von dem Wunsch ein Chamäleon zu sein

“Ich mag so gern ein Chamäleon sein. Dann säh ich immer gleich unter Gleichen aus und 133375_web_R_by_Elsa_pixelio.denichts an mir ist falsch, ungenügend, zu viel…”
– ”Aber…”, ich beuge mich herab, lasse sie mich spüren, “mein Herz, du wärst trotzdem noch immer ein Chamäleon.”

Sie tritt einen Schritt von der inneren Klippe zurück, lehnt sich enger an meinen Flügel.
”Aber ich könnte ein bisschen mehr so sein, wie sie mich wollen.”
– “Vielleicht, ja. Und dann wollen sie dich. Weil du dann aussiehst, wie das was sie sich vielleicht wünschen. Aber schau, du und wir alle tun schon fast immer, was sich die Menschen wünschen, weißt du?”

Sie schaut mich an, fährt mit den Fingern über die Linien meines Federkleides.
“Hm.. ein bisschen denke ich das manchmal, ja.”
– “Wir sind gut darin herauszufinden, was andere Menschen wollen und wenn wir das wissen, dann ist immer da, wer es am Besten geben kann. Nicht wahr?”

Ich fühle wie sie sich an meine Seite hockt, den Kopf auf den Knien, den Rücken an mich gedrückt.

“Ja, eigentlich sind wir schon immer wie ein Chamäleon, richtig?”
– “Ja. Ich finde schon.”

Da kommt er vorbei. Seine wilden Locken in alle Richtungen stehend, der Trotz trieft aus allen seinen Poren. “Er ist ziemlich breitschultrig”, denke ich schon wieder, als ich sehe, wieviele kleine Herzen er auf ihnen trägt.
”Ich find- N. hat Recht. Ist voll krass, wie wir uns immer voll alles rausreißen, damit uns welche draussen was so wie ne Audienz erlauben oder so halt- dass die uns helfen oder einfach nur nett zu uns sind und uns keine reinhaun. Das is so als wärs voll unsere Schuld alles. Dabei könn wir ja jawohl nich immer für alles Schuld sein, ne?”.

Er schaut mich an, wartet auf mein bestätigendes Nicken. Als ich es tue, nickt er bekräftigend und fährt fort: “Eigentlich, ne- die ganze Zeit haben wir uns so als ganze Eine… halt so als Einsmensch, immer voll verstückelt und warn voll nie ganz so wie man halt so ist. So ne- guck ma H. zum Beispiel- die is nich immer nur voll krass so mutig oder so. Die heult auch ma und so. Und wir? Voll krass ey- du kannst nich mal heuln, weil dus halt gar nich kannst. Das wurd irgendwann ma abgeschafft, weil das aussen einer nich wollte. HALLO?! Wie abartig is das bitte?! Das is doch irgendwie so krank wie Chihuahuahs zu züchten die in ne Teetasse passen, weils noch süßer is für so Tussis, die sich nich ma Mühe machen zu denken, wies dem Vieh dann geht, wenns so mini is!”

Er spuckt den Abgrund runter und schaut uns an.
”Ihr habt gesagt, dass die Seelenfrau weiß wie das is mit Viele-Leuten.”
Wir nicken stumm.
”Na also- vielleicht sagt sie ja auch einfach nich was sie von uns will, weil sie welche alle von uns ma wissen will? Vielleicht is sie ja sowas wie so ne komische Einfach- mal- drauf- zu- Seele oder so. Wenn sie gecheckt hat was Viele- Sein is, dann weiß die doch ehwieso, dass welche immer so machen was sie will. Aber wir gehn doch dahin damit wir machen was wir alle so wollen. Also naja- so mit erstmal merken was wir eigentlich wollen und so und dann bereden und dann eben auch machen. Wär doch voll Affenscheiß wenn wir dann immer nur machen was sie will.”

“Ja vielleicht! Du sagst vielleicht! Und aber was ist, wenn es nicht so ist?”

Über uns knallen die Ahnungsdonner und unter uns zittert der Boden. Wir verstummen.
Unter diesen Schreien, die aus den kleinen Herzen auf meinem Rücken kommen, kann man, selbst wenn man selbst zum Schrei würde, einander nicht mehr hören.

Die beiden krabbeln unter meine Flügel, während ich versuche eine schlimme Gegenwart, als sichere Gegenwart darzustellen und zwischen meine Federn zu bringen.

Vor den Horden die das Vielleicht noch ausschmücken und uns Beweise für ihr Wissen vorhalten wollen, gibt es leider keinen Schutz.
Noch nicht.

Die Erde über die sie stampfen ist bereits ausgedörrt und rissig.
Es ist lediglich eine Frage der Zeit, wann es zu Spalten kommt.

mit oder ohne Betäubung?

Ich mag es, wenn mich meine Zahnärztin das fragt.

Die Welt fragt das nicht und an Tagen wie diesen heute überlege ich, ob es die Möglichkeit der Dauernarkose für Menschen Dachschaden gibt. Sofort antwortet ein Stimmchen: “haha Ja klar- die Psychiatrie oder all den anderen Mist, den wir schon durch haben!”.

Ach man, ja.
Abschießen geht nicht. Abschießen lassen geht auch nicht. Abschießen wünschen ist auch eigentlich schon wieder feige und was bleibt? Aushalten. Spalten und sich darüber noch vorhalten schwach und unfähig zu sein. Großartig.
Das ist wie geradeaus mit Volldampf losfahren und erst in der Kurve drüber nachdenken, wo der Schwerpunkt seiner Karre sitzt.

Ich erwähnte es hier nicht, weils mir peinlich war- jetzt ist es mir egal und ich mache einen Überblick… oder besser gesagt- einen Ein und Ausblick.

Unsere Therapeutin hat 4 Wochen Urlaub- ist grundsätzlich okay- wir brauchen wache Helfer.
(Und eigentlich fehlt mir ja nichts- hey ist doch die Chance Urlaub von dem Theater mit dem Dauerstück “DIS- wie sie das Leben schuf”, zu schaffen! Und egal was das Problem für das Rumtheatern ist, es wird mir nicht schaden, einfach mal die Klappe zu meinen Kopfvorgängen zu halten…)

Aber 4 Wochen sind lang. Die Erste geht immer noch. Die EKG-Linie ist leicht wellig- wie sie soll- eventuelle Abweichungen sind einfach zu beheben, in dem man die Elektroden verschiebt bzw die Pflaster austauscht. In der zweiten Woche zeigen sich schon eindeutig pathologische Kringel in den Wellen- aber der Rhythmus ist gleichbleibend, weshalb man zwar mit dem Kardiologen spricht, sich aber doch erstmal für Sport und gesunde Ernährung entscheidet, statt zu Medis zu greifen.

Nun sind wir in der zwei-einhalbsten Woche und ich glaub, ich hatte einen Miniinfarkt. Das ist seltsam- kam der doch sonst immer erst nach der 3ten Woche. Aber halt- nein- das denke ich ja immer! Und dann stellt sich heraus, dass es nur ein “infarktähnliches Ereignis” war. Gut, also zurücklehnen und darüber nachdenken, wie man das Ende durch Herztod abwenden kann.

Hm… tja… und nu?
Mit Betäubung oder ohne Frau Rosenblatt?
”Mit! Mit!” schreie ich natürlich als Erste- um dann, wenn die ersten Wirkungen eintreten, entsetzt über das zu sein, was mir (inzwischen) hochbewusst nach und nach flöten geht. Körpergefühl zum Beispiel. Die Fähigkeit zu fühlen, ob mein Körper Anzeichen von Panik zeigt und wann das absolute Limit für Aktivität erreicht ist, das Durstgefühl muss plötzlich wieder nach Zeitplan und Mengenliste eingeschätzt werden. Das innere Echolot hängt, statt wie sonst 3 Meter, nur noch 1 Meter tief.

Wir haben mit unserer Therapeutin eine Gewichts- Ess-verbindliche Vereinbarung über die Therapie bei ihr getroffen. Das ist auch etwas Gutes… ganz grundsätzlich. Aber nach dem letzten Urlaub war ein spontaner Kommentar: “Sie haben abgenommen.”
Paff Anxiety fläzte sich von links nach recht und grunzte gleich wieder nach mehr. Madame Essstörung allerdings auszuhungern war schwer (und ist es jeden Tag). Gleichzeitig die BÄÄÄMs im Nacken und Peng: der innerpsychisch beschissenste Knebel innerhalb der SVV-Blüte die unseren Alltag sowohl bestimmt als auch reguliert.

Für alle die hier zum ersten Mal lesen: Hier gilt: entweder essen oder schlafen- beides gleichzeitig gibts nicht, da die dritte im Bunde die schwere Selbstverletzung (im Sinn der akuten Schädigung von Körperoberfläche) wäre, was wiederum komplett unterlassen sein soll- Ergo eiern wir seit Monaten zwischen Hungern und Ausschlafen herum, was wiederum bedeutet: Um Anxiety nicht zu füttern (weil wir ja nicht weiter abnehmen wollen und um den Platz nicht zu gefährden) durch potenzielle Ansage von Außen, sollte gegessen werden, was zwangsläufig zu was führt? Richtig: systematischer (und “selbst herbei geführter”) Schlafentzug, der ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nur unaushaltbar ist (und damit eigentlich schon die Selbstverletzung gebiert).

Jetzt ist es nicht so, dass wir tagelang wach durch die Gegend springen- wer schon mal mehr als 24 Stunden durchgehalten hat weiß, dass das gar nicht mehr wirklich möglich ist. Aber es ist auch nicht so, dass ich mich ins Bett lege und einfach nicht schlafen will oder kann oder “es unmöglich mache”. Ich mache es mir gut, sage immer wieder, dass es darf, es geht, es darf, es geht … und das mache ich so lange, bis ich plötzlich wieder “wach” werde. Ich weiß nicht, wie man diesen Zustand nennt (und jetzt komm mir bitte keiner mit “Dissoziation”), aber das ist die Art wie wir gerade “schlafen”. Und zwar in jeweils 2-3 Stunden Intervallen. 2-3 Stunden wach und aktiv (so es noch geht) und dann liegen, ruhen- mit offenen Augen ausgeschaltet sein für eine gewisse Zeit.

Um dann direkt vollgeBÄÄÄMt zu werden, ob der Unfähigkeit, der Inkonsequenz und so weiter.

Ob die Betäubung durch eine Notfallmedikation helfen würde? Ja sicher. Durchgängig und erst wieder beendet, wenn jemand da ist der mich dann auffängt- klar- bin ich dabei! Ich mag Betäubung- oh jaaaa bitte nichts mehr  mitkriegen von dem Mist hier, oh yes- keine Chance mehr für meinen Kopf irgendwas gruseliges, peinliches, abartiges, verbotenes, unpassendes SCHLIMMES (das K. Rosenblatt-sche “schlimm” betreffend), zu tun, für das ich die Verantwortung tragen muss, obwohl mir alles drum rum unklar ist.. haaach wie verlockend der Eintritt in den Nebel, der mich von dem ganzen Schweren trennt…

Und was dann? Wie würde unser Blog hier wieder aussehen?
Was würde aus NakNak* werden? (Ein Bordermisch auf Bewegungsentzug- das ist so spaßig wie ein Gummitwist als Leine für nen Mastiff mit Schaum vorm Maul)
Würden wir dann essen?
Würden wir noch irgendwas tun, was unsere minikleine Bubble erweitert?
Würden wir dann besser leben als jetzt?
Würde das auch nur irgendjemand (der nicht gerade Geld mit der Herstellung dieser Mittel verdient), auf die Idee kommen so einen Zustand noch “Leben” zu nennen?

Toll, die typischen Fragen und Schleifen aus der zwei-einhalbsten Woche.
Es ist klar, dass ich das wieder nicht so gehändelt kriege, wie ich das eigentlich, nach all den Jahren können sollte.
Es geht nun weiter mit der Unterwanderung der Gedanken, die man sich zur Therapeutin macht (sie ist nicht echt, sie spielt, sie will dir nur weh tun, sie hat Spaß an Wissenschaft- du bist nur ihr Kaninchen, sie kann dir nicht helfen, sie findet dich eklig und lässt dich nur da sein, damit sie sich toll fühlt, warte nur ab- wenn sie wieder da ist und da sitzt dann… ) und endet dort, wo ich fest davon überzeugt bin, dass ich die Therapie jetzt sofort beenden muss, weil ich eh ein hoffnungsloser Fall bin, weils ich eh nie lernen  werde, weil weil weil weil EH

EH, Sowieso und überhaupt und ganz grundsätzlich- bin ich ja doch scheiße und es nicht wert überhaupt zu sein. So. (Ja traurig- SO abhängig bin ich davon mehr oder weniger regelmäßig vermittelt zu kriegen, dass ich nicht scheiße bin und es Hoffnung auf ein Heilwerden gibt)
Damit endet die dritte Woche. 124787_web_R_K_by_Karin Schmidt_pixelio.de

Und dann- eigentlich kurz vor Schluss- wo ich eigentlich Zeit damit verbringen könnte, einen Countdown zu haben und mir zu überlegen, wie ein sinniger Wiedereinstieg aussehen kann (es gibt Innens die sich sagen, dass unsere HelferInnen sterben, wenn sie weg (unerreichbar) sind) – bin ich nicht mehr da.

Gestorben an einem Miniinfarkt.
Abgetrennt von der allgemeinen Wahrnehmungs-Bewusstseinsversorgung, bis ein Stant, bestehend aus Versicherung der Rückkehr, Überprüfung des Verhältnisses, Kommunikation dieses Umstandes gelegt ist, der mich wieder mit mir selbst versorgt.

Oh Wunder was Oh Wunder wei
Eigentlich ja cool, dass ich meinen inneren Tod vorhersehen kann. Doch das ist ja allgemein immer die Krux: nur weil mans vorher weiß, heißt das nicht, dass man es auch verhindern kann.
Und in Bezug auf diese Kiste hier, habe ich schlicht keine Chance. Ich werde wieder einknicken, wieder die BÄÄÄMs gewinnen lassen und wieder unempfänglich für was auch immer dann von Außen kommt sein.

Ich hoffe wirklich, wir schaffen es irgendwie, unser eigenes dunkelbuntes Imperium heller zu machen. Diese inneren Tode sind wirklich schlimm, denn sie betreffen nicht nur mich als einzelnen von Vielen hier.

Und nur weil Reanimation in der Regel klappt, heißt es nicht, dass ich mich nicht doch auch sofort wieder danach verzehre, gefragt zu werden: “Mit oder ohne Betäubung?”, weil mir das Bewusstsein, mein Da- Sein und das Leben selbst direkt wieder unglaublich schmerzhaft vorkommt.

am Fenster sitzen

Es gab zu Hause diese großen Platten als Straßen, die mit einer dicken Teerwurst an den Rändern zusammengekittet waren. Wenn es sehr heiß war klebten manchmal Schlieren von dem Zeug am Schuh.319280_web_R_K_B_by_knipseline_pixelio.de

In mir herrschen gerade hochgekochte Celsionen. Meine Platten schmelzen auseinander, sind keine Straße mehr. Ich kann nichts tun, sie treiben auf meinem magmatischen Kernschmelzenwabbel herum, wie die Kalkplättchen auf dem alten Wasserkocherwasser.
Ich wachse, steuere direkt auf einen Knall zu- und weiß doch, dass er nicht kommen wird. Er kommt nie dann, wenn er eigentlich passen würde. So jetzt zum Beispiel.
Eigentlich haben wir uns schon zu viel Selbstzerstörung genommen. Wir hätten uns Manches mal erhalten sollen. Seit Tagen will ich mir eine Kippe nach der anderen in den Hals drücken, zum Beispiel.

Ach das war so schön… damals
Im Wintergarten des Notdienstes für Kinder und Jugendliche, die nicht zu Hause sein können. Da hab ich gesessen, konnte Zeitung lesen, rausgucken, Kaffee trinken und Eine nach der Anderen rauchen. Keiner hat mir wehgetan und wenn ich gewollt hätte, hätte ichs jemand erzählen können. Aber ich wollte nicht. Ich hatte Schiss und es hat eh und sowieso noch voll wehgetan.

Und heute?
Rauche ich nicht mehr. Klucke den ganzen Tag am Fenster und gucke in den Himmel. Tu so, als ob ich im Wintergarten säße. Heute bin ich eine Erwachsene und keiner sagt mir mehr, dass ich einfach losreden kann, wenn ich will. Heute bin ich nicht mehr so verletzt und blute nicht mehr. Das ist als wäre es unsichtbar. Unter den immer mickriger werdenden Platten versteckt. Geschützt und gleichzeitig ausgesperrt.

Damals, in dem Wintergarten, hab ich die Bilder aus der Fensterluke im Dach gepustet. Heute gibts nichts mehr zu pusten. Ich müsste eine ganze Filmreihe auspusten. Für einmal kurz Rausatmen reicht meine Luft nicht.

Fällt eigentlich niemandem auf, dass alle über Vergewaltigung oder Missbrauch reden oder schreiben, aber keiner sagt was das ist? Dass, jeder helfen will, aber keiner einfach sagt, dass er sich hinsetzt und man einfach losreden kann, egal, ob man sich an dem Bilderfilmband verschluckt oder es ein bisschen ratterig aushusten muss? Und egal, wie lange das dauert? Sie sagen es ist schlimm und Unrecht und man soll nicht schweigen, aber gleichzeitig machen sie alles fürs unsichtbar halten mit Schweigen.

Manchmal denke ich auch, dass ich das Kotzen auf Kommando vielleicht auch nicht hätte verlernen sollen. Ich glaub so ein Knall wäre jetzt gut. Ein Bilderbandkotzen auf Kommando nur von mir. Einfach so raus ohne, dass ein anderer das vorher stoppen kann.
Vielleicht das Ganze, was heiß ist, rausspucken, damit das Magmawabbel am Rand kalt wird und zu einem neuen Panzerplattenschutzgehäuse wird.

Voll bekloppt nur zu wünschen. Das ist genauso schlau, wie am Fenster sitzen und nicht rauchen. Oder genauso schlau wie die da, wo man anrufen und angeblich einfach losreden kann. Lügnerleute.
Pustekuchen.
Bilderband-nicht-raus-puste-und-innerlich-verkokel-Kuchen.

Vielleicht ändere ich meinen Namen in Merapi Rosenblatt.

Waldgeflüster oder: Wofür ich “meine Herzen” bewundere

Ein Flug durch den Wald. Etwas erleben. Kontakt mit der Welt und dem Leben versuchen.

– ”Hach….”, sie seufzt tief
– ”Hm? Was ist mein Herz? Brauchst du noch etwas?”
– ”Ich?! Nee! Aber ich freu mich über die Sonne!”
– “Hä? Ist doch kaum noch zu sehen?”
– “Also… sag mal bist du blind?”
– “Öhm…”
– “Gib ma her…”

Ihre Finger grabschen nach dem Fotoapparat. Sie hängt sich in Schweinebammelmanier von mir herab und knipst los

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– “Da isse doch!”, sie grinst mich breit an. “Weißt wie das ist? Die ganzen vielen Bäume atmen die Sonne im Frühling und Sommer ein. Und im Herbst, wenns kalt ist, dann können sie nicht mehr anhalten und atmen die gaaaaaaaaanze ganze Sonne wieder aus. Nur für uns Menschleute! Das ist doch lieb von denen ne?”

Ich kann nichts erwidern.
Ich bin tränenblind über soviel innere Weisheit.

Das ist Gefangenschaft in Freiheit

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Heute war der 100ste Tag, nach Befreiung von täterunterstützender Kontrolle.

Wir sind enttäuscht, dass sich dieser Teil Freiheit nicht besonderer anfühlt.
Dass wir dennoch gefangen sind.

Man sieht- es ist kein gebackener Kuchen. “Anxiety” und die BÄÄÄMs haben es geschafft, dass wir uns keinen richtig echten Kuchen zugestehen konnten.
Hart erkämpft und schmerzhaft teuer bezahlt haben wir diesen Keks, die kleine Kerze und die Zuckerschrift.

Wir sind frei und doch haben uns unsere Geschichte und alle Folgen von ihr noch immer in ihrem Käfig.

Das ist keine Freiheit.
Das ist
Gefangenschaft in Freiheit.

Und doch hören wir nicht auf an den Käfiggittern zu rütteln und zu kämpfen.
Das hier ist noch lange nicht das Ende.
Wir sind erschöpft, fühlen uns schwach und klein.
Aber wir wissen, dass dies bald auch wieder zu Ende geht. Dass dies eine dieser schmerzhaften Phasen ist, durch die man manchmal gehen muss. Und, dass wir bis jetzt immer an irgendeiner Stelle gestärkt wieder aus solchen Phasen heraus gekommen sind.

Es fühlt sich nicht so an. Nein es fühlt sich überhaupt gar nicht so an.
Jetzt sind wir im Tal der Tränen. Betteln die Gefängniswärter an, uns freizugeben.

Aber bald können die Tränen wieder trocknen.
Und dann werden wir Stein für Stein weiter diese Gefängnismauern abtragen.
Wir wissen, dass wir das können. Wir wissen, dass wir dabei Hilfe bekommen werden.

Bald.

[P.S. Ja- wir sind echt so spießig und häkeln uns Tischdeckchen haha]

hilflose Helfer

Es gibt Tage, da kann man nicht gewinnen. Ist aber gezwungen weiterzuspielen.

So ist das Leben- es geht immer weiter und es geht um des Lebens selbst Willen.
An sich bin ich sehr dankbar für diese Einstellung des Lebens zu sich. Es ist wertbefreit und geht einfach nur darum prinzipiell existent zu sein. Ausgestaltung und Befindlichkeit ist sekundär.

Wenn es sich doch bitte nicht gleich immer so ganz fürchterlich anfühlen würde, wenn es mal “untoll” ist! Und wenn doch bitte auch nicht immer gleich meine ganze Welt wackeln würde.
Himmel noch eins!

Es geht uns nicht gut. Es geht uns überhaupt nicht gut, schon seit wir “den letzten Tanz “ getanzt hatten nicht. Diese riesengroßen Warum?´s haben nachwievor keine neue Bleibe. Sie wachsen und wachsen nachwievor und es gibt immernoch keine Antwort. Keine Sprache und keine Worte um zu erklären oder in Kommunikation zu kommen. Der schriftliche Ausdruck ist das einzige Ventil und dieses ist noch nicht einmal so entlastend wie sonst. Fast eher das Gegenteil.
Wir fühlen uns von dieser sonst so zuverlässigen Ressource verlassen. Und dieses Verlassenheitsgefühl ist noch wieder Nahrungsgrundlage für diese Warum?´s.

Aber wir sind ja nicht mehr klein und darauf angewiesen, dass andere uns sagen, dass wir uns Hilfe holen können und dürfen.
Wir haben versucht es in der Therapie zu besprechen und sind in eine Kette gerutscht. Total ärgerlich! Klar- sowas kann passieren und gerade wenn man neu anfängt mit jemandem und allgemein eher krisig ist- aber bei diesem Thema war es super mega scheiße, dass es passiert ist. Diese Stunde vor dem Urlaub im größten Teil mit Reorientierung zu vergeuden, war einfach nicht gut.
Und selbst an dem Punkt hielten wir uns vor: “Okay wir sind groß, wir haben viel gelernt- ja wir machen dies und das und dann das und das und dann nutzen wir dies und jenes…” Ja- eine Woche Therapeutenurlaub, bekommt man so auch noch hin. Davon geht die Welt nicht unter. Das Leben geht ja weiter- egal, ob man gewinnt oder nicht. Ob beschissene Feiertage, die noch wieder ganz andere Sachen in Wallung bringen, dazwischen liegen und man gleich mal noch DIE Sinnkrise ever dazwischen schiebt, oder nicht. Es lebt und lebt und lebt.
Wie dieses bekloppte Energizerhäschen (ehrlich- derjenige der sich diese Werbung ausgedacht hat, muss doch inzwischen reich sein, oder? Wann gabs die im Fernsehen? Und immernoch wirds als DER Vegleich für Langlebigkeit herangezogen.. Bombe!) gehts immer weiter- vielleicht auch in pink und plüschig mit irrem Grinsen?

Doch das Leben ist ja auch Entwicklung und Mutation. In unserem Fall haben sich mal eben die Warum?´s mit einem weiteren Aspekt, der gerne mal in Bezug auf überlebte Gewalt auftaucht, gepaart. Herausgekommen ist ein ekelhaft ohnmächtig machendes: “Ist das wirklich passiert?! WARUM hab ich dann kein Wort dafür?! Ich hab doch sonst immer Worte! Weil ich jetzt keins hab, kanns ja auch gar nicht passiert sein.”
Dieses fliederfarbene kratzig inkonsitente Ding legt alles lahm.

Und das ganz offensichtlich auch bei Helfern und Gemögten.
Es tauchte auf, nahm uns in Besitz und wir sind trotzdem immernoch groß und sorgen gut für uns- obwohl es sich inzwischen so anfühlt, als wäre es sowas von falsch und verboten (Weil: “Es ist ja nichts passiert- man kann es ja nicht benennen- also darf man auch keine Hilfsressourcen fressen”) und dann: Versagt das Hilfsnetzwerk.

Großartig.
Ja. Menschen dürfen krank sein. Ja. Menschen dürfen arbeiten. Ja. Menschen dürfen mich nicht verstehen. Ja. Niemand ist verpflichtet mir zu schreiben, mich anzurufen oder überhaupt Kontakt mit mir zu machen. Ja. Alles richtig und okay.
Aber ich brauche doch Hilfe!
Und jeder sagt mir doch, dass ich sie haben darf.
Und sogar wo ich sie bekommen kann.

Also riefen wir bei der Telefonseelsorge an. Und hatten eine Frau am Telefon die einerseits Verständis hatte und bemüht war zu helfen (“Wenn sie es nicht so sagen können, schreiben sie es doch auf und rufen mich nochmal an. So in einer Stunde. Vielleicht geht es dann”) aber andererseits absolut nicht in der Lage mehr zu tun, als uns zu sagen “Sie brauchen professionelle Hilfe”. Ja Sorry- aber auf diese Glanzidee waren wir auch schon gekommen?!
Also zweite Email an die Frauenberatungsstelle. Keine Antwort. “ Findet sie uns doch scheiße? Hat sie jetzt doch für sich erkannt, wie schlecht wir sind und sie will sich schützen?! Krankheit? Tod?! PC kaputt? Darf man nicht so fragen? Was hab ich falsch gemacht? G’tt- hat sie Ärger gekriegt?!” rasen die Ideen und Gedanken wie ein D-Zug durch Kopf und Seelen- obwohl man eigentlich weiß, dass das Meiste dieser Gedanken Quark ist.
Also bestimmt der 20ste Anruf an eine der Stellen an der wir unsere Gemögten vermuten. Handys angeklingelt. Keine Antwort.
Wie ein Krake die Arme ausgefahren.
Letzte Station: sozialpsychiatrischer Krisendienst. “Wo wohnen sie- ich denke es ist besser wenn sie jetzt nicht allein sind. Wir können uns über eine Krisenintervention in unserem Hause unterhalten” Prima!!! Jetzt gleich noch ein paar Klapsenerinnerungsflashs und ich denke:
“Maaaan- ich will eure Hilflosigkeit nicht sehen! Ich will jetzt einen der mir einfach nur ein Wort gibt! Ich will das jetzt hier einfach nur mit einem Stempel versehen können und nichts weiter als es so verpackt auf meine Müllkippe schmeißen! Jetzt zeigt mir doch nicht, dass ihr diesem schlimmen Ding auch so hilflos ausgeliefert seid wie ich! Ihr seid doch die Anderen! Ihr seid doch die, an die ich mich wenden soll, wenn ich Hilfe brauche! Ihr seid doch die, die Macht haben das alles ein bisschen von mir zu nehmen!”

Nein, das sind sie alles nicht. Keiner ist das. Mal wieder wackelt unser (total junges und mühsam ins Innen gebrachte!) Bild davon, dass man Hilfe bekommt, wenn man sie braucht. Mal wieder sind wir in einer Position, in der wir Innenkinder die ihre Gefühle von abgrundtiefer Einsamkeit, Verzweiflung, Ohnmacht, Hilflosigkeit und einem gewissen Ausgeliefert sein in sich tragen, nicht so einfach “ruhig” bekommen. Wo wir nichts aber auch gar nichts einbringen können um Entlastung, Linderung oder schlicht “Ja… ich bin da” erschaffen zu können.

Dann klingelte das Telefon und eine Gemögte war dran. Sie kennt uns. Sie weiß um unser sein. Und schafft es doch auch nur wieder noch weitere Risse reinzubringen.
So schaltet es um auf diesen “Ja ich nehme an was da ist und lasse sie nicht spüren, wie es in mir schreiht”- Modus.
Der beste Aspekt an dem Anruf ist noch, dass wir wissen, dass sie überhaupt noch lebt. Dass sie da ist- immerhin diese Angst kann man in dem Moment schon mal abhaken.

Und der Rest?
Es liegen jetzt etwa 165 einhalb Stunden vor uns, die wir irgendwie leben müssen.
Klein und schwach und verletzt- fühlend, obwohl wir doch groß sind. Und obwohl wir doch wissen, dass wir eigentlich Hilfe bekommen könnten. Und doch ist es einfach schlicht die falsche Hilfe.

Warum gibt es keine Telefonseelsorge für traumatisierte Menschen?
Warum werden die Menschen bei der Telefonseelsorge so schlecht auf solche Themen vorbereitet?
Warum sind sie Funktionen der öffentlichen und kostenlosen Beratungsmöglichkeiten so exakt auf: “Entweder sie kommen klar oder sie müssen in die Psychiatrie” ausgerichtet?

Warum sind denn alle so hilflos und gaukeln mir aber vor, sie wären es nicht?

Warum sitze ich hier jetzt allein in meiner Wohnung, hab Angst, fühl mich schlecht und keiner ist bei mir, wenn ich doch so groß bin und eigentlich alle Hilfe ranholen kann, die ich brauche? Ich muss doch nicht mehr allein sein. Ich kann doch jetzt für mich eintreten. Ich bin doch jetzt auch groß und mächtig!

Warum soll dann die einzige Hilfe ausgerechnet die sein, die mich klein und schwach macht?
Fühlen sich dann alle Helfer weniger hilflos?
Warum soll ich mich denn dafür opfern?

Ich hab euch doch nichts getan!

Schmerz

“Wenn man ein eigenes Blog oder eine eigene Website hat, ist der Wunsch nach Anerkennung des Geschaffenen permanent vorhanden; zumindest latent”, ereichte mich heute ein Kommentar.

Oh man- will ich Anerkennung? Gesetzt den Fall, es gäbe welche- wäre sie erlaubt? Nein- natürlich nicht! Aber ich brauche es ja auch nicht zu befürchten. Kommt ja keine.
Und wenn doch, dann wird sie mir gleich wieder weggenohmmen von den “BÄÄÄM”s (oder von der allgemeinen Dissoziation- eigentlich braucht man diese Anerkennung ja nur einem Innen zu sagen, zu dem ich (noch) keinen Kontakt habe. So oder so bin ich also (vorerst) sicher davor, Anerkennung oder Lob aushalten zu müssen.
Phu! Na, dem Himmel sei Dank!

Trotzdem schleicht sich nach dem Kommentar die Frage ein, was ich hier (im Leben, in dieser Welt) eigentlich treibe. Gut- das frage ich mich jeden Tag und selten bekomme ich wirklich eine Antwort darauf. Meistens habe ich sowieso nicht genug Kapazität dann darüber ins Grübeln oder vielleicht ins Bedauern zu kommen, dass ich keine Ahnung habe.
Heute aber ist ein Feiertag, es regnet, ist grau und trüb, ich habe Schmerzen und fühle mich ganz grundsätzlich schlecht. Perfekte Bedingungen also mal so richtig nachzudenken.

Ergebnis bis jetzt: Ich lebe einen Alptraum und will das perfekte Leben.

Liebe Nichtbetroffenen: So stelle ich mir eure Welt vor:

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Die Gefahr im Rücken- aber wenn man nicht hinguckt, dann ist alles gut (und hey seien wir mal ehrlich- soooo groß und schlimm ist die Gefahr wohl auch nicht, oder?). Niemand ist allein. Die Sonne scheint, Blumen blühen und in der Nähe ist das sichere Zuhause.

So sieht meine Welt aus:

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Es gibt kein Entkommen. Kein Schutz. Nichts und niemanden ausser sich selbst und das große gefährliche böse Ding, das jeden Moment über einen herfällt.
Meine Tage vergehen damit vorsichtig- unmerklich- langsam- klammheimlich zu versuchen an diesem riesengroßen Ding vorbei zu kommen. Ich habe ja schliesslich ein Ziel! Ich will auch so leben wie ihr. So schön eben wie ich mir das ausmale.

Aber dieses Ding ist das, was sich Leben schreiht. Mein (Er-)Leben.
Realität nach einer Kindheit wie man sie, würde man sie verfilmen, nicht mal im Splattergenre verkauft bekommt (oder gerade da- was weiß ich).

Wie anmaßend ist es eigentlich von mir zu denken, mein Schreiben könnte auch nur im Entferntesten dazu in der Lage sein diese Kluft zu überbrücken? Eine Schnur für ein Büchsentelefon zu spannen, den Morsecode zu übermitteln… hach es gibt so viele Metaphern.

Was denke ich mir eigentlich? Was zum Geier treibe ich hier?
Komm wir nehmen einfach wieder die alte Schleife: ”Dich hört eh keiner, dir hilft eh keiner, dir steht eh keiner bei- is nicht schlimm- guck mal tut ja gar nicht weh. Du bist ja eh… [BÄÄÄM]”, möchte mir an dieser Stelle mein Innenleben helfen.
Ja, diese alten Schleifen sind so éinfach. Manchmal sogar tröstlich, weil es alles das in einen Kontext bringt, was ich von mir aus sonst nicht in einen Zusammenhang bekomme.
Ich dachte immer, man hätte nur nicht laut genug NEIN gesagt. Hätte sich einfach nicht genug gewehrt. Ich dachte immer meine Sprache wäre unverständlich. Dass mich niemand versteht, weil ich unverständlich kommuniziere und deshalb auch unverstehbar bin.
Dann höre ich immer wieder und wieder, dass meine Sprache gut ist. Dass es vielen Menschen leichter fällt zu verstehen, wenn sie von mir etwas erklärt bekommen. Dass meine Worte etwas in den Menschen bewegen, auch wenn sie selbst nicht in meiner Art alptraumhaftem Leben leben müssen oder mussten.
Und dann? Dann bin ich so mutig- und frech- so einen riesengroßen superfrevelhaften (und sehr teuren) Schritt auf dieses so unglaublich beängstigende Ding zugegangen und muss feststellen, dass es doch sehr viel schwerer ist, als gedacht. Dass ich doch unverständlich bin.

Und, dass die Folgen meiner extremen Qualen eben doch sehr einsam machen. Und kommunizieren kann wie ich will- dass mich doch niemand hört. Hören will? Hören kann? Verstehen kann? Verstehen will?
Dass, also nicht nur mein früheres Leiden mich von anderen Menschen isoliert hat, sondern auch noch das, was mir dadurch entstanden ist:
ein Leben, das nachwievor aus zwei Dritteln Todesangst und Todeserwartung (mit allen dissoziativen Bewältigungsmechanismen selbiger) und einem Drittel Hoffnung auf dieses schöne, hoffentlich leichtere und vermutlich hemmunglos überidealisierte Leben „der Anderen“ besteht.

Das tut weh.

Und es gibt keine Worte, die euch- die ihr da draussen seid und keine Ahnung habt- diesen Schmerz näher bringen oder gar erklären können.

Ich schreibe dies Blog hier, weil ich denke- fest davon überzeugt bin (und es verdammt nochmal sein MUSS), dass Menschen, die Elend sehen und verstehen, selbiges verhindern möchten. Einfach aus Menschlichkeit und einer Art Mitgefühl heraus.

Es geht hier um mich, weil ich nicht für andere sprechen kann und will. Es geht nicht um mich oder mein Leben, weil ich es für so besonders spannend halte oder für besonders exemplarisch. Oder weil ich mich so toll finde. Oder weil ich von der grauen Masse da draussen gelobt werden will. Das wäre für meine inneren Narzissten sicher schön und vielleicht gibt es Winkel in mir, die sich über Anerkennung freuen würden- aber treibende Kraft war hier und ist hier immer der Wunsch nach Hilfe und Kontakt gewesen.

Ich zitiere einmal aus einem Brief,den ich vor ein paar Wochen schrieb.

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„Wir wollen, dass sich andere Multiple, Ärzte,Therapeuten, Angehörige, Freunde und vielleicht auch Menschen mit ein bisschen Einflussmöglicheit da [hier im Blog] wieder finden. Impulse in sich finden.
Mutig werden ihre Gedanken und Zweifel zu kommunizieren.
Ich will dass die Menschen da draussen zu Querulanten werden. Dass logisch gedacht wird. Ich will das Hilfe keine Wareneinheit mehr ist.
Ich will dass es irgendwann so ist, dass ich in einer Therapie ohne Zeitdruck sitzen kann und alles ausbreiten kann, was ich immer mehr spüre (und immer weniger aushalten kann).

Ja, das ist egoistisch und deshalb tarne ich es in in einer Querulantenbildungsmission. Weil es andere dann einfordern für Menschen wie mich und damit implizieren, dass es okay und gerechtfertigt ist, wenn Menschen wie ich viel Raum, viel Zeit, viel Nähe und viel Menschlichkeit wollen und bekommen müssen.Weil ich dann aussen habe was ich innen so dringend brauche: Eine Erlaubnis für mein Sein.
Weil ich die Haltung „Wie immer: Ich höre zu“ so dringend brauche.“

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Und nun entlasse ich den Leser dieses Artikels.
Wie immer mit der Hoffnung ein bisschen gesehen und gehört worden zu sein.
Wenn schon nicht direkt für mich oder um meinetwillen, so doch für alle anderen, denen es auch so geht und sich (noch) gar nicht ausdrücken können.

Was unser verdammer scheiß- toller schlauer Körper alles kann

[Atmen kann er- das find ich immer am Besten haha]

Er kann vorallem aushalten!
Nachdem unser Körper gerade in den letzten Tagen durch gefühlte Abwesenheit glänzte, habe ich heute früh einmal mehr gespürt, wieviel so ein Körper aushalten und machen kann.

Es ist mit das beschissenste Element von Erinnerungen die heute auf uns einknallen: Körpererinnerungen.
Für den Laien einmal in Blanko:
Stell dir vor du liegst im Bett und bist dabei einzudösen und auf einmal- einfach so- ohne äusseren Anlass, fühlst du wie dich eine Macht packt und einmal in der Mitte durchreißt und gleichzeitig vollstopft und staucht- brutal, ohne Zögern, ohne Gnade, ohne Entkommen. Es gibt keine Schonhaltung für dich; nichts ausser einen Schreih in deinem Kopf und einen Schmerz der dich in eine Schwärze fallen lässt, die kein Molekül Platz mehr bietet. Es gibt keine Worte. Keine Sprache. Eigentlich nicht mal mehr Körper nebst Kopf. Da ist nur dieser explodierende Schmerz.

Wenn sich das Schwarz etwas lichtet- sei es weil dein Körper den Sauerstoffmangel auszugleichen beginnt (denn du hast den Atem angehalten), sei es weil dein Hund anfängt, die Tränen in deinem Gesicht abzulecken oder weil du aus dem Bett gefallen bist und plötzlich mit irgendeiner einzelnen Hirnzelle merkst:
HEUTE-HIER-JETZT
dann- aber erst dann- kannst du etwas tun.
Vorher musst du und muss der Körper vorallem eins: aushalten.

Ich habe heute morgen gespürt, wie sehr der Körper in diesem Moment- ja fast wiederholen muss, was er schon einmal durchgemacht hat. Er krampft, zieht alle betroffenen Muskelgruppen zusammen, zieht sich dicht an dicht, bietet kleinstmögliche Angriffsfläche, pumpt Massen an Adrenalin durch den Körper, verteilt Blut und Sauerstoff auf genau die gleiche Art wie früher. Wehrt ab und schützt gleichzeitig.

Innerlich rutsche ich auf Knieen vor Dankbarkeit, wenn der Schmerz abebbt. Dann kommen Bilderfetzen, Kurzfilme und was weiß ich. Da gucke ich schon gar nicht mehr hin. (<— Guckst du Therapieerfolg!)
Wenn ich es nur schaffe aufzustehen und festzustellen: “Ja- es gab keinen äusseren Anlass. Es ist alt. Es ist nicht heute, es nicht gerade jetzt gewesen. Niemand hat mir gerade wehgetan.”

Dann kann ich schon fast anfangen meinen Körper beruhigen. Blutdruck senken, einatmen, ausatmen,
eiiiiin- Tick-Trick-Track und das Fähnlein Fieselschweif- auuuuuussss, Boden fühlen, Körpermitte suchen, finden, vorstellen ein Band auszuatmen. Nase in die von der Freundin gewaschene (und entsprechend nach ihr riechenden) Decke drücken- denken, sie ist jetzt da…
Mein Körper nimmt sowas dankbar an. Die Schmerzen lassen nach.
Für den Bereich der mir so oft zerrissen wurde, hab ich durch die großartige Ina May Gaskin einige tolle Imagination gefunden bzw. zwei Visualisierungen, die oft helfen:
Zu Anfang noch: “your body is not a lemon (in a juicer!) ” (auch wenn er gerade das tut: sich zusammenquetschen wie eine Zitrone in einer Presse)
und etwas später: “an opening flower” (Blättchen für Blättchen langsam und vorsichtig aufgehen lassen… sich “wieder richtig hinlegen lassen”; “den Schmerz-(manchmal auch: die Schmerzursache) rauslassen”)

Das ist Arbeit.
So einfach wie das jetzt so klingt ist es nicht. Wenn sich mein Körper erinnert, dann erinnert sich die Psyche in der Regel gleich mit und es hämmert mir Erlebnis um Erlebnis im Kopf herum. Früher bin ich dann, öfter noch als heute, direkt in eine Kette gerutscht: A erinnert an B und das an C und es wird immer tiefer und tiefer. Und es wird immer schwerer sich zu orientieren- irgendetwas anderes als das Alte wahrzunehmen.
Innenkinder fliegen wie freie Radikale unter der Oberfläche und je schwieriger die äussere Umgebung ist, desto schwieriger wird es auch ihnen klar zu machen, dass es sich zwar gerade jetzt so anfühlt, es aber keine Situation ist wie früher (die ihr “draussen sein” bzw. ein Aushalten durch sie nötig macht).

Mal abgesehen von den seelischen Problemen, werden solche Körpererinnerungen vorallem dann zum Problem, wenn man so behämmert ist, wie wir zur Zeit.
Nicht genug essen heißt: Muskelkrämpfe, nicht genug Treibstoff für solche Anstrengungen, der Blutdruck eh ständig jenseits von gut und böse, anhaltende Schwäche und Konzentrationsprobleme
Nicht genug schlafen heißt: das Risiko für diesen blöden Zwischenzustand zwischen Schlafen und Wachen ist exorbitant hoch- schon nur auszuruhen und mal kurz irgendwo zu sitzen kann ihn dann schon auslösen
Nicht darauf achten, was innen passiert, wenn man genau das alles nicht macht- oberblöde! Schon dieser allgemeine Zustand von Schwäche und körperlicher Erschöpfung ist Futter für solchen Mist, denn er ist ein Trigger bei uns.

Und unser Körper? Dieser arme Metabolismus…
Der soll nicht zu dick sein. Der soll bitteschön schön aussehen. Der soll nicht auffallen. Der soll tot und lebendig sein. Mal dies mal das. Manchmal soll er ganz dick sein und dann wieder ganz spillerig. Dann soll er Megakräfte haben. Achja, aber bitte ohne allzu hart auszusehen, sich allzu hart oder zart anzufühlen. Er soll bitteschön noch zur allgmeinen (sexuellen) Befriedigung dienen, naja zur eigenen dann nach Bedarf. Immer zur Verfügung bitteschön. Für alle gleichzeitig: innen und aussen.
Aber wehe er tut etwas, dass ihn nach so einem anstrengenden Wieder-Erleben erleichtert!
Erbrechen, Durchfall, Zittern, Schwindel der uns zwingt, sich hinzulegen und die Beine hochzulagern.

Auch wenn ich weiß, dass wir beim nächsten Mal wieder so unfair sein werden. Und so undankbar und rücksichtslos… für jetzt in diesem Moment, wickle ich ihn ein, versuche ihn zu wärmen, zu nähren und sage ihm, dass ich ihm sehr dankbar bin.

Dass er in der ganzen ganzen schlimmen Zeit niemals aufgehört hat für uns zu leben.

im Wald

Ich bin auf der Suche nach dem „richtigen” Baum.

Fliege segelnd durch die Gruppen und Grüppchen der bunten Bäume, über die Sträucher und Büsche hinweg. Durch den Blätterregen hindurch.

“Mein Herz, weißt du noch als wir mit der Helfer-Gemögten hier waren?” Ich fühle eine leise Bewegung. “Weißt du noch wie die Marienkäfer flogen? Da hast du sie gezählt, weil du so eine Angst hattest, weißt du noch?” Ich höre ein schwaches Seufzen und fühle wie sie sich mir zuwendet. “Kannst du versuchen heute die Blätter zu zählen? Guck mal nach oben in den Himmel. Die Blätter sehen auch so aus, wie der Schwarm Marienkäfer.”
Ich spüre ihren bestialischen Schmerz mit ihr hoch kriechen. Von der Mitte der Lenden bis hinauf hin den Brustbereich, wo sie sich nun festklammert, um über meine Schultern in den Himmel sehen zu können. “Halt dich schön fest, gleich finde ich den richtigen Platz für uns”

Ich breite meine Flügel aus und setze meinen Flug fort. Und finde den Richtigen.
Gut versteckt mitten im Wald, fern der Wanderwege, dick, stark, mächtig, gut eingemummelt in Moos und Flechten.

“Ist es der Richtige?” Vielköpfiges Nicken überstimmt verächtliches Schnauben, verwirrtes Achselzucken, desinteressiertes Weggucken und messerschwingende Drohung.

Ich setze mich und schaue mir die Umgebung an.
Ja. Ich finde es auch gut.
”Kannst du den Baum sehen, mein Herz? Siehst du das Heute?” Sie nickt. Lässt ihre Tränen in meine Federn rollen.
Ich senke meine Flügel herab und lasse sie in die Rillen der Baumrinde fallen.
“Möchtest du den Baum mal fühlen? Schau mal, wie stark er ist. Unser ganzes monströses Körpergewicht hält er aus. Und sogar deine Tränen hat er ausgehalten.” Sie steigt, von Federn gestützt, ab, hält sich an meinem Flügel fest. Legt sich auf den Baum und horcht in ihn hinein. Erzählt ihm unhörbar ihre Geschichte.

Die Sonne geht langsam unter.
“Ist es besser?”, frage ich. Sie nickt. Ich beuge mich herab und lasse sie zwischen meine Federn krabbeln.

“Möchte noch jemand etwas hier lassen?”. Ich frage nicht nur “meine Herzen”. Ich denke, diese Art Schmerz werden Viele mehr gespürt haben. Und tatsächlich umarmen noch ein paar andere den Baum und lassen ein Stück Schmerz dort. Mitten im Nirgendwo. Ganz weit weg von zu Hause. Von fremden Blicken. Von Verantwortung. Von dem was sie repräsentieren. Von Scham über ihr Handeln und Denken. Bei diesem Baum, der obschon tot und umgestürzt, so stark und mächtig hier ruht.

So befreit und geklärt verlassen wir diesen Ort.
NakNak* steht auch auf.
Sie saß die ganze Zeit neben uns. Ganz ruhig. Wie eine Wächterin. Als hätte sie genau gespürt, dass hier etwas passiert, das absolute Stille verlangt.

Jemand trocknet die Füße ab und zieht die Schuhe wieder an.
Jetzt fühlen wir auch so den Boden wieder.

Es ist wieder ein Stückchen besser.