Überzeugt uns!- Uns?!

Ein junges frisches Sendungskonzept soll es sein- „die PolitikerInnen“ stellen sich den Fragen ihrer (jungen) WählerInnen im öffentlich rechtlichen Fernsehen, um sie von sich bzw. ihrer Partei zu überzeugen.
Am Ende steht „
Überzeugt uns!“.

Nun ja.
Grundsätzlich halte ich diese Idee für gut.
Schon
der Bürgerdialog, den Angela Merkel Anfang letzten Jahres startete, hatte eine alle Erwartungen übertreffende Resonanz zur Folge.
Ganz offensichtlich gibt es ein Interesse der Regierten, an der Art ihrer Vertretung. Ideen und Wünsche, die in die Politik getragen werden wollen und sollen.

Dem gegenüber steht eine niedrige Wahlbeteiligung.
Allgemeiner Tenor in der Presse: Politikmüdigkeit- vor allem bei den jungen Wahlberechtigen.
Gegenmittel der ARD: eine Sendung die gezielt JungwählerInnen anspricht.

„Sie wissen schon- diese jungen Leute die „fresh“, „tight“ und von diesem ominösen „SWAG“ sprechen“, so stelle ich es mir vor, wenn der Altherrensender ARD eine Sendung für junge Menschen konzipiert.
Es wird geduzt, wilde Schnittfolgen eingebracht, „Pop/Rock“-Musik eingespielt, Worte wie „verarscht“ in der Sendung gesagt, Twitter und Facebook eingebunden und diverse Showelemente eingebracht, wie zum Beispiel das Format „Speeddating“ in der die PolitikerInnen innerhalb von 15 Sekunden auf zum Teil sehr komplexe Fragen reagieren sollen.
Letzteres, meiner Meinung nach, ein Versuch der didaktischen Reduktion, die absolut unangebracht ist.

Doch kommen wir zur Sendung an sich.
Im Großen und Ganzen wurden die Themen: Arbeit und Mindestlohn, Rente und Zukunftsperspektive, Familie und Beruf sowie das Bündel rund um den Datenschutz im Internet aufgegriffen.

Ich möchte verdeutlichen, was die Sendung außen vor gelassen hat und mich (wie viele andere Menschen) weder von irgendetwas überzeugt noch überhaupt wirklich angesprochen hat.

Schon im ersten Teil geht es um einen jungen Mann der in Teilzeit arbeitet, obwohl er eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann.
Es geht nicht um eine Frau. Es geht nicht um einen Menschen ohne Berufsausbildung. Es geht nicht um einen Menschen mit Schwerbehinderung. Es geht nicht um einen Menschen mit Familie. Es geht nicht um einen Menschen der „ausländisch“ aussieht. Und es geht nicht um einen Menschen über 50. Es geht nicht um einen Menschen ohne familiären Rückhalt.

In der Diskussion wurde wieder das bequeme Ideal des minderbeschäftigten Menschen aus dem Niedriglohnsektor aufgegriffen und natürlich kamen dem entsprechende Phrasen aus der Politik, die genau die Menschen aus von mir als fehlend dargestellten Gruppen nicht ansprechen.

Da haben wir den Herrn Bahr (FDP) der dem jungen Mann rät, sich einfach woanders zu bewerben- oder die Branche zu wechseln „in die Pflege- da gibts sehr viele Vollzeitstellen und Ausbildungsplätze!“
Ja großartig Herr Bahr- der Mann hat bereits eine Berufsausbildung- was glauben Sie, verdient er Gutste denn so während der Ausbildung zum Kranken- oder Altenpfleger? Ist ihnen nicht aufgefallen, dass er dann noch weniger Geld zur Verfügung hat, als jetzt? Und, dass er selbst, wenn er dann in die Vollzeitbeschäftigung in diesem Bereich wechselt, so ziemlich genau die gleiche Summe am Ende des Monats auf dem Konto hat, wie jetzt- vor allem wenn er kein Mann- sondern eine Frau wäre?
(Die Tatsache, dass weibliche Menschen bis heute noch bis zu 22% weniger als männliche Menschen verdienen, brachte Frau Roth an, was mir gefiel.)

Mal abgesehen von der Eignung- vielleicht hat der Mensch einen schwachen Rücken, ist seelisch nicht belastbar genug, um sich mit alten und kranken Menschen auseinanderzusetzen. Vielleicht hat der Mensch bereits alle Hände voll damit zu tun, neben dem Beruf seine alten und kranken Verwandten zu pflegen, weil deren Rente eine Unterbringung im hochwertigen Pflegeheim nicht hergibt? Vielleicht hat er aber auch einfach keinen Bock auf einen Job, bei dem er sich mit 2 Aushilfen und einer Teilzeitkraft um eine ganze Station zu kümmern hat, bei der menschliche Zuwendung und seinen eigenen Körper schonende Arbeitsweise viel zu kurz kommen.
Vielleicht möchte er sich nicht ausbeuten lassen, nur um in Vollzeit arbeiten zu können.

Der Mindestlohn von 10€ für alle Sparten erschien mir lediglich von Gregor Gysi (die Linke) plausibel dargestellt. Obwohl auch die SPD Politikerin Schwesig schlüssig argumentierte, wobei ihre Forderung nach 8,50€ in Anbetracht der aktuellen Inflation bereits weniger stark erschien.

Nur eine Person aus dem Kreis der PolitikerInnen nahm überhaupt den Begriff der „Würde“ im Zusammenhang mit Arbeit in den Mund und das war Claudia Roth von den Grünen.

Ich fühlte mich gar nicht erst angesprochen von dem ganzen Thema, denn schon in den Grundlagen dafür bin ich ausgegrenzt und – obwohl es sich irgendwie falsch für mich anhört: diskriminiert. Der Zugang zu Berufsausbildungen in vielen Bereichen schließt Menschen mit Schwerbehinderungen oder eben auch weiblichen Geschlechtes aus. Da kann auch eine Frau Aigner mit ihrer Forderung nach einer besseren Mischung aus männlichen und weiblichen Menschen in allen Berufen kommen- das ist dem Großteil der handwerklichen Ausbildern egal und auch eine gesetzliche Vorschrift wird daran, so zumindest meine persönliche Einschätzung, nichts ändern.

Bei meinem letzten Praktikum, war ich die Beste. Aber auch die einzige Frau, die Einzige mit grünem Zettel und die Älteste. Darauf wird geachtet, weil darauf geachtet werden muss. Kaum ein kleinerer Betrieb kann sich Ausfälle oder größere Problemstellungen und Anpassungen daran leisten. Und die Größeren dürfen sich von dieser, meiner Meinung nach, sozialen Verantwortung auch Menschen mit Schwerbehinderungen einzustellen oder auszubilden, freikaufen oder in Werkstätten abschieben, wo zu empörend niedrigen Löhnen gearbeitet wird, ohne Aufstiegschancen in besser bezahlte Arbeitsverhältnisse.

Ebenfalls ausgelassen (und auch wieder nur von Frau Roth kurz eingebracht) sind junge Menschen ohne Schulabschluss. Arbeit für Menschen mit nichtdeutschem Pass, aber Hauptwohn- und Lebenssitz in Deutschland, kam überhaupt nicht vor.

Dann kam der Themenpunkt „Rente und Zukunftsperspektive im Hinblick auf den demographischen Wandel“.
Herr Bahr appellierte daran zu sparen. Privat natürlich.Das hat er ja auch gemacht. Damals… als es noch die Mark gab. Damals… als er noch Banker war. Damals… als er als nicht diskriminierter, gesunder, junger Mann in Lohn und Brot stand. Da hat er immer 20 Mark an die Seite gelegt. Das sollen sie jungen Menschen mal auch machen.
Auch hier sprach Gregor Gysi für einen großen Teil der deutschen Bevölkerung. Sparen kann man nur, wenn das Leben nicht bereits aus dem Sparen, etwa für Lebensmittel und Gesundheitsleistungen, besteht.

So wie mein Leben etwa. Wer Grundsicherung erhält, erhält Geld um seine Grundversorgung zu sichern. Für Extras und Kürschnörkel, wie eine frühzeitige private Rentenversicherung oder auch Lebensversicherung ist da schlicht kein Platz.
Wer noch nie gearbeitet hat- nie in die Arbeit hinein kommt, der hat sein Leben lang Angst vor einem kaputten Haushaltsgerät oder sogar einer Erkältung oder sonstigen Krankheit, die eine (Zu) Zahlung zur medikamentösen Therapie erfordert- da ist die Angst vor dem Alter nichts was abwendbar erscheint.

Wie eng die Arbeitsverhältnisse, und auch die Befähigung zur Arbeit, mit der Rente und eben auch dem demographischen Wandel zusammenhängt wurde mir da sehr deutlich. Und das lag sicher nicht nur an dem Kloß im Hals, der sich ausbreitete, als ich den PolitikerInnen dort im Fernsehen zusah.
Für mich persönlich klang das alles sehr nach: „Wer nichts macht/ nichts kann- der kriegt auch nichts. Weder um etwas zu machen, noch um etwas zu können.“.

Die Grundsicherung von überhaupt irgendeiner Arbeit für alle Menschen ist irgendwo auf dieser Argumentationsachterbahn liegen geblieben.
Schade. Genau das hätte mich und Menschen in meiner Situation angesprochen.

Der vorletzte Teil bezog sich auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dargestellt wurde eine Mutter, Vater, 2 Kinder- Familie. Weiß, sicher passdeutsch, beide im Beruf, sich akribisch auf die Stunde genau anpassen müssend auf Kindergartenöffnungszeiten und Schichtdienst.

Das ist schlimm- kein Thema.
Aber wäre es zu viel verlangt gewesen, ein alleinerziehendes Elter darzustellen, das genau den gleichen Kampf zu führen hat? Oder eine Familie in der ein Elternteil arbeitet und das andere nach der Elternzeit nicht wieder zurück in den Job kann und von Jobcentermaßnahme zu Jobcentermaßnahme tingelt und genau den gleichen Zampano mit den KiTa-Öffnungszeiten hat?

Auch hier wieder kein richtiger Anknüpfungspunkt für mich. Ich werde erst gar keine Elternschaft für mich planen, so lange ich keinen festen Job habe, der mich ernährt und das Potenzial hat noch einen kleinen Menschen mit zu ernähren und zu sichern. Immerhin erwähnte auch dies Herr Gysi und auch Frau Schwesig holte die das Betreuungsgeld hochlobende Frau Aigner auf den Boden der Tatsachen, in dem sie anmerkte, dass auch 100€ Betreuungsgeld nicht für die Bezahlung einer privaten Tagesmutter ausreicht.
Die sollte wohl auch in Teilzeit und zum Niedrigstlohn arbeiten, hm Herr Bahr? Frau Aigner? Herr Steinmaier? Dann würden 100€ wohl ausreichen?

Es wurde nicht zum Thema gemacht, dass sich auch die ArbeitgeberInnen anpassen müssen. Das war zum Beispiel eine Wortmeldung im Bürgerdialog, in der eine Frau schilderte, wie schwer es ihr von ihrem Arbeitgeber gemacht wird, nach der Elternzeit zurück zu kommen, weil sie durch die Kinder eben nicht mehr so flexibel ist, wie gefordert. Da kam die Politik mit dem Betreuungsgeld- kurzsichtig und unzureichend, wie man es nun bemerkt.

Soweit ich es mitbekommen habe, haben die ArbeitgeberInnen weder Auflagen dazu noch evtl. unterstützende finanzielle Möglichkeiten angeboten bekommen, die eine Veränderung dieser Stelle möglich machen. Etwa in Richtung Betriebskindergärten oder Schichtpläne, die mit den Kindergärten der ArbeitnehmerInnen zusammenpassen. Oder eben auch die selbstverständliche Weiterbeschäftigung nach Elternzeit oder anderen Unterbrechungen, wie längeren Ausfällen nach einer Krankheit. Es ist nachwievor möglich einen fadenscheinigen Kündigungsgrund anzugeben, der nicht anfechtbar ist.
Auch hier gibt es wieder jede Menge Freiraum, um sich vor sozialer Verantwortung zu drücken. Völlig legal und als weniger schlimm darstellbar durch die Einführung eines Betreuungsgeldes und der Möglichkeit die Pflege als Fachkräfte- bedürftigen Bereich hochzuhalten.

Aber nun zum letzten Themenpunkt, in dem sich der inoffizielle Twitterminister in meinem Augen absolut lächerlich machte.
Datenschutz. Prism. Facebook. Die Amerikaner, die unsere Daten auffangen und damit machen, was sie wollen.
Keiner wills gewusst haben. Herr Bahr hätte sich das nicht mal vorstellen können.
Aber „frei“ sei das Internet und so solle es bleiben.

Ich frage mich ja, in welchem Internet sich Herr Steinmaier so aufhält, denn da würde ich auch gern hin. So frei!
In meinem Internet ist nichts frei. Kostenlos zur Verfügung gestellt, ja- aber frei von Fremdbestimmung, nein.

Ich nutze im Internet verschiedene Dienste. Und sobald ich das tue, stimme ich sämtlichen Nutzungsbedingungen zu. Auch denen, die mir eigentlich nicht gefallen. Das hat etwas mit der Auswahl, den Zugangsmöglichkeiten und auch meinen Fähigkeiten zu tun.
Ich kann mir keinen eigenen Chat programmieren- also nutze ich Skype.
Ich kann mir keinen privaten Hochleistungsserver in den Keller stellen und dort meine Homepage oder Emailaccount einrichten- viel zu teuer und auch wieder eine Frage der Fähigkeiten- also nutze ich das, was sich als praktikabel und kostenlos darbietet. Und bezahle wieder mit meinen Daten.

Wer das Internet als frei bezeichnet, der vergisst, dass die Währung unserer Zeit „Information“ lautet. Gerade im Internet.
So betrachtet, tauchen sowohl Prism, als auch Tempora und Anbietermogule wie Google und Yahoo als Geldeintreiber auf. Völlig gerechtfertigt durch unsere Zustimmung und abhängig von den Gesetzen der Länder in denen die Server der Anbieter stehen.
Das worüber wir uns gerade aufregen, ist die Verwendung dieser Daten- nämlich gegen uns und das Grundrecht der Menschen dieses Landes. Wir haben ein Recht auf Privatsphäre- deshalb richten wir unsere Emails, SMS und Telefonanrufe an eine/n EmpfängerIn und nicht öffentlich zugänglich bei Facebook und Konsorten.

Die Verquickung dieser Anbieter und ihrer Dienste damit wurde leider nicht thematisiert.
Herr Steinmaier verlor sich sogar in der steilen These, die Justiz sei unabhängig, worüber ich im Hinblick darauf, dass kein Mensch (auch wenn er das nicht glaubt- die Justiz wird von Menschen gemacht) jemals unabhängig ist, wirklich nur sehr hart lachen kann.
Frau Roth hat es sehr drastisch formuliert und doch hat sie meine Zustimmung, wenn sie von einer Kernschmelze unserer Rechte spricht.

KernSCHMELZE- ja das Internet verschmilzt mit uns. Es verbindet viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Täglich werden wir Zeuge vom Leben anderer Menschen, sobald wir die gleichen Plattformen verwenden. Jeden Tag haben wir die Möglichkeit uns zusammen zu tun um Gutes, aber auch Schlechtes zu tun.
So wir denn einen Internetzugang und keine körperliche oder geistige Einschränkung haben, die uns daran hindert.

Das ist Internet ist kein Neuland- aber die Möglichkeiten einander zu schaden sind neu.
Darauf zu reagieren hat unsere Bundesregierung bis heute verpennt. Da waren andere schneller und umfassender und jetzt ist das Geschrei groß.

Ich will nicht verteidigen, dass wir ausspioniert werden. Auf keinen Fall- aber ich will es als so logische Folge betrachten, wie sie derzeit ist und was in der Sendung auch nur Gregor Gysi mit einem relevanten Lösungseinschub anmerkte.

Die Sendung an sich wird kaum einen 18 jährigen Erstwähler angesprochen haben- nicht einmal beim Thema „Internet und Datenschutz“. Da lehne ich mich jetzt vielleicht weit aus dem Fenster. Ich bin ja selbst schon über 25 und habe kaum eine Vorstellung davon, was diese jungen Menschen bewegt.
Was ich aber sehe ist, dass ein FreshTorge bei YouTube mehr (junge) AbonnentInnen hat, als diverse PolitikerInnen bei Twitter und Facebook.
Was ich weiß ist, dass viele junge Erwachsene, die sich gerade in einer Ausbildung befinden, nicht mehr mitten in der Woche um 22.30 Uhr ausgerechnet bei der ARD reinschalten, sondern entweder im Bett liegen oder sich eher seichte Inhalte zur Unterhaltung ansehen, statt sich komplexen sowohl angsteinflößenden wie wütend machenden Themen, die in einer platt herunter gebrochenen Diskussion auftauchen, zu widmen.

Was mich außerdem an der Sendung störte, ist die Doppelbelegung der CDU.
Bei der Wahl ist es nicht möglich sich zwischen CDU und CSU zu entscheiden. Sehr wohl aber sind auch noch andere Parteien wählbar, die überhaupt keinen Platz bekamen, obwohl auch sie zur Bundestagswahl antreten.
Das empfinde ich als eingeschränkte Darstellung aller Möglichkeiten, die die WählerInnen haben.
So betrachte ich die Sendung mit dem Abschluss, das nur bestimmte Parteien überhaupt in Betracht kommen sollen für junge Menschen und sich von diesen jungen Menschen auch nur Bestimmte angesprochen fühlen sollten.

Das ist nicht das „uns“ das angesprochen wurde. Und das ist auch nicht das, wovon viele (alle) Menschen überzeugt werden möchten.

Die Wahlen sind „frei“- das Wort in Anführungsstrichen, weil nicht alle Regierten über ihre Regierung wählen dürfen, was nicht mit meinem Verständnis von Demokratie d’accord geht- so sollte auch die Darstellung frei sein.

Also ARD- für einen ersten Versuch geht das gerade mal noch so durch.
Beim nächsten Mal (ich hoffe es gibt ein zweites Mal, denn die Idee an sich, halte ich für gut): mehr Diversität auf allen Ebenen, respektvolle Augenhöhe, eine Sendezeit zu der mehr Menschen wach und aufnahmebereit sind und bitte- so peinliche Sachen wie den Jugendsprachecheck oder Speeddating raus.

Die ErstwählerInnen sind jung- nicht dumm.

Werbung- eine Form von Gewalt

Einmal hatten wir fast „die Gluthitze“ dieses Jahr, doch nun knabbern die Nächte wieder mehr vom Tag weg. So langsam gleiten wir in den Spätsommer.
Nichtsdestotrotz finden sich hier und da noch immer die Urlaubsfotos von der scharfen Heidi Klum, der knackigen Gwen Stefani, den süßen Engeln von Victorias Secret und nicht zu vergessen dem unglaublich heißen David Beckham. Ein ganzes Menü!

Zum Fressen gern hat man sie- obwohl sie selbst von gefrosteten Weintrauben und Proteinshakes zu leben scheinen, um wie gewachste Früchte im Sortiment des Luxusbiokaufshauses von Klatsch und Tratsch zu erscheinen.
Ein Schelm, wer hier an Rotkäppchen und den großen bösen Wolf denkt; sich fragend, wie viel Nährwert diese Körper-Bilder wohl haben und wo diese ansetzen.

Irgendwann hatte ich mal getwittert, dass mir Unterwäschemodels sehr leid tun, weil sie immer „heiße Wäsche“ tragen müssen. Das müsse doch weh tun.
Sieht man die Hitze? Nö- was man sieht sind BHs, Schlüpfer, schwingende Babydolls und tief sitzende Boxershorts, die sich, vor allem im Sommer, wie Briefmarken auf Menschenfleischpaketen ausmachen.

Nein, ich will nicht darauf hinaus, dass zu wenig Natürlichkeit, zu wenig Speck, zu viele weiße* Menschenkörper, viel zu viel Sex(ualität) durch die Presse und Werbung wandert.
Mir ist die Sprache aufgefallen und es beschäftigt mich, dass viele Adjektive eine Nähe zu Nahrung oder Körperempfindungen haben, gerade wenn es um vermarktete Menschenkörper geht.

Vielleicht sind diese Worte wie eine Potenzpille eingesetzt?

Vor ein paar Jahren gab es Jogginghosen (für Frauen*) die über dem Po „juicy“ also „saftig“ stehen hatten.
Ein saftiger Po- in den Geschmacksrichtungen „Apfel“ oder „Birne“?
Oder nicht vielleicht doch eher saftig, wie die Konsistenz des Speichels der dem Betrachter aus dem Mund tropft?
Was genau meint die Bildunterschrift: „Ambrosio in heißem Bikini“ ? Warum ist der heiß?
Weil die Ohrfeige heiß brennen würde, würde mensch einfach zupacken? Oder, weil es heiß in der Unterhose wird?
Wo genau landet das „scharf“, das in fast jeder Fotostrecke von extrem unangezogenen Menschen auftaucht, bei uns?
Das scharfe Einatmen um seine Erregung zu unterdrücken oder die Würze im faden Alltagseindrucksbrei?

Wir Menschen essen um zu leben. Und leben um neues Leben zu produzieren. Oder eben nicht. Jede/r nach seinen Möglichkeiten oder Wünschen.

Sex ist eine Trieb-feder. Logisch also, dass die Werbung zu Sex-ismus greift.
Es geht um die Fortpflanzung, Lust, große Gefühle, also guckt mensch hin. Ich glaube, unsere Gehirne sind da alle mehr oder weniger gleich.
Doch ist es nötig?
Wer rennt mit einer Erektion in der Hose
zur nächsten Autoschrottpresse, zum Duschgel kaufen oder ruft gleich erst mal bei dem Aboservice einer Zeitung an?
Was passiert, wenn sich immer mehr Druck aufbaut, weil von allen Seiten starke Reize auf einen Menschen einwirken? Richtig- es gibt Stress und die Notwendigkeit zur Kompensation- vielleicht in Form von „Einkaufen“? Wenn schon nicht die beworbenen Güter, so doch Mittel und Möglichkeiten, diesem Körper- und/ oder Rollenbild zu entsprechen.

Stress ist ein Katalysator für viele physische Prozesse, bis in unsere Gene hinein.
Ja, unsere Gene. Die Dinger, die mittels Sexualität weitergegeben werden, wenn wir uns fortpflanzen.
Sind wir gestresst, werden Gene mittels Neurotransmittern an- oder abgeschaltet. Sind wir chronisch gestresst hat dies direkte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Sowohl physisch als auch psychisch.

Als Mittel dagegen werden aber nicht etwa: „Fernseher aus und Reizüberflutung meiden“, sondern wiederholt „Tu dir mal was Gutes- geh ins Kino oder shoppen- oder mach mal Urlaub, wie die sexy Klum“ angepriesen.
Introjektion und Selbstbesinnung könnte dazu führen, dass mensch das, was mensch als „sexy“, „knackig“, „heiß“, „süß“ – eben essbar (im Sinne von „konsumierbar“) dargestellt bekommt, enttarnt und ergo nicht mehr als passender Rezipient zur Verfügung steht.
Wer sich seiner (sexuellen) Präferenzen bewusst ist und nicht auf diese Art der Bebilderung anspringt, der muss eben über die Sprache noch dran glauben.
So werden Adjektive, die physische Empfindungen implizieren, zur Potenzpille. Vielleicht wie eine Art Zwangsviagra, das jede/r zu schlucken hat und mehr oder weniger stark darauf reagiert.

Die Einen mit (vielleicht nicht einmal bewusster) sexueller, die Anderen mit emotionaler Erregung. In diesem Bild wäre also die Kritik an sexistischer Werbung eine Art Nebenwirkung einer Zwangsmedikation.

In jedem Fall kann von „aggressiver Werbung“ gesprochen werden und das nicht nur wenn selbige sexistisch ist. An dieser Stelle beginnt Kapitalismuskritik, als Kritik an einer Form von Gewalt.
Neulich sah ich ein Plakat mit der Aufschrift: „Außenwerbung trifft.“.
Ich konnte, vor allem nach den sexistischen und auch
rassistischen Komplettangriffen der letzten Zeit, nur noch denken: „Oja- und wie sie trifft!“.

116203_web_R_by_Jörg Klemme, Hamburg_pixelio.deFür mich persönlich ist jede Werbung, die sich in Bild und Ton präsentiert schon zu viel.
Durch den toxischen Stress dem ich früher ausgesetzt war, haben sich jede Menge auch biologische Anpassungen entwickelt. Toxischer Stress ist „normal“, wenn man ein Trauma erlebt- erlebt man viele und hat ständig damit zu rechnen, erneut eines zu erleben, passt sich der Körper an.

Auch hier wieder der Bogen zu den Genen: Erleben Menschen Stress, wird eine von Genen gesteuerte Produktion von Stoffen angeregt, die neben den bekannten Fight-Flight-Freeze Optionen, auch Nervenzellen im Gehirn- genauer gesagt, dem Hippocampus, abtöten können. So erklärt sich auch der Masseverlust dieses Hirnbereiches bei Menschen, die als Kinder durchgehend miss-be-handelt und entsprechend traumatisiert wurden.

Um Reize aufnehmen und verarbeiten zu können, wird das Gehirn gebraucht. Und zwar möglichst funktional.
So ist, denke ich, meine Annahme, dass Werbung, in Form von immer aggressiverer Bildermast und Zwangsviagra in der Sprache dazu, eine Gewaltform ist.
Sie wird uns Menschen aufgedrückt und, weil sie uns nach und nach dabei das Gehirn kaputt macht, muss sie immer krasser werden, um überhaupt noch etwas in uns zu bewegen. Es ist ein Mittel, das erst über Nervenzellenleichen und dann über an chronischen Krankheiten gestorbenen Menschen steigt, um zu verkaufen. Stress im Übermaß beeinflusst auch das Immunsystem und entsprechend den Umgang selbigens mit Erkrankungen und sogar Zellwachstum- genau das macht das „Burn-Out-Syndrom“ übrigens auch tatsächlich zu einer realen Erkrankung und positive
soziale Pflege im Krankheitsfall so erfolgreich.

Ich schaue seit 5 Jahren kein Fernsehen mehr und selbst Filme und Serien nur in Maßen (heißt ein- zwei Sendungen am Tag á maximal 45 Minuten). Ich versuche mich der Werbung zu entziehen und habe dabei nur noch Erfolg, wenn ich entweder auf das Internet und den Gang vor die Tür verzichte.
Fällt es auf? Das ist ein „Häschen in der Grube“-Verhalten. Verstecken um geschützt zu sein, weil weg zu laufen keinen Zweck hat.

Das empfinde ich als Haft aus Schutzgründen.
Muss das sein?

Ich denke nicht.
Ich kaufe im Supermarkt, in der Drogerie oder im Bekleidungsgeschäft auch Güter, die nicht beworben sind. Da orientiere ich mich an dem, was sich mir direkt darbietet, was ich mir leisten kann und sich als passend herausstellt. Und das mache ich ganz freiwillig und einfach um mein Leben zu sichern.

Insofern könnte ein Punkt zur Veränderung vielleicht sein, klar zu machen, dass man in jedem Fall kauft- solange das Produkt gut ist und jede Werbung eine Überzeugungsgewaltanwendung darstellt.

So als erste Idee…

was wäre wenn…?

Der Bildschirm erhellt ihre Front.
Sie hockt auf dem Boden des Schlafzimmers und drückt mir ihren gekrümmten Stachelrückenpanzer in die Brust. Die Luft um uns herum flirrt von ihrer Konzentration.
Der Film ist zu Ende und sie greift nach dem Notizblock neben sich. Eine Strichliste, eine Spalte für Kommentare, eine Spalte für den Titel. Für etwas, dass sich so ergeben hat.

Sie fetzt ihre steilen Buchstaben aufs Papier.206550_original_R_by_Sigrid Harig_pixelio.de
„Geht es dir gut?“
– „Nein.“. Sie drückt mir ihren Stachelrücken tiefer in die Brust, bis ich die ersten Spitzen brechen fühle.
„Kannst du mich ansehen?“
– „Nein.“, sie schüttelt den Kopf kaum spürbar.
„Kannst du deine Augen zu lassen und dich umdrehen?“
– „Hast du Augen?“, sie spricht durch sich hindurch. Lässt ihre Worte, wie Wellen durch ihr Sein gleiten und an mir zur Gischt werden.
„Ja.“. Ich beuge mich etwas vor und lasse sie meine Wimpern an ihrer Wange spüren, als ich sie schließe.

Stachel für Stachel schiebt sich aus meinem Gefieder und lässt die aufgespießten kleinen Herzen frei, als sie sich langsam umdreht. Ein Schmerz perlt in silbrigen Tropfen an mir herunter und vermischt sich mit den Tränen der jungen Frau vor mir.
„Sie stellen nie Fragen. Die ganzen Wunder um sie herum… sie wundern sich gar nicht. Wieso fragen sie nichts?“.
Ich weite mich und versuche sie vorsichtig zwischen meine Federn einzuladen. Doch sie bleibt, wo sie ist, den Kopf an mich gelehnt. Die Beine angezogen, den Bauch fest an die Oberschenkel gedrückt, die Hände zu Fäusten unterm Kinn geballt.
„Das weiß ich nicht mein Herz. Es ist Fernsehen. Vielleicht soll man sich wundern, wenn man es tut?“.

– „Es ist so eine fremdbekannte Welt. Hast du gesehen? Da muss doch… „. Sie verstummt.
„Was man dort sieht, ist nicht echt. Alles was gesprochen und gezeigt wird, hat sich jemand ausgedacht. Das ist ein Puppentheater, weißt du? Eine Geschichte. Die Menschen da sagen nicht, was sie denken. Das ist, als wenn ich die Geschichte von „Was wäre wenn…“ erzähle. Alles gesponnen und ausgedacht. Dann gilt nichts mehr von dem, was wir kennen. Nicht mal, dass man im Weltall nicht atmen kann. Das ist dann so, weil ich es  mir ausgedacht hab. Weil ich das so will. Ich glaube mit dem Fernsehen ist es fast gleich.“. Überall in meinen Federkleid kribbelt es. Ich spreche nicht nur zu einem Herzen. Wer weiß, wen ich gerade alles sehen könnte, hätte ich meine Augen offen.

– „Aber manches ist genau so, wie bei manchen anderen Menschen im echten Leben. Und sie wundern sich auch nie. Sie wundern sich, wenn ich mich wundere, dass sie sich nicht wundern. Sie merken das gar nicht. Fragen nicht. Ich dachte, dass ist so, weil sie es nicht angucken können wie ich. Aber im Fernsehen sind die Wunder auch und eigentlich… dann könnten sie das doch sehen. Und die Figuren könnten doch darüber reden… irgendeiner könnte doch darüber reden… Wenn es eine „Was wäre wenn..“- Geschichte ist, dann könnten es doch auch ganz viele tun. Nicht so wie im echten Leben. So wie in einer „Was wäre wenn sie sich wundern würden?“- Geschichte.“.

„Schätzelein, dann wärs nicht mehr Fernsehen.“. Ich spüre seinen Ellenbogen in meiner Halsbeuge.
„Ich glaub, das gibts nur damit man nicht dran denkt sich zu wundern und fragen. Guck mal, was da alles serviert wird. Da gibts nichts mit Denken und Überlegen. Das läuft alles wie am Schnürchen. Einmal alles was man kennt mit einer Prise, wie mans gerne hätte, durch den Häcksler, paniert mit einer Kruste aus Anspruch und zack in einer 25-45 Minuten Portion ins Wohnzimmer. Geistiges Mc Donalds- haha- Wirste auch arm von aber nich satt.“. Sein Lachen klingt bitter. „Weißt doch wie das ist im echten Leben- das Fernsehen wird vom echten Leben gemacht. Man soll denken, es wäre wahnsinnig gleich, damit das, was man so macht, wenn die Glotze aus ist. nicht weiter wundernswert ist. Tote Köpfe lassen sich besser stapeln, als welche die rumzappeln.“. Er stößt sich ab, murmelt noch irgendwas und zündet sich eine Zigarette an.

„N.?“. Plötzlich spüre ich ihrem Atmen warm auf meiner Haut. „Ja, mein Herz?“
„Erzähl mir eine „Was wäre wenn, sie sich alle fragen würden, wo die Wunder herkommen“- Geschichte.“.
Sachte fühle ich, wie ihre Wimpern an meinen Federn entlang gleiten.

„Ich bin nicht die Anderen- aber ich bin nicht anders, als die Anderen.“

Wiederholtes Plingkonzert, gestern Nachmittag.

Ich schrieb über Twitter mit einer Leserin des Blogs, die mir schrieb, dass sie sich mit Kommentaren bei persönlichen Einträgen zurückhält, weil sie nicht durch das Erzählen eigener Erfahrungen vermitteln möchte: „Hey, ich kenne das auch alles- aber irgendwie doch nicht so, nur anders- aber es ist irgendwie so gleich und …“.

Ich finde es immer schön, wenn jemand hier kommentiert und gerade auch, wenn jemand seine eigenen Erfahrungen und Empfindungen teilt bzw. das für sich so kann und möchte.

In dem Reiter „über dieses Blog“ steht ein wichtiger Satz drin, der mir zu Beginn den Anreiz für das Blog gab.
„Das Leben mit DIS wird meiner Meinung nach von den (Massen)Medien unnötig aufgehyped, verzerrt und gleichsam falsch, wie fast alle Themen rund um (die Gesichter, die Folgen und Ursachen von) Gewalt, aufgenommen.“
Ich hatte damals vernünftige Literatur und Medien gesucht, um jemandem in meiner Umgebung meine Wahrnehmung und Schwierigkeiten darzustellen. Außer Sachbücher konnte ich ihm nichts geben und selbst bei der Auswahl musste ich noch viele Abstriche machen.

Gab man damals „multiple Persönlichkeit“ bei Google ein, landete man bei „Höllenleben“, medizinischem Kauderwelsch, reißerischen Zeitungsartikeln und Links zu Foren, die nicht öffentlich lesbar sind.
Das Bild, das sich ergab, war einfach nicht das, was ich vermitteln wollte: Die Fachwelt streitet und zweifelt (was damals schon nicht mehr ganz stimmte!), die Presse sucht die Story und die Betroffenen verschanzen sich aus Angst um Leib und Leben „müssen sie ja auch, kommen ja alle aus einem Kult“ (O-Ton des Menschen damals).

Heute ist die „dissoziative Identitätsstörung“ als komplexe Traumafolgestörung bekannt und sowohl im DSM 5 als auch im ICD 10 anerkannt. (Im Gegensatz zu so opferverhöhnender Bedeckmantelei, wie das „False Memory-Syndrome“). Heißt: Wenn einem heute ein Arzt sagt, so etwas wie multiple Persönlichkeiten gäbe es nicht, kann Mensch davon ausgehen, dass es sich um einen Arzt handelt, der nicht fortgebildet ist oder ein Interesse daran hat, Gewalt und seine Folgen zu negieren.

Die Presse und auch das Fernsehen, wird allzu oft dafür bezahlt, eine Story zu liefern. Wichtig ist, was gesehen wird- nicht das, was gehört und an Informationen aufgenommen wird. Gesucht wird die Andersartigkeit- nicht die Gleichheit. So begegnete mir auch schon die Aussage, für mehr Authentizität, sei es notwendig Aufnahmen vom Betroffenen an Tatorten zu zeigen.
Die Irre daran wird leider oft übersehen.
Wenn man einen Film über DIS macht, macht man einen Film über die Gegenwart. Filmt man den Betroffenen an Orten, an denen er in der Vergangenheit gequält wurde, provoziert man beim Zuschauer die Notwendigkeit, sich diese Qualen vorzustellen in dem er sich den Betroffenen als Kind vorstellt und den leeren vermodernden Keller in möbliert und mit Tapete an den Wänden. So entsteht ein anderes Bild, als die Wirklichkeit. Es ist ergo nicht kongruent mit dem, was der betroffene Mensch tatsächlich erlebt hat.
Außerdem gibt es den Effekt, dass nicht das Leben mit den Folgen davon im Kopf bleibt, sondern das Grauen allein. Das ist total basal- wir alle wissen, dass uns negative Dinge eher im Gedächtnis bleiben, als neutrale oder positive.

Doch wenn ein Film starke Gefühle erzeugt, die „hängen bleiben“, gilt er als gut. Egal, ob das, was gezeigt wird stimmt (grausamer oder weniger grausam, als im Kopf des Zuschauers entstanden). Umso schlimmer  finde ich es, wenn ich von einer „packenden Dokumentation über eine multiple Persönlichkeit“ höre. Eine Dokumentation bildet ab- sie ist in der Regel sachlich und informativ- nicht „packend“.
Eine Reportage hingegen, hat einen anderen Rahmen, oder ein Portrait. Sie soll „packend“ sein, damit sie verkauft wird.

Ich bin keine Journalistin, habe aber eine grobe Ahnung vom Auftrag der journalistischen Ethik und der Verantwortung, die man trägt, wenn man über etwas schreibt, das in manchen Bereichen stellvertretend veröffentlicht wird. Man unterstreicht die allgemeinen Gemeinsamkeiten und zeichnet die individuelle Ausprägung als so individuell, wie sie ist.

Es ist bekannt, dass alle Menschen dissoziieren. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute. Unser Gehirn funktioniert in der Hinsicht ganz basal gleich.
Es ist bekannt, dass jeder Mensch, im Laufe seines Lebens das Verhalten anderer Menschen studiert und introjeziert. Das ist Teil der menschlichen Entwicklung und evolutionär bewährt. Beobachten, bewerten, imitieren. Ebenfalls ganz basal gleich.
Es ist bekannt, dass Schmerz schmerzt und vermieden werden will.
Und es ist bekannt, dass jeder Mensch subjektiv bewertet und verschieden (re-) agiert.

Mehr braucht es eigentlich nicht zu wissen, wenn man vernünftig über etwas schreiben will, was bei sich selbst los ist und von anderen Menschen verstanden werden soll.
Ich sitze hier und mache das große: „YES!“, wenn mir jemand ohne DIS schreibt, er kenne dies und das von sich und gehe damit so und so um. Weil es mir zeigt, dass er die Gleichheit für sich wahrgenommen hat und meine individuelle Wahrnehmung als solche von sich abgrenzen kann.
Für mich bietet sich dann die Chance zu beobachten, zu bewerten und vielleicht zu imitieren. Heißt, einen neuen vielleicht hilfreichen Umgang mit Dingen zu lernen.

Ein großes schlimmes Ding an Traumafolgestörungen ist die Einsamkeit. Das Gefühl aufgrund seiner Erfahrungen- die man selbst ganz allein erfuhr, über die man nicht sprechen will/ kann/ darf- ; dem subjektiven Leiden darunter und der persönlichen Reaktion/Kompensation in Bezug darauf „anders zu sein, als die Anderen“. Ungleich zu sein.

Mir sind schon Menschen begegnet, die diese Ungleichheit für sich wichtig finden, gleichzeitig jedoch verzweifelt sind, über ihre Einsamkeit.
Das Gefühl besonders zu sein, ist ja auch ein Schönes. Man hebt sich ab, spürt seine Individualität sehr deutlich. Ist von anderen Menschen abgetrennt.
Wenn ich etwas Besonderes erschaffe, habe ich natürlich auch den Wunsch, dass es als so besonders wahrgenommen wird, wie ich es empfinde. So wie hier mein Blog. Er ist Freiheitspraxis deluxe mit Glitzersteinchen drauf. Jeden Tag aufs Neue. Ich gebe mir viel Mühe beim Schreiben und Suchen von Themen. Es ist ein schönes Gefühl, wenn ich dann unter den Artikeln die Bilder von anderen BloggerInnen sehe, denen der Artikel gefällt. Oder wenn meine Statistik Beulen bekommt, weil es Artikel gibt, die von vielen Menschen gelesen werden. Oder wenn ich viele Rückmeldungen bekomme, die Dank, Verständnis und Lob ausdrücken. Hach!
Ich bin aber nicht der Typ, der gern von anderen Menschen abgegrenzt ist.

Für mich bedeutet „anders sein“ von je her direkte Gefühle von existenzieller Bedrohung. Als Kind gab es die Notwendigkeit von Gleichheit mit den Menschen, von denen ich abhängig war, um nicht zu sterben. Als Jugendliche gab es die Notwendigkeit von Verhaltenskongruenz, um nicht von Heim zu Heim, von Klinik zu Klinik abgeschoben zu werden und heute, als Erwachsene, suche ich die Kongruenz, um mich, wie andere Menschen auch, selbst zu versorgen und meine Bedürfnisse zu befriedigen.

Gleichheit bedeutet für mich Sicherheit auf vielen Ebenen.
Werde ich hervorgehoben, als „anders“ dargestellt, spüre ich direkt den Drang, meine Gleichheit mit anderen Menschen auf allen Ebenen, neben dem „Besonderen“ zu unterstreichen.
Neulich kam eine Email von jemandem, der schrieb, ich sei jemand ganz Besonderes, weil ich hier schreibe. Ich schickte ihm den Link zu WordPress.com und antwortete: „Meld dich an, machs dir nett und du „bist“ auch so besonders.486908_web_R_K_by_sokaeiko_pixelio.de Danke, dass du mein Schreiben, als besonders empfindest. Aber mein Sein, ist es nicht.“. 

Ich habe eine dissoziative Identitätsstruktur. Nehme mich und die Umwelt anders wahr, als andere Menschen. Trotzdem bin ich ein Mensch, wie sie auch.

Das so zu fühlen ist für mich immer wieder wichtig und schön. Vor allem, wenn meine Umwelt mir dabei hilft.

der Rosenblätterhulk marschiert wieder

Willkommen zum neusten Durchbruch des Rosenblätterhulks, welcher von „Wie kann man nur so blind sein?!“ skandierenden Rosenblättern durch den Blogartikel begleitet wird.

Heute wurde der neuste Arzneimittelreport der BARMER GEK veröffentlicht.
Uh- ja es gibt einen Anstieg von 41% bei der Verordnung von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen! Huch jeder zweite Senior zwischen 80 und 94 Jahren ist von Polypharmazie betroffen!
Oh mein G’TT !!! Wer hätte das denn ahnen können!!! Oh nein!!!

Wir brauchen ganz doll dringend eine elektronische Vernetzung der Ärzte!!!! Ganz doll schnell verdammt, sonst…. DA DA DA DAAAAAAA könnte jemand auf die Idee kommen, die Ärzte, Pfleger- oder… oh my fucking G’dness DIE PATIENTEN SELBST zu unterstützen und sich den Faktoren für steigende Arzneimitteltherapieverordnungen selbst widmen!

Wir könnten die Mediziner noch mehr ausbeuten, indem wir sie noch effizienter (heißt schneller schneller schneller) zu arbeiten zwingen. Wir könnten von „technischem Versagen“ sprechen und nicht von einem medizinischen Kunstfehler, wenn aufgrund der Wechsel- und Nebenwirkungen von Medikamenten ein Mensch verstirbt. Ach und nebenbei könnten wir auch noch viel besser den Patienten mangelnde Mitarbeit und/ oder riskantes Verhalten beweisen, wenn es ihnen nach einer bestimmten Zeit mit ihrer Erkrankung nicht besser geht! So sparen wir viel mehr Geld im Bereich der Heilbehandlungen!

Nur in den Pflegeheimen, da müssen wir uns etwas überlegen. Ist ja immer medizinisch begründet, wenn Menschen mit Demenz mit Benzodiazepinen und Neuroleptika abgefüllt werden. Die sind ja dement und nicht etwa zusätzlich noch posttraumatisch belastet und in Unterkünften, die gerade mal eben so eine Grundversorgung schaffen. Da so mit einer examinierten Pflegekraft, einer Aushilfe und einer studentischen Hilfskraft auf der 25 Bettenstation…

Boa Leute echt mal. Das kann doch nicht wahr sein!

Da wird erst mal gleich zu Beginn, am Anfang von allem, einem Wirtschaftsunternehmen die Aufgabe der medizinischen und krankheitstherapeutischen Grundversorgung von Menschen zugetragen. Fail Nummer eins. Gesundheit dürfte nichts kosten! Genauso wenig, wie sauberes Trinkwasser (Hint: Nestlé) und ein Dach über dem Kopf (Hint: Wohnungsknappheit durch Bevorzugung bei der Baugenehmigung von Luxushäusern).

Und dann gibt man ihnen auch noch so viel Raum, dass sie sich aufgrund dieser Monopolposition als Allwissende über sämtliche Faktoren, die eine Medikation oder Heilbehandlung nötig macht, stellen kann.

Verdammt nochmal- es liegt nicht an zunehmenden Krankheiten oder der Zunahme von Diagnosestellungen, die zu steigender Arzneimittelverordnung führen (immerhin wurde dies im Artikel auch erwähnt). Es liegt an beschissener Versorgung und ausreichender- konstant und gründlich durchgeführter- Hilfe!

Wie soll sie denn auch passieren, wenn immer knapper kalkuliert wird, um die Gier an der Konzernspitze zu befriedigen?! Sowohl bei den Geldgebern, als auch an den Konzernspitzen der Geldnehmer!

Nehmen wir mal an, ein Arzt bräuchte für seine kleine Praxis nicht um die 150 Patienten um seine Praxis so zu führen, dass er sich ausreichend weiterbilden und selbst ernähren kann. (Ich weiß nicht wie viele Patienten ein Arzt tatsächlich braucht- es ist fiktives Modell, dass ich hier darlege)
Sagen wir, er bräuchte nur noch die Hälfte. Er hätte doppelt so viel Zeit, sich der Anamnese zu widmen, hätte doppelt soviel Zeit sich die Akte des Patienten durchzulesen  Hätte doppelt soviel Zeit sich die Rote Liste vorzunehmen und eine Arzneimitteltherapie so risikoarm wie möglich zusammenzustellen.
Er hätte sogar die Möglichkeit seine Patienten ohne Medikamente zu versorgen, sondern bei der Änderung ihrer Lebensumstände hilfreich zu sein. Er hätte die Zeit sich mit den anderen BehandlerInnen über seinen Patienten auszutauschen und abzustimmen.

Meiner Meinung nach, würde ein elektronisches Datennetz zum Patienten dazu führen, dass der Arzt selbst im Grunde genommen nur noch dazu da wäre, die Symptome seiner Patienten in einen Computer einzugeben. Und selbst das, könnten die Patienten im Wartezimmer in vielen Fällen bereits allein tun, in dem man ihnen einen Ankreuzdatensatz vorlegt.
Der Arzt würde zum Rezepteschreiber degradiert- noch einmal mehr, als er es heute oft genug bereits ist.

Beispiel?
Meine Neurologin und mein Hausarzt zum Beispiel.
Ich ging zu meinem Hausarzt, saß 5 Minuten da und sagte ihm, dass ich in der Psychiatrie auf das typische Traumatriple ABN (Antidepressiva, Benzodiazepine und Neuroleptika)  eingestellt wurde und laut Klinik eine Folgebehandlung nötig sei. Er hatte nicht die Zeit eine weitere Anamnese zu erstellen, außerdem fällt die psychiatrische Behandlung von Patienten in den Fachbereich der Neurologen/ Psychiater. Er fragte nach dem Namen der Mittel und schrieb sie auf. Dann fragte er nach sonstigen Erkrankungen. Ich gab an allergisch auf Penicillin zu reagieren, am Reizdarmsyndrom zu leiden und leichten Heuschnupfen zu haben, sowie zu somatoformen Dissoziationssymptomen zu neigen.
So- für ihn war alles klar. Ich bin psychisch krank- nicht sein Fachgebiet- Überweisung und fertig.

Meine Neurologin, nahm meine Klinikzettel entgegen und verschrieb mir durchgehend ein Mittel, das mir als Nebenwirkung Krampfanfälle verursachte. Ich ging damit in eine Klinik, die auf epileptoforme Erkrankungen spezialisiert ist. Diese gab mir einen Zettel für die Psychiaterin mit auf dem stand, ich hätte keine Epilepsie, sondern dissoziative Krampfanfälle.

Meine Psychiaterin schrieb mir dies auf einen Zettel für die Psychotherapeutin.
Ich fand heraus, das meine Krampfanfälle aber keinen seelischen Effekt hatten (wie es typisch für dissoziative Krampfanfälle ist). Also ging ich zu meinem Hausarzt und sagte ihm, dass ich mir unsicher in Bezug auf meine Medikation sei und dringend einen Rat brauchte, wo ich zu Informationen dazu komme. Ich sagte ihm, dass ich an eine Wechselwirkung mit den verschiedenen Psychopillen glaube.
Mein Hausarzt hatte 5 Minuten für mich. Zu wenig die rote Liste zu studieren und festzustellen, dass daran tatsächlich etwas dran sein könnte. Meine Neurologin hatte 10 Minuten für mich. Zu wenig, um dies zu tun, denn etwa 8 Minuten brauchte ich, ihr alle Zusammenhänge zu erklären und zu formulieren, was meine Gedanken dazu waren. Meine Behandlungszeit ging für die Zusammenfassung meiner Behandlung durch 3 verschiedene BehandlerInnen drauf!
Meine Psychotherapeutin hatte 50 Minuten für mich, in denen sie mich anhörte und das Gespräch beenden musste mit: „Sprechen Sie mit ihrem Arzt darüber.“.

Natürlich hätte ich davon profitiert, wenn es eine zentral abrufbare Akte für mich gegeben hätte. Aber ich hätte genauso davon profitiert, wenn sich meine BehandlerInnen ausführlich und vernünftig mit meinem Fall hätten auseinandersetzen können. Nämlich mit Zeit, die sie auch vernünftig bezahlt bekommen hätten.

Und ganz ganz klar, kann ich heute sagen, dass ich keines der Medikamente überhaupt je wirklich gebraucht hätte, hätte es bereits in der psychiatrischen Klinik Zeit und Ressourcen gegeben, die mir den Umgang meiner Traumafolgestörung ohne Medikamente vermittelten.

Ich persönlich hätte überhaupt nie in die Klinik gemusst, wenn es in den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen Zeit und Ressourcen gegeben hätte, meine Hölle von Kindheit zu verarbeiten.

Ich hätte überhaupt nie in eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung gemusst, wenn mir nie Gewalt und Ausbeutung passiert wäre!

Mir wäre nie Gewalt und Ausbeutung geschehen, wenn es keine Profiteure und Geld als Garant für Sicherheit und Machtbefriedigung gäbe.

Und so schließt sich der Kreis.108423_web_R_by_Claudia Hautumm_pixelio.de
Er wird sich nichts verändern mit elektronischer Patienten- oder Behandlungsüberwachung. Er wird nur besser organisiert, verschleiert und verschärft die wahren Probleme, die hinter Massenmedikationen stecken.

Es ist wieder ein Versuch sich vor der wirklichen Aufgabe als Unternehmen mit Gesundheitsdienstleistungen kostengünstig zu verkriechen.
Ein Ding, das den Rosenblätterhulk marschieren lässt.

Wir werden in der nächsten Zeit immer mehr Ergebnisse dieser Studie in den Massenmedien lesen und wir werden wieder erleben, dass in diesen Artikeln nicht von Zeitnot der MedizinerInnen gesprochen wird. Dass nicht davon gesprochen wird, dass Angehörige gezwungen sind, ihre dementen Familienmitglieder in Heime bringen zu müssen, weil sie selbst arbeiten und zu Recht um ihre Existenz und Kraft fürchten müssen, wenn sie sie zu Hause pflegen müssten. Wir werden nicht davon lesen, dass Eltern so eine Angst um die Zukunft ihrer Kinder haben, dass sie ihrem „Zappelphillip“ Medikamente geben, um ihm Chancen zu erhöhen in der Gesellschaft zurecht zu kommen. Wir werden nicht davon lesen, dass nur 10% der Menschen, die eine psychiatrische Diagnose haben, überhaupt eine Chance auf eine richtige Behandlung haben. Wir werden wieder nichts davon lesen, dass es ein Klima der Angst um Leib und Leben ist, von dem unsere „Gesundheitskassen“ profitieren.

Wir werden nur lesen, dass das bestehende Elend besser organisiert werden muss.
Machen wir nicht Fehler, dies zu glauben!

der Bostoner Marathon und die PTBS durch Fernsehbilder

„und dann ist da dieser Moment in dem ich froh bin, kein TV zu konsumieren. Es ist als sei das Grauen sehr fern- so fern wie es real fern ist“

Als am 11. 9. 2001 das zweite Flugzeug ins World Trade Centre hineinflog, war ich mit Millionen anderen Menschen live auf der ganzen Welt dabei. Wir sahen alle verzweifelte Menschen in den Tod springen. Wir waren gefangen in den wild hin und herschwenkenden Bildern der Livereporter am Unglücksort. Sahen von oben bis unten mit Staub bedeckte Menschen hilflos und verwirrt durch die Straßen voller Schutt um ihr Leben laufen.

Es war ein Schock und ein Ereignis, das den Lauf der Dinge veränderte.
Doch nicht alles hat sich verändert.

Am Montag um 2:56 Uhr (nach Bostoner Ortszeit) explodierten nahe des Bostoner Marathonziels mehrere Sprengsätze. Verschiedenen Medienberichten zufolge, starben mindestens 2 Menschen und wurden ca. 110 weitere verletzt. Der Präsident spricht. Bei Twitter wird für die Menschen gebetet und die Medien berichten.

Und zeigen wieder Fotos und Videos von schwerverletzten Menschen und auch den Toten.

Nein, sie haben es nicht gelernt.
Nein, die amerikanische Presse hat aus den Fehlern der Vergangenheit noch immer nicht gelernt.

Fernsehbilder können ebenso traumatisieren wie das unmittelbare Erleben eines aversiven Ereignisses. Zu diesem Ergebnis kommt ein US-amerikanisches Forscherteam, nachdem es über 2 000 New Yorker vier Monate nach den Ereignissen des 11. September 2001 interviewt hatte. Die Befragten hielten sich an diesem und in den folgenden Tagen in New York auf und verfolgten die Geschehnisse teilweise tagelang am Fernseher mit. Viele hatten Angehörige und Bekannte unter den Opfern. „Befragte, die besonders lange vor dem Fernseher saßen und die erschütternden Szenen immer wieder sahen, entwickelten mehr als doppelt so häufig Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) wie Befragte, die weniger fernsahen“, sagen die Forscher. Doch nicht nur die Dauer des Fernsehens, sondern auch die Art der Bilder beeinflusste das Risiko, in der nachfolgenden Zeit an PTBS-Symptomen zu erkranken. Schockierende Details von Explosionen, schreienden Verletzten, verzweifelten Rettungsbemühungen, Leichenteilen, Bränden und Menschen, die aus den Twin Towers stürzten, lösten Panikattacken bei den Zuschauern aus und gruben sich in ihr emotionales Gedächtnis ein. Besonders involviert fühlten sich die Zuschauer, wenn sie jemanden unter den Opfern und Verletzten erkannten. TV-Zusammenfassungen von den Ereignissen und Szenen, aus denen die blutigen Details herausgeschnitten waren, hatten hingegen weniger destruktive Wirkungen und konnten von den Zuschauern eher verkraftet werden. ms
Ahern J et al.: Television Images and Probable Posttraumatic Stress Disorder After September 11. The Journal of Nervous and Mental Disease 2004; 3: 217–226.
Dr. Sandro Galea, Center for Urban Epidemiologic
Studies, Room 556, New York Academy of Medicine, 1216 Fifth Avenue, New York, NY 10029–5283
(Quelle)

Die Studien sind bekannt. In jedem Jahr seit 9/11 werden um den Gedenktag herum, Menschen zu dem Tag interviewt. Werden befragt, wie es ihnen heute geht, es werden Studien vorgetragen und viele schlaue Menschen referieren über PTBS und Traumafolgestörungen.
Seit Jahren redet man sich den Mund fusselig. Nach jedem Krieg, nach jedem großen Unglück, werden alte und neue Erkenntnisse auf einen Haufen geworfen um Verstehen und Veränderung zu ermöglichen.

Doch was passiert?

Bei Hunden, heißt es, braucht es etwa 100 positive Abläufe bis sie einen Befehl korrekt, auch ohne direkte Belohnung, umsetzen. Wie viele Massaker, Schulamokläufe, Terroranschläge, Kriege und Katastrophen braucht die Medienlandschaft von Amerika noch, um seine journalistische Praxis zu überdenken?
Welches ist das richtige Leckerli, wenn die Belohnung nichts weiter ist, als ein paar Menschen weniger, die eine akute Belastungsreaktion entwickeln, weil sie stets und ständig mit dem Grauen in ihren Medien konfrontiert sind?

In Amerika öffentlich zu stillen bringt Mütter unter Umständen sogar ins Gefängnis.
„Nippelgate“ war ein Skandal, weil man die geschmückte Brustwarze von Janet Jackson beim Superbowl sah.
Tragen Stars keine Unterwäsche werden kleine Sternchen u.Ä. vor ihre Scham bearbeitet.

Die Leiche eines kleinen Kindes in seinem eigenen Blut aber, wandert in Null Komma Nichts im heimischen Wohnzimmer, genauso wie die offene Beinfraktur eines Bombenanschlagopfers.

Es ist absurd.
Und ich hoffe,dass sich in Amerika genau jetzt, zeitgleich mit mir, viele andere Blogger genau auch darüber aufregen und ihre Medien zur Änderung ihrer Richtlinien auffordern.

Was geschehen ist, ist schrecklich. Es ist furchtbar und jeder Mensch mit Herz, wünscht den Menschen dort nun alles was sie brauchen, um sich zu erholen und verarbeiten was ihnen heute geschehen ist.
Doch damit sie dabei Hilfe haben, sollten sie von Menschen umgeben sein, die nicht auch noch Fernsehbilder wie diese von heute verarbeiten müssen.

Das ist doch das Mindeste, wobei die Medien noch mithelfen könnten, oder?

 

 

 

für die Toten und alle, die sich gerade fragen, ob es für sie je wieder Licht im Herzen geben kann

614177_web_R_K_B_by_Rosel Eckstein_pixelio.de