da

Federkunst1 So ein sachtes Brummen, nur wenige Zentimeter von meinem Hören entfernt, vielleicht ein- zwei Fingerdicken unter ihrer Haut.
Und ich bin los- aufgelöst gehalten.
Wir sitzen auf dem Boden. Vielleicht, weil Erwachsene einander eben nicht auf einem Stuhl richtig in die Arme, auf den Schoß, ineinander hineinfallen können.
Und ich spüre, wie meine Tränen versuchen zu erkalten und doch von der Haut unter ihrem Pulli immer wieder erwärmt werden.

Sie summt irgendwas.
Sie ist nicht musikalisch, sagt sie.
Meinem Hören ist das egal. Es lässt sich auf den Wellen in ihrem Brustraum treiben und meinen Rücken herunter tropfen.

“Ich hab auf dich gewartet.”
– “Ich weiß.”
“Ist das blöd?”
– “Nee.”

Mehr muss ich nicht wissen.
So ist gut.

Jetzt ist es gut.
Jetzt kann das mit dem neuen Jahr und dem Alltag und allem auch für mich losgehen.

was war

Gestern Abend hab ich die Dosis halbiert.
Hab das Wesen dicht unter meiner Haut rasen gefühlt.
Konnte trotzdem noch denken.

Halb 4 Uhr morgens gab es einen Moment, in dem ich dachte, dass es mich zerreißt.
Ein Augenblick, in dem ich meine Hände auf das Hüftgelenk drücken musste, um mich zu versichern.

Um 6 Uhr morgens setzte ich mich in die Dusche und ließ das Wasser einfach runterfallen. Dachte, ich würde es schon früh genug spüren, wenn es zu kalt oder heiß würde.
Dachte meinen eigenen Gestank, schmeckte die eigenen Gefühle und sah irgendwo unscharf im Augenwinkel, wovor es noch immer weglaufen wollte.

Um 8 Uhr morgens dann Tageslicht.
In meinem Käfig der Gedanke:
mein Hund, mein Sein
mein Da, mein Leben,
das Wesen

gerettet

 

Licht

enjoy

Neuroleptikahimmel Es ist Zeit
für die Anlage neben dem Bett

keine Zahlen beim Verschwimmen betrachten
keine Treffsicherheit
nur Play

Enjoy the silence
Laut dröhnend mitten in den Kopf

Es ist Zeit für Stille
Stasis- Baby!

Ich kann mich nicht erinnern, ob ich mit dem Song mehr als jemanden, den ich kenne, verbinde.
Sie hat mir mal die Maxi-CD von dem Song geliehen und ich glaube, ich habe sie ihr nie wieder zurückgegeben.

haha die Maxi CD
Frisbee- Mäuschen!

Sie sitzt da und steckt Bleistifte in die Löcher ihrer Kassetten
vorspulen, zurückspulen
Tesafilm auf die Löcher, um zu überspielen
Radio aufzunehmen
mit ohne Stimme- Baby!

All I ever wanted
All I ever needed
is here in my arms

und ich liege auf dem Bauch
das Gesicht im Kissen

Ich spüre, wie sie auf meinem Rücken kniet
meine Schädeldecke hochnimmt, um mit einem Stöckchen mein Gehirn zum Schreien zu bringen

Ich bin noch nicht einmal wieder weggelaufen, seit ich die Tabletten nehme
Ich kanns nicht

nicht weggehen, nicht wegsehen
Eskapismus fürn Arsch, Mäuschen!

Und die Liste der Dinge, die von meinem Eskapismus leben, wächst und wächst und wächst

“So”, sagt er und rückt seine Brille zurecht, “und was passiert, wenn Handlungsdruck und Stasis aufeinander treffen?”

words are very
unnecessary

und aus dem Off scheppert das Lachen des Jokers

hier und da

Meine Haut tut weh und ich weiß woher das kommt.
Nie war Psychosomatik leichter zu enttarnen.

Nachher muss ich zum Arbeitsamt.
”Hallo Frau Unbekannt, tja, also mein bisschen erkämpftes Arbeitsfähigsein können sie dann von “Teilzeit” auf “Nullzeit” setzen. Gerne können sie mich auch mal wieder begutachten lassen. Die Ärztin und ich, wir kennen uns ja schon.”.

Danach muss ich mit NakNak* rausgehen. Hoffen, dass es nicht mehr knallt.
Danach muss sie Futter haben.

P1010066 (2) Und dann verfrachte ich mich ins Bett.
Nein, ich rufe nicht in einer Psychiatrie an. Man kanns auch übertreiben mit der Selbstzerstörung.
Schälen lassen muss ich mich nicht gleich.

 

Vielleicht male ich noch eine Eule.
Sortiere die Myriaden von Fotos.

 

Ich bin kein Freundinnenmenschmaterial.
Wars nie und werds nie sein.

Gemögt existent im Menschenkostüm geht.

Grad noch so.

 
 
Ich möchte weg.
Aus meiner Haut fahren.
Mit der Bahn ans schwarze Meer.

das Ist

Stifte rollen über den Tisch, Farben ergießen sich auf festes Papier und zerlaufen zu Formen.
Töne und Laute schrauben sich im Hals zusammen, um von der Zunge springen gelassen zu werden.

Da passiert so viel, wenn sie miteinander telefonieren.
Es braucht das freundlich vorsichtige „Hei du“ um anzufangen; die Lautsprachenmaschine im Rachen anzuschalten, die Betriebssysteme hochzufahren und aus dem stummstillen Sein, das nicht einmal mehr mit dem Hund sprechen kann, heraus zu brechen.

Es ist eine komplizierte Sache geworden das Sprechen. Die Sprache. Die Fähigkeit etwas auszusagen.
Treffen und soziale Interaktionen, die direkten Kontakt erfordern, sind abhängig von einer gewissen Unwissenheit, einem: „Ach ich red halt drauf los.“ vom Gegenüber, um die Tür zum Sprachserver zu öffnen.
Wenn es keine Ansprache gibt, gibt es keine Worte.

Das ist eine Abhängigkeit, die sie genau spürt und von der sie bemerkt, dass die meisten Menschen überhaupt keinen Zugang zu diesem Umstand haben.
„Ich bin ja auch verrückt“, denkt sie und schmiert eine weitere Schicht Panzerplattenepitel auf ihren Rücken.

Sie kann es noch.
Worte sammeln. Sinne bündeln. Fäden spinnen, aus denen ich Texte webe.
Sie kann es noch.
„Hei du“ wie Morgentau auffangen und in den Rachen fallen lassen. Erste Satzreflexe abhusten und sich der Situation versichern.

Dann sprechen andere und die sprechen anders.
Sichtbar, fröhlich, freundlich, offen und bewusst. Nah und fürsorglich, manchmal albern oder besorgt.
Die Ansprache macht sie wach.

P1010188Sie öffnen sich wie eine Rose von Jericho und lassen ihre Kunst zur Sprache ohne Worte werden.

Sie selbst hat sich einen Orden gemacht.
Für außerordentliche Mutigkeiten.

Dazu gehört das Telefonieren genauso, wie das Nichtsterben, wenn sie die Bilder am Morgen einsammelt und in die Mappe legt.

Wortlos, denn wann sie das nächste Mal ein Mensch anspricht, damit überhaupt Wortmaterial in ihrem Kopf landen kann, ist von Tag zu Tag anders.

Das ist, das Ist.

Erzähl mal

P1010093Es fiel mir schwer wieder reinzukommen.
Mich zu erinnern, womit ich mich zuletzt befasst hatte; wie der Plan war.

Dann fiel mir ein, dass es gar keinen Plan gegeben hatte.
Die Reise- das Fliegen- das Filmprojekt- die Gemögte, das war wie ein Knoten am Ende des Fadens, den ich in der ganzen Zeit vorher festhalten musste.
Ein „und dann… “ gab es nicht.

Jedenfalls nicht so fest und ohne Option daneben wie das Ende, auf das man sich hier eingelassen hatte.
Vom Himmel zu fallen und so das Böse auf die Erde prasseln zu lassen, erschien klarer und fester, als kindlich zart und empfindsam durchgeschüttelt und überreizt in der Wohnung zu sein und Angst vor dem Leben zu haben. Durch die Tage zu torkeln und als einzig festen Punkt den Hund und das Schreiben zu haben, während sich das Internet und langes Telefonieren wie Abstandsmarker zur echten Panik ausmachen.
In der Therapie zu sitzen und zu denken: „Können sie grad mal aufhören so rumzuwackeln und mich hier einfach mal überhaupt ankommen lassen?“

Irgendwann später am Donnerstag hatte ich es dann klar.
Es ging nicht nur ums Ankommen, zurück in Deutschland; in Hartz 4, wo es eben nicht darum geht, wie „es mir wohl ist“; zurück im Breisumpf auf Zukunfts- und Perspektiv- , Schaffenskraft- und Annäherungsängsten. Es ging auch darum nach etwas zurück zu kommen, das sich wie ein kleines eigenes Universum um uns herum ausgemacht hatte.

Wenn wir Kinder Blödsinn gemacht haben, war klar, dass etwas passiert. Zu dritt standen wir im Flur und jedes Kind wurde einzeln in das Zimmer gerufen. Das Warten vorher und die Gewalt im Zimmer selbst- so etwas passiert einfach. Da gibt es weder vor noch zurück.
Man hat Scheiße gebaut, also muss man dazu stehen. Ganz einfach und klar. Also bleibt man da stehen.

Übertragen aufs Heute war es: Ich/wir habe/n überlegt, was ich/wir beitragen könnte/n, überlegt, was ich/wir davon beitragen will/ wollen, wie ich/wir das anstellen kann/ können und dann zugesagt zu kommen. Also begannen wir die Reise und standen zu unserem Wort.

Doch in dem Moment in dem ich zu etwas stehe, passiert etwas. Damals wie heute, komme ich nicht gleich wieder zurück. Das Gefühl der Entrückung und der Problematik Anschluss an jene Lebenswelten der Menschen, die nicht dabei waren, zu finden, ist die Gleiche. Gewaltuniversum oder Erlebnisuniversum- beides ist völlig anders als der Alltag. Ist ein Knoten im Faden.

In der Nacht zu Donnerstag hatte ich mich an eine Situation erinnert, in der es genau darum ging, so eine Frage nicht zu beantworten. Nicht antworten zu wollen. Selbstbestimmt antworten zu wollen.
In der es um die fest begründete Angst ging, Schmerz zu erfahren, wenn man seinem Willen nachkommt.
Mir wurde noch ein Mal mehr klar, warum es wichtig war, den Reisebericht so aufzuschreiben, wie ich/wir das gemacht haben. Häppchenweise, zeit-räumlich sortiert und nur hier im Blog.
Alles andere im Kontakt mit Menschen, die die Selbstbestimmung im Erzählen und Teilen, schätzen und wahren. Diese Ermächtigung über die eigene Antwort auch als solche erkennen und mich durch ihr nicht wertendes Zuhören in gewisser Weise vor mir selbst schützen.

Mir war ein Unterschied aufgefallen in den Situationen.
In der Einen fragt niemand „Wie wars?“, sondern versucht es stumm an den Geräuschen, die aus dem Zimmer dringen oder aus dem leeren Gesicht des Geschwists, im Moment des aus dem Zimmer Rauskommens, zu lesen; wird aber definitiv erfahren, wie es für ihn selbst sein wird. Die Welt- die Menschen da draußen fragen auch hinterher nicht: „Magst du davon erzählen?“
(Wenn überhaupt wird man dazu BEfragt und auch dann spielen die emotionalen und allgemein ebenso zu verarbeitenden Reize und Empfindungen eine untergeordnete Rolle)
In der Anderen haben wir etwas mit anderen Menschen zusammen erlebt- haben eine Situation gemeinsam gestaltet und er-(ge)- lebt und werden gefragt: „Magst du davon erzählen?“.
Andere Menschen haben von unserer Reise erfahren, weil wir nicht allein waren, weil wir andere Menschen brauchten, um sie erlebbar zu machen. Das fing mit der Hundsitterin an, ging weiter über die Menschen, die wir begleiten und denen wir sagen mussten, dass wir nicht erreichbar sein würden und endete nicht einmal bei den Menschen, die uns in der Nacht des Reisebeginns den Hausflur runterpoltern hörten.

Diese Reise war (über?)fordernd, wenn auch nicht gleich allumfassend zerstörend, wie es Gewaltsituationen waren, was wir in den ersten Tagen über das Aufschreiben der Erlebnisse und das Bemerken, dass wir von ganz alleine grobe Sortierung von „Raum und Zeit“ und „schön/ nicht so schön“, sogar einiger Details schreiben konnten, wahrzunehmen schafften.

Doch dann kam da die Frage; „Wie wars?- Erzähl mal!“, und entpuppte sich als etwas, das sonst immer fehlte.
Früher hats niemand sonst gewusst- also nie gefragt- also wurde auch nie etwas gesagt (unabhängig davon, ob etwas hätte gesagt werden dürfen oder nicht).

Und so gesehen kommt mir diese Welle, die mir aus dem Kopf lief, diese anhaltenden Überforderungsgefühle, diese Unsicherheit und kindliche Zartheit in mir so logisch vor.
Dieses Kind hat nie jemand aufgefordert zu erzählen, was ihm gerade Großes (Überforderndes) passiert ist und plötzlich stehen da Menschen und wissen schon davon und fragen TROTZDEM noch (noch obendrauf auf alles!) wie es denn für UNS war- nicht nur so im groben Ablauf.

Jetzt haben wir viel darüber weinen müssen. Über alles irgendwie. Und wenn ich mich entspanne kommt noch mehr Weinen aus mir raus.
Aber es hilft.

Langsam kann ich wieder die Fäden meines Lebens vor der Reise aufnehmen.
So langsam komme ich wieder rein.

die eigentliche HeldInnentat

„Phu und jetzt noch zum Zürichsee und Bahnhofstraße?“. Draußen dunkelte es und die Anspannung floss langsam zu einem See unter unseren Plätzen im Zug zusammen.

Wir verzichteten. Irgendwann kommt man sicher noch einmal nach Zürich und sei es um diesen eigenartig bildungsspießbürgerungetümlichen Drang der Rosenblätter nach Wissen um die Geschichte eines Landes mit mehreren anerkannten Sprachen zu befriedigen.

Am Gleis des Hauptbahnhofs, an dem wir umsteigen müssen, sehen wir ein Kind seine Harfe schieben, einen öffentlichen Trinkbrunnen und kleine dicke Spatzen die im Sandbett zwischen den Zügen baden.
Viele Menschen, mehrsprachige Hinweisschilder und Züge, die anders aussehen als die in Deutschland.

Der Flughafen ist heimlich eine eigene Stadt, durch die ein eigener Strom fließt. Mal laut murmelnd, mal sachte ebbend, dann wieder sprudelnd und pulsend.
In einem kleinen Schrunzladen finden wir kleine Aufziehfiguren, im Zeitungskiosk eine NZZ. Wir bezahlen mit Euro und bekommen schweizer Franken zurück.
(Zu Hause stellt sich heraus, dass das Rückgeld zurück getauscht mehr Euros rein bringt, als ausgegeben wurden… so viel zum Thema „Ich habe mich nach vorne verarmt, weil ich schweizer Franken getauscht habe“- jetzt bin ich nach hinten reich geworden.)

„Habe ich schon mal „Menschen gucken“ gemacht?“, frage ich mich und schaue in den stetigen Strom von Personen über mein Wocheneinkauf- Star Buckskaffee und Snackdings hinweg.
Wir sprechen jetzt anders miteinander, meine Gemögte und ich. ´
Dort wie wir da sitzen geht mir das Grenzgefühl flöten.
Raum, Zeit, Körper und Selbstdichte matscht sich zu einer fließenden Masse.
Nicht brockig, nicht stockend, nicht zäh. Alles ist da, aber es ist unbegrenzt.

Wir machen Fotos von Flugzeugen auf dem Rollfeld draußen, finden einen kostenlosen Internetzugang und winken wild in die Twitterbubble, die uns fröhlich zurückwinkt.

Die Ausrichtung auf Konsum und der immer wieder auftauchende (plakative) Klassismus stößt mich ab. Irgendwie tut es weh und ist doch so nah, dass mein Blick dazu nicht besonders ist.
Im Duty Free Shop nehme ich die Tobleroneverpackung auf der „Zürich“ steht mit und nicht die Schokolade. Meine Gemögten bekommen alle welche- ich möchte nur diese glänzende Pappe in mein Bücherregal stellen und angucken.
Ich will das alles nur angucken. Nicht haben, wie es doch das Ziel zu sein scheint.
Dort in dem Flughafen gibt es Luxusgeschäfte. Echte Luxusgeschäfte wie „Tiffanys“, wo wir auch kurz drin sind um diese hauchzarten Schmuckstücke hinter Glas zu betrachten. Obwohl meine Gemögte logische Argumente für diese Einrichtung hat, fehlt mir der Haken um es zu begreifen.

Beim Einchecken werden die Passagiere in „Economy“ (drei Terminals rechts) und „first class“ (zwei links) aufgeteilt- um nach dem Lesen ihres Codes auf dem Ticket doch wieder nebeneinander zu stehen.
Beim Durchlaufen zum Sicherheitscheck das Gleiche.
„Alles, wie es mir wohl ist“ ist jetzt vorbei.
Hallo Hartz 4 – wie konnte ich dich vergessen?

„Wie siehst du deine Perspektivchancen in der Zukunft?“, war eine Frage am Samstag im Interview.
„Düster…“, ein Wort, das in meiner Antwort vorkam.

Wir fahren eine Roll-Nichttreppe zum Terminal an dem unser Flugzeug starten wird. Wieder sehe ich ein Raucheraquarium und bin froh noch immer (wieder) rauchfrei zu sein.
Meine altneue Jacke riecht noch so schön nach Waschmittel und dem Parfum, das wir uns zum Lebenstag schenken konnten.
Alles geht plötzlich schnell- die Zeit war doch ganz schön gehuscht am Ende.

Diesmal finde ich den Start nur schön.
Wie es mich in den Sitz drückt und für eine kleine Weile wieder ganz von allem entfernt. Alles was da unten ist, alles was war, was sein und/oder eventuell vielleicht werden könnte/ wollte/ sollte und gemusst werden müsste…
es ist weg.
Das Gefühl ist das Gefühl von Benzos nach 4 Tagen aus Angst nicht schlafen können und bei jedem Dösen ins Erinnern rutschen. Weich, weit, warm und doch irgendwie begrenzt an einer Stelle.

Ich fliege und es ist gar nicht mehr so groß. Wie lautes Zugfahren mit Ohrenknacken und zwischendurch auch Zahnschmerzen.
Draußen machen sich die hellen Wolken wie Schnee aus und an den Lichtern der Tragfläche, an welcher wir sitzen, sehe ich, dass es zwischen durch sogar kurz regnet. „Wir fliegen durch Wetter“, sagt meine Gemögte.

P1010240Als wir einen ohrenknisterknackigen Sinkflug anfangen mache ich Fotos.
Wir sind schneller gewesen, als angenommen.
„Ob der Pilot eine Abkürzung geflogen ist?“
– „Oder wir hatten Rückenwind.“
Wir sind sogar so viel zu früh, dass wir aus Versehen mit der Bahn schwarz fahren. Zugbindung fideralalalaaa

Es ist Mitternacht zu Montag, als wir uns am Bahnhof trennen und in Taxis zu unseren Heimathäfen steigen.
Vorher fragte ich, ob ich sie umarmen darf.
Ich habs gemacht und sie war echt. Immer noch.

Vielleicht ist die eigentliche HeldInnentat, dass ich nicht ein einziges Mal über die Tatsache geweint hab, dass ja jemand ist, der so etwas mit mir erlebt hat und erleben wollte; der mich- uns er-ge-tragen hat. So richtig fest und da. Immer noch.
Auch nicht über die Angst, die mir das macht. Nicht über die Sorge, die mir das macht. Nicht über die Bewunderung für den Menschen, die ich hab. Nicht ein Mal.

Bis jetzt.
Wo ich keine Heldin mehr bin und das das Einzige ist, das niemand von mir erwartet.

Ende

Klick hier, für den Anfang des Reiseberichtes.

Aufwachen und frei sein…

Zwischendrin war ich aus etwas wach geworden, das ich Mischtraum nenne.
Hatte Angst gehabt und war verwirrt, bis die Gemögte vom Bett nebenan gefragt hat, ob sie etwas tun soll.
Da hatte es dann aber schon zu klickern angefangen.
Auch und obwohl der Angstmotor etwas später noch einmal hustend loszustottern Anlauf nahm, als laute Stimmen von im Hotel ankommenden GästInnen vom Flur her schallten.
Aber sie war ja da. Nicht allein ist gut.

Es ist kurz nach 8 Uhr morgens, als wir beide richtig aufwachen und beschließen doch zum Frühstück runterzugehen.
Das ist schon wieder so außenstrukturiertes Essen und im Innen äugt es misstrauisch, ob irgendwelcher Essenspläne und Klinikmarker.
Ich finds toll. Es ist ein Buffet und die Menschen, die im Hotel arbeiten, fragen, was wir trinken möchten.
Ich kann meinen ganzen Platz vollmüllen und jemand anders räumt es weg. Ich kann vieles durcheinander essen und einfach irgendwie testerisch wirken (nicht etwa so, als wenn ich mich in den Wünschen von innen nicht einschränke). Also gibt es Brötchen mit Honig und Schweizer Käse, Schokocornflakes, Kaffee und Saft gleichzeitig. Sonntagsfrühstück, wie im Fernsehen finde ich. Ich wollte schon immer mal Frühstücksfernsehen leben. Zack!

Dann drehen wir eine Runde durch Brugg bei Tageslicht und machen viele Fotos, die nun in unserem Fotoblog „Einfach mal angucken“ zu finden sind.

Wir laufen und reden. Zeigen einander Dinge. Lachen.
Es ist irgendwie nah mit Abstand ohne Markierung.
Sie fragt, was es heißt: „Sie weiß ja nicht, was sie tut.“.
Ob sie die Metapher vom fröhlich in die laufende Kreissäge hopsenden Hoppelhäschen verstanden hat, weiß ich nicht. Ich will sie nicht draufstoßen. Denke kurz, es könnte ein Moment sein, in dem ich es könnte.
Zeigen könnte, was ich meine; die Worte dazu, die ich in den 4 Jahren, die wir uns kennen, wie Steine immer wieder in meinem Mund hin- und her bewege, hervorhole.
Und dann bleibt es doch eingewolkt, wenn auch vielleicht etwas klarer in der Luft hängen.

Jetzt- ausgerechnet jetzt- so deutlich zu werden, dass sich bei ihr Platz für Angst und Bewusstsein über mich und mein Innenleben, ausbreiten könnten, wäre, wenn nicht ein Schuss ins eigene Knie, so doch einer ins eigene Fleisch. Von innen beruhigt es mich, sagt mir ihre Worte vom Nichtmüssen nochmal.

P1010262Gegen Mittag kommt unser Mensch und lädt uns zum Kaffee ein, nachdem wir Touristenschokolade gekauft haben.
Ich habe am Frühstückskaffee gemerkt, dass der Kaffee in der Schweiz nichts mit dem zu tun hat, was ich mir zu Hause literweise in den Bauch schütte. Also trinke ich eine Schokolade mit X. Eine Xocolate oder so ähnlich. Sie ist großartig. Einerseits, weil es halt Schokolade oder „Schoggi“, wie es hier heißt, ist und andererseits, weil dieses Getränk genauso intensiv schmeckt, wie das Koffeeinkonzentrat, das sie Kaffee nennen. Es ist wirklich flüssige Schokolade.
Ach, dieses Café ist schön.
Es heißt Café „Frei“, ich sitze hier und mache Freiheitspraxis, neben uns sitzen zwei kleine Kinder, deren Schweizer Dialekt so klingt, wie der Dialekt, den alle Kinder in dem Alter haben und für einen Moment ist es einfach nur gut.

Dann gehen wir in Richtung Hotel, wo wir auch schon die beiden Filmer treffen und uns zum zweiten Teil richten.
An meinem Schal wird ein Mikrophon mit Puschel befestigt und an der Rocktasche ein Funkdingsi.
Diesmal steht das Reden aber nicht so im Vordergrund.
Erst einmal sollen meine Gemögte und ich nebeneinander hergehen. Gässchen rauf und runter, Treppen rauf und runter, von links nach rechts, stehenbleiben, gehen.
Sie findets toll. Sagt, sie geht jetzt zum Film, weil es ihr Spaß macht.
Ich schnappe mir den Fotoapparat und filme sie alle für 30 Sekunden. Ha!

Die Fotos von der Stunde im Park sind, die Schönsten, die wir je gemacht haben, finde ich. Es sind lauter Detailaufnahmen in der Natur. „Nach und nach werde ich sie im Fotoblog veröffentlichen“, verspreche ich dem Innen, das schweigend fotografiert, während Aufnahmen ohne uns gemacht werden.

Worüber wir dann sprechen ist schwieriger.
An den Bereich tasten wir uns gerade selbst erst heran und haben noch nicht die ganz genau passenden Worte gefunden. Wissen noch nicht genau, was wichtig ist, wo das Gewicht liegt und was helfen könnte.
Die Kälte, das aufgelockerte Miteinander, das Sitzen hier unterm Himmel in auch räumlicher Freiheit ist gut.
Ich glaube, drinnen ginge das nicht. All die Innens, die mich beim Reden stützen und mit mir auf Signale der BÄÄÄMs achten; meine Gemögte und das Fünkchen G’tt, das ich um Anwesenheit gebeten habe- wir hätten doch gar nicht alle in den Raum gepasst, wo wir gestern gedreht haben!

Dann sind wir fertig.
Bereit alle zusammen noch etwas Warmes zu uns zu nehmen, bevor meine Gemögte und ich die Heimreise antreten.
Wir gehen in ein italienisches Restaurant, wo es Stoffservietten und Toilettenbeschriftungen mit „Uomo“ und „Donna“ gibt. „Uomo“ bedeutet „Männer“- ich hab das mal für euch erkundet.

Die Filmmenschen schenken uns Berge auf einer DVD  und unser Mensch ein geheimnisvolles Geschenk, worüber ich mich freue
Wirklich schade, dass das Wetter so war, wie es war. Richtige Berge haben wir nicht gesehen. Aber „Hügel“, wie unser Mensch und meine Gemögte die kleinen Bergli’s, die wir sehen konnten nennen, waren das jetzt auch nicht.

Als wir beide im Zug in Richtung Zürich sitzen und so langsam alles von uns abfällt, denke ich immer noch an den Namen des Cafés.
Was wir heute gemacht haben ging alles nur, weil wir frei sind.

P1010183Weil uns niemand mehr abpasst, anspricht und mit Versprechungen in gewaltvolle Situationen bringt.
Weil wir nicht mehr so funktionieren, wie früher.
Weil wir nicht mehr allein sind.

Fortsetzung folgt