeitung benennen würde.
Willkommen in der Welt der Pathologie.

Mir wurde eine sogenannte “seelische Behinderung” anerkannt, die heute in zwei große Hauptgruppen aufgeteilt ist
– DAMIT geboren
– DAZU gemacht

Als angeboren gelten Wahrnehmungsweisen, die zum Beispiel mit “Autismus” oder dem “Asperger Syndrom” benannt werden.
Als erworben (oder, wenn man weniger opferfeindlich sprechen möchte: entwickelt) gelten zum Beispiel Belastungscluster wie das sogenannte “Burn out”- Syndrom und Traumafolgestörungen.

Für mich ist natürlich diese Gruppe sehr relevant, weil sie für mich auf vielen Ebenen auch Machtaspekte bzw. Gewalt (als Macht) offen legt, die in der Inklusionsdebatte, meiner Ansicht nach, noch nicht breit markiert wurden, was wiederum damit zu tun haben könnte, dass man einerseits kleinschrittig vorgehen muss, um Veränderungen anzustoßen – andererseits aber immer wieder gerne systemimmanente Schritte lieber gemacht werden, als das System neu zu betrachten und eventuell zu verändern.
Systemische Veränderungen sind immer mächtig und kompliziert, weil es mächtig kompliziert ist innerhalb eines Systems eben jenes zu verändern.

Mir wird das an meinem Beispiel sehr deutlich.
Grundsätzlich ist es so, dass Personen, die seit mehr als 6 Monaten in Behandlung mit der gleichen Erkrankung sind, als behinderte Personen anerkennbar sind.
Das heißt, dass rein theoretisch alle Personen, die in einer Langzeitpsychotherapie sind, vor dem Gesetz als behinderte Personen gelten könnten, die im nächsten Strang als zu inkludierende Personen gelten.
Nachdem sie exkludiert wurden, indem sie eine Diagnose erhielten und mehr als 6 Monate lang (auch) genormt bzw. in Abgrenzung an die Norm™, von einer (auch) Autoritätsperson behandelt werden.

Ich gehe nicht zur Psychotherapie, weil ich “normal” werden will, sondern, weil ich mich und meine Re-Aktionen und Wahrnehmungsweisen, verstehen möchte. In meinem Fall führt dieser Weg darüber, meine erfahrenen Traumata zu verstehen, indem ich mich mit meiner Therapeutin als Begleitern an meiner Seite damit auseinandersetze und so verarbeite.

Für mich ist es so, dass ich inzwischen weiß, dass ich früher auch zum Opfer von Gewalt wurde, weil ich als Kind von der Gesellschaft exkludiert war. Das nennt man Adultismus. Ich war abhängig von den Personen, die mich rechtlich diskriminiert haben, weil mir als Kind keine eigenständigen Entscheidungsdurchsetzungen über mein Wohl und Wehe, erlaubt sind. Kinder können möchten und wollen, was auch immer sie wollen – am Ende sind es aber immer volljährige/mündige/erwachsene Personen, die diese Wünsche ermöglichen oder eben auch verwehren.
Natürlich halten wir als jetzt erwachsene Personen, diese Herangehens- und Umgangsweise mit Kindern für völlig in Ordnung und halten es für etwas, das mit Rücksicht auf die psychophysische und auch soziale Un-Reife zu tun hat und damit, dass wir als Erwachsene das ausgleichen müssen und deshalb diese Entscheidungen treffen müssen. Meistens ist das auch so und sehr oft, klappt das.
Aber die Abhängigkeit des Kindes davon, dass die Personen, die allein durch ihr Alter und ihre psychophysische Reife bemächtigt sind (und natürlich auch ihres Status als Familie(nmitglied) oder Erziehungsberechtigte_r), gut und nährend mit ihm umgehen, bleibt bestehen.

Ich wurde zum Opfer von Gewalt, weil andere Personen Gewalt an mir ausüben konnten, wollten, mussten, sollten.
Mein Recht auf eine Erziehung ohne Gewalt wurde verletzt, mein Recht auf Unversehrtheit, Selbstbestimmung, Hilfe und Behandlung gemäß meiner Bedarfe ebenfalls.
So wird aus der sogenannten Traumafolgestörung, die aus meiner Sicht weniger eine Störung als eine übliche Reaktion der Anpassung an die Verhältnisse meiner ersten 21 Lebensjahre ist, auch eine Diskriminierungsfolge bzw. eine Folge der Konsequenzen, die sich aus meiner Entrechtung bzw. der Nichtgewährung meiner Rechte, ergeben haben.

Ich wurde behindert gemacht und zwar auch von dem System, das definiert, wer was wann warum erhält oder nicht, was wiederum genau das System ist, das jetzt bemüht wird, um die Inklusion von auch Personen wie mir zu ermöglichen.

Und wenn ich nicht mitmache bin ich selber schuld. Integrationsunwillig. Inklusionsuntauglich.
Sobald die Norm (die übrigens bis heute für mich keine so klare Beschirmung und Definition hat, wie die Unnorm) abgelehnt oder in ihrer Zielposition hinterfragt wird, wird es schwierig mit der Inklusion.

Weil die Norm _ist_ und eben nicht gemacht wird, wie ich zu einer Unnormalen gemacht wurde und werde und _bin_.
Die Norm wird immer und in allem, was unser System stützt, ganz automatisch mitgedacht und ist ein fester Gradmesser. Alles andere nicht.

– geht noch weiter –

shades of Inklusion 2

Integriert wird das Fremde. Inkludiert wird das Gleiche.
Ist Inklusion deshalb im Ergebnis Gleichmacherei? Nein.

Aber ein Akt in dem Normen und Ansprüche nur bis zu einem bestimmten Punkt hinterfragt und verändert werden kann, ist es doch, weil Gleichheit zu definieren etwas mit Macht zu tun hat, die in unserer Gesellschaft in aller Regel von denen, die noch ein bisschen gleicher sind, inne ist.
Ich habe ein wachsendes #Mimimi mit der Inklusionsdebatte, das sich auf gerade diese Machtaspekte bezieht und versuche das mal zu artikulieren.

Da ist zum Einen der Umstand, dass ablierte (“gesunde”, “fähige” – (be) herrschende) Personen, die von ihnen diskriminierten Personen fragen, was denn passieren müsste. “Was sollen wir denn machen, damit ihr partizipieren könnt? Was sollen wir denn machen, damit ihr nicht mehr diskriminiert seid?”.
Das erlebe ich für mich immer wieder schwierig, weil ich mehr oder weniger bewusst damit erwachsen geworden bin “krank” und “unfähig (zur Selbstbeherrschung – ergo unfähig zur Macht)” zu sein bzw. so zu gelten und eben nicht zu partizipieren.
Ich habe gelernt zu fragen, zu bitten – den Moment, in dem sich betteln noch lohnen könnte, zu spüren. Mein Gefühl für Würde und Respekt ist abgehobelt.
Und dann kommt jemand und fragt, was denn schöner wäre und wie man das hinbekommen kann. Jemand wie Günther Jauch schiebt dem dann noch ein “ohne, dass die anderen Menschen davon gestört werden oder sich zu etwas gezwungen fühlen” hinterher.

Ich nehme oft wahr, dass solche Fragen oft gar nicht wirklich an mich gerichtet sind, sondern, eine Art Auftakt darstellen, sich der grundlegend nötigen gesamtgesellschaftlichen Veränderung zu entziehen, indem ich zu einem Imperativ mit Schwerbehindertenplakette gemacht werde, dem “man” (“alle Anderen ™ ”) nachkommen soll, was wiederum auf eine Mehrheitsgesellschaft verwirrend wirken muss. Diese Gesellschaft ist es nämlich gewöhnt, dass Mehrheiten bestimmen, was wie zu betrachten ist und diese die Aufgabe haben die Minderheiten ™ mitzudenken – nicht aber mit-machen-zu lassen.
Das bekommen nämlich ablierte Menschen immer auf den Lernzettel: “Denk auch mal an die Anderen”, “Gib den Armen, rette die Schwachen…”, “Hilf Omis über die Straße…”, “Kranke und Behinderte können nix DAFÜR…” und so weiter und so weiter.

Am Ende steht da immer: “Wenn jemand etwas nicht kann, dann heißt es, etwas auszugleichen – baue Rampen und Brücken, zerstöre Barrieren (damit du denen, die es dann noch nicht schaffen, so zu sein, wie du, sagen kannst, sie würden sich nicht genug anstrengen)”.
Es geht mir an der Stelle darum, dass zum Einen die Gleichheit künstlich hergestellt wird, statt diese ohne jeden Zusatzstoff (wie eben Hilfsmittel oder Befähigungsmaßnahmen allgemein) anzunehmen und zum Anderen, dass dabei unangetastet bleibt, wann und wo die Gleichheit beginnt und wer diese definiert.

Ich merke das bei mir an Stellen, an denen ich denke, ich wäre inkludiert, wenn ich auch arbeiten gehen würde, wenn ich verschiedene Reaktionen von mir nicht mehr im Voraus erahnen und entsprechend der Gegebenheiten in den Lauf der Dinge flechten müsste – und eben nicht, dass allein schon der Gedanke, dass ich in etwas – in eine Masse, eine Personengruppe, die ich als Gruppe wahrnehme, während sie mich als Einzelfallperson betrachtet – hineingepflanzt und an sie  in meinem Werden und Sein angeglichen, werden möchte, ein Marker dafür ist, dass wir eigentlich noch immer von Integration sprechen, wenn auch einen Schritt weiter.
Quasi als Integration 2.0 – Behinderung intersektional (auf den Achsen Klasse und Befähigung im Bezug zur Wirtschaftlichkeit/Rentabilität in Abhängigkeit von Kosten und Nutzen).

– gleich gehts weiter… –

und in 10 Jahren? #Inklusion2025

Die „Aktion Mensch“ hat eine Blogparade ausgerufen, in der es heißt: “Mit unserer Blogparade #INKLUSION2025 suchen wir … Ihre Ideen dazu, wie unsere Welt in zehn Jahren aussehen wird und was nötig ist, damit daraus eine inklusivere Gesellschaft wird.”.

„Was sollte sich ändern?“, fragst du “Aktion Mensch”
Ich denke: Vielleicht muss man aufhören eine Rederunde nach der anderen zur der Frage “Was muss sich verändern?” zu machen. Vielleicht muss man aufhören so zu tun, als müssten wir jedes Jahr neu darüber nachdenken und verhandeln “Ist das Mensch oder kann das weg?”, sondern loslegen, alle bisher aufgebrachten Vorschläge und Ideen, auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. In Testläufen, kleinen und größeren Projekten, mit Freiwilligen, mit Lernenden, mit Wachsenden, die unser 2025 mitbestimmen werden.
Was war denn mit dem Zukunftsdialog 2012 – was passiert in jeder Vereinigung, jedem Verband, jeder Mitarbeiter_Innenversammlung, jeder Interessenvertretung, jeder sozialen Einrichtung, die sich um Menschen kümmert bzw. diese im Fokus hat, die mit Behinderungen jeder Art leben?
Jedes Jahr gibt es neue Ideen, jede Woche wird überall geäußert, was sich ändern müsste, damit Inklusion gelingt.

Die Umsetzung scheitert an der Inklusion des Themas “Inklusion” als etwas, das die Gesellschaft angeht. Das auch und immer mehr die Unternehmer_Innen angeht. Das auch Europa angeht.
Inklusion meint nicht nur, dass Lisa ohne Gehör überall ihr Abi machen kann, oder, dass Turgut ohne Beine uns bei den Paralympics vertreten kann.
Es geht nicht nur um die Höhen, die Möglichkeiten, die erreicht werden könnten, würde wäre wenn
Es geht auch darum, inklusives Denken zu ermöglichen und als selbstverständlich zu etablieren.

Dazu gehört sich Zeit für Barrieren und ihren Abbau nehmen zu können.
Dazu gehört Barrieren in erster Linie in sich zu finden – nicht nur in der Treppe, wo eine Rampe sein könnte.

Dazu gehört die Erfassung der Lebens – und Seinsform “Mensch” in all seinen Facetten, ohne Interessen, die von Diskriminierungsdynamiken geleitet werden.

 

Ich schaue nicht nur verheißungsvoll in Richtung 2025.
Meine Zukunft. Meine Zukunft in 10 Jahren.
Oh Baby, wenn wir alt sind…

2025, da werden viele soziale Systeme zusammengebrochen sein. Und von Privatunternehmen als “im Wandel” bezeichnet. Während die Einnahmen natürlich steigen.
Kapitalismus – oh Baby, der wird auch dann noch da sein und Menschenrechte mit Knebelverträgen und Abhängigkeiten untergraben.
Keine Illusionen Baby, das wird uns auch dann noch beschäftigen. Vielleicht auch auf die Straßen gehen lassen.

Wenn ich 38 bin, bin ich für den ersten, zweiten, dritten… Arbeitsmarkt vermutlich tot. Nicht mehr nur wertlos wie jetzt, sondern tot.
Ich werde nebenher laufen in einem anderen Gewand. Im besten Fall: als Selbstständige. Natürlich unterbezahlt, natürlich immer in Sorge: Wann kommt die nächste dürre Zeit? Immer auf der Suche, wie ein Tier auf der Jagd, nach dem nächsten großen Auftrag.

Vielleicht,
ich hoffe und wünsche mir das
begleiten mich Menschen und wirken therapeutisch auf mich ein. Die einen als Profis, die anderen einfach so.
Vielleicht kann ich wirklich heilen. Was auch immer “Heilung” bedeutet.
Vielleicht habe ich bis 2025 ein Level erreicht, auf dem mich so eine Arbeitsjagd nicht mehr an den Rand bringt oder davon herunter schubst.
Ich hoffe, den Krankenkassen wird bis 2025 verboten, Hilfeleistungen nach Wirtschaftlichkeit zu bemessen. Denn das ist ein Verstoß gegen Menschenrechte.

In 10 Jahren habe ich mir vielleicht meinen eigenen Arbeitsplatz geschaffen.
Das Nachwachshaus™  für Menschen, die komplexe Traumatisierungen erfuhren, könnte in 10 Jahren vielleicht schon stehen. Vielleicht sitze ich in 10 Jahren in einem Wintergarten neben jemandem, der eine Zigarette nach der anderen raucht, so wie ich gut 20 Jahre vor ihm allein in einem Wintergarten saß und eine Zigarette nach der anderen rauchte, weil das alles war, was ich noch sicher konnte. Ohne Angst.

Wir, unsere Gemögten und unsere Unterstützer_Innen haben einen Verein gegründet, unsere Fehler zum Lernen gemacht, uns gestritten und versöhnt, geweint, geächzt und gejodelt bei jeder weiteren geschaffen Etappe und könnten 2025 irgendwo sitzen und uns wundern, dass es geklappt hat. Ich könnte dort sitzen und Pastme sagen: “Gucke mal”.
Oh Baby, das wär sowas von krass.

Vielleicht lebe ich als 38 jährige ein Leben, in dem ich wählen kann, ob ich die Kleidung, die Möbel, die ungewollten Produkte anderer Menschen nutze oder mir selbst welche kaufe. Vielleicht lebe ich in einer Gesellschaft, in der nicht mehr zur Debatte steht, ob ich einen Fahrdienst nutzen darf, obwohl ich doch zwei Monate vorher gut ohne klar kam und quer durchs Land reisen konnte.
Oh Baby, wie cool wäre es, wenn in 2025, die konkret betroffenen Menschen definieren und bestimmen, was wann wie nötig ist, ohne sich an der Norm, die niemand eigenständig definierte, orientieren zu müssen.

In 10 Jahren, da werde ich Mode sehen, die fragt, ob man einen Rollstuhl nutzt, viel liegt, viel sitzt. Die auch bequem und passend tragbar ist, wenn man nur ein Bein hat. Oder gar keine. Oder…
Vielleicht wird es eine Modenschau geben oder gar ganz viele, die ganz anders aussehen, als die die heute … in Mode … sind.
Vielleicht meine ich 2025 mit dem Begriff “normschön” etwas völlig anderes, als jetzt.
Oh Baby, ich glaube bald sind Designer_Innen und Modemacher_Innen mutig genug dafür.

Vielleicht bin ich in 10 Jahren Mutter? Oh ich würde dann gern Mutter sein.
Oh Baby, bevor ich zu alt bin um ohne “RISIKOSCHWANGERSCHAFT Faktor eine Zillion” – Stempel im Mutterpass, schwanger, gebärend, wochengebettet sein zu können.

Aber vielleicht gibt’s in 10 Jahren eh keine Hebammen mehr und ich kann das mit der guten Begleitung und weniger Sorgen zu Vereinbarkeit von seelischer Behinderung und Schwangerschaft, Muttersein und allem schon in der Planung vergessen.
Und ach, wahrscheinlich sind Lesben, Schwule, Queers und alle Nichtheteros und “Behinderten” allgemein, dann eh auch noch immer gar keine richtig echt liebenden Menschen vor Gesetz und sogenannter „Mitte der Gesellschaft“ und mögliche Eltern, so, dass echte Ehe, Sperma- und/oder Eizellenspenden oder ähnliche Luxuswege zum eigenen Kind, einfach und legal ohne Nachteile für die Beteiligten funktionieren.

10 Jahre reichen nicht für Gesetzesänderungen und schon gar nicht für so grundlegende Wandlungen in den Köpfen der Gesellschaftsvertragspartner_Innen ™ , wir sehen’s ja jetzt.
ARD Themenwoche.
Oh Baby, wir müssen alt werden, um den Jungen die Rückendeckung zu geben, die wir* heute nicht erhalten.

Vielleicht ist es 2025 nicht mehr außergewöhnlich sich für Inklusion und Solidarität stark zu machen und der Brauch des stellvertretend für alle ™ Sprechens, ist endlich verbrannt.
Vielleicht sind wir 2025 damit beschäftigt uns zusammenzufinden und unsere bisher gesammelten Ideen und Pläne umzusetzen, zu überarbeiten, miteinander abzustimmen.

Oh Baby, vielleicht muss 2025 niemand mehr fragen: “Was muss passieren, damit unsere Gesellschaft inklusiver wird?”
Sondern nur noch fragen, wie inklusives Denken, Teil unserer üblichen Alltagskultur sein und bleiben kann.

Kinderbücher mit Behinderung

Ich kann es so gut verstehen, wenn Kinder und ihre Eltern sich mehr Vielfalt in Büchern wünschen, wie Mareike das bei sich im Blog tut.

Für mich fängt es schon bei den Namen, der Hautfarbe und spezifischen Kultur- und/oder Religionseinflüssen in verschiedenen Alltagen an, die mir oft fehlen, aber natürlich fehlen auch die Leben von Kindern, die mit zum Beispiel Down Syndrom und und und und auf die Welt gekommen sind, in aller Regel in Kinderbüchern.
Für meine Eulengeschichte suche ich noch immer einen Verlag und arbeite nebenbei als kleines Ausruh-Eskapismus-Novemberüberstehdings an einer anderen Kindergeschichte. Deshalb stecke meine Nase gerade verstärkt in diese Szene und mir fallen da ein paar Dinge auf, die mitverantwortlich für wenig Diversität in Kinderbüchern sein könnten.

Meine Eulengeschichte ist so ein typisches Stück in Sachen “ein Kind bekommt etwas von einem Erwachsenen erklärt”. Davon gibt es ziemlich viele Kinderbücher, finde ich. Eigentlich kommt kaum ein Kind in Geschichten ohne elterliche/erwachsene Erklärung weg, was auf adultistischen Gesellschaftsstrukturen beruht. Erwachsene denken (und bekommen immer wieder von allen Seiten präsentiert), dass Kinder absolut hilflos sind und Dinge nicht verstehen oder nicht richtig verstehen und immer alles erklärt haben müssen.
Sicher ist das nicht nur falsch – aber in der Repräsentation schlägt es sich dann eben doch auch in Kinderbüchern nieder, in denen es so läuft, wie in meiner Eulengeschichte. Eltern wie Kinder finden sich darin wieder und kaufen solche Geschichten entsprechend (Überraschung- der Kreis ist geschlossen).

Die Eulengeschichte ist allerdings etwas philosophisch und sprachknickerig angehaucht. Da geht es um den Grat zwischen “ausgewachsen” und “erwachsen” sein – um Reife, die manchmal zu vermitteln schwierig ist. Für Kinder, die genau in dem Alter sind, in dem sie lieber stundenlang allein ein Treppenhaus hochklettern wollen, als wie “als sie noch klein waren” getragen zu werden, ist meine Geschichte vielleicht noch nichts. Für Jugendliche, die Dinge tun wollen, die den Handlungen von erwachsenen Personen nahekommen, ist der physische Aspekt des “Auswachsens” vielleicht nicht mehr so greifbar.
Das sind bis jetzt jedenfalls so die Rückmeldungen, die ich mit den Absagen erhalten habe. Es sind die Einschätzungen Erwachsener über die Rezeption von Kindern und Jugendlichen, die sicherlich auch begründet sind, keine Frage. Aber es sind eben nicht die Einschätzungen von den Personen, für die ich die Geschichte geschrieben habe und dieser Aspekt von Perspektive ist es, der eine Rolle spielt und den ich in der Geschichte, die ich jetzt angefangen habe, auch an mir selbst bemerke.

Es geht in der Geschichte um ein Kind, das sich etwas fragt und in einem Traum dann die Lösung findet.
Ich habe bemerkt, dass ich beim Schreiben und Zeichnen immer wieder mich selbst zum Vorbild nehme – obwohl es a) ein Kind ist, das b) einen Rollstuhl benutzt und, das c) in einer Familie (also nicht allein) lebt.
Meine Figur ist weit von meinem (Er-) Leben entfernt und ich sehe die Auswirkungen davon auf meine Ideen. Zum Beispiel wollte ich das Kind im Traum laufen lassen, weil es ja ein Traum ist und ein schöner Traum sein soll. In solchen Momenten bin ich dann froh darum, dass ich so viele Menschen, die Rollis und andere Hilfsmittel nutzen, direkt übers Internet erleben kann, sonst würde ich nicht den Impuls zur Reflektion bekommen haben, was das für eine Quatschidee ist.
Es gibt keinen Grund den Traum so weit von der (Er-)Lebensrealität meiner Figur zu entfernen und so nah an mich selbst heranzubringen, aber die “Verlockung” ist ganz klar da und kommt ja auch nicht aus dem Nichts.

Die “guten” Rolemodels für Menschen, die behindert werden, sind immer* die, die _trotzdem_ (nicht _auch_ ) klar kommen. Es sind immer die, die besonders strahlend von ihrer Lebensfreude und ihrer Kraft sprechen und natürlich “totaaaal normaaaaal” sind.
Sichtbar wird da nicht, dass es sich um Menschen handelt, die ohne (finanzielle) Unterstützungen gar niemals da angekommen wären, wo sie sind. Abhängigkeiten werden nicht als Abhängigkeiten benannt, sondern als Lebensstil oder großartig- fast unmenschlich aufopferungsvolle – Hilfe markiert. So, als hätten diese Personen die Wahl zur Hilfe getroffen, weil sie es wollten – nicht, weil ihr Überleben oder die Sicherung von Lebensqualität und Teilhabe an gesellschaftlichem Leben daran hängt. Also etwas, das man _braucht_ und deshalb will.
Das ist der Unterschied, den Behinderungen jeder Art einfach immer auch mit machen. Die Intension von Entscheidungen, die getroffen werden, haben immer auch mit dem Grad der Abhängigkeit von der Umgebung, in der diese Wahl getroffen wird, zu tun. Natürlich kann ein Rollifahrer zu den Paralympics fahren – wenn er genug UnterstützerInnen* hat, die die Ausrüstung, Hilfsmittel, Training, Transportkosten mitstemmen und er genug Resilienzfaktoren in sich hat, sich durch diese Herausforderung durchzubeißen.
Die Dynamik von Verwertungsinklusion, die derzeit überall gefördert (weil von KapitalistInnen* gefordert) wird, funktioniert auf Diskriminierungsachsen immer gleich und macht keinen Unterschied.

Ich glaube nicht (aber ich irre mich da gern), dass diese “Traum ohne Rollstuhl – Sequenz” bei einem Verlag direkt als schwierig markiert worden wäre, denn da ist ja noch “Heidi”.
Das Heidianime von 1989 – ich liebe es!
Klara war das erste Kind im Rollstuhl, mit dem ich als Grundschulkind in Berührung kam. Dass diese Figur durch das liebevolle Zuwenden und Üben; die gute Alpenluft und ihren Willen am Ende laufen konnte und alle Menschen damit glücklich macht, hat in meinem Bild von Menschen, die Rollstühle benutzen, bis heute eine Spur hinterlassen, an der ich nun als Kinderbuchautorin in Spee herumradiere.

Ich lebe heute allein und Rollstühle sind kein Alltagsgegenstand mehr für mich. Ich bin nicht mehr viel umgeben von Menschen, die körperliche Wuchsrichtungen mit Hilfsmitteln kompensieren (müssen), um sich an andere Menschen bzw. die auf sie und ihre Möglichkeiten ausgerichtete Lebensumgebung, anpassen zu können und ich merke, dass das etwas ist, woran ich mich jetzt aktiv erinnern muss, um nicht eine weitere Geschichte nach dem Heidistrickmuster bzw. mit einer Essenz von “Heidi” zu erzählen.

Das ist ein Faktor, der mich an der Darstellung auch meiner Behinderung nämlich sehr nervt: der Implizit der Veränderbarkeit der Behinderung (und nicht der Lebensumgebung).
Meine Behinderung aufgrund psychischer Faktoren wird immer und immer wieder als eine Phase, ein Lebensabschnitt, als krank (und deshalb von ÄrztInnen* “wegmachbar” oder zum Positiven veränderbar) dargestellt – nicht als etwas, das mich als jemanden sichtbar macht, der aufgrund bestimmter äußerer Faktoren so gewachsen ist. Es wird nicht klar, dass es sich um die Folge von Anpassungsreaktionen handelt, die bis heute und vielleicht auch für immer, wenn auch nicht immer gleich intensiv und umfassend, in mir und meinem Erleben wirken.

In meinen Fantasien über mich selbst, kommt nie drin vor, dass ich ohne Angst bin oder ohne Innens. Wenn ich mir ein Bild von mir in bestimmten Lagen mache – egal, wie fantastisch sie sind: “die Anderen” sind immer da, wie jetzt – meine Belastungsgrenze, meine emotionalen Kapazitäten, sind genauso ausgerichtet, wie jetzt. Meine Lebensumgebung verändert sich- aber ich selbst nicht.
Meine Fantasie sprengt immer nur die Grenzen, die ich auch real sprengen könnte (und sei es in Metaphern) und genau das jetzt bei dieser Kindergeschichte zu beachten.. woah- das ist wirklich überhaupt gar nicht so einfach, wie ich mir das am Anfang vorgestellt hatte.

Ich weiß, dass man in seine Figuren hineinschlüpfen muss, um sie voll und rund wirken zu lassen.
Es ist aber auch klar, dass ich nur so viel “Füllmaterial” mitbringen und positionieren kann, wie ich selbst wahrnehme.
So wird dieses kleine Ausruhprojekt auch eine Lektion in Demut vor meinen Fähigkeiten für mich.

Ich möchte keine Geschichte schreiben in der das Kind besonders ist, weil es den Rolli nutzt, sondern, weil es sich die Frage stellt, die es sich stellt und sich selbst beantwortet. Aber dadurch, dass es den Rolli nutzt (was es tut, gerade weil ich eben keine 08/15 Profitkindergeschichte schreiben möchte) wurde es für meine Vorstellung irgendwie doch wieder beinahe logisch, einen für viele junge wie alte Menschen alltäglichen Gegenstand zu etwas zu machen, das eben nicht so normal ist, dass er auch in einem Traum vorkommt.

Das ist, was Behinderungen zu Behinderungen im Sinne von Hindernissen macht: die eigenen (unreflektierten) Vorstellungen über die Lebensrealitäten anderer Menschen
und das ist, was Kinderbücher dann auch nicht divers macht.

der rosenblattsche Weg zur freiwilligen gesetzlichen Betreuung

Heute gabs mal wieder was aus der Serie “Frau Rosenblatt auf der Jagd nach dem goldenen Schnatz im Bereich Unterstützung und Fürsprache”

Kurzer Rückblick: August 2013 – Frau Rosenblatt möchte einen Abzweigungsantrag in Bezug auf das Kindergeld, das sie erhält, weil sie schwerbehindert und erwerbsunfähig ist, stellen, damit nicht jedes Jahr Post von der Herkunftsfamilie in ihre Kniekehlen tritt
– die folgenden 8 Monate verbringt Frau Rosenblatt damit, Menschen, die ihr Unterstützung und Fürsprache in ihren Belangen zugesichert haben, damit zu nerven, dass da was passieren muss, weil sie ohne Weiterbewilligung von 184€ weniger leben muss
– die Menschen versuchen und versuchen – lauschen gespannt Wartezeitenmelodien bis plötzlich … nun ja wahrscheinlich hatte man sich an die Unklärbarkeit und Unlösbarkeit gewöhnt oder das Rauschen, das aus Frau Rosenblatts Mund heraus kam, irgendwie auch einfach nicht mehr wahrgenommen. Kann ja passieren. Passiert ja allen ein “ich brauche Unterstützung- ich kann das nicht allein- es geht mir zu schlecht, ich habe keine Kapazitäten mitzuwirken- ich kann nicht helfen mir zu helfen” einfach irgendwann nicht mehr zu hören. That’s life und so was Frau Rosenblatts‘

Inzwischen schreibt man Mai 2014 – Frau Rosenblatt hat ein Riesenglück mit ihrem Jobcentermenschen: die Kindergelddifferenz wird ausgezahlt bis die Sache geklärt ist (das Jobcenter ist nicht verpflichtet das zu tun!)
– da ihre HelferInnen* taub für ihre Worte geworden und konfliktfähig wie ein Stück Landstraße sind, stellt sie einen Antrag auf eine freiwillige gesetzliche Betreuung

und wartet

meanwhile ist sie eigentlich eher Wrack als irgendetwas anderes und stemmt trotzdem ein Vorhaben nach dem anderen. Niemand soll ihr je nachsagen können, sie würde sich gehen lassen, würde schwach werden unter dem Verlust von Gemögten, Verbündeten und Gemochten, dem Infragestellen von Lebenssinn und Zukunftsperspektive. Sie verbringt viel Zeit damit Menschen zu sagen: Ich kann nicht mehr – ich bin müde – ich bin traurig – ich bin verletzt – ich bin ungerächt – ich bin überfordert , bis es auch in ihren Schädel geht: Es ist scheiß egal, was sie eben nicht kann. So lange sie es nicht für andere Menschen sichtbar nicht kann, kann sie eben doch alles.

Also atmet sie anders und beißt sich vorwärts bis in den Juli, wo ein Sozialbericht erstellt wird.
Man sagt ihr,
sie könnte noch immer eine Strafanzeige erstatten – bis die Gewalt an ihr verjährt ist, hat sie ja noch 4 Wochen.
Sie lacht die Frau fast aus und mariniert sich erneut in Bitterkeit.

“plätscher plätscher” machte die Zeit bis September, als Frau Rosenblatts Konto dann plötzlich leer blieb.
Überraschung. Nicht.
Das Jobcenter möchte selbstverständlich gerne endlich einmal Zettelage über das Kindergeld, die Frau Rosenblatt nicht hat. Aus Gründen.

Frau Rosenblatt hat inzwischen Kompetenzwut aufgebaut und ruft beim Gericht an. “Macht mal bitte schneller – ich habe kein Geld, bin zahlungssäumig und man will Zettel von mir, die ich nur mit eurer Hilfe bekommen kann”, sagt sie sinngemäß (und viel sachlicher, denn eigentlich war sie im September größtenteils tot).
Eine Woche später, bekommt sie Post zur Ansicht, die auch an die Medizinerin gegangen war, die sie begutachten sollte. “Machen sie mal schneller ihr Gutachtendings- Frau Rosenblatt hat Angst”.
Ja, es gab eine klitzekleine Hassexplosion in Frau Rosenblatts Bauch.

Dann die medizinische Begutachtung, die dankenswerterweise weder nervig noch schmerzlich noch sonst wie respektlos oder doof war.

Es folgte Warten bis heute.
9. Oktober: Anhörung bei Gericht. Nun gibt es die Erklärung vor dem Richter, warum Frau Rosenblatt denn gerne diese Betreuung möchte. An dieser Stelle kann ich es nicht lassen, darauf hinzuweisen, dass es immer wieder heißt: “Warum möchten Sie denn die Betreuung?” und nicht “Warum brauchen Sie denn die Betreuung?”.

Frau Rosenblatt braucht ja nie etwas- Frau Rosenblatt ist der wandelnde Imperativ – Frau Rosenblatt WILL immer etwas.
Das ist ja Nervige an ihr – STÄNDIG hat sie kein Geld – IMMER fehlt ihr irgendwas, will sie irgendeine Unterstützung, braucht Zuspruch, will Schutz – G’tt wie anstrengend!
Erst mal weggehen. Eine Rauchen… Kataloge blättern… sich gut fühlen, weil man nicht so ist, wie sie.

Scheibenwischer- Richteranhörung
Frau Rosenblatt erfährt, dass man eigentlich jemanden ausgesucht hatte, aber “in Anbetracht der Komplexität ihres Falls” sei eine volljuristische Betreuung, die sich engagiert, nötig.  Da müsse man jetzt aber nochmal schauen, wer sich das zutraut. Wer die Kapazitäten dafür hat. Kann noch mal 2 – 3 Wochen dauern.

“Ist diese Betreuung von jemandem anfechtbar?” – “Nein”.
”Schönen Tag  noch, ich danke Ihnen für die Zeit, die Sie sich für mich genommen haben”. Falten aus dem Mädchenkostüm gezupft und mit dem üblichen Gefühl nichts weiter als eine Last für sich und eine Belästigung für den Rest der Welt zu sein, stieg sie in die Bahn nach Hause.

Alleine, wie sie in dem Flur aus 50 shades of grey saß, gar nicht so weit weg von dort, wo man ihr alles Unrecht, dass ihr je widerfahren ist, anerkennen und als Unrecht markieren hätte würde wenn können. Hätte sie angezeigt. Würde sie das durchhalten. Wäre alles anders und ganz besonders sie nicht sie.

Als sie nach Hause kommt, erwartet sie eine bombastische Rechnung über säumige Zahlungen.
“Es war nicht Ihre Schuld – Sie haben getan, was Sie konnten”, sagt die Frau bei der Telefonseelsorge.

Schon wieder ihren Gemögten und Gemochten oder der Therapeutin mit ihrem Kummer auf die Nerven gehen, wollte sie nicht.
Also rief sie dort an und freute sich, die eine achte Anruferin zu sein, die dort überhaupt nur durchkommt.

und wenn ich älter bin?

Vielleicht liegt es auch an meinem Alter, dass ich es als heuchlerische Kackscheiße empfinde, wenn sich meine HoffnungsträgerInnen* und vielleicht auch Vorbilder als elitäre Scheinbilder entpuppen.

Ich bin ja eine von denen, die nicht genau weiß, wie das so läuft, wenn man sich zu einem Status hingearbeitet hat.
Konnte ja noch nie arbeiten.

Ich hab keine Ahnung, wie man sich richtig verkauft.
Obwohl schon genug Menschen für ein Stück von mir bezahlt haben.

Immer wieder lese ich davon, dass Maßnahmen zur Inklusion meiner Person mit Kosten verbunden sei.
Aber wenn ich an Gruppen, Verbände, Gesellschaften, Organisationen und Vereine, Universitäten und sonstwie engagierte Menschen herantrete und mich einbringen will, um etwas zurückzugeben, bleibt die Tür zu.

Ich bin so jung und naiv- ich glaube tatsächlich noch, dass die Welt und ihr Funktionieren nicht festgeschrieben ist.

Wie lange wird das noch so bleiben?
Neulich habe ich mich daran erinnert, wie mir mal ein Mensch auf einer Antikriegsdemo an den Kopf warf, ich solle mir einen Job suchen. Als wäre Arbeit das beste Mittel, um mir all mein Aufbegehren abzuschmirgeln.
Klar, habe ich mir in den letzten Jahren unfassbar oft die Chance auf ein Studium gewünscht. Hatte mir überlegt, wie ich es schaffen könnte die Anforderungen zu erfüllen, die an mich gestellt werden, um das zu dürfen.
Mir ist langweilig. Verdammt mir ist so _langweilig_  Mein Kopf hat Hunger. Meine Augen sind durstig. Ich will Dinge lernen und kennen und wissen und verstehen. Ich will alles Wissenswerte auffressen und dafür Belohnungszettel haben. Und dann will ich mit meinem Stapel Belohnungszettel zur Kasse gehen und meinen Sammelbonus haben: Teilhabe an der Gemeinschaft derer, die in diesem System auch tatsächlich etwas von ihrem Wissen weitertragen können um Veränderungen anzustoßen. Klar denke ich: “Ich will richtig in echt anerkannt studieren”, “ich will einen Job”, “Ich will mein eigenes Geld verdienen” und so weiter und so fort.

Doch Fakt ist: Ist nicht, weil kann nicht “richtig”
Ich darf um Berechtigungszettel betteln. Ich darf kriechen und dankbar sein, dass wir nicht in einem Staat ohne Sozialleistungen leben, wo mein Leben noch einmal um ein paar Stufen schwieriger wäre.
Ich darf draußen bleiben, damit sich die Exklusiven exklusiv fühlen. Damit die, die drinnen sind, jemanden haben, den sie als draußen wahrnehmen können.
Ich bleibe eine Inklusionswürdige, damit weiter über Inklusion gesprochen werden kann, weil das so verdammt viel mehr Gelder und Statusbestätigung einbringt, als real greifbare Veränderungen.
Ich darf mich defizitär fühlen, weil sämtliche Schablonen auf die Füllung von Defiziten ausgelegt sind, statt auf die Angleichung der Gegebenheiten.

Noch kann ich mir Wasser aus dem Kopf laufen lassen, wenn es mal wieder so weit ist und das Maß an Enttäuschung gegenüber meinen Bemühungen, irgendwo einfach mal wenigstens einen Zeh in die Tür zu kriegen, voll ist. Doch was ist, wenn ich die 30 hinter mir habe? Die 40? Die 50? Werde ich eine goldene Mitte- einen zweiten Frühling haben und immer noch Enttäuschung fühlen können, wenn ich von einer Hoffnung auf Annäherung an ein Ideal getäuscht werde?

Ich habe mich selbst dazu erzogen keine Opferidentität zu entwickeln.
Ich sehe an mir so viel mehr als das, was ich überlebt habe und will mehr von mir als das eigene Überleben. Ich kann mehr als das und weiß das auch. Der Hunger in meinem Kopf ist nicht just for fun da.

Aber was soll ich sonst sein, wenn mir nur das zugestanden und anerkannt wird, weil ich dafür einen Beweiszettelberg habe?

Ich habe Angst davor, dass mein Kampf um Anerkennung als Mensch, der auch aufgrund seiner Erfahrungen Dinge bedenkt und sieht, die andere Menschen nicht sehen und bedenken, zu der Arbeit wird, die mir mein Aufbegehren abschmirgelt. Ich will mich nicht damit aufhalten. Ich will damit keine Zeit, keine Kraft verschwenden, die so viel konstruktiver und besser genutzt werden kann.

Das System stinkt- es ist Zeit Türen und Fenster aufzumachen.
Den Mief raus zu lassen und auch Menschen wie mich reinzulassen.

Ich rieche nicht nach dem neuesten Parfum von Betty Barcley und trage keine modische Kleidung. Ich duze zu schnell und kenne viele Fremdwörter nicht. Ich habe zu viel Respekt vor Krawatten und Pumps.  Ich schaffe keine 8 Stunden Arbeitstage- manchmal nicht mal meine eigene Existenz.

Aber ich bin noch nicht abgeschmirgelt und habe einen Hunger, den so viele andere Menschen nicht haben, weil sie eigentlich längst satt sind.
Wie wertvoll das ist, kann doch nicht nur eine  Schnapsideenseifenblase aus dem Geist einer Irren sein.

 

kann doch nicht…

das gefräßige Monstrum

P1010238Paula Puzzlestücke und Riotmango haben zu Pseudo- Konsumkritik gerantschrieben und ich dachte einmal mehr darüber nach, was das Problem an Konsumkritik ist.

Selbst kritisiere ich weniger Konsum, als die Notwendigkeit bzw. die Unmöglichkeit von Nichtkonsum. Und vor allem- hey warum wird der Konsum kritisiert und nicht, was Konsum mit sich bringt und What about the capitalism?!
Für mich besteht das Problem „Konsum“ weniger in den Produkten, als in dem Kapital, das damit bewegt wird.
Natürlich bedeutet “mehr” von etwas immer “mehr”: Mehr Auswahl, mehr Müll, mehr Umweltbelastung, mehr Vielfalt, mehr Freude, mehr Möglichkeit, mehr Erbe an die nächste Generation – aber eben auch mehr Druck, diesen Status zu halten und auszubauen. Wo immer mehr ist, da wird auch immer mehr erwartet und je mehr Erwartung herrscht, desto größter ist die “Gefahr” der Enttäuschung.

Das Problem: das kapitalistische “Mehr” interessiert nur deshalb, was “weniger” ist, damit es sich anpassen und dann weiter ver-mehren kann.
Auch deshalb ist Verzicht in Gesellschaften, die auf Kapital beruhen, dieses sowohl in ihren Gütern als auch in sich selbst und ihren Fertig- und Fähigkeiten sehen und einzig damit wirtschaften, keine “gelebte Konsumkritik” sondern einzig eine Herausforderung, die sich maximal zu einer Stasis entwickeln kann- nicht aber zu einer Veränderung führen.

Ich bin nicht böse, wenn ich schreibe: Einzig, weil mehr gehen soll, wird sich aktuell auch auf Menschen die behindert werden und/oder chronisch krank sind und auch auf Menschen, die mit 67 Jahren noch kräftig und motiviert genug sind, konzentriert. Einzig das kapitalistische Interesse steht hinter Inklusionsdebatten und scheitert immer wieder grandios an genau der Stelle, an der klar wird: “Oh, wären da nicht diese und jene kapitalistisch begründeten Barrieren allein, dann lebten wir schon längst (wieder) inklusiv(er)”.

Kapitalismus ist nicht reflektiv- er ist einzig aussendend und sich seine Bahnen suchend (und Dank kapitalistisch sozialisierter Gesellschaften: auch immer wieder findend).

Ich habe einmal darüber nachgedacht, ob ich in der Schule jemals überhaupt andere Wirtschaftssysteme als die des Kapitalismus gelernt habe. Natürlich habe ich etwas über Tauschkultur und Selbstversorgung gelernt, habe aber auch schnell die Grenzen dieser Systeme begriffen. Sie funktionieren nur in kleinem Kreis, weil sie Entwicklungen entschleunigen und sehr viel mehr äußeren (unkontrollierbaren) Bedingungen unterworfen sind.

Einmal wollte ich gerne in die Gemeinschaft der Selbstversorgenden hineingehen und merkte aber schnell: Meine Krankheit* würde mich in Gemeinschaften zu einem Mitglied werden lassen, das öfter mitgetragen werden muss. Ein Umstand, der für mich mit Abhängigkeiten und damit Unfreiheit, gleich der, die ich in kapitalistischen Systemen lebe, einhergeht.
Allein mich selbst versorgend, würde ich spätestens im Winter oder Frühling abkacken und in der Folge nicht einmal mehr die Aussaat für die Sommerernten schaffen.
Das sagt mir: Menschen brauchen Solidargemeinschaften (was für mich persönlich den Begriff von „Familie“ übrigens auch noch einmal umgemodelt hat).

Solidarität ist allerdings ein Privileg, das nicht auf Zwang oder Notwendigkeit hin entsteht, sondern, weil man es sich leisten kann.
Leisten kann man sich in unseren bestehenden Gesellschaftssystemen immer erst dann etwas, wenn man ein Etwas oder ein Jemand ist (bzw. verkaufen kann oder könnte). Ergo inkludiert, in Lohnarbeit oder wirtschaftlicher Selbstständigkeit oder mindestens in Besitz von Fähig- und Fertigkeiten, die für egal welches System von Nutzen ist.
Das heißt, dass auch Solidargemeinschaften, die sich weit weit weit am Rand der Gesellschaft bewegen, immer doch an irgendeiner Stelle auf diesem Privileg basieren, dass sich mindestens eine Person in ihr immer noch anders entscheiden kann.

Es ist ein dem Kapitalismus verschuldetes Privileg auch auf den Kapitalismus verzichten zu können.
Die VerliererInnen* im Kapitalismus sind in aller Regel die GewinnerInnen* der Solidargemeinschaften, weil sie dort nur gewinnen können. Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Und wo alles etwas ist, da gelten andere Maßstäbe für die Begriffe “viel” oder “wenig”. Da ist das eigene Dasein, die eigene Präsenz etwas, das irrelevant für den Rest der Welt sein mag, doch gut, nahrhaft, wertig für die Gruppe, ihre Normen, Werte, ihre Kultur und damit ein Grundstoff, für den der Kapitalismus bis heute kein Substitut hat erfinden können.

Ich denke, dass es sich noch immer zu leicht gemacht wird und nur allzu gern letztlich doch der Kapitalismus das genutzte System ist, wenn es darum geht Dinge zu verändern, oder “kritisch” zu konsumieren.
Der Vegan- Bio- Ökoboom im Supermarkt ist ein Paradebeispiel. Dem folgen Fair Trade Kaffee und Schokolade und Biobaumwollshirts im Discounter, sowie Ökotrockenfutter für Heimtiere.
Man will weder giftverseuchte Kleidung, noch Hungerlöhne für die ProduzentInnen* bzw. LieferantInnen*, also kauft man etwas anderes oder verzichtet auf das Eine, um dann zum Anderen zu greifen. Die Frage, ob man als KonsumentIn*, der/die/* man nun einmal ist, weil man nun mal nicht mehr so lebt, als das man sich alles selbst machen und in Stand halten kann, überhaupt in der Position ist, die Dinge durch sein (Kauf)Verhalten zu verändern, kommt noch immer viel zu selten auf.

Wir leben derzeit in einem so ekelhaften Tauschsystem, das vielleicht auch gar nicht bewusst sein darf.
Jede/r* von uns ist KonsumentIn* und ProduzentIn* in einem und so bald die Fähigkeiten zur Produktion wegfallen, wird man selbst zum Werkstück, das verbessert und/ oder moduliert werden muss. “Lohnt” alles das nicht mehr, wird man zum Objekt der Pflegearbeit. Konsumieren tun wir aber alle und zwar die ganze Zeit und inzwischen über den ganzen Planeten verteilt. Wir tauschen permanent Fähigkeit und Existenz gegen Produkt und Status.
Moral und menschlicher Wert wird synonym mit Prüderie (Abwesenheit von Lust und Freude) und Zwang gedacht, was als verpönt gilt, obwohl auch das Leben ohne lebensbestimmende Moral seine gesellschaftlichen Zwänge produziert, die einzig über Konsum lösbar sind.

Die Lust unserer Kultur liegt im Wissen um Sicherheiten und direkt hinterdrein das allgemeine Wohlgefühl, das “satt”, “warm”, “allgemein angenehm” eben mit sich bringt.
Konsumkritik allein ist dumm und wie Paula schon schrieb: verkürzt.
Meiner Meinung nach, befindet sich der weiße Konsum an einem Punkt, an dem er sich alle, die er zuvor noch nicht vereinnahmt hat, jetzt fressen will, weil er denkt, er müsse dies tun.
Das beginnt bei dieser durchsichtigen Verwertungsinklusion und endet vermutlich noch lange nicht bei dem Unterricht in Kapitalismus für Menschen in so genannten “armen Ländern” in “unteren Schichten”, denn nichts anderes tut die sogenannte “wirtschaftliche Entwicklungshilfe” verschiedener weißer Hilfsorganisationen in Ländern wie zum Beispiel Indien, Indonesien, verschiedenen afrikanischen Staaten.

Kapitalismus kann und darf nicht denken: “So, jetzt haben wir genug.” Kapitalismus bedeutet “Hunger” und hat er früher einmal vielleicht tatsächlich Bäuche mit Nahrung gefüllt und füllt er heute vorrangig machtgierig aufgerissene Egos von eigentlich längst Satten.

Meiner Meinung nach, ist es wichtig sich klar zu machen, dass dieses gefräßige Monstrum genug gefressen hat und jemanden wie mich nicht haben muss, nur weil es jemanden, wie mich will.
Ich bin mit meinen Unfähigkeiten jetzt schon so lange so wertlos, so unverwertbar und einzig als Objekt nutzbar gewesen – es wird sich nichts verändern, wenn ich mich hergebe für etwas, von dem ich doch nichts habe. Und während ich das weiß und mich hoffentlich noch lange in klitzekleinen Solidargemeinschaften (und nicht zuletzt dem ,was wir hier als “sozial_staatliche Hilfe” bezeichnen) bewegen und halten kann/darf, bleibt vorerst nur zu hoffen, dass sich dieser Widerstand auch bei anderen Menschen in anderen Ländern, in anderen Kontexten, in anderen Gesellschaften regt und letztlich gewinnt.

Ich hoffe sehr, dass wir als Gesellschaft irgendwie und irgendwann an den Punkt kommen, an dem Dinge nicht erst dann wertvoll sind, wenn man sie reproduzieren und konsumieren kann, sondern, wenn sie schlicht da und nutzbar sind. An den Punkt an dem Menschenleben in ihrem Wert nicht an Status, Lebensumstand und Gestaltung gemessen werden, sondern vorrangig daran, was jeder einzelne Mensch in die Gemeinschaft einbringt, einfach weil es ihn gibt und, weil der Mensch tut, was er gut kann und auch können will.