note on “Bullerbü”

Eskapismus – oder wie es  heute heißt: “Cocooning” – ich habe eine Tube Senf dazu und möchte ich sie hier mal ausdrücken.

Neulich gab es einen Artikel dessen Kernaussage war, Elternblogs, im besonderen Muttiblogs, seien unpolitisch und von gelangweilten Hipster-Hausfrauen mit Selberverwirklichungsdrang gestaltet. Rike Drust hatte dazu geschrieben und im Gemischtwahnlädchen gibt es einen schönen Rant.
Das war ein zweiter Anstoß für mich.
Nach einem anderen durch einen Text bei den Femgeeks.

Eskapismus. Unpolitisches Gerödel im eigenen Alltagssaft.
Nicht unkritisch – aber auch nicht laut sein.
Beobachten – aber nicht kommentieren.
Nicht mehr so wie es einmal war … sein?

Ich weiß, dass ich nicht jede Demo mitnehmen, nicht jede Petition mittragen, nicht jedes politische Tagesgeschehen und erst recht nicht all die Wörterkotzepfützen in diversen Magazinen lesen kann. Und auch nicht muss. Es ist keine Pflicht, es ist keine Notwendigkeit. Vor allem nicht wenn man, so wie ich, einfach mal noch ein bisschen mehr Baustellen hat.
Trotzdem.

In NRW sind bald Landtagswahlen.
Wenn ich an den Schildern der etablierten Parteien vorbeifahre, möchte ich kotzen, mich bemitleiden, Dinge anzünden und am liebsten schon jetzt auswandern. Der Wunsch mich selbst irgendwo zu engagieren ist verpufft. Irgendwo zwischen dem x-ten Text, der die Relevanz von Menschenrechten im Alltag aller Menschen gleichermaßen unterstreicht und dem Desinteresse meines Ummichherum an diesen Themen.

Es reibt mich kaputt. Meine politische Haltung und meine politischen Forderungen werden in meinem direkten Umfeld immer wieder lächerlich gemacht, zu Grunde relativiert, verzerrt aufgenommen und am Ende als “dann doch weit entfernt vom echten Leben” verortet.
Und nicht selten gilt meine politische Sicht auf die Welt, als eine Art des Eskapismus von der Profanität, die das Leben nun einmal an sich hat.

Alltag kann man profanieren. Natürlich. Manchmal ist es gut und wichtig das zu tun.
Fatal wird es allerdings, wenn es sich in Ideen entlädt, innerhalb von Rückzug, heimischem Glück oder politischem Nichtgeschrei länge keinerlei Wert oder Gewicht.
Dass die Besinnung auf sich selbst, die eigene Haltung und das eigene Selbstbild keineswegs unproblematisch oder leichtfertig zu ignorieren ist, findet man an anderer Stelle in der Debatte um Filterblasen und Echokammern, die Gewaltdynamiken tragen und verstärken.

Ich selbst verlasse meine Filterblase nicht mehr. Ich will Echos hören. Gerade dort, wo ich geschützt bin. Gerade dort, wo niemand ist, der mich niedermacht, weil ich denke, was ich denke und mir wünsche, was ich mir wünsche.
Wenn ich könnte, würde ich meine Filterblase zu der Nachbarschaft, zu der Kommune, zu dem Land, in dem ich lebe machen.
Ich will dieses scheiß Bullerbü, denn so wie es ist, ist es nicht auszuhalten.
So wie es ist, tut es weh. So wie es ist, will ich das nicht.

Meine Filterblase ist meine Partei.
Mein Alltag meine Agenda.

Das sieht nur niemand, der das ganz alltägliche Einerlei von Politischem abtrennt und das, was den Menschen klassisch als Politik präsentiert wird, für das einzig wahre politische Handeln hält.

Politik ist für mich im Großteil streiten.
Und ich glaube das ist, was ich eigentlich eskapiere. Streit.

Ich bin es leid der Schleifstein für andere zu sein. Themen und Positionen zu liefern, ohne am Ende selbst an diesen Themen arbeiten zu können, weil alles was ich habe dieses Thema und der Diskurs an sich ist.
Ich habe nicht die Kraft dafür, allen meinen Freunden immer wieder zu sagen, dass sie mir als Person lieb und wichtig sind, mir aber ihre a- bis unpolitische Haltung an manchen Tagen unglaublich weh tut und Zweifel in mir aufmacht, mit denen schwer umzugehen ist.

Ich bin die, die im Streitfall nur verlieren kann.
Damit ist mein politischer Luschikurs eigentlich nicht einmal mehr gezielter Eskapismus, sondern logische Folge.

Und daneben – daneben ist mein tägliches Handeln noch nie mehr von politischen Positionen bestimmt gewesen.
Aber im Kleinen. Im Privaten. In den Bereichen, die sich sicher anfühlen, weil ich sie durch Mainstream und liberalen Zeitgeist weder erklären noch verteidigen muss.

Ein Podcast, den ich neu entdeckt habe, hat mich darauf gebracht. In diesem “the vegan feminist”-Podcast ging es in einer Episode um das Imageproblem der Tierrechtsbewegung und des Nachhaltigkeitsökoveganismus. Das übrigens sehr viel Ähnlichkeit mit dem Imageproblem der Muttiblogs hat.
Es geht darum, dass man, wenn man eine Muttibloggerin denkt, ähnliches im Kopf hat, wie wenn man an eine Veganerin denkt.
Eine junge, weiße, Cisfrau, mit akademischem Hintergrund und mittlerem bis gutem (gesichertem) Einkommen.
Und eben nicht an Personen, die angepisst sind vom Status Quo. Leute, die vom System verraten und verlassen wurden. Personen, die sich Alternativen überlegen und sich selbst mit Haut und Haar hernehmen, um zu schauen, ob das geht: das glückliche Leben, das anders gestrickt ist, als das vieler anderer.

Gerade beim Thema vegan fällt mir meine eigene frühere Ignoranz oft auf die Füße. Wie leicht hab ich mir das gemacht und wie sehr habe ich selbst entpolitisiert, was hinter dem steckt, was ich jeden Tag esse.
Und wie leicht mache ich es mir jetzt, wenn ich meinen Mitmenschen sage, dass ich aus gesundheitlichen Gründen auch bei der Ernährung bleiben will.
Wie oft umgehe ich den Streit, die Dissonanz und das mögliche Unbehaglichfühlen, die sich aus dem Sichtbarmachen meiner anderen Gründe entwickeln könnten.

Bin ich unaufrichtig geworden?
Hat mich das ausgelaugt sein vom feministischen Diskurs zu einem rückgratlosen Würmchen werden lassen, das einfach nur mit so wenig Schaden wie möglich durchs Leben kommen will?

Das weiß ich alles noch nicht.

Was ich weiß ist, dass ich nichts gegen Bullerbüs habe und auch nicht gegen Menschen, die sich eins wünschen oder leben (wollen).
Es ist okay, sich eine Lebensumgebung zu wünschen, in der es allen gut geht.
Es ist okay, von einer Welt zu träumen, die besser oder auch einfach nur anders ist.

Der Rest ist Lauf der Dinge.
Und alles ist Teil davon.

enjoy

Neuroleptikahimmel Es ist Zeit
für die Anlage neben dem Bett

keine Zahlen beim Verschwimmen betrachten
keine Treffsicherheit
nur Play

Enjoy the silence
Laut dröhnend mitten in den Kopf

Es ist Zeit für Stille
Stasis- Baby!

Ich kann mich nicht erinnern, ob ich mit dem Song mehr als jemanden, den ich kenne, verbinde.
Sie hat mir mal die Maxi-CD von dem Song geliehen und ich glaube, ich habe sie ihr nie wieder zurückgegeben.

haha die Maxi CD
Frisbee- Mäuschen!

Sie sitzt da und steckt Bleistifte in die Löcher ihrer Kassetten
vorspulen, zurückspulen
Tesafilm auf die Löcher, um zu überspielen
Radio aufzunehmen
mit ohne Stimme- Baby!

All I ever wanted
All I ever needed
is here in my arms

und ich liege auf dem Bauch
das Gesicht im Kissen

Ich spüre, wie sie auf meinem Rücken kniet
meine Schädeldecke hochnimmt, um mit einem Stöckchen mein Gehirn zum Schreien zu bringen

Ich bin noch nicht einmal wieder weggelaufen, seit ich die Tabletten nehme
Ich kanns nicht

nicht weggehen, nicht wegsehen
Eskapismus fürn Arsch, Mäuschen!

Und die Liste der Dinge, die von meinem Eskapismus leben, wächst und wächst und wächst

“So”, sagt er und rückt seine Brille zurecht, “und was passiert, wenn Handlungsdruck und Stasis aufeinander treffen?”

words are very
unnecessary

und aus dem Off scheppert das Lachen des Jokers