Superwomen, Möhrenwürfel und Heilung

Sie sagt, ich hätte alles Recht mich fallen zu lassen.
Sie fragt, wieso ich mir das alles antue. “Weißt du wie du hier vor mir stehst? Du hast schon wieder diesen Buckel und du guckst schon wieder nur noch von unten nach oben.”

“Ja- kann sein.” Ich merke wie eine Wut von einem Innen durch mich herausschießt- der Buckel wird zum Panzer, mit verletzenden Stacheln besetzt. ”Und- was soll ich drüber heulen? Wem hilfts? Änderts was? Hats das je getan?” Meine panische Angst vor der Reaktion meines Gegenübers rast durch den Körper gepaart mit einem innigen Wunsch nach den Tritten, Schlägen und Demütigungen, die ich jetzt erwarte.

“Hey- ich weiß schon! Guck mich an- ich bins!”
Nein- ist sie nicht oder doch? Oder nicht? Oder? Ich kann nichts mehr sehen- es schiebt sich alles ineinander- meine Ratio hängt wimmernd in irgendeiner Ecke und knüpft sich einen Strick aus Fäden von Heute und Gestern. Mein Körper fängt an um mich herum zu schlackern, meine Lunge schrumpft, mein Herz schaltet auf Schnelldurchlauf… die Haut wird kalt.
Hinter meinen Augäpfeln wird sie zerschossen, während gleichzeitig das Betteln, um gnadenlose Gewalt an sich immer lauter wird. Ich betrachte meine Ratio die inzwischen wie eine Stoffpuppe von der Naht zwischen Heute und Gestern herab baumelt, während ich vor der Gemögten stehe und mir die Worte aus dem Hals zu pressen versuche.

“Hallo? Bist du noch da?”
Ich höre sie wohl, ich bin noch da. Ja.
Sie versuche diese Lupe aus Tränenflüssigkeit und Vergangenheit beiseite zu wischen, während sie aufsteht, die Tüte mit gefrostetem Suppengemüse aus dem Tiefkühlfach holt und mir auf die Hand legt. Die Eiskristalle ziehen mich an dünnen Fädchen aus den tieferen Schichten des Innen näher an de Oberfläche. Zerschneiden den Strick meiner Ratio, die mit einem dumpfen Plums auf dem Boden meines Bewusstseins landet.
”Gehts?”
Ich halte die Tüte an meinen Bauch und nicke.
Eigentlich will ich jetzt in der Tüte verschwinden. Selber ganz eingefroren und konserviert sein. Ich will grad nicht in meinem Leben sein und gar gekocht werden von dieser heißen Wut, dem Hass, dieser Verachtung und immer wieder dieser Panik vor der völlig selbstverständlich erwarteten Wiederholung von Gewalt an uns.
Ich will ein kleines Möhrenwürfelchen sein.

“Hm?” Sie lächelt. “Ihr müsst nicht Superwomen sein.”
“Superwomen gibts gar nicht richtig- die hatte nie wirklich echte Superkräfte aus sich heraus. Die, die du meinst hieß Wonderwomen. Und Wonderwomen kann ich nicht sein, sonst muss ich wieder diesen Kampf gegen den Diagnosestempel der Schizophrenie führen, wenn ich sag, ich hätt ein unsichtbares Gefährt…”
”Du weißt, was ich meine.”

Ja, ich weiß was sie meint.
Es gibt Aussteiger, die sich direkt einweisen lassen, weil sie genau diese Selbst-s-Folter, diese immer wieder aufwogende Panik, Verunsicherung, Erinnerung, dieses bewusste geistige “zwischen den Welten stehen”, wie wir es gerade durchmachen, nicht mehr aushalten (können oder wollen).
Es gibt Menschen, die über einen OEG- Antrag und alles was dazu gehört, in unserer Situation nicht einmal nachdenken würden.
Es gibt Menschen, die ohne auch nur ein einziges Medikament nicht durch unsere Nächte kämen.
Und ja- noch weniger Menschen würden genau darüber schreiben, so wie wir.
Aber wir sind ja nicht “die Anderen”. Und wir wollen es auch gar nicht sein.

Wie kommt es, dass ich mich nicht einmal seelenglobal bemitleiden kann ohne, das es heißt, meine Gesamtsituation wäre ja auch viel zu viel? Ohne, dass es heißt: “Du musst nicht Superwomen sein?”. Wieso mussten wir immer Situationen, die andere als so besonders hilfreich bewertet haben, aushalten, (weil es ja das Beste für uns wäre)- in Situationen aber, die wir bewusst erleben wollen und die wir auch so wie sie sind verarbeiten wollen, zu hören bekommen, es wäre ja auch alles zu viel und man könnte sich ja auch mal fallen lassen?

Ja, ich könnte mich fallen lassen- das mache ich doch auch. Was ist denn die Erwartung? Der große dramatische Knall?  Reicht denn das was ich tue nicht?
Ich weine doch nicht, weil ich zwischen den inneren Welten zerrieben werde. Darüber kann ich überhaupt nicht weinen- in Bezug darauf habe ich lediglich zig Fragezeichen und sauge jede Information auf, um beide miteinander zu einer verschmelzen lassen zu können.
Dieser OEG-Antrag ist viel mehr als nur das Aufschreiben von Taten. Meine Güte- ja- schön ist es nicht diese Gewaltorgien aufzuschreiben- aber kaputt machen wird mich nicht das, sondern eher die Politik und der Umgang mit mir als Mensch, der diese Taten an sich aushalten und überleben musste! Darüber zu heulen und mich dann fallen zu lassen, wäre einfach nur systemunterstützend- also hätte es keinen Sinn. Ergo tue ich das nicht!

Aber wenn ich über meinem Buchmanuskript sitze und während des Schreibens merke, wie sich mir Innens nähern und mir einen Teil ihres Wissens und ihrer Gefühle von damals reichen, um sie aufs Papier zu kleben…
Wenn ich mich dann kurz in meinen Sessel fallen lasse, um einfach nur für diesen Moment nichts weiter zu tun, als diese Innens- diese entfernten Teile von mir selbst !!!- zu beweinen… dann- genau dann!- mache ich doch genau das, was mir gesagt wird. Dann lasse ich mich doch fallen.
In dem Moment kann ich niemanden gebrauchen, der mir sagt, es wäre ja eh alles grad so schwer. Oder der mir sagt, morgen würde schon alles besser. Oder der mir sagt, ich müsste nicht Superwomen sein und damit implizieren, was ich hier täte, wäre wer weiß was für ein übermenschlicher Akt.
Das mag für Menschen, die das alles für sich allein schultern müssten, vielleicht zutreffen. Aber für mich und meine Innens ist das nicht so. OEG, Welten- bzw. Werteverschmelzung, die Realisierung von früherem Erleben und der Annahme weggedrückter Gefühle… das sind drei komplett verschiedene Bereiche.
Und nur einer davon hat das Potenzial mich richtig in die Kniee zu zwingen.
Nämlich der, der beinhaltet nicht mehr getrennt zu sein von dem was ich/ wir unser ganzes Leben lang immer und immer wieder von einander wegdissoziiert habe/n: Unsere Geschichte, unsere Gefühle und uns selbst.

Dann brauche ich, dass mich jemand daran erinnert, dass ich das alles schaffen werde. Dass ich keine Superkräfte brauche, um diese Gefühle und Informationen in mir aufzunehmen, sondern, dass das alles bereits in mir drin ist- ich es aber zum ersten Mal bewusst selbst wahrnehme.

Dass Heilung eben auch mal weh tut. So weh, dass man manchmal auch einfach zurecht ein klitzekleiner Möhrenwürfel in einer Tüte Suppengemüse aus dem Tiefkühlfach sein will.

Selbst-s-Folter ist immernoch Folter

Also ganz ehrlich- ja- wir sind ne Sprachmimose. Ja ja ja stimmt!
Wir haben ne Grammatikmacke und hassen es, wenn Menschen “zu” und “nach” falsch verwenden, kriegen die Krise, wenn jemand “als” und “wie” falsch einsetzt und schreihen auf, wenn jemand meint die Begriffe “Vergewaltigung” und “Zwang” synonym verwenden zu können.

Aber wenn sich jemand hinstellt und meint, Folter sei nicht gleich Folter, wenn ich von Folter spreche… da zieht sich nicht nur mein Mimonseninnenleben in sich selbst zurück, sondern mein dunkelbuntes Imperium breitet sich aus wie die Nesselkapseln einer Feuerqualle.

Der Begriff der Folter beschreibt Handlungen um jemandem seinen Willen zu brechen (und in Folge dessen an Informationen heranzukommen oder ihn allgemein gefügig zu machen bzw. zu halten). Diese Handlungen sind immer und in jedem Fall quälend auf irgendeine Art und Weise. Und sie hinterlassen immer einen Schaden.

Mag sein, dass man heute den Begriff nur noch im Zusammenhang mit pseudopolitischer Auseinandersetzung (Politik geht ohne Gewalt- für uns ist Krieg immer nur Gewalt- deshalb steht hier “pseudopolitisch”) hört und dann direkt an sogenanntes “waterboarding” oder vermummte Menschen mit dicken Peitschen in der Hand, denkt.
Dass, auch andere Handlungen völlig subtil und vorallem aus dem eigenen Körper herauskommend, gleichsam eine Folter darstellen können und auch genau als solche empfunden werden, das scheint aber irgendwie doch “übertrieben ausgedrückt”.

Ja danke auch!
Ich geleite mal von oben draufschauend in unsere eigene Folterkammer.
Wir haben einen Kontakt gemacht, der uns gut tut. Der uns Spaß macht und den Horizont erweitert. Der absolut nichts mit den früheren Loyalitäten zu tun hat.
Konflikt: Altes gegen Neues.
versuchte Lösung: Politik- gibst du mir, geb ich dir
innere Ausführung: Maßnahmen, um die politischen Feinde im Innern in ihrem Willen zu brechen, ein neues Leben zu beginnen und an die Gesetze von früher zu binden.
Mittel der Wahl: Todesangst
gern genutzter Verstärker: Schmerzen, forcierte und immer wieder bestätigte Verunsicherung, Bilder der Folgen, die das Handeln haben kann, direkt ausgeübter Zwang quälend peinigende  Handlungen von früher durch die eigene Hand zu wiederholen
Unterm Strich: Selbst-s- Folter!

Ja, es sieht für Aussenstehende aus wie selbstverletzendes Verhalten, eine Essstörung, eine Zwangsstörung, wie schlichte Flashbacks- für uns aber- für unsere Innenkinder und uns Alltagspersonen, die komplett zwischen den inneren Stühlen stehen und einfach nur noch ständig und immer hilflos mit der kleinen weißen Fahne wedeln können, ist es verdammt nochmal Folter.

Ja, ich denke, in diesem Beitrag mache ich mich auf. Ja, ich glaube es ist von Sinn, wenn ich es zeige. Es zeigt eine Dimension.

Insgesamt 20 Stunden nicht zur Toilette gehen zu dürfen (und jedes Mal bei einem Versuch dorthin von Bildern und furchtbaren Gefühlen überflutet zu werden), weil man mit einer Gemögten gesprochen hat, die einem anbietet, etwas anderes zu tun, als das was einem die BÄÄÄMs aufdrücken wollen- ist Folter.
Seinem Körper hilf- und tatenlos dabei zusehen zu müssen, wie er sich immer und immer wieder kochendes Wasser zwischen die Beine schüttet, weil man sich von jemandem anderem, als jenem dem einzig und allein die Loyalität und Liebe gelten soll, gemocht fühlt- ist Folter.
Stundenlang stehen zu müssen, weil man sich nach Stunden in der Kälte ein warmes Getränk zuführen will- es aber nicht darf, weil es den Glaubenssätzen der BÄÄÄMs widerspricht und jene uns immer wieder in diese stehende Haltung zurückzwingen, durch die Provokation von Schmerzen und furchtbaren Ängsten, ist Folter.

Ja, es steht hier niemand neben uns und tut uns das an. Niemand aussen zwingt uns jetzt direkt dazu, das zu tun. Das ist ja aber auch gar nicht nötig. Es ist ja alles im eigenen Selbst installiert. Wir wurden so hingebrochen, um uns genau das hier selbst anzutun, um uns selbst, wenn kein äusserer Täter neben uns steht, immer wieder in das Überzeugungskonstrukt und Handlungskorsett der Gruppierung hineinzufoltern.

Und wenn wir es schaffen, genau das, als das zu bezeichnen, was es ist- nämlich Folter- Selbst-s-Folter, dann sollte nicht von Übertreibung die Rede sein.
Sondern von einer Chance und einem wichtigen Schritt zur Heilung.

Es ist unsere Chance diese Handlungen zu enttarnen und unsere weiße Fahne beiseite zu legen, bei den inneren Verhandlungen. Wer foltert, begeht ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Und der Kern jeder guten Politik ist die Ahndung solcher Verbrechen.
Wenn wir sehen, dass sowas bei uns passiert, dann machen wir eine Anzeige bei unseren verbündeten Mitgliedsstaaten und die helfen uns dann, das zu beenden in dem man Verhandlungen aufnimmt, Forderungen beguckt, einer Prüfung unterzieht und Handlungsmöglichkeiten einführt.

Das geht aber nur, wenn wir das Schlimme, das in uns selbst weiterhin passiert, auch so benennen können und wir uns nicht zu schämen und zu bezweifeln brauchen.
Es ist schon schwer genug.
Wie schwer kann man ja auch sehr schön im Aussen betrachten.
Oder was meinen die Zweifler, warum Guantanmo oder Abu- Ghuraibh nachwievor existieren?
Die Tatsache, dass man es “Verhöre von Menschen im Zusammenhang mit terroristischer Aktivität” nennt und nicht “Folter”, spielt definitiv eine Rolle!

Wir wollen die Fehler anderer nicht an uns selbst wiederholen. Das tun wir auf anderen Ebenen bereits oft genug und oft genug von aussen tatsächlich aufgezwungen.

Wenigstens uns selbst gegenüber machen wir das nicht mehr.
Wenigstens das.

Was unser verdammer scheiß- toller schlauer Körper alles kann

[Atmen kann er- das find ich immer am Besten haha]

Er kann vorallem aushalten!
Nachdem unser Körper gerade in den letzten Tagen durch gefühlte Abwesenheit glänzte, habe ich heute früh einmal mehr gespürt, wieviel so ein Körper aushalten und machen kann.

Es ist mit das beschissenste Element von Erinnerungen die heute auf uns einknallen: Körpererinnerungen.
Für den Laien einmal in Blanko:
Stell dir vor du liegst im Bett und bist dabei einzudösen und auf einmal- einfach so- ohne äusseren Anlass, fühlst du wie dich eine Macht packt und einmal in der Mitte durchreißt und gleichzeitig vollstopft und staucht- brutal, ohne Zögern, ohne Gnade, ohne Entkommen. Es gibt keine Schonhaltung für dich; nichts ausser einen Schreih in deinem Kopf und einen Schmerz der dich in eine Schwärze fallen lässt, die kein Molekül Platz mehr bietet. Es gibt keine Worte. Keine Sprache. Eigentlich nicht mal mehr Körper nebst Kopf. Da ist nur dieser explodierende Schmerz.

Wenn sich das Schwarz etwas lichtet- sei es weil dein Körper den Sauerstoffmangel auszugleichen beginnt (denn du hast den Atem angehalten), sei es weil dein Hund anfängt, die Tränen in deinem Gesicht abzulecken oder weil du aus dem Bett gefallen bist und plötzlich mit irgendeiner einzelnen Hirnzelle merkst:
HEUTE-HIER-JETZT
dann- aber erst dann- kannst du etwas tun.
Vorher musst du und muss der Körper vorallem eins: aushalten.

Ich habe heute morgen gespürt, wie sehr der Körper in diesem Moment- ja fast wiederholen muss, was er schon einmal durchgemacht hat. Er krampft, zieht alle betroffenen Muskelgruppen zusammen, zieht sich dicht an dicht, bietet kleinstmögliche Angriffsfläche, pumpt Massen an Adrenalin durch den Körper, verteilt Blut und Sauerstoff auf genau die gleiche Art wie früher. Wehrt ab und schützt gleichzeitig.

Innerlich rutsche ich auf Knieen vor Dankbarkeit, wenn der Schmerz abebbt. Dann kommen Bilderfetzen, Kurzfilme und was weiß ich. Da gucke ich schon gar nicht mehr hin. (<— Guckst du Therapieerfolg!)
Wenn ich es nur schaffe aufzustehen und festzustellen: “Ja- es gab keinen äusseren Anlass. Es ist alt. Es ist nicht heute, es nicht gerade jetzt gewesen. Niemand hat mir gerade wehgetan.”

Dann kann ich schon fast anfangen meinen Körper beruhigen. Blutdruck senken, einatmen, ausatmen,
eiiiiin- Tick-Trick-Track und das Fähnlein Fieselschweif- auuuuuussss, Boden fühlen, Körpermitte suchen, finden, vorstellen ein Band auszuatmen. Nase in die von der Freundin gewaschene (und entsprechend nach ihr riechenden) Decke drücken- denken, sie ist jetzt da…
Mein Körper nimmt sowas dankbar an. Die Schmerzen lassen nach.
Für den Bereich der mir so oft zerrissen wurde, hab ich durch die großartige Ina May Gaskin einige tolle Imagination gefunden bzw. zwei Visualisierungen, die oft helfen:
Zu Anfang noch: “your body is not a lemon (in a juicer!) ” (auch wenn er gerade das tut: sich zusammenquetschen wie eine Zitrone in einer Presse)
und etwas später: “an opening flower” (Blättchen für Blättchen langsam und vorsichtig aufgehen lassen… sich “wieder richtig hinlegen lassen”; “den Schmerz-(manchmal auch: die Schmerzursache) rauslassen”)

Das ist Arbeit.
So einfach wie das jetzt so klingt ist es nicht. Wenn sich mein Körper erinnert, dann erinnert sich die Psyche in der Regel gleich mit und es hämmert mir Erlebnis um Erlebnis im Kopf herum. Früher bin ich dann, öfter noch als heute, direkt in eine Kette gerutscht: A erinnert an B und das an C und es wird immer tiefer und tiefer. Und es wird immer schwerer sich zu orientieren- irgendetwas anderes als das Alte wahrzunehmen.
Innenkinder fliegen wie freie Radikale unter der Oberfläche und je schwieriger die äussere Umgebung ist, desto schwieriger wird es auch ihnen klar zu machen, dass es sich zwar gerade jetzt so anfühlt, es aber keine Situation ist wie früher (die ihr “draussen sein” bzw. ein Aushalten durch sie nötig macht).

Mal abgesehen von den seelischen Problemen, werden solche Körpererinnerungen vorallem dann zum Problem, wenn man so behämmert ist, wie wir zur Zeit.
Nicht genug essen heißt: Muskelkrämpfe, nicht genug Treibstoff für solche Anstrengungen, der Blutdruck eh ständig jenseits von gut und böse, anhaltende Schwäche und Konzentrationsprobleme
Nicht genug schlafen heißt: das Risiko für diesen blöden Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen ist exorbitant hoch- schon nur auszuruhen und mal kurz irgendwo zu sitzen kann ihn dann schon auslösen
Nicht darauf achten, was innen passiert, wenn man genau das alles nicht macht- oberblöde! Schon dieser allgemeine Zustand von Schwäche und körperlicher Erschöpfung ist Futter für solchen Mist, denn er ist ein Trigger bei uns.

Und unser Körper? Dieser arme Metabolismus…
Der soll nicht zu dick sein. Der soll bitteschön schön aussehen. Der soll nicht auffallen. Der soll tot und lebendig sein. Mal dies mal das. Manchmal soll er ganz dick sein und dann wieder ganz spillerig. Dann soll er Megakräfte haben. Achja, aber bitte ohne allzu hart auszusehen, sich allzu hart oder zart anzufühlen. Er soll bitteschön noch zur allgmeinen (sexuellen) Befriedigung dienen, naja zur eigenen dann nach Bedarf. Immer zur Verfügung bitteschön. Für alle gleichzeitig: innen und aussen.
Aber wehe er tut etwas, dass ihn nach so einem anstrengenden Wieder-Erleben erleichtert!
Erbrechen, Durchfall, Zittern, Schwindel der uns zwingt, sich hinzulegen und die Beine hochzulagern.

Auch wenn ich weiß, dass wir beim nächsten Mal wieder so unfair sein werden. Und so undankbar und rücksichtslos… für jetzt in diesem Moment, wickle ich ihn ein, versuche ihn zu wärmen, zu nähren und sage ihm, dass ich ihm sehr dankbar bin.

Dass er in der ganzen ganzen schlimmen Zeit niemals aufgehört hat für uns zu leben.

im Wald

Ich bin auf der Suche nach dem „richtigen” Baum.

Fliege segelnd durch die Gruppen und Grüppchen der bunten Bäume, über die Sträucher und Büsche hinweg. Durch den Blätterregen hindurch.

“Mein Herz, weißt du noch als wir mit der Helfer-Gemögten hier waren?” Ich fühle eine leise Bewegung. “Weißt du noch wie die Marienkäfer flogen? Da hast du sie gezählt, weil du so eine Angst hattest, weißt du noch?” Ich höre ein schwaches Seufzen und fühle wie sie sich mir zuwendet. “Kannst du versuchen heute die Blätter zu zählen? Guck mal nach oben in den Himmel. Die Blätter sehen auch so aus, wie der Schwarm Marienkäfer.”
Ich spüre ihren bestialischen Schmerz mit ihr hoch kriechen. Von der Mitte der Lenden bis hinauf hin den Brustbereich, wo sie sich nun festklammert, um über meine Schultern in den Himmel sehen zu können. “Halt dich schön fest, gleich finde ich den richtigen Platz für uns”

Ich breite meine Flügel aus und setze meinen Flug fort. Und finde den Richtigen.
Gut versteckt mitten im Wald, fern der Wanderwege, dick, stark, mächtig, gut eingemummelt in Moos und Flechten.

“Ist es der Richtige?” Vielköpfiges Nicken überstimmt verächtliches Schnauben, verwirrtes Achselzucken, desinteressiertes Weggucken und messerschwingende Drohung.

Ich setze mich und schaue mir die Umgebung an.
Ja. Ich finde es auch gut.
”Kannst du den Baum sehen, mein Herz? Siehst du das Heute?” Sie nickt. Lässt ihre Tränen in meine Federn rollen.
Ich senke meine Flügel herab und lasse sie in die Rillen der Baumrinde fallen.
“Möchtest du den Baum mal fühlen? Schau mal, wie stark er ist. Unser ganzes monströses Körpergewicht hält er aus. Und sogar deine Tränen hat er ausgehalten.” Sie steigt, von Federn gestützt, ab, hält sich an meinem Flügel fest. Legt sich auf den Baum und horcht in ihn hinein. Erzählt ihm unhörbar ihre Geschichte.

Die Sonne geht langsam unter.
“Ist es besser?”, frage ich. Sie nickt. Ich beuge mich herab und lasse sie zwischen meine Federn krabbeln.

“Möchte noch jemand etwas hier lassen?”. Ich frage nicht nur “meine Herzen”. Ich denke, diese Art Schmerz werden Viele mehr gespürt haben. Und tatsächlich umarmen noch ein paar andere den Baum und lassen ein Stück Schmerz dort. Mitten im Nirgendwo. Ganz weit weg von zu Hause. Von fremden Blicken. Von Verantwortung. Von dem was sie repräsentieren. Von Scham über ihr Handeln und Denken. Bei diesem Baum, der obschon tot und umgestürzt, so stark und mächtig hier ruht.

So befreit und geklärt verlassen wir diesen Ort.
NakNak* steht auch auf.
Sie saß die ganze Zeit neben uns. Ganz ruhig. Wie eine Wächterin. Als hätte sie genau gespürt, dass hier etwas passiert, das absolute Stille verlangt.

Jemand trocknet die Füße ab und zieht die Schuhe wieder an.
Jetzt fühlen wir auch so den Boden wieder.

Es ist wieder ein Stückchen besser.

Sonnenscheintag 4 oder: Armut, Demut, Unmut

Wir haben den 16. des Monats und noch 22,43€ zur Verfügung.

Wir sind nicht drogensüchtig, haben kein Geld zum Fenster herausgeworfen und wurden auch nicht ausgeraubt. Wir haben einfach nur Rechnungen bezahlt und versucht auszusehen, wie ein normaler Mensch (was bedeutet: wir haben das Unsägliche getan und uns endlich Wäsche für 5 Tage in Größe 40 gekauft, statt immer noch weiter in Größe 48 herumzulaufen- zum unglaublichen frevelhaften Preis von 7,98€)

Tja, wat nu?

Entgegen der Meinung der Intelligenzbestien, die sich ihre Meinung zum Thema Hartz 4  mit Hilfe von RTL und Co zusammenschustern, ist es NICHT so, dass man als Mensch in so einer Situation wirklich und echt Hilfe bekommt die einfach und unkompliziert angenohmmen werden kann.

Zumindest nicht von uns. Ich habe jetzt einige Texte und Schilderungen zu dem Thema gelesen, aber noch niemand hat es aus der Sicht eines (früh)traumatisierten- allein stehenden- Menschen geschrieben. Also dann (man hilft ja wo man kann haha)

Was ist das Wichtigste? – Nahrung! (alles Andere hab ich ja schon bezahlt- deshalb ist ja nix mehr übrig)

Wo kann man Nahrung bekommen, wenn man sie nicht bezahlen kann? Bei der Armenspeisung. Weil es politisch korrekter ist, nennt man sie inzwischen “die Tafeln”, “der Lebensmittelkorb”, “der Tisch” und wer weiß wie  noch.

Okay. Alles klar- hier haben wir Problem und Lösung. Tadaaa!

So. Und jetzt komme ich mal mit meinen Problemen und allen laufenden Prozessen dazu.

Ich bin essgestört, leide unter dem Reizdarmsyndrom (ganz interessant: ca. 30% aller Reizdarmsyndrompatienten sind Missbrauchsopfer und die Mehrheit der Erkrankten sind Frauen… ), halte keine Menschenansammlungen aus, halte mich sowieso schon für den Dreck der noch unterm Abschaum aller anderen Menschen steht und bin durch die Unfähigkeit unseres Staates Kinder vernünftig vor Gewalt zu schützen und selbige als Erwachsene heilen zu lassen, arm und (zumindest derzeit) absolut ohne Perspektive, dass sich das schnell (je?!) ändert.

Grundsätzlich bin ich ein Freund davon verzehrbare Lebensmittel nicht einfach wegzuschmeißen und sie an jene kostenlos bzw. für reinen “Ranschaff/Zusammenraff und Verteil-Aufwandspreis” abzugeben, die sonst hungern müssten.

Aber ich komme mir vor wie ein Bittsteller. Und nicht wie jemand der keine direkte Schuld an seiner Not trägt und einfach davon profitiert, dass viel zu viel produziert wird.

Und es erinnert. Es ist ein Gleichnis “Du bist Dreck- Du bekommst nur Dreck- Du bekommst nur das was sonst keiner will und dafür hast du gefälligst dankbar zu sein- sonst musst du sterben (verhungern)”. Es ist das Gleiche. Es ist das Gleiche das Gleiche das Gleiche!

Und dabei soll und will ich doch richtig annehmen, dass ich mehr wert bin, als ich denke. Dieser Gedankengang begleitet mich also als Schleife. “Ich bin wertvoll ich bin wertvoll ich bin wertvoll- obwohl ich grad nicht wirklich so behandelt werde. Bitte Innenleben hör doch auf zu weinen. Es ist zwar das Gleiche- aber es gilt nicht als das Gleiche.” (Also- eigentlich verarsche ich mich, damit es nicht so weh tut.)

Kommen wir zur Verwaltung der Lebensmittelausgabe.

Hier läuft das so: Freitags um 10 Uhr werden Nummern verteilt (jaja wegen Datenschutz und so und weil ja jeder die gleiche Chance haben soll- nicht, dass der Erste das Beste bekommt und so weiter). Okay- kann man hinnehmen- wir sind in Deutschland- hier steht man auf Ordnung und verteilt dafür hübsch laminierte Karten mit einer Ziffer drauf.

Meine Ziffer beim letzten Mal war die 10. Und ich war total dankbar. Diese Dankbarkeit steigerte sich, als ich die Ziffer 132 bei einer Frau die dort ebenfalls wartete in der Hand aufblinken sah.

Um 13 Uhr beginnt die Ausgabe der Lebensmittel.

Solange sitzen viele der Menschen dort in der Kirche herum. (Gecheckt? In der Kirche. Für mich Horror. Schlicht und einfach. Allein die Panik (die noch nicht mal meine ist und die ich nur gedämpft durch zig innere Filter wahrnehme) dieses Gebäude zu betreten, ist etwas, dass mich normalerweise dazu brächte, gar nicht erst dort aufzutauchen. Allein dieser Umstand zieht unglaublich viel Kraft) Wir fahren dann immer nochmal wieder nach Hause (4km hin- 4km zurück bei jedem Wetter) um Kraft zu sparen und zu schöpfen- obwohl der Körper eigentlich nicht genug “Treibstoff” für zweimal 8km radeln und dann nachmittags noch die von NakNak* geforderten 7km laufen, bekommt.

Dann die Ausgabe. Inzwischen ist es richtig voll. Es wird gedrängelt und geredet, Einkauftrolleys und Bollerwagen nehmen noch zusätzlichen Platz weg. Alle Sprachen werden gesprochen- auch jene die mich triggert und direkt mal in einen Zustand jenseits von Gut und Böse befördert. Also stehe ich draussen herum, werde ein paar Mal fast umgerannt und krümme mich halb vor (alten) Schmerzen und spitze die Ohren um meine scheiß Nummer zu hören- die ich aber natürlich nicht höre- die Sprache die mich antriggert aber dafür um so besser.

Die Frau in der Ausgabe wird sich wohl gedacht haben: “Ach komm Scheiß auf Datenschutz- es muss vorwärts gehen” und schrieh meinen Namen über die Gespräche hinweg. Hmpf. Danke sehr.

Naja, also ich mich durchgekämpft. (Und ja: Ich hatte zwischen drin die Assoziation von mir im Camouflageanzug mitten in der Schlacht um Stalingrad bzw auch kurz von Aladin dem Meisterdieb der sich durch den Basar schlängelt)

Endlich angekommen bei der guten Frau. Ich habe zu dem Zeitpunkt schon den 4ten Tag in Folge nichts gegessen. Mir geht es richtig richtig dreckig und eigentlich ist zu diesem Zeitpunkt weder denken, noch mitdenken, noch planen, noch irgendwas anderes als das schiere Überleben wirklich möglich. Ich brauche, dass jetzt jemand einen Plan hat und weiß was er tut. Diesen Anspruch hat die Frau anscheinend leider nicht und zerrt mich von Station zu Station.

Vorbei an Bergen von Brot (das ich nicht mehr vertrage bei meinem Stresslevel in Kombination mit dem Reizdarm), an Kuuuuuchen (großes Heulen innen), an Nudeln (die ich auch nicht essen sollte- von denen ich aber doch ein Paket mitnehme, weil es sonst gar nichts Haltbareres zu geben scheint- was ich aber dann 4 Tage später bitter bereue, weil mich mein Bauch zu zerreissen droht) und dann zum Obst und Gemüse. Ich gehe hinaus mit

1 Paket Nudeln, 5 Möhren, 1 Blumenkohl, 3 Tomaten, 1 Gurke, 100gr Putenwurst, 1 Liter laktosefreier Milch (okay dafür war ich supermega oberdankbar- die ist so teuer), 1 Zitrone und 5 Kartoffeln.

Um um mehr zu bitten, bin ich zu diesem Zeitpunkt viel zu geschwächt (mal abgesehen davon ist hier für mich noch die Frage: Wann würde ICH jemals um Essen betteln? Wieder! Ich bzw. mein Innen kennt doch die Antwort längst: “Du bekommst nichts mehr!”. Mir tanzen Punkte vor den Augen, der Kopf dröhnt und Erinnerungen rütteln an ihren Käfigtüren. Mein Organismus belebt die alte Zeit wieder und niemand steht mir bei. Weder mein Geist, noch die Frau die mir doch an die Seite gestellt wurde, um mir zu helfen. Sieht sie denn nicht, wie wenig das ist?!

[Nein- das ist viel zu viel- du darfst das alles gar nicht haben! Ich krieg Ärger dafür! Legs weg- bitte gibts zurück!!!- Ja los legs zurück du fettes Schwein!- Du bist es nicht wert!- Ich bin es wert ich bin es wert ich bin es wert… ]

Ich sehe zu, dass ich verschwinde und komme irgendwie wieder nach Hause. Um mich dort angekommen ohrfeigen zu können. Wieder 7 Tage vor uns und praktisch nur für 2- vielleicht 3 Tage Essen zum satt werden. Und was machen wir? Wir denken, dass es uns nicht zusteht, doch noch die anderen Lebensmittelausgaben abzuklappern, um mehr abzugreifen. Wir strecken diese paar Sachen über 7 Tage hinweg. Und wundern uns dann, weshalb das System komplett in den reinen Überlebensmodus schaltet. Weshalb es uns so schlecht geht.

Jetzt gehts uns noch gut.  In 11 Tagen dürfen wir realistisch das Kindergeld erwarten. Heißt wir können pro Tag jetzt noch 2€ ausgeben um etwas zu essen zu kaufen. 1,60€ sind es, wenn wir Pech haben und das Geld erst am 29 sten bekommen. Von einer Ernährung die uns gut tut sind wir weit entfernt. Von Lebensumständen die uns heilen lassen könnten, fange ich gar nicht erst an zu reden.

Aber ich muss nicht zu dieser Armenspeisung gehen. Wenigstens in diesem Punkt darf und kann ich diesen Monat gut für mich sorgen.

[Wer weniger als umgerechnet 1,25$ pro Tag zum Leben hat, gilt als arm. 1,25$ sind 0,96484€. Man bin ich reich. Was stell ich mich eigentlich so an?]