Selbst- Bilder

Es begann damit, dass die Therapeutin ihren Satz sagte. “Vielleicht ist es eigentlich kein Satz, sondern ein Sinnsubstitut. Ein Platzhalter, der hervorgeholt wird, weil er eigentlich eine Krücke über eine Eselsbrücke ist”, dachte ich.
Immer wieder diese Frage danach, wer die Verantwortung trägt.
Obwohl doch eine/r der VerantwortungsträgerInnen vor ihr saß.

Ich weiß, dass es bei den Bildern um Sichtbarkeit/ Klarheit geht. Vielleicht auch und immer mehr, seit die Themen konkreter werden, manche Dynamiken und auch Innens schärfer konturiert in klareren- logischen Kontexten wahrzunehmen sind. Die Logik der Mechanismen langsam logisch erscheint.
Ich weiß, dass es auch darum geht, zu sehen, dass es immer ein Körper ist.

Das Innen hatte sich fotografiert. Man sieht Wut und auch, wie offensiv und zeitgleich im Dunkeln zu bleiben bemüht es agiert. Es ist sichtbar.
Plötzlich erschien die Frage der Therapeutin nicht mehr kontextunabhängig, sondern nachvollziehbar. Auf den Fotos ist der Blick abgewendet, der Mund verschlossen, der Körper frei und dem Licht zugeneigt. Der Kopf ist zu, der Rest des Körpers bar jeder Verletzlichkeit.
Es gibt keinen äußeren Anhaltspunkt für das, was es für uns trägt.

Ich hatte mir einen großen Spiegel gewünscht und wollte sehen, was zu sehen ist.
Was heil geblieben ist. Was einen Wert hat. Wo keine Sollbruchreisslinien in meinen Hand-und Schulter, Hüft- und Fußgelenken sind, obwohl ich sie im Moment stetig knirschend oder grell aufreißend wahrnehme. Ich wollte sehen, wie es aussieht, wenn ich die Füße auf den Boden stelle. Ob ich meine Füße sehe.

Dann kam die Kunst als Möglichkeit Entlastung zu schaffen. Das Grafiktablet zog ein und mit ihm die Möglichkeit auch unter Schmerzen malen zu können, weil weniger Bewegung gebraucht wird.

Zwei andere Innens machten Fotos von sich. Das eine blitzt verschmitzt an der Kamera vorbei- so wie es immer an Menschen und ihren Augen, auch ihren künstlichen, vorbei blitzt. Das andere macht Quatsch. Kennt die Kamera genau, benutzt sie jeden Tag.
Und ich?

Die sich die ganze Zeit ansehen wollte; vielleicht sich sehen, in und an sich einen Wert sehen will; ein “das Leben wert sein” finden muss- Ich, die das “Sie wissen, sie wurden schwer missbraucht” mit sich in Verbindung zu bringen noch immer scheitert-
Ich schäme mich und halte dennoch gnadenlos drauf.

Ich wunderte mich, dass das Bild am Ende nicht unscharf war. Dass ich es ansehen konnte, nachdem ich wusste, dass ich mich gequält- mich verletzt hatte dafür.

Gestern Abend malte es dann jemand ab. Ich erinnere das Streichen des Stiftes, später auch der Finger über dem Tablet, so als würde ganz vorsichtig über meinen Kopf gestrichen. So als hätte ich mich berührt, obwohl nicht ich die Bewegung dazu ausführte.

Irgendwie war es ein Akt, ein Stück Nichtecht und doch real.
Als hätte das Innen, das mich malte mich gesehen. Nicht nur als das Foto, das dann doch eigentlich nur Haare zeigt, sondern ganz mich in meiner Scham, meinem Selbsthass, in all dem: “Ich will das, aber ich… ich bin so scheiße.”.

Es ist Kontakt.
eine Art Berührung, mit dem MirIchSelbstSein, mit der ich nicht gerechnet hatte.

Das da bin ich, wie ich etwas auf genau meine Art tun will und daran scheitere. Das bin ich, wie ich mich beim Scheitern, beim mich selbst hassen fotografiere, um im Nachhinein so etwas, wie ein Michzeigen und Michsehen möglich zu machen.

Selbst-Bild2

Ich verstehe jetzt, warum ich noch immer keinen großen Spiegel habe.

und also warten…

warten

Ich dachte
heute würde so ein Tag, an dem ich sicherer sein würde

werden würde

Und dann hab ich mich verunsichert, während ich mich versicherte

und werde unsicher, weil ich warte und warte
und niemand anruft

Ich weiß nicht mehr, wie ich was wo finden

in mir finden muss

kann

darf

soll

und also warte ich

ein Jetzt

Worte, wie Spaghetti auf eine spitzscharfe Gabel zu drehen.
Mitten aus dem Gehirn heraus.
Das ist mein Jetzt.
Es ist auch, darum zu betteln, nicht nett, nicht freundlich, nicht lieb, nicht (irgendeinen) wert_schätzend zu mir zu sein. Bitte nicht

Es ist auch, sich mit jeder Minute ein zartknospend nachwachsendes Menschenkostüm vom Leib zu reißen und in den Schrank zu hängen.
Bevor jemand sieht, dass es Menschenhaut ist.

Die Medikamente verursachen Muskelstarre, Gangunsicherheit, unwillkürliches Schwanken.
Ich schlafe viel, flüchte unter meine Decken und verkante mich in meinem Käfig.
Mache die Tür zu und warte dort, wie in einem Luftschutzbunker auf das Bald, die Zukunft.
Schlafe darüber ein.

Wenn ich rausgehe, NakNak* Auslauf und Licht, Freude und Reize gewähren will, braucht es Stunden bis meine Muskeln ihre Metamorphose von Stein zu weichem Gewebe vollzogen haben.
Die Schmerzen dazu sind ein Himmelreich.
So kann ich kurz telefonieren, essen, trinken, mich waschen, mir die nächsten Tabletten erlauben.

Ich bin so froh um den Hund.
Ihr ist egal, wenn mein Denken rudimentär, meine Worte unartikuliert sind.
Wenn es Fell ist, an das sie sich schmiegen kann.
Sie brennt mir die Schneise zwischen die Welten, die Zeiten, all die Nötignotwendigkeiten in Kampf um Leben und Tod, die ich brauche.

Ich halte noch diesen Bind(ungs)faden fest, dessen Ende irgendwo in der Menschenwelt ist
obwohl ich nicht sicher bin, ob er dort irgendwo fest ist
von jemanden aus-gehalten wird

Januar2014

das Ist

Stifte rollen über den Tisch, Farben ergießen sich auf festes Papier und zerlaufen zu Formen.
Töne und Laute schrauben sich im Hals zusammen, um von der Zunge springen gelassen zu werden.

Da passiert so viel, wenn sie miteinander telefonieren.
Es braucht das freundlich vorsichtige „Hei du“ um anzufangen; die Lautsprachenmaschine im Rachen anzuschalten, die Betriebssysteme hochzufahren und aus dem stummstillen Sein, das nicht einmal mehr mit dem Hund sprechen kann, heraus zu brechen.

Es ist eine komplizierte Sache geworden das Sprechen. Die Sprache. Die Fähigkeit etwas auszusagen.
Treffen und soziale Interaktionen, die direkten Kontakt erfordern, sind abhängig von einer gewissen Unwissenheit, einem: „Ach ich red halt drauf los.“ vom Gegenüber, um die Tür zum Sprachserver zu öffnen.
Wenn es keine Ansprache gibt, gibt es keine Worte.

Das ist eine Abhängigkeit, die sie genau spürt und von der sie bemerkt, dass die meisten Menschen überhaupt keinen Zugang zu diesem Umstand haben.
„Ich bin ja auch verrückt“, denkt sie und schmiert eine weitere Schicht Panzerplattenepitel auf ihren Rücken.

Sie kann es noch.
Worte sammeln. Sinne bündeln. Fäden spinnen, aus denen ich Texte webe.
Sie kann es noch.
„Hei du“ wie Morgentau auffangen und in den Rachen fallen lassen. Erste Satzreflexe abhusten und sich der Situation versichern.

Dann sprechen andere und die sprechen anders.
Sichtbar, fröhlich, freundlich, offen und bewusst. Nah und fürsorglich, manchmal albern oder besorgt.
Die Ansprache macht sie wach.

P1010188Sie öffnen sich wie eine Rose von Jericho und lassen ihre Kunst zur Sprache ohne Worte werden.

Sie selbst hat sich einen Orden gemacht.
Für außerordentliche Mutigkeiten.

Dazu gehört das Telefonieren genauso, wie das Nichtsterben, wenn sie die Bilder am Morgen einsammelt und in die Mappe legt.

Wortlos, denn wann sie das nächste Mal ein Mensch anspricht, damit überhaupt Wortmaterial in ihrem Kopf landen kann, ist von Tag zu Tag anders.

Das ist, das Ist.

besondertäglich

Gestern haben wir uns Kunst angeschaut. Wir sind aus dem Haus gegangen, haben unsere neuen Gemögten getroffen und sind in der Öffentlichkeit gewesen.
Schwusch!
Das ist etwas, wozu ich mir normalerweise meine rot- güldenen Wonderwomenstiefel sowie meine Kleiderschutzpanzer anziehe und hoffe, die Aufmerksamkeit bei den Menschen, die mich kennen, die ganze Zeit über halten zu können.

Aber gestern schien die Sonne. Es war warm, während ein bisschen Wind ging.
Es war das typische Problem von Menschen, die sich selbst verletzen: Was ziehe ich an? Lang, kurz, welcher Stoff in wie vielen Lagen ist aushaltbar und trägt nicht zu einer übermäßigen Geruchsentwicklung bei? Was passt zusammen und ist dem Anlass angemessen?

Ich war so unangezogen wie schon viele Jahre nicht mehr.
Ein Kleid, das überm Knie endet und dessen Ärmel nur die Schulterkugeln bedecken.
„Mooa das Kleid ist genau richtig jetzt- ich nehm das jetzt. Seide ist gut bei dem Wetter. Die Strumpfhose passt dazu und die Schuhe- ich nehm das jetzt. Ja, ich nehm das jetzt. Ich will das jetzt anziehen.“
[- „Du denkst auch nie an die Anderen, ne? Weißte, das ist, was unsere Kontakte immer so kaputt gehen lässt- die gelten doch gleich als was, was sie nicht sind, wenn sie mit dir so gesehen werden.“]
Schnell über Twitter nochmal gefragt, obs okay für sie ist.
Ist es. Ha! Bätsch!

[- „Du siehst scheiße aus. Lass es. Alle werden dich angucken- eh schon wegen des Zopfes und dann sehen sie die Narben und dann bist du wieder Klopsi von Ballerburg zu Psychohirn- aber das willst du ja, ne? Du willst nicht, dass die Leute etwas Anderes von dir denken, ne?“
– „So willst du gehen? Du siehst nach „Fick mich“ aus. Wenn dich einer anquatscht, haste selber schuld.“
– „Schrecklich- einfach schrecklich. Hässlich.“
– „Das ist zu unsicher. Man sieht zu viel vom Körper. Man soll sich nicht so zur Schau stellen- oder suchst du einen Ehemann? Dann wärst du im Frauenkulturzentrum sicher falsch.“]

Ich schleifte NakNak* durch den Park und wurde wieder unsicher. Aber die Zeit wurde knapp und ich hatte keine Lust mehr mich nochmal in den Kleiderschrank zu setzen und festzustellen, dass das Kleid eben doch das Beste, neben der üblichen Alltagspanzerung, gewesen wäre.
Es war ein besonderer Anlass, es war ein nicht alltägliches Zusammenkommen.

Im Sommer werden wir auch im mehrschichtigen Sichtschutz angequatscht und „angeflirtet“. Die Klamotte spielt dabei keine Rolle, sondern lediglich unsere biologische Weiblichkeit. Für solche Menschen sagt jede Kleidung „Fick mich“. Und einen Ehemann zu finden, hat auch nichts mit dem Aussehen oder dem Zeigen der Körperlichkeit zu tun. Mal abgesehen davon, muss ich mal noch herausfinden, wo das nun wieder herkam. Klingt nach Zeitverschiebung um etwa 60-70 Jahre…

Wir gingen zurück in die Wohnung, in der sich NakNak* uftzend unter die Essecke fallen ließ.

Ja? Nein?
Verdammt- Ja!

Dann fiel mir noch etwas ein, was dieses Gewülst aus innerer Ablehnung und Kommentiererei beenden könnte. Mensch XY nebenan.

„Ist Mensch XY da?“, fragte ich den Besuch, der bei ihm in der Küche stand.
– „Nee, der ist grad was einkaufen.“
Hm… was jetzt? Die pünktliche Bahn hatte ich jetzt schon verpasst, noch später zu kommen ging nicht.
– „Na dann- kannst du mir grad sagen, dass ich nicht komplett furchtbar aussehe?“
[Warg- eines der Teenieinnens. Nein Nein Nein geh weg- jetzt waaaa nicht jetzt.]
„Ach nein gar nicht! Wirklich nicht.“
„Okay, danke- Erklärung kommt später- Tschüüüß“, umgedreht und los! Im Laufen merken, wie dieses Teenieinnen es genießt weniger zu tragen und etwas das wir „halb und halb“ nennen versuchen. Akzeptieren dabei Britney Spears in den Ohren haben.

Die Ausstellung war schön, die flockige Art des jüngeren Innens in meiner Nähe war hilfreich, den Kontakt zu den Gemögten zu halten. Wenn auch weniger hilfreich beim Thema „VulvaArt“ der Ausstellung. Meine Güte- Teenies sind echt unreif, wenn ich das hier grad mal anmerken darf haha

Wir haben jemand Neues kennengelernt, und sind im Anschluss sogar noch in der Öffentlichkeit essen gegangen. Auch so eine Sache gerade. Menschenessen essen, sichtbar sein, kurzärmlig sein, sprechen, denken, interagieren. Die Menschen beobachten, imitieren und das alles mit Nutzung des Sprachzentrums, während man den inneren Händen und Füßen wegstemmt, was sich hochdrücken will.
Merken, wie leicht der Nichtkörpername bei einer Vorstellung gesagt werden kann. Wie gut er in diese Konstellation passt, wie sehr es erleichtert, „die Hannah“ sein zu dürfen und von Anfang an so bekannt zu sein.

Merken, wie gut es tut, vermitteln zu dürfen, dass man nicht gut bitten kann nach Hause gefahren zu werden und nicht alles dahinter auch noch sagen zu müssen. Am Ende sogar ein bisschen vergessen zu können, was man gerade an hat und wie man aussieht.

Zu Hause haben wir uns wieder umgezogen. Aber nur weil sich Wolken am Himmel zeigten und die Nacht kühl zu werden begann. Erst mal ein bisschen in NakNak*s Fell weinen vor Dankbarkeit und das Eindrucksgewirbel im Laufen mit dem Hund verteilen. Es einfach im Park liegen lassen.
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Irgendwann in der Nacht sogar traurig darüber sein, seinen Höhenflug beenden zu müssen, weil der Körper nach Schlaf jammert.

Nein, es war nicht alltäglich. Es war besondertäglich. Schön und nah dran an dem, was wir uns für die Zukunft vorstellen.

Danke ihr Beiden!

Barbie™

MarsAttacksBarbieStell dir vor, es ist Kunst und keiner merkts.
Stell dir vor, du begegnest Sexismus gegen Männer.
Stell dir vor, du sollst mit Irrealität fürs Leben üben.
Stell dir vor, du kennst jemanden, der keinen Nachnamen hat.

Ich spreche von Barbie™ und von der Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ in Berlin.

Als wir ein kleines Mädchen waren, hatten wir keine Barbie™ und so wie ich das sehe, fanden wir das auch gar nicht so schlimm. Wir hatten eine BabyBorn™ und eine dieser gesichtslosen Waldorfpuppen zum Spielen, ansonsten jede Menge Lego und Fröbelbausteine von den Geschwistern.
Schminken, hübsch machen, erwachsen spielen, haben wir irgendwie übersprungen. Es ging gleich in die Sparte der Sprache und der Kunst und erst dann wurde Barbie™ für uns interessant. So etwa mit 12-13 Jahren, als auch Sailor Moon™ spannend wurde.
Damals war die Sparte „Barbie™“ allerdings bereits nicht mehr auf unsere biologische Altersgruppe ausgelegt. In dem Alter nach einer Barbie
zu verlangen, war deutlich spürbar nicht das, was die Klassenkameradinnen und auch die Erwachsenen für legitim hielten.
Ich weiß noch, dass meine Mutter vor mir stand und sagte, jetzt wo ich schon über ein Jahr menstruierte, sei das Spielen mit Puppen doch nun wirklich nicht mehr das, womit ich meine Zeit verbringen solle. Ich sei ja nun erwachsen und eine richtige Frau.

Dabei wollte ich nie mit der Puppe spielen.
Was hätte ich denn auch spielen sollen? Man spielt um soziale Interaktionsmuster einzuüben, Lebensrealitäten auszuprobieren, sich selbst und seine Umgebung frei zu positionieren- oder eben auch nicht.
Das Leben von Barbie™ entsprach (und entspricht) in nicht einem einzigen Punkt dem meinen, auch ihre Hobbies, Berufe und Neigungen waren (und sind) maximal von mir entfernt.
Ich wollte so eine Puppe haben, weil ich die Perfektion schön fand und es mich faszinierte wie glatt und flach ihr Leben ist. Es gibt nie Probleme, sie hat nie Angst, sie lächelt immer. Sie hat keine Persönlichkeit- sie hat nicht einmal einen Nachnamen- doch niemanden stört es. Es ist immer die perfekte Harmonie- Stasis die so tut, als sei die Dynamik.
Kunst eben.
Ich wollte sie nur angucken. So einen Ständer basteln, sie mir auf den Schreibtisch stellen und anschauen.

Damals gab es bereits die Sammlerbarbies. Besonders schön frisierte Puppen, mit echtem Metallschmuck und Kleidern die nicht aus Polyacryl, sondern aus Seide und Baumwolle bestehen.

Noch heute fasse ich persönlich Barbie™ und ihr ganzes Universum als Kunstform auf- nicht als Spielzeug.
Selbst vorhin, als ich für diesen Artikel ins Kaufhaus ging, spürte ich von den Kinderinnens nicht direkt den Wunsch mit den Puppen zu spielen, sondern nur sie zu berühren und anzugucken.
Auf meine Frage, warum sie nicht mit so einer Puppe spielen wollten, antworteten meine Kinderinnens O. (etwa 10 Jahre alt) und I. (etwa 7 Jahre alt): „Sie sieht so fein aus- so hübsch…“, kurze Pause, „und so wie eine Erwachsene. Weißt du, so wie gar nicht echt zum Spielen gemacht.“. Vorsichtiges Berühren der Packung. „Sie geht bestimmt schnell kaputt, wenn man spielt, dass sie Sport macht oder so.“.

Mir ist in dem Geschäft aufgefallen, dass Barbie™ ein verdammt teurer Spaß ist. Eine Puppe mit einem Set Kleidung und vielleicht 3-5 Zusatzteilen kostet fast 20€, ihre Fahrzeuge etwa 30- 60€, eine Ausstattung Möbel und Einrichtungsgegenstände etwa 18€- das 1,10m hohe Traumhaus schlappe 180€. Pinkes Plastik made in China, mit unverrückbaren Möbeln, einem Bett mit eingegossenem Bettzeug und aufgeklebtem Ausblick aus dem Fenster. Eine Berufebarbie habe ich gar nicht gefunden und festgestellt, dass die Hunde mit denen sie manchmal in den Park geht, kein Fell haben, sondern nur gegossene Plastikstruktur.

Barbie™ hat allerdings ziemlich coole Freunde. „Skipper“, „Chelsea“ und „Stacie“ fahren Jetski. Sie sind kleiner als Barbie™ und passen da auch drauf- Barbie™s Beine hingegen sind schon zu lang, um überhaupt die Steuerung zu erreichen. Soviel dann auch zur körperlichen Behinderung mit der Barbie™ so leben muss. Sie kann nicht einmal ihre Beine so weit spreizen, dass sie auf einem Pferd sitzen kann.

Ken, den Freund und ewig heiratenden Mann im Barbie™- Universum, habe ich auch gefunden. Und „Liam“, den ich so gar nicht einordnen konnte, weil er auch ein „Ken“ hätte sein können. Beide werden direkt mal zur männlichen Deko degradiert- was an sich interessant ist- passiert dies doch sonst eher den Frauen. Er hat kein Auto, kein Motorrad, nicht mal ein Fahrrad- ein Ken-Traumhaus gabs auch nicht. Einzig eine Ken-Puppe bei der man die Plastikhaare austauschen kann, wie bei Playmobilfiguren und ein Set Kleidung (sprich den Anzug zum Heiraten- statt des obligatorischen Surferoutfits) gibts für den einzigen Mann in Barbie™land.
Also liebe Männer, die ihr Probleme habt das Problem mit Sexismus zu verstehen: Stellt euch vor ihr wärt Ken
– und übertragt das bitte (vielleicht weniger totalitär) auf unsere Realität.

Die Konkurrenz hat mir besser gefallen.
Die Steffi Love™ von Simba, kann Kinder bekommen, hab ich als Kinderärztin, als Turnierreiterin, als Rennfahrerin und als Anwältin gefunden. Sie trägt auch mal lange Hosen, ihr Pferd hat Fell und ihr Freund Kevin hat eine bessere Garderobe. Außerdem ist sie bis zu 20% billiger und hat bunte Kleidung- der Pinkanteil ist ebenfalls da- doch nicht gleich hoch, wie bei Barbie™.

Heteronormativ sind beide. Genauso wie kapitalistisch und auch rassistisch. Freunde mit anderer Hautfarbe habe ich nicht gefunden- obwohl ich mich erinnere, dass eine meiner Klassenkameradinnen früher eine Puppe mit dunkler Haut hatte (klar total exotisiert mit pseudoafrikanischer Tradionstracht- aber immerhin).

Als die Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ in Berlin eröffnete, gab es Proteste. Viele AktivistInnen hatten sich versammelt und Kritik geäußert.
Ich habe nicht alle Artikel dazu gelesen, aber die meisten Stimmen bezogen sich auf die Illusion zu der Barbie™ verführt, auf die soziale Rolle, die sie lebt und naja, was genau die FEMEN-Frau sagen wollte, habe ich irgendwie nicht verstanden. Ich fands jedenfalls schade, dass sie sich gezwungen sah, sich auszuziehen und eine 20€ Puppe zu verbrennen- und das auch noch an einem Kreuz. Symbolik die wohl irgendwie nur die FEMEN selbst verstehen.

Natürlich ist es keine Realität die Barbie™ lebt. Natürlich ist das, was sie so tut, nichts weiter als (bereits fertige) Nahrung zu produzieren, Essen, Kleidung einkaufen, sich schön machen und Spaß haben. Es ist eine traumhafte- nicht reale Welt. Es ist etwas, das fern von Belastendem ist, eine Insel.
Ich finde es eigentlich- so ganz grundsätzlich- schön, wenn es etwas gibt, dass Kindern so eine Insel bereitstellt. Schade ist es aber, dass es bei Barbie™ viel um „Ich bin du“ geht, die Vermarktung allein auf kleine Mädchen ausgerichtet und damit tatsächlich limitierend ist.

Es ist ein klares Signal: Barbie™ und alles was damit zu tun hat, ist nur für Mädchen. Der logische Schluss ist, das für Mädchen genau das geeignet ist- für Jungen nicht. Als würden Jungen nicht auch gerne Kochen, Essen, Einkaufen und Spaß haben. Nicht auch die Farbe Pink mögen können und Glitzer meiden. Und- wenn man sich mal das derzeitige ausschließlich für Jungen bereitgestellte Angebot anguckt- als hätten sie kein Anrecht auf eine ruhige, harmonische Umgebung!
Jungen sind mit teilweise so krasser Gewalt durch Spielzeug (und auch Kleidungsaufdrucke) konfrontiert, dass ich mich ernsthaft frage, wie die Eltern und sonstigen Erwachsenen um sie herum, das kompensieren sollen- ein Gegengewicht herstellen können. Dass sie das müssen, steht für mich außer Frage. Kein Kind kann den ganzen Tag „kämpfen spielen“- irgendwann kämpft es tatsächlich, weil der Radius seiner Spielfiguren zu klein ist.
Das Gleiche haben wir bei der „Mädchensparte“. Irgendwann ist der Punkt erreicht an dem „so tun als ob“ mit Stellvertretern nicht mehr reicht- es muss sich selbst geschminkt werden, schick angezogen werden, mit Lebensmitteln herumgemacht werden.

Der Punkt meiner Kritik ist, dass das Ausagieren der Barbie™welt bei Mädchen wohlwollend betrachtet wird und sozial erwünscht bzw. mindestens akzeptiert wird. „Es könnte ja auch schlimmer sein“ mit einem strengen Seitenblick auf die Jungs, die sich gerade mal wieder prügeln, weil sie ihre Pillen nicht gekriegt haben.

Ich denke, dass Kinder spielen dürfen sollen, womit sie wollen- doch mit dem Spielzeug selbst keine Realitätsnähe vorgegaukelt bekommen sollten, wenn sie ganz ganz klar, keine Realität ist. Und vor allem sollten sie ihre Lebensrealität mit der ihrer Spielzeuge vermischen können, ohne zig Hilfsmittel des Herstellers dazu zu brauchen.

Meiner BabyBorn™puppe fehlen zwei Fußspitzen- irgendwann hab ich ihr wohl mal die Nägel geschnitten. Sie klappert, weil ich ihr mal, statt des Instantbreis, echte wohlbekömmliche Sandsuppe serviert habe. Sie kann nicht mehr „weinen“, weil sie mit mir im Meer gebadet hat und das Salzwasser die Löcher verstopfte. Sie ist also eigentlich irgendwie kaputt. Aber sie ist unsere Begleiterin bis heute, selbst in diesem Zustand. Ich konnte ihr auch Babysachen von echten Babys anziehen, konnte sie auch in meinem Bett schlafen lassen, konnte sie auch aufs echte Klo setzen.
Eine Barbie™puppe wäre in wenigen Wochen zum stets nachzufüllendem Schlund geworden. Barbie™ gibt es eben nur mit Barbie™ -Kleidung, Möbeln… ihrer Realität.

Und wo wir gerade bei der Realität sind- einen Kritikpunkt an der Barbie™ -The Dreamhouse Experience™ habe ich noch. Sie ist gruselig!
„Das Nuf“ hat die Ausstellung (ne- man merkts doch eigentlich: Kunst wird „ausgestellt“- Realität wird „dargestellt“) besucht und ein Kurzvideo von Barbie™s Toilette gemacht.
Klick mich
ALTER!
Ich weiß ja nicht, wie sich Kinderköpfe den Umstand erklären, dass ihnen ein Delfin daraus entgegen guckt, aber ich muss dabei an eine Folge bei AkteX denken, in der aus einer öffentlichen Toilette lauter Ratten heraus kamen. Ich war damals 15 und doch hatte ich eine ganze Weile mit der Vorstellung zu kämpfen. Meine Beziehung zu Abwasserrohren war nie wieder die Alte…

Wie gehen die kleinen AusstellungsbesucherInnen (bitte bitte- sagt mir nicht, dass da gar keine Jungs hingehen) mit dem um, was sie dort sehen? Was entwickeln sich für Wünsche? Wie ist es für sie, lauter Plastikdinge zu sehen, die sie nicht anfassen dürfen? Es ist dort so viel hinter Glas und nicht erspürbar. Laut Homepage des Veranstalters ist das interaktivste eine Schlittenfahrt vor einem Bildschirm, ein paar Schminkplätze, ein Spiegel, ein elektronisches Klavier (das man doch kaum hören können wird, wenn die Bude voll ist) und wieder Computer an denen etwas gemacht werden kann. Gibts Barbies mit denen man spielen kann? Gibts wenigstens eine dieser Torten oder Cupcakes zum Essen?
Wenigsten eine Zuckerexperience muss es doch dort geben…