man muss nicht glauben, um zu helfen

Ich bin vorhin über die Türschwelle zum Multiland im Internet gestolpert und mitten in eine Welt geplumpst, in der mein Risiko an Hirndiabetis zu erkranken um Faktor 100 erhöht wurde.

Die versierten SucherInnen werden sie kennen, diese Seiten auf denen über Multiple „aufgeklärt“ wird. Jaja, ich  meine die, mit den wackelnden Gifs von weinenden Engeln, den Webringfackeln und den verniedlichenden Begriffen.
Ich sehe die Bildchen und denke: Kitsch. Sehe „Webring“ und denke: Angst vor der Offline-Welt. Lese so Dinge wie: „Innie“, „Multi“, „Darki“ und denke an Vermittlungsseiten von Tierheimhunden.

Da ist erst mal keine Wertung drin (auch wenn meine Assoziation dazu im Allgemeinen negativ konnotiert werden). Ich versuche trotzdem die Seiten zu lesen und würdige, die Arbeit die dahinter steht. Der Wunsch der Auseinandersetzung mit dem Thema, ist bei mir ja auch vorhanden.
Aber ich versuche mich in LeserInnen hineinzuversetzen, die selbst keine DIS haben und aus einem bestimmten Grund Informationen zum Thema gesucht haben und in Folge dessen schlage ich vor solche Seiten die Hände überm Kopf zusammen.
Wenn ich so eine Seite durch habe, glaube ich selber nicht mehr an dissoziative Identitäten oder satanistische Kulte und das finde ich schlimm.

Schlimm deshalb, weil ich noch immer von HelferInnen und Hilfseinrichtungen höre, die „nicht an „solche Sachen“ glauben“. In den letzten Nebensatz hätte ich noch viel mehr Gänsefüße setzen müssen.
Vielleicht so: nicht an „solche“ „Sachen“ „glauben“.

„solche“? Welche?
„Sachen“? Welche Objekte -tote Gegenstände- werden im Zusammenhang mit DIS und destruktiven Kulten benannt?
„glauben“ Wer verlangt Glauben, wenn es die Ratio ist, die angesprochen wird?

Wir sprechen von einer Dynamik der Macht und Ohnmacht, der Gewalt und des Überlebens, wenn wir von Menschen in destruktiven Gruppierungen sprechen. Etwas, woran man nicht glauben muss, um zu wissen, dass es das gibt, weil wir alle Ähnliches in anderen Rahmen gleichsam erleben. Stichwort Bürokratie, Kapitalismus, Rassismus… der Weihnachtsmann.
In allen Zusammenhängen wird uns eine Struktur aufgedrückt, die die Welt oder Aspekte in ihr erklärt und definiert. Es liegt bei uns, ob wir danach leben wollen oder nicht.
Kinder glauben nicht an den Weihnachtsmann- sie glauben, daran, dass ihre Eltern ihnen die Wahrheit sagen, wenn sie ihnen erzählen, dass er die Geschenke unter den Baum legt. Sie hören auf es zu glauben, wenn sie so reif und frei sind, ihre Eltern zu hinterfragen oder beim Geschenkekauf „erwischen“ oder oder oder

Ja, ich habe wenig Verständnis dafür, wenn mir erwachsene HelferInnen erzählen wollen, dass sie nicht an (rituelle Gewalt in) destruktive(n) Kulte(n) glauben, weil ihnen das so entfernt vorkommt. Oder sie sich das einfach nicht vorstellen können.
Liebe HelferInnen:
Niemand verlangt eine genaue Vorstellung der Gewalt- bitte- schützen sie ihr Gehirn vor solchen Bildern! Sie werden falsch sein, weil Sie sie nicht erfahren haben.
Transponieren sie einfach nur die Fakten: Da ist ein Mensch, der viel Einfluss auf andere Menschen ausübt, in dem er ihnen die Welt definiert und ihnen ihre Identität abspricht. Sie zur Nummer macht, ihnen biologische, soziale, psychische Andersartigkeit zuschreibt und dies in eine Struktur einbettet. Einfach, weil er es kann und will.Vielleicht eigene Bedürfnisse befriedigt, in dem er die Grundbedürfnisse anderer Menschen ausbeutet.
Fertig. Da haben sie, was sie nicht glauben wollen.
Sie erfahren, das Gleiche jeden Tag. Nein?
Wie viele Nummern sind sie? Steuernummer, Versicherungsnummer, Kundennummer…
Wie viele Begriffe gibts für sie? Das N- Wort? Das Wort, dass ihr berufliches Wirken bezeichnet? Ihre Diagnose(n)? Das Wort, das ihren Familienstatus benennt?
Es ist das Gleiche. Das gleiche Muster, der gleiche Einfluss auf das, wer sie sind und was sie an Macht dadurch zugesprochen oder aberkannt bekommen.

Nur die Gewalt und die geistige Auslegung ist anders.
Bei ritueller/ ritualisierter Gewalt in destruktiven Gruppierungen, hat man es mit einem globalen Angriff auf die Menschen zu tun. Sie werden auf allen Ebenen verletzt, die es gibt. Auf der körperlichen, sozialen, psychischen, ökonomischen und der spirituellen Ebene. (Etwas, das ein religiös fanatischer Partner übrigens auch kann! Üben wir doch gleich mal das Transponieren…)

Oft höre ich Zweifel darüber, wie „das denn alles möglich sein soll“, „wie „sowas“ denn unbemerkt bleiben kann, von Außenstehenden, der Polizei usw.“ oder auch das vielgebrachte Argument der Zweifler: „Es müsste zig Leichen geben…“.

Es ist einfach etwas monströs „Schlechtes“ zu tun oder völlig legal zu planen.
Achtung Transponierungsalarm: „Prism“, Wasserprivatisierung, gentechnisch verändertes Saatgut, Steueroasen, das Brechen des Willens von Menschen in geschlossenen Einrichtungen, sexuelle Misshandlung in Kirchen und anderen Einrichtungen… soll ich weiter machen?

Menschen suchen Erklärungen und nehmen nur allzu oft unhinterfragt alles an, was ihnen geboten wird, wenn es etwas ist, das für sie greifbar (transponierbar) ist.
Wenn ich Verletzungen hatte und von jemandem darauf angesprochen wurde, sagte ich etwas von Unfällen, von einer Prügelei oder Selbstverletzung. Die meisten Menschen, haben mir geglaubt und nie wieder nachgefragt.
Und die Menschen, die nachgefragt haben, haben es spätestens nach Kenntnis der Wahrheit bereut. Nicht, weil die Wahrheit so schrecklich war, sondern, weil ihnen klar wurde, wie sehr an ihnen gezweifelt werden würde, würden sie dies mit anderen Menschen teilen. Ihnen wurde klar, was für einen Aufwand sie betreiben müssen, um mit jemandem darüber zu sprechen, ohne wegen der Annahme meiner Geschichte belächelt, angezweifelt oder offen verhöhnt zu werden.

Dazu kam, dass ich selbst nur gegenüber jenen die Wahrheit sagte, von denen ich annahm, einen Schutz vor der Strafe, die ich von der Gruppierung zu erwarten hatte, erhalten zu können.
Ich gehörte jemandem, der mir ein Schweigen und den absoluten Gehorsam aufgezwungen hatte. So wie allen anderen Menschen, die involviert waren, auch.

Wer schweigt, sagt nichts. Wer schweigen muss, um am Leben zu bleiben, erst Recht.
Spuren zu verwischen ist nicht besonders schwer. Was bereits für nur wenige Menschen sichtbar ist, kann leicht auch gänzlich schwinden gemacht werden.
Das kennt doch jeder, der mal unbeobachtet Äpfel geklaut hat. Schnell aufessen und niemand wird je davon erfahren.

Ich verstehe, dass unfassbar schlimme Gewalt unfassbar im Sinne von unbegreiflich ist.
Und ich verstehe, dass die Folgen, die vor allem in den Überlebenden absolut subjektive Muster entstehen lassen, nie übertragbar sind. Eine Objektivierung dessen, wird immer etwas übrig lassen, was Zweifel aufgrund von Unvergleichlichkeit mit der eigenen Wahrnehmung stehen lässt.
Doch die Folgen im Betroffenen selbst gänzlich verstehen zu wollen ist nicht nötig, wenn man sich mit der Ursache befassen muss oder will.

Das ist mein Kritikpunkt.
Wenn eine Website dafür sorgen will, destruktive Kulte und Sekten zu erklären, dann reicht ein kurzer Hinweis auf die Folgen. Wenn eine Website über die Folgen allein aufklären will, ist es nicht förderlich über die Ursachen (in diesem Fall die explizite Darstellung der Gewalt) zu schreiben.
Das Eine bedingt das Andere, natürlich. (Und will man die Gesamtdynamik erklären, dann lohnt eine Darstellung beider Seiten) Doch das Eine ist vielfältig übertragbar- das Andere nicht.
Das Eine, hat das Potenzial einen weiteren Überlebenden (Betroffenen) zu produzieren. Stichwort: PTBS-Symptome bei HelferInnen von traumatisierten Menschen.
Das Andere könnte zum Tod des Überlebenden führen bzw. dafür sorgen, dass weitere Menschen in die Gruppierung eingebracht werden oder außerhalb dessen Gewalt erfahren.

HelferInnen oder auch Menschen, die mit der Betreuung von Menschen mit diesem Hintergrund, beauftragt sind, haben nicht die Pflicht, an den Hintergrund zu glauben. Sie müssen nicht davon überzeugt sein, all die Gewalt als „echt“ einzustufen.
Doch sie sind definitiv dazu verpflichtet, ihren Klienten mit allen Problemen, die ihm durch die Folgen der Gewalt entstanden sind, als „echt“ anzunehmen und sie zu unterstützen, diese zu lösen oder mit ihnen ein Leben zu führen, das sie mindestens nicht umbringt. Um dies „gut“ zu tun und schwerwiegende Fehler zu vermeiden, ist eine Kenntnis über den Hintergrund hilfreich- keine Frage. Aber das Leiden und die Probleme, liegen in den Schwierigkeiten der Überlebenden und stehen im Vordergrund.

Auch in der Hilfe kann man transponieren ohne Ende.
Es muss nicht heißen: „Oh wei, oh wei- ein Mensch mit DIS- der braucht eine Sonderbehandlung!“. Es reicht zu sagen: „Ein Mensch dem Gewalt angetan wurde/ der kein Vertrauen leichtfertig annimmt/ der noch immer Angst hat/ der Hilfe braucht, um in ein Leben ohne Gewalt zu finden.“.

Es ist völlig egal, welche Profession man hat. Es ist völlig egal, in welcher Funktion man sich für ihn einsetzt.
Das Wichtigste ist ihn anzunehmen, wie er ist. Ihn ernst zunehmen. Ihm beizustehen. Hilfe ist Begleitung in der Gegenwart. Ehrlich, offen, gewaltfrei, menschlich. Egal, wie nah oder fern. Egal, wie überzeugt man selbst ist von dem, was dem Klienten passiert ist.

Die besten Helferinnen, die mich begleitet haben, waren jene, die das getan haben und noch immer tun.
Manchen habe ich nie die Gewalt erzählt, manchen gegenüber erwähne ich „Überschriften“. Doch nur meiner Anwältin und meinen Therapeutinnen gegenüber, habe ich jemals wirklich erinnerte Gewaltserlebnisse geschildert.
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Sie alle aber waren und sind hilfreich, weil sie da sind. Weil sie mich mit allem Guten und Schlechten an und in mir ernstnehmen und mir ihre Hände reichen, wenn ich sie brauche.
Ich weiß nicht, wie viel sie glauben, woran sie zweifeln, was sie denken oder gedacht haben, als sie von meiner DIS und dem was sie verursacht hat erfuhren. Und das ist mir auch egal. Sie sind da- hier und heute- und das ist alles, was ich je gebraucht habe.

Und…
es ist so oft, so wahnsinnig viel mehr, als ich mir je zu wünschen erlaubt habe.

„Einstieg in die Freiheit“, statt „Ausstieg“

Es ist für uns gerade eine Zeit in der sich unser Fokus weitet und uns vielschichtig aufspreizt- vielleicht auch neu zerreißt? Wieder wird klar, warum wir uns hier nicht offiziell eingemeinden lassen können. Warum wir uns zu Recht noch nicht als „wirklich ausgestiegen“ betrachten können.

Wir leben schon viele Jahre nicht in mehr in physischer Abhängigkeit derer die uns pseudoreligiöse Werte vorlebten und sind auch nicht mehr in der Situation Gewalt und Ausbeutung aushalten zu müssen. Aber wir schleppen ein Erbe mit uns herum.
Sind innerlich noch längst nicht ganz ausgestiegen.

Vielleicht ist „Ausstieg“ auch nicht das, was wir wollen und schaffen möchten. Denn der Begriff des „Ausstiegs“ impliziert einen Standpunkt und einen Zeitpunkt des Einstiegs. Wir aber sind nie eingestiegen- wir wurden hineingeboren und aufgezogen mit diesen Werten und hatten zu keinem Zeitpunkt wirklich einen einzelnen Standpunkt. Es war schon immer so, dass es Innens gab, die sich gegen Unrecht und Gewalt eingesetzt haben- während andere Innens genau Unrecht und Gewalt er- und ge-lebt haben.

Es ist für uns wichtig geworden zu spüren, wie berechtigt der Wunsch ist keine Schmerzen und Demütigung aushalten zu müssen- doch es ist ein anderes Wertesystem. Eines, das nur deshalb als gut und richtig und wichtig geschätzt wird, weil es der Masse der Menschen als gut und richtig und wichtig vorgelebt wird.
Unabhängig davon, wie wir dieses Wertesystem bewerten liegt es an uns, uns dem hinzugeben oder eben auch nicht. Es hat etwas damit zu tun sich dafür zu öffnen und es in sich hineinzunehmen. Es hat etwas mit Anpassung zu tun- aber nicht mit tatsächlicher Freiheit.

Eine unserer ersten Diagnosen war „Anpassungsstörung“.
Kein Wunder- erlebten wir doch gerade einen Weltenchrash der an Parallelen kaum noch zu überbieten war.

Gab es vorher die „helle“ und die „dunkle“ Welt (beides gruselig, weil nie in Gänze erfass- einschätz- und erinnerbar), gab es dann plötzlich „drinnen“ und „draußen“ sowohl räumlich als auch direkt bei uns. Plötzlich waren wir minderwertiger Patient drinnen (der für sich behalten soll, was in ihm ist- aber trotzdem immer wieder gezwungen (ja wirklich- gezwungen!) wird, etwas von sich und seinen Gedanken, Normen und Werten zu erzählen) und draußen waren die, die wertvoll und frei waren (die Ärzte, Therapeuten, Pfleger, Besucher… die man alle nicht zwingen konnte, etwas von sich preiszugeben).

Diese Zeit war für uns ein schlimmer Fallstrick- ja- eigentlich sogar ein ganzes Fallstricknetz, so dass es uns nie wundert, weshalb viele der Betroffenen, die wir so kennengelernt haben im Lauf der Zeit keinen Ausstieg in dem Sinne schaffen, als dass sie in Freiheiten kommen, wenn sie immer wieder in psychiatrische Stationen müssen, die geschlossen sind. (Und dort oft von Helfern behandelt werden, die um ihren Kopf ein herrlich stabiles Holzhaus gebaut haben, auf das dort niemals etwas heraus oder herein kommt.)

Wenn man aus einem abgeschlossenen Sozialkonstrukt heraustritt und alle Handlungen und Tätigkeiten die in ihr als wertvoll und zwingend normal (im Sinne einer Norm) angesehen werden, steht man erst mal völlig allein da- es sei denn man hat sich andere Dinge bewahrt- und sei es die Fähigkeit seine Werte in einem Teil seines Selbst neu bilden zu können.

Ich habe oft den Eindruck, dass der Faktor der Anpassung an „die Gesellschaft“ (hier nicht näher definiert) der Anreiz für den Ausstieg sein soll oder auch die Anpassung den Ausdruck der eigenen Normen und Werte gegenüber anderen Menschen zu finden.
Als sei Freiheit etwas, das man nur erlangen kann, wenn man sich gut an „die Gesellschaft“ und „die Welt, wie sie außerhalb der Pseudoreligion nun mal ist“ angepasst hat und sie für sich nutzt.

Doch gerade jetzt denke ich, dass es nicht darum geht. Und auch nicht gehen sollte.
Der Wunsch nach Anpassung ist da- natürlich. Wir Menschen sind Individualisten mit Gruppenabhängigkeit- unsere Evolution war so nett uns dies als teilweise genetisch verankertes Markerchen mitzugeben. Doch das ist das, was uns frei macht: die Fähigkeit ganz wir selbst- ganz individuell zu sein.

Wir haben uns früher nie eingesperrt gefühlt- weder in der „hellen“ noch der „dunklen“ Welt. Es war einfach unsere Welt. Der große Katastrophenknall der Erkenntnis kam erst, als wir an einem der pseudoreligiösen Feiertage in unserer ersten eigenen Wohnung saßen und merkten, dass die Art der Wertschätzung des früheren Sozialkonstruktes uns auf eine Art verletzte, die dazu führte, dass uns jemand von außerhalb dessen vermittelte, was genau aus ihrer Sicht dort mit uns passierte.
Wir mochten diesen Menschen und fühlten uns ihm verpflichtet- das Gleiche galt aber auch für jene hinter bzw. in diesem uns verletzenden Sozialkonstrukt. Wir haben uns hin- und herziehen lassen, bis wir den Knall endlich rauslassen konnten und wir uns für eine radikale Zu-Nichts-Niemand-Nirgendwo-in-Gänze-Verpflichtung entschieden.

Für konsequente Nirgendwoanpassung sobald wir uns selbst dabei verloren.
Schwupp war der Druck raus, bekamen wir eine Ahnung von freiem Durchatmen und den Möglichkeiten der Denkrichtungen, zu der unser Gehirn als Ganzes in der Lage ist.
Und doch ist bei aller äußeren Freiheit noch das Gefängnis im Innen da.

Da gibt es nachwievor Innens die diesen Selbstbefreiungsrundumschlag nicht miterlebt haben. Die nachwievor in Teilen der früheren „hellen“, der „dunklen“ und auch der „drinnen“ Welt kleben. Sie sind das, was damals alle an uns ziehenden Seiten jeweils noch immer in der Hand halten.

Diese Innens haben keinen Standpunkt- sie können nicht „aussteigen“, weil sie nicht stehen.
Sie haben keine Basis und Trittbretter herbei zu schaffen, liegt an uns. Doch wo sollen wir sie hernehmen, wenn wir doch immer wieder feststellen, dass eine Anpassung- nicht eine Freiheitspraxis von uns erwartet wird?Eine Freiheitspraxis die auch unabhängig von unseren HelferInnen und all dem, das doch nur dafür da ist, uns zu helfen, passieren darf, ohne als unpassend oder sogar minderwertig zu gelten.

Es ist für uns sehr traurige Freiheitspraxis eben nicht eingemeindet zu sein und die Feiertage allein zu 212289_web_R_K_B_by_Ruth Rudolph_pixelio.deverbringen. Sehr anstrengende Freiheitspraxis dem Sog des Suiziddrang-zwangs zu widerstehen und so in Kauf zu nehmen in ein einem bestimmten Konstrukt eben dann als schlecht und und minderwertig zu gelten. Es ist traurige Freiheitspraxis zu wissen, dass die Menschen die uns umgeben (außer denen die das jetzt lesen und uns kennen) keine Wertschätzung dem gegenüber zeigen. Es ist beängstigend zu spüren, dass wir auch keine klinischen Hilfen mehr in Anspruch nehmen können, weil die Strukturen unnachgiebig und starr (und damit für uns kaum bis gar nicht nutzbar) sind- wir also nicht einmal mehr so frei in der Annahme von Hilfe sein können, wie wir uns da doch ursprünglich erkämpft haben.

Es ist außerordentlich schmerzhaft so frei zu sein, dass man fast haltlos ist.
Freiheit bedeutet auch Dinge nicht anzuerkennen und rebellisch und störrisch zu wirken. Anzuecken und zu hinterfragen. Unangepasst an „die Gesellschaft“ und doch Teil von ihr zu sein. Strukturen zu erfassen, ganz für sich abzuschätzen und zu versuchen sich an sich anzupassen- nicht sich selbst ihr anzupassen.

Ich komme mir vor als wandere ich durch die Wüste und sammle trockenes Holz. Trittbretter für jene Innens die keinen eigenen Standpunkt haben. Immer weiter und weiter- einfach weil wir als Einsmensch kein Sklave mehr sein wollen. Schritt für Schritt auf einer Reise, die aber nicht in einem heiligen Land enden wird.
Sondern in der persönlichen Freiheit.

 

Vielleicht sollte man es für alle so nennen: „Einstieg und Anpassung an Freiheit“.
Irgendwie macht mir meine Wortsynästhesie dieses Wortpaar passender für das was erreicht werden will, als die Wortgruppe „Ausstieg und Loslösung aus destruktiven Zusammenhängen“.

An Erstem sind kleine Rippel zum Festhalten dran.

 

P.S. Auch hier gibt es wieder ein offenes Ende- wir wirbeln immer noch herum und taumeln gerade eher ein bisschen hin und her und ergießen uns hier eher als wirklich fest und klar zu schreiben, worauf wir hinaus wollen. Gehört dazu denken wir- also kriegts einen Platz.

hidden track- hidden message- hidden thoughts

Phu!
Ich habs geschafft! Ich hab mir diesen viel besprochenen Song der Herren Naidoo und Savas angehört.

Ich sags schonmal vorweg: zu Gewalt fühle ich mich nicht aufgerufen!
Eigentlich hab ich nur den Eindruck mit dem Song vor eine Art von hilflos um sich schlagender Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit und… ja  unendlicher Trauer gestellt zu werden.
Was im weiteren Schritt auf mich auch ein Stück wie Gewalt wirkt.
Sagt es doch: “Hier! Guck! Aushalten! Zieh dir das rein! Wie schlimm das is und wie schlimm ich das find! Mir egal was du denkst. Mir egal, ob ich deine Grenzen damit niederwalz`-  ich will, dass du das jetzt checkst! BadaBÄÄÄM!”

Dass ich persönlich nen Klatsch weg habe, was diesen Punkt der Betroffenheit Aussenstehender über sexuelle Misshandlung, Ausbeutung und den Themenkreis der (pädo)kriminellen Machenschaften, die sich hinter dem Begriff des (satanisch/ okkulten/ sexualmagisch/ oder auch allgemein “kult-mäßig” aufgezogenen) rituellen Missbrauchs versteckt,  angeht, weiß ich und die meisten meiner Leser hier, werden das für sich auch schon gemerkt haben.
Ich kann mit solchen Gefühlen einfach wirklich nicht umgehen und suche entsprechend immer den sachlichen Weg der Auseinandersetzung mit dem Thema.
Gut, das ist mein Weg. Andere Betroffene (von (sexueller) Misshandlung), so wie Herr Naidoo, finden ihr Ventil offensichtlich in viel karikativer Tätigkeit, ihrer Musik und vielleicht eben auch in dieser Art Gegengewalt.

Ich bin ein Freund davon, wenn sich Personen des öffentlichen Lebens einsetzen und sich als Sprachrohr für viele Menschen anbieten. Das ist wirklich eine großartige Sache! Gerade beim Thema der sexuellen Misshandlung bzw der sexualisierten Gewalt spielen Scham und die große schlimme Sprachlosigkeit eine entscheidende Rolle.
Wie schön, wenn jemand seine Stimme und seine Kommunikationsfähigkeit für andere hergibt! Was für ein riesen Ding! Was für eine Hoffnung so etwas produzieren kann!

Wenn man sich offen hinstellt und spricht!

Eine Frage die sich mir stellt bei diesem “hidden Track”: Wieso wurde er versteckt? Es ging doch darum auf etwas aufmerksam zu machen- warum also eine dunkle Ecke auf der CD?
Wieso so ein Gleichnis?
Es (das große unbenannte ES) passiert in einer Nische- mitten drin- doch unentdeckt, wenn nicht durch Zufall oder Hören-sagen jemand davon erfährt.
Es sollte doch etwas verändert werden- Aufmerksamkeit auf etwas gelenkt werden! Wenn dem so ist, dann erwarte ich so einen Song mitten in der Playlist!

Es ging darum auf rituellen Missbrauch aufmerksam zu machen. Aha. Das Wort taucht gar nicht auf in dem Song. Warum nicht? Steht eine Definition im Booklet? Neben den Anlaufstellen für die Opfer die durch Song angetriggert werden und in die Dekompensation rutschen?

Das Thema des rituellen Missbrauchs ist wirklich ein Schweres und Komplexes!
Es ist zu groß für einen Song!
Und mir stellt sich ernsthaft die Frage, ob wir es hier mit einer Affektabfuhr (die sicherlich irgendwo gerechtfertigt und wichtig für die Küntler sein wird!)  zu tun haben oder, ob es um die ernsthafte Auseinandersetzung mit Gewalt, die täglich passiert und die nachwievor nur allzugern in den Bereich der (Opfer-)Fantasie geschubst wird, geht.

Die Art wie der Text von Perspektive zu Perspektive hopst, erinnert mich an unsere ersten Versuche erlebte Gewaltsituationen aufzuschreiben: Mal von aussen und direktiv an jemanden (aussen) gerichtet, mal von aussen und frei von Emotion, mal von oben drauf, mal ganz heraus und geistig weiter spinnend und mal auch mitten im Schmerz/ der Wut/ der Verachtung welche weder Ende noch Anfang im Aussen hat.
Für mich ist das normal- so setzt sich nicht nur mein Erinnern an erlebte Gewalt zusammen, sondern auch mein Alltagsempfinden- das ist nun einmal DIS. Entsprechend kann ich mir dieses Gestückel und Gespringe recht gut einordnen. Doch wenn ich mir ansehe wie Aussenstehende auf sowas- schon aus meinem ganz normalen Alltagskampf heraus, reagieren, nämlich: mit kompletten Unverständnis, Ratlosigkeit und Ungläubigkeit…ja.. hm was wundert mich dann eigentlich noch der Wirbel um den Song?

Es war ein mutiger Versuch!
Es ist eine große Sache, auch wenn die Massenmedien “das Ganze” schon wieder unter den von der Gesellschaft (mit)hochgehaltenen Teppich kehren wollen.
Mir zeigt es: das Thema/ die Sache/ “das große böse ES” erreicht manche Menschen und diese Menschen haben Gefühle dazu. Und diese Gefühle haben sie tranportiert.
Sie meinten es gut und wollten, dass viele andere Menschen Anteil nehmen- entweder an dem worüber sie “singen” oder an dem was der Inhalt mit den Künstlern macht.

Einzig die Art ist es, die mir aufstößt und mich fragen lässt, ob es nicht unterm Strich sogar sie sein wird, die uns Betroffenen dieser Form von Gewalt, nicht vielleicht doch sogar eher schadet.

Auf der Internetseite von Xavier Naidoo ist eine kleine “Stellungnahme” zu dem Song zu lesen. Wie so oft in dem Zusammenhang mit rituellem Missbrauch, mit einem Hinweis auf den Film “Höllenleben”. Auch diesen Film halte ich für ein Transportmittel von Wut und Trauer- nicht für ein aufklärendes, verständnisförderndes “Werk”. Jetzt wird sich der Film wieder zig mal angeguckt, ohne die Frau, um die es darin geht, daneben, um direkt Fragen und Eindrücke loszuwerden. Erklärt zu bekommen. Das Bild zu vervollständigen. Schon wieder!
Schade!

Schade um die Chance!
Schade darum, dass die Scherben wieder jene zusammenkehren, die eigentlich nicht die Kapazitäten dafür haben, neben ihrem Elend durch Betroffenheit auch noch um Glaubwürdigkeit und Verständnis zu kämpfen!