irgendwo sein

upupandawayUnd dann ist es doch wieder eine Zeit, in der ich in einen Telefonhörer hinein sage: “Ich weiß ja auch nicht, was ich bei der Frau Doktor soll. Meine Therapeutin hat gesagt…”

Ich bin da. Ich bin präsent und verhalte mich. Und alles zieht an mir vorbei.
Ich bemerke das, bin bewusst dafür, dass ich zur Zeit so viel dissoziiere wie zuletzt vor Jahren. Ich habe Wörter. Ich habe Ressourcen. Ich stapfe durch die Tage und bin und bin und bin.

Ich sitze vor meiner Neurologin und sage ihr: “Ich glaube nicht, dass es epileptische Anfälle sind. Ich weiß doch, wie meine Traumametaphorik ist.”. Ich schüttle den Kopf und erwarte eine Art blechernes Scheppern, das die ganze Welt durch meine Ohren wahrnehmen kann.

Die Neurologin und ich gehen ins elfte gemeinsame Jahr und ich habe immer noch das Gefühl einen Fehler zu machen, wenn ich von “uns” statt von “mir” spreche. Ich muss mir noch immer mein Menschenkostüm über die Ellenbogen ziehen, weil sich meine Seelenphysis auf ein jugendliches Mädchen zusammenkrümelt.
Noch immer kämpfen wir um die Unantastbarkeit des Verbotes von Benzos jeder Art, wenn wir die Treppen zu ihrer Praxis hochgehen.

Während wir uns gegenüber anderen Helfer_Innen, Mediziner_Innen und gemochten Kontakten immer wieder so aktiv um Bindung und Beziehung bemüht haben, um letztlich zu scheitern, so irrelevant waren diese Kämpfe und Bemühungen bei ihr. Wir sind immer wieder als undefiniertes Wurschtelknäul bei ihr aufgeschlagen und als undefiniertes Wurschtelknäul wieder gegangen, ohne, dass es ihre Position als unsere behandelnde Ärzt_In oder unsere als Patient_In berührt hätte.

Sie sagt nicht so bohrende Dinge wie: “Das macht Ihnen Angst, nicht wahr?”, wenn ich sage, dass ich alle 2 bis 3 Tage die Kontrolle über meinen Körper verliere. Sie fragt, was ich davon merke, was ich dazu denke. Ich habe nie den Eindruck, dass ich mit ihr über meine Gefühle dazu reden müsste. Es ist irrelevant für unser Gespräch, unseren Kontakt, für ihr Bild von mir, ob ich das tue oder nicht.
Ich bilde mir ein, dass sie nicht über mich nachdenkt und das erleichtert mich.

Ich glaube, sie ist die einzige Helfer_In hier in der Stadt, die alle unsere Vermeidungstänze und Krankheits- oder auch Symptomkonstruktionen chronologisch mitbekommen hat.
Von “das sind die Anderen- ich weiß auch nicht” bis “vielleicht habe ich einen Tumor” bis “haben mich die Medis, die ich als Jugendliche kiloweise essen musste, vielleicht hirnkrank gemacht?” bis “ich bin Viele aber nicht die Anderen” – ist alles schon in Wörterschlangen aus unserem Kopf in ihren hineingekrabbelt und hat nichts bewirkt.

Am Montag haben wir unsere Akte bei ihr gesehen.
Ein ganz schmales Papierstäpelchen mit Klinikberichten und Konsiliarberichten drin.
Ich glaube, das ist die erste Akte zu uns, die ordentlich, sachlich, ganz und gar unbedrohlich ausgesehen hat.
Irgendwie einfach nur da. Nur präsent und weiter nichts.
Wir hatten auch schon Akten von uns in der Hand und vor Augen, die man mit beiden Händen tragen musste und aus denen an den Rändern Zettel herauslugten, wie Maden aus einer Biotonne.

Am Montag saß ich in ihrem Zimmer und bemerkte, dass es mir oft fehlt zu fühlen, dass nur relevant ist, was ich selbst auch weiß. Dass das gemeinsame Wissen das ist, was ich weiß. Über mich, über mein Viele sein, über die wissenschaftliche Seite der Dissoziation über meine Empfindungen dazu. Ich habe gespürt, wie viel freier ich Dinge bei ihr ausdrücke, gerade, weil sie nicht wie meine Therapeutin sagt (und sagen kann) “Ich weiß Dinge über dich und dein Leben, die du nicht weißt”.

Sie hat mich gefragt, ob ein Klinikaufenthalt eine Option wäre.
Ich erinnerte sie daran, dass sie mir vor einem halben Jahr gesagt hatte, die beste Option sei die ambulante Psychotherapie. Und sie sagte: “Wenn es Ihnen aber immer schlechter geht, dann stimmte das nicht.”. Einfach so.
Weil es mir ‘schlechter’ geht, ist ihre Annahme falsch gewesen. Nicht ich. Nicht das, was ich mit meiner Präsenz auslöse.

Irgendwie beruhigt das etwas und ein paar Jemande in mir.
Es gibt so viele Menschen, denen ich Angst mache. Die unruhig werden, wenn ich da bin. Es gibt so viel an mir, das Menschen einfach nicht stehen lassen können. Nicht bei sich selbst verorten möchten. Es gibt so viele Menschen, die mich irgendwohin schicken, ohne mir zu sagen, warum ich dort überhaupt hin und sein soll.

 

 

Klinikgedanken

Mohnund dann sind sie da, die Klinikunterlagen.
Wartezeit: ein Jahr – vermutlich ab Bewilligung, die in meinem Fall von einer Einzelfallentscheidung einer Rentenkasse, in die ich noch nie einzahlen konnte, abhängt

Ich stand am Fenster, spielte mit dem Umschlag herum und dachte darüber nach, ob ich mir mit den Gedanken an einen Aufenthalt nicht doch irgendwie eher eine reinhaue, als mir eine Hand zu reichen.
Vor 5 Jahren glaube ich, war ich das letzte Mal angebunden an eine Klinik für Psychotherapie und fand es mittelhilfreich.
Wenn ich mich für diese andere Klinik entschiede und das bewilligt würde und die Klinik sagte: “Ja”, dann wäre ich nicht nur “angebunden an eine Klinik” – ich wäre mittendrin. Vollstationär, “Zillionen Kilometers weit weg!” und dann auch noch ohne NakNak* und so wie ich halt bin.

Ich habe von der Klinik von anderen Menschen mit DIS gehört, die sich allerdings alle in anderen Lebenssituationen als ich befanden.
Wo es noch viel darum geht: “Oh G’tt multipel und was- wo wie –äh hümm ich bin vielleicht eigentlich gar nicht da aber uhääää *strampel* “ oder auch TäterInnen*kontakte, Symptome verstehen, Stabilisierung und so weiter. Ich würde jetzt nicht von mir behaupten, dass ich schon fertig bin mit meinen Vermeidungstänzen oder, dass ich immer jedes Symptom sofort einordnen und regulieren kann, aber es ist als Thema nicht mehr so groß und ich bin davon weg MedizinerInnen* und PsychotherapeutInnen* zu idealisieren, ohne es zu merken.

Ich glaube am Anfang war es wichtig für mich meine HelferInnen und TherapeutInnen so hochzuheben und ihnen viel Macht zuzuschreiben, um meine eigene Ohnmacht vor dem was mit und in mir passiert als wahrhaftig anzuerkennen. In der Hinsicht hat mir die Pathologisierung meines Leidens schon auch nicht nur geschadet. Gegen Krankheit kann man sich halt schlecht wehren- da ist man eben ohnmächtig und krank und das Thema “Schuld” kann gut beiseite gestellt werden.
Aus der Klinik habe ich bisher nur höchste Lobestöne gehört und das macht mich gleich mal misstrauisch hoch zehn.

Und dann, selbst wenn die BehandlerInnen* gut sind…
dann bin ich Patientin. In einer Klinik. Drin. Mit Hausordnung, Pflegedienst, MedizinerInnen, Fremdbeguckung und anderen PatientInnen*.
Dann heißt es “Guck in dich rein- ich guck dich dabei an” , was ich schon im Rhythmus von einmal in der Woche jetzt schwierig finde.

Und es gibt Quasselgruppen. Also eine Quasselgruppe für Menschen mit DIS. Find ich gut.
Noch.
Wahrscheinlich finde ich das exakt so lange gut, bis ich das erste Mal ungeduldig werde. Oder “zu politisch drauf komme” was, wie ich ja inzwischen auch gelernt habe, auch mal total doof ist, wenn man Viele ist. Dann hat man ja größere Leiden als seine Umwelt.
Und ganz eigentlich erzählt man sich in Gruppen doch eh immer vor allem, dass man kennt, wovon die anderen erzählen. Mir ist das in der Regel voll egal, ob andere Menschen kennen, was ich kenne. Wobei soll mir das Wissen darum denn auch helfen? Oh wait- is there any political thing…?

Und- FakerInnen*
Es gibt keine Orte neben Internetforen, wo man häufiger auf FakerInnen* trifft und gleichsam ohnmächtig davor ist, es sei denn man ist eine gute Admine.
Ich habe schon Menschen unter dem Label DIS kennengelernt, die dreist ohne Ende und eigentlich für alle nachvollziehbar, die inneren Landkarten von anderen PatientInnen* kopiert haben, Verhaltensweisen übernommen und Geschichten erfunden haben und trotzdem nicht damit konfrontiert wurden von ihren BehandlerInnen*.
Und das inmitten der üblichen Klinikdynamiken, in denen Zuwendung und Aufmerksamkeit eine Währung ist, die kongruent zu Personalmangel und Bürokratie in ihrem Alltagshandelswert sinkt oder steigt.

In jeder Klinikgruppe gibt’s die Klapsmami, die für alle alles macht und immer für alle da ist- außer für sich selbst.  Es gibt das Huschi frisch drin und so voller Verwirrung und Angst, dass es eigentlich gar nicht da ist, es sei denn, jemand ist bei ihm. Der Großteil der Gruppe ist schweigend wenn’s drauf ankommt und leicht hin- und herschiebbar- perfektes Futter für den Spaltpilz, der ebenfalls immer mindestens einmal da ist und alle kontrollieren muss, um sich selbst nicht zu verlieren. Und in so eine Gruppe komme ich dann und es ist so “Heeemenememjemääääh mmmm gehweg!”
Wenn ich was sage, ist das nicht falsch- aber passend irgendwie nie. Wenn ich was mache, ist das weder super noch grotte, hat für mich aber einen Rattenschwanz, den ich einigermaßen fühle, aber nicht weiter benenne. Ich brauche niemanden und will das auch nicht und irgendwie ist das ein Umstand, der in Kliniken immer irgendwie komisch kommt.

Zum Einen wirkt das immer so, als würde ich sagen: “Ich brauche diese Hilfe hier nicht” (obwohl ich in der Regel sagen will: “Ich will nicht gerettet werden bitteschön- kann ich auch alleine”) und zum Anderen als würde ich denken “ihr seid alle zu [… irgendwas…] für mich” (obwohl ich in aller Regel nur sage, dass ich lieber für mich rummache, anstatt zu sagen “Hallo du bist ein Mensch- Menschen sind gruselig!”)

Und dann: meine Klapsenjugend und das Innen, das bis heute nur darauf wartet, dass die Therapeutin es “reinlegt”, wie “es alle diese Leute (TherapeutInnen) tun”.
Es ist ein Thema sich in äußere Strukturen reinfallen zu lassen und nicht wieder raus zu gehen oder raus zu wollen. Es gibt Innens, die nichts anderes, als das kennen. Die nicht geschockt sind von um sich beißenden sabbernden, wirr redenden oder anderen irgendwie aus der Welt gefallenen Menschen. Die arbeiten an ihrer Selbstzerstörung und sind dumpf für ein “Außen”, ein “Morgen” oder eine “Heilung”.
Wie viel Zeit werde ich damit verbringen, da Orientierung rein zu bringen und wie viel Arbeitskraft wird dafür drauf gehen diese zu halten?

Und daaaaahaaaann das, weshalb ich ja eigentlich darüber nachdenke, ob es mir hilft da zu sein.
Ich hab nicht so richtig das Gefühl, dass wir ambulant da so dran kommen. Entweder grätscht uns der Alltag in den Strang rein oder wir kommen erst kurz vor Ende der Stunde überhaupt nah genug dran, um kurz zu gucken und dann wieder zuzumachen. Das reicht um ein gewisses Level zu halten und ist deshalb gut und wichtig, aber so richtig den Dreh, den es braucht, gab es bis jetzt nicht.
Würden wir den hinkriegen, wenn wir mit einer total fremden Therapeutin* reden? 2 Mal in der Woche?
Ich habe keine Ahnung und das nervt mich.

Vor 10 – 11 Jahren etwa kostete ein Klapstag angeblich 500€.  Sollte ich nicht ein bisschen sicherer in meiner Einschätzung sein, wenn ich gedenke etwa 60 Tage lang um die 500€ aus der Krankenkasse rauszuziehen?
Sollte ich nicht weniger “Gnah Menschen…” in mir fühlen? Sollte ich nicht mehr “Wohooo Heilung juppie eiyo!” – Drive drauf haben? Sollte ich nicht ehrfürchtiger vor der Rettungsenergie von BehandlerInnen* und HelferInnen* stehen? Weniger Angst vor der Trennung vom Hund haben? Weniger Angst vor der räumlichen Entfernung von meinem Bullergeddo, meiner Therapeutin, meinen Gemögten, meiner Muchtelbutze mit all ihrem Dreck und Schrunz haben?

Es ist doch auch alles gut.
Morgen fahre ich zum queer-feministischen Sommercamp und gebe einen Workshop. Ich hab Vortragstermine und mit ein bisschen Glück hab ich gerade etwas produziert, was anderen Menschen mit PTBS hilft. NakNak* und ich sind ein gutes Team, ich hab Gemögte, ich habe sogar die letzten Tage in meinem Bett geschlafen. Ich hab Geburtstag gefeiert, Pflanzen nicht umgebracht und meine Zukunftsvisionen entwickeln gerade rudimentäre Arme und Beine. Ist doch alles prima.
Ist doch nur… also, es ist ja …

 

[… insert kakophones Grunzstöhnen vor dem Hintergrund eines anhaltenden Kopf —> Tisch – Geräuschs…]

(orrrwiesobinichsoeinwankelmuckschesHörnchenverdammt?!)

und . und . und .

Resilienz “Ich bin grad leicht zu erschrecken”, hatte ich gesagt.
Dachte: “Ich werde an einer Krankheit sterben, die einen komplizierten Doppelnamen mit “Syndrom” hinten dran hat. Ich muss zum Arzt- ich brauche Hilfe. Jetzt.”.

Und weiß Stunden später: Ich bin getriggert.
Der Gedanke ans Sterben, diese Einbahnstraße, die ich doch immer wieder überhaupt betrete, weil Sterben so viel Ähnlichkeit mit Stopp hat.
Ich denke die ganze Zeit: Stopp. und Nein. und Ende. und Nein. und Stopp. und Halt.

 

und

 

es

 

hört

 

nicht

 

auf

 

Der Gedanke an Hilfe, die Stopp machen soll. Jetzt.
Dieses Jetzt, das so keinen Millimeter Platz für “gleich” hat. Kein Quäntchen Raum für “ChipkarteNameGeburtsdatumAdresseWiesohabenSieeinenvernarbtenKörperMachenSiePsychotherapie?” erübrigt.
Diese Hilfe, die mein Leben rettet, während sie seine Ränder abschneidet und mit dem Hacken auf dem Boden verreibt.
Pulverisiert.
Zersplittermultipliziert.

Und nichts verändert, denn es ist doch irgendwie das Gleiche, wie das Gegenteil von Stopp. und Nein. und Ende. und Nein. und Stopp. und Halt.

Ich bin getriggert und in den Hyperarousel gekippt.
NakNak* schläft neben mir, das Laptop summt und irgendeine Macht beißt mir ein Loch nach dem anderen in den Beckenboden.

Ich kann malen. Ich kann denken. Ich kann Skills runter- und G’tt anbeten.
Ich kann alles, was ich will.
Außer machen, dass es aufhört.

Von Schwester Britta weiß ich, wie man Pulse zählt.
Von Doktor House weiß ich, was eine Carotismassage ist.
Von Emergency Room weiß ich, dass es super ist, so etwas mal zu können.
Im Notfall.
Wenn Sterben ein Thema ist und wie ein Klangteppich aus Piepsen und Synthesizern über der Szenerie wabert.

167
158
153
150
145 Pulspochklopfer von unter der nerventoten Haut an meinem Handgelenk
Wie das Herz eines Tierchens, das ich mit der Bewegung streichle.

Ich schaue mir Pickeldy und Fredrick an und amüsiere mich.
Ich lache und lasse eine riesenhafte Faust meinen Leib aushöhlen, wie einen Kürbis.

Lachen ist gesund. Wirkt auf den Blutdruck ein.
Es macht das auffällige Tierchen in meinem Hals zu einer friedlich schlummernden Kugel nahe am Kiefergelenk.

Dann war ich allein mit meinem Stopp. und Nein. und Ende. und Nein. und Stopp. und Halt.
Dem
Bitte
ohne Satzzeichen
ohne Adressat
ohne Briefmarke drauf

in einer Flaschenpost durch meinen Kopf

Diesem Bitte und Stopp. und Nein. und Ende. und Nein. und Stopp. und Halt, mit dem ich mein Hier und Heute verkorke.
Mir eine Insel erschaffe, auf der ich mir die Dauerwerbesendung zur Illusion der Macht über sich selbst anschaue.

Mir Gedanken zur Theorie des Stoppsterbens mache und eine zweite Ibuprofen zusammen mit der Notfallmedikation in das schwarzblutende Loch unter meiner Brust fallen lasse.

“Ist gleich vorbei. Gleich schlafen. Gleich. und Bald. und Ja. und Schlafen. und Gleich.”, sage ich dem winselnden Klumpen rohen Fleisches unter meinem Menschenkostüm und warte mein Warten.

mein Schweigen und die Therapie

helldunkelmischNachdem ich in der letzten Woche so mit einem Schweigen rang, so sehr um meine Lautsprache kämpfen musste, saß ich in der Therapiestunde und versuchte das Schweigen weiter in Worte zu wickeln. So fest wie es ging, um es an einem Ende der Therapeutin in die Arme zu legen.

Hatte sie doch gesagt, sie könne etwas aus-halten.
Wollte ich doch nur, dass sie etwas mit mir hält, was mich drückt.

Mir fiel auf, wie viele Schichten Worte ich über die Jahre bereits darum gewickelt habe.
Und wie sie anfing eine Schicht nach der anderen abzutasten- lose Fäden ohne Sicherung herunter hängen zu lassen und das Bündel immer wieder zurückzuschieben, wenn der leere Kern erste Schatten voraus warf.
Immer dann wenn ich denke: „Jetzt ist es gut verpackt und liegt auch noch woanders- jetzt kann ich- jetzt darf ich das Verschwiegene bündeln und aus seinem Nest in meinem Bauch- und Rippenfell herausklauben.“, dann liegt mein Schweigen wieder unverpackt- unversichert- ungebunden auf meinem Schoß und versucht sich wie ein Korsett um meine Mitte zu legen.

Seine Fänge wandern meinen Hals hinauf und drücken zu. Stopfen mir Mund und Nase zu, bringen mich dazu durch die Augen atmen zu wollen. Mein Schweigen ist ein nebulösschwarzschreiendes Biest, das mir die Ohren rauschen macht und mir das Denken vernebelt.

Am Ende war ich dankbar um die Wut der verletzten Ungeholfenen hinter mir.
Ließ mich und meinen Mund sagen, dass es doch nicht die Hilfe der Psychologie- der Psychotherapie- sein kann, für alles ein Wort zu haben.
Sie begann einen Satz mit „Doch….“

und das Schweigen tötete mich für einen Moment.

Jetzt sind viele Stunden vergangen und ich halte es, wie auf eine Spindel gespießt, in der Hand und wickle erneut Worte darum herum.

Ein anderes Innen soll herausfinden, was gesagt werden darf.
Ich fange an zu zweifeln, ob je eines meiner gewickelten Worte gehört wurde.
Frage mich wieder, ob ich selbst das Schweigen bin.

Bin ich für sie?
Sichtbar?
Hörbar?
Warum sagt sie mir nicht, was sie hört, damit ich höre, ob sie mein Schweigebündel gehört hat und mit mir hält?

Ich fühle mich alleingelassen mit meinem Schweigen.
Und jetzt auch noch hilfe-los, weil ich beim „Therapie machen“ versage, obwohl ich mich an die Regeln halte.

Die Ungeholfenen brüllen und haben Recht.
Helfer sollen helfen. Sie sollen nicht lügen, dass man Hilfe bekommt, wenn es keine Hilfe ist. Hilfe ist nicht allein Erkenntnis. Sprache ist hilfreich- aber keine Hilfe.

Ich schweige- trotz funktionierender Sprache.

Und nun weiß ich endgültig nicht mehr, was ich dort in der Therapie soll.
Weiß nicht einmal mehr in welche Richtung ich überlegen soll, wenn sie immer wieder sagt, wir sollen uns überlegen, was wir bei ihr wollen.
Waren die Antworten darauf falsch oder hat sie sie nicht gehört?